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Doors of my Mind

Der Freund meiner Schwester
von

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Ich, der Bruder seiner Freundin

Kapitel 16 Ich, der Bruder seiner Freundin
 

Obwohl Raphael das gesamte Wochenende bei uns verbringt, wechseln wir kein weiteres Wort miteinander. Maya ist zu jeder Sekunde bei ihm und auch sonst scheint er mir aus dem Weg zu gehen. Ich kann es ihm nicht verübeln. Auch für mich ist es noch immer seltsam, vor allem wenn meine nicht erwähnenswerte Fantasie einsetzt und ich sabbernd die Situation weiterspinne. Oft ziemlich stupide, aber, was soll ich sagen? Allein der Gedanke daran, wie er nackt vor mir steht und seinen gestählten Körper an mir reibt, lenkt meinen Geist immer nur in eine Richtung. Ich, wild keuchend unter ihm. Wahlweise über ihm. Hauptsache mit ihm.

Genau diese Bild zeichnet sich in meinem Kopf, als ich am Dienstag in der Mensa auf Shari warte. Ich lümmele mich auf einen der unbequemen Plastikstühle und lasse meinen Kopf nach hinten hängen, während ich mir vorstelle, wie Raphael mir die Leviten liest. Ich schließe die Augen, sehe sofort Raphaels trainierten Körper, der sich unnachgiebig an meinen drückt. Sein warmer Atem, wie er auf meine Haut trifft. Ich lechze nach dem Geschmack seiner Lippen. Ich habe eine Kostprobe bekommen und jetzt ist es noch schlimmer als vorher. Ich atme kontrolliert ein und wieder aus. Als ich die Augen öffne, blicke ich in Sharis verkehrtherum stehendes Gesicht.

„Salam aleikum", piepse ich ihr entgegen und sehe, wie sich eine ihrer feinen Augenbrauen hebt.

„Wa aleikum al salam", antwortet sie mir perfekt und ohne zu zögern. Sie lächelt, ihr schönes Shari Lächeln.

„Was tust du da?" Sie beugt sich noch immer zu mir herab und verschränkt die Arme vor der Brust. Ein paar ihrer schwarzen Haare kitzeln meine Wange und ich puste sie davon.

„Ich träume."

„Wovon?" Die Frage lautet wohl eher von wem, aber das sage ich natürlich nicht.

„Von einem riesigen Gummibärchen mit Waldmeistergeschmack", flachse ich träumerisch. Sie richtet sich auf, verzieht das Gesicht skeptisch und lässt sich auf dem Stuhl neben mir nieder. Sie weiß, dass ich nur rumspinne. Ich lehne mich nach vorn und sehe einigen Mitschülern dabei zu, wie sie ihre Tabletts mit Essen hin und her tragen.

„Ich befürchte langsam, dass bei deinem Sturz am Freitag doch mehr kaputt gegangen ist, als gedacht."

„Ich bin schon immer so gaga. Ich habe es nur besser versteckt."

„Das heißt, ich muss jetzt ständig mit solchen kuriosen Kommentaren rechnen?", stellt sie fest und macht dabei ein furchterfülltes Gesicht.

„Zu jeder Tag- und Nachtzeit", kommentiere ich verschwörerisch und schiebe den Stuhl zurück. Shari schüttelt den Kopf, beginnt aber zu kichern. Nun fragt auch sie sich, was bei mir schief gegangen ist. So, wie alle anderen auch.

„Ich besorge uns jetzt Mittagessen. Hast du einen Wunsch?", bestimmt stehe ich auf. So viele Möglichkeiten haben wir in unserer rumpligen Kantine sowieso nicht. Für einen Moment überlegt sie, streicht sich grübelnd über das Kinn, dann hellen sich ihre schönen Augen deutlich auf.

„Spaghetti! Mit ganz viel Käsesoße!" Ich lache, nicke und verschwinde zur Essensausgabe. Ich hole uns zwei Teller der Nudeln mit Käsesoße, eine Cola und schlendere zu unserem Tisch zurück. Schon von weitem sehe ich Andrew neben ihr stehen. Shari lächelt und blickt ab und an verlegen zur Seite. Ich verlangsame meinen Schritt und versuche den Beiden so viel Zeit wie möglich zu geben. Also nehme ich einen Umweg, gehe einmal um die Tische herum und nehme dann den Weg schlängelnd durch die Reihen. Bald ist unser Essen kalt. Als Andrew aufschaut und mich sieht, muss ich mein normales Tempo fortsetzen.

„Mark", sagt Andrew und ich stelle das Tablett mit unserem Essen auf den Tisch ab.

„Andrew. Wie geht's dir?", frage ich höflich.

„Könnte besser sein, aber ich arbeite daran." Er lächelt und schielt zu Shari. Ich belasse das Besteck in meiner Hand und lasse es hinter meinem Rücken in der Hosentasche verschwinden.

„Dann wünsche ich dir viel Erfolg. Oh, ich hab das Besteck vergessen. Ich komme gleich wieder." Ich blicke lächelnd zu Shari und sehe, wie sich eine feine Röte auf ihre Wangen legt. Ich winke ihr zu, hole beim Umdrehen das Besteck hinter meinem Rücken hervor und stiefele zurück zur Essensausgabe. Ich lasse mir Zeit, sehe mich in der Mensa um und gehe dann zurück. Shari ist wieder allein und hat bereits die Teller verteilt. Ich schiebe ihr Gabel und Löffel zu und grinse breit.

„Was soll dieses Gesicht?", erfragt sie nach einer umfassenden Musterung meiner selbst.

„Aber das ist doch mein normales Gesicht", sage ich entsetzt und grinse einfach weiter. Ich fahre mir mit beiden Händen über die Wangen und bekomme es einfach nicht weg.

„Und?", hake ich nach, nachdem sie keine Antwort gibt. Sie zuckt mit den Schultern, presst ihre Lippen aufeinander.

„Ich habe ihm vorgeschlagen, dass wir ja Mal zusammen Mittagessen können." Sie flüstert und wieder erscheint diese sanfte Röte.

„Braves Mädchen", entgegne ich begeistert. Nun steckt sie mir dir Zunge raus. Das Essen ist gut. Cremig. Käsig. Nach der Pause trennen sich unsere Wege.
 

In der Sporthalle angekommen, falle ich fast aus allem Wolken. Entsetzt starre ich in die Halle hinein. Diesmal ist sie komplett zu gebaut. Überall liegen Gymnastikmatten und Geräte und ich verfluche die Mädchen, weil sie alle so schwach sind, dass sie die Matte nach ihrem Training nicht ordentlich zurückräumen können. Sie allein zu stapeln wird eine Qual. Ich hebe mir bei jeder Matte fast einen Bruch und lasse mich, als ich fertig bin, geschafft auf dem Stapel Matten fallen. Ich höre die Jungs von Raphaels Trainingstrupp in die Umkleideräume gehen. Sie lachen und ich folge ihnen träge.

Ich schmule durch die Tür und frage laut, wie der Sportplatz aussieht. Plötzlich werde ich von hinten in den Raum geschoben und blicke in Danny belustigtes Gesicht.

„Mark, der Eroberer."

„Das war Alexander."

„Ist doch Wurst." Er grinst.

„Zum Sportplatz brauchst du nicht. Wir waren brav und ordentlich."

„Irgendwas müsst ihr ja können", sage ich neckend und ernte empörtes Schnauben aus der gesamten Truppe. Ich setze mich auf eine Bank vor einem Spind, der nicht in Benutzung ist. Danny wirft mir ein Handtuch ins Gesicht. Ich ächze angewidert. Wenigstens ist es sauber. Ich werfe es ihm prompt zurück.

„Mach du uns nicht auch noch fertig", beschwert er sich murmelnd.

„Was meinst du?"

„Raphael hält uns auch schon für unfähig", sagte er fast bemitleidenswert und ich grinse.

„Im Moment ist es echt haarig. Raphael scheucht uns, wie ein Verrückter. Das ist nicht mehr normal. Er sollte sich selbst mal richtig auspowern, damit er uns nicht mehr so auf die Nerven geht", fährt Danny fort, während er sich langsam auszieht.

„Immer noch wegen des Turniers?" Ich erinnerte mich, dass es an irgendeinem Freitag ist.

„Das ist nur Vorwand, aber ehrlich, der muss so unter Strom stehen, dass er nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Er hat uns 100 Wiederholungen machen lassen und dann noch mal 50. Alter, wir sind fix und alle." Ich sehe dabei zu, wie Danny seinen Kopf schüttelt.

„Na, wenn euch 150 mickrige Wiederholungen schon zu viel sind, solltet ihr besser keine Sportler werden", gebe ich trocken von mir. Ich weiß, dass ich nicht gerade hilfreich bin.

„Haha, du bist heute wieder ein Scherzkeks. Ich will dich mal sehen. Du brichst doch bei 20 Push-ups zusammen."

„Nach 25 Stück und ich schimpfe mich nicht Sportler", gebe ich wahrheitsgemäß zurück und Danny beginnt zu lachen. Das kehlige, laute Geräusch erfüllt den gesamten Raum. Ich lehne mich zurück und lasse meinen Blick wandern.

„Raphael hat doch eine Freundin. Die sollte er besser zu nutzen wissen, oder?", kommt es von einem anderen. Weitere dämliche Sprüche folgen. Ich versuche die Kommentare zu ignorieren. Doch plötzlich schlagen sie von allen Seiten auf mich ein. Ein hormongeladener Schlagabtausch über die möglichen Qualitäten von Frauen, wie meiner Schwester eine ist. Blond. Blauäugig. Willig. Raphael als ihre Beute. Zu ihrer Verteidigung muss ich sagen, dass die Meisten nicht wissen, dass Raphaels Freundin meine Schwester ist.

„Leute...", tadelt Danny und stoppt das dumme Gerede. Ich sehe ihn dankend an.

„Aber ehrlich...", setzt nun Danny leise an, „Mit allen erdenklichen Respekt vor deiner Schwester, aber sie sollte ihn öfter ranlassen." Bei der Thematik Raphael und Sex mit meiner Schwester, sträubten sich mir die Haare und ich spüre, stets diesen Stich im Herzen. Es zwingt mich zurück zum Galgenhumor.

„Wahrscheinlich kommt er nicht an ihrem Keuschheitsgürtel vorbei. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie den Schlüssel für Lebzeiten verschluckt hat." Ich mache vor, wie ich den Schlüssel verschlucke und grinse. Danny lacht. Ich denke an den gestrigen Abend. An Raphaels Blick und seine Reaktion. Ich stehe nicht zu dem, was ich sage, doch ich muss den Schein wahren. Der Gedanke an Raphael und meine Schwester schmerzt.

„Tja, ist scheiße sich so abzurackern und nicht zum Schuss zu kommen", kommentiere ich weiter und höre Danny kehliges Gelächter lauter werden. Auch die anderen setzen ein und ich wende meinen Blick ab. Ich fühle mich schlecht. Ich sehe zur Tür und schaue direkt in Raphaels grüne Augen. Das erst wütende Funkeln wandelt sich in pure Enttäuschung. Ich schlucke. Ich spüre, wie mir Danny gegen die Schulter schlägt und sehe zu, wie Raphael durch die Tür verschwindet. Ich stehe auf und folge ihm unvermittelt. Seine Schritte sind schnell, doch ich hole ihn ein.
 

„Raphael", rufe ich ihm nach. Er bleibt vor seinem Auto stehen, dreht sich aber nicht zu mir um. Mit wenigen Schritten habe ich zu ihm aufgeschlossen. Seine Hand ballt sich zu einer Faust. Er ist sauer.

„Können wir bitte reden."

„Worüber, dass es dir Spaß macht über meine Probleme herzuziehen und dich darüber lustig zu machen?" Ich weiß nicht, was ich sagen soll, denn genauso ist. Abgesehen davon, dass es mir keinen Spaß macht.

„Ich weiß, dass du uns das letzte Mal beobachtest hast", fährt er fort. Während er spricht, dreht er sich zu mir um. Seine Augen funkeln wieder. Natürlich bekomme ich vieles mit, schließlich lebe ich im gleichen Haus. Direkt in dem Zimmer daneben. Ich schlucke den Kommentar runter, denn er ist nicht hilfreich.

„Ich erzähle dir von diesen wirklich privaten Problemen und ... Ich dachte, ich kann dir vertrauen." Ich habe von den Problemen nie etwas hören wollen.

„Raphael, ich..." Ich weiß nicht, wie ich ihm erklären kann, dass ich, das nur gesagt habe um irgendwie mit der Tatsache klar zukommen, dass ich in den Freund meiner Schwester verliebt bin. In ihn. Wie ich es ihm erklären kann, ohne all das preisgeben zu müssen. Auch die seltsamen Begegnungen mit Raphael in der Umkleidekabine, in Mayas Zimmer und dem ständigen Aufeinandertreffen bei mir zu Hause zwingen mich dazu auf eine andere Art und Weise damit umzugehen. Ich mache es lächerlich, denn das ist für mich das Einfachste.

„Wieso machst du das? Abgesehen davon, dass du mich vor meinen Schülern lächerlich machst, verletzt du mich damit. Ich dachte, du wärst feinfühliger und keiner dieser dummen Idioten." Raphael deutete auf die Umkleidekabine, wo die gerade angesprochenen Schüler herauskommen, lachen und gehen. Doch, ich bin anscheinend einer dieser dummen Idioten. Ich kämpfe mit entschuldigenden Worten, doch nichts kommt über meine Lippen.

„Mark Dima ist sprachlos? Was für ein Wunder und schon eigenartig. Du hast doch sonst für alles einen schlagfertigen und dummen Kommentar", legt er zu Recht verärgert nach. Ich fühle mich noch schlechter und atme tief ein.

„Es tut mir Leid, okay? Ich habe nicht nachgedacht und ich wollte dich nicht diffamieren." Mit jedem Wort wird meine Stimme leiser. Meine eigenen Worte überzeugen mich nicht.

„Ja, nicht nachgedacht, genau!" Ich sehe dabei zu, wie er seinen Schlüssel aus der Tasche nimmt und dann wieder zurück zur Umkleidekabine geht. Er trägt noch immer seine Trainingssachen. Unentschlossen und hadernd folge ich ihm. Ich möchte das nicht so stehenlassen.

Raphael steht vor seinem Spint als ich eintrete und zieht sich das Shirt über den Kopf. Ich erstarre und zwinge mich dann dazu mich wegzudrehen.

„Es tut mir wirklich leid. Wirklich. Ja, ich bin ein Idiot und ich hätte darüber nicht sprechen dürfen, aber du musst mir glauben, dass dich verletzen das Letzte ist, was ich will." Er hält in seiner Bewegung inne und sieht mich an. Etwas in seinem Blick ist verändert.

„Spar es dir", sagt er enttäuscht und ich spüre ein Stechen, welches durch meinen Brustkorb fährt. Mit Wut kann ich umgehen, aber Enttäuschung tötete mich. Langsam und qualvoll.

„Ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll", bekenne ich ehrlich.

„Womit umgehen?", fragt er und ich höre Verwunderung.

„Das ausgerechnet du, der Freund meiner Schwester bist.", gestehe ich flüsternd. Raphael schließt leise seinen Spint und sieht mich an. Ich weiß nicht, wie er meine Aussage versteht, doch in diesem Moment ist es mir egal. Ich fühle mich schlecht und habe Angst, dass Raphael nie wieder ein Wort mit mir spricht und ausgerechnet jetzt schweigt er. Minuten lang. So fühlt es sich jedenfalls an.

„Mir war nicht klar, dass es dich so sehr stört", sagt er nach einer Weile und ich verdrehe die Augen. Natürlich versteht er es falsch. Raphael hat es nicht verstanden und ich bin mir nicht sicher, ob ich erleichtert oder verstört bin. Ich fasse mir an dir Stirn und ein seltsames knurrendes Geräusch perlt von meinen Lippen.

„Stören ist eindeutig das falsche Wort." Frustrieren trifft eher, aber das sage ich nicht. Dieses Gespräch führt zu nichts. Ich streiche mir ermattet durch die Haare.

„Was dann?", drängt er mich. Ich fahre mir über das Kinn, spüre Stoppeln und meinen zusammengebissenen Kiefer und zucke abwehrend mit den Schultern.

„Egal, vergiss es einfach", knurre ich ernüchtert. Ich drehe mich zum Ausgang. Gehen ist gerade die beste Option für mich, sonst würde ich vor Frustration explodieren.

„Ich habe dich mit Marikas Cousin gesehen." Unvermittelt. Ich bleibe abrupt stehen und spüre, wie sich mein Puls beschleunigt. Ich denke an Jake und an den Moment zurück. Unseren Kuss. Sofort frage ich mich, wie viel Raphael wirklich gesehen hat. Ich versuche meine Aufregung runterzuschlucken, doch es klappt nur geringfügig. Wie soll ich reagieren? Ich weiß es nicht. Konfrontation? Abstreiten? Runterspielen? Ich entscheide mich für Runterspielen.

„Und? Wir haben uns auf Marikas Partys getroffen und verstehen uns ganz gut", sage ich desinteressiert und höre das Rauschen meines pulsierenden Blutes im Ohr. Raphael hat wahrscheinlich gar nichts gesehen. Wir haben uns schließlich die meiste Zeit nur unterhalten. Nur geredet.

„Du hast ihn geküsst. Einen Mann", sagt er leise. Das kleine bisschen Hoffnung geht flöten. Noch immer stehe ich mit dem Rücken zu ihm und kann somit seinen Gesichtsausdruck nicht sehen. Was nun? Konfrontation? Rückzug? Ich bin unsicher. Ich habe keine sinnreiche Erklärung für den Kuss. Außer dem, was war. Wie begründet man den Kuss mit einem anderen Mann ohne das Offensichtliche? Ich versuche ruhig zu bleiben und wende mich ihm zu. Erschrocken weiche ich zurück, als er plötzlich vor mir steht.

„Und?", presse ich hervor und versuche aus seinem Gesicht herauszulesen, was er denken könnte. Doch ich schaffe es nicht. Mein Blick wandert über sein Gesicht und weiter hinab. Seinem Körper entlang, denn er steht mit nacktem Oberkörper vor mir.

Er merkt nicht einmal, was er mit dieser einfachen Tatsache in mir anrichtet. Ich schlucke und meine Gedanken gleiten zu dem Tag in der Dusche zurück. Ich war ihm so nah gewesen, habe seine Haut auf meiner gespürt. Noch jetzt durchfährt mich ein impulsives Kribbeln. Er folgt meinem Blick und weiß ganz genau, was ich mir gerade angesehen habe. Ich stocke, als mir klar wird, dass Raphael an dem Tag schon von Jake gewusst haben muss.

„Warum hast du ihn geküsst?", fragt er weiter. Ich sehe wieder auf. Warum? Was ist das für eine Frage? Er kommt noch weiter auf mich zu. Unwillkürlich mache ich einen Schritt zurück und ich stoße gegen einen der Schränke. Raphael stoppt direkt vor mir. Sein Blick ist undefinierbar und ich vergesse zu atmen. Er lehnt sich nach vorn und stützt seine Arme genauso ab, wie beim letzten Mal. Frontal. Direkt neben meinem Körper. Kein Entkommen. Doch diesmal sehe ich ihn herausfordernd an.

„Warum nicht?", flüstere ich ihm entgegen. Er weiß es, was also soll noch passieren? Seine Nähe elektrisiert mich. Hitze sammelt sich in meine Körper. Raphael zögert, doch egal was er auch vorhat, ich komme ihm zuvor. Ich überbrücke die letzten Zentimeter und küsse ihn. Es ist fast nur ein Hauch. So schnell ziehe ich mich wieder zurück. Doch etwas in mir beginnt zu pulsieren. Heftig und unnachgiebig. Eine Kurzschlussreaktion, aber das Gefühl seine weichen und warmen Lippen zu spüren, ist alles Folgende wert. Egal, was es ist.

Raphael stockt, aber weicht nicht zurück. Ich sehe, wie die Ader an seinem Hals pulsiert, sehe seinen überrumpelten Blick, aber keine Abscheu, keinen Ekel.

„Nun habe ich auch dich geküsst, und?", sage ich keck und höre meine Stimme selbst leicht zittern. Ich sehe ihn an. Mein Blick ist weiterhin provozierend. Ich rechne mit allem, aber nicht damit, dass er sich zu einem weiteren Kuss nach unten beugt. Mein Herz setzt aus. Seine Lippen legen sich auf meine. Vorsichtig, überprüfend und fast scheu. Ich bekomme Gänsehaut bis zu den Zehen. Wellenartig durchfährt es mich und ich schließe instinktiv meine Augen. Ich möchte mehr davon spüren. Wie tausende kleine Stromstöße jagt es durch mein Leib. Ich öffne die Augen wieder. Er sieht mich dabei an, während seine Lippen wieder und wieder auf meine treffen und ich blicke zurück. Seine wunderschönen Augen dringen tief in mich ein. Ich warte darauf, dass er sich wieder von mir entfernt, doch er schließt seine Augen und intensiviert den Kuss. Er umschmeichelt meine Unterlippe, neckt die obere und ich spüre die Stoppeln seines Barts an meinem Kinn, wie ein angenehmes Kitzeln. Seine rechte Hand wandert vom Schrank zu meinem Rücken und er drückt mich dichter an sich. Seine warmen, süßen Lippen. Sie schmecken fantastisch. Ich lasse mich hineinfallen und genieße es.

Es fühlt sich zu gut an, um richtig zu sein. Ich spüre den Ruck, der durch seinen Körper geht. Raphael versteift sich, beendet den Kuss und drückt sich von mir weg.

„Verdammt. Nein." Er wendet sich von mir ab und fährt sich unsicher durch die Haare.

„Scheiße, du bist der Bruder meiner Freundin und ich bin nicht...das ist falsch." Er spricht es nicht aus. Ich presse meine Lippen aufeinander, schmecke die hinterlassene Süße und sehe ihn direkt an. Der Schrank in meinem Rücken ist die Stütze, die ich gerade benötige.

"Schwul. So wie ich", vollende ich den abgebrochenen Teil seines Satzes. Nichts davon ist falsch. Nichts. Meine Hand umgreift die Ecke des Schranks, bietet weiteren Halt.

"Es ist also falsch?", frage ich leise, fasse mir mit der freien Hand an den Bauch und spüre, wie das erregende Kribbeln weniger wird. Bis es komplett verschwunden ist und ich vollständig in der Realität ankomme. Raphael schweigt. Ich bin noch immer überwältigt von dem Moment und verunsichert. Was hat das zu bedeuten? Raphael dreht sich zu seinem Spint, stemmt die Arme in die Seite und läuft ein paar Schritte von mir weg. Er dreht sich zu mir um und dann genauso schnell wieder weg. Seine Hand schnellt nach vorn und er schlägt mit der flachen Hand gegen den Schrank. Das Geräusch scheppert laut durch den Umkleideraum und ich zucke heftig zusammen. Mein Herz rast. Ich kann es, aber nicht ruhen lassen.

„Was bitte ist daran fa...?"

„Mark, halt den Mund, bitte!", fleht er mich an und ich schlucke den Rest meiner Frage runter. Er stopft seine Sachen in die Tasche, zieht sich ein Shirt über und rauscht an mir vorbei. Mein Magen verkrampft sich und der stechende Schmerz in meiner Brust wird mit jeder Minute stärker. Ich sehe dabei zu, wie die Tür ins Schloss fällt. Ich kann es noch immer nicht glauben. Der Geschmack seiner Lippen und das wundervolle Gefühl, welches in mir schwelt, kollidiert mit der Realität und der Leere, die sich in mir ausbreitet. Es macht alles nur noch schlimmer. Ich, der Bruder seiner Freundin. So hat er es gesagt. Ich schließe meine Augen, spüre die Ernüchterung und den beißenden Schmerz.
 

Was habe ich erwartet?
 

Ps vom Autor. Einen dicken lieben Dank an meine Leserchen :) Ich bin euch ganz doll dankbar <3



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Onlyknow3
2014-09-02T21:24:35+00:00 02.09.2014 23:24
Nichts anderes als das was passiert ist, denn der Kuss war nichts als reine Neugier und die musste gestillt werden auch wenn das im unterbewussten mehr ist. Das wird Raphael aber wohl nie zugeben.Weiter so.

LG
Onlyknow3
Von:  ellenorberlin
2014-08-03T22:13:33+00:00 04.08.2014 00:13
awwww ein toles Kapitel!! es war zum zerreißen spannend >__<
Antwort von:  Karo_del_Green
04.08.2014 13:41
Vielen lieben Dank!

Freut mich sehr, dass es dich so mitreißt und fesselt :D

danke danke!

del
Von:  Morphia
2014-08-03T14:43:02+00:00 03.08.2014 16:43
Oh nein. So schnell kann man fallen...
Ich hoffe, die beiden reden schnellstmöglich nochmal über die sache. >.<
Das ist so eine verzwickte Situation. Daran kann man ja nur verzweifeln. :'(
Antwort von:  Karo_del_Green
04.08.2014 13:43
Huhu :)

Ja, ich bin ein experte im verkomplizieren XD
Aber sonst wäre es ja auch nicht mehr spannend. Ich bin überigens der Überzeugung, das Raphael schuld sein muss xD Nein, Scherz beiseite^^

Vielen lieben Dank für deine Kommies und das du noch immer fleißig mitliest :D
Danke schön!
Gruß,
del
Von:  Kari06
2014-08-03T11:54:17+00:00 03.08.2014 13:54
Oh Mann, so hatte ich mir das aber nicht vorgestellt :(
Antwort von:  Karo_del_Green
03.08.2014 14:41
Huhu, :)

Lieben dank für deine vielen kommie!
Tut mir leid dass das jetzt nicht deiner Vorstellung entsprach, aber ich muss die Spannung noch etwas aufrecht erhalten XD es kommen noch ein paar Kapitel ;)

Lieben dank und Gruß,
Del
Antwort von:  Kari06
03.08.2014 14:54
Ja ich weis aber Mark tut mir leid und von Raphael ist das irgendwie schon ein wenig arschig.

Soll ich dir mal was verraten...ich schreibe eigentlich nie Kommis aber bei deiner Story könnte ich einfach nicht widerstehen.

LG
Antwort von:  Karo_del_Green
03.08.2014 15:03
Oh jetzt fühle ich mich sehr geehrt! ^\\\\^
Ich freue mich, wenn dich die Story so mit reißt, dass du nicht widerstehen konntest.
Danke Danke Danke.

Ich hab die Geschichte schon komplett fertig und es folgen noch ein paar kapis ^^
Es wird also noch spannend!

Ich schreibe noch an einer anderen Story, die ein wenig mehr Erotik hat, also falls dich das interessiertn Schau doch mal vorbei!

Lieben dank noch mal und schönen Gruß,
Del
Antwort von:  Kari06
03.08.2014 16:03
Schon komplett fertig...das hört sich doch klasse an dann geht es bestimmt schnell weiter...das freut mich riesig :)


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