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Abbygails Abenteuer

Road to Lavandia
von

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Maskenball (Die Übergabe)

Louis kommt gerade zurück, als ich damit beschäftigt bin, die Augenlöcher in der Maske zu vergrößern. Wenn Dark mich schon dazu verdonnert, mich lächerlich zu machen, will ich wenigstens etwas sehen können.

Sein ratloses Blinzeln weicht einem ungläubigen Grinsen, als er sich neben mir aufs Bett sinken lässt und die Maske begutachtet. Sie ist groß genug, um mein gesamtes Gesicht zu verdecken, von den Augenhöhlen und den Atemlöchern einmal abgesehen, und ein Gummiband ist an beiden Seiten befestigt. Zufrieden mit meiner Arbeit lasse ich die Schere sinken.

"Ich wusste gar nicht, dass du eine mitgenommen hast", sagt Louis, nimmt die Maske und dreht sie in seinen Händen.

"Habe ich auch nicht", seufze ich und reiche ihm den Brief, den Hundemon dabei hatte. "Dark hat sie mir hier gelassen."

Er überfliegt die Nachricht und flucht wütend. "Er war hier drin? Was hat er mit dir gemacht, Abby?"

"Hundemon darauf angesetzt, mir einen Schreck einzujagen", sage ich und schlage ihm sanft gegen die Schulter, als sein Gesichtsausdruck unverändert bleibt. "Mir ist nichts passiert, keine Sorge. Aber es hat mir einige Dinge vor Augen geführt."

"Dass du hier nicht mehr sicher bist?", rät Louis und ich nicke.

"Unter anderem. Sobald die Übergabe vorbei ist, werde ich weiterziehen." Ich lächle ihn an. "Kommst du mit?"

"Das fragst du noch?", fragt Louis und legt einen Arm um meine Schultern, um mich fester an seine Seite zu ziehen. "Aber wohin willst du? Zu deinen Eltern?"

Ich schüttele vehement den Kopf. "Nur, weil ich mich mit Mama vertragen habe, will ich noch lange nicht mit ihr in einem Haus wohnen", sage ich. "Außerdem kenne ich Orania City in und auswendig. Vielleicht werde ich Dark fragen, ob er einen Auftrag in den anderen Städten für mich hat."

"Mir ist egal, wohin wir gehen", meint Louis, während seine Finger beruhigend über meinen Rücken und meine Schulter streichen. "Wir bringen morgen diese Übergabe hinter uns und dann kann es losgehen."

Ich schiele zu ihm hoch. "Louis", beginne ich sanft, "du weiß, dass du nicht mitkannst, oder?"

Seine Hand hält unwirklich inne. "Bitte was?"

"Du kommst nicht mit", wiederhole ich. "Die Polizei wird da sein, zusammen mit mir und Dark wird es ohnehin schon schwierig sein, unsere Anwesenheit zu verstecken. Und du hast keine Maske."

"Seit wann braucht man so eine verflixte Maske?", fragt Louis hitzig. "Du wärst morgen auch ohne hingegangen."

"Jetzt nicht mehr", widerspreche ich. "Abgesehen davon wollen Dark und ich verhindern, erkannt zu werden. Wir haben beide unser Aussehen verändert, du nicht. Und wenn du unverkleidet mitkommst, werden einige Rockets von dir auf mich schließen.“

"Abby", sagt Louis ernst und schaut mir in die Augen, "du redest totalen Unsinn."

"Tue ich nicht."

"Doch."

"Nein."

"Doch!" Er hebt die Maske in die Höhe und wedelt damit vor meinem Gesicht, als würde es mir seine Argumente unmissverständlich klar machen. "Ich habe ein Flugpokémon, meinetwegen fliege ich morgen zurück ins Hauptquartier, du gibst mir die Passwörter und ich besorge mir auch so eine Maske, wenn es dich glücklich macht. Wenn du denkst, ich lasse dich mit Team Rocket, Holly und Dark alleine, hast du dich geschnitten. Ich traue keinem von ihnen, nicht nachdem, was du mir über deine Telefonate mit Holly erzählt hast. Oder über deine ersten Gespräche mit Dark, wo wir schon mal bei der Sache sind."

"Du hast ihn kennengelernt!", protestiere ich sofort. "Er ist gruselig, aber du weißt, dass er nichts Böses will."

"Ich denke, dass er derzeit keinen Sinn darin sieht, dir etwas anzutun", entgegnet Louis. "Aber das bedeutet nicht, dass ich ihm vertraue, dafür kenne ich ihn nicht gut genug. Und Holly wird dich festnehmen, wenn etwas schief läuft. Denkst du, das lasse ich zu?"

"Wenn Dark dabei ist, wird nichts schiefgehen können", flüstere ich. "Er ist stark."

"Na und?" Louis nimmt mein Gesicht in seine Hände und zwingt mich, ihm in die Augen zu schauen. "Es kann immer irgendetwas passieren. Er könnte stolpern und bewusstlos werden, oder… oder angeschossen werden. Du weißt nicht, wie die Übergabe verlaufen wird. Ich will dich unterstützen. Wir sind jetzt zusammen, also sei auch richtig mit mir zusammen und nicht nur, wenn es dir in den Kram passt!"

Seine Worte erzielen ihre Wirkung. Meine Kehle wird trocken und ich entreiße mich seinem Griff, schaue zur Seite, damit er die Tränen nicht sieht, die plötzlich und ohne Vorwarnung über meine Wangen laufen.

"Es tut mir leid", flüstere ich heiser. "Ich habe all diese Geheimnisse vor dir und du bist trotzdem bei mir und ich-"

"Abby", sagt Louis leise. "Ich werde nicht lügen und sagen, dass mir das nichts ausmacht. Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Du bist nur ein Sturkopf, der alles immer alleine machen will, das ist alles."

Ich gebe ein Glucksen von mir, das sich gemeinsam mit meinem Tränen zu einem merkwürdigen Geräusch vermengt.

"Du bist nicht für mich verantwortlich", fährt er fort und nimmt meine Hand. "Auch nicht für Winry."

Ich nicke und lasse mich von ihm in eine Umarmung ziehen. Einige Minuten sitzen wir schweigend auf dem Bett und lauschen unserem Atem und dem sanften Knarzen des Bettes. Schließlich jedoch greife ich nach einem Stift und dem Brief, den Dark mit hinterlassen hat, drehe ihn um und kritzele etwas auf die Rückseite.

Louis schaut mir misstrauisch zu. "Was wird das, wenn´s fertig ist?"

Ich reiche ihm den Zettel. "Das sind die Passwörter", sage ich und lächele ihn schwach an. "Wir treffen uns um zwei Uhr am Durchgangshäuschen zu Route 8. Sei pünktlich."

 

Ich überprüfe zum fünften Mal in genauso vielen Minuten die Uhrzeit auf meinem Handy. Es ist fast zwei Uhr nachts und weder Dark noch Louis sind zu mir gestoßen. Nervös überprüfe ich, ob die Cappi meine Haare auch wirklich verdeckt und dass die Maske nicht verrutscht ist. Obwohl ich mich eine geschlagene halbe Stunde im Spiegel begutachtet habe, um mich an meine heute Aufmachung zu gewöhnen, fühle ich mich immer noch unwohl.

Der beige Grundton der Maske imitiert meine Hautfarbe, wird aber von dem türkisfarbenen Streifen unterbrochen, der von meiner Stirn hinunter reicht und die lange Schnauze des Feurigels darstellt. Statt meinen eigenen Klamotten habe ich mir einen von Louis´ Pullovern geliehen, der ein bisschen groß, aber zumindest warm ist und meinen Pokémongürtel vor neugierigen Blicken verbirgt.

Kurz um, ich komme mir vor wie eine andere Person, aber vielleicht ist das heute Abend mein Vorteil. Ich will nicht mehr als die überstürzt und alleine handelnde Abby gesehen werden, sondern als Managerin von Team Shadow. Darks Präsenz sollte mir helfen, diesen Eindruck zu verstärken.

Wenn er nur endlich auftauchen würde!

Der Klang von Schritten auf dem Asphalt durchbricht meine Gedanken und ich versinke tiefer in den Schatten neben dem Durchgangshäuschen, ein kleiner Fleck zwischen zwei Straßenlaternen, der im Dunkeln liegt. Im nächsten Moment entdecke ich Holly, die sich suchend umsieht. Vorsichtig trete ich vor.

Das Rascheln der Büsche, die ich im Vorbeigehen streife, erweckt ihre Aufmerksamkeit und sie dreht sich um, nicht hektisch oder nervös, aber entschieden. Als sie mich erblickt und ich endlich ins Licht trete, dauert es einige Sekunden, bevor sie das Wort ergreift.

„Abbygail?“

Ich hebe kurz die Maske an, ziehe sie aber genauso schnell wieder hinunter. Es gibt einen Grund, warum ich heute inkognito unterwegs bin.

„Bist du alleine?“, fragt sie schneidend. Ich ziehe eine Grimasse, bis mir einfällt, dass sie meine Mimik nicht sehen kann, also schüttele ich den Kopf und setze zu einer Antwort an.

Genau in dem Augenblick lösen sich zwei weitere Schatten aus den Straßen Saffronias.

„Ist sie nicht“, sagt Dark seelenruhig und kommt näher. Er trägt schwarz, wie immer, aber sein Gesicht ist von der Zwottroninmaske verdeckt, die er damals aus meinem Rucksack gefischt hat. Sein blassblaues Haar steht in Kontrast zu dem dunkleren Blau des Plastiks, das nur von den weißen Linien auf der Wangenpartie unterbrochen ist, die wohl die Schnurrbarthaare des Wasserpokémons darstellen sollen.

Louis taucht nur einige Momente nach ihm auf und gesellt sich rasch zu mir. Er scheint sich für eine Wiesormaske  und Kleider entschieden zu haben, die er sich von Valentin geliehen hat.

Ich wende meinen Blick ab und schaue zurück zu Holly, die unsere Gruppe misstrauisch mustert.

„Du bist also der Trainer, den Abby so angepriesen hat“, sagt sie schließlich, auch wenn ihr ein Kommentar über unsere Verkleidung auf der Zunge zu liegen scheint. „Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit. Mit wem habe ich das Vergnügen?“

„Ich würde bevorzugen, meinen Name vorerst geheimzuhalten“, sagt Dark. „Zumindest für den heutigen Abend.“

Holly zieht die Augenbrauen hoch, sagt aber nichts. Schließlich wendet sie sich mir zu. „Folgt mir. Ich erkläre unser Vorgehen unterwegs.“ Gemeinsam durchqueren wir das Durchgangshäuschen und lauschen ihrer gedämpften Stimme.

„Rocky hat uns in zwei Gruppen eingeteilt“, beginnt sie. „Jack, Luke und Regina bewachen den Ausgang der Unterführung vor Prismania City, während Rocky, George, Martin und ich hier stationiert sind. Wir werden warten, bis die Rockets in die Unterführung gegangen sind, dann kesseln wir sie im Untergrund ein. Sie werden keine Möglichkeit haben, zu fliehen. Sollte es sich nur um niedere Ränge handeln, bleiben wir versteckt und folgen ihnen zu ihrem Hauptquartier.“

„Wissen wir, wie viele dort sein werden?“, frage ich.

„Schwer zu sagen“, erwidert Holly. „Rocky hat einige der erfahrensten Polizisten aus unserer Einheit mitgebracht. Dieses Mal werden sie nicht entkommen.“ Ihre Augen flackern leidenschaftlich auf und ich schlucke bei dem Gedanken daran, dass niedere Ränge für mich bedeuten, von Rocky eingesackt zu werden. Ich will gar nicht daran denken.

Route 8 erstreckt sich vor uns in absoluter Dunkelheit. Einzig das fahle Mondlicht reflektiert von einigen der glatteren Felsbrocken und dem Asphalt der Straße, die am Horizont beginnt. Aufkommender Wind murmelt durch die Baumgruppen, die verteilt auf der Route liegen und noch mehr Schatten beherbergen, wenn das überhaupt möglich ist.

Ich lasse mich etwas zurückfallen, während wir Holly folgen, die durch einen abgelegenen Weg zwischen Felsen und Bäumen schleicht und die Unterführung ansteuert.

Darks Hand findet meine Schulter und ich werfe ihm einen kurzen Blick zu. Außer seinen Augen, die stechend aus der Maske hervorblitzen, kann ich seine Mimik nur erahnen.

„Wen werden sie schicken, was denkst du?“, murmele ich. Louis kommt etwas näher.

„Für eine einfache Übergabe würde Atlas nur eine kleine Gruppe schicken“, sagt er leise. „Aber er wird sicher gehen, dass sie kompetent sind. Nicht mal er wäre unbedacht genug, einen niederen Rang zu schicken, der die Beute verlieren könnte.“

„Mel wird also nicht kommen?“, frage ich vorsichtshalber nach.

Dark schüttelt den Kopf und fährt mit einem halb amüsierten Unterton fort. „Ich halte es für unwahrscheinlich. Sie ist von Rache an dir besessen, aber– “

„Shh!“

Dark verstummt und ich zucke zusammen. Louis nimmt meine Hand und zieht mich nach vorne zu Holly, die uns wütend ansieht und einige Handbewegungen macht, die wohl irgendeine Bedeutung für andere Polizisten haben, sich mir jedoch gänzlich entziehen. Ich vertraue eher auf ihre mündliche Warnung und bleibe stumm, bis wir zu ihr aufschließen.

Die Baumgruppe, hinter der wir uns bisher fortbewegt haben, stoppt abrupt. Etwa zehn Meter von uns entfernt entdecke ich, hinter einigen großen Felsen versteckt, drei Gestalten.

Holly schaut sich vorsichtig um, dann winkt sie uns durch und wir laufen in den Schutz der Dunkelheit, der bereits von den anderen Polizisten beherbergt wird.

Rocky hat sich seit meinem letzten Treffen mit ihr nicht verändert. Ihre Haltung zeugt von der leitenden Position, die sie innehat und ich bezweifle keine Sekunde, dass sie sich ihres Einflusses genau bewusst ist. Ihr Blick schweift flüchtig aber effizient über uns, bevor sie eine einzelne Augenbraue hebt.

„Habe ich die Einladung zum Maskenball verpasst?“, fragt sie spöttisch. Einer ihrer beiden Begleiter, den ich flüchtig als entweder George oder Martin in Erinnerung habe, die gemeinsam mit ihr das Pokécenter auf dem Indigo Plateau gestürmt haben, gibt ein leises Glucksen von sich, verstummt aber augenblicklich, als Rocky ihm einen schneidenden Blick zuwirft. „Holly hat euch hoffentlich über das grobe Vorgehen informiert“, fährt sie fort. „Ich muss euch bitten, uns nicht in in Weg zu kommen. Ihr seid Kinder, und unerfahren-“ Sie ignoriert mein Schnauben, „-und ich möchte diese Gelegenheit nicht vorbeiziehen lassen. Also, wer von euch ist Team Shadows Vertreter?“

Dark tritt vor. „Ich bin der Anführer. Abby hat uns überzeugt, unsere Kompetenz zu nutzen, um die Polizei zu unterstützen. Ich hoffe, wir können Ihre Einheit davon überzeugen, in Zukunft mit uns zu kooperieren.“

Rocky wirkt überrascht, aber nur kurz. Sie hat sich schnell wieder unter Kontrolle, lächelt grimmig und reicht Dark eine Hand. „Auf gute Zusammenarbeit.“

Die beiden schütteln ihre Hände, dann winkt Rocky einen ihrer Partner zu sich. „George, die Plane.“

George, der Polizist, der sich sein Lachen eben nicht verkneifen konnte, fördert einen Armvoll dunklen Stoffs zu Tage, den er vor der Brust festhält. Er schmunzelt und lässt den Blick ein weiteres Mal über unsere verdeckten Gesichter gleiten. Kaum verhüllter Humor umspielt seine Züge, aber er wirkt auch wie die Art von Person, die einen Witz zu weit treibt, bis er sticht. Als er spricht, ist seine Stimme tief und eindringlich.

„Wir planen einen Hinterhalt und dürfen nicht entdeckt werden, bevor die Rockets in der Unterführung sind. Falls ihr eure Pokémon rufen wollt, tut es hier drunter, damit das Licht uns nicht verrät.“

Ich denke kurz nach. Gott ist mein offensivster Kämpfer, aber ich traue ihm nicht, sich ruhig zu halten, wenn Feinde in der Nähe sind und sein Feuer wird uns in jedem Fall verraten. Das ist sicher auch der Grund, warum Rocky ihre Fukano in ihren Pokébälle gelassen hat und ich Dark das erste Mal nicht in Begleitung von Hundemon sehe.

Stattdessen greife ich nach Skus Pokéball, lasse mich von der schwarzen Plane verhüllen und rufe sie. Als das gleißend rote Licht verblasst, leuchten mir nur ihre blutroten Augen aus der Dunkelheit entgegen. Ein wohliges Brummen tönt aus den Tiefen ihres Brustkorbs, bevor sie eng an meine Seite tapst und wir uns gemeinsam unter der Plane hervorkämpfen.

Holly nickt mir widerwillig zu, offensichtlich zufrieden mit der Wahl meines Pokémons.

Louis tritt als nächstes unter die Folie und taucht einige Sekunden später mit einem großen Steinbrocken im Schlepptau auf, der sich auf den zweiten Blick als Glen entpuppt.

„Ich wusste nicht, dass er sich entwickelt hat“, flüstere ich.

Glen schaut stolz zu Louis auf und reckt eine steinerne Faust in die Höhe, in die Louis breit grinsend einschlägt.

„Ein bisschen musste ich trainieren“, sagt er. „Und Glen hat keine Ruhe gegeben, bis er sich entwickelt hat. Jetzt kann er sich nicht mehr an mir herumhangeln, aber er mag die Beine.“ Wir schielen zu Glen herunter, der alle vier Fäuste in die Luft reckt und von einem Bein aufs andere hüpft.

Holly räuspert sich.

„Was ist mit dir?“, fragt Rocky.

Dark schüttelt den Kopf. „Ich möchte einen Kampf vermeiden. Solange meine Hilfe nicht benötigt wird, bevorzuge ich es, unbeteiligt zu bleiben.“

Holly hebt eine Augenbraue, aber Martin kommt ihr zuvor. „Wie sollen wir dann wissen, ob du wirklich so gut bist, wie das Mädchen beteuert?“, fragt er gereizt und tritt neben Rocky einen Schritt vor. „Wenn du-“

„Es reicht“, unterbricht Rocky ihn scharf. „Die Zeit für die Übergabe rückt näher und ich möchte keine unnötig lauten Unterhaltungen führen. Abby mag nicht immer bedacht sein-“, Louis und Holly schnauben gleichzeitig auf, „-aber von dem, was man mir über sie berichtet hat, ist sie keine Lügnerin.“ Ein zweites Schnauben, dieses Mal nur von Holly. Sie funkelt mich an und ihr Gesicht sagt eindeutig, dass sie mir immer noch nicht über den Weg traut.

„Es wäre unklug von Abby, falsche Versprechungen zu machen, die leicht widerlegt werden können“, sagt Dark gelassen. „Wenn die Übergabe abgeschlossen ist, bin ich bereit, den Level meiner Pokémon mit einem Pokédex zu beweisen. Aber Team Rocket ist nicht so stark, dass meine Hilfe gebraucht werden wird, zumindest nicht, wenn alles wie geplant abläuft.“

Rocky nickt nachdenklich. „George, Martin, Holly, ruft eure Pokémon. Jetzt heißt es warten.“

 

Ein Heulen durchbricht die Stille.

Ich erkenne die Gänsehaut, die meinen ganzen Körper in Sekundenschnelle überrollt und mich von meinem Halbschlaf aufschrecken lässt.

Verderben. Tod. Chaos. Unheil. Verrat. Schicksal. Opfer.

Ein zweiter Schauer übermannt mich und setze mich hinter dem Felsen auf, der uns vor Blicken schützt. Rocky und die anderen schaudern und drehen verwirrt die Köpfe. Sie wissen nicht, was das Heulen bedeutet, das jetzt ein zweites Mal echoend von den nördlichen Felsklüften ertönt.

Ich schon.

Absols Warnung hat sich auf dem Indigo Plateau in mein Gedächtnis gebrannt. Und wenn Absol hier ist, bedeutet das…

Ich springe auf, ohne meine Deckung zu verlassen und luge im Schutz der Dunkelheit über den Felsen auf Route 8, die sich vor uns im Schatten verliert. Die Straße ist leer, aber das Heulen ist unmissverständlich. Er wird kommen. Ein weißes Schemen durchbricht den schwarzen Himmel und ich schaue hinauf.

Zachs Swaroness segelt in eleganten Kreisen in die Tiefe, bevor es lautlos landet und seinen Trainer absteigen lässt. Er ruft sein Pokémon zurück, zieht die Kapuze seines bodenlangen, schwarzen Mantels tief in sein Gesicht, sieht sich einmal um und lenkt seine Schritte schließlich Richtung Unterführung.

„Abby, bist du okay?“, haucht Louis dicht neben mir. Ich schrecke zurück, bevor ich merke, dass meine Lippen so fest aufeinander gepresst waren, dass sie nun taub sind. Ich nicke stumm und wende den Blick zurück zu Zach, der ungeahnt der Gefahr, in der er sich befindet, zum Übergabeort geht.

Aber wie kann er Absols Warnung nicht gehört haben? Das Heulen schwillt ein drittes Mal an.

Wehmütig. Resigniert.

Es verklingt in der Stille der Nacht und lässt mich mit Gänsehaut zurück.

Ich werfe einen Blick nach links, wo Dark und die Polizisten Zachs Bewegungen mit den Augen folgen.  Unsicher, ob sie ihn erkannt haben oder nicht, warte ich gespannt auf eine Reaktion. Vielleicht wissen sie nicht, dass Absol sein Pokémon ist, oder dass er ein Swaroness hat.

„Zacharias Stray“, flüstert Rocky und zerstört meine letzte Hoffnung. Ihre Augen leuchten triumphierend und sie wirft uns ein Grinsen zu, das mich an ihre Fukano erinnert.

Holly schaut kurz zu mir und ich meine, eine Mischung aus Mitgefühl und Überheblichkeit in ihrem Gesicht zu erkennen, aber sie wendet sich an Dark, bevor ich reagieren kann.

„Ich bin froh, dich hier zu haben“, sagt sie und tätschelt ihrem eigenen Pokémon, einem senil aber trotzdem fit wirkenden Bissbark, den Kopf. „Wir werden deine Unterstützung brauchen, um einen Favoriten zu überwältigen.“

Dark nickt ergeben.

Wir warten, bis Zach in der Unterführung verschwunden ist, dann erheben wir uns, vorsichtig. Rocky und Holly gehen vor, während Dark einen Moment zögert und sich umsieht. Er lehnt sich zu mir und öffnet den Mund, um etwas zu sagen, aber er kommt nicht dazu.

Lichtblitze explodieren von allen Seiten und färben die Nacht rot.



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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

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Von:  Kerstin-san
2017-04-18T09:36:56+00:00 18.04.2017 11:36
Hallo,
 
ich bin also nicht der einzige, der diese Pokémonmasken als absolut lächerlich ansieht. Andererseits ist es natürlich eine super Möglichkeit, damit TR sie für einen Haufen Spinner hält und nacher umso überraschter feststellen muss, dass die was auf dem Kasten haben. Ich kann es Holly und Co einfach nicht verübeln, dass sie so spöttisch reagieren, weil es eben auch meine erste intuitive Reaktion auf diese Maskenscharade war.
 
Toll, dass Louis mal so aus sich rauskommt und Abby klar macht, dass er nicht tatenlos dabei zusieht, wie sie sich in Gefahr begibt und er völlig außen vor gelassen wird. Mit so ner Vehemenz dürfte Abby nicht gerechnet haben, aber es war nur eine Frage der Zeit bis Louis irgendwann die Reißleine zieht.
 
Dark hat wirklich die Mentalität eines überlegten Anführers. Er lässt sich nicht provozieren, sondern bleibt höflich und zuvorkommend. Ein Gespür fürs taktieren hat er auch, auch wenn er jetzt nicht drumherum kommen wird seine Stärke beweisen zu müssen. Ich schätze mal, dass Zach nicht alleine da sein wird und bin gespannt, ob TR Darks Pokémon erkennen wird oder ob er seine Identität noch geheim halten kann.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  _Risa_
2015-09-06T20:15:43+00:00 06.09.2015 22:15
>"Habe ich auch nicht", seufze ich und reiche ihm den Brief, den Hundemon dabei hatte. "Dark hat sie mir hier gelassen."
Er überfliegt die Nachricht und flucht wütend. "Er war hier drin? Was hat er mit dir gemacht, Abby?"<
Ohmann ohmann, hält er ihn für pervers oder so? XD

>"Wenn Dark dabei ist, wird nichts schiefgehen können", flüstere ich. "Er ist stark."<
Ist eig Gold da? Gold kommt viel zu selten vor *quengel* :<

>Es tut mir leid", flüstere ich heiser. "Ich habe all diese Geheimnisse vor dir und du bist trotzdem bei mir und ich-"
"Abby", sagt Louis leise. "Ich werde nicht lügen und sagen, dass mir das nichts ausmacht. Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Du bist nur ein Sturkopf, der alles immer alleine machen will, das ist alles."<
:(

>„Ist sie nicht“, sagt Dark seelenruhig und kommt näher. Er trägt schwarz, wie immer, aber sein Gesicht ist von der Zwottroninmaske verdeckt, die er damals aus meinem Rucksack gefischt hat. Sein blassblaues Haar steht in Kontrast zu dem dunkleren Blau des Plastiks, das nur von den weißen Linien auf der Wangenpartie unterbrochen ist, die wohl die Schnurrbarthaare des Wasserpokémons darstellen sollen.<
Hundemon wäre episch gewesen! *~*

>Darks Hand findet meine Schulter und ich werfe ihm einen kurzen Blick zu. Außer seinen Augen, die stechend aus der Maske hervorblitzen, kann ich seine Mimik nur erahnen.<
Ich mag seine Ausstrahlung irgendwie voll '-'

>Dark nickt ergeben.<
Bekämpft er Zach jetzt nur, um den Schein zu wahren? :(

Antwort von:  yazumi-chan
06.09.2015 22:32
:`(
Hundemonmasken waren leider aus :D
Ja, quasi. Sie können Zach schlecht beschützen, wenn die Polizei daneben steht :/
Von:  Kalliope
2015-05-25T19:38:27+00:00 25.05.2015 21:38
Ups, da wusste Team Rocket wohl schon, dass ein Hinterhalt geplant ist. (Ich gehe mal davon aus, dass die roten Lichtblitze nicht die Rocky-Pokémon sind?)
Antwort von:  yazumi-chan
25.05.2015 21:42
Du vermutest richtig ;)
Von: abgemeldet
2015-05-13T18:24:36+00:00 13.05.2015 20:24
Tja, ich befürchte, sie haben mit allen Mitgliedern gerechnet, nur nicht mit Zach und seinem Frühwarnsystem^^ Das wird ein Chaos im nächsten Kapitel, das weiß ich jetzt schon. Ich schätze mal, dass es selbst mit Darks Hilfe - sofern er nicht alle anderen bisher an der Nase herumgeführt hat - schwer werden könnte, jetzt einen Erfolg zu verzeichnen.

Aber mal ehrlich - was denken sie sich? Die Übergabe sollte doch von der Zirkusgruppe durchgeführt werden. Die sitzt aber im Knast. Eine solche Information wird doch mit Sicherheit in den Medien breitgetrampelt worden sein. Ich glaube kaum, dass die Rockets damit gerechnet haben, dass sie wirklich noch eine Übergabe durchführen würden. Dann wären sie wirklich dumm.
Antwort von:  yazumi-chan
13.05.2015 20:29
Die Medien haben es geheimgehalten, aber Team Rocket ist natürlich nicht dumm und hatte andere Gründe, einen Hinterhalt zu erwarten, wie im nächsten Kapitel deutlich gemacht wird. Chaos? *pfeift unschuldig* Ich weiß nicht, wovon du redest xD
Von: abgemeldet
2015-04-18T14:07:30+00:00 18.04.2015 16:07
Hach Gottchen, das musste ja irgendwie schief gehen. Ich mal mir dann schonmal ein Gespräch zwischen Raphael, Richard (er hieß doch so oder? xD) und Abby aus :D
Die tut mir jetzt schon leid..
Antwort von:  yazumi-chan
19.04.2015 00:58
Ich kann dich voll und ganz verstehen... xD
Von:  Wolfsfeuer
2015-04-18T11:35:58+00:00 18.04.2015 13:35
Bei "es kann immer schief gehen" musste ich an gold denken, der siich durch das Rocket HQ schleicht und dann klingelt auf einmal sein Pokecom und Julian prahlt mit seinen ach so tollen Rattfratz! XD
Antwort von:  yazumi-chan
18.04.2015 14:23
Hahahahaha :D Ja, das wär´s noch xD Wer weiß, vielleicht ist ihm das tatsächlich mal passiert :`D
Von:  Teilchenzoo
2015-04-17T14:03:14+00:00 17.04.2015 16:03
Hm, was haben die Lichtblitze zu sagen? Hat Team Rocket ihnen eine Falle gestellt oder stürzen sich jetzt alle auf Zach? In jedem Fall ist das eine üble Situation.
Antwort von:  yazumi-chan
17.04.2015 16:47
Ab jetzt wird es nur noch übel. Leider. Arme Abby xD
Von:  Lenny-kun
2015-04-17T07:01:59+00:00 17.04.2015 09:01
Sind die lichtblitze von ihnen...ich glaub ehr nicht
Absols Warnung...aber wieso hat zach sein pokèmon draußen?
Um die anderen zu warnen , wer weiß. Dark und eine zwottronin Maske XD
Antwort von:  yazumi-chan
17.04.2015 16:47
Zachs Absol läuft ihm oft außerhalb des Pokéballs nach, damit ihre Warnungen gehört werden können :) In ihrem Pokéball nützt sie ihm damit sonst nicht.
Antwort von:  Lenny-kun
17.04.2015 16:59
Achso :D
Von:  Hexenhund
2015-04-16T23:36:07+00:00 17.04.2015 01:36
Scheiße scheiße scheiße - dabei war der Plan doch so schön -.- Flieg weg Zach! flieg weg!
Antwort von:  yazumi-chan
17.04.2015 16:46
Er kann nicht, er ist jetzt unter der Erde D:


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