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On the Rise

von

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VII. Die Nachricht. Kontaktabbruch. Angriff.


 

19

Es war still geworden. Die ruhige Atmosphäre erinnerte Tom glatt ein wenig an die, die auf der Serenity geherrscht hatte, bevor Slayer und Vampire an Bord aufgetaucht waren. Zumindest galt das für das Cockpit, denn in Cockpits hatte sich Tom schon immer am Wohlsten gefühlt.

Sein Blick wanderte zu Johnny herüber, der mit einem sturen Schweigen auf dem zweiten Pilotenstuhl saß und durch die breite Scheibe hinaus ins All starrte. Die Furchen von den Pocken waren tief in seine Haut gegraben und stellten bei den schlechten Lichteinflüssen schattige Abgründe dar.

„Ganz schön verrückt alles, was?“, sagte Tom, nachdem er alle Systeme zum zehnten Mal überprüft hatte und nun endgültig die Finger von der Steuerungskonsole nahm. Der Autopilot kümmerte sich ohnehin um ihren Flug. Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und drehte sich in die Richtung des grauhaarigen Mannes mit dem Ziegenbart, der schon eine halbe Ewigkeit wortlos neben ihm saß. Eigentlich tat er das bereits seit sein Cousin Kontakt zu ihm aufgenommen hatte, was einige Stunden zurücklag.

Johnny stützte den Ellenbogen auf der Stuhllehne ab und bettete das Kinn auf der Handfläche. „Ich nenne das durchgeknallt. Ich dachte, mein Leben kann kaum schlimmer werden, nachdem Boyd mich auf diese kleine Abenteuerreise geschickt hat. Scheinbar hab ich mich geirrt. Und da misstraut Mal ausgerechnet mir.“

„Kannst du ihm eigentlich nicht übel nehmen“, erwiderte Tom und schenkte Johnny ein schiefes Grinsen, als dieser ihm einen kritischen Blick zuwarf. „Bei so einem Cousin wie Boyd, meine ich.“

Johnny neigte den Kopf zur Seite. „Und das Schlimmste an ihm ist, dass er mit allem irgendwie durchkommt. Das und seine geschwollene Aussprache. Es gibt niemanden in diesem Universum, der besser große Reden schwingen kann als mein Cousin. Schon von Kindheit an.“

Tom hob die Augenbrauen. Er konnte sich nicht erinnern, dass Johnny zuvor jemals so viel geredet – oder in diesem Fall wohl eher gemeckert – hatte. Das war schon ein kleiner Rekord, der den Piloten mindestens genauso amüsierte, wie die Beschreibung Boyd Crowders. Zugegeben, Tom hatte nicht allzu viel Zeit mit Boyd verbracht, doch der jüngere Crowder hatte dennoch einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen. Dass Boyd in ihrer Zeit zusammen nie ein Wort über Johnny verloren hatte, sprach ebenfalls für sich.

Das Lachen war bei Johnnys Worten aus Toms Kehle gedrungen, bevor er es überhaupt als angemessen eingestuft hatte. Allerdings nahm er an, dass es schon in Ordnung ging, da auch Johnnys Mundwinkel sich widerwillig in die Höhe zogen.

„Ich hab gehört, dass du Mal von der kleinen Meuterei erzählt hast, die dann doch keine war“, sagte Johnny, als Toms Lachen längst wieder verklungen war. Die Retourkutsche folgte auf dem Fuß, das hätte sich Tom denken sollen. Johnny war kein Mann, der es gern hatte, dass man sich auf seine Kosten amüsierte, ohne ebenfalls herzuhalten. Ganz im Gegenteil, so wie Tom das bisher herausgehört hatte, war er in seinem Leben schon zu oft von seinem Cousin zum Gespött gemacht worden.

„Ob du es glaubst oder nicht, aber ich wollte hilfreich sein. Das Richtige tun, du weißt schon. In dem Moment, in dem ich es gehört habe, klang es ernst.“ Tom zuckte in lässiger Manier mit den Schultern und drehte seinen Stuhl weg von Johnny. „Ich geb es zwar nur ungern zu, aber nur wegen mir sind wir in dieser dummen Situation gelandet. Ich schulde es Mal.“

Minutenlanges Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, nur begleitet von dem Rauschen der Lüftungsanlage und von dem Vibrieren der Motoren, welche die Serenity stetig vorantrieben. Anfangs hatte Tom es noch als störend und altmodisch empfunden, dass die Fluggeschwindigkeit sich tatsächlich bemerkbar machte. Das leichte Beben im Boden und auch in seinem Stuhl verursachte ihm jedoch ein Kribbeln im Bauch. Eines, das auch nach Wochen noch auftauchte, wenn Tom die manuelle Kontrolle über das Schiff übernahm. Anders als die neuartigen Raumschiffe konnte er hier die Verantwortung spüren, die in seinen Händen lag. Die Leben, die auf dem Spiel standen.

Er kannte dieses Gefühl nur zu gut und obwohl es ihm nach dem Unfall jahrelang davor gegrault hatte, fiel es ihm leichter es zu akzeptieren, als er angenommen hatte. Immerhin hatte er eigentlich nur die erste Gelegenheit ergriffen, um von Cygnus herunterzukommen, wo er gestrandet war. Weg von dem ewigen Staub in der Luft, den unterirdischen Höhlen und den Reavers, die dort gewütet hatten. Oder sollte Tom sagen, dass die Vampire dort gewütet hatten? Es ergab mehr Sinn, denn Reaver ließen keine blutleeren Toten zurück. Vampire taten es schon eher, zumindest taten sie es in Holo-Romanen. Vielleicht sollte er diesen Spike mal danach fragen...

„Das Richtige tun ist überbewertet“, nahm Johnny die Unterhaltung wieder auf. Das Kinn lag wieder auf der Handfläche gebettet und das zerfurchte Gesicht war zu einer Grimasse verzogen. „Menschen, die das Richtige tun, kommen nicht sonderlich weit.“

Tom schielte zu dem Älteren herüber, bevor er wieder zu den Sternen hinaus sah. Sie waren nur helle Punkte in einer unendlichen Dunkelheit. „Vielleicht. Vielleicht sind Mal und die anderen deswegen immer hier draußen unterwegs.“

„Vielleicht philosophierst du dir auch gerade irgendwas zusammen“, erwiderte Johnny und beide Männer teilten ein schiefes Grinsen.

Ein blinkendes Licht auf der Konsole zog Toms Aufmerksamkeit auf sich. Seine Finger flogen über die Tastatur. „Da ist etwas...“

Johnny hob die Augenbrauen. „Geht das noch unklarer?“

Doch Tom antwortete nicht, als bereits eine schnarrende Frauenstimme über den Funk zu vernehmen war. Er bedeutete Johnny nur mit einem Finger an den Lippen, dass er ruhig sein sollte.

»Ich bin nicht sicher, ob jemand diese Nachricht empfangen kann, aber...« Sie zögerte, während im Hintergrund ein Zischen wie von kaputten Leitungen zu vernehmen war. »Wenn jemand das hier hört, bitte... bitte schickt Hilfe! Ein Leck im Wassertank hat die Leitungen beschädigt und den Antrieb lahmgelegt. Unser Mechaniker arbeitet am System für die Lebensversorgung, aber auch das ist beschädigt worden. Wir wissen nicht, wie lange der Sauerstoff reichen wird und...« Doch ein lauteres Schnarren unterbrach die Nachricht und Tom schaltete die Lautstärke aus, um es sich nicht länger anhören zu müssen.

„Wie alt ist die Nachricht?“, fragte Johnny, der sich vorgebeugt hatte. Alarmiert wirkte er nicht, aber seine Augenbrauen waren in Skepsis zusammengezogen.

Tom entschlüsselte den Ursprung der Nachricht, was ihm Aufschluss auf die Koordinaten des Raumschiffs und die ungefähre Zeit, die seit dem Senden vergangen war, gab. „Zwei Tage.“

„Wenn sie Probleme mit der Lebensversorgung hatten, liegt es nah, dass sie schon alle tot sind“, spekulierte Johnny. „Oder aber jemand hat ihren Notruf abgefangen und ist ihnen zur Hilfe geeilt. Wobei... hier draußen gibt es im Umkreis nicht viel.“

Wären die Umstände nicht so ernst gewesen, hätte Tom diese Aussage vermutlich als erheiternd empfunden. Sie befanden sich mitten im Weltall, hier lag nichts nah beieinander und zwischen jeden Planeten lag eine ungeheuere Entfernung. Andererseits hatte Mal ihnen deutlich zu verstehen gegeben, dass sie einen kleinen Umweg machen sollten, anstatt die Raumstation anzusteuern, zu der sie ihre Ladung eigentlich bringen sollten. Um nicht auf jemanden zu treffen, der ihnen unfreundlich gesinnt war, hatte Tom einen Kurs eingeschlagen, der tatsächlich an keine Planten oder Monde vorbeikam. In dieser Hinsicht war wirklich nichts und niemand im Umkreis, der einem Raumschiff in Not helfen konnte. Außer ihnen, verstand sich.

„Ich würde sagen, dass die Chancen zwar sehr niedrig sind, dass die Leute da noch am Leben sind, wenn sie immer noch in der Misere stecken, aber unmöglich ist es nicht.“ Mit diesen Worten erhob sich Tom aus seinem Stuhl und verließ das Cockpit, um Mal Bescheid zu geben.

„Setz unseren werten Captain bloß keine Flausen in den Kopf“, rief Johnny ihm hinterher. „Das Letzte, was ich jetzt bei dem ganzen Schlamassel gebrauchen kann, ist auf eine dumme Rettungsaktion aufzubrechen. Als ob wir nicht schon genug am Hals haben.“

Ein Schmunzeln huschte über Toms Züge. Dafür, dass Johnny sich stets abseits der Crew aufhielt, als wollte er kein Teil von ihr sein, benahm er sich aber wie einer. Vielleicht war er kein selbstaufopferndes Mitglied dieser Crew, aber eingelebt hatte er sich jedenfalls, wenn er Mal bereits als Captain akzeptierte.

Tom fand Mal im Lagerraum, in dem er zusammen mit Kaylee die drei Truhen in ihre Einzelteile zerlegte.. Sie hatten den Piloten ohnehin mehr an Särge als Kisten erinnert. Es war nicht schade um sie.

„Mal, da ist ein Notruf durchgekommen, den du dir anhören solltest“, sagte Tom und Mal sah zu ihm auf. Er wischte sich den Schweiß mit dem Handrücken von der Stirn und musterte den Pilot einige Sekunden lang stumm.

„Ich hoffe, dass das diesmal kein falscher Alarm ist“, antwortete Mal, ehe er seine Arbeit liegen ließ und sich auf den Weg zum Cockpit machte.

Tom sah ihm nach, so dass er kaum bemerkte, dass Kaylee zu ihm herübergewandert kam. „Er ist manchmal ganz schön kleinkariert, aber nicht lange nachtragend“, erklärte sie ihm und knuffte ihm freundschaftlich gegen die Schulter. „Morgen hat er die Fast-Meuterei sicher vergessen. Wenn du Glück hast.“
 


 

20

„Das riecht nach einer Falle.“ Zoe sprach das aus, was sie alle dachten oder sich wenigsten denken sollten. Jeder, der zwei Augen im Kopf und einen halbwegs vernünftigen Verstand hatte, sollte misstrauisch sein.

Mal zog den Raumanzug über die Brust und schob die Hände in die Ärmel hinein. „Du bist wieder furchtbar pessimistisch.“

„Man nennt es realistisch, Captain. Einer von uns muss es sein.“ Trotz ihrer Worte reichte sie Mal den Helm zu seinem Anzug, denn ihre Warnungen hatten ihn noch nie von etwas abhalten können. Die einzige Genugtuung, die Zoe hatte, war die Tatsache, dass sie es ihm im Nachhinein unter die Nase reiben konnte. Vorausgesetzt sie überlebten es.

Mal schnaufte belustigt. „Dir ist aber schon klar, dass wir zwei sogenannte Slayer und einen Vampir an Bord haben, oder? Ich weiß nicht, ob da realistisch zu sein nicht eine etwas zu eingeschränkte Sicht ist.“ Er setzte den Helm auf und Zoe half Mal ihn zu festigen, während Jayne ebenfalls in seinen Raumanzug schlüpfte. „Außerdem sehen wir uns nur um“, fügte Mal hinzu, wobei seine Stimme nun gedämpft war. „Die Sensoren haben keine Lebenszeichen mehr an Bord auffangen können. Und wenn wir Glück haben, können wir vielleicht ein paar Vorräte abstauben, sollte die Lebensversorgung doch noch laufen“, fügte Mal hinzu.

Obwohl er den Rest seiner Gedanken nicht aussprach, konnte Zoe ihn sich zusammenreimen. Wenn sie mehr Vorräte hätten, bräuchten sie so schnell auf keinem Planeten zu landen und liefen so weniger Gefahr einem von Boyds Spitzeln über den Weg zu laufen. Sie mussten nur die Slayer und den Vampir loswerden. Obendrein würden sie auf diese Art und Weise auch jeglichen Konflikten mit Vampiren oder dem sogenannten Master aus dem Weg gehen, die laut Buffy nach ihnen suchten. Mit der Allianz, die ständig neue Regulierungen festlegte und ihre Kontrolle weiter auf die Randplaneten auszubreiten versuchte, hatten sie bereits genug zu tun.

Anstatt etwas zu erwidern, hob Zoe eine feine Augenbraue. Bisher hatten sie es nie geschafft, irgendwelchem Ärger aus dem Weg zu gehen.

Mal ignorierte ihre Geste. Stattdessen gab er Tom über das Funkgerät den Befehl sie näher an das tote Transportraumschiff heranzubringen. Ein Ruckeln ging durch die Serenity und Zoe stützte sich an einer der Kisten im Lageraum ab, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Das fiel ihr mit zunehmenden Monaten schwerer, was einer der Gründe war, weshalb sie froh war, wenn das Baby geboren war. Es wäre leichter es zu beschützen, wenn sie wieder einsatzfähig war. Ihre Hand tätschelte die kleine Schrotflinte, die in der Halterung an ihrem Gürtel hing und mit der sie seit dem Beginn der Schwangerschaft nur noch selten ihre Kajüte verließ.

„Wenn etwas passiert—“

„Werde ich den Rest der Crew und mein Schiff in Sicherheit bringen“, beendete Zoe für Mal.

„Das ist nicht unbedingt das, woran ich gedacht habe...“

„Ich werde Simon sagen, dass er bereit stehen soll, falls es doch Überlebende gibt“, erwiderte Zoe, anstatt auf seine Worte einzugehen. Im nächsten Moment schlenderte sie bereits davon und erklomm die Stufen, die aus dem Laderaum führten. Als sie das Cockpit erreicht hatte, konnte sie das schnarrende Funkgerät vernehmen, welches den ständigen Kontakt mit Mal, Jayne und Simon aufrecht erhalten würde.

„Ich werde jetzt andocken“, informierte Tom die beiden. Anschließend warf er mit geübten Fingern einige Schalter über der Konsole um, bevor er das Steuer zur Hand nahm. Ein erneutes Ruckeln ging durch die Serenity und Zoe hielt sich an Toms Pilotenstuhl fest. Seine Muskulatur spannte sich sichtlich an, als er das Raumschiff noch näher und sanft an das Transportschiff heran brachte, ohne dass sie mit ihm kollidierten. Die Sensoren sangen, als die Zentimeter zwischen ihnen schrumpften, bevor sie mit einem weiteren Ruck andockten.

Zoes dunkle Augen blieben auf Toms Hinterkopf gerichtet. Sie sollte jetzt nicht an Wash denken. Mehr als einen gewöhnungsbedürftigen Humor und das Talent des Fliegens hatten sie schließlich nicht gemeinsam – und trotzdem kam Zoe dieser Moment wie ein schlechtgemachtes Déjà-vu vor. Erst Mals über Funk verzerrte Stimme holte sie in das Hier und Jetzt zurück.

„Wir betreten jetzt das Schiff.“ Ein Zischen war zu vernehmen, welches andeuten ließ, dass sie soeben die automatisierte Tür geöffnet hatten. Sowohl Tom als auch Zoe starrten den Bildschirm an, obwohl dieser nichts anderes als die Außenhülle des Transportschiffs zeigte.

„Das ist wie eines dieser Geisterschiffe, von denen sich die Seeleute damals auf der Erde erzählt haben. Geisterschiffe, die herrenlos auf dem Ozean rumtreiben“, murmelte Tom und warf ihr einen Grinsen über seine Schulter hinweg zu.

„Was weißt du schon über Ozeane?“

„Du würdest dich wundern. Ich weiß darüber eine ganze Menge. Als ich damals meine Pilotenausbildung an der Akademie gemacht habe, habe ich Antike Literatur belegt. Es gibt Unmengen an Seefahrergeschichten.“

Ihre Stirn legte sich in Falten, als Zoe Tom musterte. Zugegeben, sie hatte seit seiner Ankunft auf der Serenity nicht allzu viele Gedanken an ihn verschwendet, aber für jemanden, der sich für wahnwitzige Geschichten über eine längst vergangene Zeit interessierte, hatte sie ihn nicht gehalten. Wash hätte ihn gemocht. Die stille Erkenntnis überraschte Zoe glatt ein wenig, aber sie fand auch kein Gegenargument dafür.

„Es ist nicht das praktischste Fach, das man belegen kann“, gab sie mit monotoner Stimme zu bedenken, doch Tom zuckte mit den Schultern.

„Aber es war ziemlich interessant.“

Die Unterhaltung endete genauso abrupt wie sie begonnen hatte. Sie hinterließ ein Schweigen, welches alles andere als drückend war, was weniger an Zoes Ruhe lag, als an Toms Lockerheit. Allerdings wollte der Gedanke, dass Tom diesen Boyd Crowder für seine Freiheit an die Allianz verraten hatte, sie nicht ganz loslassen. Wer sagte, dass er dasselbe nicht noch einmal tun würde, wenn er die Chance dafür bekäme? Konnten sie ihm wirklich vertrauen? Würde er ihre Rücken decken, wenn Not am Mann war? Zoe war sich da nicht so sicher, auch wenn Mal keinerlei Bedenken zeigte. Aber vielleicht hatte er auch die oberflächlichen Ähnlichkeiten zu Wash bemerkt und ließ sich davon blenden. Wash hätte sie niemals verraten.

Das Funkgerät schnarrte lauter, bevor Mals Stimme erneut die Stille im Cockpit zerschnitt. „Die Notfallversorgung läuft noch, obwohl der Generator in einigen Tagen ausläuft. Sauerstoff ist jedenfalls noch ein bisschen vorhanden. Soweit ist von der Crew aber nichts zu entdecken.“

Zoe gestikulierte mit der Hand und Tom reichte ihr das Funkgerät. „Vielleicht ist das der richtige Zeitpunkt, um umzukehren und weiter zu fliegen.“

Von Mal war ein Schnauben zu hören. „Bist du denn gar nicht neugierig, was hier vorgefallen ist?“

„Nein, Sir.“

„Ich habe mir schon gedacht, dass du das sagen wirst, Zoe“, antwortete Mal, doch Zoe erinnerte sich bloß an seine vorigen Worte. Wenn sie mehr Vorräte und Treibstoff hatten, könnten sie einen Bogen um den nächsten Planeten machen. Es war unschwer zu erkennen, dass Mal diese Idee in seinem Tun antrieb.

„Dann wenigstens noch die ein oder andere bewaffnete Person als Verstärkung?“, fragte Zoe, konnte sich aber auch diese Antwort bereits denken.

„Nein. Ich will ungern zwei eventuell meuternde Frauen und einen Vampir allein auf der Serenity haben. Am Ende—“ Mals Stimme brach ab und hinterließ ein monotones Schnarren, welches Zoe den Schmerz in ihren Fußknöcheln kurzzeitig vergessen ließ, der ihr neuerdings das Stehen bescherte.

„Captain?“, sprach sie in das Funkgerät hinein. „Captain.“ Doch eine Antwort blieb aus.

Tom drehte sich mit dem Pilotenstuhl zu ihr herum und runzelte die Stirn. „Einfach nur schlechter Empfang? Oder glaubst du, dass da etwas passiert ist?“

Ihre Nackenhaare stellten sich auf, was sie immer taten, wenn sie eine schlechte Ahnung hatte. Sie reichte Tom das Funkgerät und marschierte aus dem Cockpit. Die Schrotflinte war längst aus dem Gürtel an ihrer Hüfte gezogen und lag schussbereit in ihren Armen. „Wir gehen vom Schlimmsten aus.“

Schritte halten hinter ihr durch den Gang, als Tom mit ihr aufholte. Er packte ihre Schulter und hielt sie zurück. „Was hast du vor, Zoe? Darüber zu marschieren? In deinem Zustand?“

Kein Muskel zuckte in Zoes Gesicht, als sie Serenitys Piloten ansah. „Das ist kein Zustand. Es ist eine Schwangerschaft.“

Tom zog seine Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. „Ich weiß, aber... Es ist trotzdem gefährlich. Lass jemand anderes gehen. Zum Beispiel... wie...“ Die Zahnräder ratterten hinter seine Stirn, als er die Mitglieder der Crew durchging, die sich für diese Aufgabe anbieten würden. Letztendlich schien er zu derselben Erkenntnis wie sie zu kommen, dass Zoe am besten geeignet dafür war. Ihre Crew hatte schon so einiges überstanden, aber niemand wusste, was sie auf dem Transportschiff erwarten würde.

„Lass mich gehen“, beendete Tom seinen Gedanken. Sein Blick war fest und seine Hände waren zu Fäusten geballt. „Wahrscheinlich ist ohnehin nur die Verbindung abgebrochen und wir machen uns umsonst Sorgen. Also lass mich gehen, Zoe.“
 


 

21

Ein fernes Rauschen war zu vernehmen, das ihnen auf Schritt und Tritt folgte. Noch bevor sie die Anzeigen überprüft hatten, hatte dieses Geräusch Mal mitgeteilt, dass der Notstromgenerator funktionstüchtig war und das Raumschiff mit Sauerstoff versorgt wurde. Trotzdem hatte er ein mulmiges Gefühl im Bauch gehabt, als er schließlich seinen Helm abgenommen hatte. Die Luft war jedoch kalt und steril, identisch zu der auf der Serenity.

„Ich find das hier nicht richtig“, murrte Jayne, der erst jetzt den Helm abnahm. Obwohl seine Stimme gesenkt war, erklang sie laut in der Stille auf dem Schiff. Jayne legte den Helm auf dem Boden ab, um seine Waffe mit beiden Händen zu tragen, als würden sie jeden Moment angegriffen werden. „Leute mit Luft brauchen keinen Notruf wegen ausgehender Luft losschicken.“ Seine Brauen trafen sich in der Mitte. Er ging so dicht hinter Mal, dass dieser seinen Atem im Nacken spüren konnte. Wenn Mal dieses Schiff bisher kein Unbehagen bereitet hatte, dann tat es zumindest dieser feine und eher stinkende Luftzug.

Mal umklammert seinen Revolver. Anstatt sich jedoch weiter vorzuwagen und herauszufinden, was mit der restlichen Crew passiert war, hielt er vorerst inne. Noch befanden sie sich in dem Gangway des Schiffes, der duster und mit Schatten übersäht vor ihnen lag. Die Lichter an den Wänden blinkten in stummer Alarmbereitschaft, als Mal sich aus seinem Raumanzug befreite. Dieser war einengend und raubte ihm jegliche Bewegungsfreiheit.

Jayne folgte seinem Beispiel mit einem Brummen, welches seine Unzufriedenheit mit der Situation ausdrückte. Sie ließen die Anzüge zurück und wagten sich tiefer in den Gang vor, von dem zu beiden Seiten Räume abgingen. Mal juckte es in den Fingern, doch er rührte das manuelle Funkgerät, welches er bei sich trug, nicht an. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie darüber einen besseren Empfang hatten, als über die Helme war niedrig und jegliches Geräusch würde sie im schlimmsten Fall nur unnötig verraten.

Mit einer Handbewegung deutete er Jayne stattdessen zu, sich die Räume auf der rechten Seite vorzunehmen, während Mal sich die anderen ansah. Jayne nickte und hob Vera mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen. Er mochte eine lange Leitung haben, aber in solchen Situationen war auf Jayne Verlass. In solchen Momenten wollte er niemand anderes an seiner Seite haben. Außer Zoe. Zoe stand immer noch an erster Stelle, erst danach kam Jayne.

Den Gedanken an seinen schwangeren Vize-Captain abschüttelnd schob Mal den Hammer seines Revolvers zurück. Das Klacken stellte den einzigen Laut neben dem beständigen Rauschen der Lüftungsanlage dar. Mal schob sich in den Raum, der sich trotz der Dunkelheit auf den ersten Blick als die Kombüse des Schiffs entpuppte. Nicht schlecht. Scheinbar hatte sein Glück ihn nicht vollkommen verlassen, denn nachdem der Laderaum ziemlich leer gewesen war, hatte er die Schiffsküche gedanklich ins Visier genommen.

Diese lag genauso verlassen vor ihm, wie es auch der Rest des Transportschiffs tat. Der Rest der Jupiter, korrigierte sich Mal gedanklich. Er hatte die grüne Lackierung der Hülle gesehen, die halbabgekratzten Buchstaben, die sich zu dem Namen des Schiffs zusammensetzten und ihm Leben einhauchten. Ein Schiff ohne Namen war kein richtiges Schiff. Aber ein Schiff ohne ein Captain war ebenfalls kein richtiges Schiff – und wo befand sich der Captain der Jupiter? Was war aus dem Sprichwort geworden, dass der Captain stets gemeinsam mit seinem Schiff unterging?

Die Wut kam aus dem Nichts und brachte sein Blut in Wallung, bis ihm trotz der Kälte auf dem Schiff warm wurde. Er zog die Taschenlampe vom Gürtel und schaltete sie ein. Ihr Lichtstrahl zerschnitt die Finsternis, die weiterhin in den Ecken lauerte, und Mal ließ ihn über die Tische und Stühle wandern. Eine Staubschicht hatte sich über alles gelegt, die mehr als zwei Tage alt aussah. Allerdings war sie immer mal wieder an einigen Stellen unterbrochen und verwischt.

Mit lautlosen Schritten schob sich Mal zwischen den Tischen hindurch, Pistole in der einen und Taschenlampe in der anderen Hand. Stück für Stück nährte er sich der Kochnische an, die sich im hinteren Teil der Kombüse befand. Eine breite Anrichte trennte sie vom Speisesaal. Mal umrundete sie, während der Lichtstrahl ruhig von Seite zu Seite wanderte. Auch hier war keine Spur von der Mannschaft zu entdecken. Mal konnte nicht einmal eine Leiche ausfindig machen und dabei war er sich fast sicher, dass ihn das sogar mehr beruhigt hätte, als rein gar nichts über die ehemaligen Passagiere in Erfahrung zu bringen.

Etwas polterte hinter ihm. Mal fuhr herum und leuchtete die Taschenlampe in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Einige Töpfe und Pfannen hingen über dem Herd und schwangen noch immer mit einem leisen Klirren hin und her. Ratten? Wohl kaum.

Mit pochendem Herzen sah er sich um, doch nichts bewegte sich in der Dunkelheit. In diesem Moment erinnerte sich Mal unweigerlich daran, dass er nicht nur zwei sogenannte Slayer, sondern auch einen Vampir an Bord seines Schiffs hatte. Er erinnerte sich daran, dass Dinge wie Slayer und Vampire überhaupt existierten. Dass dieser Master sie auf dem Radar hatte. Der Master und Boyd Crowder. Wie hatten sie sich in so kurzer Zeit nur so furchtbar viele Feinde machen können? Das war selbst für Mal ein neuer Rekord.

Hinter ihm ertönte ein Laut, der sich verdächtig wie das Schleifen eines Fußes über den stählernen Boden anhörte. Mal gefror in seiner Haltung. Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an, als er wartete und wartete. Das Blut rauschte in seinen Ohren, während das Adrenalin durch seine Arterien jagte.

Knochige Finger, deren Kälte Mal selbst durch sein Hemd spüren konnte, legten sich auf seine Schulter, umklammerten sie mit einem eisernen Griff. Mal konnte sie nicht abschütteln, aber er drehte sich zur Seite, um einen Blick in das Gesicht seines Gegenübers zu werfen.

Der Schein der Taschenlampe, die auf den Boden gerichtet war, gab ein bleiches Gesicht und blitzende Reißzähne preis. Dort wo sich die Augenbrauen befinden sollten, war die Stirn seltsam erhoben und entstellt. Die Ähnlichkeit mit dem Vampir, der aus der Truhe auf der Serenity gesprungen war, um Jayne anzugreifen, war unübersehbar.

Der Vampir fletschte sie Zähne und stieß ein Knurren aus. Für einen kurzen Moment starrten sie sich beide an, während sie auf die Bewegung des jeweilig anderen warteten. Da stand mehr als ein bisher fiktives Monster vor Mal: ein bisher fiktives, intelligentes Monster.

Der Kopf des Vampirs ruckte nach vorn, damit er die Reißzähne in Mals Halsbeuge schlagen konnte. Mal zuckte zur Seite, wobei ihm die Taschenlampe aus den Fingern rutschte. Sie landete auf dem Boden und strahlte in die entgegensetzte Richtung. Zeitgleich presste Mal sich gegen den toten Körper seines Widersachers und stolperte mit ihm rückwärts. Gemeinsam krachten sie gegen einige Metallschränke und die Hand löste sich bei dem Aufprall von Mals Schulter. Er fuhr herum, als der Vampir ein zweites Mal auf ihn losging. Sein Revolver war halb erhoben, doch der Lauf wurde von dem Vampir gepackt und die Waffe wurde ihm aus der Hand gerissen. Geräuschvoll landete sie ebenfalls auf dem Boden, während er Mals Kehle packte. Ein Ächzen entkam ihm, bevor seine Atemwege komplett zusammengepresst wurden.

Ein ekeliges Grinsen, welches die langen Reißzähne preisgab und doch nur ein Schatten im Halbdunkeln darstellte, tauchte auf dem bleichen Gesicht auf. Mals Arme ruderten, die Finger der einen Hand kratzten an dem blutleeren Arm entlang, während die andere Hand nach einer Waffe suchend über die Anrichte neben ihm tastete.

„Hilfe, unser Sauerstoff ist alle!“, äffte der Vampir die Frauenstimme von dem Notruf nach. „Ihr seit schon die dritten, die darauf reingefallen sind. Innerhalb von zwei Tagen.“ Ein Lachen drang aus seiner Kehle, gefolgt von polternden Schritten und einem rufenden Jayne.

„Mal!“

Schwarze Punkte tanzten vor Mals Augen und er presste die Lider aufeinander, als sich das Gesicht des anderen annährte. Seine Finger schlossen sich um den Messerblock, den er zu fassen bekam, ertasteten die einzelnen Griffe, bevor er es schaffte, eines von ihnen herauszuziehen. Gegen die Bewusstlosigkeit ankämpfend stach er das Messer mit letzter Kraft in den Körper vor ihm. Die Klinge bohrte sich in die Schulter des Vampirs, der zischend zurückwich und von ihm abließ. Mal sackte auf die Knie, als er mit schmerzender Luftröhre Sauerstoff in seine Lungen sog.

Der Vampir wand sich, zog das Messer jedoch wieder heraus und warf es klirrend beiseite. Zorn funkelte in den Augen, welcher sich in einem Bruchteil der Sekunde in Erstaunen umwandelte. Er warf einen Blick über seine Schulter, Mal tat es ihm von seiner hockenden Position aus gleich, während Jayne den selbstgefertigten Pflock von hinten aus dem Herz des anderen zog.

Wie von Geisterhand begann sich der Vampir aufzulösen und zerfiel zu Staub, welcher zu Boden schwebte. Mal hustete und Jayne verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Er drehte den Pflock in der Hand hin und her, aber kein Blut klebte an ihm. Er wirkte unbenutzt.

„Hässliche Viecher“, brummte Jayne.

„Du hättest dir ruhig weniger Zeit lassen können“, murmelte Mal, als er nach der Taschenlampe angelte und sich an der Anrichte auf die Beine zog. Seine Stimme war kratzig, fast so, als hätte er schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesprochen. Sich den Kehlkopf reibend ging er auf die Suche nach seinem Revolver, der irgendwo in der Dunkelheit herumliegen musste.

Jayne sah ihm dabei zu, der sowohl Pflock als auch seine Vera parat hatte. „Ich hab dir gerade den verdammten Hintern gerettet, Mal.“

„Ich hoffe, du erwartest jetzt kein Danke“, erwiderte dieser. „Das war das Mindeste.“

„Das Mindeste wäre—“

Ein helles Lachen unterbrach Jaynes Konterattacke. Der Lichtstrahl von Mals Taschenlampe zuckte zum Eingang der Kombüse herüber, in dem Mal drei Gestalten ausmachen konnte. Dabei handelte es sich um eine Frau und zwei Männer, die in verschlissener Kleidung gehüllt waren und alle drei beim nähren Hinsehen ein entstelltes Gesicht aufwiesen.

„Mal sehen, ob er dir noch mal den Hintern retten kann“, spottete der weibliche Vampir.

„Du meinst, ob überhaupt einer von den beiden seinen Hintern retten kann“, korrigierte einer der Männer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  SamAzo
2015-09-20T22:29:21+00:00 21.09.2015 00:29
Jetzt hab ich so lange gebraucht, um endlich weiter zu lesen. Das hole ich hoffentlich bald wieder auf.

Als das mit dem Autopiloten war, musste ich an "Oh, nein... Wer fliegt das Schiff?" denken. xD
Ahh Wash... ;_; (Ja, ich bin noch immer nicht drüber hinweg.)

War so klar, das es eine Falle ist. Haben die so eine Situation mal gehabt, ohne das es eine Falle war?
(außer, als sie selbst ne Panne hatten...)
Und ansonsten... hätten sie mal ein paar Pflöcke mehr dabei haben sollen... so... für zwei würd ja schon reichen.


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