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Abbygails Abenteuer

Road to Lavandia
von

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Duell der Entscheidung (Ruths Widerstand)

"Du willst einfach nicht sterben, nicht wahr?" Athena lächelt, aber es erreicht nicht ihre Augen, als sie langsam auf uns zukommt. Aus der Nähe kann ich endlich das kleine Head-Set ausmachen, das an ihrem Ohr befestigt ist. Golgantes, das neben ihr landet, rollt die Schultergelenke, als bereite es sich auf einen Faustkampf vor.

"Ich kann mir Lustigeres vorstellen", gestehe ich.

Louis macht einen Schritt nach vorne und streckt schützend einen Arm vor mir aus. "Du wirst ihr nicht nochmal wehtun", sagt er, seine Stimme bebend mit unterdrückter Wut. Ich habe nur flüchtig mit ihm über unsere letzte Begegnung mit Athena und Craig gesprochen, aber dass er damals fast sofort ausgeknockt wurde, hat ihn ziemlich mitgenommen. "Und wir werden uns nicht raushalten, falls du das vorschlagen willst", fährt er fort.

Athena lacht. "Oh, keine Sorge." Das Trappeln von Füßen schwillt an und plötzlich finden Louis und ich uns umringt von zwei Dutzend Rockets, die ihre kläglichen Versuche aufgegeben haben, das Schiff durch Raikous Sturm zu lenken und nun mit funkelnden Augen ihre Pokébälle zücken. "Dafür ist es ohnehin zu spät."

Golgantes holt mit dem rechten Arm aus und schlägt so hart gegen die Luft, dass diese in sichtbaren Wellen von seiner Hand abgeht, gefolgt von einer schwarzvioletten Faust, die auf uns zurast. Ich werfe mich zur Seite und reiße Louis mit mir zu Boden, aus der Flugbahn der Finsterfaust, die uns sonst vom Schiff gerissen hätte. Stattdessen rauscht sie über uns hinweg und verflüchtigt sich in der Nacht.

Als wäre der Angriff des Golems ein geheimes Zeichen, füllen Sekunden später rote Lichtblitze, Schreie und Kommandorufe die Luft. Ich ignoriere meine aufgeschürften Knie und Ellenbogen, rappele mich hastig auf und ziehe Louis mit mir auf die Füße.

"Wir müssen ihre Kommunikation abschneiden", befehle ich halblaut. Louis wirft mir einen schnellen Blick zu, nickt und wendet sich an Harley. Währenddessen erwidere ich die Pokémonflut, die nun auf uns zukommt, mit meiner eigenen.

Gott, Jayjay und Sku materialisieren sich vor mir und aus dem Meer ertönen, unaufgefordert, Priss´ gurgelnde Jubellaute, die ich mit ihrer Rechten Hand in Verbindung bringe. Gotts Knurren verwandelt sich rasch in ein ausgewachsenes Brüllen, als ein Rattikarl und zwei Hundemon auf uns zurasen, doch bevor er zu einem Flammenwurf ansetzen kann, rauscht eine golden leuchtende Silhouette auf die drei Pokémon herab, schlägt mit den gewaltigen bunten Schwingen und entfacht eine blau lodernde Feuerwand, vor der die drei schlitternd zum Halt kommen. Funken stieben in alle Richtungen und im nächsten Moment fängt das Rattikarl quietschend Feuer.

"Ho-Oh, halt uns die Rockets vom Leib!", rufe ich dem Legendären zu, das einen Augenblick lang verwundert zu mir zurückschaut, als wäre es nicht ganz sicher, ob ich gerade tatsächlich in die Rolle seines Trainers geschlüpft bin. "Bitte", füge ich hastig hinzu. Ho-Oh schüttelt sich in einer amüsierten Geste und fliegt vor, um die Gegner abzufangen, die einer nach dem anderen hinter Athena auftauchen und ihre Pokémon in unsere Richtung hetzen. Fehlen nur noch die Rockets, die sich seitlich angeschlichen haben.

Auf Chris vertrauend aktiviere ich den Pokéball, den sie mir zugeworfen hat, während Harley gleichzeitig tanzend einer weiteren Finsterfaust ausweicht und die Ranken an Athenas Gesicht vorbeischnellen lässt.

Ruths Tante faucht, als die grünen Lianen ihr das Head-Set aus dem Ohr reißen und auf dem Deck zerschmettern. Noch während ich Chris´ Pikachu anfeuere, das sich mit einem gewaltigen Satz vom Boden abdrückt und inmitten eines Donnerblitzgewitters ins Getümmel stürzt, schnalzt sie mit der Zunge. Golgantes hechtet an seiner Trainerin vorbei und greift Harleys Ranken aus der Luft, bevor sie diese zurückziehen kann.

Louis schreit und macht Anstalten, sein Sarzenia zurückzurufen, doch der Golem holt mit der freien Hand weit aus, zurrt Harley an ihren Ranken in seine Richtung und schlägt sie mit seinem Hammerarm aus der Luft. Sie bleibt reglos am Boden liegen. Louis ruft sie wortlos zurück, Lippen bebend. Er schaut zu mir.

Ich gebe mir eine Sekunde, um mich zu beruhigen und atme einmal tief durch. Wir kämpfen gemeinsam, aber ich bin diejenige mit der Strategieerfahrung, diejenige, die wochenlang auf dem Silberberg trainiert und Athenas Kampfstil über Tage hinweg analysiert hat. Louis vertraut mir, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich werde ihn nicht enttäuschen.

Gleißendes Sonnenlicht blendet mich, als Ho-Oh über seinen Gegnern emporsteigt, die Schwingen ausbreitet und einen Sonnentag heraufbeschwört, der die Nacht in die hintersten Winkel des Schiffs vertreibt. Gleichzeitig materialisiert sich Athenas Team vor ihr. Kleoparda sträubt keifend das gelbgemusterte Fell, ein Giflor atmet grüne Sporen aus, während es schwerfällig von Seite zu Seite wiegt und ihr Guardevoir, in Eleganz auf einer Stufe mit Athena, schwebt eine Handbreit über dem Deck, ohne den Blick von mir zu nehmen, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Mir entgeht nicht, dass ein Pokéball noch unbenutzt an ihrer Hüfte hängt.

Meine Notizen klingen in meinem Hinterkopf nach, während ich mit meinen Befehlen die von Athena übertöne. "Gott, nimm dir das Giflor vor, der Sonnentag sollte dich durchbringen, lass dich nur nicht von dem Schlafpuder erwischen.“

Kleoparda, schmal, schlank, guter Geruchssinn, gebaut für Agilität und Initiative.

„Jayjay, Donnerwelle auf Kleoparda, Louis, ich brauche Hariyama! Und schick Sku Hilfe für Guardevoir, Georok, Girafarig, wen immer du entbehren kannst!"

Athena, die eindeutig nicht vorhat, ihren Vorteil durch eine Aufteilung der Kämpfe zu verlieren, dirigiert ihre Pokémon bereits in einer gemeinsamen Attacke, allen voran der Golem.

Golgantes, größer als gewöhnlich, physischer Angreifer, Freude an der Jagd…

Ich schiele hinter mich zu Priss und Ethan. Zeit für ein bisschen Kombinatorik.

Als hätte Louis meine Gedanken gelesen, weiten sich plötzlich seine Augen in Verständnis. "Ethan, Surfer auf das Schiff!", donnert er, während ich Priss gleichzeitig einen Aurorastrahl befehle.

Golgantes kommt in weiten Schritten auf uns zugerannt, macht jedoch abrupt Halt, als ihm ein gewaltiger Schwall Meerwasser entgegenflutet und das Deck unter Wasser setzt. Priss´ Strahl aus buntem Eis trifft nur einen Sekundenbruchteil später auf das feuchte Holz und plötzlich findet sich der Bodenriese auf einem glattgefrorenen Eisteppich wieder. Ein vorsichtiger Schritt lässt den Golem ausrutschen und mit einem lauten Krachen aufs Deck stürzen.

Ich kann unseren Sieg nicht lange genießen, denn Athena hat bereits ihr ungläubiges Zischen unterbrochen und ergreift nun die Offensive.

"Flieg, wenn du dich nicht bewegen kannst!", faucht sie, dicht gefolgt von einer Befehlskaskade für den Rest ihres Teams. "Kleoparda, Ränkeschmied, dann Tiefschlag auf das Zebritz, Guardevoir, Gedankengut und Psychokinese, halt dir alle Gegner fern, Giflor, benutz Egelsamen und Mondschein, wenn du das Tornupto nicht einschläfern kannst und attackier die Wasserpokémon mit deinem Gigasauger, na los!"

"Hariyama, Louis!"

"Sofort!"

Ich ducke mich aus dem Weg, als Ethan eine weitere Surferattacke auf alle Beteiligten loslässt und bin heilfroh, dass er Gott dabei außen vor lässt. Rotes Licht explodiert neben mir und ich reiße den Kopf zu den drei Pokémon herum, die Louis gerufen hat. Hariyama klatscht begeistert in die Hände, Georok stützt sich auf zwei seiner wulstigen Steinarme und Girafarig tänzelt nervös umher.

"Bauchtrommel, Klaus", befehle ich und atme erleichtert aus, als Hariyama mich als den Geber seines geliebten Spitznamens erkennt und ohne Zögern reagiert. Mit seinen tellergrößen Händen schlägt es sich rhythmisch auf den Bauch, bis eine rote Aura um das Kampfpokémon herum in die Höhe steigt.

Girafarig trabt zu Sku, die fauchend und Toxin spuckend durch die gegnerischen Reihen flitzt und es sogar schafft, Kleoparda einen schrillen Kreideschrei zu verpassen, der alle Beteiligten zusammenzucken lässt, bevor die Raubkatze mit einem gewaltigen Schlitzer nach ihr ausholt und sich dann wieder keifend Jayjay zuwendet, der auf die Hinterbeine steigt, losgaloppiert und sein Glück mit einer Donnerwelle versucht. Die Katze wirft sich zur Seite und entgeht der Statusattacke um Haaresbreite. So aus dem Gleichgewicht gebracht merkt sie jedoch nicht, dass Georok in Ermangelung eines Steins für seinen Felswurf kurzerhand Schwung genommen hat und sie nun von hinten umwalzt.

Eis zersplittert knackend unter seinem Gewicht und spritzt in alle Richtungen davon. Die Attacke selbst hat nur wenig Effekt, aber Georok setzt bereits zu einer weiteren Runde an, während Kleoparda frustriert herumfährt und mit tödlich ausgestreckten Pranken auf ihren nächstbesten Gegner zuspringt – Klaus. Ich befinde den Moment für ideal, um meine Strategie aufgehen zu lassen.

"Donnerwelle und Riechsalz auf Kleoparda, jetzt!", befehle ich lautstark. Aus den Augenwinkeln kann ich wahrnehmen, wie Louis´ Girafarig ihren Krafttausch auf Guardevoir befiehlt und dem Psychopokémon so sein Gedankengut streitig macht. Stolz schwillt in meiner Brust an, doch ich habe keine Zeit, ihm irgendetwas zuzurufen.

Jayjays Donnerwelle trifft Kleoparda im selben Moment, da Klaus das Riechsalz aus den Tiefen seiner bauschigen Hose schüttelt und Kleoparda ins Gesicht schleudert. Die Leopardin kreischt verzweifelt, als ihre empfindliche Nase plötzlich von dem durchdringenden Riechsalzgeruch durchzogen wird. Selbst mir brennen die Schleimhäute, und ich stehe gute fünf Meter entfernt. Winselnd kommt Kleoparda zum Straucheln, rutscht auf dem vereisten Deck aus und stürzt unsanft, überschlägt sich mehrmals. Ich halte den Atem an, während sie zuckend liegen bleibt, zumindest einige Sekunden, bevor das Riechsalz die Wirkung der Paralyse aufhebt. Ohne auf mein Kommando zu warten, packt Hariyama die Katze und schmettert sie mit einem gekonnten Überwurf aufs Eis. Winselnd bleibt sie liegen.

Athena gibt herrische Kommandos, aber ich höre ihr nicht zu, lausche nur meiner eigenen Stimme, als ich Jayjay und Klaus befehle, das Manöver zu wiederholen und gleichzeitig versuche, Sku und Georok zu dirigieren, die sich gemeinsam mit Girafarig auf Guardevoir gestürzt haben. Das Psychopokémon schwebt ausweichend von Seite zu Seite und macht wie nebenbei Gotts Bemühungen mit einer Heilwoge auf Giflor ungeschehen.

Ich schaffe es nicht, verzweifelt zu werden, zu aufgeregt bin ich, zu sehr hämmert mein Herz von innen gegen meine Rippen. Kleopardas geschwächte Verteidigung durch Skus Kreideschrei, der doppelte Effekt des Riechsalzs wegen der Paralyse, die Effektivität des Überwurfs und natürlich Hariyamas Bauchtrommel, die zwar ein gutes Stück seiner Energie gefordert, dafür aber seinen Angriff maximiert hat, müssen Athenas Lieblingspokémon zugesetzt haben. Zum ersten Mal seit Beginn des Kampfes habe ich das Gefühl, tatsächlich gewinnen zu können.

Ich schaue blitzschnell zu Louis, mein Mund zu einem grimmigen Lächeln verzogen, während ich dabei zusehe, wie er versucht, Garados´ Biss auf Guardevoir umzulenken, sodass die Seeschlange nicht versehentlich Sku beißt, die flink wie ein Blitz um das Psychopokémon huscht und ihr Toxin auf die feenhafte Gestalt herabregnen lässt. Er schaut zu mir, erwidert mein Lächeln.

 Da donnert Golgantes mit seiner Fliegenattacke herab und trifft Klaus in den Bauch.

"NEIN!", schreien Louis und ich wie aus einem Mund, aber es ist zu spät. Hariyama wird von der Wucht der Attacke von den Füßen gerissen, fliegt mehrere Meter durch die Luft und kracht mit einem widerlichen Geräusch gegen die Wand der Aufbauten. Röchelnd schlittert es herab und bleibt schließlich besiegt liegen.

Gleichzeitig reißt Guardevoir sich von den vier Angreifern los, gerade lang genug, um eine weitere Heilwoge heraufzubeschwören, die das geschwächte Kleoparda zurück auf die Pfoten hebt. Die Raubkatze faucht rachsüchtig. Golgantes landet neben ihr und erwartet mit blitzenden Glyphen Athenas nächste Befehle.

Ich darf nicht den Überblick verlieren, denke ich panisch und zwinge mich, alle Kämpfe gleichzeitig wahrzunehmen. Es reicht nicht, wenn ich alle Pokémon in Duelle unterteile, solange Athena Möglichkeiten findet, andere Kampfkombinationen auszunutzen, die vorteilhafter für sie sind.

Alle Müdigkeit verfliegt. Ich reiße die Augen auf, sehe das Kampffeld zum ersten Mal richtig. Kleoparda ist noch immer geschwächt, genau wie Golgantes. Sarzenia und Hariyama sind besiegt und während ich noch versuche, den Überblick zurückzugewinnen, hebt Guardevoirs Psychokinese Georok empor, das gerade mit seiner Walzerattacke weiterwüten wollte und lenkt das Gesteinspokémon in Gina hinein, die von der Attacke umgeworfen wird. Sie hat gerade noch genug Kraft, einen Psystrahl auf Guardevoir abzuschießen, der zwar trifft, aber fast keinen Effekt hat. Ihr Kopf sackt schwer und leblos zu Boden, ihre Augen sind geschlossen.

Hinter mir brüllt Garados und überschwemmt das Deck ohne Rücksicht auf Verluste mit einem weiteren Surfer – einer Welle, die Priss reitet, als hätte sie nie etwas anderes getan. Hinter ihr steigt, zu meiner größten Verblüffung, eine weitere Welle empor, die sie geschickt lenkt und auf Golgantes und Kleoparda zudonnern lässt. Golgantes überkreuzt die Arme, stellt sich schützend vor Kleoparda, die sich noch nicht ganz von den Angriffen erholt hat und scheint bereit, gegen die Surfer-Lehmbrühen-Kombination auszuharren. Stattdessen treffen zwei Attacken gleichzeitig, noch bevor das Wasser über ihnen zusammenbricht.

Priss schafft es irgendwie, einen Aurorastrahl abzufeuern, der Golgantes mit den Füßen auf dem Deck festfriert. Im gleichen Moment reißt Gott sich aus seinem Duell mit Giflor los, das ohne Guardevoirs Heilwoge letztlich nicht gegen seinen durch Sonnentag gestärkten Flammenwurf angekommen ist und speit eben diesen auf den Golem, der überrumpelt zurückweichen will.

Wären da nicht seine festgefrorenen Füße.

Die Zeit scheint still zu stehen. Ich schaue gebannt dabei zu, wie Golgantes Gewicht sich nach hinten verlagert, die Feuersbrunst aus Gotts Rachen ihn weiter zurückdrängt, weiter, bis er das Gleichgewicht verliert und nach hinten fällt, genau im selben Moment, da die beiden Wellen über ihm zusammenkrachen.

Kleoparda springt zur Seite, versucht sich zu retten, doch die Ausläufer des Surfers erwischen sie, durchnässen sie, bis sie trieft und sich zornig schüttelt.

Jayjays Ladevorgang samt Funkensprung trifft, noch während ich den Befehl gebe.

Die Elektrizität leitet sich durch das Wasser, und auch wenn Golgantes als Bodentyp gegen die Attacke immun ist, so gilt dies nicht für Kleoparda. Sie wird durchgeschüttelt, kreischt und geht ein weiteres Mal zuckend zu Boden.

Gott schnaubt zufrieden, Funken stieben aus seinen Nüstern und sein Nackenfeuer lodert bedrohlich auf. Egelsamenreste bedecken seinen gesamten Körper, doch sie glühen rot auf und fallen als Asche zu Boden. Plötzlich ist es ganz still. Außer dem Schwappen der Wellen, dem schweren Atem aller Beteiligten und den entfernten Blitzen ist nichts zu hören.

Fast zaghaft drehe ich mich um. Ho-Oh schwebt mit weit ausgebreiteten Flügeln über Athena, Pikachu auf seinem Rücken. Die Rockets, gegen die sie eben noch gekämpft haben, liegen inmitten ihrer besiegten Pokémon am Boden, die meisten von ihnen paralysiert oder ohnmächtig.

Golgantes rührt sich nicht. Kleoparda macht Anstalten, sich zu erheben, aber Gott holt tief Luft und badet sie in einem Meer aus Flammen, so heiß, dass sie fast blau glühen. Besiegt bleibt die Raubkatze liegen. Guardevoir weicht—langsam schwebend—zu seiner Trainerin zurück. Sku, Georok und Priss folgen bedrohlich, sie knurrend, er mit kaum unterdrücktem Rachedurst. Ethans tiefes Brüllen hallt über dem Schiff wieder.

Mein Blick gleitet über Athena. Ihr feuerrotes Haar hängt strähnig in ihr verschwitztes Gesicht, der Zopf hat sich aufgelöst. Sie ist kreidebleich.

„Unmöglich“, sagt sie und starrt mich an, als würde sie mich das erste Mal richtig wahrnehmen. „Das ist unmöglich… du kannst nicht–“

„Du hast verloren“, zische ich. Meine Beine zittern, aber Louis ist sofort zur Stelle und zieht meinen Arm über seine Schulter, um mich zu stützen. Düstere Freude leuchtet aus seinen Augen. Ich weiß noch nicht genau, wie wir es geschafft haben, aber wir haben gewonnen.

„Oh nein. Nein, das habe ich nicht.“ Athenas Augen huschen zu der Tür, durch die Chris vor Beginn unseres Kampfes geflohen ist. Jetzt, da die Luft nicht mehr von wildem Fauchen und Kreischen erfüllt ist, kann ich von unten das Rumpeln und weitere Schreie vernehmen. „Es ist noch nicht vorbei“, fährt Athena fort. Guardevoir schwebt an ihrer Seite. „Du magst mich geschlagen haben, aber Team Rocket wird nicht aufgeben. Atlas wird sich rächen, er wird sich deiner persönlich annehmen, Abby, wenn das hier vorbei ist. Du wirst niemals mehr sicher sein, egal wohin du fliehst. Team Rocket wird nicht untergehen. Nicht noch einmal.“

„Dark kämpft gerade gegen ihn“, sage ich, obwohl ich seit Beginn des Kampfes nicht mehr das Head-Set benutzt habe und keine Ahnung habe, wie weit die Infiltration inzwischen fortgeschritten ist. „Wie fühlt es sich an, zu wissen, dass der Junge, den du aufgezogen hast, euch zerstören wird?“

Athenas Lächeln verbittert sich, doch sie hat sich schnell wieder unter Kontrolle. Das Rumpeln unter uns wird lauter. „Er ist weit gekommen“, sagt sie leise. Ich bin unsicher, ob ihre Worte für mich bestimmt waren oder nicht, aber ich lasse mich nicht aus dem Konzept bringen.

„Dark ist auf unserer Seite. Er und Gold werden euer Hauptquartier dem Erdboden gleich machen. Ihr werdet nie wieder jemandem wehtun, wenn wir mit euch fertig sind.“

Dieses Mal lacht sie schallend, krümmt sich vor, eine Hand um den Bauch geschlungen und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Du bist noch jung, Abbygail“, sagt sie und nimmt mich in Augenschein. „Naiv. Trotz allem, was dir geschehen ist. Eigentlich sollte ich beeindruckt sein, aber in einer Anführerin ist Naivität fehl am Platz. Ich bemitleide deine Freunde, die sich auf dich verlassen müssen.“

Louis macht einen bedrohlichen Schritt nach vorne, genau wie Sku und Gott, die beide gleichzeitig zu knurren beginnen. Ich unterdrücke das Bedürfnis, mich klein zu machen, ihre Worte gegen meine eigenen Selbstzweifel abzugleichen. Dafür ist später noch Zeit.

„Abby ist das Beste, was den Regionen passieren konnte!“, faucht Louis. Der Ausdruck in seinem Gesicht ist furchteinflößend – es hätte mich nicht gewundert, wenn sein blonder Haarschopf sich wie bei einem wilden Pokémon aufstellen würde.

„Es ist egal, was du denkst“, sage ich ruhig, gerade laut genug, dass Athena mich problemlos verstehen kann. „Es ist aus, Athena. Stell dich, dann werden wir dir nicht wehtun müssen.“ Gott grollt zustimmend.

„Oh, aber ich sagte doch bereits“, beginnt Athena und schielt wieder zu der Tür. „Ich habe noch nicht verloren.“

Guardevoir strafft sich, Sku macht einen bedrohlichen Schritt vor, Louis pfeift Garados zu sich. Ich fixiere Athena, öffne meinen Mund.

Die Tür springt auf und heraus kommt, schwer atmend und mit rot geränderten Augen, Ruth. Nur dass sie nicht alleine ist. Ihre Mutter, Minerva, hält sie am Handgelenk fest, schleift sie förmlich hinter sich her. Ruth kreischt und tobt, wehrt sich wie eine Besessene gegen ihre Mutter. Dann sieht sie mich.

Unsere Blicke treffen aufeinander, einige Sekunden, in denen wir zu einem stummen Einverständnis kommen. Jede Art von Zweifel, die ich hatte, verraucht. Es ist wie immer, nichts hat sich geändert. Waffenstillstand, bis der gemeinsame Feind geschlagen ist.

Athena streckt ihre Hand nach Minerva aus, die weiterhin mit Ruth rangelt und sie mit sich zerrt. Mein Blick gleitet von Athena zu Guardevoir, das neben seiner Trainerin schwebt, angespannt, so als warte es auf etwas.

Warum hat sie nicht weiter mit ihm gekämpft?

Und wie hatte Athena vor, nach der Explosion auf dem Schiff mit Minerva und Ruth zu fliehen?

Die Antwort trifft mich wie ein Schlag. „SKU, NACHTHIEB!“, schreie ich, während Athenas Hand blitzschnell an ihren Pokégürtel schnellt und den letzten, unbenutzten Pokéball packt. Gleichzeit packt sie Minervas Hand.

„Telepor-“

Ruth reißt sich mit einem Verzweiflungsschrei los und springt Athena an, die so verdutzt ist, dass sie zurückstolpert und Minerva, die immer noch an ihrer Hand ist, mit sich zu Boden reißt. Guardevoir schießt zu ihnen, streckt einen schmalen weißen Arm aus, flimmert… und wird von Skus Nachthieb in den Rücken getroffen, dicht gefolgt von einer Feuersbrunst, wie Gott sie nur sehr geschwächt zustande bringt. Die Flammen umhüllen Guardevoir in gleißendem orange und blau und entlocken ihm einen heiseren Schrei.

Louis fackelt nicht lange und bevor das Psychopokémon sich fangen kann, ist Ethan schon aus den Tiefen des Meeres aufgetaucht, bäumt sich über die Reling der M.S. Love und umschließt Guardevoir mit seinen massigen Kiefern. Die Bissattacke hält es fest und gibt Sku die Möglichkeit, mit einer Kombination aus Kreideschrei und Nachthieb nachzulegen. Gotts Sternschauer schießt durch die Luft wie ein Kometenschauer und durchbricht die letzte Verteidigung.

Guardevoir streckt eine Hand nach Athena aus, aber die ist zu weit weg, blickt geschockt auf ihr Pokémon, dessen Augen glasig werden, bevor es schlaff in Ethans Biss zusammensackt und zu Boden gleitet, als er die Kiefer weitet.

Minerva schlägt kreischend auf Ruth ein, die ihre Handgelenke packt und sich so gut es geht wehrt. Athena starrt einfach nur ihr Pokémon an. Schließlich, Sekunden später, hebt sie den Kopf und unsere Blicke treffen sich. Mein Brustkorb zieht sich zusammen. Ihre Augen sind hasserfüllt, so voller Verachtung und Ungläubigkeit, dass mir halb schlecht wird. Erst in diesem Moment verstehe, was ich getan habe.

Athenas Loyalität für Team Rocket hat sie dazu veranlasst, ihr gesamtes Leben auf die Verbrecherorganisation auszurichten. Sie hat fünf Jahre damit verbracht, ihr geliebtes Syndikat zurück an die Macht zu bringen, hat Dark an mich verloren, der für sie wie ein Sohn gewesen sein muss.

Und nun habe ich ihr ihren Stolz genommen, all ihre Pläne durchkreuzt. Ihr Lebenswerk zerstört. Das Gesicht des Polizisten, der blutig und tot irgendwo auf der Lichtung vor Azalea City im Gras liegt, blitzt vor meinem geistigen Auge auf und vertreibt jegliches Mitgefühl, das ich hatte. Athena hat mich entführt, meine Pokémon ins Krankenhaus befördert, mich und meine Freunde fast getötet, mich verhöhnt und unterschätzt.

Entschlossenheit wie Stahl macht sich in mir breit. Sie hat nichts anderes verdient.

In bin kaum zu dem Entschluss gekommen, da poltert jemand die Treppe empor. Im nächsten Moment steht Chris in der Tür zum Deck, schweißgebadet und mit elektrisiertem Haar. Gewaldro und Knakrack flankieren sie.

Rotes Licht erhellt die Nacht und ich reiße den Kopf herum, zurück zu Athena, die endlich den letzten Pokéball aktiviert hat. In unserer Mitte schwebt ein Sonnfel, leuchtend und mit traurigem Ausdruck im Gesicht.

Ich schaue zu Athena. Sie schaut zurück und mir wird klar, dass sie nichts mehr zu verlieren hat. Ihre Stimme ist ruhig, als sie das Kommando gibt.

„Explosion.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Kerstin-san
2017-04-22T08:50:55+00:00 22.04.2017 10:50
Hallo,
 
Ho-Ohs Unterstützung können Abby und Louis definitiv gebrauchen, ansonsten wäre das ein sehr kurzweiliges Intermezzo geworden. Ohhh, Athena hat ein Guardevoir? Sorry, aber ich bringe aus Prinzip jedem Trainer, der eins hat Sympathie entgegen, was hier gerade natürlich ein bisschen blöd ist. xD Fand den Kampf auf jeden Fall sehr packend, nur hats mich gestört, dass Louis eigentlich kaum etwas gemacht hat, sondern Abby fast alle Pokémon herum dirigiert hat. Auch bin ich mir unsicher, ob Athena auf einem Level mit Abbys Pokémon ist oder ob eine der beiden stärker ist? Ich bin eigentlich wegen Chris besorgter Worte davon ausgegangen, dass Athena noch ne gute Ecke stärker ist, aber am Ende ging das ja ruck zuck - ne Ecke zu schnell für meinen Geschmack, wiel Abbys Pokémon so gut wie gar nichts einstecken mussten.
 
Und dann das Ende, genialer Cliffhanger und wider Willen bin ich von Anthea fasziniert. Von ihrer Kompromisslosigkeit, mit der sie die Ziele von TR allem überordnet - einschließlich ihrem eigenen Leben. Klar, das ist fanatisch, aber irgendetwas an ihr hat mich berührt, ob es das Wissen ist, dass sie Dark eine gute Ziehmutter war oder die Leidenschaft, mit der sie sich TR verschrieben hat. Irgendwie würde ich ihr wünschen, dass sie überlebt, auch wenn so ein Abgang natürlich auch was hat.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Teilchenzoo
2016-01-25T14:48:25+00:00 25.01.2016 15:48
Oh Mann, die Kapitel bleiben allesamt spannend. Es passiert so viel und trotzdem gibt es noch mehr, das passieren kann. Meine Güte.
Der Kampf ist wirklich großartig geworden, deine Mühen haben sich gelohnt. Man merkt, was für eine Anstrengung es war, Athena zu besiegen, aber das Teamwork hat es letzten Endes gemeistert. Wobei die Taktik dabei nicht nur bei Abby selbst lag, sondern auch den Pokémon selbst. Sie scheinen eine Menge bei ihr über Mehrpokémonkämpfe gelernt zu haben, dass sie so fix und ohne größere Reibereien reagiert haben - der Silberberg hat sie wirklich geschliffen. Das ist kein normales Team mehr :).

Diese kleine Szene, in der Abby etwas zu sicher eine Bitte an Ho-Oh richtet und damit für Amüsement sorgt xD ... ach, herrlich. Bei allem Ernst der Lage, da musste ich lachen.

Das Ende wird heftig, denn so eine Explosion übersteht man nicht so leicht. Gewaldro mit seinem Schutzschild ist zu weit entfernt, generell sind alle Beteiligten zu verstreut, um sie alle problemlos zu schützen, Ho-Oh kann viel, aber das ist sehr viel, und die anderen ... oh Mann. Übel. Sieht so aus, als müsste sich da jemand opfern, um die Menschen zu retten, denn Trainer halten nicht so viel aus wie Pokémon ... und auch die können nicht alles ab. Abbys dürften es noch gerade so überstehen können ohne wirklich böse Folgen (der Unterschied war doch kleiner als 25 Level?), aber Louis' Team? Und gerade um Ruth und ihre Mutter mache ich mir Sorgen, ganz und gar ohne Pokemonschutz. Und das Schiff an sich. Undundund ... puh. Spannung.
Antwort von:  yazumi-chan
25.01.2016 16:03
Freut mich, dass die Spannung gut rüberkommt :D Ich hab bei sowas immer Angst, aber schon beim Schreiben habe ich gemerkt, wie einfach eins aufs andere folgte. Wie sich die Explosion auswirkt, kannst du ja im nächsten Kapitel herausfinden.
Abby wird in Multikämpfen immer schnell zum General, aber sie vergisst auch leicht, dass andere Pokémon ihr nicht unbedingt zuhören müssen xD
Von:  _Risa_
2016-01-10T23:16:57+00:00 11.01.2016 00:16
Der Kampf war beim Lesen eine wahre Freude. *_*
Die Ereignisse überschlagen sich und man merkt Abby an, dass die Trainingswoche dem ganzen Team wirklich gutgetan hat.
Man kommt in eigentlich keinem Satz tatsächlich zum Verschnaufen und das war an dieser Stelle beim Lesen sehr angenehm.
Das war auch ein nettes Gimmick von dir Ho-oh nochmal einzubringen. Hab fast erwartet, dass es Athena versengt. Wäre aber zu einfach gewesen. XD

Ich glaub Athena, dass sie Dark zumindest irgendwie gernhatte, wenn nicht sogar tatsächlich als Sohn sah, aber ich muss Abby zustimmen, ihr Mitleid ist vollkommen fehl am Platz.
Schließlich sieht sie ja erneut, wozu Athena fähig ist. Uiui, so ein spannendes Ende. Ich geh ja davon aus, dass Abby überleben wird, aber wer weiß, vielleicht bist du so eine böse Autorin, die noch zum Schluss jemand anderen tötet? Außer Athena, wenn sie denn dran glauben soll
Antwort von:  yazumi-chan
11.01.2016 15:38
Die Szenen ließen sich tatsächlich auch mal sehr flüssig schreiben, eben wegen der sich überschlagenden Ereignisse. Ho-Oh musste natürlich nochmal einen kleinen Auftritt haben, schließlich hat es Chris an der Backe xD
Du schätzt Athena gut ein. Ein Sohn war Dark für sie nicht, aber schon ein Schützling und Schüler, gewissermaßen. Drama Drama...
Werden Abby und alle anderen sterben? Wer weiß :DDD
Von:  Kalliope
2016-01-10T11:06:19+00:00 10.01.2016 12:06
Oh, das hat mir gut gefallen :) Bei Sonnfel am Ende dachte ich mir schon, dass das nur was in Richtung Explosion, Finale sein kann. Bin gespannt, wie sie da wieder rauskommen wollen.
Antwort von:  yazumi-chan
10.01.2016 12:42
Wir werden sehen ;) Schön, dass es dir gefallen hat :D
Von:  Lenny-kun
2016-01-09T21:52:52+00:00 09.01.2016 22:52
Ach wie gerne ich die beschriebenen Kämpfe von dir liebe *o* als ob man mit dabei währe ^^ und oh nein qwq wieso kann denn niemand richtig verlieren? 😅

LG Lenny-kun
Antwort von:  yazumi-chan
09.01.2016 22:56
Hehehe, danke :D
Von:  Hexenhund
2016-01-09T17:43:18+00:00 09.01.2016 18:43
Uh, wie immer sind deine Kapitel irrsinnig spannend!
dieser Kampf ist wirklich die Apotheose aller Kämpfe die du beschrieben hast. Ich hatte ein wahres Feuerwerk im Kopf während ich las, unglaublich!
Endlich konnte Abby alle Möglichkeiten nutzen die sie sonst nur als theoretische Taktiken im Kopf hat. Und es ist einfach eine Freude zu sehen wie ihre Trainingswoche sich auswirkt (ein Kampf nachdem sie nicht im Krankenhaus landet!!!! Naja... wir werden sehen... Explosion....)
Mich wundert dennoch dass Athena sogar ihre Schwester und Nichte mit in ihren Tod stürzen möchte, ich denke doch, dass diese Attacke hier ziemlich tödlich enden könnte...
Also, ich freue mich auf nächste Kapitel, selbst wenn es mit das Herz zerreißt dass mit jedem Kapitel wir dem Ende näher kommen.
Antwort von:  yazumi-chan
09.01.2016 19:37
Ich musste erstmal nachschlagen, was Apotheose ist xD Danke für das Kompliment, ich musste den Kampf etwa dreimal umschreiben, bevor er mir gefiel, aber ich hoffe, dass er ein gutes Finale darstellt. Wobei es ja noch nicht vorbei ist ;)
Antwort von:  Hexenhund
10.01.2016 14:14
haha ups sorry, da ich meißtens französisch spreche, habe ich vergessen dass dies nicht unbedingt ein geläufiges Wort auf Deutsch ist O.O'
Also mir gefällt der Kampf :3 Also ein wahres Fast Finale ;)
Von:  Wolfsfeuer
2016-01-09T16:25:50+00:00 09.01.2016 17:25
Athena ist so eine schlechte Verlierern!
Und Sonnfel scheint schon gewusst zu haben was es tun muss noch bevor der Befehl kommt...
Du hast den Kampf wirklich gut beschrieben!
Antwort von:  yazumi-chan
09.01.2016 19:39
Dein Name hat mich verwirrt xD Ja, Sonnfel weiß Bescheid. Armes Ding. Schön, dass der Kampf dir gefallen hat :D Dann hat sich das mehrmalige Umschreiben ja gelohnt^^
Antwort von:  Wolfsfeuer
10.01.2016 08:07
Ich glaube dir das dich mein neuer Name verwirrt hat ;)
Aber ich wollte ihn schon lange ändern und musste es jetzt tun, da das vieles erleichtert hat :D


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