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Der Traumtänzer

von

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Zum goldenen Drakus

Als mich Phantasus aus dem Schloss führte wusste ich nicht genau, wie viel Zeit vergangen war, doch die Sonne stand bereits tiefer, als sie es vorher getan hatte, also musste mehr Zeit ins Land gezogen sein, als ich es wirklich gedacht hatte. Dort drinnen, im Schloss, im Thronsaal bei der Königin, da war mir die Zeit endlos erschienen. Ich hatte nicht darauf achten müssen. Nun aber betrachtete ich den Stand der Sonne und das goldene Licht, das die Abenddämmerung mit sich brachte. Goldenes Licht, welches dem weißen Stein, aus dem die Stadt erbaut worden war, ein inneres Leuchten zu geben schien. Die kleinste der beiden Sonnen war schon längst hinter dem weiten Horizont verschwunden. Nur noch die Größere zeigte uns einen kleinen Rand, als hätte sie nur auf Phantasus und mich gewartet. Nun, da sie mich und diesen eigentümlichen Mann gesehen hatte, sich wohl versichert hatte, dass es uns gut ging, verschwand sie hinter dem weiten Land, das sie beschienen hatte.
 

„Was nun?“, fragte ich mehr zu mir selbst als zu Phantasus, der ebenfalls auf den Sonnenuntergang geschaut und dabei in seiner eigentümlichen Art und Weise gelächelt hatte.

„Was hältst du von einer Taverne? Bis auf einen Schneider und das Schloss hast du auch noch nichts von Elysien gesehen. Das sollten wir schnell ändern“, meinte der Mann mit dem dunklen Haar und der Brille, in der sich noch die letzten Reste des vergehenden Tages spiegelten. Eine Taverne war ein Ort, in dem sich die Menschen trafen, über den Tag klagten und Neuigkeiten austauschten. Zumindest habe ich sie mir so immer vorgestellt. Selbst in einer war ich noch nie gewesen. Vielleicht war es dem Umstand geschuldet, dass es in unserer Welt keine solchen Tavernen mehr gab. Aus Neugier mehr als aus anderen Gründen nickte ich den Vorschlag Phantasus‘ ab. Etwas anderes hatte ich ohnehin nicht vor, und warum sollte man den Tag nicht in einer Taverne ausklingen lassen? Über die Übernachtung selbst, die zwangsläufig kommen musste, machte ich mir noch keine Gedanken. Sicherlich hatte Phantasus auch dafür eine Idee.

 

Die Taverne, zu der mich Phantasus schließlich geführt hatte war ein Bau, der sich nahtlos in eine Reihe von Häusern schmiegte, die sich, in einer Gasse, ab der Hauptstraße, zu verstecken schienen. Das Schild, welches an schon rostigen Ketten hing, zeigte mit eingebrannten Lettern den Namen `Zum goldenen Drakus‘. Tavernen mussten wohl seltsame Namen haben, dachte ich mir und musterte das Schild weiter. Oberhalb des Schriftzuges war eine Eidechse zu sehen, die über das Schild zu schleichen schien. Sie selbst war wohl einmal mir Gold geprägt gewesen zu sein, doch auch das war wohl schon einige Zeit her. Ob Phantasus sich mit der Wahl der Taverne wirklich sicher war? Ich hob die Schultern mehr für mich. Was sollte ich schon sagen, ich kannte diese Stadt nicht. Warum sollte ich also an den Worten und Entscheidungen eines Mannes zweifeln, der sich deutlich besser hier auskannte, als ein Fremder, der diese Stadt und dieses Land noch nie wirklich gesehen hatte. Vielleicht würde es ja ganz unterhaltsam werden. Wissen konnte man es im Vornherein nicht wirklich.

„Willen wir?2, fragte Phantasus schließlich, doch diese Frage war nicht wirklich so gestellt, dass ich sie hätte verneinen können. Es stand schon fest, dass wir in diese Taverne gehen würden, also folgte ich meinem Führer in der bunten Kleidung einfach, während er die Tür zum Schankraum aufdrückte, die seiner Hand mit einem leichten Knarzen nachgab.

Als sich der Schankraum vor mir auftat wusste ich nicht, was ich erwartet hatte. Vielleicht den Geruch von schalem Bier in der Luft, von Qual und kaltem Schweiß, doch all das fand ich hier in der Luft nicht. Die Tische, an denen sich die Gäste tummelten, waren frisch gescheuert, der Boden sauber gewischt und in der Luft lag der Duft von vielen Kräutern und einem saftigen Braten. Ich war wirklich erstaunt zu sehen, was sich hinter der Tür und dem schäbig wirkenden Schild verborgen gehalten hatte. Dies hier war es auf jeden Fall nicht gewesen, was ich vermutet hatte.

Als wir schließlich den Schankraum ganz betreten hatten folgten uns die Augenpaare, während wir uns einen Weg zu einem noch freien Tisch suchten, doch galten die Blicke viel weniger mir als Phantasus selbst, der mit seiner Kleidung deutlich mehr auffiel als ich es tat. Seine bunten Gewänder, bei denen nichts wirklich zusammenpasste waren ein wirklicher Hingucker. Ich dagegen hatte, mit der Hose, dem Leinenhemd und dem Umhang, die hier übliche Tracht mehr als getroffen. Ich fiel wohl weniger in der breiten Masse auf als ein bunter Hund, der Phantasus ja war. Leises Tuscheln war zu vernehmen, als der Mann mit der Brille, dem Bart und dem breiten Grinsen zielstrebig zu einem freien Platz ging und sich dort niederließ. All die Blicke und das Getuschel, das wohl ihm galt, schienen ihn nicht im Geringsten zu stören. Er schien dabei so unbesorgt und bald schon verstand ich warum.

„Phantasus, alter Junge. Dich habe ich hier schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen“, grollte eine Stimme, wie ein ferner Donnerhall, von der Seite und ließ mich da, wo ich saß, fast erzittern. Als sich der breitschultrige Mann auf den Tisch beugte knarzte dieser und ich hatte schon Angst die Tischplatte würde das Gewicht des Mannes kaum tragen können. Im Profil sah ich die gerade Nase, die buschigen Augenbrauen und den langen Bart, der ihm kunstvoll geflochten vom Kinn hing. Dann wandten sich die stahlgrauen Augen zu mir und das harte Gesicht, in das sich schon so manche Spur eines langen Lebens gegraben hatte, musterte mich jungen Hüpfer, der ich war. Das dunkelbraune Haar des Mannes zeigte schon die ein oder andere graue Strähne und so schätzte ich ihn auf Mitte der Vierziger.

„Wen haben wir denn da? Einer deiner Schüler, Meister Phantasus?“, lachte der Mann, der wohl der Wirt dieser Schenke war, wie ich an der Schürze vermutete, die diesen Mann kleidete. Dazu passend hatte er ein Leinenhemd mit aufgerollten Ärmeln, eine dunkle Leinenhose und Lederstiefel, die auch schon einmal bessere Zeiten gesehen haben mussten.

„So in der Art könnte man sagen. Er ist neu in der Stadt“, gab Phantasus mit einem bekannten Lächeln Antwort. „Und da dachtest du, dass du ihm dem alten Ulfgar vorstellig machst? Das ist aber sehr freundlich von dir. Da will ich mich doch gleich mal erkenntlich zeigen. Zwei Dunkelbier für meine Freunde hier drüben“, rief der Wirt. Sicherlich war er an der Schanktheke gut zu verstehen, denn seine Stimme, einem Gewittersturm gleich, erhob sich gut hörbar über das Stimmengewirr, welches den Schankraum füllte und sofort wurde seiner Bitte nachgekommen. Kaum einen Moment später stand vor mir und Phantasus je ein Zinnhumpen, aus dem sich dunkler Bierschaum türmte. Phantasus fackelte nicht lange, nahm den Humpen auf und setzte ihn an. Es sah so aus als würde er ihn gleich stürzen wollen und als er den Humpen mit einem zufriedenen Seufzer abstellte war dieser auch bis zur Hälfte geleert. Ich hingegen nippte nur und merkte, wie mir der herbe Geschmack des Bieres bis in den Magen kroch und ich gegen ein Würgen ankämpfen musste. Wie konnte man dieses Zeug eigentlich trinken und es dann auch noch gut finden?

„Meinem junge Freund hier scheint es weniger zu munden“, meinte Phantasus mit einem leichten Lachen und prostete mir mit seinem Humpen zu, bevor er noch einen tiefen Schluck daraus nahm. Ulfgar klopfte mir dabei beherzt auf den Rücken, dass mir beinahe die Luft weg blieb, doch bevor ich etwas sagen konnte hatte Phantasus schon wieder das Wort ergriffen. „Weißt du eigentlich, wie diese Taverne zu ihrem Namen kam, mein Junge?“, meinte er über den Rand seiner Brille hinweg schauend zu mir und grinste dabei breit. Ulfgar aber stöhnte nur gedehnt, aber der Dunkelhaarige ließ sich davon nicht abhalten.

„Es begann, als Ulfgar seine Taverne bauen wollte. Er hatte die Vorstellungen bereits im Kopf und wusste, wie sie aussehen sollte, doch noch hatte er keinen Namen für seine Taverne. Damals war er schon so, wie er heute war. Ein breitschultriger Mann mit Muskeln aus Stahl, der mit der bloßen Hand einen Bären hätte erlegen können“, begann Phantasus seine Geschichte und nahm noch einen Schluck aus seinem Humpen. Ich wunderte mich, dass noch immer Inhalt in dem Zinnhumpen war.

„Du musst dir vorstellen, dass es damals andere Zeiten waren. Ulfgar war also dabei seine Taverne zu bauen, als er plötzlich“, sagte Phantasus und ich spitzte meine Ohren in Erwartung einer spannenden Wendung, „einfach auf den Drakus trat und ihn somit erschlug“, beendete er auf recht unspektakuläre Weise die Erzählung um die Entstehung des Namens.

„Das war es?“, fragte ich ungläubig und schüttelte leicht den Kopf, doch Phantasus und sein breitschultriger Freund grinsten mich nur über beide Ohren an, als wäre ihnen ein besonders guter Scherz gelungen.

„Sag, Phantasus, bist du noch immer so ein guter Sänger wie damals?“, wollte nun Ulfgar wissen und schlug dem Angesprochenen leicht mit der Faust gegen die Schulter. „Zur Unterhaltung der Gäste, verstehst du?“, fügte er noch hinzu und deutete mit seinem Daumen über seine Schulter in den Schankraum. Phantasus sah der Geste nach und schien, als würde er seine Antwort genau abwägen, doch dann nickte er mit seinem bekannten Lächeln. „Ich glaube schon, dass ich es nicht verlernt habe“, sagte er und erhob sich ohne weitere worte. Ich sah ihm gespannt nach. Phantasus konnte also auch singen? Eigentlich brauchte mich bei ihm nichts mehr zu überraschen. Es wirkte fast so, als würde er alles können und jeden kennen. Dieser Mann steckte voller Überraschungen.

Ich beobachtete ihn, wie ihn wohl jeder hier im Schankraum beobachtete. Spätestens, als er sich deutlich hörbar räusperte lag alle Aufmerksamkeit auf dem Mann im bunten Gewandt.

„Der Teufel hat den Schnaps gemacht. Na und? Na und?“, begann der Bärtige mit einem breiten Grinsen an zu singen und mit einem Mal schienen sich die Gesichter zu erhellen.

„Hat mich um den Verstand gebracht. Na und? Na und?

Ich fühlte mich so heldenhaft. Na und? Na und?

Wer ist der Typ im Spiegel, wieso ist ihm nur so übel?“

Es war, als hätte allein der Beginn dieses Liedes den Schankraum in einen anderen verwandelt. Männer, die Phantasus gerade eben noch skeptisch angeschaut hatten, schlugen nun im Takt des Liedes mit ihren Humpen auf den Tisch und als wohl die erste Strophe zu Ende war stimmten sie in den Refrain mit ein, was den Raum deutlich größer wirken ließ.

„Hip, hip hurra die Humpen her, der Teufel kriegt uns nimmermehr!

Humpen her hip, hip hurra, wir saufen und wir sind noch da!“

Die Stimmung war von einem auf den anderen Moment um so vieles angenehmer geworden und auch Ulfgar schien seine angespannte Haltung, die er vor ein paar Momenten noch gehabt hatte, verloren zu haben.

„„Der Teufel hat den Schnaps gemacht. Na und? Na und?

Wer hat mich wohl hierher gebracht? Na und? Na und?

Mein Kopf passt nie durch diese Tür. Na und? Na und?

Wer ist nur diese Frau auf deren Brüste ich hier schau?“

Je länger das Lied ging umso mehr Stimmen fielen in den Gesang ein bis schließlich der ganze Schankraum freudig sang, trank und die leeren Humpen schnell wieder gefüllt wurden. Phantasus‘ Stimme selbst war bald nicht mehr zu hören und die Männer hatten schnell vergessen, dass der Mann, den sie gerade eben noch so seltsam angeschaut hatten, nun dafür sorgte, dass ihnen das trinken noch mehr Spaß zu machen schien. Was ich von meinem Führer sehen konnte war, dass er auf einen der Tische gesprungen war, dort sang und zugleich tanzte, während man ihm die Humpen entgegenreckte, aus denen er sich von Zeit zu Zeit bediente. Niemand schien es zu stören solange sie nur gut unterhalten wurden.

„So sind die Menschen nun einmal“, sagte Ulfgar schließlich, der sich das ganze Spektakel mit einem feinen Lächeln anschaute. Trotz des Gesangs und den Lärm der Krüge, die auf Tische knallten, konnte ich den breitschultrigen Mann deutlich hören. Es war fast so, als wäre seine Stimme nur für mich allein gedacht. Ich schaute ihn nur verwirrt an, denn ich wusste nicht genau, wie er dies meinte.

„Die Menschen haben ein einfaches Gemüt, brauchen aber ab und an etwas, über das sie lachen können. Phantasus hat ein besonderes Talent darin, Menschen zum Lachen zu bringen. In diesen Zeiten ist dies wohl eines der wertvollsten Talente.“

„In diesen Zeiten?“, fragte ich nach, doch Ulfgar schüttelte schnell den Kopf, bevor er laut anfing zu lachen und in den Schankraum deutete. Dort sah ich Phantasus, der es wohl etwas zu gut gemeint hatte und während seines Tanzes vom Tisch gefallen war. Nun war seine Kleidung nass vom Bier, das ihm immer noch in Strömen über das Gesicht lief. Doch der guten Laune tat es keinen Abbruch. Man lachte, hob ihn auf und drückte ihm einen neuen Humpen mit frischem Bier in die Hand, aus dem er pflichtbewusst trank.

Während ich nun Phantasus beobachtete hörte ich aus verschiedenen Kehlen den Refrain des Liedes, doch waren es nicht immer die Sprachen, die ich auch verstehen konnte. Es waren andere darunter, die in ganz eigener Manier gesprochen wurden, doch auch dies schien zum Spaß dazu zu gehören. Man freute sich, lachte und trank. So, dachte ich mir, musste es in einem Wirtshaus zugehen. So stellte man sich eine zünftige Taverne vor. Warum nicht also mitmachen? Schließlich griff die gute Laune auch auf mich über und ich klatschte im Takt in die Hände und sag frei heraus mit. Es war egal, ob ich schief sang oder nicht. In all dem Getöse und den verschiedenen Stimmen hörte mich so oder so niemand.



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