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Tender is the night

von

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 Act. 4

 

„DILANDAU! Das reicht!“

 

Van drehte sich schlagartig um. Hinter Hitomi hatte sich ein großer Mann aufgebaut. Hitomi erstarrte für einige Sekunden, erst jetzt erkannte Van, wer dieser Mann war.

 

„Folken?!“

 

Ihre Blicke trafen sich und für einen Moment stand die Zeit still. Van erwachte wieder aus seiner Körperstarre als er merkte wie Hitomi bewusstlos zusammenbrach und er sie in seinen Armen auffing. Ohne lange zu überlegen griff er mit dem einen Arm unter ihre Knie während der andere Arm ihren Rücken stützte. Ihr Kopf ruhte an seiner Brust und er drückte ihren zarten Körper fest an sich.

 

Um ihn herum brach Chaos aus, scharenweise uniformierter Soldaten stürmten den Laden. Vans Blick wanderte von Hitomis Gesicht zu Folken. Dieser grinste nur gefährlich. Dann wurde alles schwarz. Im gesamten Club gingen die Lichter aus. Die Gäste fingen an zu schreien und Van verlor Folken aus den Augen. Er versuchte seine Orientierung wieder zu finden, doch die umher laufenden Gäste brachten ihn immer wieder durcheinander. Hinter ihm erschien eine Gestalt, die ihm von hinten in sein Ohr flüsterte: „Eine Razzia, folg mir oder ihr seid geliefert.“ Die Gestalt lag eine starke Hand auf Vans Schulter und Van sah sich gezwungen ihm zu folgen. Die Hand schob ihn gezielt durch das Gedränge zu einer versteckten Tür hinter der Bar an der Hitomi und Van am Anfang des Abends noch gesessen hatten. Hinter der Tür lag ein dunkler Gang. Lediglich die EXIT-Lampen an der Decke erleuchteten den Gang schemenhaft. Die Hand an Vans Schulter schob ihn weiter durch den Gang bis sie vor einer Stahltür stehen blieben. Die Gestalt tippte einen Code in das Zahlenfeld neben der Tür und sie öffnete sich. Ein Fahrstuhl. Das grelle Licht im Fahrstuhl blendete Van. Er drückte Hitomis schlaffen Körper noch näher an sich und betrat den Fahrstuhl. Die Gestalt folgte ihm.

 

Es war ein groß gewachsener Mann, höchstens Anfang dreißig. Seine langen lockigen Haare trug er zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden. Er trug einen braunen  Mantel, darunter ein Leinenhemd das oben locker aufgeknöpft war. Dadurch schimmerte seine gebräunte Haut. Über die Gläser seiner blau getönten Brille starrte er Van eindringlich an. Dann glitt sein Blick auf Hitomi in Vans Armen und er seufzte. Es machte Ping und die Fahrstuhltür hinter dem Mann öffnete sich. Wortlos drehte er sich um und betrat ein großes Apartment. Van folgte ihm.

 

„Da.“, sprach der Mann und zeigte auf das große Sofa in der Mitte des Raumes auf dem mindestens zehn Menschen Platz gefunden hätten. Van verstand und legte Hitomi, die noch immer bewusstlos war, behutsam ab. Er hockte sich vor das Sofa und hielt ihre Hand. Sie war eiskalt.

Der Mann durchschritt den Raum weiter, hin zu einer Bar. Dahinter war ein riesiges Aquarium ausgestellt. Van konnte es nicht glauben, als eine Meerjungfrau, unglaublich eine MEERJUNGFRAU, durch das Aquarium schwamm und die Hände an die Scheiben legte. Der Mann drehte sich lächelnd zu ihr und legte seine Hand ebenfalls gegen die Scheibe. „Ihr hättet nicht herkommen sollen.“

Van sah zu ihm herüber: „Dryden Fassa?“ Er drehte sich um. „Deine Freundin wacht auf.“

Schnell blickte Van Hitomi an und war erleichtert zu sehen, dass sie tatsächlich langsam die Augen öffnete. „Vaan??“, stöhnte Hitomi und Van zuckte zusammen, weil Fassa nun seinen Namen kannte. Dieser kommentierte nur mit: „Soso… Van also.“

Hitomi hatte sich aufgesetzt und sah Van nun mit ihren großen Augen an dann fiel ihr Blick viel auf Fassa. „Dryden Fassa!“

 

„Ja ich weiß, die Ladies lieben mich!“, lachte Dryden doch sein Blick wurde ernst. „Das war eine ganz dumme Idee von dir, Hitomi Kanzaki.“

Hitomi blickte ihn verwirrt an: „Woher…“

„Glaubst du etwa, ich wäre der, der ich wäre, wenn ich nicht wüsste, wer mir bereits seit Monaten nachstellt? Ich weiß bestens über dich und deine Abaharaki Bescheid.“

„Wieso hast du dann nicht reagiert?!“, spuckte Hitomi Dryden trotzig entgegen.

Van mischte sich ein: „Was glaubst du, Hitomi? In dem Club wimmelte es von Black Dragons. Dieser Mann ist wohl nicht der, den du erhofftest zu sein!“

Dryden lächelte: „So einfach ist das nicht, VAN. Es heißt doch, halte deine Freunde nah, aber deine Feinde näher. Und das bringt uns auch zu dem Grund, warum ich mit euch nichts zu tun haben wollte, Hitomi.“

Hitomi verschränkte die Arme: „Der da wäre?“

Dryden schwieg einige Sekunden bevor er fortfuhr: „Für sie bin ich neutrales Territorium. In ihren Augen bin ich nur an guten Geschäften interessiert, egal mit wem. Würde ich mit euch kooperieren, um euch zu unterstützen, hätte ich nicht das Wissen, das ich jetzt habe. Ich kann nur hoffen, dass ihr Kommandant euch nicht erkannt hat.“

„Warte, das war der Kommandant der Black Dragons?“, rief Van aus. Hitomi und Dryden blickten Van verwundert an.

„Du kennst Folken also?“, fragte Dryden ruhig und Van merkte wie Hitomi bei der Erwähnung von Folkens Namen wieder zusammenzuckte.

Van seufzte und setzte sich neben Hitomi auf das Sofa. „Er ist mein Bruder.“ Hitomi schlug sich die Hand vor den Mund. Er wusste welch Schande es für seine Familie war, dass der eigentliche Thronerbe Fanelias nun der Kopf einer kriminellen Vereinigung war. Er konnte es selber nicht glauben.

 

Dryden verließ seine Bar und blieb vor den beiden jungen Menschen stehen und hielt ihnen zwei Gläser hin: „Hier, den habt ihr wohl nötig.“ Er zückte sein Mobiltelefon und tippte kurz darauf herum. „Ihr solltet heute Nacht hier bleiben, hier seid ihr vor den Blacks und der Armee sicher. Fürs erste… Van…“

 

Kurze Zeit später fand Van sich in einem luxuriösen Gästezimmer wieder, in dessen Mitte ein großes weiches Bett stand. Die Wände waren mit roten Samttapeten verkleidet und auch sonst wirkte alles in dem Zimmer ein wenig übertrieben.

Es war bereits nach Mitternacht und Van saß vor dem großen, bodentiefen Fenster und blickte über die Stadt.  Über den Dächern schwebte der Smog, der von den Lichtern der Stadt noch weiter erleuchtet wurde.

Alles hier in Pallas wirkte giftig.

Wo war er nur hinein geraten?

Er hatte seinen Bruder für tot gehalten und doch hatte er ihm heute in die Augen geblickt. Er hatte nichts mehr mit dem Mann gemein, der einmal sein großer Bruder war. Sein Gesicht war einfach nur kalt, seine Haare kürzer und seine Augen tot. Doch was Van noch viel mehr zu schaffen machte, war die Tatsache, dass er wohl Anführer der Black Dragons war. Ein Fanel! Ein Krimineller! Van wollte sich nicht ausmalen, welche Verbrechen Folken wohl begangen haben könnte, die Scham war einfach zu groß.

Van wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als er Schreie aus Hitomis Zimmer hörte. Ohne lange nachzudenken sprintete er aus seinem Zimmer und platzte in ihr Zimmer, das sich neben seinem Zimmer befand und ignorierte dabei den merkwürdigen Barkeeper aus dem Club, der scheinbar an ihrer Tür gelauscht hatte.

In ihrem Zimmer war es finster, doch durch das Licht aus dem Flur konnte Van erkennen, wie Hitomi sich ihrem Bett hin und her warf. Die Decke hatte sie bereits von sich getreten und sie schrie immer wieder laut auf: „VATER!! NEIN!! LASS MICH! LASS MICH HIER! ICH WILL NICHT WEG! NEIN… NEIN!“

Van ging auf ihr Bett zu, setzte sich auf die Bettkante und versuchte Hitomi zu wecken, doch alles schütteln brachte nichts, sie wollte einfach nicht aufwachen. Ihre Haut war eiskalt und Van wusste sich nicht weiterzuhelfen als sich auf die Bettkante neben sie zu setzten, sie fest zu umarmen und sie davon abzuhalten sich weiter zu verausgaben.

Er presste ihren schmalen Körper an sich und hielt unbewusst die Luft an als ihr süßer Duft in seine Nase stieg. Nach einiger Zeit beruhigte sie sich und Van hörte nur noch ihr leises Wimmern.

„Folken.“, flüsterte sie und Van blickte verwundert auf das Mädchen in seinen Armen. Unter ihren Wimpern glitzerten Tränen. Während sie schlief hatte sie nichts mit der aufmüpfigen Kämpferin, die sie am Tag vorgab zu sein, gemein. Sie drehte sich in seinen Armen weiter zu ihm und vergrab das Gesicht an seiner Brust. Van spürte, wie sie mit ihrer Hand nach seinem Shirt griff und sich an ihm festklammerte. Seufzend lehnte er sich in das Kopfkissen hinter ihm zurück und starrte die Wand an. Weshalb war Hitomi so erschüttert? Hatte es etwas mit seinem Bruder zu tun? Bevor Van zu einer Lösung kam, glitt er selbst in einen tiefen Schlaf, Hitomi noch immer fest in seinen Armen.

 
 

***
 


 

Hitomi fühlte sich geborgen. Ihr war angenehm warm und sie atmete einen betörenden Duft ein. Sie kuschelte sich weiter in die Geborgenheit als sie schlagartig wach wurde und ihre Augen aufriss. Sie starrte auf eine breite Brust. Muskulöse Arme waren fest um ihren Körper geschlungen. Vorsichtig blickte sie auf und erkannte Vans schlafendes Gesicht vor sich. Die anfangs angenehme Wärme wechselte zu einer unerträglichen Hitze, die sich auf ihrem Gesicht breit machte. Wieso lag Van in ihrem Bett und sie in seinen Armen? Sie konnte sich noch genau daran erinnern, wie sie Van bevor sie in ihr Zimmer ging, eine gute Nacht gewünscht hatte. Und nun lagen sie hier.

Vorsichtig versuchte Hitomi sich aus seinen Armen zu wenden, doch Van drückte sie nur noch näher an sich heran. Seine Augen zuckten und Hitomis Wangen erhitzten sich noch mehr, als sie merkte, dass er aufwachte.

 

Mit verschlafenem Augen blickte Van Hitomi an: „Guten Morgen.“

Hitomi, fast sprachlos vor Scham, stammelte nur: „Gu..gu.. Guten Morgen.“

 

Erst jetzt lockerte Van seinen Griff um Hitomis Körper. Auch er sah aus, als wäre ihm diese Intimität ein wenig unangenehm. Die neugewonnene Freiheit nutzte Hitomi um sich neben Van aufzusetzen. Mit dem Rücken zu ihm gewandt und den Blick an das andere Ende des Raumes gehaftet, fragte sie: „Muss ich das hier verstehen?“ Sie hörte neben sich ein rascheln, danach bewegte sich die Matratze. Van stand auf und stellte sich neben das Bett.

„Du hattest wohl einen Alptraum heute Nacht und hast dabei das ganze Gebäude zusammengeschrien. Du wolltest dich nicht wecken lassen, also habe ich das Beste getan, was mir eingefallen ist und es hat scheinbar geholfen.“

Hitomis Wangen glühten noch immer und sie blickte zur Seite: „Tut mir leid, wenn ich dich wach gehalten habe.“

                „Keine Sorge, du hast mich nicht wach gehalten.“ Stille. Peinliche Stille. „Willst du über deinen Traum reden?“

Langsam fand Hitomi ihre Stärke: „Nein. Ich würde mich gerne umziehen.“

Vans plötzliches Lachen jagte ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken: „Das sollte ich vielleicht auch machen.“ Er wartete nicht auf Hitomis Antwort sondern stand auf und verließ schnellen Schrittes ihr Zimmer.

 

Als sich die Tür hinter ihm schloss, atmete Hitomi laut aus. Sie bemerkte erst jetzt, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.

 

Ihr Traum. Sie träumte von jener schicksalshaften Nacht und die plötzliche Erinnerung in Form ihrer Vision, die sie vorige Nacht im Club ereilte, als sie Folken gegenüber stand.

Sie hatte es all die Jahre nicht gewusst. Der Mann, der die Exekution ihrer Familie angeordnet hatte, war Folken Lacour de Fanel, Fanelias ehemaliger Thronerbe. Er trug am Abend genau das gleiche Grinsen im Gesicht, wie damals, als sie in dem Wagen in Vargas Armen liegend, flüchtete.

 

Folken. Sein Erscheinen mischte die Karten wieder neu, so wie das Auftauchen Vans. Wer wusste, dass Folken Teil der Black Dragons war? Es könnte ihre Pläne erheblich gefährden, sollte die Öffentlichkeit erfahren, dass er der totgeglaubte Sohn Gaou und Varie Fanels war. Das durfte sie nicht zu lassen.

 

Entschlossen sprang Hitomi aus dem Bett, um sich anzukleiden. Dryden Fassa hatte ihr am Abend zu vor einige Kleidungsstücke gegeben. Darunter eine Shorts, die ihr viel zu groß war und ein schwarzes, ebenfalls zu großes T-Shirt. Auf dessen Vorderseite leuchtete in großen Lettern: MISSY. Der Name des Clubs war ihr nie wirklich aufgefallen. Kurze Zeit später fand sie sich in dem großen Wohnraum des Appartements wieder.

 

Dryden Fassa saß bereits an einem großen Glastisch beim Frühstück und trank aus seinem Kaffeebecher. Hitomi setzte sich zu ihm an den Tisch. Neben ihr wurde ein Stuhl zu Recht gerückt. Es war Van, der sich neben sie setzte.

Fassa setzte seinen Becher behutsam auf dem Tisch ab: „Na, Dornröschen? Hast du dich ausgeschlafen? Hier iss etwas, dann passt dein Hintern vielleicht irgendwann in deine Hose rein.“

Hitomi unterdrückte den Drang, mit den Augen zu rollen: „Nein danke, Fassa. Erzähl mir, was du über die Black Dragons weißt.“

Fassa pfiff belustigt: „Baby, du willst gleich zur Sache kommen? Ich würde es bevorzugen, wenn deine süßen Lippen mich Dryden nennen.“ Neben Hitomi ließ Van sein Besteck aus den Händen fallen. Er blickte zornig zu Dryden hinüber.

 

„Was weißt du über die Black Dragons, Dryden?“, Hitomi betonte seinen Namen und der Angesprochene schmunzelte.

„Was man über dich sagt, ist also wahr.“, Dryden wandte sich wieder seinem Kaffeebecher zu.

„Und was sagt man sich über mich?“, Hitomi verlor langsam die Geduld.

                „Dass du eine süße Katze mit seehr scharfen Krallen bist.“ Er schlürfte übertrieben den Kaffee aus seinem Becher.  Diesmal konnte Hitomi das Augenrollen nicht verhindern.

 

Plötzlich meldete Van sich zu Wort: „Bist du irgendwann mit deinen schlechten Anmachversuchen fertig? Wir haben das alles hier nicht auf uns genommen, damit du Hitomi belästigen kannst.“

„Ohoho! Denkst wohl du bist hier der König!  Nur zu deiner Info: Das hier ist mein Reich.“, Dryden grinste Van frech an. Van stemmte sich gegen den Tisch und sprang auf. Dabei flog sein Stuhl nach hinten. Dryden und Van lieferten sich ein Blickduell bis Hitomis Stimme sie wieder ins Hier und Jetzt holte.

 

„Da wir nun alle Formalitäten geklärt haben, wirst du mir jetzt meine Fragen beantworten.“

„Miau, du gefällst mir, Missy!“, provozierte Dryden sie weiter.

„So lässt du mit dir reden?!“, schrie Van empört.

„ES REICHT, VAN!“, Hitomi sah Van nicht weiter an, „ich brauche keine Anstandsdame, keinen Aufpasser und auch keinen Allen Shezar hier.“ Van schnaubte verächtlich, verließ wütend den Tisch und setzte sich an die Bar vor dem Aquarium, um die Fische darin zu beobachten.

 

„Ich will dir keine falschen Hoffnungen machen, Hitomi.“, Dryden sah Hitomi dabei eindringlich an, „ich weiß sicherlich nicht mehr als du über die Black Dragons, schließlich bekämpfst du sie und nicht ich.“

Hitomi erwiderte seinen Blick gleichermaßen: „Sie gehen aber nicht in meinem Haus ein und aus.“

 

„Sie nutzen meinen Club lediglich zum Vergnügen. Sie machen hier keine Geschäfte.“, sagte Dryden trocken.

                „Du bist aber nicht nur irgendein Clubbetreiber. Du bist auch Geschäftsmann. Mach mir nicht weiß, dass du nicht versuchst irgendwelche Profite dabei zu machen.“

Dryden lächelte und seine perfekten Zähne strahlten sie an: „Ich habe eine Handelsflotte, ja. Die nutzen aber nicht die Black Dragons, sondern das Zaibacher Imperium. Ich mache das im Auftrag Asturias.“

                „Energie.“, stellte Hitomi fest.

„Ganz genau. Asturia baut Energiesteine ab und ich liefere sie nach Zaibach.“

                „Du kommst ohne Probleme über die Grenze nehme ich an?“

„Das ist der Vorteil am Handel. Man erhält gewisse Privilegien.“, Dryden nahm wieder einen großen Schluck aus seinem Kaffeebecher.

                „Hast du Informationen über Standorte der Energieversorgung Zaibachs? Wie sind diese aufgestellt. Wie abhängig sind sie von Asturia?“

„Du bist aber ganz schön neugierig, Missy. Wie kommt es, dass du nichts darüber weißt?“, hackte Dryden belustig nach.

                „Wir haben es bis heute nicht geschafft, weit genug nach Zaibach einzudringen, um dies zu erkunden. Ich nehme an, dass sie weit im Zentrum liegen müssen.“, in Hitomi machte sich Unmut breit.

„100 Punkte für die hübsche Kandidatin!“, rief Dryden laut aus, „Als Preis sage ich dir: Sie scheinen kaum noch eigene Vorräte zu haben. Asturia ist das rohstoffreichste Land auf Gaia, vor allem wenn es um Energiesteine geht.“

                „Es dauert also nicht mehr lang, bis es zu einer Invasion kommt.“, murmelte Hitomi.

„Davon ist auszugehen. Man tut also besser daran, es sich nicht mit ihnen zu verscherzen. Aber ich denke, mein Täubchen, dafür ist es zu spät für dich.“, Dryden legte seine Hand auf Hitomis, um Mitleid vorzugaukeln. Hitomi zuckte kurz zusammen. Vor ihrem inneren Auge spielten sich plötzlich Bilder einer Erinnerung ab, die nicht ihre eigene war.

 

 

Es war ein junger Dryden Fassa, der an einem Tisch saß, ihm gegenüber saß ein älterer Mann. Der Ähnlichkeit nach zu urteilen, war dies sein Vater. Auf dem Tisch erkannte sie eine Karte. Die Landschaft erinnerte an Fanelia, nur war nicht Fanelia. Sie konnte einige Einzeichnungen auf der Karte erkennen. Drydens Vater zeigte mit dem Finger auf einige Stellen.

 

Die Szenerie veränderte sich.

 

Für einen Augenblick tauchte das Gesicht ihres Vaters vor ihren Augen auf. Sie saß als kleines Mädchen auf seinem Schoss, während er in eines seiner zahlreichen Notizbücher schrieb. Sie konnte zwar bereits lesen, doch verstand sie denn Sinn seiner Einträge nicht.

 

„Vater, wann darf ich auch mal mit nach Freid kommen?“, hörte sie ihr kindliches Ich sprechen.

Ihr Vater blickte sie mit seinen warmherzigen Augen an: „Bald, meine Prinzessin. Wenn du ein wenig älter bist. Noch ist es zu gefährlich für dich.“

„Wenn ich groß bin, möchte ich auch Wissenschaftlerin werden. So wie du!“, rief die kleine Hitomi aus und schlang ihre kurzen Arme um den Nacken ihres Vaters. Er erwiderte ihre Umarmung.

Während er ihren kleinen Körper an sich drückte, flüsterte er: „Das ist wunderbar, mein Schatz. Wenn du groß bist, wirst du viele Fragen haben. Wer weiß, ob ich sie dir alle beantworten kann.“

 

 

                „Wie steht es um Freid?“, wechselte Hitomi das Thema. Erleichtert stellte sie fest, dass niemand etwas von ihrer Vision bemerkt hatte.

„Freid? Wie es um Freid steht? Ich denke, das ist allgemein bekannt. Kleiner Tipp: Denk einfach an Fanelia.“, der sarkastische Unterton in Drydens Stimme war nicht zu überhören, doch Hitomi ließ sich nicht beirren.

                „Du magst Recht haben, die Zaibacher nutzten den gleichen Vorwand Freid anzugreifen, wie sie es schon bei Fanelia taten.“

„Eine Vorsichtsmaßnahme, weil sie allen Grund hatten zu glauben, dass beide Reiche im Besitz von Massenvernichtungswaffen wären.“, unterbrach Dryden sie.

 

                „Eine Sache ist mir aber dennoch, ziemlich unklar. Freid wurde erst Tage später nach Fanelia angegriffen. Während es bei dem Überraschungsangriff auf Fanelia zahlreiche Überlebende gab, die in anderen Ländern Zuflucht fanden, ist die Bevölkerung von Freid spurlos verschwunden. Scheinbar keine Überlebenden. Obwohl sie einen Zeitvorteil hatten. Sie wussten, was auf sie zukommt. Freid und Fanelia waren schließlich Verbündete und direkte Nachbarn.“

„Worauf willst du hinaus, kleine Hitomi?“, es machte sie allmählich wahnsinnig, dass er sie scheinbar nicht ernst nahm.

                „Liegt das nicht auf der Hand, Dryden? Betrachtet man die Ruinen von Freid haben sie nichts mit denen in Fanelia gemein. Die Spuren eines Krieges sind dort jeden Falls nicht zu finden.“, erläuterte Hitomi weiter.

„Ich habe noch immer keine Frage herausgehört. Verzeih mir, Liebste. Aber für sowas habe ich keine Zeit.“ Dryden erhob sich von seinem Stuhl und machte Anstalten zu gehen.

                „Wo ist der Tempel der Fortuna, Dryden.“ Es war mehr eine Aufforderung als eine Frage, doch Dryden blieb abrupt stehen. „Wie bitte?“

                „Du hast mich verstanden. Der Tempel der Fortuna. Angeblich der Ort, an dem sich eine schier unendliche Energiequelle befindet. Der Ort, an dem sich die Bevölkerung Freids vor dem Angriff versteckt hat.“

Dryden lachte. „Was soll ich davon schon wissen, Hitomi. Ich habe davon nur aus Geschichtsbüchern gehört.“

                Hitomi schüttelte den Kopf: „Das stimmt nicht. In den Geschichtsbüchern wurde der Tempel der Fortuna nie erwähnt. Nur wenige ausgewählte Personen wussten von seiner Existenz.“

Dryden setzte sich wieder auf seinen Stuhl. Auch Van gesellte sich wieder zu ihnen und nahm diesmal auf einem Stuhl gegenüber von Hitomi Platz.

Dryden lehnte sich mit seinen Armen auf den Tisch und beugte sich zu Hitomi hinüber. Mit leiser Stimme fragte er: „Wie kommt es, dass du kleine Hitomi, davon weißt?“

                Hitomi musste kurz schlucken: „Von meinem Vater. Er hatte ganze Aufzeichnungen über den Tempel der Fortuna. Er hat ihn regelmäßig aufgesucht, hat dort Forschungen betrieben. Mit deinem Vater; Meiden Fassa.“

 

Für einen Moment entglitten Drydens Gesichtszüge. Sie war froh über diese Vision, ihr Vater war ein Bekannter Wissenschaftler und Theoretiker gewesen, selbst Dryden müsste ihn kennen. Doch hatte sie bis zu dieser Vision gerade keine Verbindungen zwischen ihm, Freid und Fassa herstellen können.

                „Die Aufzeichnungen meines Vaters sind für mich aber leider schwer verständlich. Den Zugang zum Tempel hat er nie beschrieben und auch nicht was das Ziel ihrer Forschungen war. Eine Sache ist was die Geschichtsschreibung anging auf jeden Fall falsch. Fanelia war zwar eine Militärnation, doch ist sie nie im Besitz einer Massenvernichtungswaffe gewesen.“ Erst jetzt erlaubt Hitomi sich einen Schluck Orangensaft aus dem Glas, das vor ihr stand zu nehmen.

„Hitomi, du glaubst doch nicht etwa, dass solch eine Waffe sich unter den Ruinen Freids befindet.“, schaltete Van sich ein. Hitomi blickte Van aufmüpfig an. „Ich weiß es.“, provozierte sie weiter. Es musste ja keiner wissen, dass sie erst jetzt zu diesen Schlussfolgerungen kam.

„Das ist doch lächerlich. Ich glaube, ihr solltet die Heimreise antreten. Deine Abaharaki vermissen dich sicherlich.“, Dryden schien nun endlich seine Fassade abzulegen.

 

                „Dryden, wir wissen beide, dass die Black Dragons hier in Asturia ihr Unwesen treiben, um das Land ins Chaos zu stürzen. Es sind die Vorboten einer Invasion, wie Fanelia und Freid sie erlebt haben. Wir konnten beobachten, welch Mengen an Energiesteinen du regelmäßig an Zaibach lieferst. Mehr als eine ganze Stadt in einem Jahrzehnt verbrauchen kann. Was glaubst du, wofür brauchen sie wohl so viel Energie?“ Hitomi holte kurz Luft: „Ich weiß, dein Vater hat es dir erzählt, Dryden. Er hat dir erzählt, wie man den Tempel finden kann. Ich flehe dich an, verrate es mir. In Freid werde ich die Antworten finden, die ich suche.“

 

Dryden hatte sein verspieltes Grinsen nun längst verloren und seufzte. „Was bringt es Hitomi? Nehmen wir an deine Theorien stimmen und Freid existiert in Wirklichkeit noch. Glaubst du nicht, sie hätten sich zu erkennen gegeben, hätten sie helfen wollen? Du bist eine Gesetzlose, warum sollten sie jemandem aus Asturia helfen wollen. Wenn du dich recht erinnerst, hat Asturia damals nicht wirklich einen Beitrag zur Rettung Fanelias oder Freids geleistet. Selbst wenn du vor ihrer Tür stehen würdest, würden sie diese nicht für dich öffnen.“

 

Hitomis Blick wanderte unterbewusst zu Van, der sie bereits eine ganze Zeit angestarrt hatte. In seinem Blick war Unverständnis zu erkennen. Doch dann sprach er: „Ihr würden sie nicht helfen, aber einem Verbündeten ihres Herzogtums schon.“

 

Dryden sah Van verwundert an: „Was meinst du?“

 

Van antwortete nicht, sondern zog stattdessen die Kette hervor an der der Siegelring seines Vaters hing. Das Wappen von Fanelia deutlich zu erkennen.

Dryden ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen: „Also doch… Van Slanzar de Fanel.“

Hitomi blickte zur Seite, sie kam sich schuldig vor. Vans Augen verrieten, dass er enttäuscht war.

 

Dryden der die Spannung zwischen den Beiden bemerkt hatte, stand auf und verließ kurzerhand den Raum. Zwischen Van und Hitomi herrschte lange Zeit Stille. Die Kette hatte Van nicht mehr zurückgesteckt. Sie baumelte an seinem Nacken, der Ring starrte sie anklagend an.

 

„Du wusstest es, die ganze Zeit, oder?“, Van hatte merklich Schwierigkeiten ruhig zu klingen, „Du wusstest, dass du mich brauchen wirst, um Zugang zu Freid zu bekommen.“

Hitomi fühlte sich ertappt. Die ganze Zeit hatte sie sich eingeredet, sie täte das Richtige, doch nun vor Van zu sitzen und die Enttäuschung zu fühlen, die er für sie empfand, war nicht erträglich. Sie hatte es geahnt, sie hatte geahnt, dass sie Vans Erbe brauchen wird. Nur hatte sie es nicht schon so früh kommen sehen.

                „Van… Ich…“, stotterte Hitomi. Sie wusste gar nicht, was sie sagen sollte.

Van schlug mit seiner Faust auf den Tisch, so stark, dass Hitomi sich wunderte, warum er nicht zerbrach: „Sag mir einfach die Wahrheit, Hitomi! Es war kein Zufall, dass du mich damals gerettet hast, warum sonst solltet ihr so etwas machen? Deine Leute haben mir mehr als nur einmal erklärt, dass diese Operation“, er gestikulierte Anführungszeichen als er das Wort Operation aussprach, „dass, diese Operation mehr als nur ungewöhnlich war, dass ihr euch mit der wohlhabenden Bevölkerung nur beschäftigt habt, wenn es darum ging zu stehlen. Du hättest nie das Leben deiner Männer oder dein eigenes für irgendeinen reichen Schnösel riskiert! Was sollte das dann also?“

                „Glaub mir, anfangs wusste ich nicht, dass du es bist, der in dem Haus war. Es.. Es.. war eine Eingebung, dass du etwas mit Fanelia zu tun haben könntest. Es fügte sich einfach alles zusammen. Die Aufzeichnungen meines Vaters, Freid, die Allianz mit Fanelia. Ich habe geahnt, dass du die Chance bist, auf die ich schon so lange gewartet habe.“, Hitomi wunderte sich selbst, weshalb sie sich zu erklären versuchte. Sie war schließlich Anführerin einer Widerstandsgruppe und als solche musste man auch Entscheidungen treffen, die vielleicht nicht jeder tragen konnte.

„Warum konntest du mir nicht einfach sagen, worum es ging. Warum musste ich das alles hier mit machen, damit du mich der Lächerlichkeit preisgeben kannst?“, spuckte ihr Van entgegen.

                Hitomi sprang von ihrem Stuhl auf: „Nein! Glaubst du, ich habe kein Ehrgefühl, Van?  Ja, ich brauche dich, um hier voran zu kommen. Es geht hier aber um mehr, als um dich und mich! Es geht um Fanelia, unsere Heimat! Unsere Eltern! Ich habe nie aufgegeben zu kämpfen. Im Gegensatz zu dir, der sich lieber sein Leben lang in einem schönen zu Hause versteckt hat. Aber weißt du was? Vergiss es einfach. Ich werde es auch ohne deine Hilfe schaffen.“

Wutentbrannt stampfte Hitomi davon, doch ehe sie den Raum verlassen konnte, zersprang etwas neben ihr an der Wand. Van hatte ein Glas gegen die Wand geworfen.

 

„Ich habe mich versteckt also? Ja, das denkst du von mir? Betteln mussten wir! Betteln, dass man uns hier Zuflucht gewährt. Du hast es selber gehört! Asturia war nicht sonderlich an uns interessiert! Soll ich dir was sagen Hitomi? Gerne hätte ich mit dir getauscht und wäre unter Menschen aufgewachsen, die sich um mich gesorgt haben. Ich hatte keinen Gaddes, keinen Ruhm… niemanden! Einzig Vargas war mein Freund und der war nur darauf bedacht Fanelias Thronerben zu retten. Denn das ist es nun mal, was ich bin verdammt! Und da wir schon dabei sind: Wenn es dir so sehr um Fanelia geht, wo bleibt eigentlich der Respekt, das hat dir dein Vater wohl nicht beigebracht! Ich bin schließlich dein König!“, bellte er. Van war völlig außer Atem.

 

Hitomi starrte ihn mit offenem Mund an. Mit schnellen Schritten ging sie auf Van zu und baute sich so gut es ging vor ihm auf. Noch bevor Van es kommen sah, schnellte sein Kopf zu Seite. Sie hatte ihm eine saftige Backpfeife verpasst. So stark, dass Hitomi die Handfläche schmerzte.

                „DU bist nicht mein König und wage es ja nie wieder von meinem Vater zu sprechen.“

 
 

***
 


 

Das Brennen auf seiner Wange brachte Van wieder zur Besinnung. Er war zu weit gegangen. Respekt verlangen, weil er König war? Er konnte es selbst kaum glauben, als die Worte seinen Mund verließen.

 

Hitomi stand noch immer schwer atmend vor ihm, die Hand mit der sie ihn geschlagen hatte, zur Faust geballt. Er hatte sie verletzt.

Van wollte gerade zu einer Entschuldigung ansetzen, da unterbrach Dryden ihn, der vor den Glasscherben stand: „Mann, Mann, Mann welche Party habe ich denn hier verpasst?“ Dryden wartete keine Antwort ab, sondern ging zu den beiden hinüber.

Er streckte Hitomi ein zusammengefaltetes Papier entgegen, das schon ziemlich ramponiert aussah.

„Die Karte hat mir mein Vater vermacht. Ich bin nie wirklich schlau daraus geworden, vielleicht wird sie dir mehr bringen als mir. Du hast sie nicht von mir.“ Hitomi starrte Van noch immer an als sie nach der Karte griff und den Raum verließ. „Bitte schön, mein Täubchen!“, sang Dryden ihr hinter her.

 

„Die hat ganz schön Feuer, die Kleine!“, lachte Dryden und schlug Van kumpelhaft auf den Arm. „Die würde ich nicht gehen lassen an deiner Stelle!“

 

Van rollte mit den Augen und rieb sich die Wange. Er wollte Hitomi hinterher gehen, doch entschied er sich dagegen. Sie würde jetzt allein sein wollen. Oder zumindest nicht sein Gesicht sehen wollen. Er konnte sich selbst nicht sehen. Erst mimte er den sich sorgenden Ritter, der ihr in der Nacht zur Hilfe kam, dann diese Eifersucht vor Dryden und nun haute er mit seiner Arroganz um sich herum.

Aber ja, es verletzte ihn. Es verletzte ihn, dass sie ihn scheinbar nur als eine Art Eintrittskarte zu dem Lager einer Superwaffe sah. Van hatte geglaubt wirklich etwas mit den Abaharaki bewegen zu können, doch sie interessierte nur dieser Ring an seiner Kette. Doch was hatte er sich eigentlich für Hoffnungen gemacht?

 

Van ließ Dryden zurück und machte sich in sein Zimmer auf. Auf dem Weg dahin blieb er an Hitomis offener Tür stehen. Sie hatte sich die Taschen aus dem Wagen bringen lassen und trug nun wieder ihre eigene Kleidung. Sie saß auf ihrer Bettkante und unterhielt sich mit jemandem am Telefon.

 

„Ja, es geht tatsächlich um die Energiesteine. … Nein, nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Aber ich habe dafür etwas anderes bekommen. … Ich habe einen neuen Plan. … Nein, Gaddes. Ich bin nicht verrückt. … Es reicht Gaddes! Wir treffen uns heute Abend in Marzir. … Ja. Ich weiß, was dort ist. Was glaubst, warum ich das will? … Du weißt was zu tun ist.“ Plötzlich fiel ihr Blick auf Van. „Ich weiß es nicht.“ Dann legte sie auf.

 

Van betrat nun ihr Zimmer: „Was hast du vor?“ Hitomi stand auf und packte ihre Sachen wieder zurück in die Tasche, das hässliche ‚Missy‘ T-Shirt warf sie achtlos in die Ecke.

                Mit dem Rücken zu Van sprach sie: „Wir treffen uns heute wieder mit dem Rest der Crew. Fürs erste sind wir mit Dryden fertig.“

„Weil du die Karte bekommen hast.“, warf Van ein. Jetzt drehte Hitomi sich wieder zu Van und sah ihm in die Augen.

                „Ja, Van. Weil ich die Karte bekommen habe. Deine Tasche liegt in deinem Zimmer. Wir brechen in fünfzehn Minuten auf.“

Hinter Van erschien wieder Dryden in der Tür: „Ihr geht also? Ich hoffe, du hast nichts Verrücktes im Sinn, Missy.“ Hitomi zog am Reißverschluss ihrer Tasche und drehte sich abermals um.

                „Nein, Dryden. Ich habe nichts Verrücktes im Sinn. Du wirst nicht mehr von uns hören. Wir danken dir für deine Gastfreundschaft und deine Hilfsbereitschaft. Die Abaharaki werden dich nicht mehr belästigen.“

Dryden schmunzelte: „Weißt du, Hitomi. Mein Vater hat oft von deinem Vater gesprochen. Er hat ihn für seinen Ehrgeiz bewundert. Nur hatte er nie wirklich verstanden, weshalb dein Vater so besessen vom Tempel der Fortuna war. Offensichtlich ging es deinem Vater, anders als meinem Vater, nicht um das Geld.“

                Hitomi schüttelte den Kopf: „Mein Vater war Wissenschaftler und kein Kaufmann.“

„Und engster Freund König Gaou Fanels.“, fügte Dryden hinzu. Hitomi und Van blickten gleichzeitig verwundert auf. „Auf Wiedersehen, meine Turteltauben und dass ihr mir ja keinen Ärger macht.“

 

Kurze Zeit später saßen Van und Hitomi im altbekannten Wagen. Hitomi hatte mit Van seit ihrer Unterhaltung in ihrem Zimmer kein Wort mehr gewechselt. Es machte Van wahnsinnig, dass Hitomi so verdammt stur sein konnte. Als er die Stille nicht mehr aushielt, fragte er und er versuchte es möglichst beiläufig klingen zu lassen: „Unsere Väter waren also Freunde?“

Hitomi blickte weiterhin auf die Straße vor ihnen: „HmHm.“, sagte sie nur.

Van formte mit den Lippen einen Fluch, doch sprach ihn nicht aus: „Findest du das nicht merkwürdig, dass wir beide nichts davon wissen?“

„HmHm.“, antwortete sie abermals.

„Wirst du auch noch mal einen vollständigen Satz herausbekommen, Hitomi?“, rief Van aus.

                „Ich werde einen vollständigen Satz herausbekommen, wenn es notwendig ist, Van. Ich denke nach und dafür brauche ich Ruhe, in Ordnung?“, antwortete sie schnippisch.

 

Van schloss den Mund und entschied sich dafür, sie nun ebenfalls zu ignorieren. „Frauen!“, dachte er. Sie hatte doch bereits ihre Genugtuung bekommen, als sie ihm diese höllische Backpfeife verpasst hatte. Nicht nur das. Ihr war sicher klar, dass ohne seine Anwesenheit, sie die Karte von Freid niemals bekommen hätte.

Vielleicht war es auch genau das, was ihr so zu schaffen machte. Sie war ihm etwas schuldig. Van konnte ein Grinsen ob dieser Erkenntnis nicht unterdrücken. Ihm überkam das Gefühl, dass er diese Runde endlich einmal gewonnen hatte.

 

Es dämmerte bereits und sie hatten das Zentraldistrikt von Pallas bereits verlassen. Die Gegend, sie durchfuhren war menschenleer. Eine Fabrik reihte sich an die nächste. Aus den großen Schornsteinen qualmten riesige Rauchwolken. Vor einer scheinbar still gelegten Fabrik parkte Hitomi den Wagen. Erst jetzt brach sie das lange Schweigen: „Ich brauche mal gleich deine Manneskraft.“ Sie stieg aus und ließ die Fahrertür offen.

Van antwortete nicht sondern stieg ebenfalls aus. Hitomi öffnete die Heckklappe des Wagens und kramte im Gepäck herum. Als Van sich neben sie stellte, drückte sie ihm einen großen Bolzenschneider in die Hand. „Das Tor da. Es ist mit einer Kette versperrt.“, sagte sie nur.

 

Van, der es leid war ständig Fragen zu stellen, ging um das Tor herum und stellte sich vor das Tor zum Gelände der Fabrik.

Um die Stangen war eine lange Kette mehrfach herum gewickelt. Er zögerte nicht lange und machte sich daran, die Kette zu öffnen. Nach einigen Versuchen gelang es und er drehte sich zu Hitomi um. Diese saß bereits hinter dem Steuer des Wagens und bedeutete ihm mit Handzeichen, das Tor zu öffnen.

Als Van wieder einstieg, startete sie wieder den Motor und sie befuhren das Fabrikgelände. Nach einigen Minuten erreichten sie wohl das Ende des Fabrikgeländes. Hitomi stellte den Wagen vor einer Mauer ab und stieg wieder aus, um abermals zum Kofferraum zu gehen.

Sie zog eine schwarze längliche Tasche heraus und schloss danach das Auto ab. „Komm mit.“, sagte Hitomi nur knapp und drückte ihm die Tasche in die Hände. Van erschrak kurz ob des Gewichts der Tasche. Dort waren eindeutig keine Kleidungsstücke verpackt.

Hitomi hängte sich an die Mauer und zog sich elegant hinauf. Anschließend streckte sie die Hand aus, um Van die Tasche abzunehmen. Sie balancierte die Mauer entlang in Richtung einer kleinen Baracke, die am Ende der Mauer stand. Offenbar ein Wachposten.

Van tat es Hitomi gleich und kletterte mühelos die Mauer hoch. Oben angekommen, erstarrte er kurz. Der Anblick der sich ihm bot, raubte ihm für einen Augenblick den Atem. Die Mauer befand sich an einer Klippe und er blickte in eine Tiefe Grube. Hier wurde etwas abgebaut.

„Energiesteine.“, flüsterte Van und es dämmerte ihm, was Hitomi hier vorhaben könnte. Er folgte ihr in die Baracke. Sie war gerade dabei ihr Walkie-Talkie zu zücken.

 
 

***
 


 

Es knackte kurz und Hitomi sprach in das Walkie-Talkie: „Gaddes, wir sind in Position, die kleine Baracke im Norden. Over.“ Sie nahm eine Taschenlampe zur Hand, hielt diese vor das offene Fenster und schaltete sie für eine Sekunde ein. Von der gegenüberliegenden Seite der Energiesteinmiene erleuchtete aus einem kleinen Waldstück ebenfalls kurz ein Licht.

                „Wir sind auch da, Hitomi. Over.“, ertönte es aus dem Funkgerät.

„Alles klar. Die Abbauarbeiten wurden heruntergefahren. In der Nachtschicht arbeiten scheinbar nicht so viele Bergarbeiter. Wie viele Wachen kannst du erkennen? Over.“

                „Schwer zu sagen. Ich sehe drei Männer direkt an der Grube. Sie beobachten die Arbeiten. Zwei stehen vor dem Lager und einer läuft Patrouille über das Gelände. Sie sind alle mit Maschinengewehren ausgestattet. Was siehst du? Over. “

Hitomi nahm ein Fernglas zur Hand und suchte das Gelände ab. Dann nahm sie wieder ihr Gerät in die Hand: „Roger. Ich sehe genauso viele. Es ist aber davon auszugehen, dass hinter dem Lager noch mindestens zwei Wachen positioniert sind. Es ist zumindest die Zufahrtstraße für die Verladearbeiten. Over.“

                „Wie willst du vorgehen? Over.“

„Ist das nicht offensichtlich? Wir jagen das Lager in die Luft. Over.“

Es bleib einige Zeit still, bis sich Gaddes wieder meldete. „Bitte wiederholen. Over.“

„Du hast mich verstanden, Gaddes.“, Hitomi verlor langsam die Geduld. Gaddes wusste, dass Hitomi die Energiesteinmienen schon lange im Visier hatte, nur bis jetzt noch keinen ausreichenden Grund gehabt hatte, diese anzugreifen. Die neuesten Erkenntnisse, dass es sich hierbei tatsächlich um die Energiesteinversorgung für Zaibach handelte, reichten nun aus, um ihre Pläne in die Tat umzusetzen. Marzir war nur der Anfang.

                „Du bist doch völlig verrückt? Ich dachte, es geht hier darum, Energiesteine zu stehlen, um diese gewinnbringend zu verhökern!“

Hitomi sammelte sich kurz, bevor sie weitersprach. Sie durfte jetzt nicht die Beherrschung verlieren. „Gaddes, es ist entschieden. Wir sprengen die Miene. Pio und Keyle sollen sich bereit machen, die Sprengladungen am Lager zu montieren. Ich gebe ihnen von hier aus Rückendeckung. Du haltest das Hovership bereit, um so schnell es geht von hier zu verschwinden. Wenn wir weit genug entfernt sind, zünden wir die Sprengladung aus der Ferne.“

Wieder war es zu lange still.

                „Was ist wenn Pio und Keyle nicht zum Hovership zurückgelangen. Es ist zu riskant, den gleichen Weg nochmals zu benutzen. Sie haben von hier aus nur einen Zugang und der sieht mir schon gefährlich aus.“

Hitomi stöhnte und überblickte nochmals durch das Fernglas das Gelände. Gaddes hatte Recht. Pio und Keyle würden Gefahrlaufen entdeckt zu werden, nicht nur sie, auch das Hovership. Nervös kaute Hitomi auf ihrer Unterlippe und dachte angestrengt nach. Sie konnte das Leben ihrer Männer nicht riskieren.

 

Dann meldete sich Van zu Wort: „Ich bringe die Sprengladungen an. Von hier aus kommt man einfacher und schneller an das Lager heran.“

Hitomi konnte ihr Erstaunen nicht verbergen. Sie drehte sich zu Van, um ihm besser ins Gesicht blicken zu können. „Das ist viel zu riskant. Ich werde gehen.“

                „Hitomi, du bist die Anführerin, du solltest dein Leben nicht dafür riskieren. Außerdem erzählte mir Gaddes, was für eine ausgezeichnete Scharfschützin du bist. Du bist also hier viel nützlicher als dort unten. Vertrau mir einfach.“

Hitomi war hin und her gerissen. Van hatte Recht, es war eine gute Gelegenheit. Und es stimmte auch, dass sie von ihrer Position aus, viel besser an das Lager gelangen konnten. Van blickte Hitomi entschlossen in die Augen und sie musste zugeben, dass er ihr damit sehr imponierte. Sie drehte sich wieder, um aus dem Fenster zu blicken. Nervös tippelte sie mit dem Zeigefinger über dem Walkie-Talkie. Sie zögerte noch einige Augenblicke, bis sie letztendlich den Sprachknopf bediente.

„Gaddes, Planänderung. Van wird die Sprengladung anbringen. Ich möchte, dass ihr euch bereit macht, ein Ablenkungsmanöver durchzuführen, sofern es notwendig wird. Over.“

Aus dem Walkie-Talkie erklang lediglich ein frustriertes: „Aye…“

Hitomi drehte sich wieder zu Van: „Komm, wir haben einiges vorzubereiten.“

 

Nachdem Hitomi und Van mit Hilfe ihrer Utensilien aus dem Geländewagen die Sprengsätze zusammengebaut haben, saß Hitomi nun wieder in der Baracke und beobachtete durch das Zielfernrohr ihres Gewehrs Van, wie er sich vorsichtig den Abhang hinunter kletterte. Sie hatte die Nachtsichtfunktion des Fernrohrs aktiviert, da die Nacht bereits angebrochen war.

Das Walki-Talkie, das neben Hitomis Gewehr auf dem Fensterbrett lag, knackte kurz und Gaddes Stimme ertönte: „Hast du ihn im Blick? Over.“

Hitomi starrte nach wie vor durch das Zielfernrohr, das andere Auge zugekniffen und betätigte den Sprechknopf: „Jep. Erst ist gleich unten. Siehst du ihn? Es ist ziemlich dunkel. Over.“

                „Aye! Aber es sind nicht mehr Wachen geworden. Das ist doch gut. Over.“

Hitomi sparte sich eine Antwort. Mit dem Gewehr verfolgte sie Van. Sie spürte ihre Anspannung im ganzen Arm, ihr Finger lag am Abzug und sie war bereit, jeden Moment abzudrücken.

 

Und dann geschah der Super Gau. Auf dem ganzen Gelände der Miene sprangen die Flutlichter an. Hitomi fluchte laut. Da sie noch immer durch das Zielfernrohr blickte, war sie wegen der Helligkeit für einige Momente blind. Sie hörte Gaddes rufen: „Verdammt! Was geht hier vor?“

Sie ließ kurz vom Gewehr ab und nahm wieder ihr Fernglas zur Hand. Durch das Walkie-Talkie gab sie durch: „Siehst du da drüben hinter dem Lager geht das Haupttor zur Miene auf. Ein schwarzer Wagen fährt auf das Gelände. Mist, er hält vor dem Lager und Van versteckt sich hinter irgendwelchen Tonnen.“

                „Ach du… Schau nach Westen, da haben sich Wachen positioniert. Ich.. Ich glaube sie haben Van entdeckt, Hitomi! Schau, sie zielen mit ihren Waffen in Richtung des Lagers!“

Hitomi suchte sofort das Gelände ab und entdeckte die Wachen, die Gaddes beschrieben hatte. „Nicht schießen, Gaddes. Du verrätst ansonsten das Hovership.“, befahl Hitomi.

                „Was stellst du dir sonst vor?“, fauchte Gaddes Stimme durch das Gerät.

„Ich kann sie nicht alle gleichzeitig ausschalten, sobald ich einen erwische, sind die anderen alarmiert und erschießen vielleicht Van.“ Mit dem Fernglas suchte sie wieder nach Van und fluchte abermals, als sie erkannte, dass er sich gerade daran machte, die Sprengladungen anzubringen. Wie kann man nur so verrückt sein und trotzdem die Ladungen befestigen? Ihr Blick wanderte wieder zu den Wachen. ‚Warum schießen sie nicht? ‘, fragte Hitomi sich, ‚Sie müssen doch bemerkt haben, was er da tut?‘

 

Erst jetzt bemerkte sie, dass sich die Tür des Wagens, das vor dem Lager stand öffnete. Aus dem Wagen stieg ein großer Mann aus. Hitomi musste sich sehr anstrengen, bis sie erkannte, dass dies Folken war.

Er bewegte sich in Richtung des Lagereingangs und begutachtete scheinbar, die Energiesteine von außen. „Verdammt!“, rief Hitomi aus, als sie bemerkte, dass Folkens Anwesenheit sie abgelenkt hatte und in der Zwischenzeit Van von zwei seiner Männer aufgegriffen wurde und von der Hinterseite des Lagers nach vorne gezogen wurde.

Sie stellten ihn vor Folken auf und Folken machte ein Handzeichen, so dass sie von Van abließen. Er drehte sich um und entfernte sich ein Stück weit vom Lager. Van ging ihm in einigen Schritten Entfernung hinter her.

 

Hitomi war zu geschockt, um klar zu denken. Von allen möglichen Szenarien war dies, das unwahrscheinlichste in ihren Augen gewesen. Wieso sollten Zaibacher mitten in der Nacht ein solches Lager aufsuchen… Es sei denn… Dryden… Sie konnte es ihm nicht zutrauen, dass er sie verraten hatte, aber vielleicht wurde er überwacht. Es war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber nach zu denken. Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie durch ihr Fernrohr beobachtete, wie sie Folken plötzlich in ihre Richtung umdrehte. Sie war sich sicher, dass er sie auf diese Entfernung niemals mit bloßem Auge erkennen konnte und doch fühlte es sich an als würde er ihr direkt in die Augen starren.

Die Zeit stand still und Hitomi merkte, wie sie kurz davor war, abermals das Bewusstsein zu verlieren. Sie korrigierte ihre Vermutung als sie spürte, dass erneut eine Vision sie heimsuchen würde. Ihre Arme wurden schwer, sie glitt langsam zu Boden und ließ das Fernglas fallen.

 

 

Es spielte sich alles in Zeitlupe ab. Folken blieb in einiger Entfernung zum Lager stehen und drehte sich zu Van. Sie unterhielten sich. Hitomi konnte nicht hören, worum es ging, doch sie sah Vans Gesichtsausdruck an, dass er nicht zufrieden war.

 

Eine Explosion erschütterte die Miene und warf die Menschen um. Eine der Sprengladungen war losgegangen. Es herrschte Chaos. Die Arbeiter versuchten sich in Sicherheit zu bringen, die Wachleute scharten sich um Folken. Van blieb regungslos stehen und lieferte sich ein Blickduell mit Folken, während sich allmählich ein Feuer in der Miene ausbreitete.

 

Der Schauplatz wechselte zu den in einiger Entfernung positionierten Wachen. Sie hatten sich gerade wieder aufgerichtet und machten Anstalten ihre Position zu verlassen. Da tauchte Dilandau auf. Er stieß die Wachen zur Seite. Er beschimpfte sie. Dann drehte er sich zu Van und Folken und flüsterte etwas und streichelte sich langsam über seine vernarbte Wange.

Das Gesicht zu einem hässlichen Grinsen verzerrt. In seinen Händen ein Scharfschützengewehr, ähnlich dem, das Hitomi besaß. Er setzte es an und für einige Sekunden konnte Hitomi durch sein Fernrohr blicken. Er zielte auf Van. Er drückte ab.

Hitomi sah, wie Van getroffen wurde und regungslos am Boden blieb, die Augen weitaufgerissen. Um ihn herum bildete sich langsam eine Blutlache.

 

Eine weitere Sprengladung ging los. Hitomi sah nur noch Van. Tot in den Flammen liegend.

 

 

Schwer atmend setzte Hitomi sich wieder auf und griff wieder nach dem Fernglas, das nun auf dem Boden lag. Sie suchte nach Van und Folken und stellte fest, dass Folken sich scheinbar erst jetzt wieder von ihr wegdrehte und sich Van zuwandte.

Hitomi konnte ihren Herzschlag in ihrem Kopf hören. Sie war sich sicher, sie hatte nicht viel Zeit, etwas zu unternehmen. Hitomi wusste, ihre nächsten Schritte würden über Leben oder Tod entscheiden.

Schnell nahm sie das Walkie-Talkie zur Hand und sprach: „Gaddes. Die Wachen. Es wird Zeit für ein Ablenkungsmanöver.“
 

***
 


 

„Lasst ihn frei. Ich will mit ihm reden.“, sprach Folken zu den Wachen, die ihn noch fest gepackt hatten.

Sie ließen von ihm ab und entfernten sich einige Schritte. Folken drehte sich wieder um und ging noch voraus. Van sah sich gezwungen ihm zu folgen. Nach einiger Zeit wandte sich Folken wieder zu Van.

 

„Es ist schön dich zu sehen, Van. Ich hoffe, es ist dir gut ergangen.“, sprach Folken mit warmherziger Stimme.

In Van zog der Zorn auf, er spuckte Folken vor die Füße und rief: „Du mieser, verlogener Verräter! Dass du es überhaupt wagen kannst, mir in die Augen zu blicken.“

                „Van, warum dieser Zorn? Wir haben uns beide für unterschiedliche Wege entschieden. Ich erbaue eine glorreiche Zukunft mit Hilfe Zaibachs und des großen Kaisers und du… du hast dich dazu entschieden, dich mit den Abaharaki zu verbünden. Hitomi scheint eine fähige Anführerin zu sein.“ Folken setzte ein wissendes Lächeln auf, das Van verunsicherte.

Er entschied sich dazu, die Bemerkung über die Abaharaki und Hitomi zu übergehen: „Du verrätst deine eigene Heimat, die Krone, dein Volk und sprichst von einer glorreichen Zukunft? Sieh dir die Welt doch an! DAS ist das Zaibacher Werk! Ganze Nationen zerstört! Hier verrotten die Menschen  auf den Straßen, die Waisen…“

                „Ist das die Doktrin der Abaharaki, die da aus dir spricht?“

„Nein! Das ist die Realität!“

                „Van, du siehst das große Ganze nicht. Mein Bruder, komm‘ mit mir nach Zaibach und ich zeige dir, was wir schaffen können. Wir können das Glück herbeiführen.“ Folken streckte seinen Arm zu Van aus, doch Van ignorierte dies.

„Du bist nicht mehr mein Bruder. Mein Bruder ist vor vielen Jahren gestorben, als er seine Familie im Stich ließ.“

 

Plötzlich erschütterte eine riesige Explosion die Miene. Eine der Sprengladungen, die Van angebracht hatte, muss wohl losgegangen sein. Van blickte Folken an, der ihn noch immer anlächelte. Hinter Folken sah Van aus dem Waldstück hinter der Miene das Hovership der Abaharaki aufsteigen. Sie hatten ihre Kanonen ausgefahren und begangen das Areal zu beschießen. Nach dem sie ihre erste Salve abgefeuert hatten, hörte Van hinter sich Hitomis Stimme: „VAAAAAAAAAN! PASS AUF!!!“ Er drehte sich zu ihr und sah wie Hitomi in vollem Tempo auf ihn zu gerannt kam. Instinktiv folgte er ihrem Blick und erkannte in einiger Entfernung Dilandau, in seinen Händen ein Gewehr, das auf ihn gerichtet war.

 

Es passierte alles innerhalb von wenigen Sekunden. Er hörte wie das Gewehr in Dilandaus Händen mehrere Schüsse abfeuerte, im selben Moment spürte er Hitomi, die in seinen Rücken lief und ihn zu Boden riss. Ihr Schrei verhieß nichts Gutes. Sie begrub ihn mit ihrem leichten Körper unter sich und blieb auf ihm liegen. Er spürte ihren schnellen Atem in seinem Nacken und wagte es nicht sich zu bewegen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie das Hovership eine weitere Salve abfeuerte. Diesmal in Richtung Dilandau, der sich in Sicherheit brachte.

Erst jetzt spürte Van wie sich auf seinem Oberkörper eine Flüssigkeit ausbreitete. Er drehte sich leicht und schob Hitomi dabei vorsichtig von seinem Körper. Sie drehte sich und blieb auf dem Rücken neben ihm liegen. Da fiel ihm die große Schusswunde in ihrem Oberarm auf.

„Hitomi!“, schrie Van und beugte sich über sie. Er betrachtete ihren Arm. Ein glatter Durchschuss. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt. Noch immer atmete sie schwer. Er suchte ihren Körper nach weiteren Verletzungen ab und stellte erleichtert fest, dass dies wohl die einzige Wunde war. Van überlegte nicht lange und zog sich das T-Shirt über den Kopf und wickelte es Hitomi um ihren schmalen, verletzten Oberarm. Hitomi blinzelte und keuchend fragte sie: „Dir ist nichts passiert?“

Van hatte einen Kloß im Hals. „Du hast wieder einmal mein Leben gerettet, Hitomi.“ Hitomi lächelte ihn, trotz ihrer Schmerzen, einfach an.

Van suchte nach Folken und sah, wie er gerade wieder in seinen Wagen stieg. Van sprang auf und rief ihm hinter her: „Das ist es also Folken? Du nennst mich deinen Bruder, um mich danach gleich erschießen zu lassen?“ Folken antwortete nicht, sondern verschloss die Tür des Wagens hinter sich. Mit quietschenden Reifen fuhr das Auto fort. Die Zaibacher ergriffen scheinbar die Flucht.

 

Unweit von Van und Hitomi landete das Hovership. Van beugte sich zu Hitomi hinab, um ihr aufzuhelfen, doch ihr war schwindelig und sie hatte Mühen sich auf den Beinen zu halten. Van zögerte nicht lange sondern nahm sie Huckepack auf seinen Rücken und lief zum Schiff. Ihr verletzter Arm baumelte über seinen Oberkörper und das Blut floss, trotz des notdürftigen Verbands, in großen Mengen aus ihrer Wunde.

 

Auf dem Schiff erwartete Gaddes sie bereits. Während Van Hitomi in den Sanitätsraum trug, lief Gaddes neben ihnen her, um eine Schimpftirade auf Hitomi abzulassen.

„Das war also dein toller Plan? Jetzt hast du es aber den Zaibachern gezeigt, Hitomi! Es ist ein Wunder, dass ihr nicht drauf gegangen seid! Wenn du Terroristin spielen willst, halte uns gefälligst da raus! Stell dir vor, sie hätten Van gepackt oder sogar erschossen!“ Van blieb abrupt stehen und sah Gaddes ernst an. „Es reicht Gaddes. Es ist meine eigene Schuld, dass sie mich gefangen haben. Hitomi hat mich gerettet.“ Van drehte sich wieder und betrat den Sanitätsraum, die Tür öffnete und schloss sich automatisch wieder und Gaddes blieb verdutzt zurück.

 

Vorsichtig ließ Van Hitomi von seinem Rücken gleiten, so dass sie wieder auf ihren Füßen stand. Er umfasste ihren unverletzten Oberarm und führte sie zu der Liege in der Mitte des Raumes. Die Liege war ein wenig zu hoch und Van legte seine Hände an Hitomis Seiten, um sie auf die Liege zu setzen.

Ihre Beine baumelten in der Luft. Ihre Jeans war blutverschmiert da noch immer Blut aus ihrer Wunde tropfte. Van fischte aus einem der Schränke einen Verbandskasten. „Du brauchst das nicht zu tun, Van. Ich kann mich selbst versorgen.“ Van ignorierte ihre Aussage sondern griff nach einem Hocker und rollte ihn vor Hitomi, stellte den Verbandskasten neben ihr ab und ließ sich auf den Hocker fallen. „Wenn du es schaffst, dich selbst zu nähen, bin ich beeindruckt.“, sagte Van trocken.

                „Nähen? Ugh…“, Hitomi tat so, als wollte sie sich nach hinten fallen, doch Van hinderte sie daran, als er nach ihren gesunden Arm griff und sie wieder in Position brachte. Er wickelte das blutdurchtränkte Shirt von ihrem Arm.

„Zähne zusammenbeißen.“, sagte er nur und schüttete Alkohol über ihre Wunde.

                „AAUU! DU… GRR!“, schrie Hitomi aus und versuchte mit ihrem anderen Arm nach Van zu schlagen, doch dieser hielt ihren gesunden Arm noch immer fest. Van machte sich wortlos daran, ihre Wunde zu versorgen. Als er mit dem Nähen fertig war, blickte er Hitomi an. Sie hatte ihn wohl die ganze Zeit angestarrt und Van realisierte erst jetzt, dass sein Oberkörper noch unbekleidet war. Plötzlich wurde im ganz anders und er spürte wie sich eine Spannung im Raum ausbreitete. Es war still, zu still. Lediglich das Summen der Motoren des Hoverships erzeugte eine Geräuschkulisse.

 

„Woher wusstest du es?“, fragte er und versuchte seine Nervosität zu unterdrücken. Er fing an einen Verband um ihren Arm zu wickeln.

                „Hm?“, antwortete sie bloß.

„Woher wusstest du, dass Dilandau mich erschießen würde?“ Er schaute sie nicht an, sondern blieb mit den Augen auf ihrem Arm.

                „Ich.. äh.. Es war eine Intuition?“

„Hitomi, das sind zu viele Zufälle. Erst der Angriff auf die Villa. Dann wusstest du, wonach du Dryden fragen musstest. Und jetzt. Jetzt das hier.“ Er wickelte den Verband seelenruhig weiter.

                „Van, ich.. ich wusste es einfach.“

„Du erzählst mir nicht die ganze Wahrheit. Was ist mit deinen Verletzungen? Du hattest vor kurzem noch einen gebrochenen Arm. Davon ist nichts mehr zu sehen und ich vermute, dass diese Wunde, auch nicht lange zum heilen brauchen wird.“

                Hitomi schwieg einige Augenblicke bis sie laut ausatmete: „Ich habe einfach gute Gene. Sie lassen mich schneller heilen. Und was das andere angeht… Ich habe Visionen. Sie kommen ungeplant, ganz plötzlich. Manchmal kann ich die Zukunft sehen. Manchmal sehe ich die Vergangenheit. Damals vor der Villa. Den Angriff ich habe ihn kommen sehen. Doch das ausschlaggebende war, dass ich das Wappen von Fanelia sah und ich wusste einfach, wer du bist. Genauso wie heute, ich sah, wie Dilandau dich hinterrücks erschießen würde und ich entschied mich dies nicht zu zulassen.“

Er jetzt blickte Van Hitomi an. „Diese Kugel galt mir. Und sie hätte dich viel schlimmer treffen können. Du könntest jetzt tot sein.“

                „Bin ich aber nicht, du auch nicht. Und darüber bin ich sehr froh.“

 

Van befestigte den Verband mit einem kleinen Haken. Er ließ seine Hände noch etwas länger auf ihrem Arm ruhen. Er spürte ein angenehmes Kribbeln unter seinen Fingerspitzen. Langsam streichelte er mit seinen Händen ihren Arm hinab. Sie bekam eine Gänsehaut. Van erhob sich von seinem Hocker und stellte sich vor Hitomi. Er rückte noch ein wenig näher an sie heran, sodass er zwischen ihren Beinen stand und blickte ihr in ihre großen Augen. Sie blinzelte nicht und Van hielt die Luft an.

Er legte seine Hand auf ihren gesunden Arm und fuhr auch diesen wieder hinab. Ihre Haut war so weich. Er fragte sich, wie jemand solch weiche Haut haben konnte.

Van wusste nicht was er tat, er war gefangen in ihren Augen. Er fuhr mit der Hand wieder ihren Arm hinauf, über ihre schmalen Schultern, ihr zartes Schlüsselbein, bis seine Hand ihren Hals erreichte. Zärtlich legte er seine Hand um ihren Nacken. Mit dem Daumen streichelte er über ihre Wange.

Ein Blitz durchfuhr Van, als er spürte, wie Hitomi ihre zarten Hände auf seine Brust legte. Da war es um ihn geschehen. Er überlegte nicht lange, neigte sich zu ihr herab und legte seine Lippen auf die ihren.

 

Sie waren weich und schmeckten süß. Als er merkte, wie Hitomi den Kuss erwiderte, überkam es ihn. Er legte seinen anderen Arm um ihre Taille, um sie noch näher an sich zu ziehen und er spürte, wie Hitomi die Anspannung verließ. Sie öffnete ihre Lippen einen kleinen Spalt weit und Van nutzte dies, um mit seiner Zunge Einlass zu erbitten. Sie ließ es zu und eine halbe Sekunde später tänzelte seine Zunge um ihre. Sein Kopf war leer und er dachte lediglich an ihren süßen Geschmack. Verschwunden waren die Erinnerungen an all die Quälereien und Streitereien. Er wollte sie und als er ihr leises Stöhnen hörte, wusste Van, dass es ihr genauso ging.

 

Van löste sich einen Augenblick von ihr und sah ihr ins Gesicht. Ihre Wangen waren gerötet und sie atmete schnell. Auch er merkte, wie schnell sein Herzschlag ging.

Ihre Hände waren seinen Oberkörper hinab gerutscht und lagen nun auf seinen Hüften. Ihre Finger hatten sich in seine Haut gekrallt. Er spürte das Ziehen in seiner Lendengegend und setzte zum nächsten Kuss an.

Dieser Kuss war forscher und leidenschaftlicher. Aufgeregt führte Van seine Hand von ihrem Nacken ihren Oberkörper hinab, streichelte dabei kurz die Seiten ihrer Brüste. Wieder entlockte er ihr damit ein leises Stöhnen, was das Ziehen in ihm nur noch verstärkte. Er war mit seiner Hand an ihrer Hüfte angelangt und zupfte am Saum ihres T-Shirts. Langsam ging er mit seiner Hand unter das Shirt und stöhnte, als er ihre zarte Haut darunter fühlte. Noch immer Hitomi küssend, ging seine Hand unter ihrem Oberteil auf Erkundungstour. Er wusste, sobald seine Hand ihre wunderschönen Brüste erreicht hätten, gäbe es kein Zurück mehr.

Gerade als er die Spitze ihres BHs erfühlte, sprang die Tür hinter ihnen auf.

 

„Oh mein Gott.“, hörte Van Gaddes hinter sich und er ließ schlagartig von Hitomi ab. Er traute sich nicht, sich zu Gaddes umzudrehen, denn sein momentaner Zustand war mehr als verräterisch. Hitomis Gesicht war rotangelaufen und doch versuchte sie, sich nichts anmerken zulassen. Nervös zupfte sie ihr T-Shirt, das durch Van nach oben gerutscht war, wieder nach unten.

 

„Was ist Gaddes?“, sagte Hitomi ein wenig genervt.

                Gaddes räusperte sich kurz. „Das Hauptquartier, wir haben ein SOS-Signal erhalten. Wir sollten uns auf nichts Gutes einstellen.“

Vans Erregung war jäh verschwunden und er drehte sich zu Gaddes. „Was soll das bedeuten?“

In Gaddes Augen war Resignation zu sehen. „Wir wurden angegriffen, Van.“

Hinter sich hörte Van Hitomi flüstern: „Das war alles ein einziger Hinterhalt.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Engelslady
2015-04-29T17:51:37+00:00 29.04.2015 19:51
Hab nun auch mal zeit gefunden dir einen kommentar zu schreiben. Muss dir sagen, das mir deine geschichte bis jetzt sehr gut gefällt. Ist wirklich mal etwas anderes. Deine geschichte ist wirklich sehr spannend und ich freue mich schon drauf das nächste kapitel lesen zu können.
LG Engelslady
Von:  Minatoast
2015-04-28T14:26:14+00:00 28.04.2015 16:26
Endlich geht es weiter !!!!! Oh mein gott ich kriege nicht genug von der story, ich hoffe das du sie bis zu ende schreibst! Hitomi muss ja echt viel einstecken, erst wird sie nicht für voll genommen von dryden und dann wird sie noch angeschossen. Aber bin echt überrascht wieviel van sich verändert hat, bei jedem kapitel. Vorallem als er Hitomi geküsst hat 😏 ein gelungenes kapitel hoffe das nächste braucht nicht so lange :)
Mach weiter so
Antwort von:  dinkycharlie
28.04.2015 16:43
Vielen Dank für die warmen Worte! Ich hoffe, Vans Entwicklung ist authentisch und wirkt nicht zu sehr an den Haaren herbei gezogen.

Zum Tempo muss ich mich wirklich entschuldigen, aber ich konnte keine Buchstaben mehr sehen, da ich schon für die Uni soviel Romane lesen musste, als Vorbereitung. Jetzt hat sich die Lage gebessert und Reviews sind eine super Motivation!


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