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Yoyogi

Tsuzuku & Meto
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, da ist es, das zwölfte Kapitel! Hat mich wieder einiges an Nerven gekostet und deshalb so lange gebraucht, weil ich nebenbei x viele neue FFs angefangen hab, von denen die meisten aber wohl reine Privatentwürfe sind. Mal sehen, was davon ihr letztendlich zu lesen kriegt. Fakt ist, dass Mejibray mich unheimlich inspirieren.
Zum Kapi: wie gesagt, MiA und Koichi sind wieder dabei und es gibt Musik! Daher auch der Kapitelname. Außerdem erfahrt ihr ein bisschen was über Metos Familie und ich hab endlich ein gewisses Detailchen bezüglich Tsuzuku erwähnt gekriegt... Natürlich gibt es auch die üblichen Zuckerl, wenn auch diesmal nichts Besonderes.

Viel Spaß beim Lesen! ^^
eure Haru Komplett anzeigen

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Ongaku!

Der Sonntagmorgen begann mit dem Duft von Spiegelei, welcher unter der geschlossenen Zimmertür hindurch ins Zimmer gelangte und die beiden Freunde fast gleichzeitig weckte.

„Schläfst du echt mit Ruana im Arm?“, fragte Tsuzuku, als er sah, dass Meto den Teddy noch an sich gedrückt hatte.

„Manchmal…“, antwortete der Jüngere und seine Wangen färbten sich leicht rosa, als ihm wieder einfiel, dass er mitten in der Nacht aufgewacht war und was er getan hatte. Er wusste selbst nicht, warum, aber wenn es Tsuzuku betraf, dann ging irgendetwas einfach mit ihm durch.

„Süß“, sagte Tsuzuku nur, erhob sich und öffnete die Zimmertür, um im Bad zu verschwinden.

Meto stand ebenfalls auf, nahm den Notizblock vom Nachttisch und ging im Schlafanzug in die Küche, wo seine Mutter am Herd stand und die Spiegeleier zubereitete.

„Guten Morgen, mein Schatz.“ Sie lächelte und strich ihrem Sohn durch das blond gefärbte Haar. Meto erwiderte das mit einem „Mama, ich bin so gut wie erwachsen!“-Blick und ging dann zurück in sein Zimmer, um sich richtig anzuziehen. Als er das Lacklederkleid, das noch auf dem Boden herumlag, wieder in den Schrank hängte, dachte er an das gestrige Fotoshooting und stellte fest, dass er durch diese spontane Aktion noch ein Stück Selbstbewusstsein dazugewonnen hatte. Es war wirklich mehr geworden, seit er Tsuzuku kannte. Irgendetwas an diesem Menschen brachte ihn in seiner eigenen Entwicklung schneller voran. Vielleicht war es das sofortige Vertrauen, das vom ersten Moment an zwischen ihnen geherrscht hatte.

„Und was machen wir heute?“, fragte Tsuzuku, der fertig angezogen und geschminkt aus dem Bad zurückkam. Meto zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht.“

Während des Frühstücks ergab sich dann die Planung des Vormittags fast von selbst. Tsuzuku erhielt eine Nachricht von MiA. „Hey, ihr! Ich hab heute frei, wollen wir uns treffen? Ich bring meine Gitarre mit. ^^ MiA“

„Mama, ist das okay, wenn heute noch einer hier ist?“, fragte Meto. „Er heißt MiA und wir wollen zusammen Musik machen.“

„Ja, natürlich. Soll ich euch dann noch was zu Essen machen?“, fragte Frau Maeda.

Meto nickte, dann sprang er plötzlich auf, verschwand in seinem Zimmer und huschte kurz darauf mit Klamotten beladen über den Flur ins Badezimmer.

„Er will sich wohl noch hübsch machen“, sagte seine Mutter und lächelte. „Ihn darf einfach kein Fremder ungeschminkt sehen.“

„Darf ich Sie etwas fragen?“, fragte Tsuzuku.

„Ja, natürlich.“ Frau Maeda lächelte immer noch. „Und, weißt du, du kannst Minami und Du zu mir sagen. Für Meto gehörst du längst zur Familie.“

Tsuzukus Herz machte einen kleinen Satz. Er war solche Herzlichkeit einfach nicht gewöhnt. Freundlichkeit, ja, da gab es ja auch seine Kollegen, aber dass Familie Maeda ihn sozusagen aufnahm, brachte ihn doch ein wenig… aus der Fassung. Natürlich freute er sich riesig, doch es gelang ihm nicht richtig, das auch zu zeigen, und so fiel sein „Danke“ und das Lächeln sehr viel schwächer aus, als es tatsächlich in ihm aussah. Und er musste sich erst wieder daran erinnern, was er Minami für eine Frage stellen wollte.

„Wie… ähm, ich meine, wie machen Sie… machst du das, …Meto so zu akzeptieren und zu verstehen, wie er ist, …so als seine Eltern? Ich… kenn das von zu Hause nicht…“

„Na ja, wir kennen ihn eben schon sein ganzes Leben lang. Uns war von Anfang an klar, dass er ein bisschen anders tickt und so seine Schwierigkeiten mit Menschen im Allgemeinen hat. Wir haben noch so jemanden in der Familie gehabt, seinen Großonkel, der hatte ähnliche Probleme. Deshalb ist es für uns nichts in dem Sinne Ungewöhnliches. Als Meto aufgehört hat zu sprechen und in der Schule nicht mehr zurechtgekommen ist, haben wir uns natürlich große Sorgen gemacht und erst recht, als er sich dann in seinem Zimmer eingeschlossen hat. Wir haben immer versucht, ihn zu unterstützen, damit er selbstsicherer wird…“

„Ich glaube, das haben Sie… habt ihr …auch sehr gut gemacht. Wirklich, ich habe selten so tolle Eltern gesehen“, sagte Tsuzuku und fragte sich im Stillen, ob Minami und Metos Vater von den früheren Selbstverletzungen ihres Sohnes wussten. Wahrscheinlich nicht.

„Doch am Ende hat er alles wohl aus eigener Kraft wieder in den Griff bekommen. Ich glaube, so etwas muss ein Mensch selbst schaffen, das kann kein anderer für ihn tun. Man kann ihn nur unterstützen, also tun wir das, erlauben ihm diese ganzen Selbstveränderungen, weil wir wissen, dass er da mit ganzem Herzen dabei und sehr glücklich damit ist. Und seit er dich kennt, ist er noch ein ganzes Stück sicherer geworden. Tsuzuku, weißt du eigentlich, wie gut du Meto tust?“

„Ja, das weiß ich. Er sagt es selbst immer wieder zu mir“, antwortete Tsuzuku und dachte an den hauchzarten Kuss nach dem langen Gespräch gestern.

„Und Meto wird erwachsen. Irgendwann wird er hier mehr oder weniger aus dem Nest fliegen und seine eigenen Wege gehen. Ich und Satoshi glauben, dass unser Schatz dann bei dir in guten Händen ist, Tsuzuku. Immerhin bist du es, bei dem er wieder zu sprechen angefangen hat.“

Tsuzuku antwortete mit einer höflichen Floskel, in etwa „Was sie sagen, ist zu viel der Ehre“. Er wusste nicht, was er sonst darauf erwidern sollte. Es kam selten, sehr selten vor, dass ihm eine solche Anerkennung und vor allem so großes Vertrauen entgegen gebracht wurde. Genauer gesagt konnte er sich nicht daran erinnern, dass ihm jemals jemand einen anderen Menschen durch solche Worte anvertraut hatte. Ihm wurde warm, Tränen kamen hoch, doch er kämpfte sie mit einem inneren Ruck nieder.

In dem Moment kam Meto aus dem Bad zurück. Und offenbar merkte er sofort, dass über ihn gesprochen worden war. „Redet ihr über mich?“, schrieb er. „Ich hab MiA eben gerade unsere Adresse geschickt.“

„Ärgert dich das, wenn wir über dich sprechen?“, fragte Minami.

„Nee, eigentlich nicht. Ich hab’s halt nur gemerkt.“

Meto trug wieder die neue Hose von Sex Pot ReVeNGe, dazu das „Horror Doll“-Shirt und ein nietengeschmücktes Lederhalsband. Wie üblich hatte er seine Augen mit großen Kontaktlinsen gefärbt und vergrößert, sich die Lippen matt rosa geschminkt und die Haare in kleine Wellen gelegt.

„Das ist dein Lieblingsshirt, oder?“, fragte Tsuzuku.

Meto nickte strahlend. „Ja. Das war eins der ersten, die ich damals gekauft hab, und es ist immer noch schön. Bis MiA kommt, können wir uns ja schon mal einspielen.“

Tsuzuku nickte und die beiden gingen runter in den Keller. Meto begann sofort, in dem schmalen Schrank neben der Musikanlage zu kramen und beförderte schließlich ein Karaoke-Mikro ans Licht der Deckenlampe. „Was hälst du davon, wenn wir das heute aufnehmen?“

„Gute Idee. Wenn das für MiA in Ordnung ist.“

Die Tür des ‚Probenraumes‘ stand noch offen und so hörten sie kurz darauf, dass es an der Haustür klingelte, Minami öffnete und MiAs freundliche Stimme zu hören war. „Guten Tag, sind Sie Frau Maeda? Ich bin mit ihrem Sohn Meto verabredet.“

Wenig später kam MiA, begleitet von Minami, die einen Teller Kekse trug, die Treppe herunter in den mehr oder minder improvisierten Probenraum. Er trug ein ähnliches Outfit wie an dem Tag des ersten gemeinsamen Auftritts: schwarzes, glänzendes Leder, knapp geschnitten und mit silbrigen Nieten verziert. Jedoch wirkte es etwas alltagstauglicher als das Bühnenoutfit aus dem Yoyogi und auch eher für die heute merklich sommerlichen Temperaturen geeignet. Über der Schulter trug er eine schwarze Gitarrentasche, in der sich wohl sein Ein-und-Alles von Musikinstrument befand.

„Hi, ihr“, sagte er und lächelte.

Meto strahlte ihn an. Er freute sich riesig darauf, mit dem offensichtlich sehr begabten Gitarristen zusammen zu spielen.

Minami stellte die Kekse neben die Musikanlage und ging mit einem „Na dann, viel Spaß!“ hinaus.

Sie stimmten sich ein und dann ging es los. Vielleicht lag es daran, dass sie schon einmal zusammen gespielt hatten, oder daran, dass sie einfach zusammenpassten, jedenfalls harmonierten sie fast sofort, als würden sie schon länger zusammen Musik machen.

„Musik ist wie ein Strudel, der einen mitreißt und nicht mehr los lässt“, dachte Meto, während er spielte. Beide, Meto und Tsuzuku, spürten wieder, wie dieses ‚richtige‘ Musik machen, das Zusammenspiel mit jemand anderem in Aussicht auf einen Auftritt, sie veränderte. Es begann mit dem ersten Ton und dauerte über die Länge des Liedes hinaus. Eine Art Rausch, in dem sie sich beide auf einmal viel mehr zutrauten und aus sich herauskamen wie sonst so gut wie nie. Sie kannten das schon vom „Einzeltraining“, doch zu dritt mit MiA war es doch irgendwie anders, fühlte sich nach mehr, nach großen Schritten der Weiterentwicklung an. Und nach Einswerden mit der Musik.

Nach dem ersten Song war beiden seltsam schwindlig und MiA bemerkte: „Ihr geht ja richtig ab! Wenn man euch sonst so sieht, denkt man das irgendwie gar nicht.“ Und diese Entwicklung damit auf den Punkt brachte.

„Mach mal den Mund auf, Tsu!“, forderte MiA nach dem zweiten Lied plötzlich. Meto grinste wissend und Tsuzuku tat wie ihm geheißen.

„Nee, oder? Echt?“ MiA starrte ihn staunend an. „…deine Zunge… Wahnsinn!“

Meto strahlte. Er hatte schon vor einer ganzen Weile Tsuzukus gespaltene Zunge bemerkt, jedoch irgendwie nie etwas dazu gesagt, obwohl es ihm gut gefiel.

„Japp“, sagte Tsuzuku nur und lächelte stolz.

„Wow! …irre, total irre, aber echt cool.“ MiA legte ihm anerkennend die Hand auf die Schulter. „Da stehen die Girls bestimmt drauf, oder?“

Dazu sagte Tsuzuku nichts. Musste MiA ja nicht gleich wissen, dass es in Sachen Frauen bei dem Sänger nicht so berauschend aussah. Dass er, obwohl er gut aussah und Talente hatte, die sicher gut ankamen, noch nie eine echte Freundin gehabt hatte, einfach weil er das mit der Kontaktaufnahme und dem Halten des Kontaktes nicht hinbekam. Das war etwas, das er an sich selbst nicht sonderlich mochte und peinlich fand er es auch. Und deshalb brauchte MiA das auch nicht zu erfahren. Es reichte aus, wenn Meto es ahnte.

Zum Glück ging der Gitarrist nicht näher auf das Thema „Frauen“ ein, sondern fragte stattdessen: „Wo lässt man denn so was machen?“

„In einer Schönheitsklinik in Hiroshima, da, wo ich auch das Implantat her habe.“ Tsuzuku zog den Kragen seines Hemdes ein Stück nach unten und zeigte MiA den Metallring unter seiner Haut.

„Wow!“ MiA war offenbar hin und weg. „Das nenn ich mal Körperkunst!“

„Sag mal“, wechselte Tsuzuku das Thema, „seit wann spielst du eigentlich schon Gitarre? Ich hab noch nie jemanden so schnell spielen sehen wie dich.“

„Seit ich zwölf bin. Und ich übe so zwei- bis viermal am Tag. Und ihr, seid wann macht ihr das schon?“

„Ich singe eigentlich schon, seit ich denken kann. Aber so richtig üben tue ich seit fünf Jahren“, antwortete Tsuzuku und Meto schrieb: „Als ich in der achten Klasse war, haben meine Eltern mir das Schlagzeug gekauft. Seitdem übe ich fast jeden Tag.“

MiA ging zu ihm hinüber, hockte sich neben ihn und fragte: „Hey, Meto-chan, magst du immer noch nicht mit mir reden?“

Meto schüttelte den Kopf. Er fühlte sich MiA noch nicht nah genug, um mit ihm zu sprechen.

„Er redet nur mit mir“, sagte Tsuzuku.

„Ihr seid echt richtig dicke Freunde, oder?“

Meto nickte begeistert und Tsuzuku strahlte.

„Aber was, mein liebes Metochen, muss ich denn tun, damit du auch mit mir redest?“

Schweigen.

„Warte einfach noch ein bisschen, MiA“, sagte Tsuzuku.

Sie spielten noch drei Songs, dann schaute MiA auf die Uhr und sagte: „Ich muss wieder los, arbeiten. Die Ladys warten.“

„Viel Spaß.“

„Den werd ich wohl haben.“

Als MiA weg war, fragte Tsuzuku: „Und? Was machen wir jetzt? Es ist Sonntag, wir könnten in den Yoyogi gehen.“

Meto nickte. „Ich glaube, ich zieh mal wieder ein Kleid an. Das rosa-karierte.“

Nachdem sie sich also beide zum Ausgehen ausgiebig zurechtgemacht hatten, machten sie sich auf den Weg zur Bahnstation.

Als sie dann schließlich die Takeshitadori entlang gingen, kamen sie auch am Gothic-Laden in der Nähe von Kens Studio vorbei.

„Komm, Tsu, wir besuchen Koichi.“ Meto packte Tsuzuku am Ärmel und zog ihn hinter sich her in den Laden. Es war genauso wie beim letzten Mal, dieselbe Musik, dieselben Sachen. Nur stand hinter der Kasse im Obergeschoss nicht Koichi, sondern ein türkishaariges Mädchen, deren Namensschild sie mit Hiragana als „Ruka“ auswies.

„Ist Koichi da?“, fragte Tsuzuku.

„Sorry, der hat grad Pause“, antwortete Ruka. „Seid ihr Bekannte von ihm?“

Meto nickte.

„Meistens ist er in den Pausen unten im Park und hängt da mit den Visuals rum. Oder er ist auf der Brücke und wartet auf die KERA-Leute, damit er endlich auch mal in die Zeitschrift kommt. Haltet einfach die Augen offen, dann findet ihr ihn schon.“

Tatsächlich fanden sie Koichi sofort, als sie die Brücke erreichten. Er saß an der grauen Steinmauer auf dem Boden, in der Nähe einer GazettE-Cosplaygruppe, rauchte und unterhielt sich mit ihnen. Als er Tsuzuku und Meto bemerkte, winkte er ihnen fröhlich zu.

„Hey, Meto-chan! Siehst ja wieder süß aus! Kommt doch her und setzt euch!“

Meto strahlte ihn an, er und Tsuzuku gingen zu ihm hinüber und setzten sich auf die angebotenen Plätze auf der auf dem Boden ausgebreiteten Decke.

„Sag mal, wie heißt du eigentlich?“, fragte Koichi Tsuzuku.

„Kannst mich Tsuzuku nennen.“

„Schöner Name. Schreibt man das wie in ‚buchstabieren‘?“

Der Schwarzhaarige nickte.

Eines der Mädchen, sie cosplayte Ruki in seinem leuchtend roten Cockroach-Outfit, rückte näher zu Meto und sprach ihn an: „Du siehst ja niedlich aus! Ist das Kleid von ‚Baby‘?“

Meto machte große Augen wie eine erschreckte Katze, warf einen hilfesuchenden Blick in Tsuzukus Richtung, doch als der ihm nur ermutigend zunickte, atmete er kurz durch und zog dann seinen Schreibblock hervor. „Ja, das ist von ‚Baby the Stars shine bright‘.“

„Sprichst du nicht?“

„Nein.“

„Wieso nicht?“

„Weil darum.“ Eine einfache Antwort. Doch in Metos Gedanken war die Sache inzwischen alles andere als einfach. Ihm gingen immer noch MiAs Worte durch den Kopf: ‚Aber was, mein liebes Metochen, muss ich denn tun, damit du auch mit mir redest?‘ Er wusste es nicht. Wusste nicht, womit genau sich MiA das notwenige Vertrauen und die Nähe verdienen sollte. Und darüber dachte er schon die ganze Zeit nach.

Währenddessen versuchte Tsuzuku, sich in Koichis Gespräch mit dem einzigen Jungen der Cosplaygruppe einzuklinken. Zuerst fiel ihm das recht schwer, wie immer, doch er merkte, dass es schon etwas leichter ging als noch vor ein paar Wochen. Leider kam es dabei manchmal vor, dass er vor lauter Anstrengung, sozial zu sein, unkonzentriert wurde und nicht mehr richtig zuhörte. Und in dem Moment, als er das auch dieses Mal bemerkte, sagte Koichi gerade etwas, dass ihn doch aufhorchen ließ: „… die Riffs da sind richtig schwierig. Hätte nie gedacht, dass Jasmine so kompliziert gespielt hat. Hab ja auch noch nicht viel von Versailles gecovert.“

„Reita spielt ganz anders, oder?“, fragte der Cosplayer, dessen Dress-up-Name Ren war.

„Ja, seine Griffe kann ich auch besser. Nao war auch gut.“

„Du spielst Bass, Koichi?“, fragte Tsuzuku, nun deutlich aufmerksamer.

Der Pinkhaarige nickte. „Ja. Cool, oder?“

„Und? Hast du schon ‘ne Band?“

„Nee, noch keine gefunden. Irgendwie scheint auch gerade kaum wer einen Bassisten zu suchen.“

Tsuzuku dachte: „Doch. Meto, MiA und ich, wir können einen brauchen“, doch er schaffte es irgendwie nicht, das auszusprechen. Außerdem wusste Koichi ja nicht mal, dass Tsuzuku und Meto überhaupt Musik machten.

Doch das sollte sich schon einen Moment später ändern.

„Und du?“, fragte Koichi nämlich, „Spielst du auch was?“

„Ich singe. Und ein klein wenig Gitarre spielen kann ich auch. Aber…“, er stockte kurz, wie jedes Mal, wenn es ans Persönliche ging, doch dann kam es ganz leicht über seine Lippen: „Meine Leidenschaft ist eindeutig singen.“ Und damit war das Eis gebrochen.

„Bist du gut?“

„Ich denke, schon.“

„Spielt Meto auch was?“

„Schlagzeug. Und wenn du mich fragst, ist er unheimlich begabt.“

„Wow, das würde ich ja gern mal sehen!“ Koichi strahlte ihn und Meto an. Er machte einen ziemlich extrovertierten, lebhaften Eindruck. Fast ein wenig überdreht. Jedenfalls einer von der Sorte Mensch, die Tsuzuku um ihre Offenheit beneidete und deshalb irgendwie mochte. Bisher hatte er solche Menschen nur aus der Entfernung beobachten können, doch seit sich durch Meto so vieles in seinem Leben verändert hatte, schien es ihm auf einmal so, als könnte er nun endlich näheren Kontakt zu diesen Menschen aufnehmen.

Allen ihm bekannten und eigentlich für ihn kaum existenten Göttern für die Begegnung mit Meto dankend, begann Tsuzuku mit Koichi ein Gespräch über Musik, erzählte von MiA, vom ersten Auftritt, dem Zusammenspiel heute Morgen und auch davon, wie gut das tat. Er konnte sich selbst kaum erklären, warum er sich mit einem Mal so öffnete. Koichi hatte einfach etwas an sich, das es Tsuzuku leicht machte, sich mit ihm zu unterhalten.

Meto saß mit großen Augen daneben, hörte zu, sagte nichts, schrieb nichts, doch sein Gesicht und sein ganzer Ausdruck sprachen Bände: Er wusste, welchen Teil er zu Tsuzukus Weiterentwicklung beigetragen hatte und war sichtlich stolz darauf. Und er staunte, als er erkannte, dass es nur ein paar Wochen gebraucht hatte, um sein leben und das seines Freundes so zum Positiven zu verändern. Bisher hatte Meto geglaubt, da gäbe es nur im Film. Und dass es so etwas wie Seelenverwandtschaft auch nicht wirklich gab. Doch er erlebte es hier und jetzt, und Tsuzuku war definitiv mehr als nur ein freund für ihn. Er war zum wichtigsten Menschen in seinem Leben geworden, zum Vertrauten, und am besten ließ sich das mit „seelenverwandt“ beschreiben.

Dass sie beide oft denselben Gedanken im gleichen Moment hatten, bemerkten sie, als sie einen kurzen Blick wechselten und sahen, dass Koichis Eröffnung, dass er Bass spielte, ihnen zum ersten Mal eine ganz bestimmte Idee kommen ließ: Eine eigene Band zu gründen.

Noch war es nur ein Gedanke, schließlich hatte MiA noch Dis:Hana und sie beide keinerlei Ahnung davon, wie genau man so eine Band aufbaute, doch vertreiben ließ sich diese Idee nun nicht mehr, war durch das Zusammenspiel am Vormittag sehr in die Nähe gerückt.

Koichi warf einen Blick auf die Zeitanzeige seines Handys und sagte: „So, ich muss dann wieder arbeiten gehen. Was macht ihr jetzt noch?“

„Keine Ahnung, irgendwas…“, antwortete Tsuzuku und Meto zuckte ebenfalls mit den Schultern.

Sie begleiteten Koichi noch bis zum Eingang der Takeshita. Auf dem Rückweg zwischen der berühmten Einkaufsstraße und der Station Harajuku befand sich auch das kleine Café, in dem Tsuzuku bis vor ein paar Wochen jeden Samstag gesessen und die vorbeigehenden Leute beobachtet hatte. Dieses Ritual hatte sich vollkommen zurückgebildet, doch heute bekam er auf einmal doch wieder Lust darauf, dort am Fenster zu sitzen. Diesmal aber nicht allein.

„Komm, wir gehen noch einen Kaffee trinken“, sagte er.

Meto nickte, wandte sich kurz an Ruana, die den Kopf aus seiner Handtasche steckte, und flüsterte dann: „Ruana möchte ein Stück Kuchen.“

„Gut. Einen Kaffee für Tsuzuku, einen für Meto und ein Stück Kuchen für Ruana, ja?“ Tsuzuku lächelte. Er fand die Art, wie Meto mit seinem Teddy umging, irgendwie unheimlich süß.

Am Ende bekam natürlich der Blonde Ruanas Kuchenstück, tat aber, und das ganz offen vor allen Leuten im Café, so, als würde er den Bären damit füttern. Er hatte ganz offenbar überhaupt kein Problem damit, dass ihn jemand für seltsam halten könnte.

„Sag mal, merkst du, dass die Leute schauen und es ist dir egal, oder tust du einfach, als wären sie nicht da?“, fragte Tsuzuku.

„Es soll mir egal sein. Deshalb mach ich das immer wieder. Ich übe das so lange, bis ich mich so weit habe, dass es mich wirklich nicht mehr interessiert, was sie denken.“

„Du bist also noch lange nicht fertig mit dir selbst…“

„Nein, aber ich gebe nicht auf. Ich will machen, was ich will.“

Ein wenig konnte man ihm diesen Kampf sogar ansehen. Da kämpfte der neue, stark und auffällig sein wollende Meto gegen den alten, ängstlichen Haruka, der sich am liebsten versteckte. Und dieser Kampf wurde mit allen Mitteln geführt. Extreme Aktionen, Tattoos, Piercings, auffällige Kleidung gegen Angst und daraus folgende Anpassung. Es schien so, als ob Meto immer dann, wenn Haruka in ihm wieder hochkam, sofort mit irgendeiner radikalen Handlung gegenanging, und sei es, dass er in aller Öffentlichkeit seinen Teddy mit Kuchen fütterte.

Nach dem Cafébesuch gingen sie zusammen zur Station Harajuku und verabschiedeten sich dort.

„Du schreibst mir, wenn was ist?“, sagte Tsuzuku.

Meto nickte, verpackte Ruana in seiner Tasche und verschwand in den Zug nach Adachi.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, euch hat auch dieses Kapitel gefallen. ^^
Das nächste wird vermutlich ein reines Meto-Kapitel und auch Kasumi wird vorkommen. Es wird wieder recht dramatisch, durch eine unerwartete Begegnung im Zug. Das Thema "Haruka" ist noch lange nicht durch.
Übrigens, falls es jemanden interessiert: Maeda Haruka schreibt sich mit folgenden Kanji:
前田春花 Bedeutung: "Vor dem Feld, Frühlingsblume" Wie auch immer seine Eltern drauf gekommen sind, ihn so zu nennen... selbst ich als Autorin weiß das nicht.

Bis zum nächsten Kapitel! ^^
eure Haru Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: Futuhiro
2014-08-02T13:29:56+00:00 02.08.2014 15:29
Jahaaaa!!! *jubel*
Jetzt schließt sich der ganze Bogen und alles wird eine runde Sache! Die beiden merken selber, daß Metos Verhalten mit seinem Teddy und so irgendwie seltsam ist. ... Yes, und Koichi ist auch wieder im Spiel. Mia haben sie sowieso schon geködert. Und sie sitzen wieder in dem gleichen Cafe wie ganz am Anfang, nur als völlig neue Menschen. Es wird!!!!

Von welchem Nao hat Koichi geredet? Mir fällt unter den J-Rockern gerade gar kein Basser mit Namen Nao an. Ich dachte erst an Nao von heidi., aber der ist ja Gitarrist.
Antwort von: Harulein
02.08.2014 15:35
Ja, es wird. ^^ Und immer besser...

Ich meine Nao von Kagrra,. Ist zwar vom Stil her ne ganz andere Band, aber mir fiel sonst kein Bassist mehr ein. ^^;
Antwort von: Futuhiro
02.08.2014 15:43
Ah, okay. Ich mag zwar die Musik von Kagrra, aber mit den Bandmitgliedern hab ich mich noch nie befasst. Ich weis nur, daß der Vocal Isshi heißt. ^^

PS: Tsuzukus Implantat auf dem Brustbrein dürfte meines Erachtens Silikon sein. Metall wird bei Implantaten, vor allen bei dieser Größe, nur sehr sehr ungern genutzt. ^^ Zu teuer, zu schwer, massiverer chirurgischer Eingriff, schlechtere Heilungschancen, und so.

Oki, kurz Pause, den Rest lese ich heute Abend noch. Ich freu mich drauf. ^^
Von:  Tesla
2014-06-23T08:30:22+00:00 23.06.2014 10:30
Juhu ich hab mich tierisch über das neue Kapitel gefreut. Gestern dachte ich noch das es bald mal ein neues geben könnte und bäm da is es. Sehr schön. Ich find es klasse wie die vier langsam zusammen finden. Ich bin gespannt wann sie das erste eigene lies schreiben. Aber das dauert sicher noch.

eine kleine klugscheißer anmerkung hab ich aber trotzdem noch. Auch in Japan werden solche body modifications nicht in ner Klinik gemacht sondern bei bidyartist. Die implantate sind entweder aus Teflon oder Silikon, bei dem von tsuzuku würde ich auf letzeres tippen. Und in 80% der Fälle wird das ohne Betäubung gemacht. Sorry der klugscheißer musste das jetzt einfach los werden.;) Nicht übel nehmen. Das ist bei dir einfach künstlerische Freiheit. Ich musste nur mal die Infos loswerden.

na dann ich freu mich schon tierisch auf das nächste Kapitel.

lg Tesla
Antwort von: Harulein
23.06.2014 19:28
Und ich freu mich, dass du weiter treu kommentierst ^^

Lieder gibt's schon ein paar, kommt jetzt nur drauf an, wann Tsu mit denen rausrückt. ^^

Was Bodyart und so angeht: ich bin aj wirklich ziemlich neu in Sachen VK und so weiter, dementsprechend muss ich mir in FFs das irgendwie zusammendenken. Als ich das geschrieben hatte, saß ich grad im Wartezimmer bei der Hautärztin, die hatte mir vorher was von Infektionen und so bei OPs erzählt und das ist da halt mit eingeflossen...

Das nächste Kapitel wird aber erst mal kein Band-Kapitel, sondern ein Meto-und-Kasumi-Kapi. Ich sags schonmal, wird wieder Drama.

lg
Haru


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