Zum Inhalt der Seite

Tristsulfate

Virus M4
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein kleines Extra Kapitel nach den Geschehnissen am Anfang des Virus-Ausbruches und wie unser lieber Raskan seine Gedanken zusammenführt. Ich hoffe, ihr findet Gefallen an diesem kurzem Auszug, wie der kleine Irre seine Zeit gut totschlug :) Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das Jahr des Kontrasts [Extra-Nachwort]

Tage vergingen. Unendlich lang andauernde Tage vergingen. Um die Menschheit war es schrecklich still geworden. Die Straßen, komplett leer. Keiner wollte einen Fuß hinaus in eine Welt setzen, die ihre geliebten qualvoll dahin raffen ließ und man selbst der Nächste sein würde. Die Last des Wahnsinns und der geistige Befall, die Zerstörung der Erinnerungen, davon profitierten quasi diejenigen, die die Schmerzen überlebten, sich nicht selbst umbrachten. Man überlebte die Pest damals und heute stand man wissenschaftlich viel höher. Irgendwer musste doch ein Heilmittel haben oder schnell eines finden können! Hatte jemand dieses Virus bewusst ausgesetzt oder entwickelt? Warum fragte man sich sowas überhaupt, war doch eh egal...

Lauer Sommerabschiedswind brachte Rãskans zersauste Haare zum wehen, der tiefen Buckels die Ferne der Formation der heranziehenden Wolken erfasste, auf einem stein sitzend und der Blick so leer wie ausgesaugt. Das Leben, hatte ihn ausgesaugt. Schon wieder. Immer wenn man denkt, man hatte den schlimmsten Moment im Leben bereits überstanden, kommt dir einer, der dich anlächelt und sämtliche Innereien herausreißt und die Nerven schmirgelt. Kratzende Geräusche erfüllte die Luft. Rãskan drehte die Spitze der Machete auf dem Asphalt im Kreis. Wahrscheinlich aus Langeweile. Er hatte allen Sinn verloren und bereits jede Träne im Inneren vergossen, die ein stolzer waschechter Kerl vergießen könnte.

'Meine eigenen Hände beendeten mein Leben'.

Beschrieb Rãskan nach dem Ausbruch der Krankheit seine Lage, denn die Liebsten musste er töten, bevor sie von den Schmerzen wahnsinnig wurden. Er wollte nie Selbstmord begehen, doch mit den über alles geliebten Menschen sterben, das fühlte sich bestimmt schön an...

Zu spät. Seine Familie war tot, seine einzige eigene Familie. Nie wieder würde eine Neue kommen. Seine Hände erlösten sie und deshalb hatte er auch im Endeffekt sein eigenes Leben durch Sie beendet. Traurig, aber selbst das würde Rãskan nach einiger Zeit der ziellosen Wanderung wohl verdrängen. Gute Menschen kommen ja angeblich nach oben. Nun, Rãskan kam am göttlichen Türsteher bestimmt nicht vorbei. Selbst in dieser Traumfantasie erwartete also kein Wiedersehen den Morgen. Der Tod, für ihn ein Lebewohl... Für immer.
 

Alles leuchtete Grau. Von den Haaren bis zum Himmel über die Erde verfolgte ihn wieder aus früherer Zeit ein altbekannter Feind. Heute mehr denn je. Die Türme, aus tristen Wolken geformt. Niemand konnte ihnen entfliehen. Kummer nährte, verkürzte den Abstand. Wann würden sie über ihm schweben, oder erblickte man dann nur neue am Horizont? Glich die Symbolik eines herannahenden Feindes dem der Vergänglichkeit? Wie sehr wünschte er sich wieder unter einem Baum zu sitzen auf dem Schoß der Besten, während die Sonne sein Gesicht streichelte. Einen Moment hörte Rãskan sogar die Blätter rascheln, doch entriss ihm ein metallenes Geräusch eines zu Bode fliegendes Autowracks schlagartig zurück in die dunkle Sonnenlose Wirklichkeit der Wanderung. Stellten die Füße die Bewegung ein, ließen die eigenen Gedanken einen erfrieren...

Weiterlaufen, man musste weiter laufen. Bis der Schmerz verging, die Richtung spielte keine Rolle. Siebenhundert mal im Kreis oder fünfmal um die Grenze, völlig egal. Jeder Versuch, die Stadt zu verlassen, endete mit dem Gedanken, welche qualvolle Erinnerung einen dort draußen erwartete und ob der eigene tief sitzende Schmerz überhaupt schon den Körper verlassen hatte. War man bereit, sein verlorenes Leben und die Erinnerung daran für etwas Neues eventuell Zerschmetterndes zu opfern und das einzig Wichtig gewesene für immer in Ehren gehaltene zu vergessen?

'Liebes Tagebuch, ich bin ein Toter... Und ich führe ihn fort...'
 

Oktober, 12'

Heute wäre mein Geburtstag. Es gibt Niemandem zum Feiern...
 

Rãskan tötete viele Infizierte ohne die gierigste Reue zu verspüren. Diese Dinger gehörten vernichtet. Redeten, sprachen von Erinnerungen, krankhaften Fantasien, lebten im Müll ohne funktionierenden Verstand, steckten andere an. Überleben bestimmte die Regeln. Neue Regeln der Überlebenden. Jeder Hans und Franz spielte den Großen, wollte an der vom Tod polierten Welt oben spielen. Diese Leute sehen eine Chance in dem, was Andere ihr Leben gekostet hat.. Obwohl sie noch leben.

Viele Tage verstrichen, doch der Schmerz zeigte keinen Rückgang. Kalter Wind fegte durch die Straßen, doch die Kälte, die von dem Ex-Soldaten innerlich ausging, machte diese unbedeutend. Kein Kalender zählte die abgehenden Tage, keine Uhr die vom Herbstwind davongetragenen Sekunden, kein Termometer die fallenden Temperaturen des annähernden Winters. Alles lieb stehen.
 

Dezember, 24

Das Fest der Liebe, knapp einen Monat nach dem Ausbruch. Statt Beleuchtung schmücken Granaten und Patronen die vollgemüllten Straßen der rivalisierenden Gangs. Ein Fest der Einsamkeit.
 

Viele Überlebende verkrafteten bereits jetzt die Realisierung ihrer neuen Welt, die Rãskan weiterhin aus weiter Ferne beobachtete. Dort, wo er jeden Tag zur selben Zeit Abends saß, ob Regen, Sturm oder Sonnenschein. An dieser Stelle begann damals sein wirkliches Leben, dort sah er sie zum ersten Mal und verscheuchte gleich ein paar andere Männer, die sie belästigten. Schon früher kam er jeden Tag an diese Straßenecke mit der alten Münztelefonanlage und der kleinen Kirche an der Biegung, auf dessen ersten unteren Treppenstufe er seit Stunden saß. Vielleicht, vielleicht kam sie ein weiteres Mal hier vorbei. Das redete er sich immer wieder von Neuem ein, tötete Infizierte oder ebenso normale Menschen. Seine toten, immer halb geschlossenen Augen konnten keinen Unterschied mehr ausmachen, wenn eine lebende Kreatur den Weg passierte. Er würde jeden von dieser Straße unter Einsatz seines Lebens verjagen, solange er auf Sie wartete. Niemand war geduldet. Fast blaue von der Kälte gefrorene Finger hielten die lange vom Blut beschmierte Machete über dem Boden, aber zitterten kein Stück. Selbst Temperaturen spürte der Wissenschaftler nicht länger, sie interessierten ihn nicht.
 

Dezember, 26

Der Himmel schenkte mir ein Zeichen in Form von weißen Flocken. Damals schneite es auch bei unserem ersten Date. Alles vom Weiß umschlossen, ziehe ich meine rote flüssige Geschenkschleife an der Machete über das weiße am Boden liegende Präsent und mache mir die Welt zu eigen...
 

Der Schnee verschwindet und mit dem Anstieg der Temperaturen fühlen sich viele Menschen da draußen wieder mutiger, patroullieren öfter durch die Straßen auf der Suche nach Ressourcen. Einige Banden besaßen bereits eine Art Revier, überall. Ihm herzlich egal. Jedenfalls bis eine kleinere Gang sein Revier zu ihrem erklärte...
 

Mai, 15

Das Töten bringt mir Spaß. Wie früher, bevor ich Sie traf. Stück für Stück verdrängt mein Gehirn das Geschehene woanders hin, wo es unbemerkt liegen konnte.

"Ahhh, töte mich nicht! Bitte! Nein!"

Die lange Machete, die am Griff wie bei einem Seeräubersäbel noch barbarisch zwei Stachel außen führte, durchbohrte den Schädel des anscheinend aus Mexico stammenden dürren Typen wie ein kleiner Holzpiekser ein Cocktailwürstchen. Andauernd kreuzen neue Kerle Raskans Weg, behaupten sie seien die neuen Könige oder schicksalshafte Überlebende, die in großen Gangs ein ganzes Viertel beherrschten und er solle gefälligst die Straße freigeben, da dort noch einige Vorräte zu holen waren, die er nicht einmal beachtete. Nun, wie dieses Cocktailwürstchen hier vor ihm endeten die Glücklichen, bei denen es schnell und langweilig dem Ende entgegen neigte, sie 'schicksalhaft krepierten'. Wer verdiente schon das Leben, wenn nicht die beiden, die er an dem Tag vor wenigen Monaten verlor? Solche Minderbemittelten auf keinen Fall. Ihn durchtrieb ein grenzenloser Drang, jedes minderwertige Leben einem Ende zu setzen, dass in seinen Augen dazu bereit war, ein Soldat und Wissenschaftler im Dienste seines eigenen Willens und seiner eigenen Moral, die tiefer siedelte als jeder Höllenkreis, den Satan jemals unter Kontrolle behalten könnte. Der Schneefall ließ endgültig nach und die beinahe eingefrorene Statue, dessen blaue Finger wie kalter Marmor wirkten und völlig unter einer kleinen Schicht Schnee verborgen war bereits, rüttelte diese Schicht hinunter, stand von der Treppe auf, an dem sein Leben begann und verließ diesen heiligen Ort, um den Tod ausfindig zu machen, der hinter den grauen Wolkentürmen auf ihn wartete...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück