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Via Inquisitoris - Kurzgeschichten

Aus der Welt der Geschichten um den Inquisitor
von

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Kadash und Inquisitor Teil 6

John Buxton stand nachdenklich bei den beiden anderen Männern, ehe er meinte: „Ich habe eine Idee, wenn Ihr nichts dagegen habt, Pater Thomas.“

„Nein,“ antwortete der Inquisitor sofort, wenngleich mehr ehrlich als taktisch klug: „Ich kann sie ja noch immer ablehnen...“

Der Vampir ignorierte das: „Ich habe bereits die Wachen befragt, die an der Halle standen und sie bestätigten ja auch, dass Roger...wie betrunken gewirkt habe. Umgekehrt erschien er den Anderen bei Tisch vollkommen normal. Ich könnte versuchen jemanden zu finden, der ihn dazwischen gesehen hat Oder auch danach, nachdem ihn Sir William des Saales verwies, ehe er heute morgen gefunden wurde. Sicher, es hat sich niemand gemeldet, aber womöglich hält derjenige seine Beobachtung auch für vollkommen nebensächlich.“

„Ja, tut das. Zu Euch haben Eure Männer doch mehr Vertrauen als wenn ich sie befrage,“ erwiderte der Ermittler der Kurie: „Überdies – ich spreche kein Englisch oder Normannisch.“

Der Engländer warf einen raschen Blick auf das mutmaßliche Mitglied des Hohen Rates. Der Kadash nickte ebenfalls, schwieg jedoch. So ging Sir John.

„Es können eigentlich nur die Pilze gewesen sein,“ sagte Pater Thomas nachdenklich: „Aber das wäre unmöglich. Darum muss es eine andere Lösung geben. Und die Idee Sir Johns ist gut. Er denkt mehr, als ich es von Kriegern gewohnt bin. Nun, ich erwähnte bereits, dass es wohl ein Vorurteil meinerseits ist.“

„Vorurteile schleichen sich immer wieder ein, bei jedem,“ sagte der Kadash aus wahrlich langer Erfahrung. „Das ist gewöhnlich. Ungewöhnlich an Euch, Pater, ist es, dass Ihr sie an Euch selbst erkennt und, nennen wir es, über Bord werfen könnt. Ein Grund Euch zu schätzen.“

„Das Kompliment kann ich zurückgeben. Während wir auf den medicus und Sir John warten könnten wir uns ein wenig mit Aristoteles beschäftigen....“

„Nur zu gern.“
 

Als Sir John zurückkehrte fand er sein Zimmer leer, jedoch einen Diener davor, der ihm mitteilte, dass vor wenigen Minuten die Herren zur Pforte gebeten worden waren, da der medicus eingetroffen sei. So beeilte er sich hinab zu kommen. Zu seiner gewissen Überraschung war der medicus in einen braunen Umhang mit Kapuze gehüllt, der ihn einem Mönch ähnlich sehen ließ. Den Grund konnte er sich freilich vorstellen, als er unter dem Ärmel etwas Gelbes aufblitzen sah. Gelb trug kein ehrlicher Bürger oder gar Adeliger. Es musste sich also um jemanden handeln, der aus der Gesellschaft ausgeschlossen waren. Medicus, ja? Dann konnte es nur ein jüdischer Arzt oder auch ein Henker mit medizinischen Kenntnissen sein.

Pater Thomas nickte ihm zu: „Ah, Sir John. Hört nur mit. - Weiter.“

Der Arzt nickte, ehe er sachlich fortfuhr, obwohl ihm die Lage nicht sonderlich gefiel. Der Umgang mit einem Inquisitor war stets heikel, aber auch noch in einer fremden Gesandtschaft...Er hatte jedoch wenig Wahl. Pater Thomas schätzte und schützte ihn: „Wie bereits erwähnt fand ich Nachweise, dass dem Toten übel war, er wohl auch Durchfall hatte. Pilzvergiftung mag das durchaus auslösen...Perlpilze, sagtet Ihr, Pater.“

„Pantherpilze sehen ihnen sehr ähnlich,“ warf der so genannte Don Marco di Cissano ein: „Nach meinem Wissen führen sie zu solchen Folgen, aber nicht zum Tod.“

„Dosis facit venenum, edler don. Die Dosis macht das Gift. Allerdings,“ gab der medicus zu: „Es müsste schon eine Reihe an Pantherpilzen gewesen sein, bei einem so jungen Mann.“

„Seine Mutter pflückte und trocknete sie. Er war ihr einziger überlebender Sohn.“ Der Inquisitor nickte: „Gibt es andere Pilze, die zu solchen Verwechslungen führen können?“

„Keine, die sich wirklich so ähnlich sehen,“ sagte der medicus sofort: „Es sei denn in England oder der Normandie wachsen welche, die ich nicht kenne.“

„Nein,“ erwiderte John Buxton augenblicklich: „Keine, die ich je sah. Und Pilze sind bei uns häufig.“

„Oh, Sir John..in dieser Truhe ist der Tote. Ihr könnt die Beerdigung vorbereiten lassen.“ Pater Thomas wusste, dass niemand Tote in seinem Haus schätzte: „Ich fürchte, mit dem Bericht des medicus haben wir alles von Roger Mairie erfahren, was man noch erfahren konnte. Habt Ihr noch Neuigkeiten?“ Er sah zu dem Engländer.

„Passend zu der ärztlichen Diagnose, ja. Jemand sah Roger gestern Abend im Hof bei dem gewissen Häuschen. Wenn er Durchfall und Erbrechen zeigte war das wohl die Ursache. Danach ging er in sein Zimmer, wo er dann auch starb.“

„Gift also, und die Pilze sehen als die Hauptverdächtigen aus. Nur, wieso? Seine Mutter wollte ihn kaum vergiften. Könnte der Koch eine fehlerhafte Zubereitung begangen haben?“

„Mortimer ist seit Jahren hier. Und er ist wirklich erfahren.“

„Nun gut, lasst den Toten beerdigen. Danke,“ wandte er sich an den Arzt: „Ich kümmere mich um den Schutzbrief.“

„Danke, Pater.“ Der medicus verließ den Raum in der Hoffnung, dass sein Schutzherr auch die anderen beiden Männer davon abhalten könnte ihn verfolgen zu lassen. Ärzte lebten durchaus gefährlich – sie kamen mit Toten in Verbindung und mancher warf ihnen vor die Verursacher zu sein. Und jüdische Ärzte waren noch einfachere Ziele. Sich mit einem Inquisitor gut zu stellen war nicht nur für einen selbst lebenserhaltend sondern für die gesamte Gemeinde.
 

„Die Pilze.“ Der Kadash klang nachdenklich.

Der Inquisitor zuckte die Achseln: „Wir sind uns einig, dass Perlpilze nicht gefährlich sind und Pantherpilze nicht tödlich.“

„Ja. Aber der medicus hatte recht. Die Dosis macht das Gift. Pantherpilze verursachen Erbrechen und Durchfall, dazu auch Halluzinationen. Nicht den Tod...und das meine ich mit Fragezeichen.“

„Die Dosis...“ Pater Thomas richtete sich auf: „Kann sich eine Mutter so irren?“

„Ah, Ihr versteht. Nun, fragen wir den guten John, wenn er zurück kommt. Er macht auf mich einen sehr vernünftigen Eindruck, auch ohne Aristoteles – und damit wohl auch etwas lebensnaher.“ Und ein mehr als viertausend Jahre alter Vampir besaß Lebenserfahrung. Es war sowieso erstaunlich, dass er selbst von John noch nie gehört hatte – der verstand es anscheinend in der Tat seine Tarnung zu wahren.

„Als unsereins? Möglich, don Marco. Und es gilt noch immer der alte Rechtsgrundsatz: Keine Schuld ohne Bewusstsein der Schuld. Unfälle passieren. Aber das würde auf jeden Fall die Unschuld Eurer Gemahlin bedeuten. Nun, nicht, dass ich das nicht sowieso vermutete.“

„Danke, Pater. Jedoch....Ihr benötigt eine Erklärung.“

„Ja. Aber ein Unfall würde genügen, wenn er glaubhaft ist. Wer auch immer der Papst in einem Jahr ist, wird gegenüber dem englischen König nicht neben diesem Beckett einen zweiten Streitpunkt vom Zaun brechen wollen.“

„Das ist wahr. Und es sollte eben auch eine plausible Untersuchung stattgefunden haben. Sir John wird Euch da sicher behilflich sein.“

Ja, dachte Pater Thomas. Marco di Cissano war ein geschulter Diplomat. Und er hatte recht. Er selbst hatte sich durchaus Unterstützung erhofft, als er den englischen Sicherheitsbeauftragten gestattete mit ihm zu kommen. Natürlich wäre es taktisch unklug gewesen, einer Bitte des Gesandten nicht zu folgen, aber er hatte sich auch absichern wollen. Nun, dieser John Buxton schien intelligenter zu sein, als er auch nur erwarten konnte. Und das würde den Fall so oder so sicher abschließen lassen, zumal wenn der Ehemann der Beschuldigten der Inquisition keine weiteren Probleme wegen der falschen Verdächtigung machen wollte.
 

John Buxton gab nur den Befehl den Toten zum zuständigen Friedhof außerhalb des Viertels zu bringen und dem Gesandten Mitteilung zu machen, ehe er zu den anderen Beiden zurückkehrte. Zum Einen war er neugierig auf den fremden Vampir, zum Zweiten hatte er durchaus der Gefühl die Sache nähere sich dem Ende und er wollte das nicht verpassen – schon um gegebenenfalls seiner Pflicht nachzukommen Sir William und die gesamte Gesandtschaft zu schützen. So kam es nicht ganz unerwartet, dass der Inquisitor ihn ansprach, sobald er zurückkehrte:

„Ihr kennt diese Pilze auch aus eigener Anschauung.“

„Ja. Sie wachsen im Reich, aber eben auch in England. Und es passierte einmal ein Zwischenfall, als einer meiner Männer damals Pantherpilz aß. Er zeigte die Symptome von Übelkeit und Erbrechen, erholte sich jedoch rasch wieder.“

„Sagen wir, es war ein Korb Pilze, und zwei falsche darunter?“

„Möglich. Es ist Jahre her, das weiß ich nicht mehr so genau.“ Er musste ja nicht erwähnen, dass diese Vergiftung sich im Rheinland zugetragen hatte, als er mit seiner Legion in Colonia Agrippina stationiert gewesen war, ehe sie an die Nordgrenze des Imperiums nach England zurückkehrten, um den Hadrianswall zu bauen und zu bewachen – der Beginn einer gewissen Zuneigung für dieses raue Land um York. Er bemerkte den etwas amüsierten Blick des möglichen Ratsmitgliedes. Konnte der sich das denken? Zumindest, dass das nicht erst ein oder zwei Jahre zurücklag? Bestimmt. Das war ein alter und mächtiger Vampir, älter als er selbst, viel älter – vielleicht der Älteste unter allen, die sich noch nicht zurückgezogen hatten. Der konnte ihn und sein Alter bestimmt einschätzen. Aber da war etwas anderes wichtiger: „Ihr glaubt an eine Verwechslung? Durch Rogers Mutter? Warum hätte er daran sterben sollen? Er war jung und offenbar gesund.“

Inquisitor und Kadash sahen sich an, ehe Pater Thomas meinte: „Ja, eine Verwechslung. Aber eben nicht ein Pantherpilz und dreißig Perlpilze, sondern praktisch andersherum. Darum ist auch dem Koch nichts aufgefallen. Sie sehen sich, gerade getrocknet, wohl sehr ähnlich.“

„Bedenkt,“ ergänzte Marco di Cissano: „Die Dame hat ihr Personal entlassen und kannte sich wohl nur einigermaßen aus. Wenn sie im Wald nun eine Lichtung mit identischen Pilzen findet, wird sie sie für essbar gehalten haben, eben für Perlpilze. Die wenigen, die ähnlich aussahen, ließ sie stehen....Versteht Ihr? Menschen lassen sich leicht durch die größere Zahl in die Irre führen.“

John Buxton nickte: „Und ein ganzer Topf Pantherpilze würde eben auch durch Erbrechen und Durchfall einen Körper belasten. Ein Unfall – über tausende von Meilen hinweg. In jedem Fall hat dann Eure Gemahlin nichts mit der Sache zu tun. Pantherpilze verursachen ja auch Halluzinationen.“

„Gut.“ Der Inquisitor neigte den Kopf. „Wenn wir uns einig sind, werde ich meinen Bericht entsprechend abfassen – und natürlich eine Sänfte schicken, die donna Marianna nach Hause holt. Sir John, Ihr unternehmt es freundlicherweise den Gesandten ins Bild zu setzen? Bei Bedarf kann ich ihm auch eine Abschrift meines Berichtes zukommen lassen.“

„Das wäre freundlich, ja, Pater Thomas. Roger war immerhin Bote unseres Königs, das sollte offiziell werden.“ Der englische Vampir öffnete höflich die Tür, wartete, bis der Dominikaner an ihm vorbei war und sie wieder geschlossen, ehe er sich umblickte: „Ich glaube, damit ist die Sache auch erledigt, don Marco.“

„Ja. Ich glaube nicht, dass der Rat davon erfahren muss.“

„Dennoch: ein sehr einfacher Schluss...Eine Deutung, ja, aber es gäbe auch andere.“

„Pater Thomas ist zufrieden, denn er hat eine ordentliche Ermittlung und einen Abschlussbericht, der medicus ist zufrieden, denn er hat seine Aufgabe gelöst und ich denke, er genießt weiterhin den Schutz der Kurie, Euer Koch dürfte zufrieden sein, dass er nicht das Bauernopfer wird, Euer Gesandter ist zufrieden, denn er hat keinen Fehler begangen, Euer König ist zufrieden, denn es wurde durch eine ordentliche Ermittlung ein Unfall nachgewiesen, dem man niemandem verübeln kann, ich, wir sind zufrieden, dass Inanna als Mitglied des Hohen Rates nicht mehr kompromittiert ist und so die Regel der Unauffälligkeit gewahrt wird...Besser so als jemand falsch verdächtigt, nicht wahr, Sir John? Es mag ein wenig...voreilig sein, ja, unmoralisch, nicht die komplette Wahrheit herausfinden zu wollen, aber manchmal ist der Schritt vor der absoluten Wahrheit der bessere. - Ich würde Euch dennoch gern einmal zu uns bitten. Ihr seid ein recht alter Vampir und mich wundert, dass Ihr bislang keine Einladung in den Hohen Rat erhalten habt.“

„Kein Interesse. Ich schätze meine Bücher und lerne gern dazu. Mehr nicht.“

„Einen so sachlichen und nüchternen Mann könnte man gut gebrauchen, zumal sich einige des Rates zurückziehen wollen. Nun, ein wenig plaudern wäre auf jeden Fall angenehm für alle drei von uns. Inanna...ich meine, Marianna, lernt ebenfalls gern.“

„Ihr nicht?“ Nun, er konnte ihn unmöglich nach seinem Alter fragen.

„Ich bin kein Ratsmitglied, Sir John, was Ihr höflicherweise nicht fragen wollt. Sagen wir, ich bin unser Inquisitor.“ Er bemerkte, dass der Andere leicht erstarrte. „In der Tat. So reagieren die meisten Vampire.“

Er hatte es sich fast schon gedacht: „Verzeiht, Kadash. - Obwohl ich zugebe, dass Inquisitor netter klingt. Neutraler.“

„Man könnte es dem Rat ja einmal vorschlagen, das als zweiten Titel in Umlauf zu bringen“

Das klang fast erheitert und so erkundigte sich John: „Darf ich fragen, aus welcher Sprache eigentlich der Titel Kadash kommt?“

Dieser lächelte: „Fragen dürft Ihr, aber das weiß ich nicht und wusste auch mein Meister nicht. Es ist ein Wort aus einer einst menschlichen...hm..Sprache, lange ehe es richtige Sprachen gab. Womöglich sogar noch aus der Zeit, als sich unsere Linie der Jäger von der der Menschen trennte. Jahrhunderttausende alt. - Seht doch wirklich einmal Abends bei uns vorbei.“

„Gern.“ Und beileibe nicht nur, weil man dem Kadash nichts abschlagen konnte. Das würden sehr interessante Gespräche werden und sehr lehrreich.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Wen es interessiert: ich plane eine längere Heschichte über Lady Sarah udn Lord John bzw. Sarahs Vergangenheit, aber das wird noch dauern.

bye

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  MissVegeta
2018-11-22T05:53:21+00:00 22.11.2018 06:53
Den Teil fand ich angenehmer zu lesen und musste grinsen.
Klasse, wie logisch an Ende alles ist. Sehr gelungene Sidestories! Hat Spaß gemacht die Gedankengänge anderer zu verfolgen. Vor allem mag ich den alten Kadash sehr. Finde ihn einfach genial.
Ich liebe deine Geschichten!!



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