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Ruhelose

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Als Einstimmung zu Halloween.
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen. Komplett anzeigen

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Nachts auf dem Friedhof

Einen Moment stand Rufus im Gras, dann schob er sein Fahrrad neben das Tor, wobei er argwöhnisch zu der weiter entfernten Straßenlaterne hinschielte, die ausgegangen war, wohl wegen eines gerissenen Kabels. Er lehnte das Fahrrad an die Mauer und schloss es ab. „Ich muss verrückt sein.“ Dennoch sprang Rufus hoch und zog sich auf die Mauer. „Ich muss völlig verrückt sein, nachts auf den Friedhof einzubrechen.“

„Nur ein bisschen merkwürdig, mehr nicht.“ Peregrin hielt sich nicht damit auf über die Mauer zu klettern. Er nahm den direkten Weg, mitten hindurch.

Rufus sprang von der Mauer auf den Weg, der daneben längs verlief. Ein kalter Schauer rann ihm über den Rücken. Nachts auf einem Friedhof, mit einem Geist, schlimmer konnte es nicht werden.

„Mann, hast du etwa Angst vor Geistern?“

„Fragt der Richtige!“

„Keine Sorge, hier ist total tote Hose. Die meisten Geister spuken nicht auf dem Friedhof, sondern da, wo sie gestorben sind. Und aktive Nekromanten gibt’s kaum noch, also wirst du wohl eher weniger auf rumlatschende Tote treffen.“

„Genau DAS hab ich jetzt gebraucht,“ murrte Rufus. Peregrin hatte ihn daran erinnert, warum er bestimmte Horrorfilme nicht leiden konnte, zu viele Zombies oder Mumien oder Skelette. Eine unangenehme Schwäche, die er selten eingestand. Wenn es um Horrorstreifen ging, sträubte Rufus sich regelmäßig gegen Filmabende und fabulierte sich zur Not sogar fadenscheinige Ausreden zusammen, nur um nicht mitmachen zu müssen. Davon Lesen ging grad noch so, in einer Rollenspielrunde war es auch kein allzu großes Problem, aber angucken, in einem Film? Nee, nicht mit ihm.

Zögerlich folgte er Peregrin, der zielstrebig durch die Reihen der Gräber schritt. Vor einem Grab blieb sein Begleiter stehen. „Oh, wie nett da hat mir jemand einen Brief geschrieben, keine Ahnung was das soll, aber sei doch mal so freundlich und lies ihn mir vor.“

„Dein Grabstein?“

„Jep.“

„Warum liest du... ach, stimmt ja.“ Rufus beugte sch vor und zog den durchweichten Umschlag unter dem Grablicht hervor. Er klappte sein Handy auf und entzifferte zunächst die Schrift auf dem Grabstein.
 

„Peregrin Silberblatt

5.4.1987 - 11.12.2007
 

Was wirklich zählt, ist klar:

Liebe das Leben,

jeder hat nur eines!“
 

Er schluckte, da hatte sein nervtötender Begleiter anscheinend die Wahrheit gesagt, zumindest gab es hier ein Grab, wo der Name „Peregrin Silberblatt“ drauf stand.

„Warum hast du mich hergebracht?“

„Um dir zu erklären, wieso ich in dem ganzen Scheiß mit drin hänge. Lies jetzt bitte, was in dem Umschlag steht.“
 

„Hallo Per,

komisch Dir jetzt einen Brief zu schreiben, wo Du schon so lange nicht mehr lebst. Aber irgendwie, dachte ich, ich sollte mich Dir erklären, wobei Du das nicht mitbekommst. Ich mein, ich glaube es würde Dich nicht stören, wenn Du es wüsstest. Aber ich will es Dir trotzdem erklären. Ich möchte eine Seance bei einem Rollenspielabend machen. Du warst ja selber auch mal in einer Rollenspielgruppe. Und na ja, weil ich es möglichst authentisch wollte, dachte ich, ich nehme richtige Erde von einem Grab. Und da bist Du mir wieder eingefallen, weil ich glaube, dass Du es eher verstehen kannst, als irgendein Fremder oder einer meiner Großeltern. Darum also, es tut mir Leid. Sei mir nicht böse. Ich habe mir eine Handvoll Erde von Deinem Grab geliehen und werde sie auch später wieder zurückbringen.

Ich hoffe es geht Dir gut, da wo auch immer Du jetzt bist.
 

Deine ehemalige Klassenkameradin
 

Stina“
 

„Ich bin ihr aber böse. Wenn sie es gelassen getan hätte, hätte ich jetzt meine Ruhe,“ maulte Peregrin und fuhr fort, „DU hingegen kannst Stina dankbar sein, denn ohne mich hätte dich eine Straßenlaterne erwischt. Warum könnt ihr Lebenden uns nicht einfach ruhen lassen?“

„Scheiße.“ Rufus schüttelte sich. „Wie kommt man auf die bescheuerte Idee echte Erde von einem Grab zu nehmen, für eine nachgespielte Seance? Wer tut so etwas?“

„Stina.“

„Ja, offensichtlich. War das der Grund, warum die Seance funktioniert hat? Das ist es doch oder? Die blöde Seance hat funktioniert!“

„Jain. Da sind mehrere Dinge zusammengekommen unter anderem deine Anwesenheit.“

„Was hab ich.... weil du behauptest ich sei ein Spökenkieker?“

„Auch, plus Zeit und Ort.“

Rufus trat ein paar Kiesel hoch, die auf Peregrins Grab landeten.

„Hey!“

„Sorry.“ Rufus seufzte, wie konnte es nur sein, dass sich sein eigentlich netter Abend in einen schlechte Horrorstory verwandelt hatte?

„Dieses Ding, was will es?“

„Keine Ahnung. Mit mir hat es noch nicht gesprochen. Und mit deinen Freunden hat es die Kommunikation auch vermasselt.“

„Du meinst, die liegen im Koma, weil dieses Etwas mit ihnen kommunizieren wollte?“

„Eventuell.“

„Was ist es?“

„Jedenfalls nicht das, was ich bin.“

„Bitte?“

„Hey, so lange bin ich nun auch wieder nicht im Jenseits! Ich stecke eher einfach in einer Warteschleife und darf mir die Zeit vertreiben.“

„Warteschleife?“

„Na komm, du kennst doch sicher den Spruch, die Toten sind erst dann wirklich gestorben, wenn sich kein lebender Mensch mehr an sie erinnert. Es gibt noch Leute, die sich an mich erinnern, also hänge ich solange in der Warteschleife.“

„Warteschleife worauf?“

Peregrin zuckte mit den Schultern. „Ich bin nur eine kleine, verstorbene Seele, woher soll ich das wissen!“

„Weil du verstorben bist.“

„Ja, und ich kann nicht weiter, also darf ich hin und wieder hier nach meiner Familie sehen, was ziemlich deprimierend ist und sonst gibt es halt noch so Verschiedenes, wo ich aushelfen darf.“

„Wem?“

„Denkst du wirklich, dass dürfte ich verraten?“

„Fair enough.“

„Wär’ ja auch zu einfach, wenn man das als Lebender erfahren würde. Tun wir jetzt was, um das Schlamassel zu lösen?“

„Ach, und was meinst du soll ich tun?“

„Du könntest es beschwören und versuchen es zum Reden zu bringen.“

„Nachts, auf einem Friedhof, ist klar. Schon vergessen, dass es mich auf dem Kieker hat?“

„Wenn du es ordentlich beschwörst, bist du am längeren Hebel.“

„Ach, und womit soll ich es beschwören?“

„Improvisier halt, aber Grablichter zur Hand zu haben ist schon mal hilfreich.“

„Du schlägst mir gerade vor, ich soll von den Gräbern Grablichter stibitzen, um etwas zu beschwören, das mir etwas antun will?“

„Du weißt nicht, ob es dir etwas antun will.“

„Hallo, meine Freunde liegen im Koma.“

„Genau, ein Grund der Sache ein Ende zu setzen.“

„Auch wieder wahr.“ Rufus sah sich um. Er war umgeben von Büschen, Bäumen und lauter Grabsteinen, die Schatten warfen. Der Regen hatte aufgehört, dafür tropfte es von den kahlen Ästen herab. Mit dem spärlichen Licht seines Handybildschirms suchte er die Grablichter zusammen.

„Du brauchst fünf. Und einen Stock um ein Pentagramm zu zeichnen.“

Seufzend nickte Rufus. Hatte er überhaupt Streichhölzer oder ein Feuerzeug dabei? Würden sich die Kerzen anzünden lassen, so nass wie sie waren? Ein kalter Wind brachte die Äste über ihm zum Rauschen und Rufus zum Zittern. Seine Klamotten waren vom Sturz auf das Gras völlig durchnässt. „Muss ich das wirklich hier tun?“

„Je eher, desto besser.“

„Aber mir ist kalt, ich bin nass und auf dem Friedhof!“

„Hör auf zu jammern. Oder willst du in deiner Wohnung eine Beschwörung durchführen?“

Rufus schüttelte den Kopf.

„Siehst du und hier bemerkt das wohl kaum jemand.“

„Na toll.“ Rufus fand einen heruntergefallenen Ast, den er aufhob. Fünf Grablichter plus Stock zu tragen, kam jonglieren recht nahe. In den Gängen zwischen den Gräber war wenig Platz für einen Beschwörungskreis, also ging er zurück zum nächsten Punkt, wo die Wege sich kreuzten.

„Du brauchst auch noch ein kleines Pentagramm in einem Kreis, in das du dich stellst und denk dran, ja keine Lücke lassen!“

Nachdem er die Kerzen abgestellt hatte, ritzte Rufus grummelnd zuerst einen ununterbrochenen, scheppsen Kreis in die Erde. Das Pentagramm darin, war ähnlich schief. Als besonders schwierig erwies es sich nicht auf die Linien zu treten oder beim Zeichnen abzusetzen. Es gelang ihm seinen Schutzkreis auf dem Weg zu ziehen. Vor sich hinschimpfend, zeichnete er das große Pentagramm auf die Wegkreuzung.

„Stell die Kerzen an den Ecken des Pentagramms auf, aber lass die Linien dabei heil!“

„Du bist mir echt ein große Hilfe...“

„Da freu ich mich aber. Lauf im Uhrzeigersinn drum herum!“

„Wieso, dass denn?“

„Weiße Magie im Uhrzeigersinn, schwarze Magie gegen den Uhrzeigersinn. Solltest du als Rollenspieler schon wissen.“

„Schnauze!“

„Würde ich still sein, wäre es dir weniger recht als du denkst.“

Rufus rieb sich die Schläfen. Leider musste er Peregrin da zustimmen. Der Schlagabtausch mit dem Geist, lenkte ihn genug ab, um diese blödsinnige Aktion durchziehen zu können. Behutsam umrundete er das große Pentagramm, während er die Kerzen aufstellte. In seiner Jackentasche hatte er sogar ein Feuerzeug gefunden. Meist benutzte er es dazu den Schlüssel seines Fahrradschlosses zu erwärmen, wenn das Mistding mal wieder eingefroren war. Es dauert zwar ein wenig, doch die Kerzen ließen sich entzünden. Knisternd erwachten die kleinen Flämmchen zum Leben. Von seinem Schutzkreis aus musterte Rufus sie. Es war immer wieder erstaunlich, wie hell Kerzen doch leuchteten. Leider dämpfte das rote Glas das Licht der Kerzen effektiv, wenigstens waren sie dadurch vor dem Wind sicher. Die Flammen flackerten wild, was bizarre Schatten zu Folge hatte.

Rufus schluckte. „Und jetzt?“

„Jetzt erkläre ich dir den Spruch, mit dem du diesen Geist beschwörst. Du kennst die Regeln?“

„Du meinst, keine Pause beim Sprechen des Spruches lassen?“

„Genau.“

„Ich finde die Idee immer noch bescheuert.“

„Kannst du auch, solange du dich trotzdem um den Geist kümmerst.“

Rufus runzelte die Stirn. „Lockst du mich etwa in eine Falle?“

Peregrin seufzte. „Erstens, das fällt dir ja früh ein. Zweitens, ihr habt mich da mit reingezogen. Drittens, ich wäre schön dumm, dich in eine Falle zu locken, denn dann würde ich hier bis zum Sankt Nimmerleinstag herumhängen!“

„Klingt logisch.“

„Ist es auch. Kratzt du jetzt deinen Mut zusammen oder muss ich mir weitere Ermutigungen ausdenken!“

„Lass es besser.“

„Lass was besser?“

„Dir Ermutigungen ausdenken.“

„Na schönen Dank auch!“

„Wie lautet denn jetzt die Beschwörungsformel?“

Peregrin schwebte zu Rufus. Neben dem Schutzkreis hielt er an. „Da gibt es keine Feste. Zumindest, wenn du nicht gläubig bist. Ich schätze es klappt mit: Bei meinem Blut ruf’ ich dich. Mit meiner Macht bind’ ich dich. Geist, der du mich verfolgst, komm!“

„Sicher?“

Der Geist zuckte mit den Schultern. „Bei was du ihn rufst, ist ziemlich egal, der wichtigste Part ist der, dass du ihn mit deiner Macht bindest und die hast du.“

„Das heißt: du hast improvisiert.“

„Ja. Aber das alles hier ist doch eh Improvisation.“

„Wenn ich dir den Hals umdrehen könnte, dann...“

„Versuch’s ruhig. Berühren kannst du mich und zu atmen habe ich schon vor einer ganzen Weile aufgegeben. Also los, lass deinen Ärger an mir aus.“

„DU... „

„Ja, ich?“

„Argh, ich geb’s auf.“

„Bedeutet das, du fängst jetzt endlich mit der Beschwörung an?“

Rufus raufte sich die nassen Haare. Peregrin war aber auch penetrant. Wie hatte es nur hierzu kommen können? Er glaubte nicht an Geister und nun klebte einer an ihm und ein anderer jagte ihn. Schaudernd, es war doch recht kalt in den nassen Klamotten, rieb er sich die Hände. Er redete sich zumindest ein, dass das Schaudern nur an der Kälte lag.

So sehr er es auch verleugnen wollte, blieb ihm wohl nur die Möglichkeit diese dämliche Beschwörung durchzuführen. Er räusperte sich. Musste er irgendwelche okkulten Bewegungen machen? Da er es nicht wusste und aufmerksamkeitsheischende Armbewegungen albern fand, ließ er sie weg. Auch das mit dem, auf das Blut beschwören, empfand er als unpassend, außerdem sollte man dazu sein eigenes Blut vergießen, hatte er mal gelesen. Er schluckte und rief in einem Atemzug:„Im Namen meiner Freunde ruf ich dich. Mit meiner Macht binde ich dich. Geist, der du mich verfolgst, komm herbei!“

„So geht es natürlich auch,“ kommentierte Peregrin von außerhalb des Schutzkreises. Erst jetzt, wo er die Beschwörung gesprochen hatte, fiel Rufus auf, dass Peregrin die Linie des Schutzkreises nicht überwunden hatte.

Das Blut pochte in seinen Ohren. Stille breitete sich aus, alle Geräusche wurden verschluckt, als wären sie in Watte gepackt worden. Weder der Verkehr auf der Straße vor dem Friedhof noch das Rauschen der Äste und das gelegentliche Tropfen des Regenwasser war zu vernehmen. Rufus hielt den Atem an. Als er gezwungen war einzuatmen, war das Pentagramm immer noch leer. Sein Herz schlug, ähnlich schnell wie kurz zuvor auf dem Weg zu Jaqueline. Wo er so untätig bibbernd herumstand, erinnerte er sich daran, dass Jaqueline ihn sicher schon längst im Krankenhaus mit ihren Wohnungsschlüsseln erwartete. Wie hatte er sich nur auf diesen Unsinn einlassen können? Das war doch echt albern. Er sollte zusehen, dass er hier wegkam und zu seinen Freunden. Er würde das nicht mehr länger mitmachen und dabei seinem Anhängsel auch noch erklären, was er hiervon hielt.

Rufus verengte die Augen und starrte Peregrin an, der einen Finger auf seine Lippen legte und zum Pentagramm deutete.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ja, ich weiß ich der Cliffhanger war gemein, aber er bot sich so schön an. ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Futuhiro
2017-02-05T15:23:08+00:00 05.02.2017 16:23
... und durch das Pentagramm latscht gerade eine Miezekatze durch und beschädigt dabei die Linien. XD

Au man, ich liebe das Kapitel. Schade, daß es hier gerade nicht weiter geht. Ich habe bei den Dialogen viel gelacht. Die haben mich extrem an mich selber erinnert, wenn ich gerade irgendwas mache(n muss), was ich eigentlich gar nicht einsehe. Peregrin ist echt schlagfertig.

Aber wie um Gottes Willen kommt man auf die Idee, Erde von einem echten Grab zu klauen? Ehrlich, das Mädel hat es nicht besser verdient! =_=


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