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Lass mein Licht nicht erlöschen

von

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Erwachen

Es war kalt, als Lux das nächste Mal erwachte, kalt und feucht.
 

Der Boden war hart und uneben. Es roch moderig, dreckig und verschimmelt.
 

Noch schlimmer als zuvor schmerzte jeder Muskel und am liebsten hätte sie sich überhaupt nicht bewegt, nie wieder, aber die Feuchtigkeit kroch über ihre Arme unter dem hauchdünnen Stoff. Es erinnerte sie an Spinnen und Würmer und anderes Getier und der Ekel allein trieb sie dazu sich gegen den Schmerz aufzulehnen und sich aufzusetzen.
 

Sie erschauderte. Es schmerzte.
 

Das Licht war beinahe zu trüb, um ihre eigenen Gliedmaßen zu erkennen, aber langsam wurde der jungen Frau klar, dass sie entgegen ihrer Erwartungen nicht mehr gefesselt war. Ihre Gelenke waren jedoch erwartungsgemäß aufgerissen, das zeigte ihr eine zögerliche, aber sehr schmerzhafte Berührung ihrer Handgelenke. Sie ersparte es sich, denselben Versuch an ihren Knöcheln durchzuführen und versuchte sich stattdessen an der Wand emporzuziehen. Ihre Beine trugen sie nicht und lautlos sackte sie wieder zu Boden.
 

Ihr Arm brannte noch immer und so legte sie ihre Hand darauf, um ihn zu kühlen. Es tat gut, aber schien den Ursprung der Hitze dennoch nicht zu erreichen. Was seltsam war, war, dass ihr ganzer Körper eigentlich ausgekühlt war, nachdem sie wer weiß wie viele Stunden bewusstlos in dieser Zelle gelegen hatte.
 

Obwohl sie sich bereits beinahe sicher, wie der Versuch ausgehen würde, schloss Lux die Augen und versuchte ihre Magie zu richten, doch es zeigte sich nicht der geringste Schimmer Lichts an ihrer Hand. Vergebens. Ihre Magie war fort, auch wenn sie sich diesen Umstand noch immer nicht erklären konnte. Damit war sie ganz allein in der Finsternis, allein und hilflos, völlig der Gnade anderer unterworfen.
 

Ihr war übel und trotzdem versuchte sie ihre eigene Situation noch einmal zu überdenken.
 

Die Schlächterbrüder hatten sie entführt, sie und ihren Bruder.
 

Wo war Garen?
 

Sie wagte es nicht ihre Stimme zu erheben, um nach ihm zu rufen. Vermutlich war er eh nicht in der Nähe, wenn er überhaupt noch-
 

Sie wollte nicht darüber nachdenken, also versuchte sie ihre Gedanken weiter zu drängen.
 

Wieso hatten sie das getan? Wieso all die Mühe, um sie aus dem königlichen Palast zu entführen? Was für Motive trieben die beiden Männer an? Lux wusste es nicht, doch nach und nach entstanden Bilder vor ihrem inneren Auge. Selbst diese beiden waren nicht wahnsinnig genug diese Gefahr auf sich zu nehmen, nur um sie und ihren Bruder zu demütigen. Nein, sie beabsichtigten etwas anderes und sie konnte sich nur eine einzige Verwendung für Geiseln in der derzeitigen Kriegslage vorstellen. Die Moral der feindlichen Truppen ins Wanken bringen.
 

Waren die Soldaten an der Front bereit, ihren eigenen General zu töten? Konnten sie es über sich bringen, den Mann und seine Schwester zu ermorden, der sie über Jahre durch die Schlachten geführt hatte, der sie wohlmöglich noch eigenhändig das Kämpfen gelehrt hatte, einen der höchsten Adligen ihrer Heimat? Konnten sie es tun, bevor der Feind, ihre Unsicherheit genutzt hatte? Oder würde es die Moral in Trümmern zurücklassen, führerlos vor einem Mann, der für so viele ein Vorbild gewesen war, wenn er unnachgiebig wie der Fels selbst, seine Feinde verfolgte und niemanden entkommen ließ?
 

Welchen Wert hatten zwei Leben, verglichen mit denen einer ganzen Nation? Niemand würde sie über das Wohl eines Landes stellen, nicht wahr?
 

Dieses Mal würde auch der Name Kronwacht sie nicht retten können.
 

War Garens Anrecht nicht eh längst verfallen? Nach dem, was sie dort im Thronsaal gesagt hatte? Aber wussten die Soldaten bereits davon? Natürlich ahnten sie es längst, aber wenn die Krone es öffentlich machte, war es etwas anderes, oder? Vielleicht war es ja sogar gnädiger, wenn er jetzt hier Darius‘ Klinge zum Opfer fiel-
 

Nein, niemals. Das durfte einfach nicht passieren.
 

Aber wer war sie, dass um ihretwillen auch nur ein einziger Soldat sein Leben geben sollte? Mit Garen war das Ende der Kronwachts doch ohnehin besiegelt. Sie war ja nur eine Frau-
 

Etwas an diesen Gedanken kam ihr unangenehm bekannt vor und mit diesem Gefühl kam bereits die Erkenntnis. Sie war eben nicht nur irgendein Mädchen, deren Familie durch ihren Bruder entehrt worden war. Sie war die Verlobte des Kronprinzen, die zukünftige Königin. Und das war ein Titel, der viel zu viele Leben ihrer Soldaten wert war.
 

Wie Blei schien der Ring an ihrem Finger sie in die Tiefe reißen zu wollen. Sie und tausende andere. Sie konnten doch nicht zulassen, dass irgendjemand sein Leben riskierte für etwas, das sie doch niemals gewollt hatte. Es war nicht öffentlich gemacht worden. Konnten sie sie nicht einfach sterben lassen? So als wäre sie doch nur… sie selbst und nichts weiter?
 

Der Gedanke beruhigte sie und machte ihr gleichzeitig furchtbare Angst. Er war ein Todesurteil und gleichzeitig doch das einzig Richtig, was entschieden werden konnte.
 

Sie wollte nicht sterben, aber sie musste sterben oder hunderte, tausende andere Menschen würden um ihretwillen ihr Leben lassen. Das durfte Jarvan nicht zulassen. Es machte es doch nur leichter, Garen mitsamt seiner ganzen Familie öffentlich zu zerstören.
 

Und selbst der Ring war es nicht wert, oder?
 

Im schummrigen Licht strichen ihre Finger über das Metallband, das noch immer ein wenig zu locker an ihrem Ringfinger saß. Es war seltsam genug, dass sie ihn ihr nicht abgenommen hatten.
 

Es war ein uraltes Familienerbstück. Würde es auffallen, wenn der Kronprinz sich ohne es verlobte? Konnten sie nicht einfach im Geheimen ein Replikat anfertigen? Oder würden sie doch jemanden schicken? Wohlmöglich Xin-
 

Nein, daran wollte sie auch nicht denken. Zu bitter waren die Erinnerungen an ihn und gleichzeitig zu süß. Sie konnte es nicht ertragen, an ihn zu denken.
 

Sie hatten ihn angeschrien, hatte ihm gesagt, dass sie ihn dafür hasste, was er getan hatte, und das würden die letzten Worte sein, die sie je an ihn gerichtet hatte. Nun, sie hatte es nicht wortwörtlich gesagt, aber es war deutlich genug gewesen, dass sie ihm nicht verzeihen konnte, zumindest nicht an diesem Tag, nicht nachdem er ihr Herz zerschmettert hatte, um hinter einem Mann zurückzutreten, den er seinen Freund nannte.
 

Es waren ihre letzten Worte an ihn gewesen und doch bereute sie sie tief in ihrem Inneren. Sie liebte ihn, auch wenn seine Liebe so wenig Wert gewesen war. Sie hätte es ihm gerne noch einmal gesagt, aber vermutlich hätte sie es auch ohne all dieses Chaos niemals gekonnt. Sie hätte ihn jeden Tag gesehen und es doch für immer in sich verborgen gehalten. Sie hätte ihn geliebt und sie hätte ihn gehasst und sie hätte vor ihm gestanden als Frau eines Anderen und er hätte pflichtbewusst geschwiegen und der Krone gedient, bis der Tod ihn dahinraffte.
 

Jetzt war sie es die Sterben würde, denn bevor irgendjemand sein Leben für sie riskierte, würde sie sich selbst in ein Schwert stürzen, das schwor sie sich, ganz egal, wie sehr sie den Tod fürchtete. Niemand sollte um ihretwillen sterben und ganz besonders nicht wegen einer Verlobung, die sie nie gewollt hatte.
 


 

„Warum zur Hölle soll ich das bitte machen? Kann Darius seinen Arsch nicht selbst hier her bewegen? Ich habe Besseres zu tun!“
 

Diese Stimme kannte Lux. Sie gehörte jener rothaarigen Assassinin, die ihrem Bruder den Kopf verdreht hatte. Ihr wurde übel bei der Idee, die diese Stimme in ihr weckte. War das alles hier wohlmöglich Teil eines Planes, in dem Katarina DuCouteau nur eine Rolle gespielt hatte, um die Kronwacht-Geschwister in den Ruin zu treiben.
 

„Offensichtlich ja nicht, oder?“ Auch diese Stimme war ihr mehr als bekannt. Sie hatte sich ihr ins Gehirn eingebrannt, als er wieder und wieder Worte in ihr Ohr geflüstert hatte, die Zunge über ihre Haut drängend. Die Erinnerung weckte wieder Übelkeit in ihr, das Bild von Garen, der am Boden blutig getreten worden war, war noch zu deutlich vor ihrem Inneren Auge in der Finsternis.
 

„Er hatte die Zeit, dich zu mir zu schicken, oder? Da hätte er sich auch selbst hier her bewegen können. Ich bin nicht sein Dienstmädchen. Oder noch besser! Warum machst du es nicht einfach?!“ Etwas klirrte draußen, aber was auch immer es war schien nicht zu zerbrechen.
 

Einen Moment herrschte Stille. „Ah, lieber nicht. Jetzt bist du doch schon hier und es wartet jemand auf mich.“
 

„Jemand, eine Frau, oder jemand, den du töten kannst?“ Lux konnte beinahe hören, wie sie ihre Augenbraue hob, doch umso länger sie sprachen, umso nervöser wurde das blonde Mädchen dort am Boden der Zelle. Sie konnte noch immer nicht aufstehen, war den beiden vor der Tür völlig ausliefert. Irgendwie schob sie sich doch ein Stück weiter in den Schatten, griff dabei in eine weiche Feuchtigkeit am Boden, bei der sich ihr der Magen umdrehte. Dieses Mal krümmte sie sich zusammen, schaffte es sich genug von sich selbst abzuwenden, bevor sie sich übergab, obwohl ihr Magen nichts enthielt.
 

Draußen lachte Draven: „Muss es da einen Unterschied geben?“ Und damit schien er sich zu entfernen, doch Lux bemerkte das kaum. Ihre Ohren rauschten und ihr Hals brannte. Sie keuchte und wand sich und ihre Augen tränten vor Schmerz.
 

Sie hörte nicht, wie die Tür geöffnet wurde, wie die Angeln kurz knarrten und wie Katarina stoppte, bevor sie ihr die harschen Worte mitsamt dem Tablett, auf dem die Reisschale bereits umgefallen war, hätte entgegenschleudern können. Das Licht flutete den Raum und die rothaarige Assassinin starrte auf das Mädchen am Boden. Sie kannte ihre Kleider, erkannte das Haar, erkannte die Statur, ja, sie wusste augenblicklich, dass das kleine Bündel am Boden Luxanna Kronwacht war.
 

Erst als Lux aufhören konnte zu husten, öffnete sie ihre Augen wieder, bemerkte das Licht und blickte auf, direkt in Katarinas Augen, hinter denen so viele Gedanken zu kreisen schienen. Dann kehrte der wohlbekannte Hochmut zurück. Sie hob das Kinn, blickte auf die am Boden liegende hinab und stellte unsanft das Tablett ab. „Warst du wieder zu neugierig, Prinzesschen?“
 

Sie erinnerte sich noch genau daran, wie Lux damals beim Informationen suchen beinahe ertappt worden wäre. Ihre Illusion war beinahe aufgeflogen und es war Katarina DuCouteau, die sie fast gefangen genommen hätte. Lux trug noch immer die Narbe an ihrer Seite, die sie sich an jenem Tag zugezogen hatte. Sie hatte er gerade noch geschafft trotz der Wunde in das eigene Gebiet zu entkommen und Katarina so zu entfliehen.
 

„Hast es verdient, dass dich endlich jemand erwischt. Meinetwegen hätte er dich auch sofort umbringen können. Ist doch überflüssig, dich am Leben zu halten.“ Ihre Mundwinkel zuckten hämisch nach oben. „Vielleicht sollte Draven ja mal mit dir spielen.“ Sie grinste breit, schien sie noch etwas mehr fertig machen zu wollen, beschloss dann aber, dass das zu viel Arbeit wäre und wandte sich ab. „Vielleicht erstickst du ja an dem Reis. Wäre wahrscheinlich besser für dich.“ Sie schob das Tablett mit dem Fuß noch einmal grob weg, wodurch die Reisschale noch einmal umstürzte und den Inhalt über das Tablett verteilten. Dann verließ sie den Raum wieder und schloss die Tür grob hinter sich.
 

Lux war währenddessen kaum zu Atem gekommen, spürte noch immer das Brennen der Säure und die Schmerzen in ihrem Unterleib, als Katarina zur Tür hinausging. Sie spürte die Tränen noch auf den Wangen brennen, war froh, dass sie noch lebte und doch von Angst wie erstarrt bei der Drohung der Assassinin. Sie hatte beinahe schon wieder vergessen, was Katarina ihr unterstellt hatte, interessierte es auch nicht wirklich, obwohl es ihr doch etwas über die Situation verraten hätte, hätte sie es doch nur beachtet. So galt ihr einziger Gedanke dem Essen. Sie rang mit sich, ob sie dem brennenden Hunger nachgeben sollte, ob es nicht besser wäre, nichts zu nehmen, sich dem eigenen Hunger zum erliegen zu bringen. Hatte es einen Wert zu kämpfen? Würde es dem Feind nicht sogar in die Hand spielen, wenn er sie quälen wollte?
 

Und doch war es der Gedanke an Garen, der sie dazu brachte, sich dem Hunger zu fügen. Wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, hierheraus zu entkommen, um mit Garen zu sprechen, um ihm zu helfen aus dieser Situation herauszukommen und ihn zu retten, egal welche Gründe hinter dieser ganzen Situation standen.
 

Der Reis schmeckte fahl, aber es reichte, um die Säure zu vertreiben, um die Kälte ein wenig zu verdrängen und doch brannte ihr Arm noch immer als würde er in Flammen stehen.
 

Und obwohl Katarina eben noch so stolz auf das Mädchen am Boden herabgeblickt hatte, wurden ihre Schritte schneller, als sie den Raum verlassen hatte, und es war Darius Zimmer auf das sie zustrebte.



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