Zum Inhalt der Seite

Echo

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Viel Spaß beim Lesen von Kapitel 4! :) Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

4

IV |
 

Der Morgen brach an, angekündigt vom hellen Zwitschern eines Vogels – einer Nachtigall vielleicht – lange bevor die ersten goldenen Strahlen der aufgehenden Sonne durch die zerbrochenen Fensterscheiben der kleinen Hütte fielen. Fai mochte diese Zeit des Tages am liebsten, wenn es noch immer dunkel war, doch die Nacht bereits schwand. Es war jener Zeitpunkt, an dem er langsam ausatmete und die düsteren Träume und Gedanken, die in der Finsternis lauerten, hinter sich ließ um den neuen Tag mit all seinem Licht, seiner Geschäftigkeit und seinen Ablenkungen zu begrüßen. Doch an diesem Morgen hatte er sich zu früh gefreut, denn auch als die Sonne schließlich aufgegangen war, bedeckten wie schon am Vortag graue Wolken den Himmel und es begann bald darauf zu regnen. Ein eisiger Windzug fuhr durch die zerbrochene Fensterscheibe herein und trug den Geruch von feuchtem Gras und nassem Laub in die Hütte. Fai zog fröstelnd den Mantel enger um sich. Das lange, reglose Sitzen auf dem kalten Boden mit dem Rücken zum kalten Mauerwerk hatte seine Glieder steif werden lassen. Er versuchte leise und vorsichtig aufzustehen um die eingeschlafenen Muskeln ein wenig zu lockern, doch der stechende Schmerz in seinem Bein ließ ihn das Vorhaben sofort abbrechen. Er biss die Zähne zusammen um ein Keuchen zu unterdrücken, denn er wollte Kurogane um keinen Preis wecken, und ließ sich gegen die Wand zurücksinken.
 

Doch Kurogane war bereits wach und hatte Fais kläglichen Versuch Aufzustehen unter zusammengezogenen Brauen hervor skeptisch beobachtet. „Alles in Ordnung, huh?“ Der sarkastische Ton in seiner Stimme war kaum zu überhören. Fai wandte überrascht den Kopf zu ihm um und sobald seine Augen auf die Kuroganes trafen war dieses Lächeln auf seinen Lippen. Dieses leere, zwanglose Lächeln, das in so groteskem Widerspruch zu dem Schrecken stand, der sich in den kobaltblauen Augen spiegelte. Kurogane verabscheute diese Lächeln und musste jedes Mal wenn er es zu sehen bekam gegen den Drang ankämpfen Fai die Faust ins Gesicht zu schlagen. Es war das Lächeln, das Fai immer dann aufsetzte, wenn er etwas verbergen wollte, was so oft vorkam, dass es bereits als Dauerzustand gelten konnte. Kurogane konnte beim besten Willen nicht begreifen, warum der Magier offensichtlich das dringende Bedürfnis hatte sein wahres Gesicht hinter dieser Maske zu verbergen und ihn in allen Angelegenheiten zu belügen, anstatt auch nur ein einziges Mal ehrlich zu sein. Es war eine Sache, dass er nicht über seine Vergangenheit sprechen wollte und sich bei allem was damit in Verbindung stand, einschließlich seiner magischen Fähigkeiten, in Schweigen hüllte, doch eine völlig andere, wenn es um Verletzungen ging. Sein schweigen würde sie eines Tages noch alle in Gefahr bringen.
 

„Vielleicht ist doch nicht alles ganz in Ordnung,“ gab Fai scheinbar unbekümmert zu, das Lächeln hartnäckig auf seinen Lippen fixiert. Kurogane antwortete nicht. Er zwang sich dazu ruhig zu bleiben, stand auf und nahm das Schwert in die Hand, das neben ihm an der Wand gelehnt hatte. „Ich schau mich einmal in den anderen Hütten um, vielleicht findet sich etwas Brauchbares.“ Ohne auf Fais Zustimmung zu warten verließ er die Hütte und ging hinaus in den Regen. Fai blieb alleine zurück mit der Stille, dem Knistern des Feuers und dem Prasseln des Regens. Er lehnte den Kopf zurück gegen das kühle Mauerwerk und schloss die Augen. Seine Lippen bildeten eine blasse Linie.
 

Als Kurogane zurückkehrte, den Arm voller Dinge, die ihnen von Nutzen sein könnten, war Fai offenbar eingeschlafen. Es war ihm leicht anzusehen, denn der Ausdruck in seinem Gesicht war so entspannt und friedlich wie es nur selten vorkam. Es war ein ungewöhnlicher Anblick, denn normalerweise hatte Fai einen sehr unruhigen Schlaf. Kurogane, der mehr als einmal gezwungen gewesen war sich mit ihm ein Zimmer zu teilen, hatte in unzähligen Nächten beobachtet, wie sich der Magier im Schlaf unruhig herum wälzte und unverständlich vor sich hin murmelte, als plagten ihn schreckliche Albträume. Das Seltsamste dabei war, dass Fai von Zeit zu Zeit seinen eigenen Namen rief, als gehöre er einem anderen. Kurogane hatte ihn niemals darauf angesprochen. Er kannte seinen Gefährten inzwischen gut genug um zu wissen, wie ein solches Gespräch aussehen würde: Fai würde sein falsches Lächeln aufsetzten – dieses verdammte, verhasste Lächeln – und der Frage mit irgendeiner Belanglosigkeit und einem seiner lächerlichen Spitznamen, die einzig und alleine dem Zweck dienten Kurogane abzulenken, ausweichen, so wie er es immer tat. Er würde lügen und Kurogane würde ihn dafür hassen. Er kannte das Spiel inzwischen nur allzu gut.
 

Kurogane gab sich Mühe keine lauten Geräusche zu machen, als er seine Schätze auf dem Boden der Hütte nahe dem Feuer ausbreitete: ein alter, verbeulter Topf, ein Keramikkrug, der bis auf eine Kerbe an der Öffnung völlig intakt zu sein schien, ein fransiges Stück Seil und einen langen, schlanken Stock, den Kurogane so hin schob, dass Fai ihn mit der Hand erreichen konnte, sobald er aufwachte. Er verließ die Hütte wieder und begab sich in Richtung des Waldes. Er machte sich keine Sorgen um Fais Sicherheit, denn wenn der Magier wollte, konnte er sich verteidigen, zu diesem Zweck hatte er den Stock dagelassen und wenn der nicht ausreichte, sollte Fai gefälligst seine Magie nutzen. Dazu war er ja offensichtlich durchaus imstande, wie er bei ihrer Flucht aus Recort eindeutig beweisen hatte. Ein anderes Thema über das der Magier nicht gewillt war zu sprechen, wie Kurogane bereits bei ihrer Ankunft in dieser Welt festgestellt hatte. Fai hatte ihn diesbezüglich geradeheraus belogen.
 

Im Schatten der Bäume, deren dichtes Blattwerk ihn vor dem gröbsten Regen abschirmte, hielt Kurogane Ausschau nach möglichen Nahrungsmitteln – ob nun Pilze, Beeren, genießbare Wurzel, Kräuter oder Wild, ihm war alles recht – und nach Spuren der gespenstischen Kreaturen, denen sie in der vergangenen Nacht begegnet waren. Zwischen gefallenen Blättern, Ästen, wilden Farnen und knorrigen Wurzeln fand er jedoch weder einen Hinweis auf die seltsamen Monster, noch auf ihre verschollenen Reisegefährten. Es schien, als wäre diese Welt ganz und gar verlassen.
 

Kurogane war bereits eine ganze Weile unterwegs – es mussten mehrere Stunden vergangen sein – als er beschloss umzukehren und zu nachzusehen, ob Fai inzwischen wieder wach war. Er hatte aus dem Schal, der zu seiner Kleidung aus Recort gehörte, ein Bündel geknotet in das er alles Essbare gelegt hatte, das er hatte finden können. Es würde genug sein um in dem alten Topf, den er am Morgen gefunden hatte, eine Suppe zu kochen. Mit etwas Glück könnte ihm auf dem Heimweg noch ein Hase oder etwas ähnliches begegnen. Kurogane legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf um am Stand der Sonne die ungefähre Zeit zu bestimmen, doch das dichte Blattwerk der Bäume gab keinen freien Blick auf den Himmel. Selbst wenn, waren da noch immer die dicken Regenwolken, die seit dem Morgen wohl kein Stück weitergezogen waren, auch wenn es inzwischen aufgehört hatte zu regnen.
 

Kurogane drehte sich um und hielt inne. Sein Blick streifte dorniges Gestrüpp, Wurzeln und Gräser, die zwischen abgebrochenen Ästen emporragten. Das war nicht der Weg den er gekommen war, oder doch? Er musste wohl tiefer in den Wald vorgedrungen sein, als ihm bewusst gewesen war. Als er sich weiter umsah, wurde ihm allmählich klar, dass er nicht die geringste Ahnung hatte aus welcher Richtung er gekommen war und wohin es zurück zum Dorf ging. Er drehte sich einmal im Kreis, doch die Bäume um ihn herum sahen alle gleich aus und keine Richtung kam ihm bekannt vor. Er suchte nach seinen eigenen Spuren, doch er konnte nicht einmal einen abgeknickten Zweig entdecken, dabei war es nahezu unmöglich gewesen durch die Büsche und das dichte Unterholz zu dringen ohne welche zu hinterlassen. Auch der moosige, weiche Waldboden bot ihm keine Anhaltspunkte. Es herrschte vollkommene Stille, der Wind war eingeschlafen und das sorglose Zwitschern der Vögel, das er sicher noch vor wenigen Minuten gehört hatte, verstummt. Nur das Tropfen von den nassen Blättern, die sich mit Regenwasser angefüllt hatten, hallte dumpf in der unheimlichen Stille. Mit einem Mal wirkte der Wald viel dunkler als zuvor, das Licht gedämpft, als hätte bereits die Abenddämmerung eingesetzt, doch dazu musste es eigentlich noch viel zu früh sein. Kurogane legte die Stirn in Falten und zwang sich ruhig nachzudenken. Sein Orientierungssinn war unter normalen Umständen absolut zuverlässig. Er hatte sich noch nie verirrt.
 

Kurogane schloss die Augen um sich besser auf seine Wahrnehmung konzentrieren zu können, doch er vernahm kein einziges Geräusch und zu seiner Verwunderung auch nicht das geringste Anzeichen von Leben. Die Pflanzen und Bäume um ihn herum wirkten wie hohle Schatten ganz ähnlich den wolfsartigen Kreaturen in der vergangenen Nacht. Er spürte weder die Präsenz von Vögeln, Insekten noch der anderen Waldbewohner. Kurogane spannte seine Muskeln. Etwas stimmte nicht mit diesem Wald, nein, mit dieser ganzen Welt.
 

Als Kurogane plötzlich ein Knacken im Unterholz etwa fünf Schritte hinter sich hörte, öffnete er die Augen und fuhr mit dem blank gezogenen Schwert in der Hand herum. Seine Augen suchten mit raschem, scharfen Blick den Waldboden ab und die dornigen Büsche, die zwischen den knorrigen Wurzeln der dicken, massiven Baumstämme wuchsen. Doch dort war nichts. Dafür konnte er nun deutlich den Pfad im Unterholz erkennen, den er gekommen war. Der Wald wirkte heller als nur wenige Augenblicke zuvor, es gab keinerlei Zeichen dafür, dass die Abenddämmerung bereits eingesetzt hatte. Das fröhliche Gezwitscher der Vögel und das Zirpen von Grillen untermalte die natürliche Stille. Hoch oben fuhr der Wind durch das Geäst der Bäume und brachte die Blätter zum Rascheln.
 

Kurogane schüttelte langsam den Kopf und sah sich ein letztes Mal zweifelnd um. Hatte ihm sein eigener Verstand einen Streich gespielt? Hatte er sich all das nur eingebildet? Vielleicht hätte er es Fai gleichtun sollen und noch etwas von dem in der letzten Nacht verpassten Schlaf nachholen. Ein ungutes Gefühl blieb als er sich schließlich auf den Rückweg machte und nagte an ihm bis er aus den Schatten des Waldes heraustrat. Er bahnte sich seinen Weg durch das hohe Gras zurück in das verlassene Dorf. Er mochte diese Welt nicht. Auf den ersten Blick wirkte sie friedlich, doch etwas sagte ihm, dass sie besser bald von hier verschwinden sollten. Er hoffte inständig, dass es Fais Bein inzwischen schon besser ging, so dass sie sich schnell wieder auf die Suche nach den anderen machen konnten.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Etwas kürzer, aber ich hoffe, Kapitel 4 hat euch gefallen! :) Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Lady_Ocean
2015-05-15T14:28:01+00:00 15.05.2015 16:28
Das war bestimmt irgendetwas Magisches, das diese Welt entweder an sich hat oder ein Wesen, das in ihr lebt, das Kurogane versucht hat, in eine Falle zu locken. Kurogane hat sich mit dem Weg ganz sicher nicht geirrt. Nicht nur, dass seine eigenen Spuren verschwunden waren, auch der Kampf in der vorangegangenen Nacht hätte eigentlich eine ziemliche Verwüstung anrichten müssen, so dass Kurogane diesen Ort problemlos hätte wiederfinden können. Wahrscheinlich war er sogar dort vorbei gekommen und hat es nicht bemerkt, weil dieses Etwas seine Spuren verwischt hat.
Vielleicht war es Fye, von dem das Knacken ausgegangen war, das er plötzlich in der Nähe gehört hatte? Wenn irgendwo Magie im Spiel ist, dann merkt er es ganz sicher. Andererseits wird er seine Präsenz sicher nicht so perfekt in Kuroganes Nähe verbergen können, wenn er nicht ganz ernsthaft eine bedeutende Menge Magie einsetzt. Und ich denke, das wäre er nicht bereit gewesen zu tun, bloß um unbemerkt zu bleiben. Da hätte eher ein unbedachtes "Kuro-wan, hier steckst du also!" oder Ähnliches zu ihm gepasst. Und so oder so ist es fraglich, ob sein Fuß ihm erlaubt hätte, so tief in den Wald vorzudringen. Der scheint immer schlimmer zu werden, wenn er jetzt am Morgen nicht mal mehr auftreten konnte. So gesehen könnte es auch etwas Anderes gewesen sein, was Kurogane aus diesem Zauber befreit hat. Vielleicht auch seine eigene mentale Kraft, seine Konzentration, die es gerade so geschafft hat, diesen Nebel, der seine Sinne zu umschließen gedroht hatte, zu durchbrechen? Oder da ist noch jemand oder etwas, was ihm und Fye nicht feindlich gesinnt ist.

Mal sehen, ob das nächste Kapitel wieder aus Fyes Sicht ist. Dann erfährt man sicher mehr über den Zustand des Beins. Wenn Kurogane nicht da ist, ist das für Fye jedenfalls auch eine gute Gelegenheit, sich das mal genauer anzusehen.
Antwort von:  Nordwind
16.05.2015 15:34
Ich finde es immer total spannend die Vermutungen von Lesern zum Geschehen in meinen Geschichten zu lesen oder an welchen Details besonderes Interesse besteht! :D Worauf ich jetzt nicht weiter eingehen werde um nicht zu spoilern. Das nächste Kapitel wird allerdings wenig Aufklärung, dafür aber eine (hoffentlich) spannende Konfrontation bringen. ;)

Vielen Dank fürs Lesen und dafür, dass du deinen Gedanken zur Geschichte teilst! :)
Antwort von:  Lady_Ocean
16.05.2015 16:03
Finde ich auch gut, wenn du mir nicht alles vorher verrätst. :) Ich teile gern meine Gedanken, was mir so auffällt und so, aber trotzdem möchte ich für mich allein entdecken, wie alles aufgelöst wird. ^^


Zurück