Irrungen und Wirrungen
„Hey, können wir bitte nochmal dasselbe haben?“ sprach ein schwarzhaariger Junge sie an, als sie dabei war die leeren Gläser abzuräumen. Nachmittags nach der Schule arbeitete sie immer in einer kleinen Bar in der Innenstadt. Irgendwer musste ja die Miete zahlen und da ihr Versager von Stiefvater Nr. 3 sein mickriges Gehalt lieber für Alkohol ausgab, musste Sakura unfreiwillig einige Jobs annehmen um nicht auf der Straße zu landen. Obwohl dieser Gedanke oft verlockender war, als ihr lieb wäre.
„Kann ich euch noch etwas bringen?“ lächelte sie die vier Jungs an als sie mit den Getränken zurück an ihren Tisch ankam. „Danke, nicht nötig.“ antwortete der Braunhaarige, der gerade dabei war etwas auf ein Blatt zu kritzeln. „Heeeeey, du gehst doch auch auf die Konoha High. Sakura-chan, richtig?“ schrie der Blonde sie fast schon an. Perplex schauten die anderen Jungs zu ihr auf. Oh man, hatte er sie erschrocken. „Ja, ich bin eine Jahrgangsstufe unter euch.“ antwortete Sakura dennoch höflich zurück. Natürlich kannte sie die Jungs. Wer auf ihrer High School kannte sie nicht? Sie spielten zusammen in der Schulband und traten ab und zu in der Bar auf, in der sie kellnerte. Die Jungs waren so zu sagen kleine Berühmtheiten an ihrer Schule. Was nicht zuletzt an ihrem guten Aussehen lag. Der blonde Junge, der Sakura erkannt hatte, war Naruto Uzumaki. Er saß am Schlagzeug. Vielleicht hatte er durch das dauerhafte trommeln einen Gehörschaden und schrie deswegen so laut durch die Gegend. Eine andere plausible Erklärung fiel dem hübschen Mädchen nicht ein. Der braunhaarige Junge neben ihm mit der E-Gitarre hieß Kiba Inuzuka. Er hatte ein unglaubliches, süßes Lächeln. Sie musste sich zusammenreißen, um ihn nicht anzustarren. Gegenüber von ihm saß Shikamaru Nara. Er spielte das Keyboard. Ihn kannte Sakura wohl am „Besten“, da er den Mathematikleistungskurs in den Ferien leitete, den sie besuchte. Seltsam, dass er sie nicht als erstes ansprach. Neben Shikamaru saß Sasuke Uchiha, der Leadsänger der Band. Auch wenn die Rosahaarige von Kibas’s Lächeln begeistert war, konnte er es nicht mit Sasuke’s Perfektion aufnehmen. Noch nie zuvor hatte sie einen schöneren Jungen gesehen. Kein Wunder, dass die Mädchen um ihn Schlange standen. Doch für solche Teenie-Schwärmereien hatte die rosahaarige gewiss keine Zeit.
„Naaa, gefällt dir unsere Musik?“ sprach Naruto sie erneut an, als sie gerade dabei war kehrt zu machen. Ja, er hatte definitiv einen Gehörschaden. „Ich habe bisher noch nie richtig hin gehört, aber euren Fans gefällt es offensichtlich.“ sagte die rosahaarige ehrlich und hoffte die Antwort würde ihm genügen. „Oh maaan, dann bist du kein Fan.“ kam es von dem Blonden enttäuscht und Sakura lächelte entschuldigend bevor sie sich wieder an die Arbeit machte. An den Tagen, an dem die Band spielte, hatte das junge Mädchen immer viel zu tun. In der Bar wimmelte es von Gästen.
Als sie endlich anfingen zu spielen, versuchte Sakura mit einem Ohr ihren Songs zu lauschen und musste verblüfft feststellen, dass die Vier wirklich Talent hatten. Obwohl sie die Songs irgendwie zu melancholisch fand. Ob sie ihre Texte wohl selber schrieben?
Als im Laufe des Abends die Jungs fertig waren, verschwanden auch die meisten Gäste. Während die Band ihre Instrumente abräumte, bediente Sakura noch die letzten Gäste bevor ihre Schicht ihr langersehntes Ende fand.
„Hey Kleine!“ sprach sie eine männliche Stimme an und im nächsten Moment spürte sie eine Hand auf ihren Po. Auch wenn es sie dermaßen anwiderte, versuchte sie Ruhe zu bewahren. „Könnten Sie das bitte unterlassen.“ forderte die Rosahaarige den Mann auf. Es war keine Seltenheit, dass ihr so etwas passierte. Doch Sakura konnte es sich nicht leisten diesen Job zu verlieren und verlor deswegen nie die Beherrschung. Ohne dem Typen weitere Aufmerksamkeit zu schenken, wollte sie sich aus dem Staub machen, als er plötzlich nach ihrem Handgelenk griff. „Ich bin noch nicht fertig.“ grinste er sie dreckig an. Oh Gott, warum zur Hölle konnte man sie nicht einfach in Ruhe ihre Arbeit machen lassen? „Lassen Sie mich bitte los.“ forderte sie ihn erneut auf und versuchte vergeblich ihr Handgelenk aus seinem Griff zu befreien. „Bist du taub? Du sollst sie loslassen.“ Hörte sie eine kühle Stimme sagen und befreite ihr Handgelenk. Sasuke, der ihr eben zur Hilfe kam, nahm ihre Hand und zog Sakura hastig hinter sich nach draußen. War er irgendwie sauer auf sie?
„Kleine Mädchen, wie du, sollten hier nicht arbeiten! Wie alt bist du eigentlich?“ zischte er sie wütend an. Unfreiwillig musste sie bei seinem kühlen Ton zusammen zucken. Hatte er sie grade „Kleines Mädchen“ genannt? So ein arroganter Idiot! „Nicht jeder von uns ist ein Uchiha und bekommt alles in den Arsch gesteckt. Andere müssen für ihr Geld hart arbeiten.“ fuhr die rosahaarige ihn aufgebracht an. Was dachte er sich, wer er ist, dass er ihr vorschreiben kann, was sie tun und lassen soll. Arroganter Idiot! „Damit du dir dann von deinem hart erarbeitetem Geld hübsche Kleider kaufen kannst. Tzzz… wie ich oberflächliche Weiber, wie dich, hasse.“ Der Sarkasmus aus seinem ersten Satz war nicht zu überhören. War dieser Idiot blind? Sie trug eine abgewaschene, kaputte Jeans mit einem schwarzen, schlichten, langärmligen Shirt. Sakura sah alles andere als oberflächlich aus. „Ach, was weißt du schon über mich?“ flüsterte die rosahaarige mehr zu sich selbst, als zu ihm und machte sich auf dem nach Hause Weg. Es war sinnlos mit so einem Idioten zu reden.
Über das Wochenende arbeitete das hübsche Mädchen in der Küche eines Restaurants. Sie musste gefühlte hundert-tausend Teller abwaschen. Als sie dann abends endlich nach Hause kam, hatte ihr Stiefvater wieder einmal miese Laune und ließ es, wie gewohnt, an ihr aus. Ihr blieb auch nichts erspart. Nachdem Sakura als lebendiger Boxsack diente, widmete sie sich bis tief in die Nacht ihren Hausaufgaben zu. Es war immer das Gleiche. „2 Jahre noch!“ wiederholte sie erschöpft innerlich und versuchte sich auf ihre Hausaufgaben zu konzentrieren.
Als Sakura am Montagmittag Sportunterricht hatte, verspätete sie sich absichtlich. Sie konnte sich ja schlecht vor den Mädchen umziehen und ihren mit Blutergüssen übersäten Körper zur Schau stellen. Sie hatte keine Lust schief angesehen zu werden geschweige komische Fragen beantworten zu müssen. Nach einer halben Stunde begab die rosahaarige sich schlussendlich auch in die Umkleide.
„Hey, wo ist er hin?“ kreischten einige Mädchen von draußen, als plötzlich ein schwarzhaariger Junge durch die Tür stürmte. Überfordert mit der Situation, war Sakura unfähig irgendeinen Laut von sich zu geben. Sasuke Uchiha stand unmittelbar vor ihr. Was hatte er hier zu suchen? „Oh mein Gott, was ist denn mit dir passiert?“ sagte er sichtlich geschockt und starrte über ihren Körper. Erst jetzt wurde dem Mädchen bewusst, dass sie bis auf ihre Unterwäsche nackt war. Schnell nahm sie ihr Handtuch und versuchte so viel wie möglich von ihrer nackten Haut zu verdecken. „VERSCHWINDE!“ schrie sie ihn an und warf das erst Beste, was sie in die Hand bekam, nach ihm. Dieser perverse Vollidiot!
Bevor ihm das rosahaarige Mädchen noch mehr Gegenstände an seinen Kopf werfen konnte, ergriff er schnell die Flucht. Diese blöden Fangirls konnten ihn nicht einmal in seiner Freistunde in Ruhe lassen. Wenn sie ihn nicht belagert hätten, hätte er nie in die Mädchenumkleide fliehen müssen und das rosahaarige Mädchen halb nackt gesehen. Wie hieß das Mädchen eigentlich nochmal und viel wichtiger, was war mit ihrem Körper passiert? Er konnte deutlich die vielen Blutergüsse an ihr erkennen und wenn er sich nicht irrte, hatte sie sogar leichte Würgeabdrücke an ihrem Hals. Das war doch nicht normal? Hatte sie das schon an dem Tag, als sie in der Bar kellnerte oder war es danach passiert? Verschwommen erinnerte er sich an den abartigen Kerl, der sie in der Bar angemacht hatte. Er hätte sie vielleicht besser nicht alleine gehen lassen sollen. Doch durch ihr vorlautes Mundwerk hatte sie ihn so wütend gemacht, dass er sie innerlich verfluchte. Verdammt, jetzt plagte ihn ein schlechtes Gewissen.
Den ganzen restlichen Schultag war Sakura sichtlich genervt. Dieser verdammte Uchiha musste doch wirklich in der Mädchenumkleide auftauchen, als sie dabei war sich umzuziehen. Er hatte kein bisschen Anstand. Nicht nur dass er sie ungeniert angaffte, nein, er war noch so taktlos und sprach sie auf ihren Körper an. Hätte er nicht einfach seinen Mund halten können und wegschauen, wie es sich gehörte? Sakura’s Laune war wirklich im Keller. Daran konnte sogar ihr privater Klavierunterricht in der Schule nichts ändern. Als Gegenleistung, dass sie Protokolle für die Direktorin von allen Unterrichtsstunden verfasste, bekam sie nach der regulären Schulzeit privaten Klavierunterricht von ihr. Sie liebte es zu Spielen und wollte einmal eine große Konzertpianistin werden. So nutzte sie auch jede Gelegenheit, um zu üben. Ihre Direktorin war wirklich positiv überrascht von ihr, da sie sichtlich Talent hatte. Doch heute bekam sie irgendwie kein Stück auf die Reihe.
„Lass es für heute gut sein.“ sagte ihre Direktorin, als sie Sakura nicht mehr zusehen konnte. „Tut mir leid, Tsunada-sama. Ich kann mich heute nicht konzentrieren.“ entschuldigte sich die Rosahaarige enttäuscht und packte ihre Noten zusammen. Es hatte keinen Sinn für sie heute weiter zu machen. „Ach, lass den Kopf nicht hängen. Es gibt immer solche Tage. Nächstes Mal spielen wir die Mondschein Sonate von Beethoven, dann sieht die Welt schon wieder anders aus.“ versuchte sie Tsunade aufzumuntern. „Danke!“ lächelte sie ihr zu und verließ den Musikraum.
„Hey!“ sprach sie eine bekannte Stimme an, als sie gerade dabei war das Schultor zu passieren. Sasuke Uchiha stand an der Mauer gelehnt und hatte anscheinend auf sie gewartet. Was wollte der schon wieder? Hatte er sie nicht schon genug geärgert? „Hey!“ antwortete sie trotzdem höflich und hoffte er würde sich schnell aus dem Staub machen. „Ich habe auf dich gewartet. Können wir kurz miteinander reden?“ sagte er so freundlich er konnte, was aber eher gruselig klang. „Ich muss zur Arbeit. Von mir aus können wir uns auf dem Weg dahin unterhalten.“ antwortete sie ihm wieder höflich. Eigentlich wollte sie gar nicht mit ihm reden, aber sie musste die Sache von heute Mittag klären bevor er irgendwelche Hirngespinste weiter erzählte. „Kein Problem, ich wollte mich zuerst wegen heute Mittag entschuldigen. Wenn ich gewusst hätte, dass Jemand in der Umkleide ist, wäre ich nicht rein gestürmt. Ich wollte nur diese lästigen Mädchen abhängen.“ erklärte er ihr ruhig, wobei er seinen kalten Unterton versuchte zu unterdrücken. „Halb so wild, aber du solltest nicht so schlecht über eure Fans reden. Auch wenn sie vielleicht nerven, sind sie es, die euch unterstützen.“ versuchte Sakura gleichgültig zu sagen, als ob an ihrer Begegnung nichts dramatisches gewesen sei. Wenn sie so tat, als ob er nichts Besonderes gesehen hätte, würde er es vielleicht schnell vergessen. „Hmm … Stimmt auch wieder. Ich wollte mich auch wegen letztens in Bar entschuldigen. Ich wollte dich nicht beleidigen.“ sprach er etwas zu vorsichtig. Worauf wollte er nur hinaus? „Ist heute Tag der Wiedergutmachung?“ amüsierte sich Sakura über seine Worte. „Hn …“ gab er wütend von sich und bereute schon jetzt nett gewesen zu sein. „Sorry, ich wollte nicht unhöflich sein. Ist schon ok, ich war an dem Abend ja auch nicht grad nett zu dir. Verzeih mir bitte!“ sagte sie lieblich, so dass seine Wut sofort wieder verflog. Sie hatte es wirklich drauf einen um den Finger zu wickeln. „Ich hatte nur beobachtet, wie dich dieser Typ belästigt hatte und wollte dir helfen. Ich hoffe er hat dich danach in Ruhe gelassen.“ sprach er wieder ruhig. „Danke, ich bin ja auch dann gleich nach Hause gegangen.“ lächelte sie ihn an und versuchte ihre Unsicherheit zu überspielen. Ihr war jetzt bewusst worauf er hinaus wollte. „Dein Name ist Sakura, oder?“ Sie nickte nur. „Sakura, ich habe die Blutergüsse an deinem Körper gesehen.“ sprach er noch vorsichtiger als vorhin, um sie nicht zu verletzen. Die Rosahaarige fing plötzlich aus heiterem Himmel an zu lachen, doch hielt sich schnell die Hände vor dem Mund, als sie merkte, wie laut sie war und wischte ihre Lachtränen weg. „Sorry, ich wollte nicht lachen. Ich Kickboxe und da kommt es oft vor, dass ich Blutergüsse habe. Die sehen schlimmer aus als sie sind.“ log sie gekonnt. „Du hast mich ja ziemlich genau gemustert.“ hing sie noch dran und schenkte ihm ein zweideutiges Lächeln. „Und die Würgeabdrücke an deinem Hals? Sind die auch vom Kickboxen?“ bohrte Sasuke nach und ließ sich nicht so leicht beirren. Plötzlich blieb Sakura stehen und hielt inne. Sie ging einen Schritt auf ihn zu und stellte sich auf ihre Fußspitzen um seinem Gesicht näher zu sein. „Vielleicht stehe ich ja auf SM-Spiele.“ hauchte sie verführerisch in sein Ohr und ging wieder einen Schritt zurück, um in seine Augen zu schauen. „Sorry, ich muss jetzt leider arbeiten.“ sagte sie wieder mit ihrer normalen Stimme. „Du arbeitest in einem Stripclub?“ fragte Sasuke noch ein wenig benebelt und verwirrt, als sie vor einem Stripclub standen. „Nein, im Casino nebenan.“ lächelte Sakura und zwinkerte ihm zu bevor sie ins Gebäude lief. Dieses Mädchen war wirklich seltsam, dachte sich der Schwarzhaarige und beobachtete sie noch solange bis sie vollkommen aus seinem Blickfeld verschwunden war.
And the Oscar goes to …. Sakura Haruno