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Iramon - Die Katze des Königs

Eine Pokemon Geschichte von Kanto
von

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Kapitel 1

>>>Neru<<<
 

Große, grau-braune Schwingen, von einem Muster aus roten und goldenen Federn durchzogen, peitschten durch den frühen Morgenwind. Die langen Federn, die vom Kopf des Tauboss abstanden, wiegten sich im Wind und der Glanz seiner Augen war von solch einer Freiheit und von solch einem Bewegungsdrang erfüllt, dass Neru gar nicht anders konnte, als vor Staunen den Mund nur noch offen stehen zu lassen. Im nächsten Moment haute ihn die Druckwelle der gewaltigen Flügelschläge um und er blieb nach einigen Sekunden der sandsturmaufwirbelnden Orientierungslosigkeit auf seinem frisch gepackten Rucksack liegen. Wie hatte seine Mutter gesagt? "packe deinen Rucksack immer sorgfältig und gründlich und behandle ihn nicht, wie einen Boxsack, schließlich lebst du ab heute aus ihm." "Ja", hatte er es ihr fest versprochen, dabei aber vor Aufregung gar nicht richtig zugehört. Doch irgendwie packte ihn doch die Reue, wenn er daran dachte, mit wie viel Sorgfalt seine Mutter seine Hemden gefaltet hatte, und wie vorsichtig sie sie dann im Rucksack verstaut hatte. Er hatte zwar damit gerechnet, dass sie nicht mehr lange wie frisch gebügelt aussehen würden. Aber das er sie nach immerhin zwei Minuten im Freien schon komplett zerknüllen und seinen Rucksack von oben bis unten mit Staub übersähen würde, damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Verstimmt ließ er sich von seiner Schwester in die Höhe ziehen, die ihn beglückt anstrahlte, und er musste selber anfangen zu lachen, als er an sich hinuntersah. "Sieh zu, dass Mama dich so nicht zu sehen bekommt", zischte sie ihm immernoch erheitert zu.

Eine harsche Strafpredigt und ein Abkehren mit dem Handfeger später saß Neru auch schon auf dem Rücken des Tauboss und wagte es nicht, zu atmen. Nach dem ersten dieser riesigen Flugpokemon war auch noch ein zweites erschienen. Vater hatte den Reiter wie einen alten Freund begrüßt und war hinter ihm auf das Flugpokemon gestiegen, während er und Nerina auf dem anderen platznahmen. Der Pokemonlenker riet ihnen noch, sich ruhig zu verhalten und sich gut an den Lederriemen, die auf Tauboss' Rücken befestigt worden waren, festzuhalten, wenn sie Eichs Labor heute noch erreichen wollten. Die Zwillinge hatten sich ehrfürchtig mit dem Pokemon bekannte gemacht, in dem sie ihm die Hände auf die Flanke legten und waren dann aufgestiegen. Mutter hatte noch einwenden wollen, dass ein Flug so ganz alleine doch viel zu gefährlich gewesen wäre, doch der Pokemonlenker hatte sie nur höflich angelächelt und das Zeichen zum Start gegeben.

Viel zu schnell war das alles gegangen, Nerina und Neru hatten noch nicht einmal die Zeit gehabt, sich von ihrer Mutter ein letztes Mal zu verabschieden. Natürlich hatten sie das auch schon vorher getan, mehrmals sogar, doch eigentlich hatten alle beteiligten auf den Weinkrampf ihrer Mutter gewartet, der am Ende kommen musste. So ging alles viel zu schnell. Nach dem Nerina und Neru ihr noch einmal zuwinkten, verschwand ihre Gestalt schneller als es sich einer der beiden hätte vorstellen können zwischen den grünen Tälern und Bergen der Zinoberinsel. Bald schon war die Insel hinter ihnen nicht mehr zu sehen und unter ihnen breitete sich das Blau des Meeres und über ihnen das des Himmels aus, nur hier und da von einer Schaumkrone oder einer Wolke unterbrochen. Kräftig schlug ihr Tauboss mit den Flügeln und hatte bald das andere, vorausfliegende Tier eingeholt. Neru spürte jeden Flügelschlag in den Rückenmuskeln des Pokemon und spürte, wie es sich auf jede neue Windböe einstellte, konnte sehen, wie es die Federn seiner Flügel spreizte und abknickte, um jeden Windhauch so gut wie Möglich zu verwenden. "Es ist großartig", hauchte er seiner Schwester, die vor ihm saß, ins Ohr und sie nickte heftig und schlug ihm dabei fast ihren Kopf ins Gesicht. Doch das war ihm egal, er konnte nichts anderes tun, als die Bewegungen des Tauboss zu bewundern. Nur wenige Stunden später, während derer die Zwillinge darüber diskutierten, welches der Starter-Pokemon sie wohl auswählen würden und welche überhaupt zur Wahl stehen könnten, erreichten sie das Labor von Professor Eich. Nerina hatte sich in Gedanken schon mit einem Schiggy oder einem Karnimani angefreundet, während Neru immer noch darüber grübelte, ob er sich seiner Schwester anschließen oder lieber auf die Pflanzen-Schiene wechseln sollte. Leider waren die Feuerpokemon als Starter abgeschafft worden und so standen Glumanda und Feuriegel, die den beiden natürlich am besten gefielen, nicht zur Debatte.

Ohne noch lange auf eine Aufforderung zu warten, kletterten die beiden von dem Rücken des Tauboss und ließen sich ins Gras plumpsen. Der große Moment war endlich gekommen. Vor ihnen erhob sich ein großes Gebäude, das von einer Glaskuppel überdacht wurde und dessen weiße Wände in der Sonne strahlten. Es lag in Mitten einer großen Waldlichtung und war umrundet von hohen und makellosen Bäumen, aus denen Vogelgezwitscher und die Rufe von Pokemon zu hören waren. Neru erkannte das Gebäude sofort wieder, er hatte es schon unzählige Male im Fernsehen gesehen, auch der Eigentümer dieser Forschungseinrichtung war in aller Munde. Professor Eich. Neru ließ seinen Blick über die Rasenfläche vor dem Labor wandern und konnte weitere Tauboss auf dem Rasen verteilt entdecken. Zwei weitere große Tiere pickten und hackten auf dem Boden herum, wie Hühner oder tranken Wasser aus einer großen Tränke, die mit dem Labor selbst verbunden war. Damit waren bestimmt die anderen Anfänger gekommen. Nerina stieß ihn an und murmelte: "Hoffentlich sind überhaupt noch Starter da." Er stockte und ein unangenehmes Gefühl breitete sich in seiner Magengrube aus, während es ihm wie Eiswasser den Rücken herunter lief. "Ich hoffe es doch sehr", erwiderte er seiner Schwester und laß auch in ihren Augen die Angst, am Ende doch gar nicht zum Pokemontrainer zu werden. Doch bevor sie weiter darüber nachgrübeln konnten, wurden sie auch schon von ihrem Vater in das Labor bugsiert. "Was steht ihr denn da und guckt wie ein Golbats?", meinte er nur lachend, "Ich dachte ihr wolltet Pokemontrainer werden." "Ja, aber..." Mehr konnte Nerina nicht sagen, denn als sie und Neru durch die Tür des Labors traten, stockte ihnen der Atem. Vor ihnen standen zwei weitere Kinder, die offenbar ebenfalls ihre Karriere als Trainer am heutigen Tag beginnen wollten. Eine Menge anderer Männer in weißen Kitteln standen ebenfalls herum und auch Vater tauschte seine Jacke gegen einen dieser weißen Kittel. In der Mitte standen zwei älter aussehende Männer. Bei dem einen handelte es sich um Professor Eich, den man hier, in seinem Labor auch erwartete, der andere hingegen sollte eigentlich gar nicht hier sein. Es handelte sich um Professor Lind. Was konnte nur so wichtig sein, dass sie beide hier anwesend waren? Als Eich und Lind die Neuankömmlinge entdeckten, sprangen sie sofort mit einer Energie auf, die man von ihrem Alter gar nicht erwartet hätte. Herzlich begrüßten sie Vater und schüttelten Hände. Neru nutzte die Gelegenheit, sich in dem Labor etwas genauer umzusehen. Dutzende von Computern mit großen Bildschirmen standen herum. Er konnte auch Glasflaschen und Reagenzgläser wie aus dem Chemieunterricht erkennen und überall lagen Pokemonbälle herum. Weiß gekleidete Männer hasteten von Computer zu Computer und verglichen Daten, diskutierten Ergebnisse und schienen die vier Kinder und die Professoren vollkommen vergessen zu haben. Lind war der erste, der zu realisieren schien, dass die Kinder immernoch anwesend waren. Mit schneeweißen Gesichtern starrten sie die Professoren an und konnten ein gelegentliches Zittern vor Aufregung und oder Angst nicht unterdrücken. Mit einem strahlenden Lächeln trat Lind vor und begann eine kleine Rede zu halten.

"Hallo neue Trainer", begann er,

"Wie ihr bestimmt schon mitbekommen habt, handelt es sich bei dem, was heute passieren wird, nicht um eine gewöhnliche Vergabe von Starterpokemon an neue junge Trainer. Wie ihr alle wisst, hat Gringo alle Pokemoneinrichtungen auf sich vereinigt und herrscht damit über alle Pokemon, die sich im Moment im Land befinden. Es ist sein Recht, nachdem er es geschafft hat, alle hohen Trainer und Arenaleiter zu bezwingen, dennoch kann dieser Zustand nicht toleriert werden." Er sah jeden der Kinder einen Augenblick durchdringend an.

"Wir, die Pokemonprofessoren, sind uns einig, dass Gringo bei dem Duell gegen Siegfried nicht fair gespielt hat und dass sein Snobilikat sich nicht so verhalten hat, wie es ein normales Pokemon tun sollte. Tatsache ist jedoch, dass kein Trainer ihm gewachsen ist. Sein Snobilikat nimmt immer die Gestalt von dem Pokemon an, das garantiert einen hohen Vorteil gegen das des Herausforderers hat. Somit ist er unbesiegbar. Wir wollen die Liga wieder zurück zu der Zeit führen, als die Kämpfe noch fair abliefen. Deswegen haben wir das ganze letzte Jahr an der so genannten Evotation geforscht." Bei diesen Worten sahen sich Neru und Nerina an. Würden sie nun endlich erfahren, worum es sich bei dieser Evotation handelte? "Der Vorgang der Evotation ist sehr kompliziert und ich denke, Professor Eich kann ihn besser erklären als ich es kann, da immerhin er auf die Spur dieses Mysteriums gekommen ist." Damit wandten sich alle Blicke von Professor Lind hinüber zu Professor Eich. Nerina warf Neru wieder einen vielsagenden Blick zu. Ihre Augen schienen zu sagen: "Ich wusste, hier steckt mehr dahinter." Doch Neru hatte keine Gelegenheit, ihr einen Kommentar zuzuwerfen. Er nickte nur. Dann begann Professor Eich:

"Nun, ihr kennt bestimmt alle das Pokemon Evoli oder?" Rundherum nickten alle werdenden Trainer. "Evoli ist als einziges Pokemon in der Lage, sich abhängig von seiner Umgebung zu unterschiedlichen Pokemon zu entwickeln. Seine Evolutionsbereitschaft dabei ist enorm. Doch nicht wirklich erklärbar. Ich habe lange Jahre an dieser Form der Evolution geforscht und es auf eine innstabile DNA zurückgeführt. Ich dachte mir, was wäre nun, wenn nicht nur Evoli über eine solch instabile DNA verfügen würde und was wäre, wenn man den innstabilen Zustand nach der Evolution beibehalten könnte, sodass Evoli sich wieder zurück zu seiner Grundform entwickeln konnte? Ich erzählte meinem Freund Dr. Taku von dieser Idee. Doch wir kamen auch mit gemeinsamer Arbeit nicht auf die Lösung des Problems." "Es gab noch keinerlei Forschung auf diesem Gebiet", antwortete Vater nach einem Blick von Professor Eich, "Dennoch war ich der Meinung, dass es bestimmt eine Möglichkeit geben müsste, dieses Ziel zu erreichen. Der Gedanke, wie man dieses Problem lösen konnte, kam mir bei dem Kampf von Gringo gegen Siegfried. Die Evolution von Snobilikat war in den normalen Pokemonreihen und auch in der DNA von Mauzi oder Snobilikat nicht vorgesehen. Also musste Gringo eine Möglichkeit gefunden haben, unseren Traum zu verwirklichen. Nun, wie gesagt, mir kam die Idee, wie die Lösung zu unserem Problem aussehen könnte. Nachdem ich mich mit Professor Eich abgesprochen hatte, brachen wir gemeinsam zu Professor Lind auf, wo wir es dann mit der Hilfe des Professors schafften, ein Serum herzustellen, dass den Pokemon ermöglicht, zwischen unterschiedlichen Evolutionen hin und her zu wechseln." Er hatte seine Stimme immer weiter gesenkt und flüsterte jetzt am Ende beinahe nur noch. "Jedoch sind nicht alle Pokemon in der Lage dazu. Wie ich mit der Hilfe von Professor Lind und einem geliehenen Snobilikat und einem Mauzi herausgefunden habe, ist es ausgerechnet dieser Reihe nicht möglich, auf das Serum anzusprechen. Die DNA der Pokemon muss bereits einige Ungereimtheiten aufweisen, damit das Serum wirken kann. Snobilikat hat jedoch eine so stabile DNA, dass das Serum einfach wirkungslos an ihm abprallt. Doch bei einigen Pokemon ist uns der Durchbruch gelungen. Das Serum ist jedoch nur bei sehr jungen Pokemon, um genau zu sein frisch geschlüpften, anwendbar, da nur in der Wachstumsphase die DNA veränderbar genug ist, um auf das Serum zu reagieren. Nun gut, ich will euch nicht langweilen. Fakt ist, dass wir es geschafft haben, vier evotationsfähige Pokemon zu impfen und ihnen damit die Möglichkeit der mehrfachen Evolution ermöglicht haben. Wir sind der Meinung, dass diese vier Pokemon die einzigen sind, die es schaffen können, Gringo zu besiegen, da sie als einzige in der Lage sind, gegen die Elementvorteile von Gringos Snobilikat zu kontern."

Damit schloss sich der Vortrag und die Projektionswand, an deren ihr Vater und Professor Eich ihre Entdeckung präsentiert hatten, wurde wieder zusammengerollt. Neru warf Nerina einen fragenden Blick zu und auch sie zuckte nur die Achseln. Es war ein bisschen viel Fachchinesisch gewesen um zu erwarten, dass die beiden alles davon verstanden hätten. "Ich sehe euren Gesichtern an, was ihr nun erwartet", meinte Eich und führte sie zu einem großen Tisch in der Mitte des Labors, auf dem feinsäuberlich vier Pokebälle aufgereiht lagen. "Wir haben hier die Pokemon Evoli, Nidoran, Taubsi und ... ähh... nun ja, eine Art Glumanda." "Was meinen sie mit einer Art Glumanda?", fragte nun Nerina, die ihre Ungeduld nicht mehr zügeln konnte. "Nun ja, da es uns nicht mehr gestattet ist, Feuer-Pokemon auszugeben und leider Glumanda das einzige Pokemon war, das wir noch hatten, das zu der Evotation fähig ist, ... nun also äh..." Lind mischte sich in das Gespräch ein. "Nun, wir haben Glumandas Element auf Wasser geändert. Es war leider die einzige Möglichkeit. Ein bisschen was von der DNA eines Karnimani, ein kurzes Aufleuchten und wir hatten sowohl eine instabile DNA, als auch ein Wasser/Feuer Glumanda."
 

>>>Nerina<<<
 

"Dann möchte ich bitte gerne das Evoli haben", sagte das fremde Mädchen schüchtern in die Stille, die Eichs Worten folgte und sah hilfesuchend zu dem Jungen, der neben ihr stand und ganz offensichtlich ebenfalls ihr Bruder war. Angespannt beobachtete Nerina ihre Gesichter. Sie hätte es schön gefunden, ihren beiden Konkurrenten - oder was auch immer sie waren - vorgestellt zu werden, ehe die drei Männer mit ihrem äußerst rätselhaften Vortrag begonnen hatten und so hatte sie immer wieder den Blick des Mädchens gesucht, ohne jedoch mehr als ein neutrales, reserviertes Lächeln zu ernten, während ihr Blick klar und aufmerksam an den Gesichtern der Professoren hing und trotz aller offensichtlichen Schüchternheit ein entschlossenes Funkeln innehatte. Ihr Bruder schien weniger an dem Vortrag interessiert. Rastlos geisterte sein Blick durch das Zimmer mit seinen vielen, blinkenden Lämpchen, Bildschirmen und Gläschen. Nun klebte er wie gebannt an den Pokebällen und gerade machte er Anstalten, seiner Schwester nachzueifern, als Eich lächelnd die Hand hob. "Das Serum, das wir diesen vier Pokemon, in unseren Aufzeichnungen nennen wir sie seit ihrer Impfung Iramon, verabreicht haben, hat aber nicht nur Auswirkungen auf ihre Evotationsbereitschaft", sagte er, offensichtlich mit selektiver Taubheit ob der Bitte des Mädchens geschlagen, "es beeinflusst auch das Wesen und die Intelligenz jener Iramon. Das bedeutet nicht nur, dass sie bereits jetzt wie Menschen sprechen können, sondern, dass sie nicht euer Eigentum sein können. Wir haben sie auf euch vier vorbereitet und alle vier sind bereit, einen von euch auf eurer langen Reise zu unterstützen, allerdings möchten sie euch erst kennen lernen und dann entscheiden, wer von euch ihr Partner sein wird. Das mag ein wenig unkonventionell sein, aber ich bin mir sicher, dass ihr dafür Verständnis habt." Sofort hob Nerina die Hand, um etwas einzuwerfen, doch Neru platzte wie gewöhnlich als erster mit dem Gedanken heraus. "Aber wenn sie so intelligent sind, dann können wir sie doch nicht einfach in Arenakämpfe schicken und ihnen Befehle geben! Das wäre doch sicher falsch!" "Und was sollen wir tun, wenn sie nicht tun wollen, was wir sagen?", führte Nerina den Gedanken weiter, "Wir können doch nicht vor jedem Kampf endlos diskutieren!" "Die vier Iramon wissen, was auf sie zukommt und, dass ihr als Menschen meistens besser wisst, was in einer Situation angemessen ist", mischte sich Lind nun ein, "Außerdem ist es notwendig, dass sie sich in Kämpfen wie normale Pokemon benehmen und auch das haben wir ihnen beigebracht und ihr müsst es unbedingt durchsetzen. Eure Mission, wenn ihr sie denn annehmen wollt, ist streng geheim. Sobald Gringo Wind von der Aktion bekommt, wird er euch aufhalten und uns aus dem Amt entlassen. Ich kann verstehen", fügte er mit einem ernsten Ausdruck in den Augen hinzu, "wenn ihr unsere Bitte abschlagt. Dort, auf dem Tisch, warten ein völlig normales Schiggy, Karnimani, Bisasam und Endivie auf vier motivierte Trainer und wir sind euch nicht böse, wenn ihr ablehnt. Sobald ihr jedoch eines dieser Iramon hier an eurer Seite habt, wird es euer Partner sein - unwiderruflich." "Was genau wird dann unsere Aufgabe sein?", fragte der fremde Junge, plötzlich mit einer Ernsthaftigkeit, die sein abwesendes Gesicht lügen strafte, "Ich meine, außer am Ende Gringo zu stürzen?" "Nun, definitiv könnt ihr Gringo nicht ohne eine reichhaltige Kampferfahrung besiegen", sagte nun Vater ernst und Nerina verstand zum ersten Mal, warum ihn viele Leute für respekteinflößend hielten, "Darum wird sich euer Weg kaum von dem anderer Trainer unterscheiden. Ihr werdet im Land herumziehen, Trainerkämpfe wahrnehmen und die Arenaleiter herausfordern. Sobald ihr jedoch eine Arena bezwungen habt, werdet ihr darum bitten, den obersten Vorsitzenden der Arena zu treffen und ihm den Brief zeigen, den wir euch mitgeben werden. Die obersten Arenaleiter sind über alles informiert. Sie werden euch einzeln trainieren und euch einen Stein geben, mit dem ihr die nächste Evotation eures Iramon auslösen könnt." "Das heißt, dass sie sich nur mit Steinen entwickeln?", fragte Nerina, diesmal, ohne die Hand zu heben. Vater nickte, fingerte an seiner Jackettasche herum und förderte vier glänzende, sternförmige Medaillen mit jeweils einer glänzenden Perle in der Mitte und einer Vertiefung auf jeder der fünf Zacken zu Tage. "Die sind aber hübsch", sagte das fremde Mädchen und streckte schüchtern eine Hand aus, um eine der Sternenbroschen zu berühren. Vater nickte. "Ja, sie sind aus Mithril, das, neben seiner Unzerstörbarkeit, auch noch wesentliche energetische Vorteile hat, aber ich will euch mit den physikalischen Eigenschaften verschonen. Wichtig ist, dass euer Iramon die Macht der Steine in eurer Brosche zur Evotation nutzen kann, allerdings nur mit eurer gedanklichen Erlaubnis." "Das verstehe ich nicht", protestierte nun Neru, "Heißt das, dass sie meine Gedanken lesen können?" Eich schüttelte heftig den Kopf. "Nein, das heißt es nicht", sagte er entschieden," Auch wenn sie zur Telepathie durchaus fähig sind, werden sie euch lediglich antworten, aber euch nicht hören können. Bei der Evotationsanfrage handelt es sich eher um eine Art gemeinsamen Kampfwillen. Ihr werdet es sehen, wenn es soweit ist." Herausfordernd sah er die verwirrten Kinder an und lächelte aufmunternd. "Es klingt alles komplizierter, als es ist." "Was ist mit dem Fangen?", fragte der andere Junge ein wenig verstört, "Sollen wir uns trotzdem Teams zusammenstellen?" "Ihr könnt Pokemon fangen, wenn ihr das wollt", sagte Lind großmütig, "Aber es ist wichtig, dass euer Iramon immer genügend gefördert bleibt. Ansonsten ist es aber dringend notwendig, dass ihr möglichst viele wilde Pokemon trefft und studiert. Eure Iramon werden stark werden, aber schlussendlich bleibt es euer Wissen, das ausschlaggebend für einen Sieg sein wird, nicht eure Kraft." Er räusperte sich geräuschvoll, dann fragte er in die Runde: "Werdet ihr uns helfen?" Keiner der vier antwortete sofort. Nerina sah die anderen beiden Geschwister hektische Blicke tauschen und griff instinktiv nach Nerus Hand, die sich genauso schwitzig anfühlte, wie ihre eigene. In seinem Gesicht las sie dieselben, unausgesprochenen Zweifel, die auch in ihrem Kopf herumspukten und die Macht der plötzlichen Verantwortung prasselte wie eine Eislawine auf sie hernieder. Würde sie es schaffen, ein intelligentes Wesen zu erziehen? Würde sie es trainieren und dann gegen einen der mächtigsten und bösartigsten Trainer der Welt hetzen können? Verstohlen sah sie zu Vater hinüber. Seine Miene war steinern und absolut ausdruckslos, doch sah sie deutlich die Hoffnung in seinem Blick, als er sie ansah. Vater glaubte an sie, das hatte er gestern gesagt und er hatte gesagt, dass sie mutig sein müsse... Nerina schluckte heftig, dann holte sie tief Luft, sah Eich direkt in die Augen und verkündete laut: "Ich nehme die Herausforderung an." "Ja, ihr könnt auf uns zählen!", fügte Neru hinzu, noch ehe sie den Mund richtig geschlossen hatte. Lind nickte nur anerkennend, doch Eich strahlte bis über beide Wangen und in Vaters Blick mischte sich Stolz und Wärme. "Wir werden jederzeit für euch da sein, wenn ihr Hilfe braucht", sagte er ernst. Kurz herrschte Schweigen, dann sagte der andere Junge entschlossen: "Ella und ich machen auch mit! Gemeinsam werden wir diesen Gringo schon verjagen!"

Keine fünf Minuten später saßen Neru und Nerina zusammen mit ihren beiden Mitstreitern, die sich als Ella und Sipho vorgestellt hatten, auf dem sauber gemähten Rasen des Labors beisammen, jeder einzelne mit der Vernichtung eines gigantischen Eisbechers aus Eichs Kühlschrank beschäftigt und beobachteten gebannt, wie die vier Iramon eines nach dem anderen durch die katzenklappenhafte Pokemontür aus dem Labor ins Freie schlüpften, um sich ihre zukünftigen Menschen anzusehen. Vorneweg stolzierte hoch erhobenen Hauptes ein prächtiges Evoli, sein braunes Fell glänzte herrlich im Sonnenschein und sein buschiger Schwanz zuckte aufgeregt, während es mit hochaufgestellten Ohren und gesträubtem Schnurrbart umherblickte. "Wau!", flüsterte Ella begeistert, "Seht doch, wie hübsch es ist!" "Pscht!", ärgerlich stieß Sipho ihr den Ellenbogen in die Rippen, "Es kann dich doch hören!" "Es ist aber wirklich schön", warf Nerina wahrheitsgemäß ein, während das Evoli mit langsamen, eleganten Bewegungen und äußerst katzenhaft näherschritt, "Was meinst du, Neru?" Doch ihr Bruder antwortete nicht und auf seinem Gesicht erschien wieder jener liebevolle, verträumte Ausdruck, den er immer mal wieder aufsetzte, wenn etwas ihn wirklich in Beschlag nahm, meistens zwar ein unbeseeltes Ding, wie sein geliebter Computer, gelegentlich aber auch ein junges Kätzchen oder Häslein, das sie im Garten gefunden hatten. Ohne ein Wort zu sagen stand er auf, ging langsam ein paar Schritte auf das Evoli zu und kniete sich dann in das weiche Gras. "Hallo!", sagte er leise und sanfter, als Nerina es von ihm gewöhnt war. Während das Evoli stehenblieb und neugierig seine ausgestreckte Hand beschnupperte, ergriff nun auch Ella das Wort, stand auf und trat neben die beiden. "Hallo Evoli!", sagte sie freudestrahlend, "Ich bin Ella und bin letzten Monat zwölf geworden! Mein Bruder und ich wollen auf eine lange Pokemonreise gehen und ich würde mich sehr freuen, wenn du mich begleiten würdest!" Evoli wandte den Kopf, blickte sie mit großen, braunen Augen einen Moment lang an, dann trottete es an den beiden vorbei, um erst Sipho, dann Nerina ausgiebig zu beschnuppern. "Ich freue mich, dich kennenzulernen", sagte Sipho steif, während Nerina überhaupt nichts sinnvolles herausbrachte, sondern nur verzückt das weiche Fell streichelte. Evoli betrachtete sie alle der Reihe nach, dann lief es zu einem nahen Kirschbaum, sprang geschickt auf den untersten Ast und rollte sich dort zusammen, offenbar wohl wissend, dass ihm keiner mehr Beachtung schenkte, denn in diesem Augenblick betraten das versprochene Nidoran und ein etwas zerzaustes Taubsi den Rasen. Auch sie machten ihre Runde, steckten die Köpfe zusammen und verschwanden schließlich ebenfalls in den Schatten des Baumes, dicht gefolgt von Sipho und Neru. Mit einem nervösen Lächeln beobachtete sie, wie Sipho in die Hocke ging und rasch auf das Taubsi einredete, während Neru einfach nur stumm am Stamm lehnte und zu Evoli hinaufsah. Nur Ella hockte noch neben ihr im Gras, den Blick wie gebannt auf die Klappe gerichtet. "Jetzt muss das Glumanda kommen", sagte sie leise und Nerina nickte. "Wie es wohl aussieht?", raunte sie zurück. Ella zuckte mit den Schultern. "Ich kann mir ein blaues Glumanda gar nicht vorstellen!", sagte sie, unterbrach sich jedoch abrupt, als sich ein merkwürdiger Kopf ins Freie schob, gefolgt von einem noch komischeren Körper. Mit einem Satz stand das Iramon auf seinen Hinterbeinen und schüttelte lebhaft die langen Ohren. Es sah keinem Pokemon ähnlich, das Nerina jemals gesehen hatte. Sein Gesicht war echsenhaft schmal, doch ragte ein kurzes, gerades Horn aus seiner Stirn und seine Ohren waren lang und trugen lilafarbene Spitzen. Sein Rumpf mochte eher dem eines Glutexo ähneln, allerdings erschien es recht mager und seine Arme und Beine waren viel zu lang für ein Glumanda, von dem es einzig den langen, kräftigen Schwanz geerbt haben musste. Von Karnimani stammte hingegen die leuchtende, blaue Färbung, die nur an seinem Bauch und seinen Wangen merkwürdigerweise gelben Schuppen wich. Aufrecht stehend reichte es Nerina sicher bis zur Brust und seine annähernd menschlichen Proportionen und die lebhaften, schwarzen Augen, die wie kleine, glühende Kohlen aus dem blauen Echsengesicht hervorsahen, ließen Ella, Sipho und Nerina unsicher zurückweichen. "Aber das ist doch kein Glumanda", rief Sipho überrascht aus und wandte sich von dem Taubsi ab, das völlig unbeeindruckt gegenüber seiner Mühe nach Würmern zu hacken schien und seine Schwester nickte skeptisch und bedachte das merkwürdige Iramon mit einem abschätzigen Blick. "Weder Karnimani noch Glumanda haben ein Horn oder irgendwas gelbes an sich!", sagte sie verwirrt und sah Nerina hilfesuchend an. Das Glumanda - oder was auch immer es sein mochte - erwiderte ihren Blick und eine tiefe Trauer verschleierte seine eben noch so lebhaften, schwarzen Augen. Dann wandte es beschämt das Gesicht ab. "Man weiß nie, was bei DNA-Mischmasch rauskommt!", sagte Nerina scharf. Die Ablehnung der anderen ärgerte sie. Das Wesen mochte ungewohnt aussehen und definitiv nicht nach einem Glumanda, doch verlieh das kleine Horn inmitten des Echsengesichts ihm einen seltsam vorwitzigen Zug und die Traurigkeit über die Kommentare der anderen in seinen Augen brach ihr beinahe das Herz. Entschlossen stand sie auf, überquerte den Rasen in ein paar wenigen, langen Schritten und stellte sich wie zufällig vor die Katzenklappe, um das Iramon daran zu hindern, wieder nach innen zu verschwinden. "Hey!", sagte sie leise und ging in die Hocke, um mit dem Iramon auf einer Augenhöhe zu sein. "Ich bin Nerina und wie heißt du?", fragte sie leise. Die Kohlenaugen blinzelten überrascht. "Die Menschen im Labor nennen mich Texomon, weil sie sagen, ich sehe einem Glutexo ähnlich... Aber das stimmt dann wohl gar nicht..." Mit gesenktem Kopf kam er näher und versuchte, sich an Nerina vorbei ins Innere zu mogeln. Für einen kurzen Moment streiften ihre Finger glatte, warme Schuppen. Sie überlegte, ob sie zupacken sollte, doch dann trat sie nur traurig einen Schritt zurück. "Schade", sagte sie und starrte zu Boden, "Und dabei hätte ich dich so gerne mitgenommen..." Überrascht hielt Texomon mitten in der Bewegung inne, was leider zur Folge hatte, dass er in der Katzenklappe hängenblieb, überrascht stolperte und rückwärts zurück auf den Rasen kullerte. Mit einem Schnauben sprang er wieder auf die Füße und sah Nerina durchdringend an. "Das sagst du jetzt nicht nur aus Mitleid, oder?", fragte er dann ein wenig verunsichert. "Nein, tue ich nicht!", entgegnete sie heftig, "Ich konnte mich mein Leben lang nicht zwischen Feuer- und Wasserpokemon entscheiden. Ich liebe Feuerpokemon über alles und fand Glumanda von allen Startpokemon immer am allerschönsten, aber andererseits gehe ich so schrecklich gerne baden und konnte mir nicht vorstellen, mein Pokemon draußen sitzen zu lassen, wenn ich im Wasser soviel Spaß habe! Du siehst, du bist perfekt!" Da lachte Texomon plötzlich, tat einen langen Schritt auf sie zu und legte seine schuppige Wange an ihren Bauch. "Ich kann sehr gut schwimmen!", sagte er glücklich und Nerina streichelte strahlend seinen blaugeschuppten Kopf. "Wir werden ein klasse Team abgeben!", sagte sie entschlossen, "Und was die anderen sagen, ist uns doch total egal!" "Die lassen wir einfach am Ufer stehen!", frohlockte Texomon, griff mit seiner Klauenpfote nach ihrer Hand und gemeinsam liefen sie über die Wiese auf den großen Baum zu, geradewegs Neru in die Arme. Das prächtige Evoli saß stolz auf seiner Schulter und in seinem Gesicht konnte sie deutlich lesen, dass er ebenso glücklich war, wie sie selbst. "Hauptgewinn?", fragte Nerina grinsend und Neru nickte selig. "Oh ja! Komm, Nerina! Lass uns gleich zu Professor Eich gehen und unseren Pokedex abholen! Ich kann es kaum erwarten, endlich loszuziehen!"
 

>>>Neru<<<
 

Stolz trug Neru sein kleines Evoli in Richtung des Labors davon. Immer wieder richtete er seinen Blick verstohlen auf das kleine Pokemon und bewunderte das plüschige, braune und ockerfarbene Fell und ihre leuchtenden Augen.

Schon vom ersten Augenblick an hatte ihm das Evoli gefallen. Wie es so stolz aus der Katzenklappe geklettert und dann über die Wiese stolziert war. Es hatte einfach etwas Würdevolles an sich. Im Gegensatz zu Ella stand seine Entscheidung zu dem Evoli fest. Er hatte gar nicht mehr auf die anderen Pokemon gewartet, sondern war Evoli direkt unter den Baum gefolgt. Das Evoli hatte sich in einer Astgabel zusammengerollt und ihm mit großen Augen entgegengeblickt. Neru wollte das kleine Pokemon nicht verschrecken, darum hatte er sich erstmal nur neben dem Baum aufgestellt und abgewartet. Irgendwann würde Evoli ihn ansprechen und dann war der richtige Zeitpunkt gekommen. Immerhin wollte er etwas von dem kleinen, pelzigen Geschöpf und nicht umgekehrt. Evoli hatte ihn einen Augenblick lang warten lassen, wohl, um seine Geduld auf die Probe zu stellen. Dann hatte es gefragt: "Magst du Karamell?" Verdutzt hatte er sich nach dem kleinen Pokemon umgesehen und im ersten Augenblick nicht gewusst, was er dazu nun sagen sollte. Das kleine Pokemon sah ihn nur fragend an und er besann sich zurück auf den Geschmack von Karamell. "Klar", sagte er, "aber ich mag auch Vanille." "Na dann", meinte das kleine Pokemon und sprang ihm auf die Schulter. "Ich glaub, ich mag dich", meinte sie schüchtern und rollte sich in seinen Armen zusammen, in die Neru das kleine pelzige Pokemon genommen hatte. Als er stolz sein Evoli in Richtung des Labors davontrug, traf er Nerina, die mit ebensoviel Stolz neben einem merkwürdig aussehenden Glutexo herlief und ihn anstrahlte.

Das Texomon seiner Schwester war in jedem Fall eine Kuriosität, man konnte es am ehesten zu der Familie der Glutexo zählen, wenn es auch ein sehr abgelegener Familienzweig sein musste. Zwar sah das Texomon sehr ungewöhnlich, aber auch stark und wohlproportioniert aus. Schon sein Aussehen ließ auf eine große, innere Kraft schließen, wobei Neru nicht wusste, ob das nun von den langen Klauen an seinen Händen oder von dem funkelnden Blick in seinen Augen kam. Jedenfalls wirkten die beiden als Team wie aus einem Guss. Neru konnte in Texomons Augen die selbe Energie und auch den Hang zum Schabernack erkennen, den er auch bei seiner Schwester so zu schätzen gelernt hatte. Als sie sich trafen fragte seine Schwester, die ohne Zweifel den Blick in seinen Augen gesehen hatte: "Hauptgewinn?" "Oh ja", antwortete er, und gemeinsam machten sie sich auf den Weg ins Labor. Doch bevor sie auch nur die Tür erreichen konnten, kamen vier weitere Kinder aus dem Labor geeilt. Nachdem der eine Junge einen scheelen Blick auf Evoli geworfen hatte, stellte er sich Neru vor. "Hi, ich bin Natho, ich hab soeben mein erstes Pokemon gewählt und fordere dich nun zum Kampf." Neru hatte schon wieder das Gefühl, im Labor zu sitzen und einem Vortrag zu lauschen, bei dem er die Hälfte nicht verstand. Woher kam der Typ überhaupt? Und warum wollte er kämpfen. Doch es half alles nichts, offiziell war er jetzt Mitglied der Pokemonliga und so musste er die Herausforderung annehmen. Evoli bemerkte seinen Gesichtsausdruck, schmiegte sich noch einmal an seinen Arm und in seinem Kopf hörte er eine Stimme sagen: 'Der soll nur herkommen.' Neben dem Jungen hatte sich soeben ein Mädchen als Anara vorgestellt und Nerina ebenfalls mit ihrem neuen Karnimani zum Kampf gefordert. Das ging zwar schneller als die beiden erwartet hatten, aber dafür waren sie ja schließlich Trainer geworden. Nur, das Trainer sein etwas ganz anderes war, als Neru es sich vorgestellt hatte. Gerade hatte er dieses Evoli noch mühsam umworben und im nächsten Moment sollte sie schon für ihn Kämpfen?

Eine Stimme mischte sich in seinem Kopf in seine Gedanken ein. 'Lass mich nur machen!' und mit diesen Worten sprang Evoli vor ihm auf dem Boden, während der andere Trainer seinen Pokeball warf. Evoli war kaum auf dem Boden gelandet, als auch schon ein grünes Bisasam auf der Wiese vor ihr saß. Neru erinnerte sich an dieses Pokemon, gestern noch hatte er es sich auf dem Computer angesehen und er wusste auch die Vermerke, die es erhalten hatte. Sehr hart im nehmen und sehr starkes Pokemon. Na das konnte ja heiter werden, dachte er bei sich. 'Was soll ich machen?', fragte eine Stimme in seinem Kopf und er antwortete der Stimme instinktiv. "Versuch es erstmal mit einem Tackle!", rief er Evoli zu, "Vielleicht können wir so einen Überraschungseffekt landen." Neru hatte schon so viele Pokemonkämpfe im Fernsehen gesehen, nun war er wirklich gespannt, was das gebracht hatte. Evoli startete einen Frontalangriff, der das Bisasam aus dem Gleichgewicht brachte. "Setz gleich noch mal nach!", rief Neru seinem neuen Begleiter zu und Evoli warf sich ein zweites Mal auf das Bisasam. Doch ihr Gegner war nicht so dumm, sich zweimal mit dem selben Trick ködern zu lassen. Bisasam konterte ebenfalls mit einem Tackle und es knallte unangenehm, als die beiden Kontrahenten so aufeinander stießen. Der Schädel des Bisasam war, obwohl Evoli ihn vorher so gut getroffen hatte, ein wenig härter und Evoli taumelte zurück. 'Boah! Hat der Kerl einen Dickschädel!', hörte Neru wieder diese Stimme in seinem Kopf. Evoli taumelte noch ein wenig und Neru wollte sie nicht gleich wieder auf das stärkere Bisasam hetzen. Vielleicht konnte man die Schwerfälligkeit dieses Dickschädels gegen ihn ausnutzen. So hielt er Evoli erst einmal zurück und empfahl einen Sprung zum Ausweichen. Doch weder Neru noch sein Evoli hatten mit der Wildheit des Bisasam gerechnet, das nach seinem ersten Angriff gleich zu einem weiteren ansetzte und das noch im Sprung befindliche Evoli brutal traf. Evoli flog gut einen Meter durch die Luft und schlug dann hart auf dem Boden auf. Ängstlich wollte Neru seinem Partner zu Hilfe kommen, doch da rappelte sich Evoli auch schon mit zitternden Beinen auf und er hörte in seinem Kopf: 'Noch geht’s, wie machen wir weiter? Der Typ ist mir irgendwie zu brutal.' Neru überlegte fieberhaft, während das Bisasam sich umsah und seinen Gegner suchte. Schon hatte Natho einen weiteren Tackle befohlen und Bisasam ging in Angriff über. Neru kam eine Idee. "Sandwirbel!", rief er und Evoli legte sofort los. Ein gute Portion des feinen erdigen Untergrundes gelangte in Bisasams Augen und Evoli musste nur noch einen Schritt auf die Seite gehen und versehentlich ein Bein ausstrecken und schon lag Bisasam wieder auf dem Boden. "Jetzt auf ihn!", rief Neru und Evoli ging zu einem weiteren Tackle über, sodass sie auf den großen Samen, der von Bisasams Rücken aufragte, landete. Wild Schlug sie auf den Samen ein, doch der gewünschte Effekt blieb aus. Bisasam sprang erst ein paar Schritte nach vorn, die Evoli gut durchschüttelten und rollte sich dann auf den Rücken, wo Evoli von ihm dann auch noch gequetscht wurde. Während Evoli noch benommen von dem Schwergewicht seines Gegner auf dem Boden lag, startete Bisasam zur finalen Attacke und Evoli brach zusammen und gab sich damit geschlagen. Sofort eilte Neru zu seinem Pokemon und nahm es auf die Arme. Sein Evoli war nicht bewusstlos, aber sie sah auch nicht so gut aus, wie noch vor zehn Minuten. Ihr Fell war borstig und dreckig und stand in alle Richtungen ab. Die vorher noch so stolz aufgerichteten Ohren waren deprimiert nach unten geknickt und auch ihre Augen strahlten nicht mehr den Glanz aus wie noch vor kurzem. Er nahm seinen Partner auf die Arme und sah sich um. Auf dem ganzen Rasen wurde gekämpft. Nerina mit ihrem Texomon schlug sich gerade mit einem Karnimani, während Ella und ihr neues Taubsi versuchten, sich gegen die Attacken eines Endivie zu wehren. Sipho führte sein neues pinkfarbenes Nidoran ins Feld, das gerade einen kräftigen Hieb gegen ein Schiggy austeilte. 'Bist du jetzt enttäuscht?', fragte die Stimme in seinem Kopf, während Neru interessiert seiner Schwester und ihrem Texomon zusah, wie sie versuchten, möglichst geschickt auf die Attacken des Karnimani zu reagieren. "Nein, Evoli", flüsterte er dem kleinen zerstrubbelten Pokemon zu, "Ich finde, du hast deine Sache großartig gemacht. Der Sandwirbel war einsame Spitze und auch deine Attacken sahen gut aus." 'Trotzdem haben wir verloren', sagte die Stimme und die Ohren knickten noch weiter nach unten. "Hey", sagte nun Neru und hob Evoli so vor sein Gesicht, dass es ihm in die Augen sehen musste, "Es ist keine Schande, gegen einen solchen Brutalo zu verlieren. Bisasam wird als sehr, sehr stark beschrieben, das hab ich schon oft gelesen. Aber wenn wir das nächste Mal eines sehen, haben wir einen neuen Plan. Dann zahlen wir es ihm heim. Pfote drauf." 'Pfote drauf.', erscholl die Stimme in seinem Kopf. "Und nun lass uns sehen, wie die anderen kämpfen. Wir müssen lernen, wo wir nur können, damit wir das nächste Mal gewinnen." Und damit ließ er Evoli wieder auf seine Schulter klettern, denn von dort oben würde sie einen besseren Überblick haben.

Texomon schlug sich gar nicht schlecht. Dennoch war der Kampf, den er mit Karnimani ausfocht, ein kleiner Kampf der Titanen auf diesem Kampfplatz. Beides zweibeinige Drachenpokemon. Beide mit scharfen Krallen ausgerüstet und beide zum äußersten entschlossen. Man konnte beiden ansehen, dass jeder schon ein paar Schläge einstecken musste, doch soweit Neru es sehen konnte, lagen die beiden sich kräftemäßig in einem Patt und die Größe, die Texomon an den Tag legte, schien sich als Vorteil zu erweisen. Zwar wurde auch er müder, dennoch konnte er durch seine längeren Arme das kleinere Karnimani auf Abstand halten und so kurzzeitig wieder zu Atem kommen. Karnimani indessen hüpfte wie ein Gummiball um seinen Gegner herum und teilte von allen Seiten Hiebe aus, bis es Nerina und Texomon zu bunt wurde und die beiden einen Ausfall beschlossen. Wild rangelnd stürzten die beiden Pokemon in einem einzigen Knäuel aus Klauen und Schwänzen übereinander und man konnte in all dem Blau gar nicht mehr ausmachen, wer hier gerade wen vermöbelte. Staub wirbelte um die beiden Kämpfenden auf und als sich die Wolke dann schließlich lichtete, stand Texomon hoch erhobenen Hauptes über seinem Konkurrenten. Als er sicher war, dass Karnimani aufgegeben hatte, ging er mit stolz geschwellter Brust zurück zu Nerina, die ihn glücklich in die Arme schloss. 'Immer auf die kleinen', beschwerte sich Evoli in seinem Kopf, 'das ist doch echt unfair.' Aber auf der anderen Seite kämpften gerade Nidoran gegen Schiggy. Schiggy war von diesen beiden eindeutig das größere Pokemon, trotzdem verlor es immer mehr Boden gegen das kleinere Nidoran, das von seinem Horn Gebrauch machte und so den anderen immer weiter zurückdrängte. Am Ende jagten sich die beiden im Kreis herum und der Kampf wurde schließlich durch Nidorans größere Ausdauer gewonnen. "Siehst du", meinte Neru, "Auch kleinere können gewinnen." Evoli hatte aufmerksam zugesehen und ihr eines Ohr begann langsam, sich wieder aufzurichten. "Wir werden üben müssen", stellte sie fest und Neru nickte. Der letzte noch übrige Kampf verlief, wie der ihrige. Ellas Taubsi unterlag den Attacken des Endivie und konnte irgendwann dem viel laufenden Pokemon nicht mehr ausweichen. Da halfen auch alle Sandwirbel nichts, die die ganze Umgebung bereits einnebelten. Mitfühlend warf ihr Neru einen Blick zu und sie nickte nur und ging dann, um ihrem Taubsi beizustehen. Das Ergebnis unter den neuen Iramontrainern war damit gemischt und für ihren ersten Kampf war es auch gar nicht so schlecht gelaufen, sagten zumindest Eich und Lind und auch Vater klopfte beiden auf die Schulter und meinte, dass das Duell gar nicht so schlecht gelaufen war, wobei er Neru einen vielsagenden Blick zuwarf und dann Nerina zu ihrem Sieg gratulierte. Das Abschiedspicnic, dass die Professoren noch vor Eichs Labor abhielten, ließ alle Kräfte bei den Pokemon und ihren Trainern zurückkehren und mit Zuversicht und guten Vorsätzen starteten die neuen Iramontrainer zu ihrer großen Reise.
 

>>>Nerina<<<
 

"Hee, warte mal einen Augenblick!" Sipho zupfte Nerina am Ärmel, als sie sich gerade anschickte, frohgemuts ihrem Bruder hinaus in die große, weite Welt der Pokemon, Kämpfe und Siege zu folgen. Verdutzt wandte sie sich zu ihm um, immernoch strahlend ob ihres ersten Sieges über dieses kleine, plumpe Karnimani, das neben ihrem wunderbaren Gen-Mix ganz schön klein und schäbig ausgesehen hatte. "Was gibt’s denn?", fragte sie, während sie sich unterschwellig wunderte, dass Ella nicht bei ihm war. Sipho legte geheimnistuerisch den Kopf schief, dann zog er die Hand hinter dem Rücken hervor und hielt ihr ein kleines, flaches Gerät unter die Nase. Äußerlich sah es einem dieser Kommunikatoren ähnlich, an denen Neru nie vorbeigehen konnte und wegen denen sie schon viele, lange, langweilige Stunden in den Elektroabteilungen der Kaufhäuser verbracht hatte. Auch dieses Exemplar war etwa handgroß, platt und mit besaß einen übergroßen Bildschirm im Verhältnis zu seiner eher spärlichen Tastatur. Auf der Rückseite prangte eine Kameralinse. "Euer Pokedex", sagte Sipho, als sei das von Anfang an klar gewesen, "Leider gibt es nur zwei übrige, darum müsst ihr euch einen teilen. Eich meinte, ich sollte ihn dir noch schnell bringen." "Oh, das ist vielleicht wirklich eine gute Idee gewesen..." Verlegen druckste sie herum - so viel hatte sie schon über diese Dinger gehört und nun hätte sie ihn glatt vergessen. Viel merkwürdiger war allerdings, dass auch Neru nicht mehr daran gedacht hatte. Verstohlen warf sie einen Blick über die Schulter und erblickte ihn im Gespräch mit Ella, während Evoli krampfhaft versuchte, sich hinter seinen Beinen zu verstecken und Taubsi die kleinen Flügel hängen ließ. "Herzlichen Glückwunsch übrigens zum ersten Sieg!", sagte sie lächelnd und streckte Sipho die Hand hin, "Ihr wart echt gut!" "Danke!" Nun begann auch Sipho zu strahlen. "Nidoran hat mich echt überrascht." "Naja, wenn man zu denjenigen gehört, die keiner gerne mag, wird man mit der Zeit hart im Nehmen", sagte Texomon und schlackerte munter mit den Ohren. Nidoran nickte ernst. "Tja, das scheint unser Schicksal zu sein", sagte es mit zuckenden Schultern, "Ich wünsch dir auf jeden Fall alles gute, Texomon! Mach sie platt!" "Alle, die du übrig lässt!", erwiderte Texomon grinsend und die beiden tauschten einen recht niedlich aussehenden Pfotenschlag. Gerührt sahen ihre beiden Menschen auf die beiden hinunter. "Na, vielleicht sehen wir uns ja schon bald wieder", sagte Nerina tröstend und legte Texomon eine Hand auf den Kopf, "Immerhin müssen wir alle zu den gleichen Arenen..." "Fangt ihr mit der Felsenarena an?", fragte Sipho etwas sachlicher. Nerina nickte. "Ja, ich dachte, das wäre so vorgesehen." Sipho nickte. "Im Prinzip schon", sagte er langsam, "Allerdings überlegen wir, ob wir nicht die Altenativroute Richtung der Eisarena in Mahagonia einschlagen und erstmal Eis hinter uns bringen. Ella ist sehr traurig, dass Taubsi verloren hat und weder bei Gestein, noch bei Wasser oder Elektro wird sich das großartig ändern." "Woher wollt ihr das wissen?", fragte Nerina verblüfft, doch da winkte Ella ihren Bruder bereits ungeduldig zu sich und Sipho murmelte nur noch rasch: "Der Pokedex. Er kennt die Iramon. Richte ihn einfach auf Texomon und er zeigt dir alle möglichen Daten, auch die Evotationen. Na dann! Macht’s gut!" "Ihr auch!", rief Nerina ihm noch nach, während er mit langen Schritten quer über die Wiese zu Ella rannte, Nidoran auf den Fersen...

"Was wollte der von dir?", fragte Neru hitzig, als Nerina ihn wenig später am Waldrand eingeholt hatte. "Mir unseren Pokedex mitbringen, den wir vergessen haben", erwiderte Nerina mechanisch. Ihr Blick war auf Texomon gerichtet, der mit übermütig schwingenden Armen und zuckendem Schwanz neben ihr herlief und sie fragte sich, ob er wohl sehr traurig darüber war, nicht mit Nidoran zusammen zu reisen - doch falls Texomon etwas derartiges gedacht hatte, kam er äußerst schnell darüber hinweg. Sie hatten kaum den Wald betreten, da begann er schon, mit ausgelassenen Bocksprüngen über Baumstümpfe und Wurzeln zu hüpfen, jeden Blätterhaufen zu durchwühlen und in jede Baumhöhle zu spähen. Evoli schüttelte nur skeptisch die langen Ohren. "Er ist sehr übermütig", sagte sie mit vorsichtiger Zurückhaltung und schmiegte sich noch enger an Nerus Hals, bis sie wie ein lebendiger Schal aussah. Nerina lächelte sie freundlich an, trat näher und ließ sie an ihrer Hand schnuppern. "Freut mich, dass du dich für Neru entschieden hast", sagte sie ehrlich, "Er liebt Evolis!" "Wie lange kennt ihr Iramon einander denn schon?", fragte Neru nun selbst seinen pelzigen Begleiter. Evoli zuckte nur mit dem Schwanz. "Ein paar Wochen", sagte sie, "Ich war die erste von uns, die schlüpfte. Danach kam Nidoran, dann Taubsi und dann Texomon. Er ist der jüngste." "Tja, dann wird er sicher auch noch etwas ruhiger." Nerina grinste entschuldigend und warf Texomon einen skeptischen Blick zu, der die Krallen in einen Ast geschlagen hatte und sich daran hin und herschwingen ließ. Er bemerkte ihren Gesichtsausdruck und kehrte mit überraschter Miene zu ihr zurück. "Oh, du glaubst ja gar nicht, wie schön so ein Wald ist! Immerhin hat Eich uns nie weiter als bis auf den Rasen gelassen! Sind hier auch solche Pokemon wie das, gegen das Evoli verloren hat?" Er zwinkerte verschmitzt und Evoli warf ihm einen bitterbösen Blick zu. "Es war mehr als doppelt so schwer wie ich", brummte sie, "Und außerdem ist das alles nur Sache der Übung, sagt Neru. Immerhin habe ich zwei Attacken eingesetzt und es nicht nur mit meinen übergroßen Klauen zerfetzt!" "Das war fast 'n Schlitzer!", protestierte Texomon heiter, fügte dann aber noch kleinlaut hinzu: "Na, mindestens 'n Kratzer." "Trotzdem hat Evoli recht", bemerkte Nerina und tätschelte ihm den Kopf, "Eigentlich sollte ich dir die Attacken sagen." "Naja..." Texomon druckste herum, "Um ehrlich zu sein... Ich weiß gar nichts über Attacken. Welche kann ich eigentlich?" "Keine", sagte Evoli spitz, "Das ist ja das Problem." "Schluss jetzt, ihr beiden", verkündete Neru streng, nahm Nerina den Pokedex aus der Hand und richtete die Kameralinse auf Texomon. "Texomon", quäkte das Gerät sofort los, "Texomon ist ein extra für die Evotation gezüchteter Mischling aus Glumanda und Karnimani. Über sein Wesen ist noch nicht viel bekannt. Texomon erlernt die Attacken Kratzer, Heuler, Aquaknarre, Glut, Doppelkick, Eisenschweif, Flammenwurf, Hydropumpe und Drachenwut. Zusätzlich kann es außerdem unter anderem Schlitzer, Tackle, Schaufler, Agilität und Biss erlernen. Größe: 1,1m, Gewicht: 13,9kg. Ei-Gruppe: Monster. Typus: Drache. Spezialfähigkeit: Schattenschild. Evotationen noch unbekannt." "Evotationen unbekannt?", echote Nerina verdutzt, während Texomon ein ganz anderer Fakt umzutreiben schien. "Ich bin ein Drachen-Typus?", fragte er verdutzt, "Eich und Lind sagten immer, ich sei Typus Wasser!" "Hm. Höchst merkwürdig", seufzte Neru, dann richtete er den Pokedex auf Evoli. "Evomon", teilte das Gerät freimütig mit, "Ist ein aus Evoli entwickeltes Iramon. In Anlehnung an seine Herkunft wird sein Charakter als zurückhaltend, intelligent und anpassungsfähig beschrieben. Obwohl Evoli mutig ist, meidet es unnötigen Konflikt. Es erlernt die Attacken Sandwirbel, Tackle, Rutenschlag, Ruck-Zuckhieb, Biss und Body-Slam. Zusätzlich kann es außerdem unter anderem Agilität, Eisenschweif, Schaufler, Energie-Fokus und Doppelteam erlernen. Größe: 0,3m, Gewicht: 3kg, Ei-Gruppe: Boden, Typus: Normal. Spezialfähigkeit: Anpassung. Es evotiert zu Aquana, Blitza, Flamara, Nachtara und Psiana." "Evomon!" Evoli zuckte überrascht mit den Schnurrhaaren, "So nennen die mich also. Ist ja interessant. Aber Evoli gefällt mir trotzdem besser."

Sich munter weiterunterhaltend liefen sie weiter, folgten dem schmalen Pfad, der sich durch Unterholz und über kleine, sonnige Wiesen schlängelte. Nach seinem ersten Anfall von überschäumenden Freude blieb Texomon nun an Nerinas Seite und machte nur einen gelegentlichen Abstecher in den Wald hinein, um etwas Interessantes zu beschnuppern oder anzusehen. Bei einem dieser Ausflüge grub er aus Versehen ein armlanges Käferpokemon aus einem Blätterhaufen aus, das sich entnervt als "Raupi!" vorstellte und Texomon mit einem Gewirr von Fäden attackierte. Dieser schüttelte zunächst ein paar Mal verwirrt den Kopf, verhedderte sich und rollte lachend über den Waldboden. "Oh, das macht Spaß!", rief er, während Nerina nur die Stirn runzelte. "Das ist Fadenschuss! Du musst versuchen, es mit Kratzer zu besiegen!" "Ach so." Mit einem Sprung kam Texomon auf die Beine, hüpfte vorwärts und ließ sich bäuchlings auf Raupi fallen, dann zerteilte er die Fäden mit seinen Klauen. "Gut so?", fragte er eifrig. Nerina zögerte, während Evoli kritisch die Augen verdrehte. "Das war aber kein Kratzer! Das war ein Tackle!" "Aber den lern ich doch gar nicht", brummte Texomon und kehrte, das zischende Raupi ignorierend zu ihnen zurück.

Sie gingen den ganzen Tag, bis sie gegen Nachmittag auf einer Lichtung ihr Lager aufschlugen. Texomon stürzte sich gleich in den kleinen Bach, der an der Lichtung vorbeiführte, legte sich auf den Rücken und ließ das eiskalte Wasser über seinen Bauch rinnen. Dass dieses Gebiet offensichtlich einem Quaputzi gehörte, begann ihn erst zu stören, als das wesentlich stärkere Wasserpokemon ihn mit einem Duplexhieb zurück ans Ufer beförderte. "Na warte!", rief er ärgerlich, doch Nerina rief ihn scharf zurück. "Nein, Texomon! Komm her! Quapputzi ist sehr... ähem... ausgeruht und du bist schon den ganzen Tag gelaufen." "Hm ja... Vermutlich richtig", gab das Drachenpokemon versöhnlich zurück, dann lief es hinüber zu Neru und Evoli, die gerade Stöcke für ein Feuer sammelten. Nerina blieb nachdenklich mit der Aufgabe, ihr Swag aufzubauen, allein. Während sie das winzige Zelt von ihrem Rucksack löste, es auseinanderrollte und die beiden Stangen aufrichtete, fragte sie sich, ob es richtig gewesen war, Texomon anzuschwindeln. Quaputzi war bedeutend stärker als ihr Begleiter, doch war sie sich ziemlich sicher, dass er den Kampf erst recht gesucht hätte, wenn sie es ihm so gesagt hätte. Ich muss aufpassen, dass er nicht zu selbstsicher wird, dachte sie seufzend, Er mag ein starkes Iramon sein, aber er ist auch sehr leichtsinnig und hört nicht besonders gut. Ich muss mir dringend was überlegen... Mit einigen, müden Hieben versenkte sie die Heringe im Boden, nahm ihren Kochtopf aus dem Rucksack und lief zum Bach, um Wasser zu holen. Quaputzi war immernoch dort. Es beobachtete sie aus großen, glupschigen Froschaugen. "Er hat’s nicht so gemeint", entschuldigte sie sich leise, ehe sie ihren Topf füllte und zurück zur Feuerstelle trug, wo Neru und Texomon gerade emsig mit Rinde und Zündhölzern beschäftigt waren, während Evoli etwas neidisch dabei zusah. "Lass sie nur", sagte Nerina seufzend, Jungs sind manchmal Spielkinder. Magst du mir helfen, ein paar reife Beeren zu finden?" "Kein Problem", sagte Evoli zufrieden und sprang gelenk in einen der wilden Himbeerbüsche am Rand der Lichtung. Gerade streckte es eine Pfote nach einer besonders schönen Beere aus, als ein Teil des Busches plötzlich ein mysteriöses Eigenleben entwickelte. "Myrapla! Myrapla!", tönte es erschrocken. Evoli blieb wie erstarrt hocken und starrte das kleine Pflanzenpokemon mit großen Augen an. Dann machte es auf dem Absatz kehrt und flitzte zurück zu Neru, der es rasch in die Arme nahm und Nerina böse anfunkelte. "Wenn du sie schon ausleihst, dann pass wenigstens auf sie auf! Nicht jeder ist ein Raufbold!" Nerina antwortete nicht. 'Was Texomon zu viel hat, hat Evoli offenbar zu wenig', dachte sie nur nachdenklich, während sie zurück zu ihrem Rucksack lief, um Reis und Soße für ihr Abendessen zu holen.
 

>>>Neru<<<
 

"Hey Neru! Aufwachen!" Benommen drehte sich Neru auf die Seite. "Wie? Was?", nuschelte er noch ganz verschlafen. "Aufstehen! Wir wollten doch früh trainieren, sodass Texomon nichts davon merkt." "Ach ja, richtig", erwiderte Neru, doch so ganz verstanden, dass die Konsequenz davon war, jetzt aufzustehen, hatte er noch nicht. Langsam rappelte er sich auf und sah sich in seinem Swag um. Vor ihm, um genau zu sein auf seinem Bauch, saß Evoli angespannt, wie eine Bogensehne. In fröhlicher Erwartung dem kommenden. Rasch zog sich Neru an und kletterte aus seinem Swag. Im Nachhinein hatte er sich noch gewundert, warum es noch so dunkel war, doch als er vor seinem kleinen Zelt stand, wusste er, warum. Über ihm blühten die Sterne noch in voller Blüte am Nachthimmel und ein großer, voller Mond zeigte sich von seiner schönsten Seite. "EVoli", stöhnte er, "Es ist noch mitten in der Nacht. Man sieht am Horizont noch nicht mal die Morgenröte." Evoli stand da mit stolzgeschwellter Brust. "Toll, nicht? So bekommt Texomon bestimmt nichts mit." Neru rollte nur noch mit den Augen. Normalerweise war er ein Langschläfer. Er hatte aber auch nichts dagegen, manchmal nicht so lange zu schlafen. Aber so früh wollte er nun auch wieder nicht aus dem Bett geworfen werden. "Hast ja recht", meinte er und lachte, "Ein alte Sprichwort sagt, nur das frühe Taubsi fängt den Wurm." "Was wollen wir den trainieren?", fragte nun Evoli ganz interessiert. Sie liefen ein paar Schritte vom Lager weg, um Nerina und Texomon bloß nicht zu wecken. "Ich hab mir überlegt", meinte Neru, "dass wir an deiner Geschwindigkeit arbeiten könnten. Der Ausweichsprung, den du gegen Bisasam eingesetzt hast, war gut, aber Bisasam ist mühelos nachgekommen, außerdem wäre es doch klasse, wenn er dich gar nicht mehr treffen kann, weil du schneller die Position änderst, als er angreifen kann." Evoli hörte seinem Plan begeistert zu. "Au ja, das klingt gut." So bauten sie einen Hürden- und Slalomparcour auf, den Evoli möglichst schnell durchlaufen sollte, während Neru die Zeiten mit dem Pokedex stoppte und dokumentierte, so wie Evoli bei manchen Durchgängen filmte, sodass sie bestimmte Situationen noch einmal besprechen konnten. "Das war bis jetzt dein bester Durchlauf", meinte Neru, als Evoli wieder einmal den Parcour bestritten hatte. Es war erstaunlich, wie schnell sich bei diesem kleinen Pokemon die Werte verbesserten. Es war nicht so, dass sie unbedingt die Muskeln entwickeln mussten, wie Neru es erwartet hatte, die Kraft schien schon in Evoli zu stecken, musste nur noch geweckt werden. "Hast du davon auch eine Aufnahme?", fragte das kleine, braune Pokemon. "Wir könnten die ja mal mit dem ersten Durchgang vergleichen. Wenn du möchtest", erwiderte Neru und teilte den Bildschirm des Pokedex. Evoli betrachtete atemlos ihre beiden Durchgänge und jubelte leise, aber herzlich, als das Evoli der zweiten Runde als erstes im Ziel ankam. Und das nicht nur knapp, sondern mit einem ganz schönen Abstand. "Das war richtig gut!", bemerkte Neru und streichelte Evoli dabei über den Rücken, "Morgen versuchen wir das gleich noch mal, oder?" "Au ja!", meinte nun auch Evoli und bevor auch nur die ersten Lebenszeichen aus dem anderen Swag ertönten, lagen die beiden auch schon wieder in Nerus, und freuten sich über ihren stillen Erfolg. Grinsend und mit unterdrücktem Lachen, warteten sie darauf, dass der Reisverschluss von Nerinas Swag sein reißendes Geräusch in den Morgen entließ und Neru und Evoli warteten noch ein kleines Bisschen und diskutierten im Flüsterton noch einmal ihr Training durch. "Schau, Evoli, hier könntest du ein wenig schneller reagieren!" Evoli besah sich interessiert die Aufnahme, die Neru ihr unter die Nase hielt. Einen kleinen Augenblick brauchte sie, um die Stelle zu erkennen, die Neru meinte, dann nickte sie. "Um die kümmern wir uns morgen", beschloss sie, "wie sehen eigentlich die Zeitenwerte aus?" "Eigentlich kontinuierlich steigernd", meinte Neru, und besah sich die Zahlentabelle auf seinem Block, "Gute Arbeit, Evoli!" Evoli sah sich die Tabelle durch und begann, fast vor Stolz zu erglühen. "Das sind schon fast fünf Sekunden", stellte sie fest. "Ja, das ist enorm!", meinte auch Neru und streichelte seinem kleinen Iramon stolz über den Rücken. Nachdem draußen das kleppern von Töpfen lauter geworden war, standen sie beide wieder auf, und versuchten sich nicht anmerken zu lassen, dass sie schon vor gut zweieinhalb Stunden aus dem Bett gewesen waren. Neru fühlte sich bester Laune. "Das sieht ja fabelhaft aus", meinte er zu seiner Schwester, als er über ihre Schulter den Haferbrei bewunderte. "Ich tu, was ich kann", meinte seine Schwester schüchtern, warf ihm aber einen strahlenden Blick zu. "Ging es dir heute morgen auch so, dass du glaubtest die Iramon wären nur ein Traum?" "Naja, um ehrlich zu sein", stotterte Neru und versuchte sich daran zu erinnern, ob er irgendetwas derartiges gedacht hatte, als er aufgewacht war, "Evoli hat mich heute morgen geweckt, da blieb nicht viel Zeit für Unglaube", meinte er dann. Lachend schüttelte Nerina den Kopf. "Dann ist dein Evoli bedeutend aktiver wie Texomon, den musste ich richtig wachrütteln!" Und tatsächlich sah Texomon noch ein bisschen brummelig aus, wie er da am Feuer hockte, die Augen nur halb geöffnet. "Na komm schon", meinte Evoli, "Du weißt doch, das frühe Taubsi fängt den Wurm." Einen Augenblick lang sah Texomon sie verständnislos an, dann bemerkte er: "Und ich fange dann später das Taubsi, dann passt´s doch!" Aber trotzdem rappelte er sich dann auf und ging zum Bach, um den Kopf einmal komplett im Nassen Element zu versenken. Nach dem Frühstück, das genauso gut schmeckte, wie es aussah, erörterten Neru und Nerina die Funktionen des Pokedex und brüteten über der Karte, wohin sie denn als erstes gehen wollten. Evoli rief noch mahnend in seine Gedanken hinein: "Verrat ihr bloß nichts!" und Neru schüttelte nur unmerklich den Kopf, was für Evoli offenbar ausreichend war, denn sie zog mit Texomon davon, um Beeren zu suchen, wie die beiden erklärten. Neru und Nerina waren in ihrer Erörterung kaum mit den Arenen fertig, als auch schon ein wildes Geschrei aus dem Wald ertönte. Kurz darauf rannten ein zu Tode erschrecktes Evoli und ein hinkendes Texomon aus dem Wald. Texomon sah so aus, als würde er jeden Augenblick zusammenbrechen, während Evolis Fell vor Angst beinahe weiß geworden war. "Was ist...?", setzte Neru an und er und Nerina rannten zu Texomon, um zu sehen, was mit ihm passiert war. Doch im nächsten Augenblick brach die Hölle über die Lichtung her. Dutzende von Habitak schossen aus dem Gehölz und machten Jagd auf sie. Evoli wurde noch ein bisschen weißer um die Schnurrbarthaare und im nächsten Augenblick rannten sie auch schon, so schnell sie konnten, den Waldpfad hinunter. Die nächste Stadt und ihr Pokemoncenter waren nicht weit entfernt und die Habitak in ihrem Rücken beschleunigten ihre Schritte ungemein. Nerina hatte ihr Texomon Huckepack genommen und rannte, wie Neru es von ihr noch nie gesehen hatte, während Neru der kein vierzehn Kilo Pokemon auf dem Rücken trug, Mühe hatte, ihr zu folgen. Neru hatte das Gefühl, seine Lungen würden zerreißen und er hatte keine Ahnung, wie lange sie schon rannten, doch sie rannten und rannten, bis sie das Pokemoncenter der nächsten Stadt Vertania City erreichten. Die Habitak hatten sie hartnäckig und angriffslustig bis vor die Stadtgrenze verfolgt und im Pokemoncenter waren nicht nur die Pokemon dem Zusammenbruch nahe. Die Empfangsdame war sehr freundlich und besah sich mit kritischem Blick Texomons Verwundungen. "Das wird schon wieder", meinte sie zu Nerina und machte eine Operation bereit. Sie drückte ihr noch einmal die Schulter, verwies auf einen Teeautomaten und das Wartezimmer und war schon im Operationssaal verschwunden. "Jetzt erklär mal, Evoli, was ist da eigentlich genau passiert?", meinte nun Neru mit kritischer Stimme an sein Iramon gewandt, als sie alle im Wartesaal saßen, jeder mit einer großen Tasse Tee in der Hand und auf das Ergebnis der Operation warteten.

"Nun, das war so", begann Evoli und ihre kleine Stimme war immer noch vor Angst piepsig.
 

>>>Rückblick<<<
 

"Bist du dir da auch wirklich sicher?", fragte Texomon mit zweifelnder Stimme. "Ja! ich hab die Stelle mit eigenen Augen gesehen." "Na dann!" schulterzuckend lief Texomon hinter Evoli her. Das kleinere Pokemon war sich sicher, einen Baum mit ganz vielen leckeren Früchten gesehen zu haben, die es nun einzusammeln galt. Doch je weiter sie in den Wald vordrangen, desto beunruhigter wurde Evoli. Sie hielt sich immer näher an Texomon, der ja schließlich viel größer und stärker war als sie selbst. Langsam und vorsichtig schritt sie weiter durch den Wald, Texomon skeptisch auf den Fersen. Als der Baum endlich in Sicht kam, blieb Evoli zweifelnd stehen. Rund um den Baum konnte man hauchfeine Fäden sehen, die sich zwischen den Bäumen spannten. "Ich glaube, wir sollten lieber umkehren", meinte das kleine Pokemon, doch Texomon widersprach: "Jetzt sind wir schon so weit gekommen, da lassen wir uns von ein paar Raupy nicht das essen vermiesen." Entschlossen stampfte er mit dem Fuß auf und stapfte durch die ersten Fäden, die er sorgfältig mit seinen Klauen zerteilte. Plötzlich knackte hinter Evoli ein Zweig. Von einem plötzlichen Impuls getrieben, sprang Evoli vor und einen der Bäume, die die Lichtung umgaben, empor. Reine Panik hatte sie ergriffen, obwohl sie noch nicht einmal wusste, warum. Doch dann sah sie, das Spinnenpokemon, das hinter ihnen erschienen war. "Dasss issst mein Terrritorrrrium", fauchte es Texomon an, der seinerseits einen Schritt zurückwich, dann aber stehen blieb. "Wer sagt das?", fauchte er zurück, "Wir wollen nur ein paar Früchte holen." Das große Spinnenpokemon hörte ihm gar nicht richtig zu. "Duuu zerrrrstörrrst meine Neeetze", fauchte es, "Verrrrschwinde." Texomon ließ sich von dem Achtfüßler nicht beeindrucken, sondern konterte weiter, bis es zum Kampf kam. Evoli hatte so eine Angst, dass sie sich nicht rührte, sondern stumm und steif vor Angst in ihrer Astgabel sitzen blieb. Das kleinere Texomon verlor den Kampf gegen das Ariados und musste fliehen. Als Texomon die Lichtung hinkend verließ, wurde Evoli klar, dass, wenn Texomon jetzt ginge, sie alleine mit dem Ariados sein würde. Also sprang sie ebenfalls vom Baum und stürmte hinter Texomon her aus dem Wald hinaus. Leider verloren sie in dem Gewirr der Baumstämme die Richtung, und noch während sie liefen, prallten sie in ein paar Strohnester. Nur Sekunden Später war die Luft von Habitak erfüllt, die wutentbrannt über die zerstörten Nester, die sie wirklich nicht hatten beschädigen wollen, hinter ihnen herjagten. "Zu was bist du überhaupt nütze?", fauchte Texomon Evoli an, "Findest nicht mal den richtigen Weg." Doch Evoli war viel zu sehr mit rennen und wegfinden beschäftigt, um etwas zu erwidern, zumal sie einen wahren Kern in den Vorwürfen zu erkennen glaubte.
 

>>>Rückblick Ende<<<
 

"Nun ja", schloss Evoli, "und den Rest kennt ihr." Nach der Erzählung von Evoli herrschte erst einmal einen Augenblick lang Stille im Raum. Nerina war immer noch weiß vor Angst um ihr Texomon und Neru dachte über das, was ihm Evoli erzählt hatte nach. Furchtsam schaute Evoli von einem zum andern. "Was denkt ihr?", fragte sie nach einer Weile ängstlich. "Nun, das Texomon sich wiedermal überschätzt hat, steht ja außer Frage", meinte Nerina ärgerlich aber mit resigniertem Unterton. Evolis Ohren stellten sich freudig auf, bei der Chance, dass man das Geschehene auf diese Weise interpretieren könnte. "Aber du hast dich auch nicht eben mit Ruhm bekleckert", meinte nun Neru streng, "Warum bist du nur auf dem Baum sitzen geblieben? Du hättest Texomon helfen können, oder versuchen können den Streit zwischen den beiden zu schlichten." "Oder einen von uns beiden holen können", warf Nerina fast ein wenig zornig ein. Evolis gerade noch so schön aufgestellte Ohren fielen in sich zusammen. "Streng genommen ist es deine Schuld, dass es Texomon so schlecht geht", meinte nun Neru und ging fort um neue Tassen Tee zu holen. Evoli ließ die Ohren hängen und machte sich ganz klein. Ihr schienen vorher schon ähnliche Gedanken im Kopf herumgespukt zu haben. Nerina war zwar immer noch sauer, wollte aber etwas einwenden, doch Neru schüttelte den Kopf. "Sie kann sich ruhig mal Gedanken über ihr Verhalten machen", sagte er streng, "Feigheit ist nichts, worauf man stolz sein kann." Bei diesen Worten zuckte Evoli zusammen und ließ die Ohren noch weiter hängen. Besorgt schlich sie durch den Warteraum, vor die Tür des OP-Saals und schaute stumm das blinkende Signal an der Tür an. "Wenn du da wieder rauskommst, Texomon", sagte sie entschlossen, "verspreche ich, nie wieder so feige zu sein." Und dank der Stille im Wartesaal konnten Neru und Nerina diese Worte auch sehr gut verstehen.
 

>>>Nerina<<<
 

"Aber warum hat das denn sein müssen, Texomon?", fragte Nerina ihr kleines Drachen-Iramon mit einer Mischung aus Wut und Besorgnis, als sie es am Abend endlich wieder abholen durfte, "Warum hast du dich nicht einfach bei dem Ariados entschuldigt und bist selbst weggelaufen?" "Es sah nicht soviel stärker aus als ich", brummelte Texomon mit gesenktem Kopf und hängenden Ohren, "Und außerdem hat es mich angegriffen und nicht umgekehrt! Da läuft man doch nicht einfach feige weg!" "Aber Texomon, das ist viel zu gefährlich! Du bist noch jung und kannst keine einzige Attacke! Bitte mach sowas nicht nochmal, wenn ich nicht dabei bin! Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht!" "Entschuldigung", murmelte Texomon nur zur Antwort und versuchte, die Ohren noch weiter hängen zu lassen, "Das wollte ich nicht." "Ist jetzt in Ordnung", erwiderte Nerina seufzend und streichelte ergeben über seinen schuppigen Rücken, "Zum Glück geht’s dir ja wieder gut. Trotzdem, sei bitte vorsichtig, wenn du das nächste Mal im Wald herumtobst! Man macht keine fremden Sachen kaputt!" "Ich hab das doofe Netz wirklich nicht erkannt", protestierte Texomon ärgerlich ob ihrer Beharrlichkeit, "und Evoli auch nicht! Sonst hätte sie mich doch gewarnt!" Nerina antwortete zunächst nichts und so legten sie die letzten paar Meter von der Rezeption des Pokemon-Centers bis zu der Terrasse schweigend zurück. Es dämmerte bereits als Nerina den Perlenvorhang auseinanderschlug und die kühle Nachtluft, die nun über ihre Gesichter streichelte, tat gut nach der hitzigen Diskussion. Seufzend ließ Nerina sich auf eine der Sonnenliegen fallen, legte den Arm so neben sich, dass Texomon sich bequem an ihre Seite kuscheln und den Kopf an ihre Schulter lehnen konnte und immernoch schweigend sahen sie einem jungen Trainer im Park vor ihnen dabei zu, wie er zwei junge, kräftige Quiekel über den Rasen traben, einander jagen, ausweichen und hohe Sprünge vollführen ließ, immer abwechselnd nach demselben Muster. Am Ende jedes Durchganges ließ er sie einen Pulverschnee in den Nachthimmel ausstoßen und in der Mitte des Parcours machten sie eine Steinhagel. Gute zehn Minuten sahen sie dem meditativen Treiben auf dem Rasen zu, während jeder seinen eigenen Gedanken nachhing, dann fragte Nerina leise: "Bist du böse auf Evoli, weil sie dir nicht geholfen hat?" Texomon hob verdutzt den Kopf. "Böse?", fragte er verständnislos, "Warum denn? Sie hätte ja doch nichts tun können." Damit schien die Sache für ihn erledigt zu sein und Nerina war froh, dass er wenigstens nicht nachtragend war. Den ganzen Nachmittag, während sie stumm in der Empfangshalle des Centers auf und abgeschritten war, die Hände in den Hosentaschen und den Blick stoisch auf den Boden geheftet, hatte sie der Gedanke umgetrieben, was sie nur tun sollte, falls ihre beiden Iramon nach diesem Vorfall aufeinander wütend sein würden. Sie hätte es Texomon nicht verübeln, es ihm aber auch keinesfalls erlauben dürfen, wobei das wohl auch kaum eine Rolle gespielt hätte, dachte sie nun seufzend und streichelte gedankenverloren seine klauenbewehrte Pranke. Sie mochte das Drachen-Iramon gerade wegen seiner Stärke und Selbstständigkeit, doch hatte die leider auch zur Folge, dass man ihm nicht einfach sagen konnte, wo es lang ging auf der Welt. Gerade wollte sie sich zu einer philosophischen Bemerkung diesbezüglich hinreißen lassen, als Texomon seinerseits damit herausplatzte, was ihn umtrieb. "Sag mal, Nerina...", begann er mit einer zögerlichen Art, die sie von ihm noch gar nicht kannte, "Ist das, was der Junge und die Quiekel da machen... Training?" "Aber ja", erwiderte Nerina schmunzelnd, "Sie trainieren Schnelligkeit, Gewandtheit und eine Boden- und eine Eisattacke im Parcour und er sagt ihnen, was sie verbessern müssen." "Oh", machte Texomon nun ebenfalls seufzend, "Schade. Und dabei hatte ich mich so aufs Training gefreut." Zunächst verstand Nerina nicht ganz, was er meinte. "Aber, das ist doch gut", erwiderte sie stirnrunzelnd, doch Texomon ließ nur den Kopf hängen. "Es sieht schrecklich langweilig aus", sagte er niedergeschlagen, "Immer nur im Kreis laufen und über dieselben paar Wurzeln springen? Das trainiert vielleicht die Beine, aber nicht den Kopf! Und der ist doch das wichtigste! Sonst laufen die in der Arena auch nur im Kreis, weil ihre Beine sich so daran gewöhnt haben!" Nerina musste herzlich lachen bei dem Gedanken, drückte Texomon an sich und flüsterte: "Wir zwei machen spannenderes Training! Versprochen! Auch welches für den Kopf!"

In ihrem gemeinsamen Zimmer hatte Neru die beiden Swags, die sie bei ihrer Flucht im Wald zurückgelassen und die er und Evoli nach dem ersten Schrecken und als sich abgezeichnet hatte, dass Texomon wohl bis zum Abend im Krankensaal würde bleiben müssen, geholt hatten, lang auf dem Boden ausgebreitet. Er hatte sie im Garten geschruppt und von den Hinterlassenschaften der Habitak gereinigt. Nun brütete er über der Frage, was mit dem fingerlangen Klauen-Riss in Nerinas Zeltplane anzustellen sei. "Ich werde ihn einfach zunähen", beantwortete Nerina seine ungestellte Frage, kaum, dass sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, "Danke fürs holen und putzen, Neru. Geh nur ruhig ins Bett. Du siehst total müde aus." Zu ihrer Verwunderung protestierte ihr Bruder nicht sondern nickte nur dankbar. "So ein Pokemonabenteuer strengt doch bedeutend mehr an als eine Runde Rasenmähen bei Papa", entgegnete er gähnend und ließ sich der Länge lang auf sein Bett fallen, gerade noch darauf achtend, nicht Evoli zu zerquetschen, die sich bereits auf seinem Kopfkissen zusammengerollt hatte und verschüchtert Texomon beobachtete, der sie seinerseits nur fröhlich angrinste. "Oh, gut, dass dir nichts passiert ist", sagte er freimütig und ließ sich auf Nerinas Bett plumpsen, quer natürlich. "Hee! Rutsch mal ein bisschen! Du bist nicht allein auf Gottes Welt!" Selbst kichernd kitzelte Nerina seinen gelben Bauch und Texomon rollte sich glucksend zu einer schuppigen Kugel zusammen, sodass Nerina wenigstens genug Platz fand, sich auf die Bettkante zu setzen und ihr Nähzubehör aus dem Rucksack zu kramen. Etwas verzweifelt sah sie auf das viel zu enge Nadelöhr hinunter. Nähen war noch nie ihre Stärke gewesen, auch wenn Mutter es ihr in langen und geduldigen Winterabend-Beschäftigungen beizubringen versucht hatte. Neugierig schob Texomon den Kopf auf ihren Schoß und blinzelte zu dem seltsamen, silbrigen Ding in ihrer Hand hinauf. "Was tust du da?", fragte er überrascht. "Ich versuche, den Faden durch das Nadelöhr zu ziehen", erwiderte Nerina seufzend, "Aber er will einfach nicht..." "Oh, lass mich mal", erwiderte das Iramon begeistert, streckte eine klauenbewehrte Hand aus und packte zuversichtlich Nadel und Faden. "Fadenschuss!", rief er und ehe Nerina sichs versah, hatte eine seiner scharfen Klauenspitzen den Faden schon an Ort und Stelle befördert. "Danke!", strahlte sie, während Neru skeptisch die Stirn runzelte. "Bringst du ihm auch richtige Attacken bei?", fragte er kritisch. "Naja, aber es ist ein Anfang", erwiderte seine Schwester schulterzuckend und wandte sich nachdenklich dem Riss in der Plane zu... Texomon mochte ein großer Tollpatsch sein und nicht sonderlich viel von stupidem Parcourlaufen halten, doch wenn sie seine Talente richtig förderte...

Als Nerina am nächsten Morgen die Augen aufschlug, stellte sie verdutzt fest, dass Neru fehlte. Sein Bett sah zerwühlt aus wie immer, nachdem sein Besitzer es verlassen hatte, doch war er nicht nur mal eben zum Klo gegangen, denn sein Schlafanzug lag breit über dem Kopfkissen und seine Kleider fehlten. Wo er wohl hingegangen war? Und warum so früh? Schließlich war ihr Bruder doch ein bekennender Langschläfer und draußen ging gerade erst die Sonne wie eine zarte, rosane Kugel über den Dächern der Stadt auf. Kurz wunderte Nerina sich noch über diese neuerliche Merkwürdigkeit, dann schlüpfte sie ebenfalls aus dem Bett, warf sich Hose und T-Shirt über und stupste Texomon mit einem Finger gegen die weiche, schwarze Schnauze. "Aufstehen, du Schnarchnase!", rief sie gut gelaunt, "Neru und Evoli sind ausgeflogen und das wäre doch eine fabelhafte Gelegenheit für ein bisschen Spaß!" Sie wusste, dass sie Texomon mit Training und Attackenlernen nicht würde locken können. So sprang er begeistert mit einem Satz aus dem Bett! "Au ja!", rief er glücklich, "Spielen!" Ausgelassen und zu Texomons Verdruss schweigend schlenderten sie durch den vollen Frühstückssaal des Pokemon-Centers und Nerina sah sich verstohlen nach ihrem Bruder um, doch auch sein Magen hatte Neru offensichtlich nicht zum frühen Aufstehen verdonnert. Kopfschüttelnd verließen sie das Center. "Okay, Texomon", sagte Nerina dann grinsend und zeigte auf eine Straßenlaterne am Ende der Straße, "Machen wir ein Wettrennen?" "Aber du darfst nicht traurig sein, wenn du verlierst", erwiderte Texomon schon vor Eifer hin und hertänzelnd. Nerina schüttelte ernst den Kopf. "Oh, ich bin eine absolute High-Speed Kanone!", flunkerte sie, "Renn nur, so schnell du kannst! Achtung, Fertig, Looos!" Wie eine Kanonenkugel schoss Texomon davon die Straße hinunter. Heller Staub wirbelte meterhoch hinter seinem schlagenden Schwanz her, während Nerina seelenruhig die Stoppuhr aktivierte und dann ehrenhalber in dieselbe Richtung trabte, Texomon genau im Auge. Als er klirrend mit den Klauen an die Laterne stieß, sich daran festklammerte und von seinem eigenen Schwung einige Male im Kreis gewirbelt wurde, drückte sie lachend erneut die Stoppuhr. Er hatte eine sensationelle Zeit von dreizehn Sekunden gelaufen! "Bravo!", keuchte sie, als auch sie endlich bei ihm ankam, "Da bist du aber ganz schön abgegangen! Mann, das nächste Mal stelle ich eine Radarfalle auf!" Texomon kugelte sich vor lachen. "Ich bin gut im Laufen", sagte er stolz. Nerina nickte. "Perfekt - aber Texomon, bist du eigentlich auch gut im Springen? Schau mal, auf der Laterne da ist ein Habitak-Klecks. Meinst du nicht, Officer Rocky würde sich freuen, wenn wir den wegputzen würden? Sie ist doch so klein und bräuchte sicher eine Leiter..." Wie zufällig holte sie eine der Servietten aus dem Frühstückssaal aus der Tasche und reichte sie Texomon, der begeistert zu hüpfen begann. Er hopste auf der Stelle, wie ein Gummiball, doch die Laterne blieb weit über seinen ausgestreckten Klauen. Kurz überlegte Nerina, ob die Übung nicht zu schwierig für ihn war, doch Texomon schien mit soviel Enthusiasmus bei der Sache, dass sie ihn gewähren ließ. Wie ein Känguru hüpfte er um die Laterne herum, dann kam er irgendwann auf die Idee, Anlauf zu nehmen, raste die Straße entlang und sprang mit einem lauten Deung gegen den Pfosten. "Oh, Texomon!", rief Nerina erschrocken, doch Texomon hatte sich bereits mit den Hinterbeinen und dem Schwanz an das Rohr geklammert und streckte nun die Klauenhände nach dem dunklen Klecks aus - dann ließ er sich keuchend zu Boden sinken und zeigte ihr enttäuscht die zerfetzte Serviette. "Ich hab sie kaputt gemacht..." "Ich hab noch eine!", sagte Nerina froh, dass ihm nichts passiert war. "Versuchs nochmal, das war eine super Idee!" Es gingen noch viele Servietten zu Bruch, doch nach einer guten halben Stunde hatte Texomon gelernt, nicht mehr wie ein Relaxo gegen den Laternenpfahl zu rumsen, sondern elegant an dessen Spitze zu springen, sich festzuhalten und die Stelle sogar mit einer gewissen Vorsicht zu polieren und mit stolz geschwelgter Brust kehrte er an Nerinas Seite zum Pokemon-Center zurück, um sich nach dem witzigen Springspiel, wie er es nannte, erstmal ein paar anständige Pokeriegel zu gönnen.

Neru und Evoli waren da, als Nerina und Texomon ausgelassen plaudernd - Nerina lobte ihn in höchsten Tönen und Texomon antwortete, wie abgemacht, artig: "Texo...Texomon!" - in den Frühstückssaal stürmten. Er lehnte mit noch etwas müdem Gesicht am Tresen und redete mit Schwester Joy. Als Nerina sich zu ihm gesellte, strahlte die Krankenschwester Texomon an. "Es ist so schön, dass es dir wieder besser geht!", sagte sie ehrlich und ihr kleines Chaneira piepte zustimmend. "Stell dir vor", sagte Neru und stieß seiner Schwester begeistert den Ellenbogen in die Seite, "Schwester Joy hat eine Cousine in Azuria City." "Ja...?", entgegnete Nerina verdutzt. Dass es in jeder Stadt eine Schwester Joy gab, wusste jedes Kind! Was war die Sensation daran? "Meine Cousine hat im Pokemon-Center sehr viele Patienten", erklärte Schwester Joy weiter, "Und sie hat geschrieben, sie könnte dringend noch ein Chaneira brauchen. Wie es der Zufall so will, hat meines grade ein Ei gelegt. Leider kann ich es nicht einfach per Post nach Azuria schicken... Eier sind sehr empfindlich. Und leider geht auch niemand in die Richtung, weil alle erst nach Marmoria City zur Felsarena wollen..." "Aber ich dachte, wir könnten doch auch erst nach Azuria City gehen, oder?", fragte Neru aufgeregt, "Vielleicht entwickelt sich Evoli dort zu Aquana und dann hätten wir sogar eine Chance im Marmoria... Und sie würde uns sogar bezahlen!", fügte er leise hinzu. Nerina zögerte kurz, dann zuckte sie mit den Schultern. "Ist mir gleich!", sagte sie fröhlich, "Von mir aus können wir auch erst schwimmen gehen. Wir mögen das Wasser!"
 

>>>Neru<<<
 

Das Training war an diesem Morgen noch zwei Stunden nach vorn verlegt worden, da sie ja an diesem Tag früh in Richtung Azuria City aufbrechen wollten. Nachdem sie die letzten Tage grundlegende Bewegungen für das Ausweichen geübt und weiter an Evolis Geschwindigkeit und Ausdauer trainiert hatten, hatte Neru an diesem Tag etwas ganz besonderes vor. Den Parcour, den er Evoli heute stellte, war zwar nicht ganz so anspruchsvoll wie die letzten, doch wollte er heute die Reflexe seines Partners testen, und auch an diesen üben. Immerhin ging es nicht nur darum, schnell zu sein, sondern man musste auch über die nötigen Reflexe und Reaktionsschnelligkeit verfügen, um gegnerischen Attacken auszuweichen. Zu diesem Zweck hatte Neru in den letzten Tagen Tannenzapfen gesammelt, die er heute während den Parcourläufen von Evoli nach dieser werfen wollte, um Attacken zu simulieren. Evoli schien von dieser Idee nicht ganz so begeistert, wie von ihren vorherigen Trainings zu sein. "Das bringt doch gar nichts", meinte sie nur zähneknirschend, als ein Tannenzapfen genau auf ihrer Nase landete. "Es wird etwas bringen, wenn du es nur gut genug übst", erklärte Neru, "Den Tannenzapfen musst du dir wie eine Attacke, eine Aquaknarre oder einen Donnerblitz vorstellen, dem man ausweichen muss." "Na, ich weiß nicht", murrte Evoli, machte aber die Übung noch zwei weitere Male und wurde während dieser Durchläufe auch besser darin, auf mehr zu achten als ihre Hindernisse und ihre Füße. Dennoch murrte Evoli fast den ganzen Weg zurück zum Pokemoncenter, was Neru nicht eben als Erfolg verbuchen konnte. Es machte ihm zu schaffen, wie schnell Evoli die Lust an einem Training zu verlieren schien, das sie nicht für sinnvoll hielt. Noch immer über die Problematik nachgrübelnd erreichten die beiden das Pokemoncenter, wo sie auch prompt Nerina und Texomon über den Weg liefen, die ebenfalls früh aufgestanden waren und gerade beim Frühstück saßen. "Na, wo kommt ihr denn her?", fragte Nerina gut gelaunt und biss in ihr Marmeladenbrot. Wir waren spazieren", warf Evoli glücklich ein und sprang auf den Tisch. "Die Luft draußen ist herrlich", bekräftigte Neru und setzte sich ebenfalls zu den anderen. Nerina legte die Stirn in Falten und betrachtete ihn mit einem fragenden Ausdruck in den Augen. "Seit wann interessierst du dich denn für frische Luft?", fragte sie. "Naja, Evoli ist morgens sehr aktiv und da ich dann ja eh keine Ruhe mehr habe, da kommt man halt auf den Geschmack." Das war im Prinzip nicht ganz gelogen, aber auch nicht die ganze Wahrheit, wie sich Neru eingestehen musste. Aber gut, hier ging es ja schließlich um das Geheimnis von Evoli, das er nicht ausplaudern wollte. Evoli sollte sehen, dass sie sich auf ihren Trainer verlassen konnte. "Nun gut", meinte er gut gelaunt, "was gibt’s denn zum Frühstück?" Und während er alle Blicke auf sich ziehend Richtung des Buffets davonlief, entging ihm beim Zurückblicken nicht, dass Evoli versuchte, als Texomons Blick gerade abgelenkt war, ihm einen seiner Pokeriegel zu stibitzen. Lächelnd wendete er sich wieder dem Buffet zu. Evoli schien wirklich mutiger zu werden, so wie sie es versprochen hatte.

Kurze Zeit später erschien Evoli neben ihm, mit einem dicken Kratzer auf der Nase. "Was ist denn mit dir passiert?", fragte er das kleine Iramon. Evoli hielt sich zwar an das Sprechverbot, jedoch konnte er ihre Stimme in seinem Geist hören. 'Wurde erwischt', murrte sie nur verschnupft und verschwand hinter einem kleinen Schränkchen. Neru musste lachen. Evolis Kopf tauchte hinter dem Schränkchen auf und funkelte ihn an. 'Das ist nicht lustig.' "Das liegt im Auge des Betrachters", konterte Neru und wandte sich wieder den Spiegeleiern und dem Speck zu, den er sich gerade auf den Teller laden wollte.

Als Neru mit einem zum Bersten vollen Teller zurück zum Tisch kam, fand er seinen Platz belegt vor. Ein anderer Trainer hatte sich darauf niedergelassen und diskutierte mit Nerina die Route nach Azuria City. Neru war froh bei dem Gedanken,, jemanden gefunden zu haben der ihnen einen guten Weg empfehlen konnte, da er heute morgen noch nicht die Zeit gefunden hatte, in die Karten zu schauen. "Wenn ihr dalang geht, kommt ihr durch den Vertania Wald und in die Sinora Berge. Da müsst ihr gute Pokemon dabei haben", sagte der andere gerade und ließ den Blick vielsagend auf seinem Gürtel ruhen, "Als ich mit meinem Pikachu da entlanggewandert bin, wurden wir schon das ein oder andere Mal von wilden Pokemon angegriffen, aber nicht jedes Pokemon ist gleich stark, nur weil es einen Trainer hat." Abschätzend ließ er damit den Blick über Texomon schweifen. "A..Texo!", wandte Texomon ein, sich gerade noch daran erinnernd, dass er ja ein Pokemon war und deshalb nur seinen Namen sagen durfte, doch die Sache war auch ohne Texomons Eingreifen ins Rollen geraten. Zehn Minuten später hatten sich alle draußen versammelt und der Trainer, der sich als Roy vorgestellt hatte, zog seinen Pokeball, während Texomon ein paar Schritte nach vorn getreten war, um sich dem Trainerkampf zu stellen. Natürlich hatte Nerina die unterschwellige Beleidigung nicht auf sich sitzen lassen und die somit ausgesprochene Herausforderung von Roy angenommen. Roys Pikachu sah gut aus. Eine große gelbe Maus mit einem braunen Blitzmuster auf dem Fell und einem gelben, großen Blitz als Schwanz. Schnell zog Neru seinen Pokedex heraus, um die Daten von Pikachu einzusehen.

"Pikachu, das Blitz-Pokemon.

Pikachus harmloses Aussehen darf nicht unterschätzt werden. Die Stromschläge, die dieses kleine Pokemon aussenden kann, können bis 250.000 Volt stark werden. Seine Hauptattacke ist der Donnerblitz, der eine verheerende Wirkung auf Wasserpokemon hat."

"Oh jeh", stöhnte Neru auf und warf Texomon einen besorgten Blick zu. 'Was ist denn?', hörte er Evolis Stimme in seinen Gedanken und er zeigte ihr das Display des Pokedex.

'Man kann nicht bestreiten, dass er ein bisschen Wasser in sich hat', Meinte sie skeptisch und ließ sich auf ihren Hintern sinken, um dem Kampf zuzusehen.

Texomon stürzte auf das Pikachu zu, die Klauen zum Schlag erhoben, da begann Pikachu, gelb zu leuchten und im nächsten Augenblick zuckte ein Blitz, dem Texomon nur knapp ausweichen konnte, durch die Luft, und ließ einen Busch hinter dem Drachenpokemon in Flammen aufgehen. Schwerfällig rappelte sich Texomon wieder auf und ging diesmal mit mehr Bedacht zum Angriff über. Mit geschickten Sprüngen und Scheinausfällen kam er immer näher an Pikachu heran, das zwar noch zwei Donner nach Texomon abschoss, doch Texomon war gewarnt und seine Finten gut gesetzt. Texomon schien ein gutes, intuitives Gefühl für den Kampf zu haben, so konnte er Pikachu erreichen, ohne, dass er einen weiteren Beinahetreffer einstecken musste. Als Texomon ihn fast erreicht hatte, befahl Roy einen Ruckzuckhieb und Pikachu ging so schnell in den Angriff über, wie es Neru noch nie zuvor gesehen hatte. Ein brutaler Hieb traf Texomon in die Brust, dieser ließ sich von einer solchen kurzen Unterbrechung jedoch nicht beirren und zog auf Nerinas Kratzer-Befehl hin seine Klauen quer durch Pikachus Gesicht, sodass man die Spuren seiner Klauen wahrscheinlich noch ein paar Tage lang auf den Wangen des Blitzpokemons sehen konnte. Erschrocken von der Wirkungslosigkeit seines Ruckzuckhiebs und überrascht von der plötzlichen Stärke des Drachenpokemon, wich Pikachu zurück. Texomon zögerte nur einen Augenblick zu lange, als er die Verfolgung aufnahm, da traf ihn der aus der Flucht blindlings abgefeuerte Donnerblitz des Pikachu genau in die Brust. Stöhnend brach Texomon zusammen. Texomon war zwar nicht K.O gegangen, doch war sowohl ihm als auch Nerina klar, was passieren würde, wenn Texomon versuchen würde, aufzustehen. So ließen sie es bei der Aufgabe bewenden, bevor Texomon wirklich noch arge Verletzungen davontragen konnte.

"So wird das mit dem wandern nichts", meinte der Trainer überheblich, während sein Pikachu zu ihm zurückkehrte und Nerina zu Texomon eilte, um ihm wieder auf die Beine zu helfen. "Und so, wie ich die Sache sehe, ist dein Fellknäul nicht nennenswert besser trainiert", meinte er an Neru gewandt. Neru, der sein Evoli vor einem ähnlichen Schicksal wie Texomon bewahren wollte, wollte zu einer Antwort ansetzen, als sich Evolis wütende Stimme in seine Gedanken mischte. 'Fellknäul? Diese kleine Leuchtmaus schaff ich!' "Das werden wir ja sehen", erwiderte Neru nur kühl, und beugte sich zu Evoli hinunter. "Denk an unsere Übung von heute morgen und lass dich nicht zu einem vorschnellen Angriff provozieren."

'Keine Sorge!', halte es in seinem Kopf, während Evoli mit dem arttypischen "Evo?", antwortete, 'Ich hab eine Idee.' Dann sprang Evoli ein paar Schritte nach vorn und der nächste Kampf begann. Pikachu begann sofort wieder gelb zu leuchten. "Sandwirbel", befahl Neru und eine dicker Schwall des staubigen Elements ergoss sich über den Kampfplatz und warf ganz kleine Dünen auf. Dem Konter, den das Pikachu los ließ, als es wieder freie Sicht hatte, konnte Evoli nur um Haaresbreite entgehen und er versengte ihr Rückenfell, als Evoli sich auf den Boden warf, um unter der Attacke hindurch zu tauchen. Evoli machte selbstständig mit den Sandwirbeln weiter und warf Düne um Düne auf, während sie versuchte, den Stromschlägen zu entgehen. Bald schon gab es auf der ganzen Wiese verteilt kleinere und größere Sanddünen, hinter denen sich Evoli verstecken konnte. Doch genau in dem Augenblick, als Evoli zu einem weiteren Sandwirbel ansetzte, zuckte auch ein Blitz von Pikachu über den Kampfplatz und die beiden Attacken trafen sich auf halbem Weg zwischen ihnen. Wie immer, wenn viele kleine Teile durch die Luft treiben und ein Funke dazwischen geht, begann die Mehlstaubexplosion sofort und ein greller Verbrennungsblitz zischte zwischen den beiden Kontrahenten auf. Neru und alle anderen Beteiligten mussten die Augen zukneifen und als sie wieder zum Kampfplatz sehen konnten, war Evoli verschwunden. Suchend rannte Pikachu von Düne zu Düne. "Evoli! Wo bist du?", rief Neru und in seinem Geist antwortete die Stimme des kleinen Iramon. 'Mir geht es gut!', meinte sie, 'Ich liege im Sand versteckt, drei Schritte hinter Pikachu.' Tatsächlich konnte Neru an dieser Stelle einen kleinen Schemen braunen Fells entdecken. 'Du musst nur noch einen Tackle befehlen', meinte Evoli schmunzelnd und der Sandhaufen wackelte, als sie sich zum Angriff bereit machte. "Evoli! Tackle", rief Neru und Evoli sprang aus dem Staub genau in den Rücken des ahnungslosen Pikachus...

Ruhig kehrte Evoli wieder in ihre Ausgangsstellung zurück, setzte sich auf ihren Hintern und legte ihren Schweif um ihre Beine, während sie Roy ruhig und gelassen in die Augen sah und sagte: "Evo-Evoli." 'Das hättest du nicht gedacht!', hörte Neru die Übersetzung in seinem Kopf und er musste bei diesen Worten grinsen. Roy war zwar nicht zum Grinsen zumute, aber er war auch nicht nachtragend. Begeistert diskutierte er mit Neru und Nerina über unterschiedliche Angriffstaktiken und den Möglichkeiten, wie man diesen entgehen konnte. Auch hatten sie es über unterschiedliche Trainingsmethoden, während sich Evoli und Texomon unauffällig abseilten und sich über den Vorrat an Pokeriegeln hermachten. Roy erklärte den beiden jungen Trainern auch, wie man wohl am schnellsten und besten in Richtung von Azuria City kommen könnte und zeichnete ihnen die schnellste und beste Wanderroute in eine Karte aus dem Pokemoncenter ein. Als sie sich gerade bereit machten, um die lange Wanderung zu beginnen, seilte sich Evoli von Neru ab und sprach Nerina an. Kurz darauf verschwanden die beiden um eine der Ecken des Pokemoncenters. "Weißt du, was mit denen los ist?", fragte ihn Texomon aufgebracht. "Wahrscheinlich Frauengeschäfte", antwortete Neru nur zweifelnd, dann kam ihm etwas anderes in den Sinn. "Du, Texomon? Wie war das eigentlich für dich gerade, ich meine als du von Pikachu getroffen wurdest?"

"Nun ja", meinte die kleine blaue Echse und kratzte sich mit einer Klaue an der Nase, "Besonders toll war es nicht, aber manchmal kann man nichts daran ändern. Ich habe früher schon häufig verloren, gegen Nidoran", meinte er, als sie gemeinsam die Parkanlage hinunter schritten und er erzählte Neru von seiner bewegten und zugegebenermaßen ziemlich zerrauften Kindheit. "Aber man darf nie aufgeben", meinte Texomon stolz, "Irgendwann war ich gut genug, mich zu wehren und auch Nidoran zu besiegen. Seit da waren wir gute Freunde. Ich denke jeder Gegner ist bezwingbar", stellte er sachlich fest und mit diesen Worten rannte er zurück zu Nerina und ließ einen nachdenklichen Neru zurück.
 

>>>Nerina<<<
 

"Herzlichen Glückwunsch", sagte Nerina mit einem breiten Lächeln zu Evoli und strich ihr mit einem Finger stolz das Fell über der Nase glatt, "Das mit der Mehlstaubexplosion war eine klasse Idee!" "Danke!" Das kleine Iramon kicherte ein wenig verlegen und legte geschmeichelt ein Ohr zurück. "Allerdings war das zugegebenerweise eher ein Zufall..." "Ja, aber trotzdem! Und auch den Sandwirbel hast du geschickt eingesetzt!", sprach Nerina begeistert weiter, "Ich muss Texomon echt auch mal ein paar vernünftige Attacken beibringen, aber noch sind wir beim Basistraining..." Sie hatte immernoch nicht wirklich eine Ahnung, warum Evoli sie beiseite genommen hatte, denn auf ihrem doch schon recht langen Spaziergang durch die Vorgärten des Pokemon-Centers hatte sie bis jetzt noch nichts von Bedeutung gesagt. Bei ihrem neuerlichen Kommentar begannen Evolis Schnurrhaare zu zucken und sie sah mit ernstem Blick zu Nerina auf. "Texomon hat gut gekämpft", sagte sie ohne Neid oder Sarkasmus in der Stimme, "und er war auch damals gegen das Webarak sehr mutig. Ich... ich wollte dich wegen damals um Verzeihung bitten", rückte sie nun endlich mit der Sprache heraus und obwohl ihr langer, buschiger Schwanz hundegleich an ihrem Bauch klebte, sodass die weiße Spitze unter ihrem Kinn hervorlugte, wandte sie den Blick nicht ab. "Es war unser beider Fehler und Texomon musste alles ausbaden. Das tut mir leid. Ich hätte ihm durchaus helfen können, aber ich hab mich nicht getraut..." Kurz überlegte Nerina, was sie antworten sollte. Die Sache war ausgestanden und Texomon war kein bisschen böse wegen Evolis Versäumnis, doch spürte sie, dass das kleine Iramon es ernst meinte und wollte es nicht mit einer laschen Bemerkung abspeisen. So blieb sie stehen, hockte sich hin, sodass sie Evoli besser in die schönen, blauen Augen sehen konnte und legte ihr eine Hand auf den Rückenpelz. "Es ist jetzt in Ordnung, Evoli", sagte sie so warm und ernst sie konnte, "Texomon ist ja wieder wohlauf und ab und zu tut ihm eine kleine Abreibung ganz gut. Er ist noch sehr übermütig und überschätzt sich gern. Aber auch du hast aus dem Vorfall lernen müssen und die Lektion hat dich hoffentlich ein wenig erwachsener gemacht." Verdutzt hörte Nerina sich selbst sprechen und bemerkte seufzend, dass es genau Mutters Worte waren, die da so locker aus ihr herauspurzelten. Hatte die Reise etwa schon jetzt auch sie erfahrener gemacht? "Ich habe meine Lektion gelernt", versprach Evoli, "Ich wollte nur noch einmal sagen, dass es mir leid tut, wenn Texomon ..." Sie brach ab und leckte sich nach Worten ringend die Schnauze. Nerina winkte ab. "Für mich ist die Sache bereinigt", sagte sie fest, "Aber warum sprichst du mit mir und nicht mit Texomon selbst?" "Der würde sowieso nicht zuhören", erwiderte Evoli, während sie langsam zum Pokemon-Center zurückgingen, "Er sagt immer nur, dass alles in Ordnung ist, aber das glaube ich ihm oft nicht. Ich glaube, man muss ihn sehr gut kennen, damit er einem verrät, was er wirklich denkt. Du musst wissen, dass früher viele Genforscher kamen, um ihn zu sehen und zu testen und sie haben ihn oft ziemlich auseinandergenommen. Er hat viel durchgemacht und fasst nicht schnell vertrauen zu anderen."

Sie brachen an diesem Morgen ohne weitere Verzögerungen auf, den schmalen und scheinbar kaum genutzten Waldpfad in Richtung des Gebirges entlang. Die Sonne schien vom makellos blauen Himmel und die dichter werdenden Nadelbäume spendeten angenehmen Schatten. An manchen Stellen, wo ihre Kronen etwas lichter waren, schimmerte das Sonnenlicht golden auf dem weichen Nadelnbett, auf dem sie gingen und überall duftete es nach frischem Harz. Texomon liebte den Tannenwald beinahe noch mehr, als er schon den Laubwald geliebt hatte und ausgelassen tollte er zwischen den Stämmen der Bäume herum und ließ sich bei jeder Gelegenheit in einen weiteren Haufen duftender Nadeln fallen. Sie schoben sich unter seine Schuppen, bis er irgendwann wie ein grüner Igel aussah. Einmal fand er sogar einen Tannenzapfen, den er mit seinen scharfen Klauen nach allen Regeln der Kunst zerlegte und alsbald in eine gelbe Wolken aus Pollen gehüllt war. Neru und Evoli lachten herzlich über seine Spirenzchen, plauderten munter über den gelungenen Kampf und das Wetter, den dunklen Wald und das Gebirge, in das sie bald kommen würden. Nerina hielt sich indes still hinter ihnen, lauschte ihren Gesprächen und warf ab und zu einen Kommentar ein. Die ganze Zeit über behielt sie jedoch Texomon im Auge. Evolis Worte hatten sie nachdenklich gemacht und während sie mit langen, mechanischen Schritten hinter ihrem Bruder dreinschritt, fragte sie sich, ob Texomons sonniges Gemüt womöglich nur eine dicke und äußerst reißfeste Hülle war, gemacht, um alle Welt darüber hinwegzutäuschen, was er wirklich dachte. Ob er ihr eines Tages genug vertrauen würde, um sich ihr gegenüber zu öffnen? Texomon schien zu spüren, dass etwas nicht stimmte, jedenfalls warf er Nerina immer wieder fragende Blicke zu, kam trotz des aufregenden Tannenwaldes viel häufiger als sonst zum Weg zurückgelaufen und bemühte sich auch, diesen nicht weiter als ein paar Schritte zu verlassen.

Die Landschaft wurde zusehends bergiger und gegen Nachmittag schlugen sie ihr Lager an der Flanke eines sanftgeschwungenen Hügels auf, sodass der Berg ihnen Windschatten und die Höhe eine tolle Aussicht über das endlose Grün des Tannenwaldes bot. Während Neru und Evoli sofort zurück in den Wald liefen, um Feuerholz zu sammeln, machte Nerina sich mit ihrem Wasserkessel auf den Weg ins Tal, wo sie Wasser zwischen den Bäumen glitzern sah. Texomon folgte ihr mit langen Sätzen durchs Unterholz und stürzte sich prustend ins Wasser, sobald Nerina das moosbewachsene Ufer erreicht hatte. Tatsächlich handelte es sich um eine Art kleinen See. Ein umgestürzter Baumstamm hatte den kleinen Gebirgsbach an der Talsohle aufgestaut und nur ein schmales Rinnsal tröpfelte darüber hinweg, während der größte Teil des Wassers in seinem großen, flachen Tümpel dahinter verblieb. Seufzend setzte Nerina sich auf den Baumstamm und hielt ihren Kessel unter den natürlichen Wasserhahn, während Texomon prustend in der Mitte des Teichs auftauchte, auf einen der vielen, aus dem Wasser ragenden Felsen kletterte und den Kopf schüttelte, sodass Wassertropfen in alle Richtungen stoben. Unwillkürlich musste Nerina lachen. "Wenn du so aus dem Wasser springst, siehst du aus wie ein Seedraking", sagte sie lächelnd. Es war als harmloses Kompliment gemeint gewesen, doch Texomons Augen verengten sich zu verwunderten Schlitzen und mit einigen langen Sätzen von Stein zu Stein begann er, auf sie zuzulaufen. Die ersten paar Male klappte das ganz gut, aber irgendwann wurden die Steine zu glitschig und er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten, bis er mit Armen und Schwanz rudernd dahinhopste, wie ein äußerst engagierter Flamenco-Tänzer. Nerina lachte herzlich und applaudierte angetan, als ihr Iramon in ihre Arme tanzte, seinerseits die kurzen Arme um sie legte und sie mit seinem Schwung fast umriss. Neugierig sah er in ihr Gesicht hinauf und seine Ohren legten sich steif nach vorne, als er sie skeptisch musterte. "Schau mal, ich kann sogar schon auf den Steinen gehen", sagte er unvermittelt und in einer Heftigkeit, als habe jemand das angezweifelt. Verblüfft sah Nerina auf ihn hinunter. "Ja", sagte sie verwirrt, "Das stimmt! Das hast du toll gemacht!" "Aber es geht noch besser", beharrte Texomon in einer für ihn ganz und gar untypisch trotzigen Weise, "Und du könntest von hier aus mit Kieseln nach mir werfen, denen ich ausweichen muss..." Nun gänzlich verwundert sah sie auf sein ungewohnt ernstes Echsengesicht hinunter, seine schwarzen Augen leuchteten entschlossen auf, dann sank er plötzlich in sich zusammen und ließ den Kopf hängen. "Es ist, weil ich verloren habe, stimmt´s?", fragte er niedergeschlagen. Nerina zuckte zurück ob der plötzlichen Bitterkeit in seinen Worten. "Aber Texomon, das... Was meinst du?", fragte sie dann ratlos. Texomon schnaubte. "Du bist den ganzen Tag schon still und nachdenklich", sagte er leise, "Glaub ja nicht, ich hätte das nicht bemerkt." "Ja, schon", entgegnete Nerina ertappt, "Aber das... das..." "Das ist nur, weil ich verloren habe", unterbrach sie Texomon heftig. Sein Anfall von Resignation war so schlagartig verschwunden, wie er gekommen war. Nun ballte er grimmig die Fäuste und sein Schwanz begann wild gegen den Felsen zu schlagen. "Ich konnte Pikachu nicht besiegen und Roy sagte, so könnten wir nicht nach Azuria City kommen. Ich habe versagt. Ich konnte dich nicht beschützen und jetzt sind wir hier, mitten in der Wildnis und müssen uns einzig und allein auf Evoli verlassen! Was, wenn dir etwas passiert? Wenn ein wildes Pokemon angreift...?" "Hee, jetzt mach mal halblang!" Mit sanfter Entschlossenheit nahm sie ihn bei den Schultern, hob ihn hoch und setzte ihn auf ihren Schoß, um ihm liebevoll über die nassen Schuppen zu streicheln. Sie wartete eine Weile ab, bis er sich beruhigt hatte, dann sagte sie so entschlossen sie konnte: "Du hast toll gekämpft, Texomon! Komm, von dem bisschen Lauftraining, das wir gemacht haben, konntest du Pikachu doch schon super ausweichen und du hast ein natürliches Talent dafür, Angriffe vorherzusehen! Dein Kratzer war auch gut, der hat echt gesessen! - und dass Evoli am Ende gewonnen hat, war größtenteils Glück." "Wie auch immer sie es angestellt hat", versetzte Texomon bitter, "Sie hätte Neru beschützen können. Bitte, Nerina, wir müssen härter trainieren! Ich will mit dir nach Azuria City gehen und ich will nicht, dass du Angst haben musst! Ich weiß, dass ich es lernen kann! Jeder Gegner ist bezwingbar! Aber noch bin ich einfach nicht gut genug und das muss ich ändern! Du sollst nicht enttäuscht sein von deiner Wahl!" Er wollte aufstehen, doch Nerina hielt ihn heftig zurück, drehte ihn dabei halb zu sich um und zwang ihn, sie anzusehen. "Ich werde niemals enttäuscht sein mit meiner Wahl", sagte sie so hart, dass Texomon kurz die Augen niederschlug, "Und wie oft auch immer du verlieren magst! Ich hab dich nicht ausgewählt, weil ich eine Kampfmaschine haben wollte! Ich wollte, dass wir zusammen Spaß haben - und das haben wir doch! Bitte nimm dir das nicht so zu Herzen." "Gut", entgegnete Texomon leise, "Ich hatte schon geglaubt, ich muss zurück zu Professor Eich..." "Ich würde dich niemals wieder hergeben, du kleine, überdrehte Schuppennase!", sagte Nerina warm und stieß ihm vorsichtig einen Finger in den weichen Bauch. Tatsächlich stahl sich ein kleines Lächeln in Texomons Augen. "Schuppennase?", fragte er verdutzt, "Aber, wie soll sie denn sonst sein?" "Aber ein bisschen trainieren können wir trotzdem, damit wir es dem nächsten Pikachu zeigen können! Also, wie war das mit den Kieseln? Ich glaube, das ist wirklich eine gute Idee!"

Als Neru kurz vor Sonnenuntergang aus dem Wald trat, um nach ihnen zu sehen, blieb ihm vor Staunen der Mund offen stehen. Elegant wie eine Ballerina tänzelte Texomon über die glitschigen Steine, mit weiten Bewegungen den kleinen Bachkieseln ausweichend, die Nerina ihm im Maschinengewehrtempo um die Ohren schleuderte. Nicht ohne Genugtuung beobachtete Nerina ihren Bruder aus den Augenwinkeln, wie sein Gesicht eine immer nachdenklichere Note annahm. Eine kleine Weile lang ließ sie ihn noch Staunen, dann warf sie die restlichen Steine weg und klatschte in die Hände. "Schluss für heute, Texomon! Ich glaube, es gibt Abendessen!" "Essen!", rief Texomon in alter Überschwänglichkeit, stürzte vorwärts, überschlug sich vom eigenen Schwung und schlug als kleine, kompakte Kugel ins Wasser, eine meterhohe Fontaine gen Himmel schickend. Neru fragte nicht, was sie getan hatten, aber diesmal war er es, der merkwürdig still hinter Nerina und Texomon herging, die munter darüber rätselten, was es wohl zum Abendbrot geben würde. Offenbar hatte er nicht geglaubt, dass Texomon überhaupt eine Art Training von seiner Schwester bekam...

Mitten in der Nacht wachte Nerina auf. Erschrocken richtete sie sich auf und lauschte hellwach in die Dunkelheit außerhalb des Swags hinaus. Etwas hatte gezischt! Ganz in ihrer Nähe! Rasch tastete sie nach Texomon, doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie das Echseniramon gestern Abend auf seinem Baumstamm am Feuer hatte liegen lassen, wo es nach dem Abendessen sofort eingeschlafen war. Plötzlich hämmerte ihr Herz wie wild gegen ihre Rippen. Was war da draußen los? Erneut ein zischen, wie von ersticktem Feuer, dann wildes Geraschel und Geknurre. "Neru!", flüsterte sie ängstlich zu ihrem Bruder hinüber, "Neru? Texomon?" Doch keiner der beiden antwortete ihr, stattdessen mischte sich das leise Fauchen einer Balgerei in das immerwährende Knurren. Mit einem Satz war Nerina aus dem Swag, stolperte barfuß durch den mondbeschienenen Wald hinaus auf die Lichtung, geradewegs in den Lichtkreis eines großen Feuers, um das sich Texomon mit einem anderen Pokemon jagte, einem echten Glutexo, wie es den Anschein hatte! "Glu...texo!", verkündete das Pokemon mit tiefer Stimme. Seine Schwanzspitze leuchtete wie ein Stern und weitere Flammen stoben aus seinem aufgerissenen Maul. Texomon fauchte wild zurück. Offensichtlich war er auf der Flucht, sprang eilends hin und her, doch konnten all seine Mühen nicht verhindern, dass seine schuppenbewehrte Brust bereits schwarz und versengt aussah. "Texomon!", rief Nerina ängstlich, "Komm zurück da! Er wird dich rösten, wie ein Grillhähnchen!" Doch Texomon hörte sie nicht. Beim Anblick seiner Trainerin hatte er die Fäuste geballt und kämpfte nur noch erbitterter gegen das träge, wenn auch wesentlich stärkere Glutexo. "Nein!", fauchte es erbittert, "Nein! Du wirst Nerina in Ruhe lassen, du elendiglicher, fetter Abklatsch einer Echse!" Doch auch all sein Gefluche konnte nicht verhindern, dass Glutexo ihn langsam und Stück für Stück zurückdrängte, bis er sich schützend vor Nerina aufbaute, Arme und Beine spreizte und die Ohren angriffslustig nach vorne legte. Die ganze Zeit war er dem stärkeren Gegner ausgewichen, nun saß er in der Falle. Mit einem tiefen Knurren hob Texomon die Hände, die Klauen gespreizt. "Komm keinen Schritt näher!", grollte er erdbebengleich. "Glu...", erwiderte Glutexo, zögerte einen Herzschlag lang, dann stürzte es sich vorwärts, die Klauen auf Texomons Brust gerichtet. Im nächsten Augenblick geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Nerina schrie gellend auf und stürzte vorwärts, um dem wilden Glutexo im Notfall mit bloßen Händen den Hals umzudrehen, während Texomon wie erstarrt stehen blieb. Wie in Zeitlupe sah Nerina ihn die Klauen sinken lassen, sah den goldenen Schein von Glutexos Schwanzspitze auf seinem gelben Bauch tanzen. Er stand ganz reglos da, als erwartete er etwas, etwas... "Aquaknarre", fauchte er dann plötzlich, hob die Hände und entließ eine kleine Wassersäule auf das zurückweichende Glutexo. Erschrocken quietschte es auf, als die schmale Fontaine seine empfindliche Schwanzspitze traf. Die Flamme geriet ordentlich ins Flackern. Glutexo starrte seinen Konkurrenten mit riesigen, verdutzten Augen an, dann warf es sich herum, rannte geradewegs durch das Feuer hindurch und verschwand hinkend im Wald. Texomon brach erschöpft in die Knie, dann ließ er sich müde rückwärts in Nerinas Arme sinken, die ihn überglücklich an sich drückte. "Du hast deine erste Attacke gelernt!", rief sie überglücklich, "Das war filmreif! Oh, Texomon, ich bin ja soo stolz!" "Ich hab ihn geschafft", entgegnete Texomon nur matt, offenbar war er sogar zum Angeben zu müde, "Jetzt können wir nach Azuria City..." Und mit diesen Worten schlief er in Nerinas Armen ein...



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