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Josephine Klick - Allein unter Cops

von

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„Morgen“, begrüßte ich meine Kollegen und betrat das Büro. Ich war recht spät dran. Alle Kollegen außer Falk waren schon da. Aber er hatte sowieso bei uns einen Sonderstatus. Er bearbeitete zwar den Fall mit uns, musste aber weiterhin in seiner eigenen Abteilung Aufgaben erledigen. Das brachte eben seine Position so mit sich. Heute stand wieder eine Teambesprechung an und er verspätete sich wohl dadurch.

Ich bewunderte wie er das alles unter einen Hut bekam. Wenn es um die Arbeit ging war er noch schlimmer als ich. Hatte der Mann jemals frei? Wann hatte er das letzte Mal so richtig Urlaub gemacht?
 

Fritz und Alex standen am Arbeitsplatz von Karin und berichteten vermutlich von gestern. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch als mich Karin besorgt ansah. Die Schürfwunden in meinem Gesicht sahen wirklich fies aus und der Verband um meine Hand nervte mich jetzt schon.

Fritz hatte mein Gesicht gut verarztet. Zumindest laut Aussage des Krankenhausarztes. Trotzdem wurden die Wunden noch einmal behandelt, einfach um sicher zu gehen, dass keine auffälligen Narben zurückbleiben. Man hatte mich lange im Krankenhaus warten lassen, so dass es sehr spät geworden war. Falk war geblieben und hatte mich anschließend nach Hause gefahren. Das rechnete ich ihm hoch an. Ich hatte wirklich das Gefühl in ihm einen guten Freund gefunden zu haben, egal wie kompliziert der Anfang war. Ich schätzte ihn. Und ich wusste, dass auch er mich schätzte.
 

Er hatte ein schlechtes Gewissen, da er auf mich als seine Partnerin nicht genug aufgepasst hatte. Er gab sich die Schuld, dass ich mich verletzt hatte. Ich versuchte ihm das auszureden. Die Kollegen hatten alles richtig gemacht. Ich hatte keinen von ihnen vorgewarnt. Außerdem mochte ich es nicht, wenn ich mit Samthandschuhe angefasst wurde. Und im Moment musste ich mich gegen drei Männer durchsetzten.
 

„Und was sagen die Ärzte?“, fragte mich Alex.

Ich zeigte mein verbundenes Handgelenk. „Dass Fritz mit meinem Gesicht hervorragende Arbeit geleistet hat und mein Handgelenk leicht verstaucht ist. Ich werde heute also vermutlich nicht beim Schießtraining dabei sein.“

Erst nahm Fritz das Kompliment mit einem Lächeln an, aber schnell wurde es zu einem breiten Grinsen. „Bielefeld ohne Waffe? Dann sind die Straßen von Berlin ja endlich wieder sicher.“

„Ha ha“, antwortete ich augenrollend. „Sehr witzig, Fritz. Ich habe trotzdem noch genug Kraft in meinen Beinen um dir in den Hinter zu treten, wenn es nötig ist.”

“Na dann will ich nichts gesagt haben”, entgegnete er abwehrend und lächelte mich weiterhin an.
 

Sein Blick ließ mich unruhig werden und ich wandte mich an Alex um Fritz nicht ansehen zu müssen.

„Außerdem ist es nicht so, dass ich meine Dienstwaffe nicht benutzen kann. Ich soll nur nach Möglichkeit meine Hand schonen.“ So hatte mir der Arzt das natürlich nicht angeraten. Er hatte mir den Gebrauch der Waffe untersagt und meinte, dass mein Handgelenk die nächsten Wochen dringend geschont werden müsste. Aber sollte es zu einem Zwischenfall kommen, wäre mir das natürlich egal und ich würde Gebrauch von meiner Dienstwaffe machen.
 

Aber wann immer ich mein Handgelenk unbewusst belastete, zog sich der Schmerz durch den ganzen Arm. Ich würde also nach Möglichkeit mich an den Ratschlag des Arztes halten.

„Bist du denn gestern noch gut nach Hause gekommen?”, wollte Karin wissen.

„Ja. Falk hat im Krankenhaus auf mich gewartet und mich dann nach Hause gefahren“, erwiderte ich.

„Das war aber nett von Herrn Altenburg”, sagte Karin mit einem schiefen grinsen.

„Ja, das war es. Ihr mögt es vielleicht nicht glauben, aber er kann ein sehr netter Kollege sein, wenn er einen nicht gerade befragt.“

„Ich wusste gar nicht, dass heute Blumen verteilt werden“, hörte ich die Stimme von Falk. Ich drehte mich zu ihm.

„Wenn du dich mit diesen Blumen schmücken willst, kannst du das gerne tun“, entgegnete ich ihm. „Aber übertreibe es nicht, vielleicht haben sie Dornen.“

Er sah mich verspielt an. „Kann ich also annehmen, dass du gerade Rosen an mich verteilst.“

Ich rollte mit den Augen und sah ihn ungläubig an. „Wer es glaubt...“
 

„Der Chef wollte Sie sehen“, mischte sich Fritz ein und unterbrach uns. „Er braucht noch einen Bericht von Ihnen!“

Falk beäugte ihn für einen Moment schweigend, bevor er zu mir blickte. Seine Mundwinkel zuckten. „Na, dann wollen wir mal dem CHEF Bericht erstatten.“ Er legte seine Jacke über meinen Schreibtisch, stellte seine Aktentasche ab und machte sich auf den Weg zum Chef. Für ihn war es vermutlich ungewohnt, dass er einen Bericht abliefern musste. Mein Chef war nicht sein Vorgesetzter. Aber solange er mit mir zusammen an dem Fall von Rebecca arbeitete, solange musste er auch meinen Chef zufrieden stellen.
 

„Wann haben wir heute eigentlich Schießtraining?“, fragte ich in die Runde.

„WIR? Ich dachte, du sollst deine Hand schonen“, sagte Waldi.

Ich stöhne genervt auf. “Ist ja gut. IHR! Wann habt IHR denn heute Schießtraining?“

„Ich denke mal, dass wir loslegen sobald der Chef mit Herrn Altenburg durch ist“, sagte Alex. „Wir haben den ganzen Vormittag die Schießanlage reserviert.“

Falk hatte auch eingeplant am Schießtraining teilzunehmen. Ich hoffte nicht, dass es in einem `Wer trifft besser ´-Kampf zwischen Fritz und Falk ausartete. Ich war mir sicher, dass die beiden ein effektives Team bilden könnten, wenn sie ihre Differenzen beiseite schieben und zusammen arbeiten würden.
 

Ich drehte mich zu Karin. “Und was machen wir in der Zwischenzeit?”, fragte ich sie. Vielleicht konnten wir zusammen das Internet nach neuen Informationen durchsuchen? Wir hatten uns für die ersten Tage Monitoring-Experten dazu geholt, arbeiteten aber jetzt alleine an der weiteren Recherche. Ich konnte ihr einige Themen geben, die nicht so kritisch waren und wo es nicht unbedingt um korrupte Polizisten ging.

Sie sah etwas unsicher aus. „Ich gehe heute mit zum Schießtraining“, sagte sie schließlich.

“Wirklich?”, fragte ich überrascht. Karin beim Schießtraining? Ich hätte nicht erwartet, dass sie sich dafür entscheiden würde.

„Das ist doch super, Karin“, grinste ich sie an und sie lächelte zurück.
 

Ich blieb den Vormittag über also alleine und durchsuchte Foren und Facebook-Gruppen um mehr über diese Ecstasy Szene herauszufinden. Vielleicht gab es sogar einige Insider die verrückt genug waren im Internet Kommentare zu hinterlassen. Es war erstaunlich wie freizügig manche Informationen über Drogenkonsum von Usern ins Netz gestellt wurden. Die musste doch damit rechnen, dass jemand diese Informationen nutzen würde, um vielleicht gegen sie zu ermitteln?
 

Jeder hatte das Gefühl im Netz anonym bleiben zu können. Dabei war es seit etlichen Jahren schon lange nicht mehr so. Jeder konnte über das Internet überwacht werden. Wir hatten die Suche auf das Internet ausbreiten müssen, nachdem keine weiteren Hinweise eingegangen waren. Auch wusste wir nicht, ob der Kumpel des Insiders sich bei uns melden würde oder ob Lisa wirklich Informationen hatte, die uns weiterhelfen konnten.
 

***
 

„Unglaublich“, sagte Ewald und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Die Leute sind so krank. Was die hier alles schreiben...“

Seit dem Schießtraining waren einige Tage vergangen und seitdem recherchierten wir alle gemeinsam im Internet.

„Hier Josy“, sagte er und zeigte mit dem Finger auf seinem Monitor, bevor er einen der Einträge aus dem Forum vorlas: „Hab den mega Trip mit ner heißen Braut gehabt, dank XTC. Probiert es, Leute. 2BMax ist dafür der geilste Platz. Wer ist mit am Start nächste Woche?“

Ewald sah amüsiert aus und ich konnte mir denken warum.
 

„Haben die nicht letztes Wochenende eine Razzia durchgeführt im `2BMax´?“, fragte ich und konnte sehen, wie das Grinsen von Ewald breiter wurde.

„Japp, das haben sie. Gab auch einige Festnahmen wegen Drogenbesitz. Da war dieser Destroyer94 bestimmt mit dabei.“ Er sah wieder auf den Beitrag des Users, der den Eintrag vor circa zwei Wochen gepostet hatte.

„Wundert mich, dass der das Wort `destroy´ richtig geschrieben hat. Hat er vermutlich bei Google nachgeschlagen.“

Meine Mundwinkel zuckten bei Waldis Bemerkung. Eigentlich war es traurig. Die Leute merkten nicht wie die Drogen schleichend ihr Leben zerstörte. Zu Anfang war es vielleicht nur Spaß. Aber bei den meisten wurde aus diesem Spaß schnell eine Sucht und dann zählte nur noch der nächste Schub – egal wie.
 

„Und du willst jetzt schon los?“, fragte mich Ewald, als ich den Reißverschluss meiner Jacke hochzog.

„Ja, habe noch was vor.“

„Kommt nicht alle Tage vor, dass du zeitig in den Feierabend startest“, sagte Waldi nachdenklich.

„Keine Sorge, heimliche Alleingänge sind für heute nicht mehr geplant. Ich will nochmal ins Krankenhaus zu Lisa. Die Aufwachphase soll bald starten und ich wollte mit dem Arzt sprechen und nachsehen, wie es Lisa geht.“

„Wie geht’s eigentlich deiner Hand?“, fragte er mich.

Ich betrachtete meine Hand bevor ich frustriert ausatmete. „Noch nicht viel besser. Dadurch, dass ich sie ständig schonen soll, schläft sie mir dauernd ein und ich habe das Gefühl, dass ich keine Kontrolle mehr in der Hand habe.“ Es war natürlich schon etwas besser geworden. Aber sie pochte bei falscher Belastung unangenehm.
 

„Ja, ich verstehe“, hörte ich die Stimme von Falk als er das Büro betrat. Ich drehte mich zu ihm um. Er telefonierte noch mit seiner Zentrale. Morgen stand wieder eine Konferenz an.

„Ich bin dann morgen um Zehn im Büro - mit der Präsentation. Danke, dass wünsche ich Ihnen auch. Bis Morgen.“ Er legte auf und ließ sein Handy zurück in seine Hosentasche gleiten, bevor er mich erwartungsvoll ansah.

„Sind wir soweit?“, wollte er wissen.

„Wir? Soweit für was?“, fragte ich verwirrt.

„Um ins Krankenhaus zu fahren.“

„Ich wusste gar nicht, dass du mitkommst“, entgegnete ich.

„Doch, ich wollte noch mit dem Arzt reden“, sagte er zur Erklärung.

Ich zuckte mit den Schultern. Mir konnte es egal sein. Dann musste ich wenigstens nicht den Bus nehmen.

Ich drehte mich noch einmal zu Waldi um, als wir uns bereits auf dem Weg nach draußen machten.

„Bis Morgen, Waldi.“

„Bis Morgen.“
 

Auf dem Flur entschied ich mich noch kurz bei den Kollegen reinzusehen. Ihre Tür war nur angelehnt und ich öffnete sie langsam ein Stück um ins Büro zu sehen. Fritz und Alex hingen gerade höchst konzentriert über dem Fußballtisch, Fritz hatte ein Tor erzielt.

Ich hatte die Freundschaft der beiden immer bewundert, besonders das sie sich auch ohne Worte verstanden. Sie waren ein tolles Team und ich war dankbar ein Teil von diesem Team geworden zu sein. Ich musste schmunzeln, als ich sie beobachtete.
 

Und keinen von beiden wollte ich missen. Besonders Fritz, dachte ich und schob im selben Moment den Gedanken wieder von mir. Ich sollte an so etwas nicht denken. Die letzten Tage hatte es sich zwischen uns zumindest ein wenig normalisiert. Seit dem Gespräch mit Christopher spürte ich, wenn Fritz mich ansah. Vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein. Ich kontrollierte nicht ob es stimmte. Seine Nähe machte mich nervös. Daher vermied ich es mit ihm alleine zu sein. Ich glaubte mittlerweile, dass es mehr an mir als an ihm lag. Würde es mit der Zeit besser werden?
 

„Josephine?“, hörte ich die Stimme von Falk hinter mir. Sicher wunderte er sich, dass ich ohne was zu sagen einfach in der Tür stand. Alex und Fritz drehten sich zu mir als sie mich jetzt bemerkten.

„Du machst Feierabend?“, fragte mich Fritz. Sein Blick schweifte kurz zu Falk, bevor er mich wieder ansah.

„Wir wollen noch zu Lisa ins Krankenhaus“, bestätigte ich ihm.

Wieder beäugte er Falk für einen Moment. „Sie auch?“, fragte er ihn und seine Stimme klang etwas kühler.

Falk lächelte mir kurz zu bevor er antwortete. „Jemand muss sich ja um Josephine kümmern bis sie sich endlich ein neues Auto kauft.“

Bei seiner Bemerkung rollte ich genervt mit den Augen. „Jetzt fang du nicht auch noch an“, ermahnte ich ihn. „Ich hatte bisher einfach keine Zeit.“
 

Warum nervten mich eigentlich alle mit einem neuen Auto? Vor allem Fritz fragte ständig, wann ich mir endlich einen neuen Wagen zulegen würde.

„Und deswegen spiele ich solange Chauffeur“, sagte Falk besänftigend.

„Hat dich keiner drum gebeten. Ich werde mir schon noch einen Wagen holen“, sagte ich und sah ihn missmutig an. „Ist ja auch egal“, begann ich und drehte mich zu meinen beiden Kollegen. „Wir sehen uns morgen, Jungs. Schönen Feierabend.“

„Bis Morgen“, hörte ich Alex sagen, bekam aber von Fritz nur ein undeutliches Murmeln.
 

***
 

„Wie lange wird es wohl dauern bis die Patientin ansprechbar ist?“, fragte Falk als er sich weiter mit dem Arzt unterhielt.

„Das kommt auf den Patienten an. Wir müssen abwarten, wie das Mädchen auf das Absetzen der Medikamente reagiert. Das braucht Zeit.“

Falke wirkte frustriert bei den schwammigen Aussagen des Arztes. Aber mehr konnten wir zu diesem Zeitpunkt auch nicht erwarten.

„Lisa soll diese Zeit auch bekommen. Wir befragen sie, wenn sie soweit ist. Hauptsache sie wird wieder gesund.“

Der Arzt lächelte mich an. „Ich bin wirklich optimistisch. Die Patientin hat Fortschritte gemacht. Ihr Genesung schreitet gut voran und der körperliche Entzug ist soweit abgeschlossen.“
 

Ich bedankte mich beim Arzt und wir verabschiedeten uns. Wir verließen die Intensivstation und gingen zum Eingangsbereich. Als ich gerade um die Ecke bog lief mir jemanden in die Arme und ich rannte in dessen Schulter.

„Entschuldigung“, sagte ich etwas schmerzverzehrt, als meine verletzte Hand ein unangenehmer Schmerz durchfuhr. Ich hob meinen Blick und meine Augen weiteten sich.
 

„Hannes?“, fragte ich überrascht. Was machte hier? Wir hatten wohl beide nicht erwartet uns hier zu treffen.

„Josephine“, entgegnete er ebenso überrascht, aber höflich. Sein Blick verfinsterte sich augenblicklich als er Falk erkannte.

„N´abend, Falk“, sagte er kühl.

„Guten Abend”, entgegnete Falk in seiner dienstlichen Höflichkeit. Ich konnte aber den Zorn in seinen Augen sehen auch wenn er versuchte seine Emotionen zu unterdrücken. Falk hatte mir schon gesagt, dass er Hannes nicht vertraute. Aber mir war nicht bewusst, dass so eine Feindseligkeit zwischen den beiden bestand. Was war damals bei den Ermittlungen zwischen ihnen vorgefallen?

„Ich wusste gar nicht, dass ihr euch kennt. Was macht ihr denn hier?“, fragte er beiläufig.

Die Frage sollte ich ihm lieber stellen. Das er sich im gleichen Krankenhaus aufhielt wie Lisa gefiel mir nicht, auch wenn es wirklich Zufall sein konnte.
 

„Wir haben nur jemanden besucht. Und wir kennen uns durch interne Ermittlungen. Da hat er mich verhört“, erklärte ich ohne zu verraten, dass wir gerade an einem Fall arbeiteten. „Und was machst du hier?“, fragte ich ihn.

„Besuche ebenfalls jemanden“, gab er locker zurück. Hannes sah auf seine Armbanduhr. „Und wenn ihr mich entschuldigt, ich bin auch schon spät dran.” Er verabschiedete sich und ging weiter. Waren die Besucherzeiten nicht schon längst rum? Mit wem traf er sich?

Falk stand schweigend neben mir, als ich Hannes noch einen Moment hinterher sah.

„Findest du das nicht suspekt, dass er sich ausgerechnet in diesem Krankenhaus aufhält?”, fragte Falk und ich hörte die Anspannung in seiner Stimme.

„Merkwürdig ist es schon. Aber vielleicht ist es auch nur ein Zufall?”

„Ich glaube nicht an Zufälle, Josephine.“ Als Falk sich umdrehte und den Weg zur Intensivstation wieder zurück ging lief ich ihm hinterher.

„Du glaubst, dass er nach Lisa sucht?”, fragte ich ihn. Er blieb vorm Fahrstuhl stehen und drückte den Knopf.

„Ich glaube, dass er Lisa gefunden hat“, antwortete Falk knapp. Er beugte sich dichter zu mir und sprach leise weiter. „Wenn er versucht hat sie zu ermorden wird er wohl Interesse daran haben, dass sie ihn nicht identifizieren kann.“

„Was hast du vor?“, fragte ich als wir in den Fahrstuhl stiegen.

„Sicherstellen, dass heute Abend keiner mehr das Zimmer von Lisa betritt.“
 

***
 

„Findest du es nicht übertrieb die Beamten zur Überwachung gleich auszuwechseln?“, fragte ich Falk als wir das Krankenhaus verließen.

„Nein finde ich nicht. Ich gehe immer noch von Korruption aus. Wer weiß, ob einer von denen bestochen wurde um ein Auge bei einem Besuch zuzudrücken. Da stell ich die Überwachung lieber mit meinen eigenen Leuten sicher.“

Ich war froh, dass er nicht mein Vorgesetzter war. Er war angsteinflößend, wenn seine Stimme diesen strengen Ton bekam und er einen ernst anblickte. War er mal bei der Armee gewesen? Manchmal erinnerte es mich daran. Mit mir hatte er noch nie so gesprochen. Selbst nicht an dem Tag, wo er mich das erste Mal verhört hatte.

Wir verließen das Krankenhaus und eilten zum Auto. Es regnete in Strömen. Wir kamen platschnass am Auto an. Es dauerte eine Weile bis ich endlich meine Jacke abgestreift bekam. Sie klebte förmlich an mir und ich versuchte noch immer meine Hand möglichst zu schonen.

Falk grinste mich an, als er den Motor laufen ließ und die Heizung aufdrehte. Er wirkte jetzt, wo alles geklärt war, ruhiger. “Nicht, dass du dir noch einen Schnupfen wegholst. Ich brauch dich für die Ermittlungen in gesundem Zustand.“ Er zog seine Jacke aus und warf sie auf den Rücksitz.
 

Gerade als Falk sich anschnallte klingelte sein Telefon und er fluchte leise. Er ließ den Gurt wieder los und beugte sich zum Rücksitz um sein Handy zu holen.

„Altenburg“, nahm er den Anruf entgegen. Ich sah die Anspannung in seinem Gesicht. Als er sich im Sitz aufrichtete wurde ich nervös. Er sah mich kurz an.

„Was ist los?“, flüsterte ich ihm zu, aber er reagierte nicht und hörte weiter dem Anrufer zu.

„Ja, ich verstehe... Natürlich. Wann wäre er dazu bereit...? Ja, dass sollten wir unbedingt tun... Lassen Sie uns morgen dazu am besten noch einmal sprechen, wenn er mehr sagen kann. Vielen Dank. Ja. Alles klar. Ihnen auch.... Wiederhören.”

Als er auflegte, blickte er noch eine Weile auf sein Handy, ohne etwas zu sagen. Meine Neugier war während des Telefonates nur noch gestiegen. Es musste um den Fall gehen. Warum sagte er nichts?
 

„Falk“, mahnte ich ihn. „Nun sag endlich was los ist.“ Sein Blick fokussierte sich wieder und er sah mich an.

„Wir haben ihn.“

„Wen?“, fragte ich verwirrt. „Den Mörder?“ Das konnte nicht sein. Wer sollte denn...

„Nein“, sagte er gedehnt und sah mich ungläubig an. „Wir haben den Kumpel des Informanten. Er will sich mit uns treffen.”

„Wirklich?“, fragte ich überrascht und auch erleichtert. Das war hervorragend. Es konnte uns ein ganzes Stück weiter bringen.

„Er will sich morgen Abend mit uns treffen.“

„Morgen schon?“ War morgen nicht ein wenig zu zeitig?

„Den Ort wird er uns kurz vorher nennen.“

„Muss der Ort nicht von der Polizei abgesichert werden? Das wird zu knapp“, gab ich zu bedenken.

„Erinnere dich an das Gespräch mit dem Informanten. Wer will schon ne Horde Polizisten um sich haben, wenn einer davon korrupt sein könnte. Er wird das nicht wollen und wir können nicht riskieren, dass er das Treffen absagt.“
 

***
 

„Auf keinen Fall!“, brüllte Fritz und schlug mit seiner Hand auf den Tisch. „Josephine geht nicht in diesen Einsatz!“

Ich fasste mir an meine Schläfen und dachte an den vermutlich größten dienstlichen Fehler, den ich je begangen hatte. Falk war heute Morgen aufgrund der Konferenz nicht ins Büro gekommen. Ich stand gerade gedankenverloren am Kaffeeautomaten als Fritz neben mir stehen blieb und mich nach den gestrigen Ereignisse fragte. Ich hatte mich erschrocken ihn so dicht neben mir stehen zu haben, dass ich vollkommen durcheinander war und ihm von den Anruf des Informanten erzählt hatte.
 

Da nahm das Unglück seinen Lauf. Er diskutierte mit mir auf dem Flur, dass Falk und ich uns nicht einfach so mit diesem Mann treffen konnten. Niemand konnte sicher gehen, dass es nicht doch eine Falle war. Der Chef hatte unsere Diskussion mitbekommen und daraufhin darauf bestanden das Drogendezernat einzubinden. Und noch bevor ich was dagegen unternehmen konnte, hatte er Christopher und Hannes verständigt.
 

Das Ganze war derart eskaliert, dass selbst Falk nichts mehr ausrichten konnte als er später dazu kam. Die Aussage vom Chef war klar. Entweder im Team - zusammen mit den Kollegen vom Drogendezernat - oder gar nicht. Ich wusste nicht wie ich das bei Falk wieder gut machen sollte. Gerade das Drogendezernat sollte nicht eingebunden werden. Aber jetzt führte kein Weg daran vorbei. Wir konnten das Treffen nicht absagen. Wir brauchten das Wissen des Insiders.
 

Eine Zusammenarbeit von Falk und Hannes war nicht denkbar. Ich hatte mich als Partner angeboten und Hannes hatte zugestimmt. So konnte ich ihn zumindest im Auge behalten. Wenn wirklich der Insider Informationen hatte, die Korruption vermuten ließ, mussten wir ihn bewachen lassen bis der Schuldigen gefunden wurde. Besonders wenn es sich dabei tatsächlich um Hannes handeln sollte.

Dank Fritz stand jedoch mein Einsatz auf Kippe. Wer sollte es denn sonst machen? Es konnte keiner von meinen Kollegen machen. Keiner von Ihnen wusste bisher von unserem Verdacht.
 

Hätte ich doch nur das Treffen für mich behalten, dann wäre jetzt alles nicht so kompliziert. Falk und ich hätten uns am Abend einfach mit dem Studenten getroffen und niemand hätte Verdacht geschöpft. Ich könnte mich selber ohrfeigen.

„Fritz, ich weiß nicht, warum du dich so aufregst“, mischte ich mich ein und versuchte irgendwie die Wogen zu glätten. Aber so etwas lag mir einfach nicht. „Es geht hier doch nur um ein Treffen.“
 

„Es ist nicht einfach nur ein Treffen“, entgegnete er erhitzt. „Woher willst du wissen, dass es nicht alles geplant ist – aus welchen Gründen auch immer. Hat dir dein letzter Einsatz auf dem Strich nicht gereicht?“

„Das ist doch hier was ganz anderes. Außerdem bin ich Polizistin. Das ist mein Job.“

„Mein Job aber auch!“, entgegnete er und verschränkte seine Arme vor der Brust. Er wandte sich an den Chef. „Ich mach das, Chef. Ich treffe mich mit diesem Informanten. Wir können da Josephine nicht schon wieder rausschicken.“
 

„Warum solltest du da raus, aber ich nicht?“

„Du kannst im Moment nicht mal deine Waffe richtig halten. Was willst du tun, wenn es zu Komplikationen kommt?”

Ich verzog mein Gesicht. Ich hatte befürchtet, dass er dieses Argument früher oder später anbringen würde. Er hatte nicht Unrecht, aber mir war es egal. „Ich kann sehr wohl eine Waffe halten, wenn es sein muss.“

„Josephine“, ging mein Chef mit beruhigender aber bestimmter Stimme dazwischen. „Wir müssen Sie doch nicht unnötig gefährden, wenn der Job genauso gut von Ihrem Kollegen erledigt werden kann. Ich stimme da Fritz vollkommen zu. Ich verstehe nicht, warum Sie da so stur sind.“ Ich konnte ihm nicht von dem Verdacht erzählen und das wurmte mich. Ich wollte es rausschreien.

Fritz sah zufrieden aus und ich schnaubte vor mich hin. Es hatte keinen Sinn. Ich konnte so viel diskutieren wie ich wollte. Falk und mir würde der Fall abgenommen werden.
 

Falk erwiderte noch etwas, aber der Chef wies ihn nur darauf hin, dass es hier um den Fall Rebecca ging und nicht um den Fall Christin. Er hatte also als Chef die Befugnis das weitere Vorgehen zu bestimmen. Wir mussten seine Entscheidung akzeptieren.
 

***
 

„Was für eine Scheiße“, fluchte ich als Falk und ich in einen der Besprechungsräume gegangen waren, damit wir uns ungestört unterhalten konnten. Ich blieb am Fenster stehen und sah nach draußen. Wir hatten noch sieben Stunden bis uns gesagt wurde, wo wir uns mit dem Insider treffen würden. In sieben Stunden würde Fritz den Einsatz mit Hannes durchführen. Christopher und Hannes waren wieder zurück ins Drogendezernat gefahren, nachdem klar war, dass sie mit von der Partie waren. Vermutlich dachte Hannes, dass er den Einsatz mit mir machen würde. Die Entscheidung, dass Fritz heute Abend den Insider treffen würde, war erst vor wenigen Minuten entschieden worden. Hannes und Christopher waren zu der Zeit schon nicht mehr da gewesen.
 

„Vielleicht sollten wir das Treffen absagen“, sagte ich. Warum war ich momentan so kopflos? Der Gedanke widerstrebte mir Fritz in diesen Einsatz zu schicken. Wenn Hannes wirklich korrupt war gefährdeten wir nicht nur den Insider, sondern auch Fritz. Hannes war nicht überrascht, dass Falk am Fall ‚Rebecca’ mitarbeitete. Hatte er sich Informationen eingeholt? Wusste er, dass wir auch am Fall von Christin wieder arbeiteten?
 

„Ich wollte nicht das Leben von Fritz gefährden nur für eine Information. Abgesehen davon, dass auch der Insider gewiss keine Zielscheibe werden will.”

„Das wird er jetzt schon sein und das könnte er auch heute Abend werden“, sagte Falk ernst, als er sich neben mich ans Fenster stellte. „Die Szene kennt doch ihre Leute, vor allem ihre Dealer. Selbst wenn wir das Treffen absagen, ist bekannt, dass es jemanden gibt der Informationen hat und diese auch teilen will. Ich würde versuchen diese Person aus dem Weg zu räumen, wenn ich davon erfahren würde. Denkst du nicht auch?”
 

Er hatte Recht, das wusste ich. Aber es waren mir einfach zu viele `Wenn´s´ in dieser These.

„Ich kann das nicht“, sagte ich und sah Falk verzweifelt an. „Ich kann nicht zulassen, dass Fritz den Einsatz so durchführt.“ Falk sah mich fragend an. Er verstand offensichtlich nicht, was ich meinte.

„Ich kann Fritz nicht zum Treffen schicken, wenn er nicht weiß um was es vielleicht geht.”

Ich sah die Erkenntnis in seinem Blick. Es gefiel ihm nicht. Aber ich sah keine andere Möglichkeit. Ich sah ihn entschlossen an. „Ich MUSS es ihm sagen, Falk. Sonst bin ich raus und Fritz auch.“
 

Mir war klar, dass das nicht fair war. Aber in der jetzigen Situation war mir das egal. Ich hatte versucht Alex und Fritz da raus zu halten, aber es hatte nicht funktioniert. Jetzt musste ich also die Karten auf den Tisch legen. Zumindest musste ich mit Fritz reden. Er sollte entscheiden, ob er dann immer noch das Treffen durchführen wollte.

Falk schwieg eine Weile und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Mit festem Blick sah er mich an. „Du vertraust ihm?“

Mit meinem Leben, schoss es mir durch den Kopf. Falk würde das aber vermutlich nicht verstehen. Ich nickte und erwiderte seinen Blick. “Zu hundert Prozent.”
 

Es dauerte gefühlt eine Ewigkeit bis er mir zustimmte. „Dann machen wir das so. Rede mit ihm. Er soll entscheiden, ob er das Treffen dann noch durchführen will.“

Ich spürte die Erleichterung endlich frei darüber reden zu können.

Es klopfte an der Tür und Karin steckte vorsichtig den Kopf ins Zimmer.

„Hast du einen Moment, Josephine? Es geht um die Verkabelung für heute Abend.“

„Ja, ich komm sofort. Gibst du mir noch eine Sekunde?“

„Ja, klar. Ich warte im Büro.“

„Ich komm sofort nach“, versicherte ich. Karin verschwand wieder aus dem Zimmer und ich sah Falk noch einmal an, der mit den Händen in seiner Hosentasche weiterhin aus dem Fenster blickte.
 

„Falk?“ Er sah zu mir und ich lächelte ihn an. „Danke.“

Langsam erwiderte er mein Lächeln. „Schon in Ordnung. Ich versteh dich ja.“

Ich schwieg einen Moment bevor mir wieder das Anliegen von Karin einfiel. Verkabelung hatte Sie gesagt. Für diesen Einsatz brauchten wir mehr.

„Schaffst du es mir noch einige Utensilien zu besorgen für heute Abend?”, fragte ich Falk.

„Klar, um was geht´s?“

Ich teilte ihm alles mit was ich brauchte. Anschließend machte er sich auf den Weg um die Sachen zu besorgen. Ich ging zu Karin. Es war nicht mehr viel Zeit um alles zu erledigen.

Ich spürte wie mein Magen sich zusammenzog, wenn ich an heute Abend dachte. Wie war es Fritz ergangen, als ich zum Einsatz auf den Strich musste? Erst jetzt verstand ich ihn. Es war ein ungewohntes Gefühl für mich, dass ich so besorgt war um jemanden.



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