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Ça ira mon Amour

OS - AU - GerFr (später GerIa und FrUK)
von

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Ça ira mon Amour

Irgendwann an einem Morgen 1941
 

Ludwig blinzelte, als ihm das Licht hinter die geschlossenen Lider in einem warmen Orange in die Augen stach. Die Bettwäsche, die Federungen der Matratze, aber vor allem der Geruch, all das wirkte nicht nach seinem Bett aus der Kaserne in dem er die letzten Wochen seine Nächte verbracht hatte. Mit einem unguten Gefühl öffnete der junge Soldat seine Augen. Nein, er konnte sich nicht erinnern, dass dies die Decke aus seinem Schlafsaal war.

Vorsichtig drehte er den Kopf von rechts nach links. Doch mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde ihm immer mehr da Ausmaß seiner Tragödie bewusst. Er war eindeutig nicht mehr in seiner Kaserne.

Hastig versuchte er sich aufzurichten, doch fuhr ihm kaum hatte er sein Becken ein wenig nach hinten gerückt, ein fürchterlicher stechender Schmerz die Wirbelsäule hinauf.

Schreckerstarrt hielt er ein und versuchte die Gedanken soweit zu ordnen, wie es ihm die Situation ermöglichte. Er war nicht dort, wo er hätte sein sollen. Er war in einem fremden Bett, in einem fremden Zimmer und er hatte einfach keine Ahnung, wo genau er sich befand.

Die Türe öffnete sich und ein junger, nur mit einem Handtuch um die Lenden gekleideter Mann trat ein, wobei er mit einer Eleganz, wofür so mancher Kellner in Berlin vor Neid erblasst wäre, ein Tablett mit Frühstück auf seinem rechten Arm balancierte.

„Tient, déjà réveillé, mon petit poussin ?“

Das sonnige Lächeln gewann an Intensität, doch es erreichte Ludwigs Herz kaum, welches zu gleichen Zeit kurz davor war einen schmerzlichen Aussetzer zu erleiden, denn plötzlich verstand er warum er sich in dieser Situation befand. Mit Anmut schob der Fremde das Tablett auf die Decke des Bettes, ohne dass der Kaffee über den Tassenrand schwappte, oder auch nur eines der Eier auf dem Teller seine Bewegungsmöglichkeit rollend erprobte.

Fassungslos starrte Ludwig den Mann an, während sein Gehirn krampfhaft nach einzelnen Erinnerungsfetzen der vergangenen zwölf Stunden suchte.

„Ach bevor du fragst, mein Name war Francis und solltest du einer derjenigen sein, die am Morgen nicht wissen wie sie heißen, gestern hast du dich noch Ludwig genannt.“

Feine Wassertropfen perlten von den langen goldenen Haaren auf die schmalen Schultern. In den ersten Momenten konnte Ludwig nicht anderes als den Mann vor ihm zu bestaunen. Francis war schön, das war schwerlich zu verleugnen. Die Gesichtszüge waren fein, ohne jedoch das Antlitz des Franzosen androgyn wirken zu lassen, die Nase hatte eine angenehme Form und die Lippen stachen nicht zu markant heraus, waren aber auch nicht zu ignorieren. Der Körper war zwar nicht übermäßig muskulös oder sehnig, aber durchaus ansehnlich und männlich.

„Passt was nicht, mon cheri?“

Die samtige Stimme des anderen riss Ludwig aus seinen Gedanken, während aufmerksame blaue Augen ihn neugierig betrachteten.

„Ich werde dich dann anzeigen.“

Ludwig spürte den Knoten im Hals. Seine Stimme klang überhaupt nicht so sicher, wie er es sich gewünscht hätte, und ein leichtes Zittern war nur allzu deutlich heraus zu hören gewesen. Zudem war aufgrund des morgendlichen Muffels, welchen ihn an manchen Tagen einfach hinterrücks überfiel, seine Tonlage viel zu rau und leicht heiser. Das Lächeln auf Francis Gesicht blieb, doch seine Wärme schwand mit jeder Sekunde, die verstrich.

Für einen Moment herrschte zwischen ihnen beiden ein eisernes Schweigen, welches Ludwigs Unruhe immer mehr anstachelte. Dann hob der blonde Franzose seine Hand und strich mit den Fingerspitzen leicht über den muskelbepackten Unterarm des anderen. Wie von der Tarantel gestochen zog der Deutsche diesen ruckartig zurück.

Doch selbst durch diese abweisende Reaktion blieb der Hausherr gelassen und begann mit fester Stimme zu sprechen, bei dem sein schwerer, säuselnder französischer Akzent nur allzu präsent beigemischt war, sodass Ludwig meinte der andere tät es mit Absicht.

„Non, das wirst du nicht tun.“

Die Ruhe in der Tonlage drängte Ludwig geistig immer mehr in die Ecke und ließ ihn zum aggressiven Angriff übergehen.

„Ach nein, glaubst du, ich könnte das nicht. In Deutschland wissen wir, wie man mit solchen Schweinen wie dir umgeht!“

Kokett und in den Augen Ludwigs völlig schwul, legte Francis seinen Kopf auf den Rücken seiner linken Hand.

„Eh bien, eben aus diesem Grund, mon cher, wirst du nicht singen. Wie du schon sagtest: ihr wisst, wie ihr mit Homosexuellen umgeht. Eigentlich eine Schande, wenn ich an das Berlin der Zwanziger zurückdenke.“

Leicht zerstreut wirkend verlor sich der Blick des Franzosen im Narrenkasterl, bevor er mit seinen himmelblauen Augen wieder den Blick der etwas helleren seines Gegenübers suchte.

„Du wirst nichts sagen… Denn selbst wenn sie mich aufgrund deiner Aussage festsetzen, wie glaubst du würde es sich auf deine Akte auswirken, wenn es rauskommt, dass du dich von einem Mann verführen hast lassen?“

Das Lächeln metamorphosierte sich Sekunde für Sekunde zu einem dünnen Grinsen, hinter dem eine dunkle Freude lag.

„Selbst wenn du die Nacht verschweigst und darauf beharrst ich hätte dir nur unsittliche, aber eindeutige Avancen gemacht… Zudem du da auch aus dem Spiel lässt, dass ich durchaus in der Lage bin Zeugen mit Gewicht aufzutreiben, welche uns in aussagekräftiger Nähe zu meinen Apartment haben torkeln sehen.“ Beim letzten Satz verlor Ludwig das bisschen Farbe, welches er bei seinem kurzen Wutschub auf den Wangen gewonnen hatte.

Doch Francis überging diese körpersprachige Reaktion geflissentlich und führte seinen Monolog einfach weiter.

„…bist du wirklich überzeugt dass dich dann deine Vorgesetzten mit der gleichen Art behandeln, wie jetzt, wo du doch als der perfekte Soldat in deiner ganzen Kompanie bekannt bist. Bist du dir sicher, dass dich deine Kameraden, welche zu dir mit Bewunderung schauen, weiterhin so anhimmeln werden?“

Geschickt fischte Francis die Uniformjacke vom Stuhl neben ihm und zog mit seinen langen Fingern, um die jede Frau neidisch geworden wäre, Ludwigs noch ungeöffnete Packung Zigaretten aus der Brusttasche. Mit Misstrauen beobachtete der blonde Deutsche, wie sein Gastgeber ihn zuerst das Päckchen hinhielt und mit einem auffordernden Aufschlagen der Augenlieder fragte, „Ich darf doch?“, um dann einfach den Verschluss zu zerreißen.

Ohne ein weiteres Wort darauf zu sagen, sah Ludwig dem Franzosen dabei zu, wie dieser eine Zigarette aus der Packung nahm, sich zwischen die fein geschwungenen Lippen steckte und schlussendlich anzündete. Er wusste sehr wohl, dass dieser Froschesser Recht hatte, er würde diesen Vorfall nicht melden, auch wenn es in seinen Fingern juckte, den anderen Blonden für diese Nacht büßen zu lassen. Doch gleichzeitig schalt er sich im Geiste selber, wie blöd er eigentlich doch war.

Warum hatte er nicht besser auf sich aufgepasst, er wusste doch besser als alle anderen, welche perversen Gelüste in ihm tobten?

Doch eben hier lag das Problem, er hatte sich die letzten Jahre immer eingeredet, dass er sie zu beherrschen gewusst hatte, oder dass dies nur eine beschmutzende Nebenwirkung seiner verkorksten Kindheit sei. Irgendwas in dieser Richtung.

Verzweifelt brachte Ludwig seine, ohnehin schon völlig durchwuschelte Morgenfrisur noch mehr durcheinander.

„Ich bin es nicht, ich bin nicht…“

„Gay? Oder schwul wie ihr dazu sagt?“

Der Spott in Francis‘ Stimme war einfach nicht zu überhören.

„Mon petit, da muss ich dir die schlechte Nachricht mitteilen, dass ich mir da nicht so sicher wäre. Aber gut, ich hatte schon andere in meinen Bett, welche in Nacht die Lust aus vollen Lugen rausgeschrien haben, um dann im festen Glauben zu ihren Ehefrauen zurückgekrochen sind, immer noch so rein heterosexuell zu sein, wie es die Gesellschaft vorschreibt. Wobei ich mich dann immer wieder gefragt habe, wie heterosexuell sie noch sind, wenn sie wieder bei ihren Frauen liegen… “

Lässig legte er ein Bein, über das andere und sah ihn unheilvoll herausfordernd an.

„Ça ira, mon Amour… ist doch nicht schlimmes dabei.“

Vorsichtig streckte Francis seine langen Finger aus, um Ludwig aufbauend auf die Schulter zu klopfen, aber mit einem Ruck drehte dieser sich weg.

„Fass mich nicht an!“, zischte der Jüngere aufbrausend und kaum mehr seiner Emotionen Herr. „Fass mich nie wieder an!“

Resigniert ließ Francis die Hand sinken.

„Wenn es dir dabei besser geht, dann kannst du dich gleich anziehen und verschwinden. Schade ums Frühstück, aber ich könnte es nachvollzeihen, wenn auch nicht verstehen.“

Ludwig hob den Kopf und sah ihn verzweifelnd an. Nachdem Francis eine weitere Wolke Rauch in die Zimmeratmosphäre geblasen hatte, wandte sich dieser ihn mit einem Blick zu, den man eigentlich nur jemanden schenkte, wenn man sich einem nervenden Schicksal ergab. Ein eisiges Schweigen etablierte sich zwischen ihnen. Es war jene Stille, die zwar zerbrechlich war, aber dennoch so hartnäckig dass es einem einen unangenehmen Schauer den Rücken runterjagte. Als die Zigarette sich dem Ende neigte und Ludwig noch immer nichts vom Frühstück angerührt hatte, stand Francis auf.

„Na gut, wenn du so wenig auf meine Gesellschaft legst, dann bin ich mal draußen. Vielleicht schaffst du es dann, ein paar Bissen runter zu würgen.“, sprach er noch bevor er durch die Türe aus dem Raum verschwand.

Ludwig sah ihn verzweifelt hinterher, während sein Gehirn weiterhin sich abplagte die Geschehnisse der letzten Nacht in ein Licht zu stellen, das mit seiner Auffassung von sich selbst harmonierte. Doch er schaffte es einfach nicht, eine passende Erklärung zusammen zu fantasieren, welche seine festgefahrenen Vorstellungen nicht ins Wanken brachte.

Kurze Zeit später hatte er zu Hälfte das Frühstück runtergewürgt, obwohl er eindeutig keinen Appetit verspürt hatte und war wie ein Dieb aus der Wohnung geschlichen, wohl wissend das ihn der Hausherr mit einem nachdenklichen, wie auch unsicheren Blick als Abschied bedacht hatte.

Ludwig zeigte Francis nicht an.
 

~*~
 

Fünfzehn Jahre später in Paris
 

„Ludovico!“

Hektisch fuchtelte Feliciano mit den Händen in der Luft, und wirkte als hätte er noch nie so viel Spaß gehabt, während er eine Gruppe Tauben vor sich her scheuchte.

Ludwig hingegen streckte sich im warmen Schein der Sonne auf einer Parkbank und versuchte sich so gut wie es ging zu entspannen. Es war schon sehr lange her, dass er in Paris gewesen war.

Eigentlich das erstes Mal seit dem Ende des Krieges und wenn er ehrlich war hätte er niemals gedacht, je wieder in der Stadt der Liebe zurück zu kehren.

Aber sein kleiner Italiener war hartnäckig gewesen und hatte aufgrund seiner romantischen Träumereien darauf bestanden ihren Urlaub nach Frankreich zu verlegen.

Der große Blonde seufzte abermals erhaben, als eine größere Schar an weiß-grauen Vögel in die Luft stieg, verfolgt vom hellen Lachen des kleinen Mannes.

Normalerweise zeichnete sich Feliciano durch ein Empathievermögen aus, auf das manche Frau neidisch wäre, doch in diesem Punkt hatte er sich über die Zweifel und den Unwillen seines Lebensgefährten einfach drüber hinweg gesetzt. Dabei war der Kleine der Grund, warum sich Ludwig mit seiner sexuellen Orientierung mit den er Jahrzehnte lang gehadert hatte, nun endlich im Reinen war.

Der junge Vargas hatte mit einer Engelsgeduld um ihn geworben, bis er schwach geworden war und sich seinen Ängsten mit seiner Hilfe stellen konnte.

Nie hätte er sich träumen lassen, jemals eine engere Beziehung mit einem Mann eingehen zu können, aber nun bereute er keinen Tag, an welchem er aufwachte und einen Ausblick auf ein braunes Haarbüschel auf seiner Brust hatte. Bis heute verstand er nicht, wie der Junge so schlafen konnte, aber er hatte es ebenfalls aufgegeben sich über die nächtlichen Verrenkungen seiner menschlichen Wärmflasche Gedanken zu machen.

Jedenfalls war er wieder in Paris, mit Feliciano, in einem kleinen Park, welcher sich in den letzten fünfzehn Jahren kaum sich verändert hatte.
 

Nur ein paar Gassen weiter hatte er einst in Besatzungszeiten einen hübschen Franzosen kennen gelernt und war dann nächsten Morgen in dessen Bett aufgewacht.

Ein kleiner Kloß bildete sich im Hals des Deutschen. Er wollte nicht an den Krieg denken und schon gar nicht an diese Bekanntschaft, welche einen unguten Anfang genommen hatte, um dann ein unwürdiges Ende zu finden. Das war auch eine seiner Bedenken gewesen, als Feliciano ihm Paris vorschlug.

Zu viele verwirrende und unangenehme Erinnerungen hafteten an dieser Stadt, doch der kleine Italiener hatte in diesem Punkt die gleiche Wirkung wie Valium auf seiner Seele.
 

Plötzlich senkten sich die drei Sitzbretter der Bank und bevor Ludwig auch nur den Kopf drehen konnte um zu sehen, wer so dreist war, sich ohne zu fragen neben ihn zu setzen, vernahm er eine ihm bekannte Stimme.

Eine Stimme, mit eindeutig französischem Akzent, die er das letzte Mal an einem trüben Morgen gehört hatte, als die Deutschen die französische Hauptstadt fest im Griff hatten.

„Mignon, der Kleine.“

Ungläubig starrte Ludwig seinen neuen Sitznachbarn an. Es war ihm, als wäre die Zeit eingefroren. Verdrängt war das Lachen seines Gefährten, verdrängt waren die anderen Parkbesucher, welche ein wenig Erholung unter den grünen Kronen der Bäume suchten und auch die Sonne erreichte ihn nicht mehr mit ihren wärmenden Strahlen.

Es gab nur ihn und diesen Franzosen, den er noch einmal zu treffen, vor allem unter diesen Umständen, nie zu glauben gewagt hatte. Als zu wahnwitzig hätte er diese Wahrscheinlichkeit gehalten.

Doch nun saß dieser Mann neben ihn und blickte ihn mit seinen herrlich blauen Augen an. Ludwig spürte wie sein Kloß, den er noch vor ein paar Momenten deutlich im Hals vernommen hatte, nur noch mehr anschwoll und ihn daran hinderte, auch nur ein Wort herauszubekommen.

Das sanfte Lächeln auf den geschwungenen Lippen des anderen intensivierte sich, als wäre sich der andere des inneren Kampfes bewusst, der im Geist des Deutschen tobte.

„Gehört der etwa zu dir? Dann schein dich ja das Glück in den letzten Jahren doch noch geküsst zu haben.“

Ein leichter süffisanter Unterton schwang in der Frage mit und die blauen Augen blitzten kurz auf. Doch Ludwig schaffte es immer noch nicht seinen starrenden Blick vom Gesicht des Franzosen zu wenden.

Zwar war es dem Francis anzumerken, dass fünfzehn Jahre vergangen waren, aber der jugendliche Eindruck, der ihn immer umgeben hatte, war geblieben. Leichte Falten zierten die Augenwinkel und auch das Haar war heller geworden, doch wovon Ludwig seinen Augen nicht abwenden konnte war die langgezogene Narbe, die sich quer über das Gesicht zog. Sie verschandelte nicht völlig die einstige Schönheit des anderen, aber war ebenfalls schwer auszublenden. Als wäre das Porzellangesicht des Franzosen durch einen hässlichen Riss geteilt.

„Ich weiß erschreckend, wenn man so was zum ersten Mal sieht.“

Francis klang nicht beleidigt oder indigniert, nur eine ermattende Müdigkeit in der Stimme ließ Ludwig vermuten, dass sich der Ältere daran gewöhnt hatte, wegen seiner verheilten Verletzung angestarrt zu werden. Tausend Gedanken überfluteten den gestressten Geist des Deutschen und bevor er sie auch nur ansatzweise ordnen konnte, drängte sich die dominanteste auf um ausgesprochen zu werden.

„War… waren das… ich meine haben dir das einst…“

Unerwartet kam ihm Francis zu Hilfe.

„Meinst du ob mir das die Bosche angetan haben?“

Wie selbstverständlich fuhr sich der Franzose über den Streifen heller Haut. In seinen Augen spiegelte sich eine deutlich zu vernehmende Verbitterung. Doch Ludwig spürte irgendwie und trotz seines kümmerlichen Einfühlungsvermögens, dass diese hässliche Empfindung nicht gegen ihn gerichtet war.

„Wenn ich das behaupten könnte, würde ich Euch ruhiges Gewissen mehr verachten. Aber nein, es wart nicht Ihr.“ Francis lehnte sich zurück und platzierte die Arme hinter das Holzbrett der Lehne, wobei er aufmerksam das Lichtspiel des Blätterdachs über ihnen beobachte.

„Seltsam, das du mit diesem Thema unser Wiedersehen eröffnest. Aber ich kann es nicht verdenken, trug ich diese nette Verzierung noch nicht an dem Morgen wo du aus meinen Zimmer gestolpert bist.“

Augenblicklich verkrampfte sich Ludwig nur noch mehr, und nervös verschränkt er die Finger ineinander.

„Verzeih, ich hätte dich nicht darauf ansprechen sollen.“

Für eine Weile spürte der Deutsche die blauen Augen sich ruhen, bis er sich dann einer Hand auf seiner Schulter bewusst wurde.

„Wie gesagt, es wundert mich nicht und hättest du vom Krieg eine ähnliche Wunde im Gesicht davongetragen, glaub ich hätte ich mich ähnlich verhalten. Zudem es bei deiner Visage schade gewesen wäre. Also mach dir keinen Kopf darüber.“

Das warme Lächeln ließ nur stückchenweise das schlechte Gewissen des Deutschen verschwinden. Doch Francis wartete nicht auf sein Gewissen sondern redete einfach weiter.

„Es waren die meinigen die mir das antaten. Schließlich bin ich ja nur ein Pédé, welcher deutschen Ärschen hinterhergehechelt hat und dabei die Patrie vergessen habe.“

Ein bitteres Lachen schallte in Ludwigs Ohren wieder, welcher endlich geschafft hatte seinen Blick auf den Boden vor sich zu wenden. Doch nun wo er den Sinn der Aussage erfasst hatte suchte er zögerlich die blauen Augen des anderen.

„Wie bitte?“

Francis beugte sich ebenfalls vor und stützt sich mit den Ellbogen auf seine Schenkel ab.

„Nun ja, kaum wart ihr aus Frankreich verscheucht worden, begannen viele heldenhafte Mitglieder der Resistance nach den Kollaborateure in der eigenen Bevölkerung zu suchen. Vor allem junge Dinger, welche sich entgegen jeglichen patriotischen Gefühlen mit Deutschen eingelassen haben. Welche Heuchler…“

Francis blickte gedankenverloren auf das unruhige Wasser des Brunnen vor ihnen und schien in seiner kleinen Welt aus Erinnerungen gefangen zu sein.

„Nun ja und nachdem für viele dieser Hohlköpfe es nicht abwegig war, dass wenn man schwul ist, auch Landesverrat begangen hat, wenn man hin und wieder einem Deutschen nachgeschaut hat, haben sie sich auch einem selber zur Brust genommen. Nur bei mir beließen sie es nicht dabei mich meiner Haare zu berauben. Ich hatte das unendliche Pech ihnen in die Finger zu fallen, als sie schon zu sehr die Wahrheit im Wein gesucht hatten. “

Ludwig nickte mechanisch, während sein Hirn die einzeln vorgeworfenen Puzzlestücke zusammensetze, doch kaum war das Bild fertig wünschte er sich, er wär vor den Vorstellungen verschont geblieben.

„Aber gut, ich habe genug Jahre meines Lebens an den Gram dieser Zeit verschwendet. Kommen wir zu was anderem. Ich hätte wahrlich nicht gedacht, dich noch einmal in Paris zu sehen.“

Ludwig vernahm eine ehrlich gemeinte Wärme in der Stimme und trotz dieser nett gemeinten Geste, stieg sein Unbehagen nur weiter an. Die zuletzt erhaltenen Informationen, die Erinnerungen an den Krieg aber vor allem die Gewissheit neben dem Mann zu sitzen, welchen er vor so vielen Jahren barsch abgewiesen und sogar mit einer Anzeige bedroht hatte, lasteten schwer auf ihn. Eine leichte Hitze stieg auf seine hohen Wangen, doch nicht aus Verlegenheit, sondern mehr aus Scham des Ausganges ihres letzten Treffens.

„Wer ist das, Ludo?“, riss ihn eine wohlbekannte Stimme aus seiner Starre. Feliciano war zu ihnen gekommen und linste sie beide aus seinen großen, beinahe goldenen Augen fragend an. Bevor Ludwig nur reagieren konnte, hatte Francis seine Hand ausgestreckt und die des kleinen Italieners ergriffen.

„Francis, Francis Bonnefoy. Ich bin ein Bekannter Louis‘ aus Kriegszeiten.“

Ein Strahlen erleuchtete das feine Gesicht Felicianos und mit Begeisterung schüttelte er die Hand des Franzosen. Erstaunt fiel Ludwig auf, das der Blick seines Freundes nur kurz über die Narbe gehuscht war, ohne auch nur eine Sekunde zu lang auf ihr zu verweilen. So als könnte Feliciano sie nicht sehen.

Doch dieses Verhalten verwunderte Ludwig bei seinem italienischen Schatten schon lange nicht mehr. Feliciano hatte ein Talent die Schattenseiten anderer Leute gekonnt zu ignorieren.

Wie sonst sah er über die mörderische Aura seines Zwillings hinweg, der vielleicht geweihter Priester in Sizilien war, aber bis über beide Ohren tief in mafiösen Angelegenheiten steckte. Auf jeden Fall nach Ludwigs Ansichten.

„Freut mich, Feliciano Vargas. Ludovico hat mir gar nicht erzählt, dass er Bekannte in Paris hat. Ist das dann nicht toll, wenn wir Signore Bonnefoy hier treffen, Ludo. Ach, Ihr werdet so viel mit einander zu bereden haben.“

Ludwig wollte eben übereilt darauf antworten, doch abermals kam ihm jemand zu vor.

„FROGFACE!“

Überrascht wandten sie drei sich, wie auch alle anderen Anwesenden in diesem Platz sich nach dem Urheber dieses Aufrufes um. Ein Mann, ungefähr im Alter von Ludwig, stapfte mit mehr als verärgertem Ausdruck im Gesicht auf sie zu. In seinen Händen hielt der Blonde zwei Tüten Eis.

„Arthur…“, säuselte Francis unbeeindruckt über den wandelnden Ärger und erhob sich grazil.

„Je te cherche depuis dix minutes, bloody Forg. Depuis dix minutes, then you fuck…“

Der durch seinen Akzent eindeutig zu erkennen Engländer hatte Francis einfach das Wort abgeschnitten, indem er ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen drückte und dabei eines der Eis ihm aus der Hand nahm. Ludwig konnte aus den Augenwinkeln beobachten wie mehre andere Menschen um sie herum plötzlich stehen geblieben waren und die beiden Männer begafften.

Eine ältere Frau, welche bis dahin still auf einer der nächsten Parkbänke gesessen hatte, stand brüskiert auf und ging, wobei Ludwig sehr wohl vernehmen konnte, wie sie über möglichere Schweinerein auf ihrer Muttersprache schimpfte.

„Louis, Feliciano, darf ich euch mon petit ami vorstellen? Arthur Kirkland. Arthur, das sind Ludwig Beilschmid und Feliciano Vargas. Louis ist eine Bekanntschaft aus den Vierzigern.“

Der eben vorgestellte Kirkland hatte von dem Kuss, der ihm sämtliche Aufmerksamkeit des Parkes gesichert hatte, noch immer ganz rote Wangen, wobei er noch mehr schlecht als recht im gebrochenem Deutsch „Hoch erfreut“ mummeln konnte.

Ludwig runzelte die Stirn. Er hatte in seinen ganzen Leben keine so dicken Augenbrauen gesehen wie bei diesem Briten. Dagegen wirkten die grünen Augen und der altbackene Kleidungsstil Kirklands regelrecht banal.

„Ach, so spät“, entfuhr es Francis als er einen kurzen Blick auf seine Handbanduhr war, ein exquisites Stück wie Ludwig bemerkte. „Ich fürchte wir müssen unser Wiedersehen bei einem Abendessen wiederholen. Was haltet ihr davon, wenn wir uns morgen um sechs Uhr nachmittags vor Notre-Dame treffen. Dorthin zu finden müsste für Euch keine große Schwierigkeit sein.“

Feliciano langte nach der Hand Ludwigs und drückt sie sanft.

„Natürlich, wir werden da sein“, ließ er seine Freude auf ein Essengehen verlautbaren, ohne dass Ludwig auch nur die Chance gehabt hätte Einspruch zu erheben. Auch Arthur wurde großzügigerweise nicht um seine Meinung gefragt. Francis zuckte eine Karte aus seinem Jackett und reichte sie Ludwig.

„Falls alle Stricke reißen, könnt Ihr mich damit erreichen.“

Mit einem Augenzwinkern richtete sich Francis wieder auf und ergriff mit seiner freien Hand die des Engländers. Bevor er sich jedoch umdrehte um zu gehen, wandte er sich noch ein letztes Mal an Feliciano.

„Pass gut auf Louis auf, er verirrt sich in Paris gerne zu den seltsamsten Gestalten und es wär schade, wenn er dir abhandenkäme.“

Bei diesen Worten, die bei jedem anderen auf Misstrauen gestoßen wäre, winkte der kleine Italiener fröhlich dem ungleichen Paar hinterher.

„Keine Sorge, ich weiß was ich an meinen Ludo habe. Bis morgen.“

Spätestens jetzt war Ludwig sicher, dass nicht nur Arthur und Francis sich komische Blick von der Seite sicher sein konnten. Doch seltsamerweise schlich sich ein sanftes Lächeln auf seine Lippen bei dieser Erkenntnis. Ja, Feliciano war jegliche Strapazen auf seine Art wert.
 

Fröhlich pfeifend ging Francis mit Arthur an der Hand die Straße entlang. Das Eis hatte schon seit gut zwei Straßenecken seinen letzten Weg in ihre Bäuche angetreten und auch die Sonne ließ langsam die Schatten der Gebäude unnatürlich lang werden.

Die schiefen Blicke und auch die beleidigenden Kommentare in ihre Richtung, blendete der Franzose mit einer nach Jahren antrainierten Gelassenheit aus. Er hatte sich dran gewöhnt angegafft zu werden, nun da seine Andersartigkeit ihm so offen ins Gesicht geschrieben stand. Doch Arthur war dieser Zustand noch immer regelmäßig unangenehm und Francis wusste das es größtenteils nur der tiefen Zuneigung des Briten ihm gegenüber zu verdanken war, dass er entgegen jeder Sitte ihre Beziehung auch außerhalb geschlossener Wohnungstüren zeigen durfte.

Ebenso wusste er dass es sich nicht geziemte sein etwas anders Privatleben so unverschämt in die Öffentlichkeit zu kehren. Aber er selber war zu verbittert von der Gesellschaft als das er ihr diesen Gefallen an Diskretion erweisen wollen würde und hinter der steifen Fassade seines kleinen Engländers mit den viel zu dicken Augenbrauen hockte nun mal auch ein kleiner Rebell.

Dies war auch einst der Grund gewesen, warum Arthur etwas mit ihm angefangen hatte. Nur um den anderen zu beweisen, dass auch er die Gelegenheit zu etwas ganz Verrücktem ergreifen konnte.

Diese Scharade hatte auch gehalten bis sich der Brite dann ernsthaft sich in ihm verliebte.

„Wer war das, Francis?“

Mit einem Lächeln drehte Francis leicht den Kopf und bedachte den noch immer grummeligen Briten liebevoll.

„Wie gesagt, eine alte Bekanntschaft aus Kriegszeiten.“

Der Franzose wusste dass Arthur ebenfalls einst der Krieg als Soldat erlebt hatte. Ein Schicksal, für das er nicht zu teilen immer wieder aufs Neue dankbar war.

„Eine alte Bekanntschaft aus dem großen Krieg,… ein Deutscher?“

Den Zweifel in der Stimme konnte Francis einfach nicht ausblenden, sodass er stehen blieb und sich zu seinem Freund umdrehte.

„Ja, ein Deutscher, und ja, ich habe einst mit ihm geschlafen, bevor du dir es denkst, denn fragen wirst du mit Sicherheit nicht. Aber…“

Sanft legte Francis einen Finger auf die Lippen des anderen, als dieser sich das Wort holen wollte. Das Grün seiner Augen hatte sich durch den Winkel des geneigten Kopfes intensiviert, wie Francis fasziniert feststellte.

„Aber, lass mich ausreden, mon Amour. Er war genau so hilflos wie du. Voller Angst über seine Gelüste und Neigungen. Ich war es jedoch nicht, der ihn aus seiner inneren Krise rauszerrte, das hat ein anderer als ich getan und ich glaube behaupten zu können, er ist glücklich mit dem kleinen Italiener. Er scheint meinen Rat von einst offenbar beherzigt zu haben.“

„Und was war dein Rat?“

Mit Nervosität begegnete Arthur den Blicken von den Seiten, standen sie beide doch recht nahe beieinander.

In der Art und Weise, wie Liebespaare zueinander standen, aber nicht zwei erwachsene Männer.

„Das was ich dir schon einmal gesagt habe. Ça ira, mon Amour…“, flüsterte Francis noch, bevor er vor allen Leuten seine Liebe zu diesen Mann mit einem Kuss besiegelte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Betagelesen von Vogelbeere

Geschichtlicher Kontext:
Nach dem zweiten Weltkrieg standen von der Resistance nicht nur Frauen in Verdacht, Kollaborateure gewesen zu sein, wenn sie Kontakt zu deutschen Männer gehabt hatten, sondern auch viele männliche Homosexuelle, die man aufgrund ihrer sexuellen Neigung ebenfalls beschuldigt hat, den Deutschen nur allzu hilfsbereit gewesen zu sein.

Übersetzungen:
„Ça ira, mon Amour“-> Das wird schon irgendwie gehen, mein Schatz(oder anderen Kosenamen für die Geliebte Person)…
„mon petit ami“->DER Freund, Geliebter, etc.
„Tient, déjà réveillé, mon petit poussin ?“ -> Sieh an, schon wach, mein kleines Küken? Komplett anzeigen

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