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Geschwisterbande

von

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Erkenntnis

Chaos.

Nein. Mehr noch: Ein Desaster.

Nichts anderes waren die vergangenen zwei Jahre gewesen. Dumbledores Tod, Voldemorts Rückkehr und zu allem Überfluss war da noch dieses unerträgliche Gefühl der Schande und der Blamage, das ihn Tag für Tag begleitete und ihn einfach nicht losließ. So sehr er sich auch dagegen wehrte. Wie sollte er seiner Familie je wieder vernünftig unter die Augen treten? Das Ministerium hatte Unrecht gehabt. ER hatte Unrecht gehabt. Harry Potter und Albus Dumbledore waren keine Lügner gewesen. Du-weißt-schon-wer war tatsächlich und leibhaftig zurück.

Percy setzte seine Brille ab und fuhr sich mit den Händen über das müde Gesicht.

Dennoch. Ihm blieb nichts anderes übrig, als nun einen möglichst kühlen Kopf zu bewahren. Sein Vertrauen in das Ministerium war trotz aller Umstände unerschütterlich. Er hatte keine Zweifel: Die Regierung würde schon dafür sorgen, dass die Sicherheit der Zaubererwelt gewährleistet war.
 

„Weasley!“

Percy schreckte von seinem Bürostuhl auf und stand nun kerzengerade vor seinem Vorgesetzten Pius Thicknesse, der ihn bedrohlich von oben herab taxierte.

„Ja, Sir?“, entgegnete Percy überschwänglich.

„Bearbeiten Sie diese Akten.“ Thicknesse deutete mit einer kleinen Bewegung seines Kopfes auf den Meter hohen Aktenstapel, der neben ihm her schwebte und nun unsanft und mit einem lauten Knall auf Percys Tisch landete. „Sie haben Zeit bis heute Abend.“

Dann wandte sich der Minister wieder ab und verschwand mit wehendem Umhang aus dem Büro.

„Sie können sich auf mich verlassen, Mr. Thicknesse, Sir!“, rief Percy ihm noch salutierend nach, ehe er wieder auf seinem Stuhl Platz nahm und sich den Akten widmete. Es handelte sich um Papiere straffälliger Hexen und Zauberer, insbesondere derer, die derzeit mit allen Mitteln versuchten gegen das Ministerium arbeiteten, wobei es Percys Aufgabe als Juniorassistent des neuen Ministers war, den Aufenthaltsort der Betroffenen zu ermitteln und sie zum Prozess zu laden, wo er schließlich höchstpersönlich anwesend war, um Protokoll zu führen. Er hatte also einiges zu tun. Ohnehin war es ihm schleierhaft, wieso die Menschen gerade in Zeiten wie diesen verrücktspielten und sich gegen die Regierung richteten. Eine Zusammenarbeit würde die ganze Sache um einiges vereinfachen. Aber gut. Wer gegen das Gesetz verstieß, der musste nun mal mit den Konsequenzen rechnen. Nur so konnte ein Rechtssystem funktionieren.
 

Mit geübten Fingern ging Percy die ihm vorliegenden Papiere durch. Als er nach ungefähr vier Stunden bei der vorletzten Akte angekommen war, ließ ihn diese jedoch stutzen. Er blätterte leicht verwirrt die Dokumente durch, auf der Suche nach einem Fehler. Als er nichts dergleichen fand, schnappte er sich die Akte und lief den Gang entlang hinüber in das Büro des Ministers.

„Mr. Thicknesse, bitte entschuldigen Sie die Störung, aber ich fürchte, bei einer der Akten, die Sie mir zur Bearbeitung gegeben haben, liegt eine Verwechslung vor.“

„Und was für eine Verwechslung soll das sein?“, fragte der Minister mit deutlich genervtem, Unterton ohne von den Dokumenten in seiner Hand aufzusehen.

„Es geht um die Akte von Magnus Dattlebold.“

Percy zeigte ihm die betroffene Akte. Thicknesse warf einen kurzen gleichgültigen Blick auf die Papiere.

„Und?“

„Nun ja, der Junge ist 8 Jahre alt. Er ist minderjährig.“

„Und?“, fragte der Minister erneut.

Percy zögerte einen Moment, da der Minister offensichtlich sein Problem nicht verstand.

„Ein Prozess gegen Minderjährige ist nicht vorgesehen.“

„Sagen Sie mir, hat dieser Junge sich dem Widerstand angeschlossen? Hat er einem hochrangigen Ministeriumsmitarbeiter vor die Füße gespuckt? War er ungehorsam?

„Schon, aber-“

„Na bitte. Und jetzt tun Sie Ihre Arbeit, Weasley, und lassen Sie mich in Ruhe.“

Percy ließ die Akte in seiner Hand sinken.

„Ja, Sir...“, murmelte er leise und ging zurück in sein Büro, wo er Magnus Dattlebolds Akte zurück zu den anderen auf seinen Schreibtisch legte. Nachdenklich betrachtete er seine Arbeit. Dann wandte er sich um.
 

Kaltes Wasser rann sein Gesicht hinunter und tropfte in das Waschbecken der Toilette in der obersten Etage des Ministeriums, die seines Wissens nach nur selten aufgesucht wurde. Percy drehte den Wasserhahn zu, sah auf und betrachtete sein Ebenbild in dem Spiegel ihm gegenüber.

Was dachte sich der Minister dabei? Ein Kind als Beschuldigter vor dem Gericht? Seit wann verstieß das Ministerium gegen seine eigenen Gesetze?

Er seufzte lautlos. Nun, wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, hatte es in der letzten Zeit schon mehr als genug Fälle von Anklagen gegeben, die er insgeheim für doch recht zweifelhaft hielt. Aber er hatte immer stillschweigend seine Arbeit erledigt, weil es nun mal seine Aufgabe war. Denn das Ministerium würde schon seine Gründe gehabt haben. Das Ministerium, dem er immer vertraut hatte. Mehr als seiner eigenen Familie.

Percy zuckte zusammen, als er plötzlich Stimmen auf dem Gang hörte, die sich näherten. Er wusste nicht wieso, aber er schritt rücklings zurück in eine der Kabinen und schloss die Tür hinter sich, als keine Sekunde später auch schon zwei Männer den Raum betraten, die sich angeregt und mit moderater Lautstärke unterhielten.

„…eine Frage der Zeit.“

„Ganz deine Meinung. Harry Potter kann sich nicht ewig verstecken. Der dunkle Lord-“

„Pssh!“

„Was ist?“

„Was, wenn uns Jemand hört?“

„Hier kommt doch eh nie jemand her.“

„Woher willst du das wissen?“, fauchte einer der Männer, dessen Stimme Percy nicht identifizieren konnte. Es wurde still. Percy presste sich seine Hände auf den Mund, um ja keine Geräusche zu machen. Er hielt sich bereit für den Fall, dass im nächsten Moment die Tür seiner unabgeschlossenen Kabine aufgezogen wurde.

„Jetzt sei doch nicht so paranoid.“

„Ich bin nicht paranoid, ich bin nur vorsichtig.“

„Von mir aus, aber was soll schon passieren? Ist ja nicht so, als wäre das Ministerium nicht inzwischen weitestgehen von den richtigen Personen besetzt, oder?“ Percy hörte ein dreckiges Lachen und Wasserrauschen.

„Mag sein. Wie auch immer. Ich muss gleich noch zu Yaxley. Er plant Steckbriefe im gesamten Land zu verteilen. Mit Sicherheit gibt es genug Menschen mit Sinn und Verstand, die Harry Potter liebend gern verraten würden, nur um sich mit dem Ministerium gut zu stellen.“

Wieder ein Lachen.

„Und mit Harry Potter auch seine kleinen dreckigen Freunde.“

„Wie die Weasleys.“

Ein verächtliches Schnauben. „Diese schmutzigen Verräter haben nichts anderes als den Tod verdient.“

Percys Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen. Das Wasserrauschen stoppte und er hörte Schritte.

„Wir kriegen sie schon. Allesamt.“

Dann fiel die Tür ins Schluss und es wurde wieder still. Percy atmete unruhig, fuhr sich zitternd mit der Hand durch seine roten Haare und versuchte seine Gedanken zu sortieren. Er war ein Idiot gewesen. Ein blöder Idiot! Das Ministerium war infiltriert mit Todessern und er war so dumm auch noch für sie zu arbeiten. Warum war er so blind gewesen?

Sein Gesicht war leichenblass, als er die Toilette verließ.

Was sollte er jetzt tun? Er konnte nicht so einfach zurück. Nicht zu seiner Familie. Einmal davon abgesehen, dass er bei ihnen höchstwahrscheinlich so willkommen war wie Voldemort selbst, würde er sie doch nur in Gefahr bringen. Warum sonst ließen sie ihn hier arbeiten?

Unruhig lief Percy vor der Toilette auf und ab, als ihn eine scharfe Stimme aus seinen Gedanken riss.

Weasley! Was tun Sie da?“

Percy starrte in das finstere Gesicht des Ministers.

„I-Ich…“, stammelte er und wollte am liebsten weglaufen. Doch je länger er dem Redefluss seines Vorgesetzten lauschte, desto mehr besann er sich zur Ruhe.

„Sie wissen doch, was Sie zu tun haben, Weasley!“

Percy ballte unmerklich die Fäuste.

Oh ja, das wusste er.
 

Es vergingen Monate. Percy tat seine Arbeit, um nicht aufzufallen, aber er tat sie absichtlich nachlässig. So gut es ging. Er wusste, er wurde strengstens beobachtet. Umso mehr hoffte er, dass sein einziger Kontakt außerhalb des Ministeriums nicht aufflog.
 

Es war der erste Mai 1998. Irgendetwas schien vor sich zu gehen. Thicknesse und all die anderen Marionetten Voldemorts waren an diesem Tag nicht ins Ministerium gekommen. Percy war ungeduldig. Er sah sich unauffällig um, nahm sich dann ein kleines Stück Pergament aus der Schublade seines Tisches heraus und seine Feder zur Hand und begann zu schreiben, doch noch bevor er den ersten Satz auch nur fertig geschrieben hatte, ließ ihn ein plötzliches lautes Knistern und ein darauffolgendes Husten zusammenfahren. Er fuhr auf seinem Stuhl herum und entdeckte in der Asche des Kamins an der Wand ein ihm bekanntes Gesicht.

Percy sah sich ein weiteres Mal hastig um, bevor er zum Kamin eilte.

„Aberforth! Was tun Sie da? Das ist zu gefährlich! Wenn Sie Jemand sieht-“

„Hogwarts. Der Kampf beginnt.“
 

Percy starrte auf die Stelle, an der Aberforths Gesicht für ungefähr fünf Sekunden zu sehen war. Dann stand er auf und griff entschlossen nach seinem Zauberstab.

Es wurde Zeit.



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