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Tristsulfate

Virus M4
von

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Wir und das Grau

»Râskan! Mach gefälligst deine Schulaufgaben fertig!«

Diese schrille Tonlage seiner Mutter klang wie eine Steinsäge, die auf einem Stahlträger kurvte. Warum zum Teufel konnte die alte Schachtel ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Tag für Tag dieser elende Lernprozess, die Aufgaben, die Pflichten, was soll man tun, was darf man nicht! Vorbeugend zog der 1,70m große Teenager seine abgenutzte schwarze Bomberjacke über, passend zur grünlichen, eher ins Grau gehende, ausgewaschenen abgenutzten Baggie und schwarzem Sweatshirt.

»Du hast deine Mutter gehört, du verdammter Nichtsnutz, fang endlich an, was aus deinem Leben zu machen!«

Jetzt mischte der Penner sich auch noch mit ein, soll der mal gepflegt den Mund halten, schließlich wurde er fristlos gekündigt und musste selbst seit ein paar Monaten auf vergebliche Jobsuche gehen. Râskan reichte es, jeden Tag, jede Minute und jede Sekunde. In dieser baufälligen 20 quadratmeter großen Zwei-Zimmerwohnung stank es bereits nach Müll und Schande, aber Schande an erster Stelle. Diese modrigen beschgrauen völlig sanierbedürftigten Betonwände, wo man das Gefühl hat das jenseits der dunklen Risse eine völlig andere Realität hausen könnte, vom Sperrmüll ausgesonderte Möbel, faltig sowie dreckig bis ins Gerüst und zu guter Letzt diese barbarisch heruntergekommenen Eltern, ungepflegt schreiend.

»Haltet eure Schnauze! Wie wärs, wenn ihr mal eure Aufgaben erledigt? Dad, such dir nen Job Du Penner, und du 'мама́ша', bring die Bude endlich in Schuss! Überall liegt Müll herum, ich kann mich bald von Kakerlaken ernähren, der Regen kommt durchs undichte Fenster und wenn ich heute Abend wieder nur so wenig zu essen bekomme, kipp ich ohnmächtig um, verdammte Scheiße! Also sagt mir nicht, was ich zu tun habe, ihr beschissenen Besserwisser.«

Keine Sekunde später kam Râskans Vater in das Zimmer gestürmt, brausend vor Wut. Schreie, polternde Gegenstände, eine Mutter die am Fenster sitzt und sich weinend eine Fluppe ansteckt. Unter den wahllosen Beschimpfungen der Männer flogen die Fetzen, keiner von beiden gab nach, die Fäuste wirbelten. Solange bis der damals noch kurzgeschorene schwarzhaarige Sohn querfeldein aus seinem eigenen Zimmer flog.

Râskan spuckte Blut, aber einmal richtig, wie ein Druckmesser platzt.

Das vor ihm sehende Rot als unwirklich betrachtend, fing er an zu kichern.

»Hehe.. Hehehe.. Schau Vater, was du kannst. Ich bin begeistert. Wir sind so arm, dass ich nicht mal eine Tür habe, durch die Ich hätte fliegen können!«

Voller Wut sowie Hass spuckte Râskan dem vor ihm stehenden Vater einen dicken Blutklumpen vor die Schuhe, woraufhin des Vaters Fuß sein Gesicht küsste. Verzweifelt, ja so schmeckte dieser Tritt ohne Zweifel. Außer Gewalt gab es nie eine Lösung, alles andere war reiner Humbug. Tritte, mehr Tritte und noch mehr Tritte trafen den jungen Teenager am ganzen Körper, bis der Vater schnaubend, wohl das Interesse verlierend, einfach ging.

Râskan schleifte seinen Körper mühevoll zur kastanienbrauen Holztür ohne Spion. Schwerfallend stützte er diesen verschundenen Körper an der Tür ab, um hoch zu kommen, zitternd wie Espenlaub. Unglücklich für ihn gab die dünne Holzplatte nach und brach samt Riegel aus den Angeln. Stolpernd kam der schwer verletzte Sohn am Treppengeländer an Halt. Sein Lachen erfüllte das ganze zügige fensterlose Treppenhaus. Fast jeder Zentimeter der dicken tristen Betonwände war mit Graffitis vollgesprayt. 'Fuck the Police', 'Knifebombers', sogar eins von Bugs Bunny, der fröhlich happy an nem Joint zog, die Augen rot angelaufen vom guten Stoff.

Wutentbrannt dieser Kulliserie starrend, brüllte Râskan in seine Wohnung hinein.

»Schaut, Schaut nur! Das war euer Traum, der Traum vom neuen Leben ohne Sorge! Doch was habt ihr uns gebracht? Eine Zukunft, schwärzer als Finster, geblendet durch eure Dummheit!«

Sofort kam der Vater wieder um die Ecke, auch er besaß eine Platzwunde an der Stirn. Sein müdes Erscheinungsbild erinnerte ihn stark an den Schauspieler Nicolas Cage, der zehn Tage am Stück gesoffen hatte.

Ihre Blicke brannten einander, Trockeneis gleich. Râskan nickte mehrmals, sprach leiser sowie ernster.

»Jaa, ganz besonders du..

Sieh mich an und sehe deine Verzweiflung, deinen tiefsten Schmerz. Du hast mich nie verstanden, geschweige denn gemocht. Siehst du, was du mir antust? Du kannst mich noch so oft verprügeln, mich schmerzt es nicht mehr!

Du bist eine Schande..«

Sein Vater wich zwei, drei Schritte , die Augen zitternd aufgerissen, zurück an die Wand hinter ihm. Suchte nach Halt, als wäre der Beton plötzlich Wackelpudding geworden, fiel jedoch sitzend zwischen den Müll, den Kopf in die angezogenen Beine vergraben, seine Beine dicht umschlugen von den Armen. Nichtmal jetzt konnte er darüber weinen, dass er seinen Sohn zerstörte, nur trauern!

Râskan stolperte langsam die Treppen hinab, das Gefühl in seiner Brust, als würde die Seele brennen, folgte ihm auf dem Fuße.

Lange drei Stockwerke ließ der Teenager hinter sich und trat durch die quietschende Eingangstür hinaus. Selbst jetzt gab es kein Licht, vor dem er schützend die Hände vor die schmerzenden, vom Blut der Platzwunde getränkten Augen halten müsste. Dunkle Graue Wolkentürme, das war alles, außerhalb sowie innerhalb seines Herzens. Mit aller letzter Kraft schleifte sich Râskan neben einen schweren Müllcontainer, und ließ diesen grauen Körper, diese triste Existenz einfach fallen. Diese Angst, nie etwas zu erreichen, sollte mit fallen! Doch sie tat es nicht...

Râskan sprach leise wimmernd, sein Blick augenscheinlich halb zugekniffen auf Nichts gerichtet, zu sich selbst.

»Wie kann Ich alldem nur entfliehn..?«

Man nehme ein schönes melancholisches Orchestastück, lasse diesen Satz Sonarhaft echolastig leiser werdend wiederholen, schon ergab es das perfekte Drama, nur als Realität.

Die Violinen klingten wie Râskans Augenlicht, langsam schwärzer werdend, Strum-mäßig ab.
 

Schlagartig ertönte der Schluss-Hit der Streichinstrumente, laut polternd. Sofort wachte Râskan, sichtlich älter als damals wieder auf, in der gleichen Position an der Wand liegend wie damals neben dem Müllcontainer. Rasierte Bartstoppeln zierten die spitzen kräftigen Gesichtetszüge. Späte Stunde brach bereits herein und es regnete in Strömen. Leichter Smog-Dunst schlich im Windschatten zwischen dicken Prasseltropfen. Dieser ließ die knallbunten Kneipenschilder schimmernd verschimmern. Statt gespraytem harten Beton starrte der in Soldatenhose Plus Tank-top gekleidete angehende Erwachsene auf eine saubere Steinmauer, vom Regen glänzend in Schale geworfen und durch die leuchteten Reklamebilder leuchtete fast jeder Stein spiegelnd in einer unterschiedlicheren Farbe wie der Nächste. Rein garnichts hat sich verändert...

»Ey, Lawker man.«

Eine Hand, zur Faust geballt, foppte sanft seine Schulter. Nur beschwerlich drehte sich Râskans Kopf dem jungen Mann entgegen, der neben ihm auf der klitschnassen Straße an der Wand lag. Ein anderer saß auf einer Mülltonne, der letzte stand rauchend rum. Alle trugen die gleichen Klamotten wie er selbst, es war seine Einheit.

»Du schaust so geistesabwertig Kleiner. Woran denkst du?«

Diese tiefe männliche Stimme brachte ihn zum schmunzeln. Er wand den Blick wieder ab, ziellos in Richtung Himmel starrend. Vereinzelt blitzten winzige Sterne auf und eine seichte Steinschnuppe flog vorbei. Für einen kurzen Moment war die Welt geräuschlos, sodass das Gefühl entstand, jeder Mensch dieses Planeten konnte seine Stimme klar verständlich hören.

Râskan grinste..

»An graue Wolkentürme.«



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2018-09-26T13:05:12+00:00 26.09.2018 15:05
Du schreibst wunderbar anschaulich und fließend!
Es wirkt ein wenig überdramatisiert, aber da du es so auf die Spitze treibst, passt es dann wieder.
Ich habe übrigens dabei diesen Song ganz zufällig gehört und hatte deswegen ein richtiges Leseerlebnis xD
 
Von:  Sakunya
2016-04-01T16:31:27+00:00 01.04.2016 18:31
Also Hallo! X3 Ich weiß ich soll ja noch deine Naruto durch lesen,aber naja! Sag mir einfach welche! Kann mich nicht entscheiden!
Also! Ich finde das,das erste Kapitel sehr cool ist! Und ich deinen Schreibstil sehr mag! Etwas brutal! Aber ich mag sowas! :D
Wirkliche Kritik habe ich nicht wirklich,aber da ich der Meister der Gefühle bin in Sachen schreiben sage ich dir ... Das wenn du die Gefühle besser rüber bringen willst,etwas weicher und gefühlvoller schreiben musst! Versetz dich einmal in den Charakter und tu so als würde dir das gerade selber passieren! So mach ich das manchmal! Oder mach Gefühls Musik an! Auch gut.
Geh in einen Park oder so und sammel Ideen! xD Keine Ahnung! Halt irgendwas,was dich glücklich macht,aber gleichzeitig auch traurig.

Tja tut mir leit das ich nicht so gut bin im Feedback! Aber wenigstens mach ich es! x3
LG Meikyu! <3 :3 *Miau*
Antwort von:  Gosick
01.04.2016 18:39
Macht ja nix, dass du nicht so gut im Bewerten bist. Hab mich gefreut über deinen Kommi <3
Von:  -Tetsuki-
2015-04-22T15:18:53+00:00 22.04.2015 17:18
Hallo Gosick,

Durch meine Mitgliedschaft bei der KomMission, bin ich über deine Geschichte gestolpert und wollte Dir mal einen Kommentar dalassen ^_^

Schreibstil
Du hast einen recht … brutalen Schreibstil, der viele Schimpfwörter enthält und auch teilweise etwas kindisch rüber kommt.
Doch er lässt sich gut und flüssig lesen.

Zudem finde ich es unangebracht auch im Fließtext Umgangssprache zu benutzen.
In der Wörtlichen Rede finde ich es wiederrum super, wenn es den Personen angepasst ist!

Inhalt
Inhaltlich ist noch nicht viel Passiert, dafür hast Du versucht die Situationen zu beschreiben, was Dir auch ganz gut gelungen ist – abgesehen von einigen Wortwahlen. Dabei müsste ich leider auf abgemeldets Kommentar verweisen, um die Fehler deutlich zu machen. Ich bin überhaupt kein Fan von dieser Art Kritik (zu öffentlich, man kann es auch anders machen!), aber ich mache es mir heute mal leicht und schreibe Dir dazu mal keine ENS, da darin bereits fast alles aufgeschrieben ist …

Schön fand ich aber, dass Du die Umgebungen beschrieben hast wie der Sohn mit seinen Eltern lebt. Es macht die Geschichte lebendiger!

Sonstiges
Dein Coverbild ist sehr ansprechend.
Leider hast Du keine Beschreibung zu Deiner Geschichte gemacht, sodass sich der Leser kein Bild von dem machen kann, über was Du genau schreibst.

Doch alles im Allen finde ich den Anfang ganz gut – ausbaufähig. Du gibst Dir mühe Deine Geschichte so gut Du kannst rüber zu bringen und hast echt gute Ansätze!

Auch Dein Titel finde ich sehr ansprechend.

Liebe Grüße,
-Tetsuki-
Von: abgemeldet
2015-03-09T21:34:21+00:00 09.03.2015 22:34
Es passiert nicht gerade selten, dass man sich in seinem Leben einmal diese Frage stellt. Wie kann ich dem ganzen den Rücken drehen? Was kann ich tun, damit alles besser wird? Und vor allem liegt dabei die Betonung immer auf dem ich. Ich muss tun, damit was wird.
Râskans Familie wirkt wie eine Ansammlung aus Versagern. Sein jobloser Vater, seine überengagierte Mutter, die demzufolge vielleicht selbst nie viel in ihrem Leben erreicht hat und Râskan, der auf all den Mist keinen Bock mehr hat.
Mieses Karma, was da aufkommt.
Und noch mieser ist es, dass es ihn auch später noch verfolgt.
Dennoch... dieser letzte Satz von ihm macht Hoffnung.
Hoffnung auf... was auch immer. Vielleicht, dass es doch besser wird. Oder soll man es als Auftakt für noch mehr Probleme sehen?
Hm, hm... ich bin mir nicht sicher, deswegen bleib ich dabei und bin gespannt, was du hieraus noch machst. ;)


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