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Abbygails Abenteuer

Road to Lavandia
von

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Flammen in der Nacht (Unheilsbote)

Richard lässt den Blick über uns schweifen.

„Abby?“, fragt er und ich nicke. Ohne ein weiteres Wort richtet er sich an Raphael. „Yo, Raphael, ich hab ´nen Anruf von Alfred gekriegt. Seid ihr zwei fit für ein Podium-Interview vor der Championship?“

Raphael verzieht das Gesicht. „Was ist mit Zach?“

„Zach?“ Richy lacht. „Der taucht ´eh nicht auf. Hab gehört, er hat seine Reservierung gekündigt?“

„Hat er.“ Gen seufzt theatralisch. „Er kann sich auch nicht einmal an die Pläne halten, geez.“

„Der alte Streuner. Aber was will man machen. Ihn treibt´s halt um wie ‘n Wanderpokémon. Ich wär schon geflasht, wenn er bei dem Turnier durchgängig anwesend ist.“

„Du hast von einem Podium-Interview gesprochen…“, sage ich vorsichtig und Raphael wirft mir einen bösen Blick zu.

„Ah, yeah.“ Richy kratzt sich am Kopf und kommt dann zu uns. Gemeinsam folgen wir der Straße weiter Richtung Stadion. „Wir sollen heute Abend bei ihm vorbei schauen. Du kannst auch mitkommen, Abby.“

„Echt?“ Ein breites Grinsen stiehlt sich auf mein Gesicht. „Das wäre super!“

„Yo.“

 

Die Unterhaltung wird hauptsächlich von Richard und Genevieve am Leben gehalten, Raphael schaltet sich mehr und mehr aus dem Gespräch aus, bis er und ich einige Meter hinter den beiden anderen Favoriten laufen, Gott knurrend neben mir, Dario dicht neben Raphael. Außer dem einen oder anderen Ohrenzucken lässt er sich nicht von Gotts Feindseligkeit beeindrucken.

„Du kommst nicht gut mit ihm aus, oder?“, frage ich, als ich sicher bin, dass die Beiden uns nicht hören werden.

Raphael zuckt die Schultern. „Er ist okay. Auf Dauer wird er mir zu anstrengend. Speziell bei Interviews. Er zieht die ganze Aufmerksamkeit auf sich, aber immer auf diese drängende Art und Weise. Gruppeninterviews mit ihm sind ein Alptraum, wenn man vor dem Reden noch denken will.“

Ich grinse.

„Und du? Wie sind deine ersten Eindrücke?“, fragt Raphael nach einer kurzen Pause.

„Ich stelle fest, dass man niemals der Kamera trauen sollte“, meine ich gut gelaunt. „Ihr scheint alle öffentliche und private Persönlichkeiten zu haben.“

„Dafür kannst du dich bei Alfred bedanken.“ Raphael schiebt seine runde Brille zu Recht und krault dann abwesend Darios Kopf. „Er hat jeden von uns gecoacht.“

„Zach auch?“, frage ich mit hochgezogenen Augenbrauen und Raphael gluckst.

„Er hat es versucht. Zach ist aber nie aufgetaucht.“

„Was weiß man eigentlich über ihn?“

„Wenn du Glück hast, wirst du ihn persönlich kennen lernen. Viel wissen wir nicht über ihn. Das mit seiner Schwester ist mehr durch Zufall raus gekommen, ich glaube nicht, dass er es uns freiwillig gesagt hätte.“

„Und Alfred hat daraus keine Story gemacht?“, frage ich überrascht.

Raphael wirft mir einen schiefen Blick zu. „Alfred ist nicht so sensationsgierig, dass er jemandes Privatleben zerstört, nur um noch mehr im Rampenlicht zu stehen. Du bist das besteBeispiel. Er kennt deinen Namen, weiß, wo du wohnst und wie du zu mir stehst, trotzdem spielt er seit zwei Jahren den ahnungslosen, weil er will, dass du in deinem eigenen Tempo ins Rampenlicht trittst. Und Zachs Vergangenheit geht niemanden etwas an.“

Wir schließen langsam wieder zu Gen und Richy auf, die sich angeregt über ihre Trainingsmethoden austauschen, wobei dieser Austausch mehr aus Selbstanpreisungen besteht als allem anderen. Raphael wirft hier und da etwas ein, hält sich aber weiterhin zurück.

Und ich denke nach.

Bisher dachte ich immer, Reporter und Moderator zu sein hieße nur, Geheimnisse ans Tageslicht zu bringen. Der Welt die Wahrheit zu sagen, ganz gleich, welche Konsequenzen das mit sich bringt. Aber Raphael hat Recht.

Alfred behält meine Identität seit zwei Jahren für sich und über Zachs Schwester hätte er die herzzerreißendste Reportage drehen können. Aber das hat er nicht.

Ich denke an Maya zurück, die mich als sensationsgeil bezeichnet hat. Und ich denke an Dark. Seine Identität halte ich bisher geheim. Warum?

Die Gesprächsfetzen dieses Tages schwirren mit einem mal durch meinen Kopf.

„Ich kann es ihm nicht verübeln. Der Junge gefällt mir nicht.“

„Ach was, der Boss weiß, dass sein Sohn nicht so ganz bei uns rein passt.“

„Er sollte dankbarer sein.“

Dark wurde in die Organisation geboren. Er hatte keine Wahl. Vielleicht gebe ich ihm eine Chance, vielleicht-

„Abby?“

Ich schrecke hoch und schaue zu Raphael, der mich besorgt anschaut. Als ich lächle, grinst er und tritt andächtig zur Seite.

„Wir sind da.“

 

Von Nahem ist das Indigostadion gigantisch.

Ich lege den Kopf in den Nacken, um die Höhe abzuschätzen, aber außer riesig fällt mir kein treffender Vergleich ein.

„Beeindruckend, oder?“, fragt Raphael und ich nicke stumm. Mein Blick gleitet über die Stahlkonstruktionen, die in einem Kreuzmuster über uns in die Höhe ragen, die roten und weißen Fassaden mit schwarzen Akzenten wie ein Pokéball, die Lichter, die beginnende Kuppel…

„Was wollt ihr hier?“, fragt Richard und kratzt sich am Hinterkopf. „Heute kommen wir noch nicht rein.“

„In den Eingangsbereich schon“, widerspricht Raphael. Richy zuckt die Achseln.

Trotz Richards Widerwillen machen wir uns zum West-Eingang auf. In dem Gewusel von Arbeitern, Polizisten und Schaulustigen fallen wir nicht weiter auf, worüber vor allem Raphael froh ist.

Wir schlängeln uns an den Wachen vorbei, die uns nur einen kurzen Blick zuwerfen, bevor sie sich wieder abwenden. Noch ein Problem, das sich mit wachsendem Bekanntheitsgrad aufzulösen scheint.

Das untere Stockwerk führt kreisförmig um die Kampffläche herum, die in der Mitte des Stadiums liegt und derzeit noch abgesperrt ist, aber die Pokécenter, die gleichmäßig im äußeren Ring verteilt sind, haben selbstverständlich offen, sowie einige Märkte. Souvenirläden sind geschlossen, genauso diverse andere fragwürdige Shops, wie Tauschbasare und Los- und Wettstudios.

Als wir das Pokécenter betreten, knurrt Gott mit einem Mal laut und ich gehe neben ihm in die Hocke.

„Wenn du dich nicht benehmen kannst, rufe ich dich zurück“, murmele ich leise. Gott legt die Ohren an, bleibt aber ruhig. Geht doch. Vielleicht sollte ich mir ein Beispiel an Raphael nehmen und Gott erziehen.

Als ich mich wieder erhebe, sehe ich einen kleinen Jungen, der an der Hand seiner Mutter an der Theke steht. Sein Voltoball liegt vor Schwester Joy, die das bewusstlose Pokémon abtastet.

„Wird er wieder gesund?“, schnieft der Junge und seine Mutter streichelt ihm beruhigend über den Rücken. Joy lächelt und schaut von dem Pokémon auf.

„Natürlich, er ist schließlich ein starkes Pokémon. Ruf ihn zurück, ich werde ihn über Nacht aufladen müssen. Er hat sich sehr verausgabt. Du kannst ihn morgen wieder abholen."

Der Junge wischt sich über die Augen, dann nickt er und ruft sein Voltoball zurück. Den Pokéball gibt er Schwester Joy.

Als er mit seiner Mutter verschwindet, schaue ich mich ein wenig in dem Pokécenter um. Es ist geräumiger als die aus den Städten in Johtos, mit vier Computern und einer Rolltreppe, die anscheinend zu einer Mensa führt.

„Übernachten hier die Trainer?“, frage ich sie und sie nickt.

„Es sind sechszehn Pokécenter in dem Stadion angelegt, mit genug Zimmern für alle Teilnehmer.“ Sie schaut mich entschuldigend an. „Wenn du noch eine Übernachtungsmöglichkeit suchst, dann musst du in einem der lokalen Hotels einchecken.“

„Kein Sorge, ich habe ein Zimmer“, sage ich und verabschiede mich von ihr, dann machen wir uns zu viert auf eine kleine Besichtigung.

 

„Ist es wirklich okay, wenn ich mitkomme?“, frage ich zum dritten Mal, bevor Raphael mir mit der losen Faust auf den Kopf schlägt.

„Du hast eine schriftliche Erlaubnis, oder nicht?“

„Schon, aber hier geht es schließlich um euer Interview…“

„Komm einfach mit“, meint Genevieve und wuschelt mir durchs Haar. „Alfred wird sich freuen, wenn er nicht der einzige Medienfreak ist.“

„So schlimm bin ich auch nicht…“, murmele ich, aber Gen gluckst nur. Fein, vielleicht habe ich heute drei Radiosendungen verfolgt. Vielleicht bin ich länger als nötig vor dem Stadionfernseher stehen geblieben, um die Nachrichten zu schauen. Okay, meinetwegen.

Richard klopft und Alfreds Stimme schallt vom Inneren der Suite 9 an unsere Ohren. "Kommt rein!"

Suite Nummer 9 ist genauso eingerichtet wie unsere eigene, dennoch bin ich auf den ersten Blick unsicher, ob wir richtig sind. Kassetten, ein Radio, Papierstapel, Zeitungen, Kameras und Kabeljeglicher Länge und Dicke sind über das Mobiliar verteilt. Erik, Alfreds persönlicher Kameramann, sitzt an einem Schreibtisch und säubert sein Equipment während Alfred uns in quietschgelbem Hemd und eng sitzender Jeans begrüßt. Sein sonst perfekt gegeltes Haar steht in alle Richtungen ab und seine Brille sitzt tief auf seiner Nase.

"Da seid ihr ja! Wunderbar, wunderbar. Und ist das nicht..." Er schaut an Richard und Genevieve vorbei zu Raphael und mir. Seine Augen weiten sich und er breitet die Arme aus. "Abbygail! Wie wundervoll, dich an diesem Abend hier zu haben! Fabelhaft!"

"Hallo Alfred", sage ich breit grinsend. Raphael verdreht wohlwollend die Augen, aber ich stoße ihm nur mit dem Ellenbogen in die Seite, bevor ich Gens und Richys Beispiel folge und Alfred fest umarme.

"Als Raphael mich wegen deines Geburtstaggeschenks ansprach, konnte ich es kaum glauben! Eine Freundschaft, die dem Ruhm und dem Reichtum trotzt." Seine Augen füllen sich mit dem Anflug erster Tränen und ich tätschele seine Hand.

"Ich bin sehr froh, sie wiederzusehen", sage ich und Alfred hält sich gerührt eine Hand vor den Mund.

"Aber aber, Alfred, nicht weinen." Genevieve nimmt ihn an den Schultern und geleitet ihn zu der roten Plüschcouch. "Wir haben Dinge zu besprechen, oder nicht?"

"Ja, ja in der Tat." Er dreht sich zu Erik um. "Erik, haben wir etwas zu Trinken für diese jungen Menschen?"

Erik grunzt und steht aus, um in dem Raum zu verschwinden, den ich aus unserer Suite als Barschrank in Erinnerung habe.

"Setzt euch, ihr Lieben, setzt euch." Alfred deutet auf die Couch ihm gegenüber. Ich setze mich mit Gen und Raphael, Richy bleibt an die Couch gelehnt stehen. "Zach kommt nicht, nehme ich an?"

Raphael gluckst und Richy schüttelt den Kopf.

"Er hat seine Reservierung aufgehoben", erkläre ich und Alfred seufzt.

"Wenn er nicht so unglaublich attraktiv und talentiert wäre, würde ich ihn niemals vermarkten können. Aber immerhin erscheint er stets zu seinen Kämpfen."

"Zu den Wichtigen zumindest...", murmelt Richy.

In dem Moment erscheint Erik mit einem Tablett voller Gläser, Sekt, Saft und Wasser und einer Schüssel gefüllt mit Keksen.

Ich greife herzhaft zu und lasse mir von ihm einen Persifbeersaft einschenken. Neben mir konkurriert Gen mit meiner Keksanzahl. Raphael trinkt einen Schluck Wasser und Richy sippt an seinem Sekt.

"Du willst ein Podium-Interview veranstalten?", fragt Raphael schließlich.

"Richtig." Alfred beugt sich etwas zu uns nach vorne. "Die Championship beginnt am Mittwoch, den 1. Oktober. Morgen werden jedoch die Gruppenauslosungen vorgenommen und viele der Zuschauer werden da sein.Ich halte es für eine gute Idee, ihnen mehr zu bieten als nur ein paar Mädchen in kurzen Röcken, die Zettel aus einer Trommel ziehen."

Richard grinst breit. "Ich hab da nichts gegen."

"Geez, Richy..." Gen reibt sich die Augen. "Das wollte niemand wissen."

"Wann willst du das Interview ansetzen?", fragt Raphael. Alfred nimmt einen Schluck Sekt mit Saft, bevor er antwortet. Erik setzt sich wortlos wieder an den Schreibtisch und fährt mit seiner Arbeit fort.

"Nach der Auslosung wird es viel Gesprächsbedarf geben. Habt ihr euch informiert?"

"Jede freie Nacht hab ich mir mit dem Mist um die Ohren geschlagen", stöhnt Genevieve und isst noch eine Handvoll Kekse. "Los, frag mich ab. Ich kann dir die Lieblingsstrategie jedes Trainers aufsagen, nach Nachnamen geordnet wenn´s sein muss."

"Wunderbar, wirklich wunderbar."

"Wäre gern mal Zach", meint Richy und kratzt sich am Kopf. "Dann könnte ich mir diesen Lernscheiß sparen."

"So gut siehst du aber nicht aus", meint Gen und Raphael verschluckt sich an seinem Wasser. Während er mühsam dem Erstickungstod entrinnt, fährt Alfred ungerührt fort.

"Die Auslosung findet im Wiesensektor des Pokémonareals statt. Alle Trainer werden anwesend sein. Ich werde einige zur Befragung herauspicken und nach der Werbepause beginnt euer Part. Einverstanden?"

Richy zuckt mit den Schultern und Genevieve nickt.

"Was ist mir dir, Raphael?" Alfred schaut ihn ernst an.

"Öffentliche Interviews sind nicht mein Fall", gesteht er schließlich.

"Du hast schon unzählige Interviews mit mir geführt!", protestiert Alfred, aber Raphael schüttelt nur den Kopf.

"Da konnte ich die Zuschauer aber nicht sehen."

Ich nehme seine Hand und drücke. "Du schaffst das schon", muntere ich ihn auf. "Stell dir einfach vor, ihr seid ganz allein."

Raphael schnaubt, sagt aber nichts.

Alfred reibt sich die Hände. "Wunderbar, dann wäre das geklärt. Ich hatte folgendes vor..."

 

Gegen halb eins erwache ich durch Skus Schweif, der demonstrativ durch mein Gesicht wedelt. Ich drehe mich um, aber zwei Pfoten landen in meinem Gesicht und schließlich murre ich meine Zustimmung. Skus Gewicht verschwindet von meinem Gesicht und ich setze mich vorsichtig auf. Raphael schläft in dem Raum neben an, deswegen stehe ich unbehelligt auf und ziehe mir meine Hoodie, die Jacke und meine Schuhe an. Sku wuselt aufgeregt zwischen meinen Beinen her. Unsere Nachtspaziergänge sind seit meinem Geburtstag viel zu kurz gekommen.

Ich schleiche mich durch die nachtschwarze Suite und bemühe mich, nicht über Sku zu stolpern. Als ich die Tür erreiche, gehe ich vorsichtig in den Gang hinaus. Es ist dunkel, aber unter Gens Türspalt leuchtet weißes Licht in den Flur.

Da ist wohl noch jemand wach, trotz Raphaels Warnung. Aber Genevieve kann ihre Aktivität wahrscheinlich genauso wenig kontrollieren wie Sku. Gemeinsam laufen wir die mit Teppich verlegten Stufen hinunter. Zu meiner Erleichterung ist die Eingangstür zum Hotel mit meinem Zimmerschlüssel zu öffnen und so vergehen nur wenige Sekunden, bevor ich aufgeregt bibbernd im kalten Nachtwind stehe. Das im Schatten liegende Gras beugt sich in den stärker aufkommenden Winden und ich atme mehrere Male tief durch, bevor ich mit Sku losgehe.

Hohes Gras habe ich bisher nicht auf dem Plateau gesehen, aber wahrscheinlich hätte Sku ohnehin keine Chance, wenn die Stärke der Pokémon in der Siegesstraße irgendein Anhaltspunkt ist.

Hunter würde diese Nacht auch gefallen, denke ich, aber ich will sein lautes Gekrächze nicht riskieren. Während wir die Straße entlang durch das getrimmte Gras wandern, erzähle ich Sku alles, was sie im Pokéball verpasst hat. Es ist ein sehr einseitiges Gespräch, trotzdem kommen mir ihre Bewegungen, ihr Schnurren und gelegentliches Grunzen wie eine eigene Sprache vor und schon bald fühlt es sich wie ein richtiges Gespräch an.

So vertieft in unseren Austausch bin ich, dass ich das Feuer erst nach einer Weile bemerke. Ich kneife die Augen zusammen. Kein Zweifel. Nördlich sind zwei Flammen zu erkennen.

"Komm", murmele ich und laufe los. Sku faucht protestierend, folgt mir aber. Wir laufen quer durch die Wiesenabschnitte, bis wir tiefer auf das Plateau vorgedrungen sind als selbst das Pokémonareal und meine Füße nur noch Fels und kleines Geröll spüren. Keuchend werde ich langsamer und bleibe schließlich stehen, Hände auf meine Knie gestützt. Sku taucht einige Sekunden späte hinter mir auf und wirft sich flach auf den Rücken.

Ich muss sie wirklich wieder trainieren.

Das Feuer flackert weiter, aber die beiden Flecken wirken jetzt größer. Ich meine sogar, eine Gestalt zwischen den Flammen erkennen zu können. Ein Pokémon?

Ich stupse Sku mit meinem Fuß an und mache mich wieder auf den Weg, dieses Mal schnell gehend statt laufend. Eines Tages werde ich meine Ausdauer in den Griff kriegen. Hoffe ich.

Je weiter wir auf dem Plateau vordringen, umso besser kann ich die scharfkantigen und steilen Felsvorsprünge erkennen, die vor mir in die Höhe ragen. Das Feuer ist irgendwo über mir.

"Hallo?", rufe ich leise in die Dunkelheit.

Steine bröckeln zu Boden, als Hufe über den Vorsprung scharren. Sku kauert sich auf den Boden neben mir. Dann erklingt ein Heulen. Kehlig. Angsteinflößend.

Der Wind bläst mir mit nächtlicher Kälte entgegen, peitscht mein Haar in mein Gesicht und ich spüre die Gänsehaut, die sich von meinem Kopf über meine Arme und meinen gesamten Körper ausbreitet.

Das Heulen ertönt erneut und das Feuer bewegt sich flackernd auf dem Felsen hin und her. Am liebsten wäre ich auf der Stelle umgedreht. Etwas an dem Heulen beschwört in mir Bilder von Zerstörung herauf, von Katastrophen und von Chaos. Aber ich bleibe, wo ich bin. Sku richtet sich langsam auf, ihr Schweif senkrecht in die Höhe gereckt und faucht. Ihr Fell ist zu doppelter Dicke aufgeplustert.

Tod. Verderben. Angst. Chaos. Katastrophe. Unheil.

Ich schüttele mich, dann mache ich einen Schritt nach vorne. "Wer ist da?"

Ich kann die Silhouette des Pokémon nur schwerlich erkennen, aber das Licht genügt, um mir zu zeigen, dass ein Mensch auf seinem Rücken sitzt. Ein Trainer.

Das Heulen wiederholt sich erneut, wird dieses Mal jedoch von einem leisen Pfeifen unterbrochen. Der Klang des abgebrochenen Jaulens verklingt in der Nacht und ich reibe meine Arme. Mir ist furchtbar kalt.

„Es ist eine gefährliche Nacht“, sagt eine männliche, ruhige Stimme und mir läuft zum wiederholten Mal eine  Gänsehaut über den Rücken. „Du solltest gehen.“

Sku zischt leise, aber sie verstummt, als ich einen Schritt nach vorne mache.

„Wer bist du?“

„Niemand, der für dich von Bedeutung ist.“

Alles in mir schreit, seinem Rat zu folgen, wegzurennen und diese nächtliche Begegnung zu vergessen. Aber ich schaffe es nicht, meine Beine in Bewegung zu setzen. Die Hufe scharren erneut, gefolgt von einem kurzen Wiehern.

„Was hat eben so geheult?“, frage ich und kneife die Augen zusammen, um den Trainer auf seinem Pokémon erkennen zu können, aber der Vorsprung ist zu weit über mir.

„Eine gute Freundin. Sie warnt dich vor dem, was bevorsteht. Geh jetzt.“

Ich will zu einer weiteren Antwort ansetzen, da höre ich ein lautes Klackern, Steine bröckeln zu Boden und das Feuer fliegt über meinen Kopf, um hinter mir zu landen. Langsam drehe ich mich um.

Auch ohne sein Bild zu kennen, hätte ich Zacharias Stray sofort erkannt.

Schulterlanges, tiefschwarzes Haar umrahmt seine markanten Gesichtszüge, die im flackernden Schein des Feuers tiefe Schatten werfen. Seine blaugrauen Augen leuchten mir aus der Dunkelheit wie eine kalte Fackel entgegen und sein muskulöser Körper wird nur von eng anliegender,dunkler Kleidung bedeckt. Sein Gallopa scharrt mit den Hufen und er lenkt es gekonnt mit seinen Schenkeln, bis es sich beruhigt.

 

„Absols Warnung sollte nicht leicht abgetan werden“, sagt er mir bedrohlich ruhiger Stimme. „Geh jetzt, oder deine Verfolger werden dich finden.“

„Meine Verfolger?“ Ich starre ihn an. Woher weiß er von Mel und Teal?

„Ich werde dich nicht beschützen“, fährt er fort. Gallopa schnaubt und tänzelt unruhig vor und zurück. „Ich jage meine eigene Beute.“

Mit diesen Worten lenkt er Gallopa in Richtung des Pokémonareals. Bevor er jedoch losreiten kann, macht etwas in meinem Kopf Klick. Kann es sein…

„Warte!“, rufe ich ihm hinterher und Zacharias dreht sich ein letztes Mal zu mir um. „Kennst du die Blumenverkäuferin in Dukatia City? Ihr Name ist Caroline.“

Zach wendet sich wieder ab und Gallopa trottet los.

„Natürlich. Caroline ist meine Schwester.“

 

Eigentlich hätte ich es mir denken können. Nach Zachs Warnung habe ich nicht weiter gezögert und bin im Eilschritt zurück zur Hauptstraße gegangen. Nun mit Sku nur noch etwa fünfzig Meter vom Hotel entfernt, denke ich an Zachs perfektes Gesicht, seine bleiche Haut und die stechend blauen Augen zurück. Caros Haar wär mit Sicherheit genauso schwarz wie seins, wenn sie es nicht färben würde. Schon als ich von Zachs toter Schwester erfuhr, ist mir das ganze bekannt vorgekommen, aber ich habe nicht daran gedacht, dass der Bruder, den Caro als passablen Trainer beschrieben hat, einer der vier Favoriten sein könnte.

Ich schließe die Eingangstür auf, schleiche die Stufen hinauf und finde mich nur wenige Minuten später in meinem kuschlig warmen Bett wieder.

Meine Verfolger.

Sku macht es sich an meiner Seite gemütlich und ich genieße ihre Wärme und flauschige Nähe, während Bilder einer bandagierten Mel mit hasserfülltem Auge durch meinen Kopf schießen. Wenn sie wirklich hier ist, dann habe ich keine Wahl.

Ich muss Ruth warnen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Kerstin-san
2017-04-08T16:20:23+00:00 08.04.2017 18:20
Hallo,
 
witzig, wie jeder sofort weiß, dass Abby Abby ist. Raphael scheint viel von ihr erzählt zu haben. Diese nachdenkliche Seite an Abby hat mir wirklich gut gefallen, als sie so über die unterschiedlichen Facetten des Showbusiness sinniert.
Würde mich ähnlich wie Abby interessieren, wie Dark wohl ist.
 
Ha, ich lach mich tot. Wenn hier einer ein Medienfreak ist, dann ja wohl Abby. Oh man, Alfred ist immer noch so melodramatisch wie früher. Aber trotzdem niedlich, wie sehr er sich freut, Abby wiederzusehen.
 
Regel Nummer 1: Wenn man nachts ein verdächtiges Feuer sieht, schleicht man unauffällig näher und ruft nicht laut durch die Gegend. Abby hat echt Glück, dass da nicht ein Rocketrüpel campiert. Gut für Abby, dass es Zacharias ist. Auf den ersten Blick macht er einfach einen seeeeehr coolen Eindruck. Wie er so von der gefährlichen Nacht und über die Dinge, die in Zukunft passieren werden, redet, wirkte das einfach nur interessant. Auch die Warnung muss man einfach ernst nehmen. Er hätte genauso gut einfach nur wie ein Spinner wirken können, tut er aber bei weitem nicht. Und was? Caro ist seine Schwester? Ich bin echt überrascht. Tja, gute Frage, ob TR damals für den Überfall auf den Zug verantwortlich war. Er scheint das auf jeden Fall zu glauben.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  _Risa_
2015-08-13T16:52:32+00:00 13.08.2015 18:52
>Flammen in der Nacht (Unheilsbote)
Hui, da erweckst du eine sehr hohe Erwartungshaltung, meine Liebe. Toller Kapitelname <3

>Hat er.“ Gen seufzt theatralisch. „Er kann sich auch nicht einmal an die Pläne halten, geez.“
Geeez. Ich lerne dich lieben, Mädchen :D

>Yo.
Yoooo… was bist du, Richie? Ein bekiffter Surferboy? ._.

>„Ich stelle fest, dass man niemals der Kamera trauen sollte“, meine ich gut gelaunt. „Ihr scheint alle öffentliche und private Persönlichkeiten zu haben.“
Wäre für jeden besser so :D

>Ich denke an Maya zurück, die mich als sensationsgeil bezeichnet hat. Und ich denke an Dark. Seine Identität halte ich bisher geheim. Warum?
Also taucht er bald auf? ^^

>So schlimm bin ich auch nicht…“, murmele ich, aber Gen gluckst nur. Fein, vielleicht habe ich heute drei Radiosendungen verfolgt. Vielleicht bin ich länger als nötig vor dem Stadionfernseher stehen geblieben, um die Nachrichten zu schauen. Okay, meinetwegen.<
Du doch nicht xD

>Richard grinst breit. "Ich hab da nichts gegen."
"Geez, Richy..." Gen reibt sich die Augen. "Das wollte niemand wissen."<
Jaja, so sind die Kerle halt ^^

>Schulterlanges, tiefschwarzes Haar umrahmt seine markanten Gesichtszüge, die im flackernden Schein des Feuers tiefe Schatten werfen. Seine blaugrauen Augen leuchten mir aus der Dunkelheit wie eine kalte Fackel entgegen und sein muskulöser Körper wird nur von eng anliegender,dunkler Kleidung bedeckt. Sein Gallopa scharrt mit den Hufen und er lenkt es gekonnt mit seinen Schenkeln, bis es sich beruhigt.<
Was geht denn mit dem ab? Oo Er wirkt sehr … ein wenig wie diese Bösewicht oder zumindest der Antiheld aus Epic Fantasy-Stories :D

>„Natürlich. Caroline ist meine Schwester.“
WTF? Oo

>Ich muss Ruth warnen.
Du bist zu gut ;o




Antwort von:  yazumi-chan
13.08.2015 19:00
Aha! Der WTF-Moment ist gelungen :D Ich hatte immer Angst, dass es zu offensichtlich ist, aber anscheinend nicht^^ Hm, mit Zachs Einschätzung liegst du gar nicht mal so falsch. Lass dich überraschen, wie es weiter geht.
Von: abgemeldet
2015-04-27T12:23:41+00:00 27.04.2015 14:23
Ich glaube ich kann mir Tippfehler ab sofort eigentlich verkneifen, oder? XD Ich meine du willst eh alles überarbeiten.

Oh Mann, Abby is bekannt wie 'n bunter Hund ... äääh Fukano xD Raphi muss viel von ihr erzählt haben - um nicht vielleicht zu sagen 'geschwärmt'?^^
Hach, der liebe Alfred :D lustiger Gesell. Ich mag ihn. Er ist 'n klein wenig schrullig^^ Aber das macht ihn nur sympathisch.
Die Szene im Wald fand ich gleichermaßen faszinierend wie übertrieben. Zach wirkt, als sei er irgendein Superheld. So ein Pseudo-Batman ohne Maske xD Nicht falsch verstehen: ich mag Batman. Aber irgendwie passt die Szene gar nicht so recht zum Rest des Kapitels. Aber du wirst dir sicher irgendwas dabei gedacht haben xD
Antwort von:  yazumi-chan
27.04.2015 15:48
Kannst du im Grunde lassen, es sei denn, es stört richtig doll.
Ja, Raphael erzählt viel von Abby, aber hauptsächlich, weil sie seine beste Freundin ist und die einzige, die nicht Teil der Favoriten ist.
Wald ist vielleicht etwas übertrieben, da sind keine Bäume, wo Abby Zach trifft :D Und was er dort gemacht hat, wirst du schon sehr bald erfahren^^
Von:  Kalliope
2015-02-26T19:07:58+00:00 26.02.2015 20:07
„Es ist eine gefährliche Nacht“ --> Das "Es" ist fett geschrieben, ich denke mal, dass das nicht so sein soll.

Hui, Zach und Caro sind also Geschwister. Ich hatte gar nicht mehr im Kopf, dass Caro eine tote Schwester hat.
Antwort von:  yazumi-chan
26.02.2015 20:31
Ja, das soll nicht so sein xD Jep, Caro hatte eine tote Schwester. Erinnerst du dich noch an Eva?


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