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Von Tagen und Nächten

von

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[14] - »Nachtwache.«

Distanziert.

Das prägte die ersten Nächte der gemeinsamen Fahrt.

Tagsüber, ob unter sich oder im Beisammensein mit den Jungs, sprachen sie miteinander. Zumeist Belangloses, dann über das Wetter oder welche Insel angesteuert wurde.

Nachts allerdings, wenn sich die Mannschaft zum Schlaf zurückzog, wurde eine merkwürdige, fast unüberbrückbare Distanz bemerkbar.

Nami hatte den Versuch gewagt. Von unscheinbaren Themen fand sie stets einen passenden Übergang, gab mehr preis von sich; hoffend, Robin würde es gleichtun.

Zwecklos; jedes Mal beendete ihre neue Zimmergenossin das Gespräch. Rasch, vielleicht zu rasch, hatte Nami aufgegeben und ließ die andere.

Als diese ihre erste Nachtwache hielt, nutzte Nami die Gunst der Stunde. Sorglos führte sie den Federkiel. Nachts, während die Jungs schliefen und der Schlaf ausblieb, bot sich das Kartenzeichnen an. Niemand würde sie stören.

Besser gesagt, keiner der Jungs. Vivis Anwesenheit hatte ihr nie etwas ausgemacht.

Robin war anders.

Abends, wenn sie beisammen waren, beschlich Nami stets das dumpfe Gefühl beobachtet zu werden, bei all ihren Handgriffen, bei jeder noch so erdenklichen Bewegung. Stets spürte sie das wachsame und so unergründliche Augenpaar im Nacken sitzend, das ihr schon den einen oder anderen Schauer über den Rücken gejagt hatte.

Vielleicht, so sagte sie sich dann, lag’s an der merkwürdigen Beziehung zueinander.

Vollkommen konträr zur Prinzessin. Vergleiche waren deplatziert, aber nach einer offenen und gefühlsbetonen Frau, wie Vivi war, die nachts liebend gerne in Erzählungen verfiel, die immer wieder die Nähe suchte, waren Nico Robins distanzierte Charakterzüge plötzlich ungewohnt fremd.

Denn all die tiefergehenden Gespräche blieben einseitig. Als ob niemand näher kommen durfte. Streng wurde eine Linie gezogen und diese Linie wurde streng eingehalten.
 

Zufrieden lehnte Nami zurück. Für die Nacht sollte die Arbeit nun ruhen. Das Aufhören schuldete sie nicht der Müdigkeit, denn bis auf eine überschaubare Mattheit, spürte sie nicht den Drang sich endlich ins Bett zu legen.

Prüfend schielte sie zur Uhr, suchte nach einer kurzen Orientierung. Weit nach zwei Uhr. Nur einen Wimpernschlag lang überlegte Nami, ehe sie aufstand, sich eine Jacke überstreifte und sich nach oben an Deck begab.
 

Frische Luft, die Beine vertreten dürfte bestimmt helfen.

Die kühle Brise schlug ihr entgegen. Bereits in den frühen Abendstunden waren die Temperaturen gesunken, die Nacht über hielt es natürlich an, aber nicht länger. Das spürte sie.

Es herrschte eine angenehme Ruhe, die zumeist nur in der Nacht, höchstens noch den frühen Morgenstunden vorhanden war, und tief atmete sie durch, lauschte dem beruhigenden Schlagen der Wellen, sanft nicht aufbrausend.

Der Mond spendete spärlich Sicht, aber an Bord dieses Schiffes bewegte sich Nami blind fort (Abgesehen vom Schlafbereich der Jungs, den sie liebend gern vermied; wenngleich sie hie und da ihre Stimmen hörte).

Inmitten der Treppe, schließlich wollte Nami auf einen Sprung zu ihren Orangenbäumen, blieb sie stehen. Bedacht glitt der Kopf in den Nacken, sie spähte konzentriert gen Ausguck. Oben harrte Robin die Nacht aus, die weder gehört noch irgendwie gesehen wurde.

Bei den Jungs war es anders.

Ob sie schliefen oder wach waren, erkannte die Frau sofort; sie alle wiesen eine besondere Eigenheit auf, was den Wachdienst anbelangte.

Da war Chopper, der kaum still ausharrte und lieber ewig auf und ab tapste.

Sanji zog gern Runden an Deck oder stand oben. Der Rauch war unverkennbar.

Zoro blieb selten wach, er döste oder schlief und schnarchte. Hie und da trainierte er.

Usopp und Luffy waren sich recht ähnlich. Der eine brabbelte von seinen tapferen Taten, der andere träumte von seinen schlemmerhaften Fantasien.

Und Robin? Ihre Eigenheit musste Nami erst herausfinden. Vermutlich unterschied sie sich nicht vom Bild, das sie tagsüber bot. Wach, ein Buch lesend. Nachdenklich neigte Nami den Kopf. Wann schlief die andere überhaupt? Bislang, so musste sie feststellen, hatte sie Robin noch nicht schlafend gesehen.

Durchatmend wandte sie sich den Orangebäumen zu.

Robin war anders.
 

Vorsichtig schälte Nami eine Orange und sie erinnerte sich an alte Tage zurück. An die Standpauken ihrer Schwester, wenn sie das Obst zu früh pflückte. Bellemere hatte lieber gelacht und erklärt, worauf sie denn zu achten hatte.

In der Früh, so dachte Nami, würde sie Sanji darum bitten die reifen Früchte zu verarbeiten, bestimmt machte er zum Mittagessen sogar ihre Lieblingssoße.

Während sie die ersten Stücke verzerrte, blieb ihr Blick an einer Orange hängen. Einen Gedanken später spähte sie bereits zum Mast. Sie könnte diese nehmen und nach oben bringen. Ein Art Eisbrecher.

Denn eine musste wach bleiben, die andere konnte nicht schlafen und mit jedem anderen hätte Nami vermutlich längst ein Gespräch angefangen.

Da es sich um Nico Robin handelte und Nami bislang noch nicht herausgefunden hatte, wann sie diese störte, blieb sie sitzen, aß ihre Orange und wartete auf das Anklopfen der Müdigkeit.
 

××
 

Der Ausflug zur Himmelsinsel wirkte manchmal wie ein Traum, wenn Robin nachts nach oben starrte. So fern.

Für sie war das Abenteuer weitaus mehr gewesen, als ein Nervenkitzel. Das gefundene Ponegplyph hatte ihr einen kleinen Fortschritt erbracht, aber in erster Linie brachte es ihr diese Mannschaft näher.

Sie war anders als alle, in denen sie zuvor untergetaucht war. Robin lernte, und das schürte eine tiefliegende Angst, dass das Reisen Freude machte, dass sie das Beisammensein mit anderen in vollsten Zügen genoss. Die Strohhutbande hatte sich in ihr Herz eingenistet.

Ein Anzeichen war, dass sie nachts vermehrt durchschlief. Diese Nacht hatte sie ein Buch um den Schlaf gebracht.

Ausgiebig streckte Robin ihre starr gewordenen Glieder. Ein Blick zur Uhr ließ die Frage aufkommen, ob sich drei Stunden auszahlten, um sich ins Bett zu begeben.

So entschied sie vorerst sich ans Deck zu begeben, frische Nachtluft zu atmen. Es hatte etwas Befreiendes an sich. Besonders nach dem Trubel der Tage und dem Fakt, dass das Schiff tagsüber wenig stille Rückzugsorte bot.

Die Navigatorin hielt Wache und Robin brauchte nur einen kurzen Blick zu riskieren, der sie süßlich lächeln ließ, ehe sie auf leisen Sohlen die Kombüse aufsuchte.

Summend setzte Robin Kaffee auf. Rascher als erwartet, aber wie sie es spekuliert hatte, hatte sie sich in diese Mannschaft eingefügt. Ruffy, der Koch und der Arzt waren die kleinste Sorge gewesen, mit ihnen auf der Seite, fiel auch die Skepsis des Schützen. Dem Schwertkämpfer musste sie länger beweisen, dass sie keine direkte Gefahr darstellte und die Himmelsinsel hatte das gezeigt.

Und dann war da die Navigatorin. Nicht, dass sie sich nicht ausstehen konnten, aber bemerkte Robin anfangs – trotz ihres Friedenangebots – hie und da eine Skepsis. Diese wich einer offensichtlichen Neugierde, die Robin nicht behagte. Die jüngere Frau versuchte in regelmäßigen Abständen, um immer wieder Freiraum zu geben, Informationen zu erlangen. Und wie sich Robin dagegen sträubte.

An manchen Tagen wurde sie beobachtet, als ob Robin die verstohlenen Blicke entgingen. Jedes Mal schien es als lag der Navigatorin etwas auf der Zunge, aber behielt sie die Worte lieber für sich.

Ein Umstand, der sich besserte. Robin behielt sich zwar das Recht, auszuweichen, doch ließ sie die Navigatorin näher.
 

»Hier, hält dich munter.« Den Kaffee hatte Robin nicht direkt für sich zubereitet. Das kurze Nachsehen hatte gezeigt, dass die jüngere Frau gegen die Müdigkeit kämpfte. Und neben der Kanne gab’s noch eine Kleinigkeit gegen etwaigen Hunger.

Ertappt hob die Navigatorin den Kopf an und auf das Tablett hin, erkannte Robin den überraschten Blick, den sie mit einem süßlichen Lächeln quittierte.

»Danke, hättest du nicht tun müssen.«

»Ich weiß.«

Die Überraschung wich, freudig zuckten die Mundwinkel und schon griffen ihre Hände nach Kanne und Tasse.

»Du wärst nicht so müde, hättest du dich tagsüber geschont.«

»Als ob. In anderen Nächten bin ich putzmunter, aber irgendwie hat die Nachtwache eine einschläfernde Wirkung auf mich.« Nachdem sie einen Schluck getrunken hatte, umfasste sie die Tasse mit beiden Händen. »Die Wärme tut gut.«

Robin hatte ihre Unterarme am Holz abgestützt, blickte hoch zum sternenklaren Himmel.

»Was ist?«, fragte sie nebenbei, spürte sie doch den auf sich ruhenden Blick.

»Bleibst du eine Weile? Oder hast du lediglich eine Pause gebraucht?«

»Ich hab Zeit«, antwortete Robin knapp und sank auf den Boden.

»Wir machen Fortschritte«, murmelte die Navigatorin.

»Inwiefern?«

»Vor Wochen wärst du nie und nimmer rauf gekommen.«

»So wie du es nicht getan hast.« Dann lächelte sie verschmitzt, griff nach der zweiten Tasse, die am Tablett stand. »Ich habe deine Anwesenheit durchaus mitbekommen und gesehen, wie du hie und da überlegt hast, mir Gesellschaft zu leisten.«

»Wundert dich mein Nichtstun? Du hast mir eher das Gefühl gegeben, ich würde dich stören.«

»Deine Neugierde.«

»Bitte?«

»Deine Neugierde«, wiederholte sie und nippte am Heißgetränk. »Anders als der Rest bist du neugierig und möchtest mehr erfahren.«

»Weil ich nichts von dir weiß, aber du?« Seufzend schloss die Navigatorin ihre Augen. »Du gibt’s mir das Gefühl, du durchschaust alles und dafür brauchst du lediglich das Nötigste. Ich will wissen, wer du bist.«

»Die, die vor dir sitzt.«

»Du bist unmöglich.«
 

××
 

»Sanji übertreibt!« Nami raufte sich die Haare. Seit sie Water Seven verlassen hatten und ein neues Schiff besaßen, hielten zwei Crewmitglieder Nachtwache. Seither sprachen sich Nami und Robin manchmal ab, teilten sich die Schicht.

»Er ist um unser Wohl besorgt«, gluckste Robin vergnügt und blieb vorerst bei einer Tasse Kaffee. Sanji hatte ihnen ein Nachtmahl zubereitet, das selbst für sie beide zu viel war. »Vielleicht hat unser Käpt’n eine nächtliche Hungerattacke.«

»Und? Was siehst du?«

»Gähnende Leere.«

Die Beziehung zueinander hatte sich schlagartig geändert. Schon nach der Stadt des Wassers hatte Nami die Veränderung bemerkt, seit Thriller Bark umso mehr. Robin wirkte entspannter, allen voran offener.

Mittlerweile durfte Nami Fragen stellen, die früher unweigerlich zur Abschottung geführt hätten. Was ein Ereignis auslöste. Oder wohl eher Vertrauen?

»Wenigstens passt das Wetter.« Die vorangegangene Nacht hatte ihnen ordentlich den Schlaf geraubt. In ihrer Schicht wollte Nami lieber die Ruhe genießen, was zwar die Müdigkeit anlockte, aber ihre Nerven schonte. »Kommst du mit hoch oder machst du es dir anderweitig gemütlich?«

»Möchte noch ein paar Dokumente durchgehen. Gesell mich später zu dir, einverstanden?«

»Hab ich schon erwähnt, wie sehr ich dich um deine Kräfte beneide?« Das tat Nami in der Tat. Denn während sie umher schaute und ständig ihr Tun unterbrechen musste, konnte Robin alles nebenbei erledigen.

»Ich weiß«, zwinkerte die ältere und nahm ihre Tasse zusammen mit einem Teller, den ihr Nami gerichtet hatte. »Bis nachher, und keine Sorge, ich hab dich im Auge, solltest du einschlafen.«

»Ha. Ha. Hat dir jemand gesagt, dass du andere nicht ausspionieren sollst?«

»Ich spioniere nicht, ich kontrolliere lediglich, ob du deine Aufgabe erfüllst.«

»Beeil dich, alleine ist langweilig«, rief Nami noch hinterher, als Robin längst zur Bibliothek aufgebrochen war. Kopfschüttelnd wandte sie sich ab.
 

××
 

»Ihr habt mir gefehlt. Das hat mir gefehlt«, durchbrach Nami das Schweigen. Regen prasselte gegen die Scheiben, es entspannte ungemein.

Robin ließ das Buch sinken, skeptisch hob sich eine Augenbraue.

»Das Wacheschieben?«

»Sogar das ja, aber ich meinte, mit dir hier zu sein.«

Robin lächelte, verstand durchaus. Nach all den Startschwierigkeiten hatte sich eine Freundschaft entwickelt und allein die gemeinsamen Stunden miteinander, ob sie nun sprachen oder jede ihren eigenen Vorlieben nachgingen, hatte auch sie vermisst.

Koala und all die anderen waren ihr durchaus ans Herz gewachsen, aber hatten sie nicht dieselben Abenteuer miteinander erlebt.

»Ich hoffe, es bleibt bei diesem einmaligen Erlebnis. Schließlich war’s nicht immer leicht ohne dich Dampf abzulassen.«

Das Buch wurde geschlossen und zur Seite gelegt.

»Wer hat dich dann auf den Boden zurückgeholt?«, fragte Robin neugierig. Obwohl bereits eine Woche vergangen war, hatten sie bislang kaum die nötige Zeit gefunden um länger über alles zu reden. Generell sprachen sie wenig über die Monate, als ob es lediglich ausreichte, dass sie zurück zueinander gefunden hatten.

»Ein alter Mann, der gerne ‚Hallo‘ sagte? Er ist ein netter Kerl, aber … du kannst das besser.«

»Oha.« Robin griff nach ihrer Tasse, schlug ein Bein über das andere. »Erzähl mir mehr. Über diese Insel. Was du dort getrieben hast.«

»Wenn du von deinem Aufenthalt erzählst.«

»Du meinst von einer winterlichen Brücke, auf der ich in Gefangenschaft geraten bin? Davon, wie mich die Revolutionäre zufällig befreiten und mich bei sich aufgenommen haben? Oder das Treffen mit Dragon?«

Nami beugte sich vor, stützte den Kopf an einer Hand ab.

»Alles.«

»Alles«, wiederholte Robin vergnügt, und das würde sie auch. Geheimnisse brauchte es nicht länger.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dark777
2017-11-21T20:03:27+00:00 21.11.2017 21:03
Das ist ein erstklassiger One-Shot! Mir gefällt sehr, dass du über einzelne Etappen aus all den Jahren berichtest, die Geschichte selber aber immer am selben Punkt stattfindet. Mit wenigen Worten beschreibst du gut die jeweiligen Zeitpunkte und wie Nami und Robin zu dieser Zeit zueinander standen.

Das Kapitel hat mir sehr gut gefallen V(~_^)!


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