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Galaxy Credit

von

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Der Tag begann mit dem schrillen Piepsen des Weckers. Ein monotones, lautes Geräusch welches dazu in der Lage war eine Person binnen Sekunden entnervt aus dem Schlaf zu reißen.

Bis auf das nervtötende Geräusch war es noch still in dem kleinen, aber penibel aufgeräumten Appartement.

Es brauchte einen Moment, doch langsam aber sicher erwachte die Besitzerin der kleinen Wohnung.

„Mh..., es ist schon wieder Zeit um aufzustehen?“ Dafür, das sie eben erst aus dem Reich der Träume zurückgekehrt war, klang ihre Stimme überraschend klar.

Mit einer Hand schaltete sie den Wecker aus, dann kehrte wieder Ruhe in der Wohnung ein.

Die junge Frau befreite sich von der Decke, stand auf und gähnte hinter vorgehaltener Hand.

Einige Sonnenstrahlen fielen bereits durch die Gardinen und erhellten den Raum ein wenig.

Der Tag versprach schön zu werden. Ein ganz normaler Donnerstag, an dem es wie an jedem Wochentag Pflicht war, spätestens um 7:30 Uhr im Büro zu erscheinen.

Um diese Zeitvorgabe auch einzuhalten, öffnete die Wohnungsbesitzerin nur routinemäßig die Fenster um zu lüften und legte die Bettdecke wieder ordentlich zusammen, bevor sie sich Kleidung für den Büroalltag aus dem Schrank suchte und im Bad verschwand.
 

Nach einer Weile hatte sie es endlich geschafft sich für den Tag herzurichten.

Die Uhr zeigte 7:08 Uhr, also höchste Zeit das Haus zu verlassen um noch pünktlich auf der Arbeit zu sein.

Für ein Frühstück in den eigenen vier Wänden hatte die Zeit nicht mehr ausgereicht, doch daran konnte sie nun nichts mehr ändern.

„Was für eine Schande ohne ein vernünftiges Frühstück das Haus verlassen zu müssen. Wie soll ich mich nachher bloß auf meine Arbeit konzentrieren?“, klagte die Frau mit dem hellblauen, fast weißen Haar. Mit wem sie da eigentlich sprach? Nun, mit sich selbst wie es schien, denn außer ihr selbst lebte niemand in diesem Appartement.

In Stresssituationen oder unter Zeitdruck neigte sie zu Selbstgesprächen oder dazu, nach etwas Essbarem zu greifen. Da Option zwei derzeit nicht in Frage kam, musste sie sich wohl oder übel mit Möglichkeit Nummer eins begnügen.

Am Ende noch zu spät im Büro zu erscheinen, konnte sie sich nicht leisten.

Reiko Aya arbeitete für die städtische Tageszeitung und derzeit lief es ganz und gar nicht gut im Job.

Es war immer das Gleiche : entweder schafften ihre Kolleginnen es, ihr die interessanten Themen vor der Nase wegzuschnappen, oder aber sie verstrickte sich zu sehr in einem Thema und reichte den Artikel zu spät ein. Lange würde ihr Chef sich das sicherlich nicht mehr ansehen, dass war selbst der ziemlich gutgläubigen Reiko klar.

Normalerweise grübelte die junge Frau nicht so sehr über Probleme, doch hier ging es um ihren Job, mit dem sie sich gerade so über Wasser halten konnte.

Sie musste es heute unbedingt schaffen ihren Chef davon zu überzeugen über ein interessantes Thema schreiben zu dürfen und musste den Artikel pünktlich fertig kriegen.

Langsam wäre es wirklich an der Zeit, wieder etwas positives vorweisen zu können, denn wenn ihre Pechsträhne noch lange so weiterging, dann wäre sie ihren Job bald los.

Gerade war sie über einen Zebrastreifen gelaufen um die Straßenseite zu wechseln, da bemerkte Reiko eine Menschenansammlung vor dem Juwelier, welcher nur drei Häuser von dem Bürogebäude entfernt war, in welchem sie arbeitete.

Nanu? Was war denn da los? Und vor allem um diese Uhrzeit. So viel sie wusste, hatte der Laden sonst doch noch gar nicht geöffnet.

Erst als sie näher kam, bemerkte sie das Absperrband vor der Tür des Schmuckgeschäfts und die zerbrochene Fensterfront.

So viel sie von hier aus sehen konnte, herrschte im Laden selbst das totale Chaos. Einige Ketten und Ringe lagen zwar noch auf dem Boden, doch sie könnte schwören, dass der Juwelier gestern noch mehr Schmuck zu verkaufen gehabt hatte.

Zaghaft tippte sie einem der Schaulustigen auf die Schulter um dessen Aufmerksamkeit zu gewinnen.

„Guten Morgen. Mein Name ist Reiko Aya, ich arbeite für die Niigata Morgenpost.“, stellte sie sich dem Fremden vor und reichte ihm eine Visitenkarte, bevor sie ihre eigentliche Frage stellte.

„Können Sie mir vielleicht sagen, was hier passiert ist?“

Immerhin handelte es sich bei dem Juwelier um eine Art Nachbar und die derzeit erfolglose Journalistin witterte förmlich eine interessante Story hinter der ganzen Sache.

Einen Augenblick lang musterte der Passant sie ein wenig irritiert, doch dann begann er zu reden :“Gestern Nacht hat jemand den Juwelier ausgeraubt. Der Dieb muss wirklich etwas von seinem Handwerk verstehen, denn nur die teuersten Schmuckstücke hat er gestohlen.“

„Was, ein Dieb?“, hakte sie nach. Bis eben war die junge Frau noch ein wenig verschlafen gewesen, doch nun wachte sie langsam auf.

„Nein, das war kein normaler Dieb!“, fiel ein anderer Schaulustiger ihrem Gegenüber aufgebracht ins Wort. „Das war mit Sicherheit wieder dieses Monster!“

„Ich glaube ich verstehe nicht ganz. Von was für einem Monster reden Sie da?“

Reiko glaubte anderen Leuten zwar sehr schnell, wenn diese nur überzeugt genug auftraten, doch ein Monster war wirklich ein wenig weit hergeholt. Oder etwa nicht?

„Und Sie arbeiten ernsthaft für die Niigata Morgenpost und wollen mir erzählen, wirklich noch nichts von diesem Ungetüm gehört zu haben?!“, entrüstete sich der Mann, der sich eben schon ungefragt in das Gespräch eingemischt hatte.

„Seit Tagen macht diese Gestalt Niigata unsicher und raubt einen Juwelier nach dem anderen aus.“, fuhr ihr Gegenüber auch schon fort. „Bisher hat es noch niemand geschafft es zu fangen, doch einige Augenzeugen haben berichtet, dass dieses Biest riesige Flügel und lange Klauen haben soll.“

„Ich für meinen Teil bin davon überzeugt, dass ein Tengu unsere friedliche Stadt heimsucht.“, mischte sich eine alte Frau in das Gespräch ein.

Einen Moment lang wusste die Journalistin gar nicht, was sie dazu eigentlich sagen sollte.

//Warum weiß die halbe Stadt etwas von diesem Biest, nur ich wieder nicht?//, fragte sie sich in Gedanken.

Die junge Frau griff in die Tasche ihres Blazers um an ihr Notizbuch zu gelangen und sich einige Details dieser Unterhaltung aufzuschreiben. Diese Einbruchserie klang wirklich nach einer interessanten Story, da sollte sie besser bei Zeiten Notizen anfertigen um nichts zu vergessen.

Doch...so sehr sie auch nach dem kleinen Notizheft suchte, Reiko konnte es nicht finden.

Nicht doch! Hatte sie das Heft gestern etwa im Büro liegen lassen?

„Entschuldigen Sie Miss, aber sind Wesen wie der Tengu nicht nur ein Teil der Mythologie?“, fand sie die Sprache wieder.

Noch nie zuvor hatte sie davon gehört, das so ein Wesen wirklich existieren sollte und dann nichts besseres zu tun hatte, als Schmuckgeschäfte auszurauben.

„Aber natürlich existieren diese Wesen in unserer Welt. Die heutige Jugend! Es ist wirklich erschreckend wie sehr ihr doch eure Augen vor der Realität verschließt.“, tat die alte Frau ihre Meinung kund.

Inzwischen hatte sich ein Großteil der Schaulustigen zu der kleinen Runde umgedreht um das Gespräch zu verfolgen. Die Diskussion, wer genau für den Einbruch verantwortlich war, interessierte die Menschen scheinbar doch mehr als das verwüstete Schaufenster.

„Siren!“, hörte sie plötzlich eine bekannte Stimme ihren Spitznamen rufen.

Wie genau die Journalistin zu diesen Namen gekommen war, konnte sie selbst nicht so genau sagen. Seit sie letztes Jahr ,kurz vor Weihnachten, mit ihren Kollegen in der Karaokebar gewesen war, nannten sie plötzlich fast alle bei diesem Namen.

Die junge Frau drehte sich um und bemerkte ihren stellvertretenden Chef, welcher genau hinter ihr stand.

Der Mann, der etwa Mitte 30 war, trug eine Mappe in der einen, eine Tüte vom Bäcker in der anderen Hand. Scheinbar war auch er gerade erst hier angekommen.

„Oh, guten Morgen, Herr Yamamoto.“, begrüßte sie ihren Vorgesetzten freundlich.

Im krassen Gegensatz zu sonst, blickte ihr Kollege heute viel freundlicher und fast schon ein wenig zu optimistisch drein.

„Wie ich sehe, bist du bereits fleißig damit beschäftigt ein paar Informationen für dein neues Thema zu sammeln.“

Mal wieder ein wenig schwer von Begriff, blickte Reiko ihren Vorgesetzten an.

„Mein neues Thema? Aber bisher hat man mir doch noch gar kein neues Thema zugeteilt.“

Der stellvertretende Chef seufzte hörbar. „Manchmal wäre es wirklich besser, wenn du so etwas für dich behalten würdest.“, stellte er fest. Er war solche Aussagen ihrerseits schon gewohnt.

„Es ist bereits kurz vor halb Acht, lass uns am besten im Büro über den Artikel reden.“
 

Etwa eine halbe Stunde später, war Reiko bereits um einiges klüger.

Einige Zeitungen hatten in den letzten Tagen zwar schon über die Raubserie berichtet, doch der Einbruch beim Juwelier fast vor der Haustür der Redaktion, war erst heute Nacht passiert und somit vollkommen neu.

Im übrigen behaupteten in den letzten Tagen immer mehr Menschen ein Wesen, halb Vogel halb Mensch gesehen zu haben, welches für den ganzen Wirbel verantwortlich war und der Polizei bisher noch jedes Mal entkommen war.

Besonders die älteren Menschen, die von diesem Etwas gehört hatten, behaupteten steif und fest es handle sich um einen Tengu, der aus einem noch unbekannten Grund regelmäßig wieder die Stadt unsicher machen würde.

Eine solche Verschwörung war natürlich ein gefundenes Fressen für jede Zeitung und somit war es höchste Zeit, morgen einen Artikel darüber auf der ersten Seite der Niigata Morgenpost zu veröffentlichen.
 

Eine ungefähre Vorgabe aus wie vielen Zeilen und Wörtern der Artikel bestehen sollte, damit man ihn in der Zeitung veröffentlichen konnte, hatte Reiko zwar, dennoch tat sie sich schwer damit einen vernünftigen Text niederzuschreiben.

Worauf ging sie am besten zuerst ein? Auf die Raubserie? Oder doch besser auf das Wesen, dass anscheinend von einigen Leuten gesehen worden war?

Einen Anfang zu finden war wirklich nicht leicht, die vorgegebene Wörteranzahl nicht zu überschreiten, würde später gewiss noch ein ganz anderes Drama geben.

Seufzend griff sie in die Glasschale, welche auf ihrem Schreibtisch stand, erwischte ein Plätzchen und biss ganz in Gedanken hinein.

//Was mache ich bloß? Wen der Artikel zu spät fertig wird, gibt es wieder Ärger, aber ich finde einfach keinen Anfang.//

Um wenigstens nicht untätig herumzusitzen, bemühte Reiko das Internet um herauszufinden, wo der oder die Unbekannte bereits eingebrochen war. Nach einiger Recherche griff sie schließlich zum Telefon, um zu versuchen mit den Ladenbesitzern zu sprechen und ein wenig mehr über die ganze Sache zu erfahren.
 

Es war kaum zu glauben, genauer gesagt die junge Frau konnte es selbst noch kaum fassen, doch sie hatte es zum Schluss doch noch geschafft, einen Artikel zu schreiben, der sich sehen lassen konnte und hatte diesen dann auch noch pünktlich abgegeben.

Seit langer Zeit hatte sie endlich mal wieder ein Lob von ihrem stellvertretenden Chef bekommen, welcher ihr heute Morgen das Thema zugeteilt hatte. An diesem Donnerstag, hatte Reiko ihren Arbeitsplatz mit neuer Motivation verlassen. Sie hoffte, dass ihre Pechsträhne nun endlich vorbei wäre.

Dafür, das es bereits September war, war der heutige Tag ungewöhnlich warm und sonnig gewesen.

Auch jetzt nach Feierabend, war es noch sehr mild draußen, obwohl es inzwischen bereits zu dämmern begonnen hatte.

Die junge Journalistin war wirklich erledigt, denn ihr Arbeitstag war ziemlich anstrengend gewesen.

Sie würde nur noch schnell im Supermarkt vorbeischauen und sich dann auf den Heimweg machen.

Um den Weg bis zum Supermarkt ein wenig abzukürzen, bog sie in eine unbelebtere Nebenstraße.

Hier war zwar nicht all zu viel los und einige Straßenlaternen waren auch seit langer Zeit kaputt, doch wenn sie diese Abkürzung nahm, würde sie für den Weg gut fünf Minuten weniger brauchen, als wenn sie über die Hauptstraße lief.

//Soviel ich weiß, ist mein Kühlschrank so gut wie leer. Ich hätte mir bei Zeiten einen Einkaufszettel schreiben sollen.//

Während sie den unbelebten, teils schlecht beleuchteten Weg entlang lief, machte Reiko sich schon einmal Gedanken darüber, was sie gleich auf jeden Fall einkaufen musste.

Vermutlich würde die etwas zerstreute junge Frau ohne einen Einkaufszettel eh wieder die Hälfte vergessen, doch einen Versuch war es zumindest wert.

Brot würde sie auf jeden Fall kaufen müssen und eine Packung Kaffee mitzunehmen, wäre auch klug. Reis befand sich noch zu Genüge im Haus, aber Gemüse war in ihrer Küche derzeit Mangelware.

Aus den Gedanken gerissen wurde die Journalistin schließlich vom Rascheln der Blätter.

Für einen Moment blieb sie stehen und sah sich um, entdeckte aber niemanden.

Merkwürdig. Und dabei hätte sie schwören können, gerade ein Geräusch gehört zu haben, das so klang, als wäre jemand durch Laub gelaufen.

Gerade wollte sie diesen Eindruck als Irrtum abtun und weitergehen, da hörte sie erneut wie sich etwas bewegte.

Diesmal meinte Reiko in etwa einschätzen zu können, dass das Rascheln aus dem kleinen Innenhof kam, welcher direkt an den Weg angrenzte.

Ihr Verstand sagte ihr, dass sie am besten schnell weiterlief, ihre Neugier hielt sie jedoch dazu an, einen Blick in den Hof zu riskieren. Aber ob das eine gute Idee war?

Ehe sie noch recht registrierte, was sie da tat, hatten ihre Füße sich bereits in Bewegung gesetzt.

An der Ecke der Backsteinmauer blieb sie schließlich wieder stehen und blickte vorsichtig in den Hof.

Viel sah die junge Frau im ersten Moment nicht, denn der Innenhof war nicht beleuchtet, doch langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit.

Dort im Hof, etwa 15 Meter weit entfernt von ihr, stand eine Person.

„Verdammt! Es ist nichtmal richtig dunkel. Hoffentlich geht das gut.“, hörte sie die Gestalt murren. Ihre Stimme klang verärgert und ein wenig besorgt zugleich.

Erst als die fremde Person sich bewegte und ein wenig aus dem Schatten trat, fiel Reiko auf, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. In der Dunkelheit war die Gestalt nur schemenhaft zu erkennen, doch ein menschlicher Umriss war das sicher nicht. Menschen hatten schließlich keine Flügel und lange Klauen besaßen sie ebenfalls nicht.

Moment..das war doch?! Doch nicht etwa das, worüber sie heute den ganzen Tag geschrieben hatte! Oder etwa...doch?

Der jungen Frau lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sie hätte eben ganz eindeutig weitergehen, oder einfach gleich den Umweg über die Hauptstraße in Kauf nehmen sollen!

Am besten, sie ging jetzt ganz langsam und vor allem ganz leise, rückwärts und suchte das Weite, sobald sie zurück auf dem Weg war.

Soweit der Plan. Vorsichtig ging sie einen Schritt zurück, dann noch einen, dann...KNACK!

Ein Zweig, auf den sie getreten war, hatte ihrem Gewicht nicht stand gehalten und war in der Mitte durchgebrochen.

Das Geräusch hallte durch den Innenhof und das geflügelte Etwas, was immer es auch sein mochte, wirbelte herum.

Ihre Blicke trafen sich, wenn man das überhaupt so nennen konnte.

Es war Reiko nicht möglich dem Biest, welches mit großer Wahrscheinlichkeit für die Diebstähle in letzter Zeit verantwortlich war, in die Augen zu sehen. Eine Art venezianische Maske verfälschte die Gesichtszüge vollkommen.

Das Herz der tollpatschigen Journalistin begann zu rasen, ihr Magen zog sich ungut zusammen.

Wieder einmal hatte sie es mit unglaublicher Präzision geschafft sich in Schwierigkeiten zu bringen.

>>Das Geräusch hallte durch den Innenhof und das geflügelte Etwas, was immer es auch sein mochte, wirbelte herum.

Ihre Blicke trafen sich, wenn man das überhaupt so nennen konnte.

Es war Reiko nicht möglich dem Biest, welches mit großer Wahrscheinlichkeit für die Diebstähle in letzter Zeit verantwortlich war, in die Augen zu sehen. Eine Art venezianische Maske verfälschte die Gesichtszüge vollkommen.

Das Herz der tollpatschigen Journalistin begann zu rasen, ihr Magen zog sich ungut zusammen.

Wieder einmal hatte sie es mit unglaublicher Präzision geschafft sich in Schwierigkeiten zu bringen.«
 

Die momentane Situation erschien ihr so unwirklich. Fast wie ein böser Traum, aus dem sie jede Sekunde erwachen würde. Jeder wusste, das es keine Wesen halb Mensch halb Vogel gab, doch was genau stand dann dort vor ihr?

Die Journalistin war dazu geneigt einfach nicht glauben zu wollen, was sie da gerade mit ihren eigenen Augen sah.

Nachdem sie auf den Ast getreten war, der das Geräusch verursacht hatte, durch das dieses Wesen auf sie aufmerksam geworden war, war sie wie erstarrt.

„D-das kann doch gar nicht... Sie...Sie sind kein Mensch, oder? Aber was dann?“

Es brauchte geschlagene fünf Sekunden, bis Reiko registrierte, dass es ihre Stimme war, die diese dämliche Frage gestellt hatte.

Der Tengu – oder was auch immer es sonst war – hatte sie entdeckt und starrte sie an.

Um ehrlich zu sein, wollte die Frau mit dem langen, hellblauen Haar die Antwort, die sie eventuell auf ihre Frage erhalten würde, gar nicht mehr abwarten.

Sie sollte am besten zusehen, dass sie so schnell wie möglich das Weite suchte. Nichts wie weg von hier. Raus aus der unbelebten Straße und nur fort aus dem Innenhof.

Sie wollte sich umdrehen und loslaufen, doch ihre Füße bewegten sich keinen Millimeter.

Eine Antwort hatte das vogelartige Wesen Reiko bisher noch nicht gegeben. Es starrte sie derzeit mindestens genau so überrascht und paralysiert an.

//D-das glaubt mir doch niemand...!//, schoss es der jungen Frau durch den Kopf.

//Wenn ich irgendjemandem erzähle, was ich hier heute gesehen habe, wird man mich für verrückt erklären.///

Die Panik, die in ihr aufgestiegen war, machte es ihr schwer, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Nach wie vor wollte Reiko nicht wahrhaben, was für ein Wesen sie da aufgescheucht hatte.

//I-ich sollte zusehen, dass ich von hier verschwinde, auch wenn vor mir gerade die Story des Jahres steht.//

Diese Erkenntnis hatte sich ganz plötzlich in ihre Gedanken geschlichen.

Dieser Tengu würde wohl wirklich die Story des Jahres abgeben. Wenn sie doch nur irgendeinen Beweis für die Existenz dieses Wesens hätte...

Obwohl ihre Beine wie erstarrt waren und es der Journalistin nicht möglich war zu fliehen, ihre Arme konnte sie bewegen.

Ganz automatisch griff sie in die Jackentasche ihrer Blazers. Ihre Finger umschlossen das kühle Metallgehäuse ihres Handys. Ohne weiter darüber nachzudenken, verstärkte sie den Griff um das Mobiltelefon. Ein leises 'Klick' in ihrer Blazertasche ertönte, als sie eher versehentlich gegen den Knopf kam, der ihre Handykamera aktivierte.

//Moment...ein Beweis... Ich glaube das wäre ein perfekter Beweis.//

Reiko war sich durchaus bewusst, das es besser wäre sich in Sicherheit zu bringen und das möglichst jetzt, doch ihr Körper hatte da wohl ganz andere Pläne.

Wie durch unsichtbare Marionettenfäden gelenkt, beförderte sie das Handy aus ihrer Tasche, streckte den Arm aus und richtete die Kamera auf den Tengu.

Keine Sekunde später war der Auslöser auch schon betätigt und ein Blitz, welcher sich wegen der schlechten Beleuchtung automatisch aktiviert hatte, blendete das Wesen für einen Moment.

Die Journalistin konnte sehen, wie der Tengu augenblicklich erschrocken zusammenzuckte, doch er erholte sich schnell von dem Schrecken.

Was nun geschah, damit hätte Reiko im Traum nicht gerechnet.

„Du Dummkopf! Ich hatte eigentlich vor dich laufen zu lassen, aber daraus wird jetzt ja wohl nichts mehr!“, fuhr das Vogelwesen sie an.

Moment..der Tengu konnte sprechen?!

Was aber deutlich schlimmer war, war die Tatsache, das die Unbekannte – das Wesen hatte ganz eindeutig eine Frauenstimme – sich nun in Bewegung setzte und genau auf sie zulief!

„Was?! Aber... - nein, lassen Sie mich!“

Egal wie begriffsstutzig sie sein mochte, auch Reiko war sich im Klaren darüber, dass die Aktion mit dem Foto eindeutig eine dumme Idee gewesen war. Seit sie den Tengu entdeckt hatte, waren nur wenige Sekunden vergangen, doch diese paar Sekunden hatten der Journalistin ausgereicht, um sich wiedereinmal zielsicher in Schwierigkeiten zu bringen.

Nun kehrte das Leben auch in den Körper der junge Frau zurück.

Ein paar Schritte stolperte sie rückwärts, dann befand sie sich wieder auf dem Weg, dessen Straßenlaternen größtenteils kaputt waren.

Der Tengu, so betitelte die Journalistin das Biest vor sich zumindest in Gedanken, hatte bereits die meiste Distanz zwischen ihnen überbrückt.

Als sie schließlich die Mitte des Weges erreicht hatte, entschied Reiko sich spontan dafür nach links zu laufen. Von hier aus wäre es nur ein kurzes Stück, bis sie die belebte Hauptstraße erreicht hätte.

Das vogelartige Wesen verfolgte sie, griff nach ihr und erwischte ihren Arm, doch der jungen Frau gelang es gerade noch sich loszureißen. Von der Aktion aus dem Gleichgewicht gebracht, stolperte sie ein paar Schritte weiter, fing sich jedoch wieder und rannte.

„Bleib sofort stehen, du dummes Gör!“, hörte sie den Tengu hinter sich gereizt fluchen.

„Das können Sie vergessen! Lassen Sie mich in Ruhe!“, protestiere Reiko während ihrer Flucht.

Den Gefallen würde sie der Anderen sicher nicht tun.

Durch das Adrenalin, das ihr Körper aufgrund ihrer Panik freigesetzt hatte, rannte sie, als sei der Teufel höchst persönlich hinter ihr her. In gewisser Weise war er das ja auch.

Sie traute sich nicht sich umzusehen, denn das hätte sie langsamer werden lassen. Ein Wunder eigentlich, dass die Andere es bisher noch nicht erneut geschafft hatte sie einzuholen.

Doch noch war nichts entschieden, hörte sie nach wie vor schnelle Schritte hinter sich. Sie hatte das Wesen noch nicht abgeschüttelt.

Warum hörte sie eigentlich Schritte und nicht das Schlagen von Schwingen?

Der Tengu hatte doch schließlich Flügel. Wäre eine Verfolgung in der Luft nicht deutlich leichter?

Was auch immer der Grund dafür sein mochte, dass die Unbekannte darauf verzichtete, Gebrauch von ihren Flügeln zu machen, es sollte ihr recht sein. So blieb der Journalistin wenigstens eine winzige Chance, ihren Kopf noch einmal aus der Schlinge zu ziehen.

Schließlich endete der schlecht beleuchtete Weg. Ab hier begann die wesentlich belebtere Hauptstraße.

Nach wie vor blind vor Entsetzen ,über diese Verfolgungsjagd, rannte Reiko weiter.

Ihr Weg führte sie mitten über eine Kreuzung. Autos hielten mit quietschenden Reifen, ihre Flucht hatte ein wahres Hupkonzert zur Folge.

In ihrem derzeitigen Zustand war die junge Frau sich gar nicht im Klaren darüber, dass es an ein Wunder grenzte, unverletzt auf der anderen Straßenseite angekommen zu sein.

Kopflos rannte sie weiter. Woran es lag, das sie bisher noch keine Passanten umgerannt hatte, darüber zerbrach sie sich im Moment nicht den Kopf. Die Tatsache, dass auch um diese Uhrzeit noch so viele Leute in der Stadt unterwegs waren, behinderte sie stark jedoch bei ihrer Flucht. Immer wieder standen ihr irgendwelche Leute im Weg, oder aber sie musste Menschengrüppchen ausweichen, welche mindestens in Dreierreihen über den Bürgersteig trödelten.
 

Erst nach weiteren fünf Minuten, als ihre Lungen bereits brannten wie Feuer und ihre Knie sich langsam anfühlten wie Wackelpudding, fühlte sie sich gezwungen anzuhalten.

Reiko war es überhaupt nicht gewöhnt eine solche Distanz in dieser Geschwindigkeit zu laufen.

Kaum zu glauben, dass sie es überhaupt bis hier her geschafft hatte. Zu was Adrenalin doch so alles in der Lage war...

Komplett außer Atem stützte die junge Frau die Hände auf die Knie und versuchte irgendwie Luft zu bekommen, während sie die ganze Zeit über erwartete, dass der Tengu sie jeden Moment eingeholt haben würde. Doch...das vogelartiges Etwas war verschwunden. Wie merkwürdig...

Reiko traute dem Frieden noch nicht so ganz, blickte skeptisch nach links und rechts und schließlich sogar hoch in den Himmel, schließlich konnte sie nicht ganz ausschließen, dass dieses Wesen vielleicht gleich doch noch aus der Luft angreifen würde. Doch hier war wirklich kein Tengu mehr zu sehen.

Erst langsam begann die Journalistin zu begreifen, dass sie dem geflügelten Biest tatsächlich so gerade noch entkommen war. Sie hatte es wirklich geschafft!

Eigentlich kaum zu glauben. Woran es wohl lag, dass sie es geschafft hatte, den Tengu abzuhängen?

//Es muss die Menschenmenge gewesen sein, die ich gerade noch so verflucht habe//, kam es ihr dann plötzlich in den Sinn. Das klang in der Tat logisch. Vielleicht hatte der Tengu ganz einfach unerkannt bleiben wollen? Dann war es wohl wirklich ihr Glück gewesen, dass sie in blinder Panik auf die Hauptstraße geflüchtet war, wo mehr als genug Passanten herumliefen. Oder vielleicht war ihre Verfolgerin nicht so kopflos über die Kreuzung gerannt wie sie?

Einen Moment lang blieb Reiko einfach noch unbeweglich auf dem Bürgersteig stehen. Von dem Sprint eben war sie fix und fertig. Sie musste erst einmal wieder zu Atem kommen, bevor sie weiterlaufen konnte.

Und sie versuchte nach wie vor zu begreifen, was ihr da eben passiert war. Dieses Wesen, welches sie gerade verfolgt hatte - der Tengu - so etwas dürfte es doch eigentlich gar nicht geben.

Spontan musste sie an das Gespräch heute morgen, vor dem Juwelier, denken. Ob die alte Dame mit ihrer Behauptung am Ende doch noch Recht gehabt hatte? Eine andere Möglichkeit gab es praktisch gar nicht, oder? Die Journalistin wusste zumindest, was sie da eben gesehen hatte!

Was machte sie denn jetzt am besten? Die Polizei anrufen? Aber die würden ihr die Geschichte doch nie im Leben glauben und sie für verrückt erklären.

Erst als sie sich ein wenig von der Verfolgungsjagd erholt hatte und wieder zu Atem gekommen war, wurde auch ihr Kopf wieder etwas klarer. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr Weg sie automatisch bis fast vor das Haus geführt hatte, in dem sie wohnte.

Zurück in ihr Appartement, das wäre jetzt genau das Richtige. In ihrer kleinen Wohnung würde sie sich zumindest sicher sein können, dass diese Vogelfrau sie nicht wiederfinden würde.

In ihrem Appartement wäre sie in Sicherheit. Nach den Geschehnissen der letzten Minuten, war die Aussicht auf ein sicheres Plätzchen, wirklich verdammt verlockend.

Das Reiko eigentlich vorgehabt hatte einzukaufen, erschien ihr nun nebensächlich. Für heute wäre der Einkauf zumindest gecancelt. Das war zwar schade, da ihr Kühlschrank so gut wie leer war, doch irgendetwas Essbares würde sie schon noch finden. Zwar war der Journalistin gutes Essen sehr wichtig, erst recht in Stresssituationen wie eben, doch für kein Gericht der Welt, würde sie es riskieren, heute noch durch die City zu laufen, Was, wenn sie es mit ihrem Talent am Ende noch schaffen würde, dem Tengu erneut über den Weg zu laufen? Niemals!

Die junge Frau lief die letzten Meter rüber zu dem Haus, in dem sie wohnte, schloss sie Tür auf und war froh, als sie sich im Hausflur befand und fremde Personen somit erstmal ausgesperrt waren.

Ihr Weg führte sie durchs Treppenhaus, bis zu ihrer Wohnungstür. Kurz suchte sie das Schlüsselbund nach dem richtigen Schlüssel ab, dann hatte sie ihn schließlich gefunden und konnte ihr Appartement betreten.

Als die Tür hinter ihr wieder ins Schloss gefallen war, lehnte Reiko sich gegen die Wand und atmete auf. Ein Glück! Vorhin hatte sie wirklich nicht damit gerechnet, noch einmal aus dieser Situation entkommen zu können, doch nun stand sie hier, in ihrer sicheren, kleinen Wohnung.

//Das war wirklich knapp. Warum musste ich mich auch wieder so in Schwierigkeiten bringen? Das hätte wirklich böse enden können.//

In Gedanken schalt sie sich dafür, diesen Tengu vorhin überhaupt fotografiert und auf sich aufmerksam gemacht zu haben. Sollte sie in Zukunft noch einmal einem so skurrilen Wesen über den Weg laufen, sie würde es bestimmt nicht wieder mit Blitzlicht fotografieren.

Fotografieren...Foto...halt Moment! Jetzt wo sie gerade so darüber nachdachte, auf ihrem Handy befand sich ja wirklich noch ein Foto dieses Wesens!

Auch wenn es dumm und unvorsichtig gewesen war und auch wenn sie sich mit der Aktion in größte Schwierigkeiten gebracht hatte, dank ihrer Dummheit war ihr der Schnappschuss des Jahres gelungen! Sie würde sich das Bild gleich mal ansehen und es auf ihren Laptop laden.

//Reiko, du bist genial//, dachte sie sich. // Das wird mit Sicherheit einen Artikel geben, der es auf die Titelseite der Zeitung schafft.//

Und das wiederum bedeutete, dass ihr Chef seit langem mal wieder zufrieden mit ihrer Arbeit sein würde. Vielleicht war ihr Job nun doch gar nicht mehr so gefährdet, wie sie heute morgen noch geglaubt hatte?

Obwohl sie eben noch verfolgt worden war und sie noch gar nicht so recht wusste, was sie von dem Vorfall eigentlich halten sollte, Reiko war eben durch und durch Journalistin. Natürlich war diese Aktion eben verdammt unüberlegt, gefährlich und dumm gewesen, doch wenn sie das Foto nun eh schon hatte, dann könnte sie es auch ruhig verwenden, um einen Artikel zu schreiben, richtig?

Sie war wirklich gespannt darauf, wie gut das Foto geworden war. Das würde sich gleich zeigen, wenn sie es erst einmal auf ihren Laptop geladen hätte.

Grrrrr.....das plötzliche Knurren ihres Magens ließ die junge Frau ihren Plan jedoch ganz schnell wieder vergessen. Sie hatte Hunger, so viel stand fest. Und wenn sie hungrig war, dann konnte sie sich unmöglich auf's Schreiben konzentrieren.

Erst einmal würde sie wohl doch etwas essen und dann wäre immer noch genug Zeit, das Bild auf den Laptop zu ziehen und mit einem Artikel zu beginnen.

//Genau so mache ich es. Erst einmal esse ich etwas, damit ich mich überhaupt konzentrieren kann und dann werde ich mir ansehen, wie gut das Foto geworden ist.//, beschloss sie.
 

Da sich nicht mehr all zu viel Essbares im Haus befand, musste eine Fertignudelsuppe für heute wohl genügen. Immerhin war die schnell zubereitet. Reiko schüttete heißes Wasser in die kleine Plastikschale der Fertignudelsuppe, rührte ihr Abendessen um und wartete ab.

Ein paar Minuten würde es noch brauchen, dann wäre die Instantsuppe bereits fertig.

In der Wartezeit, schaltete die junge Frau bereits ihren Laptop an. Während das Gerät hochfuhr, suchte sie schon einmal das Kabel, mit welchem sie ihr Handy an den Laptop anschließen könnte, aus der obersten Schublade ihres Schreibtischs.

Nachdem dies erledigt war, trug Reiko die Plastikschale ,mit der Nudelsuppe darin, rüber zum Tisch, setzte sich und atmete einmal tief durch. Sie konnte es immer noch nicht so ganz fassen, diesem Tengu vorhin wirklich entkommen zu sein!

Erneut rührte sie ihr Abendessen in der kleinen Schale um, befand, dass die Suppe nun fertig wäre und aß erstmal zu Abend. Etwas Essbares – genau das hatte sie nach diesem Schrecken gebraucht!

Mit etwas zu essen, war die Welt doch schon gleich wieder viel erträglicher und auch ihre Nerven erholten sich halbwegs von diesem Erlebnis.

Sehr lange dauerte es zumindest nicht, da war die kleine Portion Suppe auch schon verspeist.

Reiko stand von ihrem Sitzplatz auf, streckte sich erst einmal, strich sich eine lange Strähne aus dem Gesicht und ging dann rüber zu ihrem Sofa, vor dem, auf dem Wohnzimmertischchen, ihr Laptop stand.

Gespannt verband sie ihr Handy mit dem Gerät, musste erneut kurz warten und konnte besagtes Foto dann endlich auf den Laptop übertragen.

Nach ein paar Sekunden, sprang das Foto dann schließlich als Datei auf dem Bildschirm auf.

Gespannt musterte sie das Bild, welches sie da vorhin gemacht hatte.

Leider war das Foto ein wenig verwackelt und auch die Lichtverhältnisse waren nicht die Besten, doch auf dem Bild war trotz allem ganz deutlich das Wesen zu erkennen, welches sie vorhin aufgeschreckt hatte.

Die junge Journalistin vergrößerte das Foto auf ihrem Laptop noch ein wenig, musterte die Gestalt ganz genau, da sie selbst nicht so recht glauben konnte, was sie da sah und vorhin in erschreckender Realität gesehen hatte.

Bei dem Wesen, welches sie vorhin verfolgt hatte, handelte es sich tatsächlich um ein Biest, halb Mensch halb Vogel. Der Körperbau war ganz eindeutig menschlich, doch die langen Klauen und die riesigen Krähenflügel, gehörten keinesfalls zu einem Menschen. Das Gesicht des Tengus war durch eine venezianische, vogelartige Maske, mit vielen feinen Verzierungen verdeckt und dank einem Überwurf aus Federn, konnte sie nicht genau sagen, ob die Gestalt nun handelsübliche Kleidung trug, oder nicht.

„Das Foto ist zwar nicht das Beste, aber es ist eindeutig zu erkennen, dass das kein Karnevalskostüm ist.“, stellte Reiko fest, obwohl außer ihr niemand im Raum war.

Eine Weile lang musterte sie das Bild noch und rief sich immer wieder ins Gedächtnis, was für ein Glück sie doch gehabt hatte, dem Tengu so gerade nochmal entkommen zu sein.

Doch obwohl es schon so spät war und ihr Nervenkostüm nach diesem Tag auch nicht mehr das Beste war, beschloss sie schon einmal mit dem Schreiben des Artikels zu beginnen. Der jungen Frau war klar, dass das keine Zeit mehr bis Morgen hätte. Morgen müsste der Zeitungsartikel bereits fertig sein, so viel stand fest.

Nachdem sie noch einmal ihre Schränke durchsucht hatte und schließlich noch eine Packung Kekse gefunden hatte, setzte sie sich wieder vor den Laptop und begann mit der Arbeit.

Während sie nach einer passende Überschrift suchte, biss Reiko gedankenverloren in eins der Plätzchen. Was für eine Schlagzeile würde sich auf der Titelseite wohl besonders gut machen?

'Begegnung mit dem Tengu von Niigata' ? Oder doch besser 'Vogelmonster frei in unserer Stadt' ?

Die junge Frau mit den hellblauen Haaren seufzte entnervt, beschloss die Überschrift ganz zum Schluss über den Artikel zu schreiben und begann nun erstmal damit den Text zu tippen.

Doch auch die Aufgabe war gar nicht so leicht, denn was fesselte die Leser wohl am meisten?

Die Tatsache, dass es endlich ein Foto von der Verantwortlichen der Einbruchserie gab, oder eher das Tengus wirklich existierten? Oder doch vielleicht, dass dieses Biest sie verfolgt hatte?

So verging die Zeit, doch nach und nach füllte sich die Seite ihres Schreibprogramms.
 

Gerade las Reiko erneut über den Artikel, um hier und da noch etwas zu ändern und zu verbessern, da riss die Türklingel sie plötzlich aus den Gedanken.

Eh? Überrascht blickte sie auf. Wer schellte denn bitte um diese Uhrzeit noch?

Ihr Blick wanderte kurz zu der digitalen Uhr ihres Laptops. Es war bereits 01:23 Uhr nachts.

„Frau Matsui, sind Sie das?“, erkundigte die Wohnungsbesitzerin sich blauäugig, während sie auch schon von ihrem Sitzplatz aufstand und rüber zur Tür lief.

Frau Matsui war ihre Nachbarin und hatte ein unglaubliches Talent darin, sich auszusperren. Aus diesem Grund, hatte ihre Nachbarin ihr vor etwa einem halben Jahr auch ihren Zweitschlüssel anvertraut, da diese Lösung einfach besser und vor allen Dingen kostengünstiger war, als ständig den Schlüsseldienst rufen zu müssen. Da besagte Nachbarin es auch nachts schon öfters geschafft hatte, vor verschlossener Tür zu stehen und anzuschellen, konnte es sich eigentlich nur um Frau Matsui handeln.

Sie hatte die Tür noch nicht ganz erreicht, da klopfte die Person auch schon ungeduldig von außen gegen das Holz der Wohnungstür.

„Ich mache ja schon auf, einen Moment bitte!“

In der festen Überzeugung, gleich ihrer Nachbarin gegenüberzustehen, griff die naive Journalistin also nach der Türklinke und öffnete schließlich die Tür.

Doch anstatt dem vertrauten Gesicht, erblickte die junge Frau drei ihr vollkommen unbekannte Gestalten. Zum einen standen da zwei bullige, wenig freundlich dreinblickende Kerle vor der Tür, die ohne weiteres als Türsteher durchgegangen wären, zum anderen sah sie sich auch noch einer etwas zierlicheren Person gegenüber, welche sie ein wenig an eine Karikatur von Catwoman erinnerte.

„Nyaah, das ist mal wieder so typisch. Da vermasselt die verdammte Krähe ihren Auftrag und ich darf es mal wieder ausbaden!“, murrte die Fremde, welche Reiko so eben noch gedanklich als Catwoman-Abklatsch betitelt hatte.

„Eh? Wie meinen Sie das? Und wer sind Sie überhaupt? Sie sollten doch eigentlich wissen, das es extrem unhöflich ist, um diese Uhrzeit noch bei jemandem zu klingeln.“, ergriff die Frau mit den hellblauen Haaren das Wort. Irgendwie...machte sich da gerade wieder ein ganz ungutes Gefühl in ihr breit. Erst der Tengu heute, nun diese drei merkwürdigen Gestalten, welche mitten in der Nacht vor ihrer Wohnungstür auftauchten. Irgendetwas sagte ihr, dass sie die Tür besser gar nicht erst geöffnet hätte und so getan hätte, als wäre sie nicht Zuhause. Doch um die Tür einfach schnell wieder zu schließen, dazu war es inzwischen schon zu spät, denn einer der Schränke hatte bereits einen Fuß in die Tür gestellt.

Schwarz. Das war die Farbe, in der die junge Journalistin ihre Umwelt gerade wahrnahm.

Was passiert war? Nun ja, die Frage konnte die Frau mit den hellblauen Haaren derzeit schlecht beantworten, hatte sie doch kaum etwas von der vergangenen letzten Stunde mitbekommen.

Doch langsam meldete ihr Bewusstsein sich aus dem schlafähnlichen Zustand zurück. Das Erste, das Reiko wirklich wieder mitbekam war, das ihre Umgebung schwankte. Wie merkwürdig.

Müde und erschlagen wie sie sich fühlte, könnte sie schwören, bis eben geschlafen zu haben, allerdings war ihr fast sofort klar, dass sie sich keinesfalls in ihrem Bett befand. Ihr Bett war viel bequemer und schwankte nicht, so viel stand fest.

Verwirrt und immer noch ein wenig benommen, öffnete sie nun die Augen und blinzelte zwei Mal, ehe ihre Sicht langsam ein wenig klarer wurde. Das erste was sie sah, war dunkelblauer, fast grauer Teppichboden. Oh und den Rücken von einem dieser Schränke, welcher vorhin mit seinem Kumpel und dem Catwoman-Abklatsch, vor ihrer Haustür aufgetaucht war.

Um ganz genau zu sein, hatte der Hüne sie einfach über die Schulter geworfen wie einen Mehlsack.

Was zum...?

Ganz langsam begann die Journalistin sich nun doch zu erinnern, was vorhin passiert war. Nun gut, besonders viel zum daran erinnern gab es eigentlich nicht, doch die wenigen Geschehnisse, die sie noch mitbekommen hatte, kehrten langsam aus den Tiefen ihres Bewusstseins zurück.
 

Da waren plötzlich diese merkwürdigen Gestalten vor ihrer Haustür... 'Catwoman' hatte etwas von einem vermasselten Auftrag erwähnt und dann den beiden Schränken ein kurzes Handzeichen gegeben. Daraufhin hatten die beiden Typen sie zurück in das Appartement gedrängt. Sie konnte sich genau erinnern, dass sie eigentlich um Hilfe schreien wollte, um die Nachbarn zu alarmieren, doch einer der Kerle hatte ihr da auch schon ein Tuch genau unter die Nase gehalten. Daraufhin war alles ganz schnell gegangen : binnen weniger Sekunden begann sie sich unglaublich müde zu fühlen und ihre Umgebung verschwamm.

Das letzte, was sie mitbekommen hatte war, wie die falsche Catwoman zu ihr gesagt hatte, dass sie sie nun leider mitnehmen müssten um zu verhindern, dass sie die Fotos der Polizei, oder einer anderen dritten Person, zeigen konnte.

Kurz nach dieser Aussage hatte die junge Frau aufgrund des Äthers wohl das Bewusstsein verloren.
 

Doch nun wich die Benommenheit langsam und das Leben kehrte in ihren Körper zurück. Mit den Händen stützte sie sich gegen den Rücken des Entführers, über dessen Schulter sie gerade hing.

Zum einen wollte sie irgendwie erreichen aus dieser misslichen Lage zu entkommen und wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, zum anderen konnte sie sich schlecht umsehen, wenn sie wie tot herumhing.

Wo genau sie hier war, das konnte Reiko allerdings selbst jetzt nicht wirklich sagen. Auf jeden Fall in einem Gebäude, so viel stand fest. Derzeit befanden sie sich zweifelsohne auf einem Flur, welcher sie ein klein wenig an ein Bürogebäude erinnerte.

Die Wände des Flures waren penibel weiß gestrichen, der Teppich wirkte sauber und makellos. Hier und da konnte sie links und rechts einige Türen entdecken, hinter denen sich mit großer Wahrscheinlichkeit Büros verbargen.

„Lassen Sie mich runter...!“, begann die Journalistin sich zu beschweren und versuchte auch aus eigener Kraft, aus ihrer derzeitigen Lage zu entkommen. „W-wo sind wir hier?“

Das war doch wirklich ein Alptraum! Zuerst der Tengu, dann diese fremden Leute vor der Haustür und zu allem übel endete der Tag damit, das man sie verschleppt hatte. In irgendein Haus, von dem sie nur erahnen konnte, das es sich um einen Bürokomplex handelte. Konnte es denn noch schlimmer werden?

Eigentlich wäre sie statistisch gesehen ja noch viel zu jung, um an einem spontanen Herzinfarkt zu sterben, doch bei der Panik, die sich gerade in ihr ausbreitete, hätte Reiko dies nun auch nicht mehr gewundert.

Das war wirklich der Horror eines Jeden. Nur zu oft hatte sie im Fernsehen oder im Radio mitbekommen, das Journalisten entführt worden waren, weil sie sich entweder zur falschen Zeit im Feindgebiet befunden hatten, oder aber über Informationen verfügten, von denen jemand nicht wollte, dass sie an die Öffentlichkeit gelangten. Letzteres traf wohl leider auch auf sie zu.

Doch hätte man sie zu Beginn ihres Studiums gefragt, Reiko hätte nicht im Traum daran gedacht, dass sie mal in so eine Situation geraten könnte.

Jetzt, wo die Müdigkeit ihrem klaren Bewusstsein gewichen war und sie realisierte, in was für einer Lage sie sich da eigentlich gerade befand, stieg die blanke Panik in ihr auf. Zum zweiten Mal heute, doch diesmal war sie eindeutig noch ein wenig schockierter, als vorhin über die Tatsache, dass sie von einem Tengu gejagt worden war.

„Oh, es sieht ganz so aus, als wenn da jemand endlich wieder aufgewacht wäre.“, hörte sie eine amüsierte Frauenstimme sagen. Sogleich blickte sie sich um und entdeckte 'Catwoman', welche neben dem Hünen, der sie gerade trug, her lief.

„Na los, Yoshihiro, ich denke du kannst sie runter lassen.“

„Wenn du es sagst. Besonders viel anstellen, kann sie hier vermutlich eh nicht mehr.“

Kaum war das ausgesprochen, ging es abwärts und die Frau mit den hellblauen Haaren hatte wieder festen Boden unter den Füßen.

Nun gut, wenigstens etwas, doch das änderte leider immer noch nichts an ihrer derzeitigen Situation. Das sie wieder alleine laufen durfte, schön und gut, aber das würde noch lange nichts daran ändern, dass sie bis zum Hals in Schwierigkeiten steckte.

Für die Journalistin war das alles ein wenig zu viel Stress auf einmal. Sie hatte das Gefühl, als wenn ihr Herz ihr gleich aus der Brust springen würde, so sehr hämmerte es gegen ihren Brustkorb.

Die Tatsache, dass sie nun wieder auf eigenen Füßen stand, nutzte Reiko aus, um erst einmal ein paar Schritte Abstand zwischen sich und die beiden Fremden zu bringen. Man wusste ja schließlich nie.

„Wo sind wir hier?“, erkundigte sie sich erneut an die Frau gewandt, die sie so so sehr an Catwoman erinnerte.

„In...“, Angesprochene setzte zwar zu einer Antwort an, stockte jedoch kurz und schien nach den passenden Worten zu suchen. „In unserer Zentrale, wenn man es denn so nennen kann.“, sagte sie schließlich. Nach wie vor hatte die Fremde ein amüsiertes Grinsen aufgesetzt und ihre Stimme klang so gut gelaunt, als wenn sie kein Wässerchen trüben könnte.

Unter anderen Umständen hätte die naive Journalistin der anderen diese gespielt harmlose Rolle vermutlich sogar abgenommen, doch nachdem sie von den beiden Schränken und ihr hier her verschleppt worden war, misstraute selbst Reiko ihr.

„Zentrale?“, wiederholte sie die Aussage noch einmal, nur um sicher zu sein sich nicht verhört zu haben.

„Ganz genau, Frau Journalistin.“, entgegnete die Kleinere daraufhin. „Ist doch ein schönes Gebäude, oder?“

Ob das Haus nun schön war oder nicht, darauf ging die junge Frau mit den hellblauen Haaren gar nicht erst ein. Zu groß war das derzeitige Entsetzen darüber, wirklich entführt worden zu sein.

„U-und warum haben Sie mich hergebracht? Ich meine, irgendetwas wollen Sie doch sicher von mir, oder nicht?“, hakte die Journalistin verunsichert nach, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie die Antwort darauf überhaupt hören wollte.

Ihr Herz schlug immer noch in einem ungesunden Tempo. Als ihr Blick kurz auf ihre rechte Hand fiel, bemerkte sie, dass sie zitterte. Kein Wunder, immerhin passierte es schließlich nicht jeden Tag, einfach so entführt zu werden!

Reiko wollte noch ein wenig mehr Abstand zwischen sich und die beiden Fremden bringen, trat folglich noch einen Schritt zurück, doch die Entfernung schien dem Hünen, welcher sie hier her getragen haben musste, ein wenig zu viel zu werden. Scheinbar fürchtete Yoshihiro, sie könnte vorhaben zu fliehen, denn er ging schnell zwei Schritte auf sie zu, packte sie am Arm, und zog Reiko dann ein Stück weit mit, näher in Richtung Catwoman-Abklatsch.

„Schön hiergeblieben, Fräulein.“, stellte der Schrank fest. „Schließlich wollen wir uns doch unterhalten.“

„Zurück zur Frage.“, entschied die Fremde derweil. „Du möchtest wissen warum du hier bist? Nun, das ist ganz einfach.“, begann sie zu erklären. „Eine liebe Freundin von mir, hätte sich sehr gerne einmal mit dir unterhalten.“

„Ich verstehe nicht ganz. Von wem reden Sie da bitte?“ Trotz der bizarren Situation, ihre Höflichkeit konnte Reiko einfach nicht ablegen.

„Lass dich einfach überraschen. Ich stelle sie dir gleich vor.“

Mit diesen Worten griff Catwoman nach dem Handgelenk der Journalistin, zog daran und lief los.

Zuerst war die junge Frau mit den hellblauen Haaren gewillt sich loszureißen, um ihr Heil in der Flucht zu suchen, doch wie standen die Chancen, dass sie unbehelligt aus diesem Gebäude fliehen konnte? Zudem der Schrank ja auch noch da war und sie zur Not sicher ziemlich schnell eingeholt hätte. Was also blieb ihr für eine Wahl, als der Anderen zu folgen?

Die unfreiwillige Reise führte den Flur entlang, in ein Treppenhaus, in welchem sie zwei Etagen nach oben liefen.

Während sie die Treppe hoch liefen - ihre Entführerin vorweg, Reiko am Handgelenk mitschleifend und der Hüne, welche auf den Namen Yoshihiro hörte, zum Schluss - zerbrach die Journalistin sich den Kopf darüber, wie sie diese Situation am ehesten unbeschadet überstehen sollte.

Sie hatte keine Ahnung, wer genau sie nun sehen wollte und vor allem nicht warum, doch es stellte sich ihr auch die Frage, was nach besagtem Gespräch mit ihr passieren würde. Diese Ungewissheit war die pure Hölle.

Sie wollte hier weg, zurück in ihr kleines Appartement, oder notfalls auch ins Büro. Doch egal wie naiv und blauäugig Reiko auch sein mochte, komplett verrückt war sie dennoch nicht. Sie wusste, dass es ihre Chancen darauf, lebend aus der ganzen Sache rauszukommen, nicht unbedingt steigern würde, wenn sie es jetzt schaffen sollte sich loszureißen und kopflos durch das Gebäude zu flüchten. Immerhin kannte sie sich hier überhaupt nicht aus. Sie hätte folglich keine Ahnung, ob sie gerade in eine Sackgasse rannte oder nicht. Und auf welchem Weg sie dieses Haus am schnellsten wieder verlassen könnte, dass wusste sie auch nicht.

Außerdem wäre es fast schon lebensmüde, ihre Entführer auch noch zu provozieren.

Zwar war einer der Männer bereits verschwunden, doch Catwoman und Schrank Nummer zwei waren noch anwesend. Die Chance an gleich zwei Leuten vorbeizukommen, war äußerst gering.
 

Schließlich verließen sie das Treppenhaus und fanden sich auf einem anderen Flur wieder, welcher exakt so aussah, wie der Flur von eben. Bis etwa zur Hälfte des Flures musste sie sich noch mitschleifen lassen, dann blieb die Fremde plötzlich abrupt stehen.

Beinah wäre Reiko noch gegen die Kleinere gerannt, hatte sie doch nicht damit gerechnet, dass sie ihr Ziel so schnell erreicht haben würden, doch sie konnte gerade noch anhalten.

„Da wären wir auch schon.“, stellte Catwoman zufrieden fest.

Wie ein hypnotisiertes Kaninchen blickte die Journalistin die Tür an, vor welcher sie angehalten hatten. Hinter dieser Tür würde also die Person auf sie warten, wegen der man sie verschleppt hatte? Erneut fragte sie sich, um was für eine Person es sich wohl handeln mochte. Und natürlich fragte sie sich, was sie wohl ausgefressen hatte, das man so weit gegangen war sie zu entführen.

Gleich würde sich zeigen, wer sie hinter dieser Tür erwartete. Reiko war sich nicht so sicher, ob sie das überhaupt wissen wollte.

Gern hätte sie dieses Treffen noch ein wenig länger herausgezögert, doch das schien nicht im Sinne der merkwürdigen Katzenfrau zu sein. Diese ließ sie nun zumindest los und zog stattdessen den rechten Ärmel ihres, ebenfalls extrem bizarren Outfits, ein Stück weit hoch.

Am Arm trug die Fremde einen breiten, goldenen Armreif, mit welchem sie nun über eine Art Scangerät neben der Tür fuhr. Irgendwie erinnerte Reiko dieses Gerät ein wenig an ein automatisches Zeiterfassungsgerät, wie es Firmen nutzten, deren Mitarbeiter Gleitzeit hatten. Nur das man bei solchen Geräten normalerweise eine Karte anstatt eines Armreifs brauchte.

Wie auch immer, die kurze Geste hatte zumindest einen Effekt, denn nachdem eine kleine Leuchte des Scangeräts von rot auf grün umgesprungen war, ließ sich die Tür öffnen.
 

Obwohl es inzwischen bereits mitten in der Nacht sein musste, brannte in dem Zimmer, welches hinter der Tür lag, noch Licht. Zwar keine Festtagsbeleuchtung, aber immerhin so viel Licht, dass das Auge keine Probleme damit hatte, die Zimmerausstattung in Farbe zu erkennen.

„Wie ich sehe, bist du ja noch wach.“, säuselte Catwoman, bevor sie den Raum auch schon betrat.

„Sag mal, wer hat dir eigentlich erlaubt einfach so reinzukommen, Nyanko?!“, konnte Reiko nun eine zweite Stimme keifen hören.

Hatte die Katzenfrau nicht eben noch behauptet, bei der Besitzerin dieses Zimmers würde es sich um eine gute Freundin von ihr handeln? Die Journalistin konnte sich nicht helfen, doch bei der Begrüßung fiel es ihr ein wenig schwer zu glauben, dass die beiden tatsächlich so gut miteinander auskamen.

„Explizit erlaubt hat es mir wohl niemand, fürchte ich. Aber das es mir jemand verboten hätte, daran kann ich mich auch nicht erinnern.“, konterte Nyanko, trat nun ganz in den Raum und verkündete schließlich :“Aber jetzt reg dich doch nicht gleich so auf, Crow. Ich habe dir jemanden mitgebracht.“

„Mitgebracht? Hast du eigentlich mal auf die Uhr geguckt?“, murrte Angesprochene angesäuert.

Die Journalistin mit den hellblauen Haaren, konnte hören, wie im Raum ein Stuhl nach hinten geschoben wurde und eine Person scheinbar gerade von ihrem Platz aufstand.

„Na los, jetzt schlag hier keine Wurzeln, sondern geh schon rein.“, machte Yoshihiro auf sich aufmerksam, welchen sie kurzzeitig komplett ausgeblendet hatte. Der Hüne packte sie an den Schultern und schob sie ohne besonders viel Mühe in das Zimmer.

„Hey, lassen Sie mich los!“, protestierte die Entführte zwar und sträubte sich, doch Yoshihiro wog gut und gern doppelt so viel wie sie und hatte folglich kein Problem damit, sie ein paar Schritte vor sich her zu schieben, bis auch Reiko sich schließlich im Zimmer befand.

Nachdem sie nun wohl oder übel eh schon in der Höhle des Löwen stand, blieb ihr Blick an der Frau hängen, die es anscheinend veranlasst hatte, dass man sie hier her verschleppt hatte.

Die Fremde blickte jedoch mindestens genau so irritiert zurück.

Die Journalistin konnte sich nicht helfen, doch um ehrlich zu sein, wirkte ihr Gegenüber gar nicht so bedrohlich, wie sie sich sie erst vorgestellt hatte.

Die Andere schien in ihrem Alter, war ein Stückchen größer als sie selbst, hatte lange braune bis zimtfarbene Haare, temperamentvolle dunkle Augen und auch einen dunkleren Hauttyp, als die sehr blasse Journalistin. Um ehrlich zu sein sah die Fremde sogar ziemlich hübsch aus, nicht bedrohlich.

Da es schon mitten in der Nacht war und die Frau wohl heute nicht mehr gedachte ihr Zimmer zu verlassen, trug sie Freizeitklamotten. Ein rotes Top und eine schwarze Hose – sportlich aber bequem.

Doch das besagte Person eigentlich ganz normal aussah, musste nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie nicht doch gefährlich war. Es war sogar ziemlich naheliegend, dass diese Fremde kein Engelchen sein konnte, steckte sie zweifelsohne mit ihren Entführern unter einer Decke.

„Und was sagst du? Ich habe sie doch ziemlich schnell gefunden, nicht wahr?“, ergriff Catwoman erneut das Wort, hoffte wohl auf ein Lob und ließ dabei die Tatsache völlig außer Acht, dass die Besitzerin des Zimmers so aussah, als wenn sie ihr jeden Moment den Hals umdrehen wollte.

„Natürlich hast du sie schnell gefunden, immerhin habe ich dir vorhin auch ganz genau gesagt, wo das Mädchen wohnt!“, schimpfte die angebliche gute Freundin Nyankos los.

„Die Frage ist nur, warum du jetzt ausgerechnet mir die Zeitungstussi anschleppen musst?! Hättest du dich nicht genau so gut selbst um das Problem kümmern können?“

Auf eine solche Frage schien Nyanko nur gewartet zu haben, denn sie kicherte los.

Die Journalistin, welche unfreiwilliger Weise nur wenige Meter neben den beiden stand, kam sich ein wenig so vor wie bestellt und nicht abgeholt. Erst schleppte man sie hier her und nun beachtete sie niemand mehr, sondern die beiden Frauen unterhielten sich so, als wäre sie gar nicht anwesend.

Zu schade das Yoshihiro noch in der Tür stand, sonst hätte sie vermutlich einen Fluchtversuch gewagt.

„Das war nicht meine Idee. Das war ein Befehl von ganz Oben.“, verkündete die Katzenfrau gerade triumphierend. „Die Chefin hat mich zwar gebeten das Mädchen herzubringen, aber alles weitere ist deine Sache. Immerhin ist es auch deine Schuld, dass die Sache so aus dem Ruder gelaufen ist.“

„Ein Befehl von ganz oben? Pah, ich glaub's ja nicht! Vermutlich bist du nur zu faul, dich selbst um die ganze Angelegenheit zu kümmern.“

Nyanko setzte ein gespielt gekränktes Gesicht auf und sagte :“Das du mir so etwas unterstellst. Es ist echt schwer zu versuchen gut mit dir auszukommen, weißt du das, Crow?“

„Als wenn ich Wert darauf legen würde, mich gut mit dir zu verstehen.“, murrte Angesprochene und verschränkt die Arme.

„Wie herzlos.“, jammerte die zierliche Frau, die Reiko erst hier her gebracht hatte „Dabei gebe ich mir immer so eine Mühe. Aber lass dir trotzdem noch eins gesagt sein, bevor ich euch zwei alleine lasse : Galaxia ist, nachdem sie von der ganzen Sache erfahren hat, stinksauer auf dich. Du solltest dir so einen Ausrutscher in nächster Zeit bloß nicht wieder erlauben.“

Die Brünette seufzte und murrte dann :“Ich habe bestimmt nicht vor mir solche Patzer zur Gewohnheit werden zu lassen, da mach dir mal keine Sorgen.“
 

Nachdem Catwoman sich erst einmal verabschiedet hatte und die Tür ins Schloss gefallen war, blieb Reiko mit der Unbekannten allein zurück.

Wirklich glücklich war sie mit der Situation nicht. Zwar war sie froh, dass wenigstens ihre Entführer nun verschwunden waren, doch an ihrer Lage hatte sich trotzdem noch nichts geändert.

Sie war verschleppt worden, befand sich in einem Gebäude, von dem sie nicht einmal wusste, in welcher Stadt es eigentlich stand und sah sich nun dieser Frau gegenüber, die genau so Teil dieser Bande zu sein schien, wie Catwoman und die beiden Schränke.

Nach wie vor ging ihr Puls schneller, als es eigentlich gesund war und im ganzen Körper spürte die Journalistin dieses kribbelnde, lähmende Gefühl der Angst.

Wo war sie da bloß wieder rein geraten? Und würde sie nochmal ungeschoren aus der ganzen Sache rauskommen? Würde sie bald irgendjemand vermissen und nach ihr suchen lassen? Und vor allem : würde sie, wenn die Polizei sie dann endlich finden würde, überhaupt noch leben?

Egal ob die Person vor ihr nun aussah wie eine ganz normale Zivilistin oder nicht, wer garantierte ihr bitte, dass sie nicht gleich irgendeine Waffe ziehen und ihr das Licht auspusten würde, sobald sie die Informationen bekommen hatte, die sie wohl brauchte?

Zumal sich Reiko da auch wieder die Frage stellte, was genau eigentlich passiert war, dass diese Leute es plötzlich auf sie abgesehen hatten.

Das Wort Foto war schon mehrfach gefallen und die Aktion schien noch nicht sehr lange in der Vergangenheit zu liegen. Wenn sie so darüber nachdachte, dann konnte doch eigentlich nur der Schnappschuss von dem Tengu gemeint sein, oder? Fragte sich nur, wie diese Leute so schnell Wind von diesem Foto bekommen konnten und was sie so schlimm daran fanden.

„Na toll, jetzt habe ich dich wohl erstmal an der Backe. So hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt.“, sprach die Fremde sie nun zum ersten Mal ganz direkt an und riss die Journalistin somit aus ihren Gedanken.

Einen Moment lang brauchte die Frau mit den hellblauen Haaren, bis sie die Sprache wiedergefunden und genug Mut aufgebracht hatte, der Anderen eine Frage zu stellen, welcher die seltsame Katzenfrau vorhin ausgewichen war.

„Warum bin ich hier? Und war es Ihre Idee, mich hier her schleppen zu lassen?“

„Dummkopf!“, tadelte die Andere sie und warf ihr einen genervten Blick zu. „Solltest du dir das nicht eigentlich selbst erklären können?“ Die Brünette verschränkte die Arme vor der Brust, lief durch den Raum und sagte schließlich. „Du bist natürlich hier, weil du etwas gesehen hast, was du nicht hättest sehen sollen. Und gerade Leuten von der Presse sollte man bei Zeiten einen Maulkorb anlegen.“

„Einen Maulkorb? Warum denn das?“, hakte Reiko nun doch ziemlich irritiert nach. Der erste Teil der Erklärung leuchtete ihr ja noch ein, allerdings lagen ihre Nerven derzeit so blank, dass sie nicht verstand, dass es sich bei dem 'Maulkorb anlegen' nur um ein Sinnbild für 'mundtot machen' handelte.

Crow verdrehte die Augen, bevor sie sagte :“Das war natürlich nicht wortwörtlich gemeint.“

Dann wechselte sie jedoch das Thema.

„Setz dich.“, wies sie die junge Journalistin an. „Wir müssen über dieses Foto reden und ich fürchte, das wird eine längere Unterhaltung.“

Ohne wirklich zu registrieren, dass ihr Körper sich bewegte, lief Reiko rüber zu einem freien Stuhl, setzte sich und blickte ihr Gegenüber groß an.

„Ich gehe davon aus, Sie sprechen von dem Bild, dass ich vorhin von diesem Vogelwesen..naja, Sie wissen schon, diesem Tengu, gemacht habe, oder?“, hakte sie der Sicherheit halber noch einmal nach.

Wenn sie doch vorhin nur geahnt hätte, das dieses verdammte Foto nicht nur die Verfolgungsjagd mit dem Tengu zur Folge gehabt hätte, sondern auch noch diese seltsame Bande hinter ihr her sein würde, sie hätte das Bild nie und nimmer geschossen. Doch jetzt war es zu spät. Jetzt hatte sie den Salat!

„Ja natürlich rede ich von dem Foto. Von was denn sonst?!“

In der Zwischenzeit hatte auch ihre Gesprächspartnerin auf einem zweiten Stuhl Platz genommen, hatte ein Bein über das andere geschlagen und sah rüber zu ihr.

Reiko dachte nach. Sie kannte diese Stimme... Irgendwo hatte sie die Stimme der Anderen schon einmal gehört. Bloß wo? Und was konnte diesen Leuten so sehr daran liegen, zu verhindern, dass sie das Foto veröffentlichte?

„Sagen Sie, woher wissen Sie von dem Tengu? Wer sind Sie?“, erkundigte die naive Journalistin sich daher.

Ihrem Gegenüber entgleisten daraufhin die Gesichtszüge. Sie starrte sie an, wie ein Wesen vom anderen Stern, brauchte wohl einen Moment um die Sprache wiederzufinden, bevor sie schließlich irritiert fragte :“Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“

Erneut herrschte einige Sekunden lang Schweigen, welches diesmal jedoch von Reiko gebrochen wurde. Über die Gegenfrage und den Gesichtsausdruck der Anderen, war sie nun wiederum mehr als irritiert, hatte sie doch eben eine logische Frage gestellt, oder nicht?

„Doch, natürlich ist das mein Ernst.“, stellte sie fest und wollte gerade noch etwas sagen, da ergriff ihre Gesprächspartnerin auch schon das Wort.

„Du willst mir also wirklich weiß machen, dass du mich noch nie gesehen hast?“

Die junge Frau mit den hellblauen Haaren musterte ihr Gegenüber genau und dachte nach.

Die Andere schien ja fast schon vorauszusetzen, dass sie sie kannte. Aber woher?

„Nein, ich kann mich wirklich nicht erinnern.“, sagte sie schließlich. „Sind Sie am Ende noch berühmt?“ Obwohl ihre derzeitige Situation höchst unerfreulich war und sie die Angst im ganzen Körper spürte, die Neugierde der Journalistin war geweckt.

Die Stimme der Anderen kam ihr wirklich bekannt vor, doch wer war diese Frau bloß?

Leider musste sie sich eingestehen, dass sie sich diese Frage nicht selbst beantworten konnte, auch wenn die Brünette es scheinbar zu erwarten schien.

Crow, die den ratlosen Blick ihrer Gesprächspartnerin zu deuten wusste, seufzte genervt auf und rang sich schließlich zu einer Antwort durch.

„Dummkopf.“, tadelte sie die Journalistin erneut. „Vielleicht bist du ja wirklich so naiv, wie du dich gibst. Auch wenn es mir schwer fällt das zu glauben. Sagen wir es so : ich weiß ganz gut über die Krähe, oder den Tengu, wie du sie nennst, Bescheid.“

„Sie kennen den Tengu?“ hakte Reiko überrascht nach.

„In gewisser Weise, ja.“

„Und...und woher haben Sie oder die Anderen so schnell Wind von dem Foto bekommen, dass ich erst heute Abend geschossen habe?“

Angesprochene suchte nach einer bequemeren Sitzposition und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, bevor sie ihr die ziemlich allgemein gehaltene Antwort gab : “Ich bin eben gut informiert.“

Bevor Reiko noch etwas darauf antworten konnte, hatte die Brünette jedoch auch schon erneut das Wort ergriffen.

„So, aber jetzt wird es Zeit den Spieß umzudrehen. Wenn Nyanko schon zu faul ist ihre Arbeit zu machen, dann bleibt die Sache jetzt wohl oder übel an mir hängen.“

„Was genau meinen Sie damit?“

Bei so viel Begriffsstutzigkeit auf einen Haufen, hätte Crow am liebsten laut aufgeschrien oder sich zumindest die Hand gegen die Stirn geklatscht, doch sie ließ es lieber. Womit hatte sie das nur verdient?

„Beantworte einfach meine Fragen, in Ordnung? Ich werde mir Mühe geben sie so zu formulieren, dass selbst ein Hohlkopf wie du sie versteht.“

Egal in was für einer Situation sie sich gerade auch befand, doch Reiko konnte es einfach nicht lassen, sich über diese Anrede zu beschweren. „Wie unhöflich!“, protestierte sie.

„Wie zutreffend, wolltest du wohl eigentlich sagen.“, verbesserte ihr Gegenüber sie trocken.
 

„Also, dann fangen wir mal an. Wie viele Fotos hast du genau gemacht? Mehr als eins?“

Besonders lange musste die Journalistin diesmal nicht nachdenken, um eine Antwort geben zu können. „Nein, nur ein einziges. Mehr hätte ich auch gar nicht schießen können, denn dann hat mich der Tengu auch schon verfolgt.“

„Ach ne.“, stellte die Frau, die sie vermutlich hatte herbringen lassen, angenervt fest.

„Hast du dir das Bild bereits angesehen?“

Ein wenig erstaunt über diese Frage, nickte Reiko. Natürlich hatte sie das Foto bereits auf ihrem Laptop begutachtet, so etwas war schließlich naheliegend.

„Natürlich habe ich das. Es ist leider ein klein wenig verschwommen und das Licht ist nicht das Beste, aber trotzdem erkennt man das Motiv ganz gut, wie ich finde.“, begann sie zu erklären, doch dann fiel ihr etwas ein. Wäre es vielleicht besser gewesen zu behaupten, sich das Bild noch nicht näher angesehen zu haben? Diese Leute hatten sie wegen dem verdammten Foto entführt, allem Anschein nach, weil sie nicht wollten, dass Informationen über dieses Wesen an die Öffentlichkeit gelangten.

„Ähm, hätte ich das jetzt besser nicht sagen sollen? Ich meine...“, weiter kam sie gar nicht, denn ihre Gesprächspartnerin hatte bereits verstanden, was sie mit der Frage bezweckte.

„Du steckst so oder so schon bis zum Hals in Schwierigkeiten. Da ist es vollkommen bedeutungslos, ob du dir das Bild nun bereits angesehen hast oder nicht.“

Na das waren ja keine guten Aussichten. Natürlich, nach der Entführung hatte die junge Frau mit den hellblauen Haaren bereits gewusst, dass ihre Situation nicht die beste war, doch dies nun noch einmal aus dem Mund einer anderen Person zu hören, war ganz und gar nicht ermutigend.

„Was genau passiert eigentlich mit mir, wenn ich Ihnen erst einmal alle Fragen beantwortet habe, Frau...?“

Nun erst fiel ihr wirklich auf, dass sie den Namen der Anderen ja noch gar nicht kannte.

Catwoman, alias Nyanko, hatte ihr Gegenüber vorhin mit Crow angesprochen, doch das konnte unmöglich ihr echter Name sein. So hieß schließlich niemand.

Einen Moment lang schien die Brünette abzuwägen, ob sie ihr ihren Namen wirklich nennen sollte, doch dann schien sie diese Information wohl für ungefährlich zu halten.

„Karasuma, Akane Karasuma um genau zu sein.“

„Also...darf ich Akane sagen?“, erkundigte die Journalistin sich, fragte sich im nächsten Moment jedoch auch schon selbst, ob diese Frage nicht am Ende noch als unhöflich aufgefasst werden konnte.

„Mach doch was du willst.“, murrte Angesprochene nur ziemlich genervt, bevor sie Reikos eigentliche Frage beantworte. 

„Was genau passiert, wenn du alle Fragen beantwortet hast?“ Akane zuckte lediglich mit den Schultern, bevor sie weitersprach. „Tut mir leid, das kann ich dir auch nicht genau sagen. Diese Entscheidung liegt nicht in meinem Ermessen. Das ist ganz allein Sache der Chefin.“

„Sache der Chefin? Irgendwie klingt das beunruhigend, finde ich.“, stellte die junge Frau mit den hellblauen Haaren nun fest.

„Das ist es auch. Glaub mir, du hättest eindeutig bessere Chancen deinen Hals nochmal aus der Schlinge zu ziehen, wenn es meine Entscheidung wäre.“

Die Journalistin schluckte schwer. Sie spürte, wie die Panik sich erneut in ihr ausbreitete, wie die Angst ihren Körper dazu brachte, sich taub und gelähmt zu fühlen.

Diesmal lag die aufkommende Angst nicht an ihrem Gegenüber, denn seit sie hier saßen und redeten, empfand sie die Andere verrückterweise gar nicht mehr als so bedrohlich, sondern viel mehr daran, dass sie keine Ahnung hatte, um wen es sich bei besagter Chefin handelte.

Lediglich war gewiss, dass mit dieser Frau wohl nicht zu spaßen war, denn Akane sah nicht gerade so aus, als hätte sie einen Witz gemacht.

Die temperamentvollen, dunklen Augen der Anderen, suchten direkten Blickkontakt. Als sie wieder zu sprechen begann, klang die Stimme der Brünetten sehr ernst. „Ich gebe dir jetzt einen guten Rat. Beantworte meine Fragen ehrlich und denk nicht mal im Traum daran zu lügen. Wenn sich herausstellen sollte, dass du gelogen haben solltest, hast du dir dein eigenes Grab geschaufelt. Meine Chefin zögert bei so etwas nämlich nicht besonders lange.“

Im ersten Moment wie paralysiert, blickte Reiko Akane an. Die Aussage war ganz eindeutig ernst gemeint gewesen, oder?

Zwar hatte die Journalistin mit den hellblauen Haaren besagte Chefin noch nicht persönlich kennengelernt, doch war sie ehrlich gesagt auch ganz und gar nicht scharf darauf etwas daran zu ändern.

„Ich habe nicht gelogen! Ich habe wirklich nur ein Bild von dem Tengu gemacht.“, beteuerte sie sogleich.

„Gut, dann geht es jetzt weiter.“, entgegnete ihre Gesprächspartnerin, bevor sie die nächste Frage stellte.
 

„Ist dir auf dem Foto etwas merkwürdiges aufgefallen?“, wollte Akane nun wissen.

Angesprochene blickte sie im ersten Moment nur verwirrt an, dann sagte sie : “Etwas merkwürdiges? Das ganze Bild ist merkwürdig! Ich meine, jeder weiß, dass es Tengus eigentlich nicht gibt.“ Sie suchte nach den passenden Worten. Nach wie vor konnte Reiko noch nicht so ganz glauben, dass sie den Tengu vorhin mit eigenen Augen gesehen hatte. Noch viel weniger konnte sie jedoch glauben, in was für einer Lage sie sich nun wegen dem angeblichen Fabelwesen befand.

„Nein, so meinte ich das nicht.“, murrte Akane, alias Crow. Schon wieder klang ihre Stimme ziemlich genervt.

„Ich meine die Flügel. Ist dir daran irgendetwas aufgefallen?“

Nun war es an Reiko einige Sekunden lang nachzudenken und sich das Foto möglichst genau ins Gedächtnis zurückzurufen.

An den Flügeln...? Was für eine Frage. Wenn die Brünette sie schon so fragte, dann ging sie vermutlich davon aus, dass ihr etwas aufgefallen war, doch was genau meinte sie?

„Die Flügel waren wirklich riesig. Aber vermutlich müssen sie das auch sein, sonst würden sie einen menschengroßen Tengu mit Sicherheit nicht tragen.“ Die junge Frau verschränkte die Arme und grübelte weiter. „Aber ansonsten..., nein, sonst ist mir nichts ungewöhnliches aufgefallen. Das Foto war, wie gesagt, leider ziemlich verwackelt.“

Zu gern hätte sie die Andere gefragt, worauf sie mit dieser Frage eigentlich angespielt hatte, doch bevor sie nachhaken konnte, ging die muntere Fragerunde auch schon weiter.

„Na fein, wenn du das sagst. Den angefangenen Artikel und das Bild, hast du die Datei bereits an irgendjemanden weitergeleitet?“

Da gab es eigentlich nichts zu überlegen. Fast sofort schüttelte Reiko den Kopf.

„Dazu bin ich noch nicht gekommen. Der Artikel war noch nicht ganz fertig und ich kann doch nichts unfertiges verschicken. Was soll denn mein Chef denken?“, stellte sie fest und blickte Akane verständnislos an. Allein diese Idee erschien ihr absurd.

Der Chef der Niigata Morgenpost war derzeit eh nicht sonderlich gut auf sie zu sprechen.

Zwar wäre der geplante Artikel mit Sicherheit eine Sensation geworden, doch unfertig hätte sie den Text und das Foto niemals verschickt.

„Ganz sicher?“, hakte ihre Gesprächspartnerin noch einmal nach und blickte sie durchdringend an.

Sofort musste die junge Frau mit den hellblauen Haaren daran denken, was die Andere ihr eben noch bezüglich eventueller Lügen gesagt hatte. Ihr lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.

„Ja, das ist die Wahrheit. Außer mir hat den Artikel noch niemand gesehen.“

„Und was ist mit Speichermedien wie USB-Sticks oder CDs? Hast du das Bild irgendwo gesichert?“

Auch diese Frage war nicht wirklich schwer zu beantworten, denn auch dazu war die Journalistin bisher noch nicht gekommen.

„Nein, habe ich nicht. Das Foto ist nur auf meinem Handy und meinem Laptop, sonst nirgendwo.“

Für einen Moment musterte die Brünette ihr Gegenüber skeptisch, suchte in ihrer Mimik nach möglichen Anzeichen für Lügen. Doch nichts dergleichen konnte sie entdecken.

Reiko sah lediglich ziemlich fertig und müde aus. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass sie erst einmal die Begegnung von vorhin verkraften musste, vor gar nicht all zu langer Zeit mit Äther betäubt worden und hier her verschleppt worden war. Und nun begann sie vermutlich gerade ihre Lage zu begreifen, begann zu verstehen, wie schlimm die Situation wirklich war. Kein Wunder also, dass die Journalistin so niedergeschlagen und erledigt wirkte. So würde es vermutlich jedem ergehen, der sich in einer ähnlichen Situation befinden würde.

„Den Laptop und das Handy wird sich unsere Technikerin noch bei Zeiten ansehen und morgen wird sich zudem jemand in deiner Wohnung umsehen.“, erklärte Akane ihr und stand schließlich von ihrem Platz auf.

„Solange, wie das noch nicht passiert ist, wirst du hierbleiben müssen.“

Diesmal war es an der jungen Frau mit den hellblauen Haaren zu seufzen. Sie hatte sich so etwas in der Art schon fast gedacht, doch nun, wo es ausgesprochen war, begann sie erst wirklich zu realisieren, dass sie tatsächlich verschleppt worden war und so schnell wohl nicht mehr von hier verschwinden könnte. Wenn sie überhaupt noch einmal von hier verschwinden könnte, verstand sich. Keine schöne Aussicht. Selbst für eine Optimistin wie Reiko nicht.

„Woher hast du überhaupt gewusst, wo ich wohne?“, wunderte sie sich nun.

Catwoman und ihre beiden Schläger hatten erstaunlich schnell auf der Matte gestanden. Das war wirklich im höchsten Maße irritierend.

„Das war wirklich nicht schwer, Reiko.“, entgegnete Crow ihr. „Aber woher ich weiß wo du wohnst, tut an der Stelle rein gar nichts zur Sache.“ Dann fiel der Brünetten noch etwas ein.

„Ach, bevor du dich auch noch wunderst woher ich weiß wie zu heißt : Vor und Nachname standen auf dem Klingelschild.“, fügte sie noch recht trocken hinzu.

Erst wollte die Journalistin diesbezüglich noch einmal genauer nachhaken, doch erkannte sie selbst, dass sie auf weitere Fragen, welche in diese Richtung gingen, keine Antwort bekommen würde.

Von daher machte sie sich gar nicht erst die Mühe und beließ es dabei.

„Ich denke, du hast mir jetzt erst einmal alles gesagt, was ich über das Foto wissen muss.“, zog Akane die Aufmerksamkeit der Frau mit den hellblauen Haaren wieder auf sich.

Na wenigstens etwas. Die Fragerunde war nun wohl erst einmal vorüber. Reiko war auch ganz froh darüber, hatte sie doch schon befürchtet, dass die Andere sie gleich noch irgendetwas fragte, was sie gar nicht wissen konnte.

„Also sind wir erst einmal fertig?“, erkundigte die Journalistin sich sogleich, blickte die Brünette fragend an und wollte dann wissen : “Und nun?“
 

Auf eine ähnliche Zwischenfrage schien Akane, alias Crow, nur gewartet zu haben, denn sie lief rüber zur Tür und war schon im Begriff, diese mit Hilfe ihres Armreifs zu öffnen, als ihr jedoch plötzlich etwas einfiel und sie sich eines besseren besann.

Einige Augenblicke blieb ihr Blick an der Wanduhr, gegenüber der Tür, hängen.

„Mir wäre es am liebsten, dich möglichst zeitnah rüber zur Chefin zu bringen, aber es ist leider noch mitten in der Nacht.“

Das besagte Chefin um diese Uhrzeit höchst wahrscheinlich schlief und gar nicht erfreut darüber sein würde, wegen so einer Sache aufgeweckt zu werden, dass war sogar Reiko auf Anhieb klar.

„Das stimmt schon. Um diese Uhrzeit werden die meisten noch schlafen.“, stimmte die naive junge Frau ihr zu, doch im gleichen Augenblick fiel ihr dazu noch etwas ein. „Warum bist du eigentlich noch wach?“

Ihr Gegenüber sah so aus, als würde sie wegen so viel Blauäugigkeit gleich einen Schreikrampf bekommen, doch beherrschte sie sich so gerade noch. Vielleicht auch angesichts der Uhrzeit, das konnte Reiko nicht so genau sagen.

„Dummkopf!“, schimpfte Akane nun allerdings los. „Das ist doch wohl selbsterklärend! Glaubst du ich lege mich ins Bett und schlafe seelenruhig, während ich eigentlich noch Arbeit habe und du hier im Raum bist?!“ Sie warf ihr einen ziemlich angesäuerten Blick zu.

„Ich würde dich am liebsten in ein anderes Zimmer bringen, aber dann würde niemand mitbekommen, wenn du irgendetwas anstellst. Das ist viel zu riskant. Und aus diesem Grund und der Tatsache, dass Nyanko zu faul ist, ihre gottverdammte Arbeit selbst zu erledigen, habe ich dich jetzt erstmal am Hals!“, regte die Brünette sich auf.

Den dunklen Augen konnte man das Missfallen darüber nur all zu deutlich ansehen. Generell fand Reiko, dass ihr Gegenüber eine sehr temperamentvolle und hitzköpfige Person war. Zumindest hatte sich die Andere ihr gegenüber bisher immer ziemlich gereizt und wenig freundlich verhalten. Aber gut, was wollte sie erwarten?

Leider musste auch die Journalistin zugeben, dass ein Entführungsopfer wohl eher nicht mit Gastfreundschaft und guter Laune empfangen wurde.

Wenn sie ihre Situation mit derer, einiger entführter Kollegen in Krisengebieten verglich, dann konnte sie sich noch fast glücklich schätzen, dass sie bisher nicht ernsthaft zu Schaden gekommen war. Was jedoch natürlich keinesfalls heißen sollte, dass sie auch nur im entferntesten glücklich über die derzeitige Situation war. Die war nämlich eher ein einziges Desaster. Auch wenn ihr bis jetzt noch nicht wirklich etwas passiert war, hieß das noch lange nicht, dass sie wirklich mit einem blauen Auge aus der ganzen Angelegenheit entkommen könnte.

Sie durfte nicht vergessen, dass Morgen wohl die Anführerin dieser Verbrecherbande über ihr Schicksal entscheiden würde. Und bei besagter Frau, schien es sich um keine all zu freundliche Person zu handeln. Wie also standen ihre Chancen nun, noch einmal mit dem Schrecken davonzukommen? Vermutlich nicht all zu gut. Und allein der Gedanke daran, verursachte ein äußerst ungutes Gefühl.

„Das heißt dann, dass ich erst einmal hier bleibe, oder?“, schlussfolgerte die junge Frau mit den hellblauen Haaren, anhand der Aussage der Anderen.

„Sehr gut erraten.“, seufzte diese nur entnervt, bevor sie sich zurück an ihren Schreibtisch setzte und ein Kästchen aus einer der Schreibtischschubladen holte.
 

Einerseits war Reiko ganz froh, dass sie die Fragerunde fürs Erste überstanden hatte und ein wenig Ruhe eingekehrt war, andererseits nutzte ihre Fantasie diese Ruhe, um sich sämtliche Horrorvisionen zusammenzudichten, von dem, was morgen eventuell alles passieren würde.

Zwar versuchte die Journalistin sogleich an etwas anderes zu denken, doch leider ließen diese Gedanken nicht nicht all zu leicht zur Seite schieben.

Irgendwie musste sie sich ablenken, sonst würde die aufkommende Angst vor dem morgigen Treffen mit der Chefin dieser Kriminellen, sie noch verrückt werden lassen.

Und da es hier im Raum nicht vieles gab, was sie ein wenig hätte ablenken können, blieb ihr ja schon fast gar nichts anderes mehr übrig, als Akane ein Gespräch aufzuzwingen.

„Sag mal, deine merkwürdige Kollegin, die mich hergebracht hat, warum hat sie dich eigentlich ständig Crow genannt?“, fragte die naive junge Frau auch sogleich das erst Beste, das ihr in den Sinn kam. Darüber hatte sie sich vorhin wirklich schon ein wenig gewundert, wenn sie in ihrer Panik überhaupt in der Lage gewesen war, sich über etwas Gedanken zu machen.

Überrascht blickte die Brünette auf, hatte sie Reiko doch gerade nicht mehr all zu viel Beachtung geschenkt und ehrlich gesagt auch nicht damit gerechnet, dass diese sie gleich wieder ansprechen würde.

„Weil mich jeder hier so nennt. Hast du etwa keinen Spitznamen?“

„Doch natürlich. Meine Arbeitskollegen nennen mich ständig Siren. Warum das so ist, kann ich mir allerdings auch nicht erklären.“

„Ich fürchte, dass du dir so einiges nicht erklären kannst.“, merkte Akane recht ironisch an.

„Eh, was meinst du damit? Ich finde die Anrede wirklich ziemlich ungewöhnlich. Hat sich denn bisher niemand darüber gewundert?“

Nach wie vor schenkte ihr Gegenüber Reiko nicht all zu viel Beachtung. Die Brünette hatte eine kleine Tischleuchte eingeschaltet und war damit beschäftigt, irgendetwas zu sortieren. Um was genau es sich handelte, das konnte sie von ihrem Sitzplatz aus jedoch nicht wirklich sagen.

„Siehst du, damit bestätigt sich meine Befürchtung auch schon. Wenn du auch nur in der Lage wärst eins und eins zusammenzuzählen und halbwegs logische Schlüsse zu ziehen, dann würdest du dich über so einfache Dinge nicht wundern müssen, Siren.“

„Hey, das ist jetzt aber nicht nett!“, beschwerte die junge Frau sich sogleich.

Dann stand sie von ihrem Platz auf und ging ein paar Schritte näher rüber zum Schreibtisch.

„Was machst du da eigentlich?“, wollte sie wissen, doch dann erkannte sie auch schon, was Akane da gerade vorsichtig in verschiedene Schachteln sortierte. Das waren ja...Edelsteine!

Alles in allem musste sich ein halbes Vermögen in dem Kästchen, welches da vor der Anderen auf dem Tisch stand, befinden.

„W-was? Ich fasse es nicht. Das ist ja alles Schmuck!“, rief sie überrascht aus.

„Wie beruhigend, dass du wenigstens das erkannt hast.“

„Aber...wo bekommt man so eine Menge Edelsteine her?“, wollte Reiko nun recht fassungslos wissen.

„Hast du nicht selbst schon erkannt, dass unsere Organisation nicht gerade die Wohlfahrt ist?“, entgegnete Crow ihr gelassen. Ein Geheimnis musste sie daraus wohl nicht mehr machen, denn die Journalistin der Niigata Morgenpost würde keine Gelegenheit erhalten, die Gruppe bei der Polizei zu verpfeifen. Dann blickte sie jedoch wieder um einiges genervter drein.

„Zumindest versuche ich den ganzen Kram gerade zu sortieren, bevor ich die Steine dann morgen an die Chefin weitergebe. Oder besser gesagt : es bleibt wohl nur bei dem Versuch, weil du mich ständig ablenkst!“

Erneut sah Crow so aus, als würde sie gleich einen Wutanfall erleiden. Mit der klaren Ansage, dass sie jetzt endlich ruhig sein sollte, verscheuchte sie Reiko in die andere Hälfte des Zimmers.

Während der Platz um den Schreibtisch doch ziemlich an ein Büro erinnerte, sah die andere Zimmerhälfte eher so aus wie ein Wohnbereich. Oder wie ein Hotelzimmer, fanden sich doch eine Sitzecke mit Tisch, sowie ein Bett und ein Kleiderschrank darin. Die Einrichtung war sehr unpersönlich gehalten, dennoch grenzte es an ein kleines Wunder, dass der kleine Raum, auch ohne eine Trennwand, so gut unterteilt worden war

Nachdem die Journalistin den Raum etwas auf sich hatte wirken lassen, ergriff sie noch einmal vorsichtig das Wort. „Ist das hier eine Art Übernachtungsmöglichkeit im Büro, oder leben du und die Anderen wirklich hier in diesem Gebäude?“

„Was hast du an sei still nicht verstanden!? Das war doch wirklich keine komplizierte Ansage!“, regte Akane sich auf, jedoch klang auch ein Fünkchen Verzweiflung in ihrer Stimme mit.

Für's erste stellten die Journalistin und der Zeitungsartikel zwar keine Gefahr mehr da, aber...war die derzeitige Situation wirklich so viel besser?

Langsam öffnete die junge Journalistin die Augen und blinzelte verschlafen. Noch war es totenstill im Raum, doch lange würde diese Ruhe mit Sicherheit nicht mehr anhalten. Durch die Schlitze der Rollläden fielen bereits die ersten Sonnenstrahlen ins Zimmer.

Wenn es draußen schon hell war, dann konnte dies nur bedeuten, dass es inzwischen bereits nächster Morgen war. Und dies wiederum bedeutete... //Oh nein, ich komme zu spät zur Arbeit!//, waren Reikos erste Gedanken, an diesem Morgen, als sie registrierte, dass die Sonne schon schien.

Zwar war sie noch müde, doch der Gedanke, dass sie vermutlich zu spät zur Arbeit kommen würde, sorgte dafür, dass sie sich ruckartig im Bett aufsetzte.

Doch dann stutzte die junge Frau mit den hellblauen Haaren. Jetzt erst bemerkte sie, dass sie sich gar nicht in ihrem Appartement befand, wie sie fälschlicherweise zuerst angenommen hatte.

Im ersten Moment etwas verwirrt blickte sie sich um, dann waren die Erinnerungen an gestern auch schon wieder zurück.

Dieser Tengu, das Foto, Catwoman und ihre Schläger hatten sie hier verschleppt und nun saß sie auf ungeklärte Zeit in diesem Gebäude fest.

Bis eben war Reiko einfach nur verschlafen gewesen, doch nach der Erkenntnis, dass die Ereignisse gestern nicht einfach nur ein Alptraum, sondern Realität waren, sank ihre Laune deutlich.

Sie seufzte. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Warum hatte sie nicht einfach aufwachen und sich in ihrem kleinen Appartement wiederfinden können? Das wäre zu schön um wahr zu sein gewesen.

Aber nein, das Schicksal meinte es nicht gut mit ihr. Sie war tatsächlich nach wie vor in diesem Zimmer, in einem Gebäude, von dem sie nichtmal wusste, in welcher Stadt es eigentlich stand. Kurz gesagt : Reiko hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wo genau sie hier eigentlich war.

Ihr Blick fiel auf die Matratze, auf der sie saß. Gestern Nacht hatte sie sich eigentlich nur auf's Bett gelegt, weil Akane sie nicht weiter beachtet hatte und sie es als unbequem empfunden hatte, die ganze Zeit über still auf dem Sessel zu sitzen. Das sie irgendwann tatsächlich eingeschlafen war, das hatte die Journalistin natürlich nicht mitbekommen.

Apropos Akane, Reiko blickte sich kurz im Raum um, bis ihr Blick schließlich am Schreibtisch hängen blieb. Die Brünette saß noch immer auf dem Bürostuhl vor ihrem Schreibtisch, hatte jedoch die Arme auf der Tischplatte verschränkt, den Kopf darauf gelegt und atmete ruhig und regelmäßig.

Ein Weilchen beobachtete die Journalistin die Andere, dann war sie sich sicher, dass sie tatsächlich noch schlief.

Die Journalistin gähnte hinter vorgehaltener Hand, streckte sich, schob die Decke von sich und stand schließlich auf. Na toll, nun war sie zumindest schon mal wach, aber Akane schlief noch seelenruhig. Spontan fragte die Frau mit den hellblauen Haaren sich, ob diese unbequeme Schlafposition nicht zu Rückenschmerzen oder einem steifen Nacken führte.

Leise und darum bemüht die Andere nicht zu wecken, schlich Reiko durch's Zimmer.

Hier im Haus war es noch verdammt ruhig. Bisher hatte sie auch auf dem Flur niemanden gehört. Ob außer ihnen vielleicht noch niemand hier war? Nun ja, Crow war zumindest noch nicht wach, würde folglich nicht merken, wenn sie rüber zur Tür schlich und...

Schließlich blieb die Journalistin vor der Zimmertür stehen und musterte das massive Holz.

Von außen konnte die Tür wohl nur mit Hilfe eines Armreifs geöffnet werden, doch hier im Raum, befand sich zudem auch noch eine richtige Türklinke.

Erneut blickte Reiko rüber zu der Brünetten, nur um sicher zu gehen, dass diese noch nicht aufgewacht war. Sie überlegte. War es wirklich so eine gute Idee, die Chance zu nutzen und zu versuchen von hier wegzukommen? Dieses Vorhaben konnte furchtbar schief gehen, aber das Gespräch mit der Chefin auch.

Einen Versuch war es also durchaus wert, beschloss sie.

Somit griff die junge Frau nach der Türklinke, drückte diese runter und zog an der Tür.

Doch, wie könnte es auch anders, die Tür bewegte sich leider keinen Millimeter. Ob Klinke oder nicht, scheinbar ließ sich die Tür auch vom Zimmer aus nur mit Hilfe eines dieser seltsamen Armbänder öffnen. Das würde dann auch erklären, warum nicht nur Nyanko, sondern auch Crow diesen Schmuck trug. Wäre ja auch zu blöd, das eigene Zimmer nicht betreten zu können.

Zumindest war die Hoffnung der Journalistin, ganz heimlich noch einmal aus dem Gebäude flüchten zu können, nun schlagartig dahin. Es wäre ja auch zu schön gewesen, auf so simple Art und Weise noch einmal diesem Alptraum entfliehen zu können.

Nun sah es wirklich ganz so aus, als würde kein Weg an einem Gespräch mit dieser Chefin vorbeiführen. Wenn Reiko jedoch ehrlich war, dann war sie nicht unbedingt scharf darauf, die Frau überhaupt kennenzulernen. Die Art, wie Akane gestern von der Anführerin der Bande gesprochen hatte, hatte ihr da wirklich schon gereicht.

Ein wenig geknickt überlegte sie, was sie sonst noch tun könnte, wenn es nach wie vor keine Fluchtmöglichkeit für sie gab.

Letzten Endes blieb ihr Blick an der Badezimmertür hängen. Wer konnte schon sagen, wie lange man sie noch hier festhalten würde und wann sie das nächste Mal die Gelegenheit bekommen würde zu duschen? Je nachdem in was für einen Raum man sie nachher umquartierte, sollte sie diese Chance wohl wirklich noch ergreifen.

Zum Glück ließ sich wenigstens die Tür zum Bad problemlos öffnen. Reiko betrat den Raum also, begann nach Shampoo und Handtüchern zu suchen und wünschte sich, sie wäre zuhause in ihrem Appartement.
 

Das Erste, was sie hörte, nachdem sie aufgewacht war, war der Klang des Radios. Irgendwo hatte sie das Lied auf jeden Fall schon einmal gehört. Nur die Stimme zu dem Liedtext kam ihr neu vor. Wurde der Song nicht normalerweise von einem Sänger gesungen? Das war nun aber ganz eindeutig die Stimme einer Frau. Auf Anhieb konnte sie nicht sagen, von wem dieses Cover wohl war, aber schlecht klang es zumindest nicht. Sehr bekannt konnte die Person jedoch nicht sein, beschränkte sich das Radioprogramm gerade nur auf die Singstimme, doch Instrumente waren keine zu hören.

Doch dann wurde die Brünette schlagartig wacher. Ein Radio? Wo sollte das bitte herkommen?

Hier im Raum hatte sie noch nie ein Radio gehabt. Und im Bad, denn von dort kam die Stimme, schon gleich gar nicht!

Akanes Blick fiel rüber in den eigentlichen Wohnbereich des Zimmers.

Was zum?! Die Zeitungstussi war verschwunden! Gerade wollte sie schon beginnen sich Sorgen zu machen, da war die Müdigkeit so weit gewichen, dass sie eins und eins zusammenzählen konnte.

Reiko war glücklicherweise nicht wirklich weg und ein Radio hatte ihr auch niemand heimlich ins Zimmer gestellt, die Journalistin war wohl einfach nur vor ihr aufgewacht und duschte.

Nun ja, das ersparte natürlich einiges an Ärger. Um ehrlich zu sein hätte Crow es sich auch nicht erklären können, wie die Andere es geschafft haben sollte, das Zimmer ohne einen Armreif zu verlassen.

Eins musste sie Reiko allerdings lassen, eine schöne Stimme besaß sie durchaus. So langsam ergab auch der Spitzname Sinn, den ihre Arbeitskollegen ihr gegeben hatten.

Akane setzte sich wieder richtig hin und stellte fest, dass ihr Rücken schmerzte. Kein Wunder, im Sitzen einzuschlafen war noch nie eine besonders gute Idee gewesen. Ganz generell schalt sie sich dafür, einfach irgendwann eingeschlafen zu sein. Die Journalistin wirkte zwar so, als wenn sie keiner Fliege etwas zu Leide tun könnte, doch ein gewisses Restrisiko blieb natürlich immer.

Gerade war sie von ihrem Platz aufgestanden, da verstummte die Dusche im Nebenzimmer.

Akane blickte auf die Uhr, stellte fest dass es bereits 8:23 Uhr war und beschloss, spätestens gegen neun mit Reiko rüber zur Chefin zu gehen. Dann wäre endlich klar, was mit der jungen Frau passieren würde und sie wäre die Nervensäge wieder los. Das sie die Andere bis jetzt am Hals haben würde, war so ja nichtmals geplant gewesen.
 

Schließlich öffnete sich die Badezimmertür wieder und die naive Journalistin betrat den Raum.

„Oh, du bist wach?“, stellte sie überrascht fest, als sie die Brünette erblickte.

„Natürlich bin ich das.“, murrte Angesprochene nur, bevor sie sich Reiko schließlich zuwandte und stutzte. „Hey, was würdest du davon halten, dir erstmal was ordentliches anzuziehen?!“, tadelte Akane sie ein wenig entgeistert. Ein umgewickeltes Badehandtuch war zwar lang genug, um als eine Art Kleid durchzugehen, doch erschien ihr der Aufzug ein wenig unpassend für eine Person, die eigentlich hier her verschleppt worden war.

„Das würde ich ja gern, aber meine Haare sind noch klatsch nass. Wenn ich mich jetzt umziehe, dann sind meine Klamotten es gleich auch.“, erklärte die Frau mit den hellblauen Haaren derweil.

„Eigentlich wollte ich fragen, ob du mir nicht einen Föhn leihen könntest?“

Mit großen, hellblauen Augen blickte die junge Frau ihr Gegenüber an.

Akanes Mundwinkel begann leicht zu zucken, es war nicht zu übersehen, dass sie Mühe damit hatte ruhig zu bleiben.

„Was glaubst du eigentlich wo du hier bist? In einem Luxushotel vielleicht?!“, schimpfte die Brünette auch schon los.

„Nein, natürlich nicht. Ich dachte nur, dass du sicherlich einen Föhn haben würdest.“

Immerhin hatte auch die Besitzerin des Zimmers sehr lange Haare, die ohne Haarföhn bestimmt Ewigkeiten brauchen würden um zu trocknen.

Bereits am frühen Morgen wieder ziemlich gereizt, seufzte Crow, bevor sie schließlich antwortete :“Ja natürlich habe ich einen! Es geht mir eher ums Prinzip. Wie kommst du dazu, ohne zu fragen, meine Dusche zu benutzen?!“

Nun wirkte Reiko wirklich ein wenig geknickt. „Entschuldige, ich wollte wirklich nicht unhöflich sein. Ich... ich dachte nur, dass es vielleicht meine letzte Chance ist zu duschen, bevor entschieden wird, ... was mit mir passiert.“

Diese Aussage nahm Akane nun doch ein wenig den Wind aus den Segeln. In gewisser Weise konnte sie die Sorge der Anderen nachvollziehen.

Crow ging einige Schritte auf die junge Frau mit den hellblauen Haaren zu, blieb kurz vor ihr stehen und deutete schließlich auf ein Schränkchen im Badezimmer, dessen Tür noch offen stand.

„Auf der linken Schrankseite ganz oben.“

„Eh?“ Ein wenig fragend blickte Reiko sie an.

Und wieder hatte die Brünette mit sich zu kämpfen, um bei so viel Blödheit nicht gleich wieder die Nerven zu verlieren.

„Na der Föhn, was denn sonst, Dummkopf.“ Ein wenig skeptisch blickte sie die hellblauen Haare der Anderen an. Die sahen wirklich noch klatsch nass aus.

„Und jetzt beeil dich. Wir müssen schließlich gleich los und ich würde vorher auch ganz gern noch ins Bad.“

„Ja, ist gut.“, antwortete die Journalistin sogleich, bevor sie hinzufügte. „Wohin genau gehen wir eigentlich?“ Zwar ahnte sie die Antwort darauf schon, doch hegte sie die kleine Hoffnung, das Gespräch mit der Anführerin dieser Kriminellen noch ein wenig aufschieben zu können.

„In die Cafeteria, frühstücken.“, murrte Akane und beobachtete ungläubig, wie Reikos Gesichtszüge sich merklich aufhellten.

„Wirklich?“, hakte die naive junge Frau noch einmal nach.

Crow verdrehte die Augen. „Natürlich nicht, Siren!“, entgegnete sie.
 

Just in diesem Moment öffnete sich die Tür und eine Person betrat den Raum.

Die Brünette blickte den Besucher nicht sofort an, ging sie doch davon aus, dass es eh Nyanko sein würde, die wieder einmal ungefragt ihr Zimmer betreten hatte um ihr auf die Nerven zu fallen.

„Was willst du hier?!“, blaffte sie den ungebetenen Besuch daher erst einmal an, bevor sie sich schließlich zu der Person umdrehte.

Auch Reiko, alias Siren, riskierte einen Blick zur Tür. Glücklicherweise handelte es sich bei der Person um eine Besucherin. Zwar war es der jungen Journalistin unangenehm, das die Fremde gerade jetzt, wo sie nur ein Badehandtuchkleid trug, den Raum betreten hatte, doch empfand sie die Situation nur als halb so schlimm, als wenn irgendein Typ zur Tür reingeschaut hätte.

„Was ist denn das für eine Begrüßung, Crow?!“, wies die Unbekannte die Brünette überraschenderweise sofort zurecht, ohne auch nur für einen kleinen Moment unsicher zu wirken.

Reiko rechnete eigentlich damit, dass Crow der Fremden eine wenig freundliche Antwort geben würde, doch als sie Crow ansah, stellte sie überrascht fest, dass diese die Besucherin ziemlich schockiert ansah, für einen Moment förmlich erstarrt war und schließlich sogar eine leichte Verbeugung andeutete, bevor sie im vorbildlich höflichen Tonfall antwortete : „E-es tut mir leid. Das eben war nicht auf Sie bezogen, ich habe ehrlich gesagt mit einer anderen Person gerechnet.“

„Ach ja?“, hakte die Andere spöttisch nach.

Spontan fragte Reiko sich, ob das wirklich Akanes Worte gewesen waren, oder ob man sie heimlich gegen eine andere Person ausgetauscht hatte, während sie im Bad gewesen war.

Derweil strich die Fremde sich eine der goldblonden Strähnen aus dem Gesicht und musterte erst Crow, dann die junge Journalistin für einen Moment, bevor sie schließlich erneut das Wort ergriff.

„So, das ist also das Fräulein Aya von der Niigata Morgenpost, richtig? Wenn ich euch zwei so ansehe, dann scheint ihr euch ja ausgezeichnet zu verstehen.“

„Na so gut nun auch wieder nicht.“, räumte Akane fast sofort ein, da ihr Nervenkostüm dank Reiko inzwischen doch ziemlich angefressen war.

„Wie auch immer, vermutlich kannst du dir denken, warum ich hier bin, richtig?“

Die Brünette nickte. „Eigentlich hatte ich vor, das Mädchen in ein paar Minuten rüber in Ihr Büro zu bringen, aber so wie es aussieht, kann ich mir diesen Weg nun schenken.“

„Bezüglich der Fotos hast du die Kleine vermutlich bereits befragt, nehme ich an?“, wollte die Unbekannte ohne große Umschweife wissen.

„Ja, natürlich. Es existiert wohl nur dieses eine Bild, dass sich auf ihrem Handy und dem Laptop befindet. Verbreitet hat sie den Artikel glücklicherweise noch nicht.“

Einerseits kam Reiko sich mal wieder ein wenig vergessen vor, denn die beiden sprachen so über sie, als wenn sie sich nicht im Raum befände, jedoch war sie auch nicht traurig darüber.

Die Tatsache, das Crow die Blondine derart respektvoll behandelte und die Art, wie die beiden miteinander redeten, ließen nämlich nur einen logischen Schluss zu : vor ihr stand die Anführerin dieser Kriminellen.

Irgendwie war das schwer zu glauben, wirkte die Frau nun wirklich nicht wie eine typische Bandenchefin. Die Fremde war durchschnittlich groß, hatte lange goldblonde Haare mit rötlichen Spitzen, trug einen schlichten Anzug, wirkte gepflegt und wusste sich auszudrücken. Doch wer ihre Augen betrachtete, der wusste, dass mit dieser Person nicht zu spaßen war. Der Blick der Blondine war kühl, ein wenig spöttisch und selbstbewusst. Man sah ihr förmlich an, dass sie zwar intelligent, jedoch mindestens auch genau so skrupellos war. Ein Wolf im Schafspelz also. Und das hatte sogar die naive, gutgläubige Journalistin erkannt.

„Es sieht ganz so aus, als wenn du Crow die Wahrheit gesagt hättest, Mädchen.“, sprach die Chefin Reiko nun ganz direkt an. „Das war sehr klug von dir.“

Aus den Gedanken gerissen blickte die junge Frau mit den hellblauen Haaren die Andere an, bekam jedoch nur ein Nicken zu Stande. Das war also die Frau, die entscheiden würde, was mit ihr passieren würde.

„Unsere Technikerin hat den Laptop bereits überprüft und bald müssten meine Leute die Wohnung durchsucht haben.“, stellte die Blondine noch abschließend fest, bevor sie sich wieder Akane zuwandte. „Hast du den Schmuck von gestern bereits gesichtet?“

Angesprochene nickte und deutete auf die Schachtel, welche nach wie vor auf dem Schreibtisch stand. „Ja, das habe ich. Wenn Sie möchten, können Sie die Schachtel gleich mitnehmen, oder ich bringe sie nachher vorbei.“

„Wenn ich schon einmal hier bin, dann nehme ich die Kiste gleich mit.“

Die Chefin griff nun zielstrebig in die Tasche ihres Blazers und reichte Crow kurz darauf auch schon einen kleinen Briefumschlag. „Deshalb bin ich eigentlich hier, dein neuer Auftrag.“

Reiko, welche nach wie vor ein wenig unnütz im Raum stand, warf den beiden einen irritierten Blick zu, hatte sie doch keine Ahnung von was für einem Auftrag die Rede war und hatte sie ehrlich gesagt auch erwartet, dass sich gleich herausstellen würde, was nun weiter mit ihr passierte.

Kurz trafen Akanes und ihr Blick sich, dann wandte die Brünette sich ihr zu, legte eine Hand an ihre Schulter und schob sie kurzerhand zurück ins Badezimmer.

„Wir haben noch etwas zu besprechen. Jetzt zieh dir endlich etwas ordentliches an, ich hab dir eben schon gesagt, dass du das tun sollst.“, wies sie die Journalistin an.

„Aber, was ist mit - ?“

„Kein Aber!“ Und schon hatte die Andere ihr die Badezimmertür vor der Nase geschlossen.
 

Im ersten Moment etwas verwirrt, blieb die junge Frau stehen wo sie gerade war, starrte das Holz der Tür an und überlegte, was das denn jetzt bitte für eine Aktion gewesen war.

Das das nur ein Vorwand gewesen war, um sie aus dem Raum zu befördern, das war selbst der naiven Reiko klar. Blieb nur die Frage, ob es daran lag, dass die beiden diesen Auftrag, was immer das auch sein sollte, besprechen wollten, oder aber sie hatten noch etwas anderes zu klären.

Wohl oder übel blieb die Frau mit den hellblauen Haaren erstmal im Bad und begann damit sich umzuziehen, jedoch verzichtete sie darauf ihre Haare mit dem Föhn zu trocknen, da sie sonst kein einziges Wort mehr verstanden hätte.

Gerade war sie in Rock und Bluse geschlüpft, da schlich sie auch schon ein wenig näher zur Tür und versuchte irgendetwas mitzubekommen.

Lange brauchte es nicht, bis ersichtlich wurde, dass der Auftrag wohl nur nebensächlich war.

Nein, nun ging es wirklich um sie.

„Galaxia..., wegen dem Mädchen von der Zeitung, was passiert nun weiter mit ihr?“, hörte sie Crow gerade fragen.

Zwar konnte Reiko die beiden nicht sehen, doch hörte sie mildes Erstaunen über diese Frage, in der Stimme der Blondine.

„Inzwischen müssten zwei meiner Leute dabei sein ihre Wohnung zu durchsuchen, wenn sich dort auch nichts findet, ist die Sache erledigt. Was denn sonst?“

„Nein, so meinte ich das nicht. Was genau passiert nun mit Reiko selbst?“

Ja, das war wirklich die Frage, die auch die Journalistin brennend interessierte.

Sie spürte, dass sich wieder eine gewisse Angst vor der Antwort in ihrem Körper breit machte, ihr Puls beschleunigte sich. Wenn sie doch nur irgendwas sehen könnte...Oder mitreden.

Aber die Brünette hatte sie gerade ganz offensichtlich mit voller Absicht aus dem Raum befördert, von daher saß sie nun erstmal im Bad fest.

„Das fragst du mich? Wer von uns ist es denn Schuld, dass diese Situation erst entstanden ist?“, hörte sie Galaxia gereizt nachhaken.

„Das war mein Fehler, ich weiß. Aber ich kann doch nicht einfach über Ihren Kopf hinweg entscheiden, was mit dem Mädchen passiert.“

„Natürlich kannst du das nicht. Ich bin allerdings davon ausgegangen, dass du wüsstest, was in einem solchen Fall zu tun ist.“

Inzwischen war Reiko auf die glorreiche Idee gekommen, durchs Schlüsselloch der Badezimmertür zu schauen, um wenigstens einen kleinen Blick auf die beiden Personen werfen zu können, welche da gerade über ihr Schicksal redeten.
 

Die Antwort, welche die Chefin Akane dann jedoch gab, ließ der Journalistin das Blut in den Adern gefrieren. Schlagartig schien die Temperatur im Bad um mindestens 10 Grad gefallen zu sein.

Ihre Beine fühlten sich mit einem Mal an wie Wackelpudding. Sie sank hinter der Tür auf die Knie.

„Also Crow, jetzt nochmal zum mitschreiben : du hast genau zwei Möglichkeiten und es ist ganz dir überlassen, für welche der beiden du dich entscheidest. Hauptsache du verpatzt es nicht wieder.“, begann Galaxia zu erklären.

„Gehen lässt du sie natürlich auf keinen Fall, das ist viel zu riskant. Du kannst herausfinden, wie sie der Firma nützlich sein kann. Das bedeutet dann jedoch auch, dass du die Verantwortung für die Journalistin hast. Sie steht weiterhin unter deiner Aufsicht und bleibt hier. Aber wenn sie etwas anstellt, dann werde ich dich dafür zur Verantwortung ziehen, verstanden?“

„Was?! Sie können unmöglich von mir verlangen, dass ich 24 Stunden am Tag ein Auge auf die Nervensäge habe!“, rief die Brünette entsetzt aus.

„Ich dachte mir schon, das dir diese Lösung zu riskant sein würde.“, lachte die Blondine. „Denkst du vielleicht gerade an deinen Vorgänger? Ich kann verstehen, dass du es nicht riskieren willst, wegen so einem Risiko auf genau die gleiche Art das Zeitliche zu segnen.“

„W-welche zweite Möglichkeit bleibt mir denn?“ Die Stimme der sonst so hitzköpfigen, selbstbewussten und meist wenig freundlichen Akane klang plötzlich ganz zahm, wenn nicht sogar ziemlich verstört.

„Die zweite Möglichkeit ist ganz simpel : du gehst kein Risiko ein und tötest die Zeitungstussi.“

Die Anführerin hatte das so belanglos ausgesprochen, als wenn es nur darum gehen würde, ob man ein Brot nun mit Erdbeer- oder Kirschmarmelade bestreichen sollte. Das war der Moment, in dem das klare denken der Journalistin sich ausklinkte.
 

Eine Weile lang redeten die beiden Kriminellen noch miteinander. Im Groben ging es wohl noch einmal um den Auftrag, welchen Galaxia Crow vorhin in Papierform gegeben hatte.

Den genauen Inhalt des Gesprächs, hätte Reiko derzeit nicht wiedergeben können, zu sehr hatten sich Panik und Verzweiflung in ihrem Verstand breit gemacht.

Es war der letzte Teil des Gesprächs, die zweite Möglichkeit, die die Chefin der Brünetten zur Auswahl gegeben hatte, die immer und immer wieder durch ihren Kopf hallte.

Sie sollte sie töten, wenn sie kein Risiko eingehen wollte. Einfach so. Wie konnte man so etwas nur sagen?! Das Problem sah die Journalistin darin, dass Akane wohl kaum das Risiko auf sich nehmen und sie hier als Dauergast bei sich wohnen lassen würde. Das bedeutete dann also wirklich...?

Die Badezimmertür öffnete sich.

Hatte sie doch bis eben noch geglaubt, die Panik, welche in ihr aufgestiegen war, ließe sich nicht mehr steigern, so hatte sie sich getäuscht. Ihr Herz raste, ihr ganzer Körper zitterte.

In was für eine Situation war sie da nur geraten? Warum hatte so etwas ausgerechnet ihr passieren müssen?!

Als sie ihr Gegenüber anblickte, stellte Reiko fest, dass ihre Sicht überraschend verschwommen war. Vermutlich lag das an den Tränen, welche der Journalistin nun über die Wangen liefen.

„Du hast gelauscht, oder?“ Das war mehr eine Feststellung seitens Crow, welche nun kurz vor ihr stehengeblieben war und zu ihr runter blickte.

Mit zitternder Hand wischte die junge Frau sich über die Augen, blickte hoch zu der Anderen und stellte fest, dass auch Akane nicht gerade glücklich aussah. Vermutlich lag es daran, dass sie sich gerade Gedanken darüber machte, wie sie die Journalistin nun am schnellsten beseitigte.

Schließlich beugte sie sich zu der jungen Frau runter und ergriff das Wort. „Dummkopf! Wegen dir und dem verdammte Foto, stehe ich vermutlich jetzt schon mit einem Fuß im Grab!“

„Komm mir nicht zu nahe! Bleib weg von mir!“, hörte Reiko eine Stimme rufen. Es dauerte einen Moment, bis sie realisierte, dass es ihre Eigene war.

Die Panik hatte ihr so sehr die Sinne vernebelt, dass die Worte der Anderen sie nur langsam erreichten.

Erst als die Brünette sie bei den Schultern packte und leicht schüttelte, meldete ihr Verstand sich zurück.

„W-wie meinst du das...?“, erkundigte sie sich mit zittriger Stimme.

Zwar bemühte Akane sich um den typischen, mürrischen Gesichtsausdruck, doch irgendwie fand Reiko, dass auch sie ziemlich geschockt wegen der derzeitigen Situation aussah.

„Ich meine damit, dass deine verpeilte Art mir vermutlich früher oder später das Genick brechen wird.“

So ganz konnte die junge Journalistin die eigentliche Aussage hinter den Worte der Anderen noch nicht begreifen.

„Wie soll dir meine Art schon das Genick brechen? Ich meine... du bringst mich doch so oder so um!“, rief sie aus und ein neuer Schwall Tränen bahnte sich seinen Weg über ihre Wangen.

Die Brünette schüttelte sie erneut an den Schultern, bevor sie sie schließlich anfuhr : „Jetzt fang endlich wieder an klar zu denken! Ich bin vielleicht eine Diebin, aber keine Mörderin!“
 

Diese Botschaft hatte selbst Reiko verstanden, auch wenn sie ehrlich gesagt nicht einmal im Traum daran gedacht hatte, dass Akane Möglichkeit Eins ernsthaft in Betracht ziehen könnte, da diese ein Risiko für sie selbst bedeuten würde.

„Warte, willst du damit etwa sagen, dass...?“, hakte sie stockend nach.

„Das ich dich weiterhin am Hals habe und mich frage, wie ich das bloß aushalten soll, ja.“, stellte Crow nur fest.

Und das war der Moment, in dem die junge Frau mit den hellblauen Haaren der Anderen um den Hals fiel, den Kopf in ihrem T-Shirt vergrub und ihren Tränen freien Lauf lies.

Was genau es nun bedeuten würde, noch länger in dieser Organisation festzusitzen, dass konnte Reiko nicht sagen, was sie jedoch wusste war, dass sie soeben die Chance erhalten hatte zumindest weiterzuleben. Und das war das Beste, was ihr in dieser Situation passieren konnte, oder?

Das Akane, nachdem sie die erste Überraschung überwunden hatte, anfing zu schimpfen, versuchte die Journalistin wieder loszuwerden und kläglich an dem Vorhaben scheiterte, das blendete die junge Frau gerade komplett aus. Viel wichtiger war gerade, dass sie den Kopf vorerst noch einmal hatte aus der Schlinge ziehen können und in dieser Bande von Kriminellen auch nicht ganz auf sich allein gestellt sein würde, wenn man das denn so nennen konnte.

Es dauerte eine geschlagene halbe Stunde, bis die Journalistin den ersten Schock einigermaßen überwunden hatte. Aber wer hätte ihr das in der derzeitigen Situation auch schon verübeln können?

Dem sicheren Ende sprang man nun mal nicht jeden Tag gerade noch so von der Schippe.

Kurz fiel ihr Blick zur geschlossenen Badezimmertür. Das leise Prasseln der Dusche war auch hier im Wohnbereich zu hören.

Nachdem Reiko nach dem Treffen mit der Chefin und dem kurzen Gespräch im Badezimmer, Akane wieder losgelassen hatte, hatte diese sie rüber in den Wohnbereich des Zimmers gebracht und sie auf den Sessel verfrachtet. Mit den Worten, sie sollte erstmal versuchen sich zu beruhigen und sich Gedanken um die derzeitige Situation machen, hatte die Brünette Reiko für's Erste allein gelassen und war ihrerseits im Bad verschwunden, um zu duschen und sich umzuziehen.

Nach und nach gelang es der Journalistin wieder klare Gedanken zu fassen.

Es war schon unglaublich, wie knapp sie den Kopf noch einmal aus der Schlinge hatte ziehen können.

Blieb nur noch die ungeklärte Frage, warum Akane dieses Risiko für sie in Kauf nahm.

Zwar hatte sie vorhin gesagt, dass sie eine Diebin aber keine Mörderin seie, doch trotzdem fand die junge Frau es sehr gewagt, für eine fast Fremde so ein Risiko in Kauf zu nehmen. Gerade bei dieser Chefin.

Was hatte die Blondine noch gleich gesagt? Sie würde Crow dafür zur Rechenschaft ziehen, wenn die Journalistin irgendetwas anstellen sollte. So, wie sie Galaxia eben erlebt hatte, glaubte Siren ihr das Gesagte aufs Wort.

Aber trotz diesem Risiko hatte die Andere es nicht in Kauf genommen, ganz einfach den leichtesten und sichersten Weg zu wählen und die junge Frau mit den hellblauen Haaren unschädlich zu machen.

Reiko hatte so viele Fragen an ihre momentane Mitbewohnerin, wenn sie es sich recht überlegte.

Es würde sie ja schon interessieren, wie lange die Brünette nun schon Teil dieser Bande war und was sie dazu bewegt hatte, sich diesen Kriminellen anzuschließen.

Auch fragte sie sich, wo genau sie hier eigentlich waren. In welcher Stadt und in was für einem Haus?

Die Journalistin stand von ihrem Platz auf, lief rüber zum Fenster und blickte hinaus.

Das Gebäude war wirklich riesig, so viel stand fest. Wenn sie so aus dem Fenster sah, dann kam sie zu dem Schluss, dass sie sich mindestens in der fünften Etage befanden. So genau konnte sie das jedoch nicht sagen. Wenn man nun also bedachte, dass sie sich in einem so riesigen Bürokomplex befanden, dann konnte das Gebäude doch gar nicht so unbekannt sein, oder?

Doch wenn sie aus dem Fenster blickte, sah Reiko leider nur einen verlassenen Hinterhof und Brachland. Trotz diesem nicht gerade vielversprechenden Ausblick, ging sie jedoch davon aus, dass das Haus irgendwo in der Nähe einer belebten Straße stehen musste, denn selbst von hier aus war Autolärm zu hören.

 

„Hast du dich wieder beruhigt?“, riss sie Akanes Stimme aus den Gedanken.

Die Brünette hatte sich inzwischen umgezogen und das Bad wieder verlassen.

Die junge Journalistin drehte sich zu der Anderen um, ehe sie antwortete : „Ja, halbwegs, wenn man es so nennen kann.“

„Das ist gut.“

Als einen Moment Schweigen herrschte, beschloss Reiko die derzeitige Ruhe zu nutzen, um Crow einige Fragen zu stellen, welche ihr hoffentlich helfen würden, die Gesamtsituation ein wenig besser zu überblicken.

„Sag mal, wo genau sind wir hier eigentlich?“, erkundigte sie sich.

Mit hochgezogener Augenbraue blickte die Brünette sie an, ehe sie sich neben sie stellte und sich an die Fensterbank lehnte.

„Immer noch in Niigata, Siren. Wenn auch in einem Randbezirk der Stadt.“

„Immer noch in Niigata? Diese Ecke der Stadt ist mir noch nie aufgefallen.“

„Kein Wunder, du kannst schließlich nicht sämtliche Häuser der Stadt kennen.“

Nun war es an der jungen Frau mit den hellblauen Haaren, ihre Gesprächspartnerin groß anzusehen.

„Warum hast du das vorhin gemacht? Ich meine, warum hast du diese Entscheidung getroffen? Das ich jetzt hier bleibe, stellt für dich doch ein ziemliches Risiko dar, oder nicht?“, wollte Reiko wissen.

Der Grund der Anderen, diese gewagte Entscheidung zu treffen, interessierte sie wirklich.

„Dummkopf, das habe ich dir vorhin doch schon gesagt!“, murrte die Brünette, verschränkte die Arme und bemühte sich um den typischen, mies gelaunten Gesichtsausdruck.

„Ja schon, aber war das wirklich alles?“, hakte die naive Journalistin erneut nach.

Akane seufzte genervt, entfernte sich etwas weiter von der Fensterbank und wandte sich wieder der anderen zu.

„Was denn noch?! Sei doch einfach froh, dass ich mich für die dämlichere der beiden Möglichkeiten entschieden habe und dich jetzt so lange ertragen muss, bis du irgendwas anstellst, was uns beiden das Genick brechen wird!“

„So wie du das sagst, scheinst du ja wirklich davon auszugehen, dass ich irgendetwas tun werde, was deine Chefin dazu veranlasst uns zu bestrafen. Wie gemein.“, schmollte Siren, denn obwohl sie sich sicher war, das Crow vieles was sie sagte gar nicht so böse meinte, verletzend konnten ihre Worte trotzdem manchmal sein.

„Jetzt zieh nicht so ein Gesicht. Damit, dass du irgendwas Dummes tust, muss ich schließlich rechnen! Ich würde an deiner Stelle auch versuchen von hier abzuhauen oder mich zumindest irgendwie bemerkbar zu machen!“,schimpfte Akane auch schon los.

Spontan vermutete Reiko, dass die Brünette so mies gelaunt war, weil ihre Chefin sie vorhin dazu verdammt hatte, von nun an erstmal in der unfreiwilligen WG zu leben.

„Ich verstehe ja was du meinst, aber...du hast eben den Kopf für mich hingehalten, da werde ich dir doch nicht sofort zum Dank in den Rücken fallen.“, versuchte die junge Frau mit den hellblauen Haaren ihrem Gegenüber zumindest eine Sorge zu nehmen.

„Das wird sich dann wohl zeigen.“, antwortete diese ihr gerade skeptisch.

 

Die Brünette lief rüber zu ihrem Schreibtisch, setzte sich auf den Schreibtischstuhl und schlug einen Ordner auf, welcher sich in einem Rollschränkchen unter dem Tisch befunden hatte.

„Sag mal, jetzt wo ich dich eh am Hals habe : was kannst du eigentlich?“, erkundigte sie sich.

Die Frau mit den hellblauen Haaren blinzelte irritiert und blickte ihr Gegenüber etwas ratlos an.

„Eh? Ich verstehe nicht ganz.“, gab sie ehrlicherweise zu.

„Was war daran bitte so schwer zu verstehen?!“, schnappte Crow. „Es muss doch irgendetwas geben, was du gut kannst, oder nicht?“ Ihrem Gesicht war deutlich anzusehen, das sie bereits jetzt schon wieder ziemlich genervt war. Siren ab jetzt die ganze Zeit über zu ertragen würde ihrem Nervenkostüm einiges abverlangen.

„Ach so, na sag das doch gleich.Ich kann beispielsweise ganz annehmbar kochen und meine Kollegen behaupten immer, ich könnte gut singen.“, antwortete die Journalistin der anderen schließlich und fand es positiv, dass diese sie scheinbar etwas besser kennenlernen wollte, nun wo sie in dieser WG leben müssten. Dementsprechend verwundert war sie, als Akane nur seufzte und noch eine Spur genervter wirkte als ohnehin schon.

„Wirklich schön das du gut singen kannst, aber kannst du mir bitte mal verraten, was das bringen soll?!“

„Was hast du denn? Du hast mich doch eben nur gefragt, worin ich gut bin. Aber das es etwas Nützliches sein soll hast du nicht erwähnt.“, äußerte Reiko mit Unschuldsmiene und fügte reichlich naiv hinzu :“Außerdem finde ich schon, das es beispielsweise praktisch ist kochen zu können. Also wenn du es nicht kannst, dann ergänzt sich das doch ganz gut, oder?“

Auf der Stirn der Brünetten begann eine Ader zu pulsieren. Hier gerade noch ruhig zu bleiben fiel ihr immer schwerer.

„Wer hat bitte behauptet, dass ich nicht kochen könnte?!“, meckerte sie los, funkelte ihre Gesprächspartnerin wütend an und verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber darum geht es auch gar nicht! Irgendetwas musst du doch können, was der Organisation nützlich ist. Dinge wie Buchhaltung, Datenbanken hacken, oder einfache Verwaltungsaufgaben...?“

Abwartend blickte die Brünette sie an und langsam verstand Reiko, dass man ihr die Frage nach den persönlichen Fähigkeiten nicht einfach aus Interesse an ihrer Person gestellt hatte.

„Aber ich bin Journalistin, keine Buchhalterin...!“, beschwerte sie sich. „Außerdem ist es doch illegal Datenbanken zu hacken, oder nicht?“

„Also vollkommen nutzlos.“, stellte Akane fest, ohne auf Reikos Frage einzugehen. „Ich hätte es wissen müssen.“

Nun begann die junge Frau mit den hellblauen Haaren nachzudenken. Eben noch hatte Akane vor Galaxia den Kopf für sie hingehalten und irgendwie wäre es doch jetzt nur gerecht, wenn sich doch noch irgendetwas finden ließe, um sich dafür zu revanchieren. Natürlich hatte sie kein besonders großes Interesse daran Aufgaben in einer Verbrecherbande zu übernehmen und vermutlich könnte sie das meiste auch gar nicht, doch irgendetwas musste es doch geben, womit sie zumindest Crow ein wenig Arbeit abnehmen könnte, oder nicht?

Arbeit abnehmen...ach, halt Moment, hatte die Chefin der Organisation der Brünetten nicht vorhin erst noch einen neuen Auftrag erteilt? Was auch immer es war, vielleicht könnte sie dabei ja eine sinnvolle Aufgabe übernehmen?

„Ah, jetzt weiß ich etwas!“, rief sie daher aus und blickte ihre unfreiwillige Mitbewohnerin an.

„Ach ja?“, ergriff diese das Wort und sah skeptisch in Reikos Richtung.

„Du hast doch vorhin irgendeinen Auftrag bekommen, richtig? Könnte ich dir dabei nicht ein wenig unter die Arme greifen? Möglichst mit irgendetwas, was nicht illegal oder gefährlich ist?“

Mit jedem Satz, den sie da hören musste, litt das Nervenkostüm der eh schon temperamentvollen Brünetten ein wenig mehr. Sie konnte und wollte nach wie vor noch nicht recht wahrhaben, dass die Journalistin wirklich so naiv sein konnte, musste jedoch langsam aber sicher einsehen, dass Siren sich höchst wahrscheinlich nicht einfach nur dumm stellte, sondern wirklich so arglos war.

„Da gibt es nichts, was auch nur ansatzweise ungefährlich oder halbwegs legal wäre! Wie oft muss ich dir noch sagen, dass die Organisation nicht die Wohlfahrt ist?!“

Crow verschränkte die Arme vor der Brust und rollte ein Stück mit dem Drehstuhl nach hinten.

„Vergiss ganz einfach, was ich eben gefragt habe.“, murrte sie. „Am nützlichsten machst du dich wahrscheinlich, wenn du einfach nur versuchst keine weiteren Dummheiten anzustellen.“

 

Für einen Moment spielte Reiko mit dem Gedanken sich über die wenig freundlichen Worte der anderen zu beschweren, doch war selbst der naiven Journalistin klar, dass das nicht all zu viel bringen würde. Stattdessen versuchte sie lieber das Thema in eine andere Richtung zu lenken.

„Sag mal Akane, warum hast du dich dieser Gruppe eigentlich angeschlossen?“, wollte sie wissen.

Für einen Augenblick sah Angesprochene sie ehrlich überrascht an, bevor ihre Mimik wieder genervter wurde.

Diesmal hatte Reiko jedoch das Gefühl, dass die miese Laune nur eine Art aufgesetzte Maske war, um irgendetwas zu überspielen. Da war etwas in Akanes Blick, was nicht so recht zur restlichen Mimik passen wollte und was die junge Frau nicht einordnen konnte.

„Warum interessiert dich das?“, antwortete Crow lieber mit einer Gegenfrage.

„Weil ich nicht glaube, dass du wirklich so gemein wie die Chefin bist.“

„Ach ja? Und was macht dich da so sicher? Täusch dich nicht. Nur weil ich mich eben dazu entschieden habe, dich am Leben zu lassen, macht mich das noch lange nicht besser als die Anderen hier.“

Reiko öffnete den Mund um noch etwas zu sagen, doch da war Akane auch schon wieder von ihrem Sitzplatz ausgestanden und ging rüber zur Zimmertür, welche die ganze Zeit über verschlossen gewesen war. Mit einem der Armreifen wischte sie über das Kästchen des Sicherheitssystems und das Schloss sprang klickend auf.

„Eh? Wo willst du hin?“, erkundigte Siren sich sogleich, anstatt das Gespräch von eben weiterzuführen.

„Ein paar Unterlagen weitergeben und dann in die Küche.“, entgegnete Crow und warf noch einmal einen Blick in den Raum. „Worauf wartest du? Du kommst natürlich mit. Oder willst du in diesem Zimmer vergammeln? Durchs Gebäude zu laufen ist immerhin besser als nichts.“

„Ist ja gut.“ Mit diesen Worten begab auch die junge Journalistin sich rüber zur Tür und war in gewisser Weise froh, endlich den Raum verlassen zu können. Vielleicht würde sich ja irgendwo im restlichen Gebäude die Möglichkeit ergeben auf sich aufmerksam zu machen? Immerhin war dieses Haus so groß, dass sie sich nur schwer vorstellen konnte, dass die Verbrecherbande den ganzen Bürokomplex ihr Eigen nannte.

Gerade war sie auf dem Flur angekommen, da griff die Brünette plötzlich nach ihrem Arm und sah sie noch einmal warnend an. „Mach jetzt bloß keine Dummheiten, nur weil wir den Raum verlassen haben. Dieses Gebäude verlässt niemand, der es nicht soll.“

„Ich hab doch gar nichts-“, begann die junge Frau mit den hellblauen Haaren, wurde jedoch von ihrer unfreiwilligen Mitbewohnerin unterbrochen :“Aber man sieht dir an der Nasenspitze an, worüber du nachgedacht hast.“

Während sie den Flur entlangliefen, schmollte die Journalistin ein wenig und fragte sich, ob es für die andere wirklich so leicht war ihr anzusehen, was sie gerade dachte.

 

Erneut liefen die beiden Frauen einen der Flure entlang und erneut musste Reiko feststellen, wie gleich hier alles aussah. Inzwischen war es fast Abend und die Hoffnung auf Hilfe, nur weil sie den Raum verlassen hatten, war nach und nach geschmolzen wie das Wachs einer brennenden Kerze.

Den Vormittag über hatte Akane sie durchs Haus mitgeschleift und ihr zwangsläufig auch die ein oder andere Person vorgestellt, da sie ein paar Unterlagen von A nach B hatte schleppen müssen.

Mindestens 15 Personen hatte die Journalistin den Tag über hier gesehen, doch alle schienen zu den Kriminellen zu gehören.

Besonders wohnlich sah es auch nirgendwo in dem merkwürdigen Bürokomplex aus, doch zumindest eine kleine Küche und eine Art Aufenthaltsraum gab es hier. Nach wie vor fragte Reiko sich, ob die Mitglieder der Verbrecherbande tatsächlich hier wohnten, oder ob es nur eine Art Notlösung war, ab und an am Arbeitsplatz zu bleiben.

Doch die Wohnsituation der Kriminellen war nun wirklich nicht ihr Hauptproblem. Eine Tür, welche nach draußen in die Freiheit führte, hatte die Entführte den ganzen Tag über nicht finden können. Genau so wenig wie Leute, die so aussahen, als hätten sie nichts mit dieser seltsamen Organisation zu tun.

Inzwischen waren die beiden zumindest wieder auf dem Weg durchs Haus. Da sämtliche Flure hier große Ähnlichkeit miteinander hatten, bemerkte Siren erst, dass sie auf dem Rückweg zu Akanes Zimmer waren, als sie fast schon vor der Tür standen.

„Oh, wir sind ja wieder zurück. In diesem Gebäude verliert man wirklich wahnsinnig schnell die Orientierung.“

„Ach, findest du? Das ist nur eine Sache der Gewohnheit.“, antwortete die Brünette ihr kühl und öffnete die Zimmertür mit Hilfe ihres Armreifs.

Nach wie vor fand die junge Journalistin es faszinierend und irritierend zugleich, dass einige der Türen in diesem Haus nur mit den Armreifen geöffnet werden konnten. Waren Schlüssel denn nicht irgendwie praktischer?

„Deine Armreifen funktionieren wie Schlüssel, richtig?“, erkundigte Reiko sich und folgte Akane in das Zimmer, welches die Kriminelle und sie derzeit bewohnten. „Wäre es nicht leichter, ein ganz normales Schlüsselbund für das Haus mit sich herumzutragen?“

Crow schloss die Tür hinter den beiden wieder, musterte kurz einen der Armreifen mit einem seltsamen Gesichtsausdruck und blickte dann rüber zu ihrer unfreiwilligen Mitbewohnerin.

„Unter anderem funktionieren sie wie Schlüssel, ja.“, erklärte sie. „Die Methode ist sicherer als ein Schlüsselbund. Man kann die Armreifen immerhin nirgendwo liegen lassen und Unbefugte kommen nicht in die Räume, in denen sie nichts verloren haben.“

Während Akane zielstrebig in Richtung Schreibtisch lief und etwas aus einer der Schubladen holte, setzte die junge Frau mit den hellblauen Haaren sich auf den einzigen Sessel hier im Raum.

„Ach, so ist das also. Also gibt es Räume in diesem Gebäude, die niemand sehen darf?“, hakte sie naiverweise nach.

„Dummkopf! Als wenn dich das etwas angehen würde!“, brauste die Brünette auf.

Im ersten Moment blinzelte Siren ein wenig irritiert. Aus ihrer Sicht hatte sie der anderen doch nur eine ganz normale Frage gestellt. Warum regte sie sich also darüber auf?

Die einzig logische Erklärung dafür war vermutlich, dass sie Recht hatte und es hier durchaus Räume gab, welche nicht von jedem betreten werden durften. Fragte sich lediglich, was wohl hinter besagten Türen war.

Inzwischen hatte Crow gefunden, was sie in der Schreibtischschublade gesucht hatte – ein Blatt Papier, welches sie genau studierte und dann für einen guten Moment lang aus dem Fenster blickte.

Sie schien über irgendetwas nachzudenken, bevor sie schließlich nickte und mit dem Blatt in der Hand zur Tür lief.

„Erinnerst du dich an den Auftrag, den die Chefin mir vorhin gegeben hat? Ich werde jetzt gehen.“, stellte sie fest. „Denk nicht mal daran in meiner Abwesenheit irgendetwas Dummes anzustellen. Galaxia würde uns beiden dafür den Kopf abreißen.“

Überrascht blickte Reiko Akane an. Sie waren doch gerade erst zurückgekommen, nachdem sie den ganzen Tag über im Gebäude hin und hergelaufen waren und nun wollte die Brünette schon wieder aufbrechen?

„Warte mal.“, hielt sie ihre Mitbewohnerin zurück, welche in der offenen Tür stehen blieb und sie abwartend ansah.

„Was ist denn noch?“, erkundigte Akane sich in ihrem typischen, leicht gereizten Tonfall.

„Musst du bei deinem Auftrag irgendwas illegales machen? Ich meine, hast du gar keine Angst, dass die Polizei dich erwischt?“

Auch wenn ihre Gesprächspartnerin sich darüber vielleicht nicht den Kopf zerbrach, Siren tat es.

Einerseits hielt sie nichts von Dingen, die gegen das Gesetz verstießen, andererseits war selbst die naive Journalistin vorausschauend genug um zu wissen, dass sie ganz allein mit dem Rest dieser Kriminellen hier wäre, wenn Akane von der Polizei geschnappt werden würde,

Einerseits könnte dies zwar bedeuten, das man der Bande auf die Art und Weise auf die Schliche kam, doch eine Garantie dafür war das nicht.

Besonders der Chefin dieser Organisation wollte sie so schnell nicht mehr begegnen! Irgendetwas sagte ihr, dass es sicherer für sie wäre, wenn Crow in diesem Gebäude in ihrer Nähe war.

Und nachdem sie vorhin, aus welchen Gründen auch immer, den Kopf vor Galaxia für sie hingehalten hatte, war Siren sich recht sicher, dass die Brünette gar nicht so gemein sein konnte, wie der Rest dieser Kriminellen.

„Es gibt keinen legalen Diebstahl, Siren.“, entgegnete Akane derweil und verdrehte die Augen. „Und ungefährliche Aufträge erteilt die Chefin mir nie. Berufsrisiko, würde ich sagen.“

„Aber...aber warum nimmst du solche Aufträge dann überhaupt an?“, wollte Reiko verständnislos wissen.

Angesprochene blickte sie für einen Moment einfach nur an, seufzte schließlich genervt und klatschte sich die Hand gegen die Stirn.

„Ist das dein Ernst?“, wollte sie wissen. „Du hast Galaxia vorhin selbst kennengelernt.“

Damit hatte sie allerdings recht. Wenn die junge Journalistin nun ein wenig weiter dachte, dann kam selbst sie zu dem Schluss, dass es nicht gesund sein konnte, der Chefin dieser Bande zu widersprechen.

„Mach einfach keine Dummheiten und warte bis ich wieder zurück bin.“, wies Crow Siren noch an, bevor sie schließlich den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss.

Kaum war die Tür hinter ihr zugefallen, klickte irgendetwas. Das Lämpchen neben der Tür, wechselte von grün zu rot, was nichts anderes bedeutete, als das diese wieder verschlossen war.

Reiko seufzte. Die Tür war verschlossen, in diesem Haus wimmelte es ohnehin vor Verbrechern und ein Telefon gab es in diesem Raum auch nicht.

An Flucht war wohl nach wie vor nicht zu denken.

 

Inzwischen war es mitten in der Nacht und das Zimmer, welches die beiden Frauen sich unfreiwilligerweise teilten, war stockdunkel und still.

Vor etwa zehn Minuten war die Journalistin aufgewacht und hatte feststellen müssen, dass sie nicht mehr schlafen konnte. Zu sehr beschäftigten sie die Vorfälle der letzten Tagen und die aktuelle Gesamtsituation.

Das sie wegen eines Fotos entführt worden war, war schon unfassbar genug, und dass diese Verbrecherbande größer war, als sie ursprünglich vermutet hatte, machte es auch nicht gerade besser.

Um es kurz zu fassen : ihre Lage war alles andere als gut.

Wie ernst es war, hatte Reiko erst heute morgen noch feststellen müssen, als die Chefin Akane kaltblütig vor die Wahl gestellt hatte, die junge Journalistin weiterhin hier festzuhalten und die volle Verantwortung für sie zu übernehmen, oder aber sie ganz einfach zu töten.

Wie konnte ein Mensch nur dermaßen abgebrüht sein? Galaxia hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als sie das gesagt hatte. Ein einzelnes Menschenleben schien der Blondine recht wenig zu bedeuten.

Nach wie vor war Reiko ziemlich schockiert, in was sie hier nur reingeraten war, doch ahnte sie – naiv oder nicht - , dass dies erst die Spitze des Eisbergs gewesen war.

Die Kriminellen, die sie heute im Haus gesehen hatte, machten ebenfalls einen ziemlich abgebrühten Eindruck. Sirens Meinung nach hatte sie es hier wirklich nur mit Wahnsinnigen zu tun! Und das war wirklich, wirklich schlecht.

Nun, vielleicht nicht nur mit Wahnsinnigen...

Die junge Frau seufzte leise, drehte sich auf die Seite und zog die Bettdecke ein wenig höher, während sie die Silhouette ihrer Mitbewohnerin musterte, welche mit dem Rücken zu ihr lag und leise und ruhig atmete.

Im Gegensatz zu den meisten hier, machte Crow nicht so einen eiskalten und verrückten Eindruck.

Gut, Akane besaß Temperament, war leicht reizbar und verhielt sich meist recht abweisend ihr gegenüber, aber irgendeine innere Stimme sagte Reiko, dass die Brünette gar nicht so kratzbürstig war, wie sie immer tat. Wie sagte man noch gleich? Harte Schale, weicher Kern.

Schon von Anfang an hatte sie ihre derzeitige unfreiwillige Mitbewohnerin nicht als so bedrohlich wahrgenommen, wie die anderen hier.

Die Tatsache, dass sie sich dagegen entschieden hatte sie aus dem Weg zu räumen und stattdessen das Risiko einging, sich auf diese verrückte WG mit einer fast Fremden einzulassen, bestätigte ihre Annahme nur noch.

Zu gern hätte Reiko gewusst, was Akane bloß dazu bewegt hatte.

Und wo sie gerade schon über ihre Mitbewohnerin, die Verbrecherbande und die Gesamtsituation nachdachte, kam sie zu dem Schluss, das hier irgendetwas merkwürdiges vor sich ging.

Die Chefin dieser Organisation war zweifelsohne gefährlich, doch es wunderte sie schon, wie respektvoll alle mit ihr umgingen.

Heute morgen schon hatte sie das Gefühl gehabt, jemand hätte Crow heimlich gegen eine andere Person ausgetauscht, als sie kurz nicht hingesehen hatte, doch das war noch nicht alles gewesen.

Nachdem Akane von ihrem Auftrag zurück war und wohl gerade das Zimmer betreten wollte, musste sie auf dem Flur Galaxia über den Weg gelaufen sein.

Zwar hatte Reiko vom Zimmer aus natürlich nichts sehen können, doch was sie aus dem Gespräch der beiden hatte heraushören können war, dass die Brünette ihrer Chefin das erbeutete Diebesgut direkt ausgehändigt hatte.

Reiko hatte keine Ahnung, um was für Diebesgut es sich überhaupt handelte, doch anscheinend war Galaxia der Meinung gewesen, dass Akane zu wenig erbeutet hatte.

Die Blondine hatte die andere scharf zurechtgewiesen, während Crow ihr zu erklären versucht hatte, dass sie keine Zeit mehr gehabt hatte, da ein Streifenwagen auf sie aufmerksam geworden war.

Als Akane schließlich die Zimmertür mit Hilfe ihres Armreifs geöffnet hatte, war sie noch ein wenig neben der Spur und ziemlich gereizt.

Siren fragte sich wirklich, was es bloß für Aufträge waren, die Galaxia den anderen gab.

Zwar hatte die naive Journalistin noch nie in ihrem Leben etwas gestohlen, doch konnte sie durchaus nachvollziehen, dass es das Beste wäre schnell zu verschwinden, wenn die Polizei auf einen aufmerksam geworden war. Warum also war die Chefin der Verbrecherorganisation nicht einfach froh, dass Crow es geschafft hatte sich aus dem Staub zu machen?

 

Obwohl das Zimmer dunkel war, hatten Reikos Augen sich inzwischen einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt.

Schemenhaft konnte sie die Umrisse der im Zimmer stehenden Möbel erkennen.

Was die Möbel betraf, so musste sie jedoch einräumen, dass es sich hierbei in diesem Raum um Mangelware handelte. Das Zimmer war eher wie ein Büro eingerichtet, nur dass eine Tür in ein kleines Badezimmer nebenan führte.

Den im Raum stehenden Schreibtisch würde sie zur Büroausstattung zählen, genau so wie das Schränkchen, welches direkt darunter stand.

Lediglich der Kleiderschrank, der Sessel und das Bett gehörten definitiv nicht in ein Büro.

Anhand der Möbel war relativ schnell ersichtlich, dass der Raum eigentlich nur für eine Person ausgelegt war. Bis vor kurzem war das auch kein Problem gewesen, denn bis gestern hatte Crow das Zimmer allein bewohnt.

Nun, wo sie zu dieser WG verdammt worden waren, hatte sich dies jedoch schlagartig geändert und sie vor einige Probleme gestellt.

Da wäre zum Beispiel die Tatsache, dass ihre Entführer nicht so nett gewesen waren, den Inhalt ihres Kleiderschranks auch gleich mitzubringen. Reiko hatte also keinerlei eigene Kleidung hier her mitbringen können. Dies bedeutete zwangsläufig auch, dass sie sich ab morgen wohl aus Akanes Kleiderschrank würde bedienen müssen. Ob die Brünette davon jedoch so begeistert war, wagte selbst die naive Journalistin zu bezweifeln.

Ein weiteres Problem war, dass es in diesem Zimmer nur ein einziges Bett gab und der Platz nicht ausgereicht hätte, um irgendwo ein zweites aufzustellen.

Als Crow gestern Abend von ihrem Auftrag zurück war und es langsam an der Zeit gewesen war schlafen zu gehen, hatte die eigentliche Besitzerin des Zimmers es gar nicht lustig gefunden, ihren Schlafplatz mit einer fast Fremden teilen zu müssen.

Erst hatte sie verlangt, dass die Journalistin gefälligst auf dem Boden zu nächtigen hatte, doch damit wiederum war diesmal Reiko nicht einverstanden gewesen. Sie war der Brünetten also so lange auf die Nerven gefallen, bis diese schließlich nachgegeben hatte, sie jedoch gewarnt hatte, bloß nicht zu viel Platz zu beanspruchen und ihr nachts nicht die Decke abzuluchsen.

Auch Siren erachtete die aktuelle Schlafsituation als ein wenig merkwürdig, doch war es ihr lieber hier zu schlafen, als auf dem unbequemen Boden.

Außerdem war ihre Mitbewohnerin ihr irgendwie sympathisch. Eine ziemlich verrückte Tatsache, wenn man bedachte, dass sie genau so zu den Kriminellen gehörte, welche sie entführt hatten. Im Gegensatz zu den anderen, machte Crow jedoch einen weitaus menschlicheren Eindruck und hatte sich sogar für sie eingesetzt, obwohl sie sich kaum kannten.

 

Gerade wollte Siren sich wieder auf die Seite drehen und versuchen noch ein wenig Schlaf zu finden, als Akane es im Schlaf doch tatsächlich schaffte, ihr einen Großteil der Decke wegzuziehen.

//Hey! Hat sie mich nicht gestern Abend extra noch gewarnt, dass ich ihr bloß nicht die Decke wegziehen soll?/, fragte sie sich in Gedanken. Und nun tat sie es selbst. Na super.

Kurzentschlossen zog die junge Frau mit den hellblauen Haaren an der Decke, um sich ein Stück davon zurückzuerobern, musste jedoch feststellen, dass dieses Vorhaben gar nicht so leicht war, wie sie es sich vorgestellt hatte.

Reiko legte ihrer Mitbewohnerin eine Hand auf die Schulter und überlegte sie zu wecken, als sie bei der Aktion feststellte, dass die andere am ganzen Leib zitterte.

Merkwürdig - hatte sie bis eben nicht noch ganz ruhig geschlafen?

Okay, Akane schlief auch jetzt noch, allerdings alles andere als ruhig.

„Oh Gott, alles nur das nicht...Ich bringe das nächste Mal mehr mit...“, murmelte die Brünette leise im Schlaf.

Ob es das Gespräch gestern Abend mit der Chefin war, welches ihre unfreiwillige Mitbewohnerin bis in die Träume verfolgte und sie so verstörte, fragte Siren sich.

Wenn ja, dann fragte sie sich jedoch ernsthaft, was die Strafe dafür wäre, Galaxia zu verärgern.

Wollte sie das überhaupt wissen? Akane wirkte nicht so, als wenn sie all zu leicht zu verängstigen wäre, doch was immer sie da träumte, es schien ihr eine Heidenangst einzujagen.

„Hey...hey, wach auf.“, sprach die junge Journalistin die andere an und schüttelte sie leicht an der Schulter.

Das Vorhaben, die Brünette zu wecken, klappte nicht auf Anhieb, doch als Reiko sie schließlich etwas stärker an der Schulter schüttelte, gelang es ihr, sie aus dem Alptraum zu reißen.

Anstatt verschlafen zu blinzeln und einfach liegen zu bleiben, fuhr Akane erschrocken hoch und blickte sich im Raum um, bis ihr Blick schließlich zu Reiko fiel.

Mit der Erkenntnis, einfach nur schlecht geträumt zu haben, fiel die Anspannung wieder ein wenig von Crow.

„Was war denn los? Hast du schlecht geträumt?“, erkundigte Siren sich derweil und blickte ihre Mitbewohnerin fragend an.

Einen Moment lang ließ die Antwort auf sich warten, dann erklärte Crow kurz :“Nur ein Alptraum.“

„Das muss ja ein schlimmer Traum gewesen sein. Kannst du dich noch an irgendetwas erinnern?“

Irgendwie hätte es die junge Journalistin durchaus interessiert, was Akane geträumt hatte, was die Macht hatte sie so zu verstören.

So weit sie es in der Dunkelheit beurteilen konnte, schüttelte Angesprochene jedoch nur mit recht ernster Mimik den Kopf.

„Irgendein Alptraum eben, ich weiß es nicht mehr. Was immer es auch war, es ist jedenfalls vorbei.“

Mit diesen Worten ließ sie sich zurück ins Bett fallen und starrte die Zimmerdecke an.

„Mh, wenn du meinst. Vielleicht ist es auch besser so.“, antwortete Reiko, unterdrückte ein Gähnen und suchte ebenfalls wieder nach einer gemütlichen Liegeposition.

„Sag mal, gibt es eigentlich einen besonderen Grund dafür, dass du mir so auf die Pelle gerückt bist?“, hakte Crow derweil mit der typischen, leicht angenervten Stimme nach, die schon wieder sehr viel mehr nach ihr klang.

Reiko stutzte, zuckte dann jedoch nur mit den Schultern. „Naja, du hast mir fast die ganze Decke geklaut und hier ist es ziemlich kalt.“

„Dummkopf. Wieso hast du denn nichts gesagt?“,murrte die Brünette und schob ein Stück der Decke wieder zurück in Richtung der Journalistin.

Die junge Frau mit den hellblauen Haaren zog die Bettdecke wieder ein wenig höher, rückte jedoch nicht wirklich weg.

„Wie denn, wenn du schläfst?“, wollte sie blauäugig wissen.

„Mpf, ist ja auch egal.“, grummelte Akane und schloss die Augen.

Ein Weilchen herrschte Schweigen, bis schließlich Reiko noch einmal das Wort ergriff.

„Gute Nacht.“, meinte sie noch und gähnte.

„Jaja, was auch immer.“, war die etwas mürrische Antwort, bevor schließlich wieder Ruhe einkehrte.

Bevor sie einschlief, huschte ein Lächeln über die Lippen der Journalistin. Obwohl sie es eben noch kurz angesprochen hatte, hatte Akane sich gar nicht weiter darüber beschwert, dass sie nicht wieder weiter auf ihre Seite des Bettes zurück gerückt war.

Obwohl ihre Situation alles andere als gut war und man sie entführt hatte, so war sie doch nicht ganz allein mit den Kriminellen hier.

Der Oberarm der Brünetten, der ihren eigenen Arm berührte, war angenehm warm und langsam aber sicher schlummerte die junge Journalistin wieder ein.



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Kommentare zu dieser Fanfic (16)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  fahnm
2016-04-18T08:00:28+00:00 18.04.2016 10:00
Ein Tolles Kapitel
Mach weiter so
Von:  _Natsumi_Ann_
2015-03-06T17:19:53+00:00 06.03.2015 18:19
Dummkopf :D Ich mag es wenn sie Siren so nennt XD
Bin mal gespannt wann es zwischen den beiden prickelnder wird xD
Von:  _Natsumi_Ann_
2015-03-06T09:57:24+00:00 06.03.2015 10:57
Siren finde ich etwas OOC sie ist doch recht kindisch sonst.
sonst natürlich super geschrieben alles und gut am ende immer den Spannungsbogen gezogen^^
Von:  _Natsumi_Ann_
2015-03-06T08:30:11+00:00 06.03.2015 09:30
das Siren aufträumt bzw ein penibel aufgeräumtes appartment hat kann ichmir bei ihren unsortiertheit gar nicht vorstellen :D passt eher du lead crew :D xD
sehr interessante story, bin echt gespannt wie es weiter geht, werde mich also durchlesen ^^
und eigentlich mochte ich iron mouse/Tin nyanko mehr aber du hast meine aufmerksamkeit gewonnen also ein großes kompliment^^ weiter so^^
Von:  fahnm
2015-01-07T00:37:26+00:00 07.01.2015 01:37
Super Kapitel
Von:  Ted
2015-01-06T03:22:13+00:00 06.01.2015 04:22
Ich weiß ehrlich gesagt nicht wer mir mehr leid tun soll von den beiden xD
Von:  -NicoRobin-
2015-01-05T23:15:33+00:00 06.01.2015 00:15
Wieder ein tolles Kapitel. Und so schön lang. Grins. Habe nichtsaauszusetzen und bin sehr gespannt, wie es weitergeht. :-)
Von:  xXxMephistoxXx
2015-01-05T20:49:34+00:00 05.01.2015 21:49
Naja da ist sie ja nochmal mit nem blauen Auge davon gekommen ;-) aber mal schauen was genau Crow sich einfallen lassen muss um Siren zu ertragen xD
Schreib schnell weiter
LG Mephi
Von:  fahnm
2015-01-01T01:24:00+00:00 01.01.2015 02:24
Spitzen Kapitel
Von:  -NicoRobin-
2014-12-30T19:20:49+00:00 30.12.2014 20:20
Wieder ein tolles Kapitel. :-) ein Kritikpunkt habe ich aber. Du hast sehr oft das Wort besagte benutzt. Vielleicht setzt du nächstes mal ein anderes Wort ein.

Ansonsten super. Bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht.


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