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Last Desire: After Story I

Long Lost Fellow
von

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Schlechte Nachrichten

Nachdem sich Liam und die anderen an die Arbeit gemacht hatten, kam Levi zu Eva und setzte sich zu ihr, wobei er ihre Hand nahm. „Sag Eva… was hast du eigentlich während der Zeit gemacht, als ich dich gesucht habe? Ich habe wirklich alles nach dir abgesucht, aber ich habe dich nie finden können. Und dann erfahre ich noch, dass du eine Familie hast.“ Die Sefira senkte den Blick und hatte schon gerechnet, dass Levi sie darauf ansprechen würde. Er war ihr all die Jahre treu geblieben und hatte so vieles auf sich genommen, um sie zu finden. Und sie hatte eine neue Familie gegründet und war dann verschwunden. „Ich habe es einfach nicht ertragen können, so ganz allein zu sein. Ich habe dich so sehr geliebt und ich fühlte mich so einsam. Also erschuf ich mehrere Seraphim, die mir als Familie treu zur Seite standen. Jasha, Anja, Maria, Dimitrij, Chasov, Sophie, Nikolaj… Sie konnten mir den Schmerz über deinen Verlust lindern und ich konnte wieder glücklich werden. Aber dann fielen die Opritschnina über Nowgorod her, als ich im Wald zum Holzsammeln war und meine Familie wurde getötet.“

„Warum haben sie sich nicht zur Wehr gesetzt?“

„Ich habe ihnen gesagt, sie dürften den Menschen niemals etwas antun. Aber letzten Endes hat es nur dazu geführt, dass sie getötet wurden. Als ich zurückkehrte, waren sie bereits tot und Sophie lag im Sterben. Ich habe nur noch ihren Wunsch retten können, dass unsere Familie wieder zusammenfindet. Ich wollte meine Familie daraufhin zurückholen und überließ Sophies Wunsch meinen Körper und daraus wurde letztendlich Frederica geboren. Ich suchte Ajin auf und bat ihn darum, mir meine Familie wieder zurückzuholen. Aber das wollte er nicht ohne entsprechende Gegenleistung tun, also stand ich ihm die letzten 444 Jahre als Dienerin zur Seite. Deshalb war ich weder in der Menschenwelt, noch in der Heimat.“ Nun, das erklärte auch, warum er nirgendwo ihre Aura spüren konnte. Und dass sie so lange Zeit im Dienst von Ajin gewesen war, weil sie auf die Weise ihre Familie zurückholen wollte, konnte er ihr wohl schlecht vorwerfen. „Es muss wohl hart für dich gewesen sein, oder?“ „Ja“, gab sie zu und legte ihren Kopf auf seine Schulter, woraufhin er einen Arm um sie legte. „Ich hatte dich verloren, weil ich nicht in der Lage war, dich zu beschützen und mit meiner Familie war es nicht anders. Ich habe wirklich immer versagt. Sowohl als Ehefrau, als auch als Familienoberhaupt und selbst mit meinem Bruder ging es immer schlimmer. Wir haben uns immer heftiger gestritten, aber ich dachte, es wäre die gerechte Strafe für all die Dinge, die ich getan habe. Ebenso für meine Versäumnisse. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, dich zu suchen oder dich zurückzuholen, aber ich habe mich einfach so schuldig gefühlt. Du hattest ein normales Leben als Mensch und nur wegen mir haben sie versucht, dich umzubringen. Es war meine Schuld und ich wollte dir das nicht noch ein zweites Mal antun. Und jetzt… jetzt erfahre ich, dass du 600 Jahre nach mir gesucht hast, und sogar die Gesichtsblindheit auf dich genommen hast, um dein Leben zu verlängern. Wenn ich so darüber nachdenke, wie unser beider Leben seither verlaufen ist, musst du sicher enttäuscht von mir sein, oder?“ Doch Levi lächelte nur und nahm sie in den Arm. „Du lebst und es geht dir gut. Und du gibst uns beiden noch eine Chance. Das ist doch das Wichtigste. Und so ganz alleine war ich ja auch nicht. Ich hatte auch eine Art Familie, die sich um mich gekümmert hat.“

„Ach echt?“ fragte sie überrascht. Levi nickte und erklärte „Seit ungefähr 75 Jahren habe ich engen Kontakt zu einem Nephilim-Ehepaar. Thomas und Hannah Stadtfeld. Ich hab Thomas damals geholfen, seine Verlobte vor der Deportation nach Auschwitz zu retten und bin gemeinsam mit ihnen nach Amerika ausgereist. Eine Zeit lang haben sie im dortigen Heim für Nephilim gewohnt und haben inzwischen die Leitung inne. Sie sind gute Freunde und ich denke, sie würden dich auch gerne kennenlernen wollen.“

„Es ist schon verrückt“, murmelte Eva und lächelte. Sie schloss ihre Augen und genoss diese Nähe und Wärme jener Person, die so lange für tot gehalten hatte. „Wenn ich dich so reden höre, kommt es mir so vor, als wärst du schon lange kein Mensch mehr. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du lebst und wir beide noch mal die Chance bekommen, von neu anzufangen. Aber sag mal, wie willst du dir dein Leben vorstellen und wie soll es für dich weitergehen?“

„Ich werde meine Arbeit als Head Hunter beenden“, erklärte Levi. „Ich habe sie eigentlich nur gemacht, weil ich gehofft habe, dich auf diese Weise finden zu können. Aber nun habe ich mein Ziel erreicht und ich sehe keinen Grund mehr, weiterhin diesen Job zu machen. Ich denke, ich werde mir etwas Bodenständigeres suchen, wenn wir beide wieder zusammenkommen wollen. Wenn wir später eine Familie haben sollten, dann würde es nur Gefahr mit sich bringen, wenn ich weiterhin als Head Hunter tätig bin.“ Dem konnte Eva nur zustimmen, denn es gab einen Grund, warum Head Hunter immer maskiert waren, wenn sie auf der Jagd waren. Sie hatten nämlich viele Feinde, die ihnen nach dem Leben trachteten. „Wie wäre es, wenn wir nachher mal das Heim besuchen? Jeremiel hat auch schon gefragt, ob er es sich ansehen könnte und ich denke, das würde auch für ihn eine gute Lektion sein, wenn er selbst sieht, was für Zustände herrschen.“

„Die Nephilim werden immer noch verfolgt?“

„Ja leider. Das Heim ist zwar gut geschützt und ich passe auch auf die Bewohner auf und sorge dafür, dass das Heim nicht gefunden wird, aber es kommt immer wieder zu Todesfällen unter den Nephilim und das bereitet mir Sorgen. Deshalb habe ich auch vor meiner Rückkehr in die Menschenwelt Ain Soph und Elohim gebeten, sich dieses Problems anzunehmen.“ Wieder saßen sie da und schwiegen. Es herrschte eine seltsame Stille, aber dann musste sich Levi an etwas erinnern. „Sag mal Eva, erinnerst du dich noch an unser Lied?“ „Jenes, welches du mich gesungen hast? Wie könnte ich das denn vergessen? Ich habe es meiner Familie damals in Nowgorod als Schlaflied vorgesungen und selbst Frederica, Rumiko und Oliver beherrschen es, genauso wie Nastasja.“ Levi schmunzelte und drückte Evas Hand fester. Sie fühlte sich so zart an und war blass. Ganz im Gegensatz zu seinen Händen, die rau von harter Arbeit waren. Er betrachtete ihre marmorweiße Hand und begann es noch mal für sie zu singen.
 

„Sonoyo lomi lo

Kaya shaka lu kiya ba mali malo

Ehdra maki e sulu haiteh

Graiya mi eshi eshi e

Ka thaliaka sa ak'goloha

Ehvi liu ma dra u

Prehshti ka u

Toteh saju kimi va lei lei lu
 

Olo dragu olo dragu Eva

No luneh vali usa
 

Nevu usa mali

Noleh sulu baleh sulu baleh Eva

No lu nehvali usa

Nevu usa mali malo...
 

Hanannai hanannai ya...

Hanannai hanannai ya…

Hanannai hanannai ya…“
 

Eva lauschte diesem Lied und lächelte glücklich. Sie schloss die Augen, während sie dieser so vertrauten Melodie lauschte, die sie damals so oft gehört hatte. Wie lange war es doch her gewesen, als sie und Levi glücklich in ihrer kleinen Hütte abgeschieden im Wald gelebt und ein bescheidenes Leben geführt hatten. Manchmal waren die Zeiten hart gewesen, aber sie hatten es immer geschafft und sie waren ein eingespieltes Team gewesen und hatten wunderbar miteinander harmoniert. Dabei war es damals purer Zufall gewesen, als Levi im Alter von 10 Jahren im Wald verunglückte. Er war fast erfroren gewesen, als Eva ihn gefunden hatte und danach hatte er sie immer wieder besucht, ganz gleich ob die Siedler sie als Hexe beschimpften. Vielleicht war es ja wirklich Schicksal gewesen, dass sie zueinander gefunden hatten. Und obwohl sie so lange Zeit voneinander getrennt gewesen waren, hatte Levi sie nicht aufgegeben. Sie hatte wirklich Glück, mit so einem Ehemann gesegnet zu sein. „Levi, ich kann dir nicht oft genug dafür danken, dass du nicht aufgegeben hast.“ Damit wandte sich der Head Hunter ihr zu, strich ihr sanft über diese makellose blasse Wange und küsste sie. „Du bist und bleibst die einzige Frau, die ich liebe und daran wird sich auch nie etwas ändern. Und für dich hätte ich noch weitere 600 Jahre gewartet.“

Schließlich aber machten sie sich dann auf den Weg nach Cambridge und Jeremiel begleitete sie. Die anderen waren eh nicht da und er war neugierig, wie das Heim aussah, in welchem die Halbblüter lebten. Dabei fragte Eva auch direkt „Wie sind deine beiden Freunde denn so?“ „Hannah ist eine ganz liebe. Etwas naiv und sie wirkt vom Charakter her recht jung und unschuldig. Sie ist auch gesundheitlich nicht auf der Höhe, weil sie von Geburt an schon sehr schwach war. Thomas ist etwas schwierig. Man könnte ihn eigentlich mit deinem Bruder vergleichen. Vom Charakter sind sie sich ziemlich gleich, allerdings pflegt Thomas einen recht strengen Ton und ist manchmal etwas steif wie ein Soldat. Es ist nicht immer einfach mit ihm, vor allem weil er dazu neigt, allen anderen vor den Kopf zu stoßen. Im Heim lebt aber noch eine ganz besondere Naphil, die mir übrigens auch das Kämpfen beigebracht hat und auch die anderen Nephilim ausbildet, damit diese sich im Notfall zur Wehr setzen können. Ihr werdet sie gleich noch treffen.“ Sie erreichten schließlich nach einer Stunde Fahrt die Stadt Cambridge und Levi lotste sie in eine ruhige Wohnsiedlung am äußersten Stadtrand, wo ein großes Gebäude stand, welches an eine Jugendherberge erinnerte. Es war sauber gepflegt und hatte einen frischen Anstrich. Kinder spielten im Garten und einige sahen noch sehr jung aus, andere waren älter. Als sie aus dem Wagen ausstiegen, kam ein kleines Mädchen mit brünetten lockigen Haaren und einer blauen Schleife auf sie zugelaufen. Sie hatte eine weiße Bluse und einen blauen Rock und schwarze Schuhe an. „Sereas!“ Freudestrahlend kam sie auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch. Er hob sie hoch und nahm sie auf den Arm. „Na du bist ja groß geworden, Leslie.“ „Ich hab gewusst, dass du kommst. Wer sind die da?“ Damit deutete das kleine Mädchen auf Jeremiel und Eva. „Das ist meine Frau Eva und das ist Jeremiel.“ Leslie grüßte sie fröhlich und enthüllte, als sie lächelte, eine Zahnlücke, da sie offenbar schon die ersten Milchzähne verlor. Levi setzte sie vorsichtig wieder ab und ging mit seinen Begleitern ins Haus. Es war sehr schön eingerichtet und sie trafen auch auf ein paar Jugendliche und Erwachsene. Offenbar lebten alle möglichen Altersklassen hier. Jeremiel sah sich neugierig um, stieß dann aber versehentlich mit jemandem zusammen, woraufhin er zu Boden stürzte. „Entschuldige, ich…“ Eine Frau wandte sich zu ihm um, die pechschwarzes Haar und bernsteinfarbene Augen hatte. Sie war sehr elegant gekleidet und hatte einen so eiskalten Blick, dass einem der Schauer über den Rücken lief. Eine starke Aura ging von ihr aus, die der eines Sefiras sehr nahe kam. Levi half ihm hoch und erklärte „Das ist Anne Ludwig, sie lebt hier seit 74 Jahren und beschützt die Kinder und bildet die jungen Erwachsenen im Kämpfen aus. Sie ist vermutlich die stärkste und älteste Naphil, die je gelebt hat.“

„Wie alt ist sie denn?“ fragte Eva neugierig. Da Anne aber keinen Ton sagte, erklärte Levi „Das weiß niemand. Wir vermuten, dass sie zwischen zehn- und zwanzigtausend Jahre alt ist. Anne, das ist meine Frau Eva und Jeremiel, der Verlobte meines Schwagers.“ Anne musterte sie kühl, nickte nur kurz zur Begrüßung und ging dann einfach, ohne überhaupt ein Wort gesagt zu haben. Eva sah ihr mit gemischten Gefühlen nach und war sich nicht ganz sicher, was sie davon halten sollte. „Sie scheint nicht gerade redselig zu sein, oder?“ „Nicht wirklich. Sie wird auch die Madonna mit den Eisaugen genannt. Sie ist eine strikte Einzelgängerin und spricht so gut wie nie. Manchmal sagt sie sogar monatelang kein Wort und sie hat bislang immer alleine gelebt und jegliche Art von Gesellschaft vermieden. Das änderte sich aber, als sie auf ihren Reisen einen Seraphjungen aufgegriffen hat, dessen Eltern Diener von Miswa waren und der ebenfalls in ihre Dienste treten und gebrandmarkt werden sollte. Seine Eltern versteckten ihn in der Menschenwelt und Anne rettete ihm das Leben. Seitdem kümmert sie sich um ihn und scheint wohl etwas aufgetaut zu sein. Anne beschützt dieses Heim unter der Bedingung, dass Kenan aufgenommen wird und hier leben darf. Seitdem beschützt Anne das Heim zusammen einigen erwachsenen Nephilim, die freiwillig geblieben sind und arbeitet gleichzeitig als Head Hunter mit Thomas zusammen. Sie fungiert als Spionin und hält alle über die Aktivitäten der großen Alten auf dem Laufenden. Damit Thomas nicht als Naphil auffliegt, verbirgt sie seine Aura und hilft ihm beim Reisen zwischen den Welten. Aber jetzt bringe ich euch erst mal zu Hannah und Thomas. Die müssten eigentlich im Büro sein.“ Levi führte sie durchs Haus, wobei sie auf Leute aller Altersklassen trafen und schnell bemerkte Jeremiel, dass das Gebäude im Inneren gigantisch war. Viel größer als von außen. Schließlich gingen sie die Treppe hoch und Levi führte sie zu einer Tür, klopfte kurz an und öffnete dann. Eine junge Frau mit kurzen brünetten Haaren, rehbraunen und freundlich wirkenden Augen erhob sich von ihrem Stuhl und rief „Sereas!“ Der junge Mann neben ihr stand mit verschränkten Armen da. Er hatte dasselbe Brünett wie die Frau und sein Haar war ebenfalls kurz geschnitten. Der Haarschnitt mit dem Undercut erinnerte ein wenig die 40er Jahre und sein Blick war so finster und kalt, dass man meinen konnte, er wollte sie alle umbringen. Auch zeugte es von Strenge wie bei einem Soldaten. Jeremiel musste schlucken, als er ihn sah. Das war ja noch schlimmer als bei Liam… Der Mann mit dem strengen Blick, der allerhöchstens 30 Jahre alt sein konnte, wandte sich an Sereas zu und grüßte ihn. „Schön dich zu sehen, Sereas. Und wer sind die?“ „Das ist meine Frau Eva und Jeremiel hier ist der Verlobte meines Schwagers. Er interessierte sich für das Heim, deshalb habe ich ihn mitgebracht.“

„Ach so. Dann ist das also der Mensch, der zu einem Sefira wurde“, stellte er kühl fest und sogleich begann Levi damit, die beiden vorzustellen. „Das ist Thomas Stadtfeld, mein treuer Freund. Er ist Mitglied der Head Hunter und seine Frau Hannah kümmert sich liebevoll um die Heimbewohner.“ Hannah lächelte freundlich und begrüßte ihre Gäste. Sie bat sie, Platz zu nehmen und bot ihnen Tee an. Jeremiel entging nicht, dass Hannah recht blass war und einen etwas angeschlagenen Eindruck machte. Offenbar ging es ihr gesundheitlich nicht sehr gut. Und tatsächlich wankte sie ein wenig, woraufhin Thomas einen Arm und sie legte und sagte „Setz dich lieber.“ „Entschuldigt bitte“, murmelte die Naphil und lächelte verlegen. „Heute ist wieder einer meiner schlechteren Tage.“

„Levi hat schon erzählt, dass einige Nephilim schwach zur Welt kommen“, meinte Jeremiel und nickte verständnisvoll. „Ist das bei dir so?“

„Ja leider. Seit ich geboren bin, bin ich recht anfällig für Krankheiten und Kreislaufbeschwerden. An den meisten Tagen geht es mir eigentlich sehr gut, aber hin und wieder hab ich so meine Phase, wo es schlechter geht. Dass ich so lange schon lebe, verdanke ich hauptsächlich Thomas.“

„Wie ist eigentlich dein Auftrag verlaufen?“ fragte Thomas direkt und Levi begann von dem Irrtum zu erzählen, der dem Hauptquartier wohl unterlaufen war und er deshalb davon abgesehen hatte, Liam gefangen zu nehmen und auszuliefern. Außerdem war das ohnehin nicht möglich gewesen, weil er erst mal die Uhr verloren hatte und von Jeremiel angeschossen worden war. „Deshalb hab ich dir auch gesagt, du sollst aufpassen, Sereas“, sagte Thomas streng und trank seinen Tee. Er sprach anscheinend immer in einem sehr forschen Ton und selbst Liam war nicht so. Irgendwie schien der Kerl ein richtiger Eisblock zu sein, aber wahrscheinlich brachte das eben mit sich, wenn man ein Dasein als Naphil fristen musste und immer davon auszugehen hatte, gleich aufgespürt und getötet zu werden. „Gegen Kugeln kannst du kaum etwas ausrichten. Aber was deine veraltete Liste angeht, so hat Anne einiges herausfinden können. Es scheint nämlich kein Einzelfall zu sein.“

„Ach echt?“ Thomas nickte und in dem Moment öffnete sich die Tür und Anne kam herein. Ohne jemanden zu grüßen, ging sie zu Thomas hin und gab ihm eine Akte, die er mit einem kurzen „Danke“ entgegennahm. Wenn sich Jeremiel die beiden so ansah, hätte er echt meinen können, sie seien Geschwister. Allein vom Charakter her. Thomas überflog die Akte kurz und wandte sich dann Levi zu. „Die Sache ist die: Anne hat herausgefunden, dass es in der letzten Zeit immer häufiger Fehler in den Listen gab. Erst vor kurzem hat Akrav versucht, Nabi den Propheten zu töten. Und es gab noch achtzehn weitere Fälle, in denen ehemalige Kriegsverbrecher verfolgt wurden, die eigentlich schon längst begnadigt wurden. Araphel war nur einer davon. Auch wurden sechs weitere Nephilim und Seraphim getötet. Lebendig wurde keiner ausgeliefert und keiner von ihnen hatte ein Verbrechen begangen, für das ein Kopfgeld ausgesetzt wurde.“ Als Levi das hörte, verfinsterte sich sein Blick und er nickte bedächtig. „Das bedeutet also, es steckt ein System dahinter. Entweder gibt es einen Verräter, oder aber die Listen wurden manipuliert. So viele Zufälle sind verdächtig.“

„Und nicht nur das konnte Anne in Erfahrung bringen. Das ist die Gesamtliste der Fälle, die im Verdacht stehen, dass eine absichtliche Manipulation vorlag.“ Levi nahm die Liste entgegen und studierte sie aufmerksam. Auch Eva und Jeremiel sahen sich diese an. Es waren Name, Rasse, Status, Verbrechen und Datum der Ermordung aufgezeichnet. Und tatsächlich häuften sich die Fälle von Tötungen, bei denen kein Verbrechen vorlag, oder wo eine Begnadigung erfolgt war. Als Eva die Liste durchlas, ahnte sie schon etwas. „Das sind alles Namen von Leuten, die damals entweder während des Krieges an Elohims Seite gekämpft haben, oder die aktive Gegner des Terrorregimes waren. Soll das etwa heißen, es ist eine Art getarnte Hinrichtung?“ Thomas nickte und faltete die Hände. „Es scheint so zu sein.“

„Ja aber… warum erst jetzt? Das Terrorregime ist längst beendet worden und Elohim und Ain Soph sind jetzt an der Macht. Was für einen Sinn sollte es denn haben, erst so spät damit anzufangen, diese Leute umzubringen?“ da musste Levi selbst überlegen, aber Jeremiel hatte überraschend einen spontanen Einfall. „Was, wenn sie eine Revolte planen und jemand die großen Alten wieder an die Spitze setzen will? Dazu müssten sie erst mal ihre Feinde töten und sie benutzen die Head Hunter als Tarnung. So würde es nicht auffallen und wenn jemand nachfragt, würde man einfach sagen, es war ein Irrtum in der Liste. Demnach muss es also jemand in der Führungsebene der Head Hunter sein, der die Fäden zieht.“ Kurze Blicke wurden ausgetauscht, bis Thomas zu Levi meinte „Auf den Kopf ist er jedenfalls nicht gefallen.“

„Er ist eben Detektiv, genau wie sein Bruder“, erklärte Eva. „Also wenn es wirklich stimmt und es steckt eine Verschwörung dahinter, dann würde ich glatt sagen, dass es einer der großen Alten ist. Miswa, Kabod und Rakshasa können es nicht sein. Die müssen ihr Dasein von nun an als Vergängliche fristen.“

„Was aber nicht heißt, dass sie nicht zurückkehren könnten“, meinte Jeremiel und begann so langsam zu verstehen, was dahintersteckte. „Ich konnte ja auch zu einem Sefira werden. Also wäre es nicht unwahrscheinlich, dass die drei Verbündete haben, die alles auf eine Rückkehr vorbereiten.“

„So verrückt ist doch niemand!“ Hannah konnte das nicht glauben und schüttelte den Kopf. „Ajin Gamur persönlich hat es so bestimmt, dass Ain Soph und Elohim die Herrschaft über die Heimat übernehmen und wer Ain Soph etwas antut, der bekommt es mit Elohim und Ajin Gamur gemeinsam zu tun. Das ist Wahnsinn.“

„Da kennst du den Starrsinn der Sefirot nicht“, erwiderte Levi, der sich Jeremiels Theorie anschloss. „Denen ist es völlig egal. Sie haben die Verschwörung damals initiiert und mit der Ermordung von Elohims Kindern einen Krieg provoziert, um ihre Macht zu stärken. Und solange sie nicht tot sind, werden sie gewiss nicht aufgeben. Am allerwenigsten Miswa. Es würde mich nicht wundern, wenn Jeremiels Theorie zutreffen würde und sie ihre Rückkehr plant, um Ain und Elohim zu stürzen. Ganz egal wie unsinnig das auch sein mag. Wer so von Machthunger zerfressen ist, der nimmt alles in Kauf. Und wenn es soweit kommt, steht der nächste Krieg bevor, wenn wir Pech haben.“ Noch ein Krieg, dachte Jeremiel und konnte es nicht verstehen. Warum nur waren sie so von Macht getrieben und konnten nicht endlich damit aufhören? Gerade jetzt, wo doch endlich Frieden einkehrte und die unterdrückten Sefirot und Seraphim dank Ain und Elohim wieder hoffen konnten. Das war doch Irrsinn. Als Levi die Liste weiter überflog, fiel Jeremiel dabei ein Name ganz besonders auf. „Das… das ist doch Dathan. Ich meine, Nivkha ist doch sein richtiger Name. Das ist doch der Beweis dafür, dass da eine neue Verschwörung im Gange ist. Der Name kann erst seit kurzem da drin stehen, weil niemand außer Nabi, Samajim, Eva und Ajin Gamur wissen konnte, dass er noch lebt. Ich glaub es nicht. Sie wollen tatsächlich ihre Feinde und auch noch Elohims Sohn umbringen!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  pri_fairy
2015-03-15T18:38:49+00:00 15.03.2015 19:38
Ein wunderbares Kapitel!:) Ich finde Anne einfach so klasse!:) Ihr Spitzname passt wirklich gut zu ihr:)
Ich finde es wirklich schlimm, dass jetzt wo Ain und Elohim an der Macht sind, andere dagegen rebellieren und Schwächere töten! Eine Schande! Außerdem finde ich es richtig traurig, dass sie auch Dathan töten wollen. Eigentlich begeben sie sich dabei sogar noch in große Gefahr immerhin ist Dathan Ains Sohn und Ain ist für Ajin ja wie eine Tochter.
Von: abgemeldet
2015-03-14T21:32:03+00:00 14.03.2015 22:32
Das Kapitel war echt toll. Nur Schade wegen den schlechten Nachrichten. Endlich sollen sie Evas Familie und Freunde in Ruge lassen.


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