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Mutant-Camp

von

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Prolog

Vor rund zwanzig Jahren kamen die ersten Gerüchte über Mutanten auf. Wenige Jahre später gab es die ersten Beweise, dass sie wirklich existierten und dann dauerte es nur Monate, bis sie aktiv verfolgt wurden. In weniger als einem Jahr wurden spezielle Gefängnisse gebaut, welche dem Großteil ihrer Kräfte standhielten. Für den Rest wurde, durch Experimente an Mutanten, ein Medikament entwickelt, welches die Mutationen außer Kraft setzte. Zwar nicht über einen längeren Zeitraum als fünf Stunden, aber regelmäßig verabreicht war es sehr wirksam.

Doch oberstes Ziel dieser Gefängnisse oder Camps, wie man sie später nannte, war es die Menschen und Mutanten voreinander zu schützen. Zumindest war es das, was an die Öffentlichkeit weitergegeben wurde. In Wahrheit gab es die Camps nur aus zwei Gründen:

Erstens, um entweder ein Mittel zu entwickeln, um die Mutationen aufzuhalten oder zweitens, um alle Mutanten zu kontrollieren und so eine Armee schwer oder unbesiegbarer Soldaten zu erschaffen.

Aber in erster Linie wurden alle Gefangenen gefoltert oder zumindest schwer misshandelt. Denn die Wärter und Leiter der Camps waren Menschen und zum Großteil von der Sorte, welche die andere Rasse hasste oder um ihre Fähigkeiten beneidete. Egal zu welcher sie auch gehörten, sie machten den Mutanten das Leben zur Hölle.

11. Mai – Ankunft im Camp 8 in New York
 

Erik Lehnsherr
 

Sie hatten mich geholt, mitten in der Nacht, ohne Vorwarnung. Ich erinnere mich nur daran, wie jemand die Tür zu meinem Schlafzimmer eintrat. Bevor ich etwas tun oder sagen konnte, explodierten grelle Lichter vor meinen Augen und ich fiel in eine bodenlose Schwärze.

Einige Stunden später stand ich im Büro eines Generals und konnte mir eine Predigt darüber anhören, wie scheiße Mutanten waren und dass man am Besten alle töten sollte. Das diese Camps, wie es hier eines war, vollkommen überflüssig waren (wie ich diese mickrigen Menschen hasste). Dabei schlich er immer wieder um mich herum. Er glaubte wirklich, dass würde mich einschüchtern oder mir Angst einjagen. Lächerlich. Das würde vielleicht beeindruckend wirken, wenn der Mann etwas bedrohlicher ausgesehen hätte. Aber dieser Möchtegerngeneral war fast zwei Köpfe kleiner als ich, war nicht gerade der dünnste und durchtrainierteste im Raum und die paar Haare, welche er noch hatte, hingen ihm in fettigen Strähnen ins Gesicht. Insofern hatte ich eher Mühe nicht in lautes Gelächter auszubrechen, anstatt vor Angst zu zittern. Doch meine Erfahrung sagte mir, dass ich diesen Mann nicht unterschätzen durfte.

Ich weiß nicht, wie lange ich so dagestanden und den Blick stur nach vorn gerichtet hatte. Ich hörte zwar jedes Wort des Generals, aber ich interessierte mich nicht dafür. Es war einfach nur belustigend, wie er versuchte mich zu provozieren. Probeweise bewegte ich meine Hände, musste aber feststellen, dass man sie mit einem dicken Strick zusammengebunden hatte und das so fest, dass sie mittlerweile unangenehm kribbelten. Lange würde das nicht mehr so sein. Ich war schneller wieder aus dem Camp verschwunden, als dieser General sich in seinen Ledersessel quetschen konnte.

„So, jetzt sag mir aber Mal, was für eine beschissene Mutation du hast, Insasse 34268?“, meinte der General plötzlich.

Nun knirschte ich mit den Zähnen, was im Übrigen die erste Gefühlsregung meinerseits war, seit ich das Büro betreten hatte. Mein Blick wanderte zu dem General und ich wusste genau, was er gerade dachte. Er freute sich, weil er etwas gefunden hatte, mit dem er mich reizen konnte. Verdammt, ich musste meine Gefühle besser in den Griff bekommen. Im Normalfall ließ ich mich nicht so schnell aus der Reserve locken. Aber man hatte mir schon einmal eine Nummer gegen und damit meinen Name ersetzt. Die Erinnerung daran trug ich für alle Zeit auf meinem linken Unterarm. Das würde ich nicht noch einmal zulassen.

„So, du willst also nicht antworten? Dann erklär ich dir nochmal die Regeln hier, 34268“, fuhr der General fort, der meinen Stimmungsumschlag ganz genau bemerkt hatte. „Mit den Wärtern redest du nur, wenn du gefragt wirst. Du gibst auf jede Frage eine Antwort und wenn es nur Ja, Sir oder Nein, Sir ist. Wenn ein Wärter mit dir redet, schaust du ihn nicht an. Du tust alles, was man dir befielt, egal was! Verstanden, 34268?“

Ich schwieg und sah weiter die Wand gegenüber an. Dieser kleine Penner spielte mit seinem Leben, ob ihm das bewusst war?

„Rede endlich!“

Ein Schlag warf meinen Kopf in den Nacken und ließ ein weiteres Mal Lichter vor meinen Augen und Schmerzen in meinem Kopf explodieren. Aber kein Laut kam über meine Lippen. Ich war Schmerzen gewohnt. Da musste schon mehr kommen, als diese Ohrfeige. Mit geschlossenen Augen ließ ich mein Genick knacken und sah dann den General eiskalt an.

„Bist wohl ein ganz harter, was?“, meinte dieser. „Ich muss dir wohl noch Gehorsam beibringen, 34268.“

Schon wieder die Nummer. Na schön, er wollte wissen, welche Mutation ich hatte? Dann wollte ich ihn mal nicht enttäuschen.

„Du willst wissen, welche Mutation ich habe?“, fragte ich und meine Stimme war so kalt, wie mein Blick.

Ein böses Grinsen legte sich auf meine Züge, als ich das sachte vibrieren von zwei Messingrohren spürte, die hinter dem General an der Wand angebracht waren. Im nächsten Moment lösten sie sich davon und schlangen sich um den Hals des Fettsacks. Dieser schnappte augenblicklich vergeblich nach Luft. Die Rohre zogen sich zusammen und ich hatte nicht vor sie einfach so freizugeben.

„Das ist meine Mutation, du Arsch. Ich beherrsche jede Art von Metall.“

Im nächsten Moment zog ein stechender Schmerz durch mein rechtes Bein. Ich fiel auf die Knie, wieder ohne einen Schmerzenslaut und warf dem Wärter hinter mir einen herablassenden Blick zu. Hatte er nicht mehr drauf? Das würde die Lage seines Vorgesetzten nicht verbessern. Doch der Wärter stand, mit einem Teleskopschlagstock hinter mir und hob ihn gerade ein weiteres Mal. Der nächste Schlag traf mich in den Nacken und raubte mir kurzzeitig die Sinne. So hatte der General Zeit, sich von den Rohren zu befreien. Kaum dass ich die Augen wieder geöffnet hatte, traf mich ein Stiefel an der linken Gesichtshälfte und kurz darauf auch im Magen. Das war das erste Mal, dass ich ein Keuchen von mir gab.

„Du Wixer“, knurrte ich und wollte mich wieder aufrichten.

Doch ein weiterer Tritt warf mich wieder zu Boden. Keine zwei Sekunden später wurde mein Kopf an den Haaren in den Nacken und zur linken Seite gezogen. Dann spürte ich ein Stechen am Hals und meine Sicht begann zu verschwimmen. Krampfartig zog sich mein Körper zusammen und ein Zucken ging durch meine Gliedmaßen. Ich fühlte mich, als würde flüssiges Eisen durch meine Adern laufen. Stockend rang ich nach Luft. Doch genauso schnell wie es angefangen hatte, war das Ganze auch wieder vorbei und ich warf dem General, der über mir stand einen finsteren Blick zu. Diesmal würde ich ihn nicht am Leben lassen. Ich gab den Rohren ein weiteres Mal den Befehl, sich um den Hals des Generals zu schlingen. Doch es passierte nichts. Verwirrt sah ich die Rohre an. Sie bewegten sich keinen Millimeter weit. Das Lachen des Generals ließ mich unmerklich zusammen zucken.

„Was hast du mit mir gemacht?“, flüsterte ich bedrohlich und stemmte mich auf Hände und Knie hoch.

„Dir deine Mutation geraubt oder sie zum Stillstand gebracht, wenn man es so will. Es ist kein Dauerzustand, kann aber zu einem werden, wenn du dich nicht zu benehmen weißt“, erklärte der General abfällig.

Ein Knurren drang aus meiner Kehle und ich sprang so blitzschnell auf, dass weder die anwesenden Wärter, noch der General rechtzeitig darauf reagieren konnten. Ich warf mich auf den General und rammte ihm mein Knie zwischen die Beine. Ein erstickter Schrei kam ihm über die Lippen, als er auf die Knie brach, nur um meines gleich darauf im Gesicht zu spüren. Mit blutender Nase, kippte er hinten über und blieb einen Moment reglos liegen.

Wütend funkelte ich die drei Wärter an, die mich jetzt umstellten. Meine Chancen standen schlecht. Die drei kämpften mit ihren Schlagstöcken und das konnte ich nicht gegen sie nutzen, nicht solange ich gefesselt war. Aber einem von ihnen konnte ich noch eine gebrochene Nase verschaffen, da war ich mir sicher. Ich suchte mir den kräftigsten der drei aus, rannte auf ihn zu und rammte ihm, bevor dieser etwas tun konnte, den Kopf gegen die Nase. Ein widerliches Knacken erklang und gleichzeitig legte sich ein Grinsen auf meine Lippen. Eine Sekunde später, lag ich neben dem blutenden Wärter auf dem Boden. Ein Fuß, zwischen meinen Schulterblättern hielt mich erfolgreich dort fest und ein weiteres Mal, traf mich ein Tritt in den Magen und gegen die Schläfe. Letzterer raubte mir, zum zweiten Mal an diesem Tag, die Sinne.
 

***
 

Als ich die Augen wieder aufschlug, drehte sich alles um mich herum und ich hatte das Gefühl, mein Kopf würde jeden Moment platzen.

„Diese kleinen Pisser“, knurrte ich und wollte eine Hand an meine Stirn legen.

Mein Vorhaben wurde von der Tatsache verhindert, dass meine Hände an die Füße eines Stuhls gebunden waren, über dem ich bäuchlings lag. Schritte erklangen hinter mir und ich hob den Kopf, soweit es möglich war. Erst als ich mich bewegte, spürte ich, dass ich, bis auf meine Unterhose, vollkommen nackt war. In diesem Moment schoss mir nur eines durch den Kopf: Was hatten diese Ärsche jetzt mit mir vor? Die Schritte stoppten genau hinter mir und ich spürte Blicke auf mir.

„Wenn ihr jetzt irgendwas Perverses mit mir vorhabt, um mich gefügig zu machen, muss ich euch enttäuschen. Ich werde mich euch nicht beugen, egal was ihr macht“, meinte ich gelassen und wahrheitsgemäß.

Ein Lachen erklang.

„Dir würde es doch gefallen mal so richtig durchgenommen zu werden“, ertönte eine rauchige Stimme hinter ihm. „Aber den Gefallen werde ich dir nicht tun. Deine Strafe sieht anders aus.“

Dann war ein schnalzender Knall zu hören und ein reisender Schmerz durchzog meinen Rücken. Ein Schrei kam mir über die Lippen, was mich wiederum rasend vor Wut machte. Ich wollte diesen Ärschen nicht meine Schwäche zeigen. Mein Rücken brannte wie die Hölle und ich hätte auf alles geschworen, was mir lieb war, dass Blut daran hinablief. Wieder ein Knall, doch diesmal war ich vorbereitet. Ich biss die Zähne zusammen, sodass nur ein zischender Laut über meine Lippen kam, als der Schmerz einsetzte. Diese Ärsche hatten wirklich noch Peitschen zur Bestrafung der Gefangenen… Waren die hier im Mittelalter stehen geblieben, oder was? Fehlte ja nur noch die Hexenverbrennung. Obwohl…wenn der General alles machen könnte, was er wollte, würde es hier wahrscheinlich auch eine Mutantenverbrennung geben. Ein erneuter Schmerz, löschte meine Gedanken aus und ließ meinen Körper zusammenzucken. Ohne es wirklich wahrzunehmen, zog ich an meinen Fesseln, was allerdings nichts half. Irgendwann konnte ich auch meine Schmerzensschreie nicht mehr zurück halten.

Wie oft der Wärter am Ende zugeschlagen hatte, konnte ich nicht sagen. Nur dass ich nach einer kleinen Ewigkeit ein weiteres Mal in die erlösende Umarmung einer Ohnmacht gefallen war.
 

***
 

Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, war ich nicht mehr im Büro des Generals und auch nicht in der Folterkammer des Camps. Ich lag im unteren Teil eines Etagenbettes, das in einem steril aussehenden Zimmer stand. Der Schrank, welcher in einer Ecke stand, war grau, genauso wie ein Regal an der Wand gegenüber und das Gestell des Bettes. Der Rest des Zimmers, also Wände, Boden, Bettzeug und sogar meine Kleidung war weiß. Ich fühlte mich sofort unwohl. Ich brauchte kein knallbuntes Zimmer, das machte mich nur aggressiv. Aber etwas Farbe konnte hier wirklich nicht schaden.

Ich versuchte aufzustehen und schaffte es zu meiner Überraschung auch. Allerdings war die Freude nur von kurzer Dauer. Zum einen konnte ich mich fast nicht bewegen, so höllisch brannte mein Rücken, zum anderen schlang sich eine stabile Plastikfessel um mein rechtes Fußgelenk, welche über eine Kette aus demselben Material, am Bettpfosten befestigt war. Ich konnte mich nicht weiter bewegen, als bis zu Toilette, welche vielleicht einen Meter vor dem Bett lag und durch eine Art Duschvorhang vom Rest des Zimmers abgetrennt wurde.

„Verfluchte Scheiße“, knurrte ich und zog an der Kette.

Sie war wirklich unerwartet stabil, so dass ich ziehen konnte, soviel ich wollte, ohne dass sie sich auch nur einen Zentimeter verzog. Mit einem frustrierten Schnauben warf ich mich wieder auf das Bett, was sich als großer Fehler herausstellte. Augenblicklich stieg Übelkeit in mir hoch, die von dem stechenden Schmerz in meinem Rücken ausgelöst wurde. Verflucht, das fühlte sich an, als hätte mir der Wärter die Haut von den Knochen gepeitscht. Zähneknirschend starrte ich zu der Matratze über mir und kämpfte den Schmerz nieder. Um mich abzulenken stellte ich mir eine Frage, die mich zu Beginn nicht wirklich interessierte, aber immerhin ihre Wirkung tat. Lag ich hier alleine? Wenn nein, wer und wo war dann mein Zellengenosse? Welche Mutation er wohl hatte und wie sein Charakter war?

Als wolle mir irgendeine höhere Macht, an die ich nicht glaubte, diese Fragen beantworten, wurde plötzlich die Tür geöffnet und leise wieder geschlossen.

Ich zog mich auf die Ellenbogen hoch und warf einen Blick an das Fußende des Bettes. Dort, vor der Tür, stand ein junger Mann. Er trug dieselbe Kleidung wie ich, eine weiße Stoffhose, die ihm allerdings zu groß zu sein schien und ein weißes Leinenhemd, welches er locker als Kleid hätte tragen können. Trotz der Hitze, welche im Zimmer herrschte, hatte er weder die Hosen noch die Ärmel des Oberteils hoch gewickelt. Anders als ich trug er Schuhe, welche auch weiß waren. Er war vielleicht einen Kopf kleiner als ich und durch die zu große Kleidung war sein Körperbau schlecht einzuschätzen. Der krasse Kontrast seiner braunen, etwa schulterlangen Haare, zu der weißen Wand, brachte endlich etwas Farbe in das Zimmer. In eben diese hatte er gerade die Hände vergraben und hielt die Arme so, dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Ich war fest davon überzeugt, dass mich der Kleine noch nicht bemerkt hatte, also machte ich mich bemerkbar, in dem ich aufstand und mich räusperte. Irgendetwas strahlte der andere aus, dass mich dazu brachte mich etwas zurück zuhalten.

Der Braunhaarige ließ ruckartig die Arme sinken und stolperte zurück, sodass er gegen die Tür stieß. Einen Moment lang stand Angst in seinen Augen und sein Körper zitterte sichtlich. Doch als er mich gemustert hatte und die Kleidung erkannte, wich die Angst etwas und machte Verlegenheit Platz.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken“, meinte ich, da ich das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen.

„Ist…nicht schlimm…Lebst du j…jetzt auch hier?“, stotterte der Kleinere.

„Ja, ich bin hier ans Bett gefesselt worden, von diesen beschissenen Wärtern.“

Mein Gegenüber riss die Augen auf. Oh je, dass konnte ja noch was werden. Aber ich musste zugeben, er hatte etwas an sich, dass in auf Anhieb sympathisch machte.

„Sag das…l…lieber nicht zu laut, bevor sie dich hören. Die zaudern nicht mit S…Strafen.“

Ich stieß ein Lachen aus. Das hatte ich auch schon bemerkt. Aber es war mir egal. Ich würde ohnehin nicht lange hier sein. Sobald ich eine Gelegenheit sah abzuhauen, war ich weg und wenn ich keine sehen würde, würde ich mir eben eine machen.

„Ist mir egal. Ich steh sowas locker durch, kei…“

„Auch S…Stromschläge und G…Giftspritzen, für die sie dir erst in letzter S…Sekunde das G…Gegengift geben?“

Kam es mir nur so vor, oder wurde der Kleine nervöser, wenn er über die Wärter und die Bestrafungen redete?

Jetzt sah der Braunhaarige mich zum ersten Mal an und ich war sofort gefesselt von seinen Augen. Diese waren so blau, wie ich noch nichts Vergleichbares gesehen hatte. Wenn überhaupt, dann würde ich diese Farbe mit einer Mischung aus Eis- und Azurblau beschreiben, aber selbst das war nicht einmal annähernd passend. Dann war diese wunderschöne Farbe plötzlich wieder verschwunden, als der Kleine den Blick wieder abwandte und ich fragte mich, was zum Teufel ich da gerade gedacht habe.

„Das werde ich wohl erst noch herausfinden“, antwortete ich etwas verspätet. „Wie heißt du eigentlich?“

„53804.“

Mein Blick verfinsterte sich. Schon wieder Zahlen, die einen Namen ersetzten. Wie konnte man so etwas nur akzeptieren?

„Ich meine deinen richtigen Namen.“

Der Kleinere sah mich einen Moment verwirrt an, als würde er nicht verstehen, was ich meinte. Hatte er etwa seinen Namen vergessen? Wie lange musste er dann schon hier sein? Konnte man das überhaupt? Seinen eigenen Namen vergessen? Dann machte sich ein Ausdruck des Verständnisses auf seinem Gesicht breit.

„Ach…du meinst meinen alten Namen. Ich h…hieß irgendwann mal Charles. Aber das ist schon lange her.“

„Du heißt immer noch Charles. Lass dir von niemandem etwas anderes einreden. Wenn du die Nummer akzeptierst, gibst du dich nur selbst auf! Lass das nicht zu, hörst du!“

Ich hatte das Bedürfnis diesem kleinen Braunhaarigen mit allen Mitteln auszureden, dass sein Name eine Nummer war. Was hatte Charles nur an sich, dass ich so auf ihn reagierte, obwohl ich ihn erst vor wenigen Augenblicken kennengelernt hatte?

Charles nickte und sah nun wieder etwas verängstigt drein, da ich meine Stimme erhoben hatte. Was hatten die Wärter ihm nur angetan, dass er so darauf reagierte, wenn man seine Stimme erhob? Er war fast zusammengezuckt, wie unter einem Schlag. Ich setzte mich auf das Bett, um zu Charles hinauf und nicht auf ihn herab zu sehen. Das war weniger einschüchternd und zeigte auch gleich Wirkung. Charles stieß sich nämlich endlich von der Tür ab und machte einige Schritte in den Raum hinein.

„W…wie heißt du?“, wollte er wissen, ohne mich anzusehen.

„Erik.“

Danach schwiegen wir beide.

Für mich war es ein peinliches Schweigen, wie es Charles empfand konnte ich nur raten. Aber ich schätzte ihn nicht als jemanden ein, dem Schweigen peinlich war. Im Gegenteil, mein erster Eindruck von ihm war, dass er mit aller Wahrscheinlichkeit nicht so der redselige Typ war, zumindest nicht, wenn er jemanden nicht kannte.

„Es gibt…bald Essen. Ich schätze du wirst von einem W…Wärter abgeholt. Soll ich auf dich warten? Dann kann…ich dir alles zeigen“, meinte Charles, als sich das Schweigen in die Länge zog.

„Mach dir keine Umstände.“

„M…Mach ich nicht…“

Charles setzte einen Fuß auf die Leiter des Etagenbettes und es sah so aus, als wollte er hinauf klettern. Doch dann hielt er inne und sah zu mir hinab.

„Willst du l…lieber oben liegen?“

„Nein, schon in Ordnung so.“

Ich beobachtete Charles, wie er auf das Bett kletterte. Etwas an seinen Bewegungen kam mir seltsam vor, aber ich konnte nicht sagen was. Dann zuckte ich mit den Schultern und schloss die Augen. Ich war gespannt, wie das Camp aussah. Nicht das es mich wirklich interessierte, aber ich würde wohl oder übel einige Zeit hier verbringen, bevor ich ausbrechen konnte. Wahrscheinlich wie ein Gefängnis, was es ja auch war. Immerhin durften die Mutanten in diesen Einrichtungen nicht einfach kommen und gehen, wie sie wollten. Es gab strenge Regeln, wie ich am eigenen Leib erfahren hatte.

Aus Recherchen wusste ich, dass bis jetzt noch kein Mutant aus einem dieser Camps entkommen war. Die Wärter waren nicht zimperlich, wenn es darum ging, die Flüchtigen zu erschießen oder anders in den Tod zu treiben. Natürlich wurden die schlimmen Fälle vor der Öffentlichkeit verborgen. Aber das änderte nichts daran, dass sie vorgefallen waren und irgendwer bekam es immer mit und plauderte es aus. So hatte ich von einem Fall gelesen, bei dem ein Mutant so Misshandelt worden war, dass man nur anhand des Körperbaus und des Skelettes ermitteln konnte, ob es eine Frau oder ein Mann gewesen war.

Ich schnaubte. Der Öffentlichkeit wurden die Camps als Schutzeinrichtungen präsentiert. Einmal zum Schutz der Mutanten vor den Menschen, die sie hassten und einmal für die Menschen, vor den Mutanten, die ja alles Mögliche mit ihren Kräften anstellen konnte. Nach innen waren sie wohl eher mit Gefängnissen oder Zuchthäusern zu vergleichen. Allerdings gab es in beiden Regeln, an die sich die Wärter halten mussten, welche es in einem Mutanten-Camp nicht gab. Hier konnten die Wärter tun und lassen, was sie wollten, so lange der General nichts dagegen unternahm, der das Camp leitete.

Ein Schrei riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich aus dem Bett hochfahren. Eine Sekunde war es ruhig, dann wurde ein weiterer Schrei laut. Ich runzelte die Stirn und ging zur Tür. Ich konnte sie öffnen, aber nicht hinaus gehen, dass ließ meine Kette nicht zu. Wieder ein Schrei, gefolgt von einem leisen Lachen. Was ging hier vor? Ich konnte es mir denken, wollte es aber nicht. Mein Blick fiel auf Charles, der zusammengekauert auf dem Bett lag und seine Hände auf die Ohren presste…nein, nicht auf die Ohren, sondern einfach nur gegen den Kopf, wie ich nach genauerem Hinsehen bemerkte. Was hatte er denn?

„Charles? Alles in Ordnung?“

Ich bekam keine Antwort und beschloss auch nicht weiter nachzufragen. Was ging es mich an, warum der Kleine sich so verhielt? Ich durfte keine Bindung zulassen, kein Mitgefühl, sonst würde es nur noch schwerer werden von hier zu verschwinden. Wenn ich zuließ, dass das Verhalten des Kleinen Sorge in mir auslöste, würde ich einen Weg finden wollen, ihn auch aus diesem Camp zu befreien und das war alleine schon ein fast unmögliches Unterfangen.

Ich hatte mich wieder auf mein Bett gesetzt, als plötzlich ein Keuchen über mir erklang. Es hörte sich an, als hätte Charles Schmerzen. Ich runzelte die Stirn.

Nein, Erik, nein! Das geht dich nichts an! Lass ihn in Ruhe…ach verdammt!

Nachdem Charles ein weiteres Mal gekeucht hatte, wie unter einem Schlag und nun zu Wimmern begann, stand ich ein weiteres Mal von meinem Bett auf und betrachtete ihn kurz. Er hatte einen Arm um den Körper geschlungen, in der Armbeuge des anderen verbarg er das Gesicht. Charles schien mich nicht wahrzunehmen, bis ich eine Hand ausstreckte und sie ihm auf den Arm legte. Einen leisen Schrei ausstoßend (ich hätte schwören können, dass er Fass mich nicht an oder Ich will nicht gesagt hatte) fuhr er hoch und drückte sich, nun beide Arme schützend um den Leib geschlungen, soweit an die Wand, wie es ihm möglich war. Was hatte er nur?

„Ich tu dir nichts“, sagte ich mit sanfter Stimme.

Die beiden wunderschönen Saphire sahen mich panisch an, schienen nicht zu realisieren, dass ich es war. Wieder schoss mir die Frage durch den Kopf, was die Wärter ihm angetan hatten, damit er so geworden war.

„Charles, ich tu dir wirklich nichts. Alles in Ordnung?“

Die Panik legte sich nach und nach. Schließlich schluckte er und nickte mir zögerlich zu. Ich konnte sehen, dass seine Hände zitterten und sich schließlich um seine Oberarme krampften. Sein Blick huschte über mein Gesicht und blieb dann an seinem Kopfkissen hängen.

„A…alles okay“, murmelte er und zuckte gleich darauf zusammen, wie unter einem Schlag.

Jemand hatte die Tür aufgestoßen, welche krachend gegen die Wand knallte. Ich sah wütend zu ihr und erkannte denselben Wärter, der mich bestraft hatte. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah zu uns herüber.

„53804, 34268 Essen in zwei Minuten!“, brüllte er herein und verschwand wieder.

Mit diesem Mistkerl hatte ich noch eine Rechnung offen. Glaubte der wirklich, ich würde einfach so auf seinen Befehl hören? Da hatte er sich geschnitten. Außerdem reagierte ich nicht auf die Nummer, welche der General mit gegeben hatte. Ich hieß Erik Lehnsherr und nicht 34268!

Zu meiner Verwunderung kletterte Charles von seinem Bett, schob sich an mir vorbei und ging zur Tür hinaus. Kurz bevor er auf den Gang verschwand, warf er mir einen Blick zu, dessen Bedeutung ich nicht deuten konnte.

„Tu dir selbst einen Gefallen und mach was sie sagen“, flüsterte er.

Ich schnaubte abfällig. Nie im Leben würde ich das tun. Eher würde die Hölle zufrieren! Ich wollte gerade zu meinem Bett zurück, als der Wärter erneut die Zelle betrat und mich, ohne Vorwarnung, am Arm und gleichzeitig an den Haaren packte, nur um mich gegen die Wand neben der Tür zu stoßen. Mit einem Knurren wehrte ich mich gegen den Griff, konnte aber nichts tun. Ein Ruck an meinem Bein sagte mir, dass er mir die Fessel abnahm. Aber los ließ er mich trotzdem nicht. Im Gegenteil, er riss meinen Kopf zurück und schlug ihn mit aller Kraft gegen die Wand. Ich hatte das Gefühl mir würde der Schädel gespalten. Ein schmerzvolles Keuchen entrang sich meiner Kehle und ich fluchte innerlich über dieses erneute Eingeständnis von Schwäche. Ich spürte, wie warmes Blut über meine rechte Schläfe und Wange lief, nur um dann auf das weiße Oberteil zu tropfen.

„Kleiner Vorgeschmack, wenn du meinst du müsstest dich schon wieder wiedersetzten“, brummte der Mann bedrohlich in mein Ohr.

„Leck mich“, knurrte ich zurück und erntete ein Lachen.

„Das hättest du wohl gerne, was?“

Ich wurde von der Wand weggerissen und durch die Tür gestoßen. Draußen machte ich ein weiteres Mal Bekanntschaft mit dem weißen Verputz, nur das dieser hier rauer war, als in der Zelle. Meine Wange wurde dagegen gedrückt und ich spürte, wie sie sich aufscheuerte. Dieser Wärter spielte wirklich mit seinem Leben.

„B…bleib einfach stehen…bitte“, murmelte Charles, der neben mir an der Wand stand.

Sein Gesicht war dieser ebenfalls zugewandt, aber er wurde nicht von einem Wärter festgehalten. Das Flehen in seiner Stimme ließ mich die Stirn runzeln. Ich beschloss ihm den Gefallen zu tun, dieses eine Mal. Als hätte er meine Gedanken gelesen, warf er mir einen dankbaren Blick zu. Als nächstes wurden mir Handschellen angelegt, zu meiner Verwunderung vor meinem Körper.

„Abmarsch“, drang ein gebellter Befehl an meine Ohren.

Ein weiteres Mal wurde ich zurück gerissen, doch dies Mal würde nicht ich vor Schmerz stöhnen. Ich benutzte den Schwung, warf meinen Kopf zurück und grinste, als sich die Hand auf meiner Schulter lockerte und schließlich verschwand. Der Wärter hinter mir brach auf dem Boden zusammen. Ein Blick über meine Schulter verschaffte mir mehr Genugtuung, als ich es an diesem Tag erwartet hatte. Blut strömte aus seiner gebrochenen Nase und tropfte auf den Boden.

„Jetzt sind wir fast quitt“, meinte ich gelassen und lief grinsend an Charles vorbei, der mich entgeistert anstarrte.

„Was hast du getan?“, hörte ich ihn leise fragen, als er zu mir aufschloss.

In seiner Stimme schwang nun wieder Angst mit, so unbändige Angst, dass ich ihm einen verwirrten Blick zuwarf. Hatte er Angst um mich? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Aber warum dann? Ich hatte den Wärter doch verletzt, nicht er. Was sollte also das Theater?
 

***
 

Zehn Minuten später saßen wir in einem großen, (wie sollte es auch anders sein?) weißen Raum, in dem etliche Tische und Bänke standen. Es roch widerlich und war unangenehm laut. Ich schätze mal, weil das der einzige Ort war, wo sie sich so frei unterhalten konnten. Ich hasste es schon ab dem ersten Zeitpunkt. Was mich allerdings zum Kochen brachte, waren die Bemerkungen der anderen Mutanten, als Charles sich an den Tisch setzen wollte.

„Verpiss dich, Schlampe.“

„He Süßer! Hast du heut Abend Zeit?“

„Na? Welcher der Wärter war es heute – oder waren es etwa mehrere?“

So ging das eine, zwei Minuten. Dann stand Charles auf, nahm das Tablett mit seinem Essen und verschwand in der Menge. Da ich beschlossen hatte, keine Gefühle zuzulassen, blieb ich an dem Tisch sitzen. Aber ich konnte nicht verhindern, dass sich meine Hand zur Faust ballte. Anstatt das diese Mutanten hier zusammen hielten, benahmen sie sich, wie man es von gewöhnlichen Sträflingen erwarten würde. Sie machten sich gegenseitig fertig…und was hatten diese Andeutungen zu bedeuten? Nein, ich wollte es gar nicht wissen. Das war nicht mein Problem.

Als ich später in die Zelle zurück gebracht wurde, schlief Charles bereits oder versuchte zumindest das vorzutäuschen. Er hatte sich zu einem Ball zusammen gerollt, mit dem Gesicht zur Wand und hatte die Decke bis zur Nase gezogen. Sein Atem ging gleichmäßig, aber sein Herz schlug unruhig. Ich konnte es spüren, durch den geringen Anteil an Eisen im menschlichen Blut. Es wurde bei Charles ein Tick zu schnell durch den Körper gepumpt.

Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass ich wieder das vertraute Summen von Metall spüren konnte. Ein Hochgefühl stellte sich bei mir ein. Ich konnte wieder Metall kontrollieren, so kam ich hier raus. Allerdings gab es in dieser Zelle nichts, dass aus Metall war. Das Summen und Vibrieren kam aus einem anderen Raum. Ich lief zur Tür, riss sie auf und wollte gerade meine Kraft einsetzten, um den metallischen Gegenstand zu mir zu holen, als ein Schatten vor mir auftauchte und ich ein Stechen in der Schulter verspürte. Ich sackte zu Boden, wieder war mir, als würde flüssiges Metall durch meine Adern jagen. Ich keuchte vor Schmerz, sah verschwommen, wie sich die Gestalt kurz über mich beugte, sich dann aber wieder aufrichtete. Ein Tritt schob mich weiter in die Zelle zurück.

„Hast wohl gedacht, wir würden dir einfach erlauben deine Mutation wieder einzusetzen. Erbärmlich.“

Die Stimme drang wie durch Nebel zu mir. Ein weiterer Tritt traf meine Stirn. Das Letzte was ich sah, bevor ich ohnmächtig wurde, war wie sich die Zellentür wieder schloss.

11. Mai – Camp 8
 

Charles Xavier
 

Mein ganzer Körper tat höllisch weh und zuckte unkontrolliert. Ich kam gerade erst wieder zu Bewusstsein und erlangte nur langsam die Kontrolle über meine Bewegungen zurück. Meine Erinnerungen sickerten wie Honig in meinen Kopf. Aber als sie da waren, wurde mir nicht nur schlecht von meinen Schmerzen. Sie hatten es wieder getan…und ich habe es wieder über mich ergehen lassen. Ich lag im Duschraum der Wärter und musste nicht einmal an mir hinunter sehen, um festzustellen, dass ich nackt war. Ich musste auch nicht auf den Boden sehen, um zu wissen, dass er mit meinem Blut verschmiert war. Vorsichtig stemmte ich mich hoch, benötigte aber vier Versuche um mich aufzurichten. Als ich endlich stand wurde mir augenblicklich schwarz vor Augen und ich sackte einfach gegen die Wand links von mir.

Die kalten Fliesen kühlten meine viel zu warme Haut und ich war einen Moment versucht einfach sitzen zu bleiben. Aber ich durfte nicht mehr hier sein, wenn die Wärter das nächste Mal kamen sonst würde es Prügel setzten. Also drückte ich mich an der Wand hoch und sog zischend die Luft zwischen den Zähnen ein, als ich die verkrusteten Wunden auf meinem Rücken wieder aufriss. Ich ignorierte den weiteren Schmerz und machte einen entschlossenen Schritt in die Mitte des Raumes. Doch ein weiteres Mal machte mir mein malträtierter Körper ein Strich durch die Rechnung. Mein Unterleib zog sich schmerzhaft zusammen und ich musste gegen die erneut aufsteigende Übelkeit ankämpfen.

Mein verschwommener Blick irrte durch den Duschraum, auf der Suche nach meinen Kleidern und blieb an einem Spiegel hängen. Ich wusste genau, dass es ein Fehler war, aber ich ging näher hin und betrachtete den jungen, nackten Mann, der mir schmerzhaft gekrümmt gegenüber stand. Er war nicht dürr, nicht so sehr wie er es früher einmal gewesen war. Im Gegenteil, mittlerweile hatte er dezente Muskeln bekommen, wusste aber nichts damit anzufangen. Er hatte in seinem ganzen Leben immer gehorcht, sich nie widersetzt. Die braunen Haare hingen ihm strähnig ins Gesicht, aus dem der Schmerz tausend Bände sprach.

Selbsthass und Verachtung stiegen in mir hoch, als ich mich so musterte. Etliche Narben zogen sich über meinen gesamten Körper. Ich wusste schon gar nicht mehr, von welchem Foltergerät sie stammten…es waren Schnitte, Stiche, Narben eines Elektroschockers…es waren einfach zu viele. Aus frischen Wunden lief Blut und meine Arme, Beine und mein Unterleib waren mit blauen Flecken bedeckt. Als ich es sah, wurde mir wieder schlecht und ich musste meine ganze Willenskraft aufbringen, um mich nicht zu übergeben.

Am Anfang…wie viele Jahre war das jetzt her?...hatte ich mich gewehrt. Ich wollte mich nicht einfach missbrauchen lassen. Ich tat alles, um den Wärtern ihren Spaß zu verderben. Doch sie finden immer einen Weg einen zu brechen und so ging es auch mir. Irgendwann war es mir egal, was sie mit mir, mit meinem Körper taten…und dann kam der Selbsthass, die Verachtung und der Ekel. Ich hasste, was aus mir geworden war und das ich zu schwach war, um das wieder zu ändern.

Mein Blick fiel auf eine Bisswunde an meiner Schulter, aus der Blut sickerte. Verdammt, dieser eine Kerl musste mich immer beißen, wenn er kam! Klar, ich hatte ja noch nicht genug Narben. Ekel vor den Wärtern und mir selbst stieg wie Galle in mir auf und mein Blick wanderte zu meinem linken Arm. Die Narben an diesem stammten nicht nur von der Folter. Etliche hatte ich mir selbst beigebracht und ich würde damit weiter machen. Vielleicht war ich den Wärtern ja irgendwann zu hässlich und sie vergingen sich endlich an jemand anderem.

Mit einem Ruck wandte ich mich von dem Spiegel ab. Mir blieb nicht mehr viel Zeit. Ich musste verschwinden. Allerdings ließ ich es mir nicht nehmen, meinen Körper von allen Körperflüssigkeiten zu reinigen, welche darauf klebten. Das Brennen des Wassers in den frischen Wunden ignorierend lief ich zu der Bank, neben die meine Kleider geworfen waren und zog sie an. Mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt immer lange Kleidung zu tragen. Niemand sollte meinen Körper sehen, absolut niemand. Dass die Wärter mir die Klamotten vom Leib rissen, wann immer sie wollten, reichte mir völlig aus.

Mit vorsichtigen Schritten verließ ich den Duschraum und machte mich auf den Weg zu meiner Zelle. Zu allem Überfluss gesellte sich jetzt auch noch ein stechender Kopfschmerz zu meiner Übelkeit. Ich lief wie paralysiert durch die Flure. Die Rufe und Beleidigungen der anderen hörte ich nicht. Ich kannte sie alle und das Schlimmste daran war, sie trafen alle zu. Sie alle hatten Recht.

Endlich kam ich bei meiner Zelle an. Ich betrat sie, schloss die Tür und lehnte mich gegen diese. Ein schmerzvolles Stöhnen unterdrückend vergrub ich meine Hände in meinen Haaren und schloss die Augen. Vielleicht würde so ja das Schwindelgefühl verschwinden. So langsam müsste ich es doch gewohnt sein und nicht mehr so darauf reagieren. Immerhin nahmen mich die Wärter schon seit Jahren, immer wenn ihnen der Sinn danach stand. Bei dem Gedanken daran verstärkte sich meine Übelkeit ein weiteres Mal.

Wie tief konnte ein Men…ein Mutant sinken, um das mit sich machen zu lassen? Um eine Art Sexsklave der Wärter zu werden? Ich verabscheute mich selbst aus tiefstem Herzen.

Ein Räuspern ließ mich die Arme herunterreisen und gegen die Tür stolpern. Das durfte nicht wahr sein…Nicht hier, nicht an dem einzigen Ort, an dem ich mich wenigstens etwas zurückziehen konnte. Der großgewachsene, blonde Mann, mit diesen stechenden grau-blauen Augen, konnte nur ein Wärter sein. Niemand sonst würde in meine Zelle kommen.

Ein Bild blitzte im nächsten Moment vor meinem inneren Auge auf. Ich sah, wie der Mann benommen hier aufwachte.

Er war also doch kein Wärter, sondern ein weiterer Insasse. Aber das beruhigte mich nicht, absolut nicht. Ich wollte meine Zelle nicht teilen. So würde ich ihm Rede und Antwort stehen müssen. Ich konnte keinem widersprechen…ich war so nicht erzogen worden und selbst wenn doch, hatte ich diese Eigenschaft schon lange verloren. So hart wie ich mit mir ins Gericht ging, so schüchtern, misstrauisch und zurückhaltend war ich anderen gegenüber. Sobald ich mit jemandem sprach, fing ich an zu stottern. Wenn ich redete, konnte ich meine Angst nicht mehr niederhalten, sie erfasste mich und ließ mich nicht mehr los, bis ich alleine war…aber wie sollte ich jetzt noch alleine sein können?

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken“, meinte der Blonde.

In seiner Stimme schwang ein Ton mit, den ich nicht zuordnen konnte, da ich ihn noch nie gehört hatte.

„Ist…nicht schlimm…Lebst du j…jetzt auch hier?“, brachte ich stotternd heraus.

Dabei schoss mir nur eins durch den Kopf: Bitte sag nein, bitte sag nein, bitte sag nein!

Er sollte hier nicht wohnen. Nicht in meiner Zelle. Ich konnte mich nur hier zurückziehen, nur hier mal ungestört heulen. Ich wollte keinen Zellengenossen. Unbeabsichtigt drang ich in seine Gedanken ein und musste schwer schlucken. Er…war schwul, auch wenn ihm das nicht bewusst war! Nein, ich wollte ihn nicht in meiner Nähe haben! Die Wärter reichten mir. Ich brauchte nicht auch noch einen Schwulen in meiner Zelle…in meinem Wohlfühlbereich. Und prompt kam die Antwort, die den kleinen Hoffnungsfunke in mir schlagartig erstickte.

„Ja, ich bin hier ans Bett gefesselt worden, von diesen beschissenen Wärtern.“

Geschockt starrte ich ihn an. Wusste er, was er da sagte? Er unterschrieb mit solchen Aussagen sein Todesurteil. Genau das wollte ich ihm auch sagen. Allerdings starrte er mir gebannt in die Augen und das verunsicherte mich. Ich fühlte mich so, als stünde ich nackt vor ihm. Nach nur zwei Sekunden wandte ich meinen Blick ab.

„Sag das…l…lieber nicht zu laut, bevor sie dich hören. Die zaudern nicht mit S…Strafen.“

Er…lachte…? Er lachte! Wie konnte er nur lachen? Das war verdammt ernst! Wenn es darum ging einen Grund zu finden, um Insassen zu quälen, waren die Wärter sehr kreativ. Gerade deswegen sollte man ihnen keine solchen Vorlagen bieten.

„Ist mir egal. Ich steh sowas locker durch, kei…“

„Auch S…Stromschläge und G…Giftspritzen, für die sie dir erst in letzter S…Sekunde das G…Gegengift geben?“

Wahrscheinlich hätten meine Worte eine größere Wirkung gezeigt, wenn ich dieses verdammte Stottern hätte abschalten können.

Verflucht reiß dich zusammen! Er kann dir nichts tun, steht wahrscheinlich unter einer MS-Droge. Du bist gerade der stärkere, knurrte eine wohlbekannte Stimme in meinem Kopf.

Sie hatte recht. Mein Gegenüber stand unter Droge, damit er seine Mutation nicht benutzten konnte, warum also gelang es mir nicht, mich etwas dominanter zu zeigen?

Weil dir die Unterwürfigkeit, auf die schlimmste aller Arten, eingebläut wurde, erklang eine andere Stimme, die mehr meiner eigenen ähnelte.

Von meinem Gegenüber kam ein belustigtes: Das werde ich wohl erst noch herausfinden. Dann fragte er nach meinem Namen. Ich sah ihn verwirrt an. Was wollte er mit meinem Namen? Niemand wollte den Namen eines anderen Mutanten wissen, wozu auch? Sie waren in einem Camp, wie diesem, nicht von Bedeutung. Hier gab es keine Namen, nur Nummern.

„53804“, antwortete ich und bereute es in der nächsten Sekunde schon.

Die Mine meines Gegenübers verfinsterte sich schlagartig. Ich halte das Gefühl von seinem eiskalten Blick regelrecht durchbohrt zu werden, was mich ein weiteres Mal den Blick senken ließ. Hatte ich etwas falsch gemacht? Er hatte doch gefragt. Aus Angst vor seiner Reaktion wich ich noch ein Stück weiter zurück. Aber ich hatte keine Chance auszuweichen, falls er mich schlagen würde. In Gedanken bereitete ich mich schon auf den Schmerz vor. Dieser blieb jedoch aus. Stattdessen bekam ich eine normale Antwort, was mich etwas aus der Fassung brachte. Er wollte wirklich nur meinen Namen wissen. Ich musste im ersten Moment angestrengt nachdenken. Ich hatte meinen Namen schon seit Jahren nicht mehr benutzt.

„Ach…du meinst meinen alten Namen. Ich h…hieß irgendwann mal Charles. Aber das ist schon lange her.“

„Du heißt immer noch Charles. Lass dir von niemandem etwas anderes einreden. Wenn du die Nummer akzeptierst, gibst du dich nur selbst auf! Lass das nicht zu, hörst du!“

Seine Antwort verwirrte mich noch mehr. Ich hatte in seinem Geist gesehen, dass er nicht gerade oft seine Emotionen zeigte. Doch in diesem Moment war er wütend und besorgt gleichzeitig. Er machte sich Sorgen um mich? Das konnte ich nicht glauben. Wer würde sich schon um so etwas Wertloses wie mich Sorgen machen? Außerdem kannte er mich doch gar nicht. Ich konnte mit der Situation nicht umgehen. Was erwartete er jetzt? Was sollte ich tun oder sagen? Hinzu kam, dass er schon wieder lauter geworden war und sich Angst in mir breit machte. Was wenn er doch noch einen Wutausbruch bekommen und mich schlagen würde? In diesem Moment wollte ich nichts weiter, als aus der Zelle raus. Aber draußen waren die anderen und, was viel schlimmer war, die Wärter. Ich wusste nicht einmal wie viel Zeit vergangen war. Was wenn es den Wärtern schon wieder langweilig war? Nein, dann würde ich lieber Prügel beziehen, wenn ich noch eine falsche Antwort gab.

Doch statt noch etwas zu sagen, oder die Hand gegen mich zu erheben, setzte sich der Blonde auf sein Bett und sah zu mir hoch. Jetzt wusste ich erst Recht nicht, was ich tun sollte. Keiner hatte sich bis jetzt freiwillig in eine niedrigere Position begeben, wenn ich dabei gewesen war. Verunsichert ließ ich den Blick durch die Zelle wandern und stieß mich schließlich von der Tür ab, um etwas weiter in den Raum zu gehen. Warum wusste ich selbst nicht…Irgendwie traute ich mich erst jetzt, da mein Gegenüber saß und ich größer war als er, mehr als zuvor.

„W…wie heißt du?“, fragte ich, in erster Linie, um meine Unsicherheit zu überspielen.

„Erik“, kam die knappe Antwort.

Nach dieser verfielen wir in Schweigen. Ich wusste, dass dieses für Erik peinlich war. Bei mir war es anders. Ich hatte früh gelernt, dass Reden einen nur in Schwierigkeiten brachte und Erik würde das auch noch merken. Vor allem, wenn er weiterhin die Wärter beleidigte. Aber das war nicht mein Problem. Hier hatten alle lernen müssen, wie man sich richtig benahm. Ich hatte meine Lektionen nicht vergessen. Die Erinnerung daran, was die Wärter mit mir gemacht hatten, sobald ich mal wieder zu viel geredet hatte, ließ mich schaudern. Manchmal, wenn ich mich in meinen Gedanken verlor, konnte die diese Zange, welche mir den Mund offen gehalten hatte, spüren und schmeckte…

NEIN!

Der Schrei in meinen Gedanken war so laut, dass ich den Reflex, mir die Ohren zuzuhalten, mit aller Macht unterdrücken musste. In den meisten Fällen nervten mich die beiden Stimmen, welche sich in meinem Kopf stritten oder mir Vorwürfe machten. Aber sie hatten auch ihr Gutes, zumindest die harte, dominante Stimme. Sie ließ nicht zu, dass ich mir einer Erinnerung bewusst wurde, die ich irgendwann einmal verdrängt hatte. Zumindest nicht wenn ich wach war und es zuließ, dass sie sich einmischte. Ich musste mich ablenken, irgendetwas anderes machen…aber was? Ich konnte mich doch nicht ritzen, wenn Erik da war. Keiner sollte sehen, was ich mit meinem Körper tat. Also beschloss ich, so schwer es mir fiel, das Gespräch wieder aufzunehmen. Ich fragte Erik, ob ich ihm alles zeigen sollte, wenn wir zum Essen gingen, doch er meinte nur, ich solle mir keine Umstände machen. Zwar antwortete ich, dass ich das nicht tat, aber es machte mir nichts aus das er verneinte. Ich sollte mich nicht so viel mit ihm abgeben. Ich war jemand, der schnell abhängig von anderen wurde, wenn ich öfter mit ihnen zu tun hatte und von Erik wollte ich nicht abhängig sein. Als wir wieder in Schweigen verfielen, beschloss ich mich auf mein Bett zu legen, allerdings nicht ohne Erik vorher zu fragen, ob er nicht lieber oben liegen wollte. Irgendwie hatte es mir schon immer missfallen, wenn jemand unter mir schlief. Da ich noch nie einen Zellengenossen hatte, hatte ich mir aber trotzdem das obere Bett ausgesucht. Doch Erik wollte nicht. Nun gut, daran konnte ich nichts ändern.

Ich legte mich hin und starrte die Wand zu meiner Linken an. Auch wenn ich es nicht wollte, wanderten meine Gedanken zum Morgen. Ich hatte gerade gefrühstückt, als mich einer der Wärter am Arm packte und aus dem Speisesaal zerrte. Angst und Panik stieg in mir auf. Im ersten Moment wehrte ich mich gegen den Griff, doch ein Blick des hochgewachsenen Mannes ließ meine Gegenwehr ersterben. Ergeben folgte ich ihm, vorbei an den Zellen und etlichen Insassen, die mir angewiderte oder herablassende Blicke zuwarfen. Ich war es gewohnt, ich hatte es akzeptiert. Was blieb mir auch anderes übrig?

Wortlos stieß mich der Wärter in die Dusche. Ich landete hart auf dem Boden und schon im nächsten Moment standen drei Wärter um mich herum. Noch bevor mich der Erste, an den Haaren, auf die Knie zog, wusste ich was sie wollten. Ihre Signale waren nicht immer eindeutig, aber ich hatte gelernt sie zu deuten. Einen Moment schloss ich die Augen und schluckte, im nächsten traf mich ein Schlag im Gesicht, der mich nach hinten gerissen hätte, hätte der Wärter seine Hand nicht immer noch in meinen Haaren vergraben.

„Los!“, knurrte er und ich nickte stumm.

Wenn ich nicht sterben wollte, oder schlimmer, wenn ich nicht schon wieder in eine der roten Zellen geworfen werden wollte, dann musste ich tun was sie verlangten. Mit stockendem Atem nestelte ich an seiner Hose. Ich bekam sie wohl nicht schnell genug auf und das bekam ich auch schnell zu spüren. Eine Hand legte sich an meinen Hals, hob mich hoch und drückte mich gegen die Wand. Der eine hielt mich fest, die anderen zogen mir die Kleider aus. Ich wusste, was mir bevor stand, hatte es schon so oft erlebt und doch fürchtete ich mich jedes Mal aufs Neue. Ich fürchtete den Schmerz, der drohte mich zu zerreißen, die Brutalität der Wärter für die ich nicht mehr war, als ein Stück Fleisch und die Strafen danach, weil ich ihnen gehorcht und mich nicht widersetzt habe. Aber diese Strafen waren nicht so schlimm, weil die Wärter befriedigt waren. Also nahm ich sie hin.

Meine Gedanken wollten mich die Vergewaltigung noch einmal durchleben lassen. Doch ein anderer Schmerz hielt sie davon ab. Ein Schmerz, den nicht ich verspürte sondern ein Mutant in meiner Nähe. Keuchend drückte ich die Hände gegen meinen Kopf. Ich konnte den Schmerz nicht ignorieren, das habe ich nie gekonnt. Ich hatte meine Mutation nicht unter Kontrolle. Die Gedanken, Gefühle und Empfindungen anderer stürzten auf mich ein, wie sie wollten. Ich wusste nicht, ob ich schrie, aber ich wusste dass es der andere Mutant tat. Ich hoffte, dass ich leise war, denn ich wollte nicht dass Erik später Fragen stellte. Denn ich wollte genau so wenig über meine Mutation sprechen, wie jeder andere hier.

Eine erneute Schmerzenswelle löschte diese Gedanken aus und ich konnte mich selbst keuchen hören. Dann spürte ich etwas, etwas dass bei mir einen Fluchtreflex auslöste und mich die Schmerzen vergessen ließ. Eine Hand hatte sich auf meinen Arm gelegt. Ich riss mich von ihr los und wich bis zur Wand zurück. Am liebsten wäre ich darin verschwunden!

„Ich tu dir nichts.“

Ich hörte die Worte, begriff aber ihre Bedeutung nicht. Panik ergriff mich ein weiteres Mal und ließ mich zittern. Ich hasste es angefasst zu werden. Die Schuld daran trugen ein weiteres Mal die Wärter. Wenn ich angefasst wurde, stiegen mir immer Bilder von ihnen in den Kopf und von dem, was sie mit mir taten.

„Charles, ich tu dir wirklich nichts. Alles in Ordnung?“

Endlich erkannte ich, wer da mit mir redete. Meine Panik legte sich etwas, als ich Eriks Gesicht erkannte und seine Gedanken wahrnahm. Er würde mir nichts tun, er sagte die Wahrheit. Zitternd krampften sich meine Hände um meine Oberarme, eine Abwehrhaltung die ich mir angewöhnt hatte. Ich sah Erik einen Moment an, senkte dann den Blick. Erbärmlich, etwas anderes war ich nicht.

„A…alles okay.“

Und schon im nächsten Moment zuckte ich wieder zusammen, das ein Knall erklang, den ich nicht hatte kommen sehen. Ein Wärter kam herein, brüllte dass es in zwei Minuten Essen gab und verschwand wieder.

Ich holte zitternd Luft, kletterte von meinem Bett und wollte schon zur Zelle hinaus. Doch dann wandte ich mich noch einmal an Erik.

„Tu dir selbst einen Gefallen und mach was sie sagen“, flüsterte ich und trat dann hinaus auf den Flur.

Draußen stellte ich mich mit dem Gesicht zur Wand und legte die Hände an diese. Das mussten wir tun, so hatte man es uns eingebläut. In dieser Position konnten die Wärter uns durchsuchen. Eine weitere Gelegenheit, bei der ich Berührungen über mich ergehen lassen musste. Und da waren sie auch schon, die Hände. Zuerst tasteten sie meine Arme ab, wobei sich ein Körper an meinen drängte. Dann wanderten die Hände über meine Brust und Rücken, hinab zu meinen Hüften, über meinen Hintern…Ich schloss die Augen, wusste ich doch was als nächstes kam.

„Beine breit“, donnerte der Wärter hinter mir und trat mir die Füße auseinander.

„Du weißt doch am besten, wie das geht!“, erklang der Kommentar eines anderen Insassen.

Der Wärter lachte und ließ die Hände zwischen meine Beine wandern. Mein Körper versteifte sich, aber ich zwang mich dazu, mich nicht zu winden. Ich wollte nicht schon wieder eine Ohrfeige kassieren wie am Vortag.

„Kleiner Tipp“, murmelte die raue Stimme des Wärters in mein Ohr. „Für alles, was dein Zellengenosse ausfrisst, wirst du auch bestraft. Wie, bleibt uns überlassen.“

Damit war sein Körper plötzlich verschwunden, genau wie seine Hände und ließ mich zitternd zurück. Geschockt starrte ich die Wand vor mir an. Was sollte das? Was hatte ich mit Erik zu tun? Warum mussten sie ihn ausgerechnet in meine Zelle legen? Er war ein Rebell, natürlich würde er Ärger machen! Aber ich hatte wirklich mehr als genug eigene Sorgen, ich wollte nicht auch noch für Erik gerade stehen. Und welche Strafen würde ich wohl ertragen müssen? Als ob ich diese Frage überhaupt stellen musste…

Erik wurde neben mir gegen die Wand gestoßen und dort festgehalten. Wenige Sekunden vergingen und die Wand war rot von seinem But. Seine Wange hatte sich aufgescheuert. Ich wusste sofort, dass er etwas tun würde, dass wir beide bereuen würden und versuchte ihn aufzuhalten.

„B…bleib einfach stehen…bitte“, murmelte ich und hoffte er würde auf mich hören.

Was er natürlich nicht tat. Geschockt sah ich zu, wie er einem der Wärter den Hinterkopf ins Gesicht rammte und so die Nase brach. Breit grinsend lief er an mir vorbei, Richtung Speisesaal. Ich brauchte einige Augenblicke, um zu begreifen, was das für uns…für mich bedeutete.

„Was hast du getan?“, fragte ich, als ich zu ihm aufschloss.

Er warf mir einen verwirrten Blick zu. Wahrscheinlich verstand er meine Angst nicht. Wie auch? Er wusste ja nichts von der Drohung der Wärter. Aber sobald wir alleine waren, würde ich es ihm sagen.

Jetzt brauchte ich erst einmal was zu essen.

Normalerweise saß ich alleine an einem Tisch oder in einer Ecke des Raumes. Keine Ahnung, was mich geritten hatte, mich an diesem Tag zu Erik zu setzten. Denn sobald ich mein Essenstablett auf den Tisch stellte ging es los.

„Verpiss dich, Schlampe.“

„He Süßer! Hast du heut Abend Zeit?“

„Na? Welcher der Wärter war es heute – oder waren es etwa mehrere?“

He, sie sagten Schlampe nicht mehr Hure, endlich mal etwas Abwechslung…Nein ich habe keine Zeit, ich muss mich ein weiteres Mal in den Schlaf heulen…Ja, es waren mehrere, vier, um genau zu sein. Ich würde ihre Gesichter nie wieder vergessen.

Ich hielt es nicht lange aus, wie so oft. Schnell schnappte ich mir mein Tablett und lief zur Tellerrückgabe. Ich nahm das Stück Brot, welches darauf lag und verschwand in meine Zelle. Stöhnend ließ ich mich auf mein Bett fallen und rollte mich zusammen. Erik würde bald kommen und bis dahin wollte ich schlafen. Doch mein Vorhaben scheiterte. Ich schlief nicht, aber das brauchte der andere auch nicht zu wissen. Deswegen reagierte ich auch nicht, als er wieder in die Zelle kam.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  usa-kun
2014-11-19T14:03:09+00:00 19.11.2014 15:03
Waaaah! Armer kleiner charles! yoy so als charles sicht kommt erik aber auch sehr irrational rüber xD was extrem interessant ist da erik in seiner Erzählung wirklich schlüssig ist und alles sinn macht aber er denkt ja das selbe über Charles! Ich bin total faziniert! Eine Geschichte aus zwei so extremen Blickwinkeln, Wahnsinn! Normal ist es schon schwer genug eine eigene sichtweise dazulegen.
Von:  usa-kun
2014-11-16T07:42:48+00:00 16.11.2014 08:42
Wieso denke ich das dass kein gutes ende nimmt? Q.Q
Aber sehr hart geschrieben bin beeindruckt! Gefällt mir gut!
Antwort von:  Lelu
16.11.2014 22:01
Jej, danke^^ Ich denk immer ich schreib das zu hart...Aber ich mag das...irgendwie... :D
Von:  usa-kun
2014-11-12T21:33:34+00:00 12.11.2014 22:33
...Ich muss mehr lesen! *0*
Ich hatte angwt die gleiche szenerie aus charles Sicht zuschreiben es hätte langweilig werden können aber die komplette unterscheidlichen Erlebnisse machen es echt interessant. Bin sehr begeistert! Du könntest die Ereignisse noch etwas überschneiden lasse, dann wäre es perfekt. Aber deine Storys sind einfach liebe <3
Von:  usa-kun
2014-11-11T09:35:19+00:00 11.11.2014 10:35
Boooa!!! Ich liebe das das du erik so geil schreiben kannst! Ich tue mich so unglaublich scgwer mit der ichperspektive von seme xD
Omg was haben sie Charles angetan!!! Ich wills wissen!!!>o <

(Ich weiß ich wlte die andere ff gelesen haben aber diese hier musste ich in einen Stück durchlesen!)
Antwort von:  Lelu
11.11.2014 13:51
XD hehe, dass wüsstest du wohl gerne, was? Ich verrat nix :P Musst du warten und weiterlesen *fies grins*


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