Trembling
All die vergangenen Jahre haben ihre Spuren an mir hinterlassen. Ich war längst nicht mehr das kleine, schwache Mädchen, das dümmlich-verliebt einem Kerl hinterherlief. Ich habe gekämpft, Siege errungen und Niederlagen eingesteckt, habe gelitten und etwas verloren, was ich so tief in meinem Herzen eingesperrt hatte, sodass ich nie zu glauben vermochte, es zu je zu verlieren. Und all das war gut so. Es war in Ordnung so. Ich tat alles was in meiner Macht stand, um aufzuholen und ihnen zu zeigen, dass ich stark war und ich auf meinen eigenen Beinen stehen konnte. Ich habe trainiert und trainiert, trat dem Leben und seiner Grausamkeit in stetiger Angriffsposition gegenüber. Trotz Zögern, trotz Ängsten und Verlusten. Ich war immer hier. In Konoha. Unserer Heimat. Dort, wo alles begonnen hatte.
Wo ich lernen durfte, was Freundschaft bedeutete. Wo ich fühlen durfte, wie wunderschön die erste große Liebe war. Wo ich erfahren durfte, wie es sich anfühlt, alles zu verlieren, was einem lieb ist.
Und ich habe nie aufgeben.
Ich wollte niemals aufgeben.
„Süße, bist du dir sicher, dass alles ok ist?“, fragt mich Ino leise und ich spüre ganz deutlich, wie sie ihren Arm um meine Schultern legt, „Sollen wir gehen?“ Ich schüttle den Kopf und beobachte weiterhin diese Szene, die sich vor meinen Augen abspielt. Meine Augen huschen über alles, was gerade passiert. Über seine Freude, die ganz deutlich in seinen blauen Augen glänzt. Über seine Muskeln, die sich bei jedem aufgeregtem Schritt bewegen, während er fröhlich um ihn herum tänzelt. Wie lange hat er gewartet? Zwei Jahre? Vier Jahre? Sechs Jahre? Zeit bedeutet nichts. Das tut sie nie.
Der Druck von Inos Arm auf meinen Schultern verstärkt sich und ich wende meinen Blick ab und schaue sie an. „Du musst das jetzt nicht tun. Morgen ist auch noch ein Tag. Oder übermorgen. Wenn es sein muss, erst nächste Woche!“ Mir entfährt ein leises Lachen. „Weißt du, es ist ja nicht so, als hätte er sich keine Zeit gelassen“, wispert sie kaum hörbar. Narutos lautes Lachen dringt erneut an meine Ohren und ich wende meinen Blick wieder in dessen Richtung. Seine Haare wippen bei jeder Bewegung und völlig außer sich vor Freude schnappt er sich Hinatas Hand und lacht noch lauter. In mir kribbelt es vor Erleichterung, dass Naruto sich nicht geändert hat. „Sakura, hey, Sakura! Er schaut her“, bemerkt Ino und verlagert ihr Gewicht auf ihr linkes Bein, „Was willst du jetzt machen?“
Mir entfährt ein Seufzen, während ich ihr antworte: „Ich weiß es nicht.“
Es ist Jahre her. Schon lange habe ich aufgehört die Tage zu zählen und mir zu wünschen, er käme endlich zurück. Ich habe mir eingeredet, dass ich nichts mehr empfand. Aber stimmt das wirklich? Empfand ich nichts mehr? Rein gar nichts?
Natürlich würde ich niemals die Verbundenheit vergessen, die möglicherweise nur durch Naruto entstanden war. Immerhin war er es, der unsere Truppe damals zusammen hielt. Er war es, der mich ermunterte, niemals aufzugeben. Auch wenn mein Glaube an Naruto, an Sasuke, an Team 7 manchmal erschüttert war, vielleicht sogar zu bröckeln begann, aufgegeben habe ich nie.
Und da stand er also nun. Nach so vielen Jahren. War er wirklich heimgekommen? Würde er wieder gehen? Aber was machte das schon aus? Es würde nichts ändern. Es ist wie immer. Er ist weg und kehrt zurück, nur um dann wieder zu verschwinden. Seine dunklen Augen liegen auf mir und ich sehe ihm an, dass er auf meine Reaktion wartet und mir die Entscheidung überlässt, ob ich ihn zurück in mein Leben lasse. Meine Augen schließen sich. Narutos lautes Lachen verstummt und ich kann mir gut vorstellen, dass er gebannt auf meine Reaktion wartet, genau wie es Sasuke tut.
Ich spüre mein Herz ganz vorsichtig in meiner Brust schlagen. Ich bin nicht aufgeregt. Ich bin nicht traurig. Ich bin nicht froh. Aber irgendetwas ist da, was schmerzlich pocht.
Als ich meine Augen öffne, lenke ich meinen Blick in den wolkenverhangenen Himmel.
Ich habe nie aufgeben.
Ich wollte niemals aufgeben.
„Ich kann nicht“, hauche ich gegen den Wind, „Sasuke, ich kann einfach nicht.“ Meine Augen huschen über seinen Körper. Zittern seine Finger? Egal. Ich starre auf seine Lippen, die fast unbemerkt zucken und glaube zu sehen, dass er seine Kiefer aufeinanderpresst. Es ist mir absolut egal. Seine Augen starren unentwegt auf mein Gesicht. Suchen meinen Blick und wirken für wenige Sekunden entsetzt, als ich mich abwende. Ihm den Rücken zeige und mich mit langsamen Schritten entferne.
Es schmerzt ganz heftig in meiner Brust. Es fühlt sich an, als zerspringe mein Herz in meiner Brust.
Und ich renne. Ich renne weg.
Mit seinem Blick auf mir.
Mit dem Zittern im Herzen.