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Der Traumtänzer

von

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Ein kurzweiliger Weg

Das Land flog unter ihren Füßen nur so dahin. Viel gab es nicht zu sehen, denn die Gegend veränderte sich nicht wirklich. Immer nur war es dasselbe, blassblaue Gras und derselbe rötlich gefärbte Fluss, der das Bild der Landschaft dominierte. Und dennoch wurde die Wanderei nicht langweilig, denn der Junge hatte einen Begleiter, der ihm die Zeit doch deutlich spürbar verkürzte. Die beschwingte Art und Weise, wie Phantasus ihm vorausging, motivierte auch den Folgenden, der diesem seltsamen Mann folgte. Noch immer versuchte der Violetthaarige zu zählen wie viele Flicken wohl die Kleidung seines Begleiters ausmachten, doch immer wieder aufs Neue musste er das Zählen doch aufgeben. Es waren einfach viel zu viele als dass man sie hätte zählen können. Außerdem sah es so aus als würden die bunten Farben sich immer wieder aufs Neue zusammenmischen und so neue Muster bilden, was das Zählen noch zusätzlich erschwerte.

Dennoch konnte der Junge festhalten, dass es sich bei der Kleidung Phantasus‘ um einen bunt zusammengewürfelten Haufen von Flicken und verschiedenen Kleidungsstücken handeln musste. Dort war ein Streifen Leder zu sehen, der sich perfekt zwischen Brokat und Seide einpasste, dann konnte man aber auch wieder einen großen Flicken Wolle sehen, der mit seinen dicken Fäden herausstach. Trotz allem - oder vielleicht gerade weil diese Kleidung so zusammengewürfelt war – machte Phantasus‘ Äußeres einen Eindruck auf seine Beobachter, die einen schmunzeln ließ. Dazu auch noch diese freundliche und beschwingte, fast enthusiastische Art und man konnte nicht anders als selbst gute Laune zu bekommen. Es war ein seltsamer Zauber, den dieser Mann auf den Jungen ausübte.

„Was schaust du so verträumt drein, junger Freund?“, rüttelte die Stimme des bärtigen Mannes den Violetthaarigen sanft aus seinen Gedanken heraus, als würde Phantasus befürchten ihn nur durch diese Frage zu erschrecken. Es dauerte einen kurzen Moment bis der Junge wieder wusste wo er war und wer ihm da gerade mit einem sanften Lächeln entgegensah. Er schüttelte kurz den Kopf um wieder klare Gedanken fassen zu können und lächelte dann selbst ein wenig.

„Ich habe mich nur über deine Kleidung gewundert, Phantasus. Sie sieht aus wie ein Flickenteppich, den du dir übergeworfen hast“, erklärte sich der Junge und kam sich im selben Moment unendlich dumm vor. Sicherlich hatte er seinen Begleiter nun maßlos beleidigt. Wer hörte schließlich gern, dass seine Kleidung aussah wie einmal zu oft gestopft?

Doch die Reaktion des Mannes mit dem rotbraunen Bart verwunderte den Jungen dann doch etwas. Phantasus war nicht verstimmt oder grimmig. Er lachte einfach nur und dieses Lachen konnte es vollbringen, dass die Bedenken, die der Junge gerade eben noch gehabt hatte, von einem Moment auf den anderen einfach fort gewischt waren als hätten sie niemals wirklich existiert. Als dann das Lachen langsam versiegte sah man es immer noch deutlich in den Augen des Mannes zu sehen, als er seinen jungen Begleiter musterte. Dann sah er an sich herab, hob die Arme um sich besser seine eigene Kleidung ansehen zu können und musste dann erneut auflachen.

„Ein Flickenteppich. Sehr kreativ muss ich sagen und du hast Recht. Es sieht wirklich etwas wie ein Flickenteppich aus. Da ist Leinen, ein schwerer Stoff und sicherlich nicht besonders fein, dort, Kaschmir und gleich daneben haben wir grobes Hanf zu einem Flicken verarbeitet. Wenn ich mir das so recht betrachte hat es wirklich mehr von einem Flickenteppich als von Kleidung. Aber es schmückt, oder nicht?“, meinte der Bärtige und drehte sich um die eigene Achse, so dass der violetthaarige Junge ihn von allen Seiten mustern konnte. Diese zur Schaustellung des Gewands Phantasus‘ artete zu einem eigenwilligen Tanz aus, bei dem sich der Tänzer immer wieder im Kreis drehte und dabei ab und an leicht in die Luft sprang. Schließlich begann er auch noch zu pfeifen und in die Hände zu klatschen. Man konnte beinahe den Eindruck gewinnen, dass Phantasus solche kleinen Einlagen nicht zum ersten Mal machte und es sicherlich auch nicht das letzte Mal war, dass der Junge diese sehen würde.

Dieser Tanz um die eigene Achse zeichnete aber auch ein ganz eigenes Farbenspiel in die Luft. Die Vermischung der verschiedenen Farben. Rot und gelb verflossen zu einem warmen Orange welches die ganze tanzende Gestalt zu einem eigentümlichen Licht zeigten. Die beiden Sonnen mit ihrem Licht traten dazu bei, dass Phantasus in seinem Tanz irgendwie mystisch wirkte.

Doch plötzlich war der Tanz vorbei indem Phantasus einfach zu Boden kippte und dort liegen blieb, alle Glieder weit von sich gestreckt. Mit einem kurzen, erschreckten Ausruf stürzte sein Begleiter zu ihm und schaute besorgt zu ihm herunter, doch Phantasus konnte nur lächeln.

„Kennst du das, wenn man sich zu lange im Kreis dreht? Die Welt stellt sich Kopf, als würde sie wollen, dass du endlich mit diesem Gedrehe aufhörst. Tja, das ist gerade passiert. Man hat mich zu Boden geworfen und dennoch dreht sich alles“, sagte der Gefallene mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Der Junge aber schüttelte nur den Kopf, selbst wenn er ebenfalls lächeln musste. Dieser komische Mann, man konnte nicht wirklich sagen was er wohl als nächstes machen würde. Unter all den Farben, dem Lächeln und der Freundlichkeit war er doch undurchschaubar oder wirkte es nur so und es gab nichts Tiefsinniges unter dieser scheinbaren Fassade? Vielleicht redete der Junge sich diese Seite des Mannes nur ein. Vielleicht war Phantasus nur das, als was er sich vorgestellt hatte. Phantasus, nicht mehr und nicht weniger.

Schließlich streckte Phantasus seinen rechten Arm nach oben. Auf den fragenden Blick seinen Begleiters reagierte er mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Willst du mir nicht aufhelfen? Sag nicht, dass du mich hier liegen lassen wolltest“, meinte das Lebende Farbenspiel, woraufhin der Violetthaarige wieder nur lächeln konnte, sich aufrichtete und dann die einem leichten Lächeln in der Hand Phantasus' ergriff und ihm auf die Füße half. „Hätte ich denn einen Grund dich hier liegenzulassen?“, fragte der Junge mit einem leichten Lächeln in der Stimme. Nein, es gab keinen Grund seinen Begleiter hier zurückzulassen. Zumal er selbst so oder so nicht gewusst hätte wohin Phantasus ihn genau führen wollte.

Elysien, eine Stadt ganz in weiß. Noch nie hatte der Junge solch eine Stadt gesehen und schon gar nicht von ihr gehört. Auch der Name kam ihm nicht wirklich vertraut vor. Es blieb also nichts anderes als Phantasus weiter zu folgen. Doch das fiel nicht wirklich schwer. Die Zeit mit ihm war angenehm und kurzweilig. Er verkürzte die Wanderung auf angenehme Art und Weise. Manchmal indem er scherzte, manchmal indem er sang oder auch einfach nur eine schöne Melodie pfiff. Es war gut einen Reisegefährten zu haben, der für eine gute Stimmung sorgte und Phantasus schien auch genau darauf abzuzielen. Doch plötzlich blieb er stehen und deutete auch dem Jungen an in seiner Bewegung inne zu halten.

„Was ist?“, fragte der Violetthaarige berechtigterweise, doch Phantasus hielt nur den Zeigefinger seiner rechten Hand vor die geschürzten Lippen und deutete seinem jungen Begleiter mit der linken an zu lauschen. Der Junge tat, wie ihm geheißen und lauschte. Er hörte ein seltsames Brummen in der Ferne. Es kam ihm nicht vertraut oder gar bekannt vor. Es war etwas, das er noch nie zuvor gehört hatte. Es war nur verständlich, dass er seinen Führer fragend ansah. Doch dieser lächelte nur in einer Manier, in der man ein Kind ansah, welches eine Frage gestellt hatte, deren Antwort doch so logisch zu sein schien. Vielleicht war sie das eigentlich auch, doch der Junge konnte sich wirklich nicht erklären woher er dieses Geräusch hätte kennen sollen. Doch bevor er noch vor Neugier und Unwissen platzte deutete Phantasus mit einem breiten Lächeln an ihm zu folgen.

Der Junge mit dem violetten Haar setzte sogar so schnell einen Fuß vor den anderen, dass er seinen Begleiter schon bald überholt hatte. Und schon bald wurden seine Schritte zu einem Renne, die von Neugier getrieben wurden. Als er dann schließlich auf der Kuppel eines Hügels angelangt war sah er den Ursprung dieses Brummens. Es war eine gewaltige Stadt aus weißem Stein erbaut. Sie schien wie aus einem Buch entsprungen zu sein. Als hätte man einen Roman über das Mittelalter aufgeschlagen und diese Stadt hätte sich daraus erbaut.

Sie war gebaut, wie man sich eine mittelalterliche Stadt so vorstellte. Sie war von einer großen, runden Mauer aus weißem Stein umschlossen, an sie sich von außen her kleine Hütten und Gehöfte anschmiegten. Der Junge konnte sehen, wie Soldaten auf den Mauern patrouillierten. Er sah ihre glänzenden Rüstungen in der Sonne schimmern, konnte auch die blitzenden Spitzen von Speeren erkennen, die dann und wann die Sonne reflektierten. Doch dieser Ausblick war nur interessant solang man nicht das größte Gebäude dieser Stadt sah, welches sich in der Mitte dieser Ansammlung von Straßen, Gebäuden und Menschen erhob. Es war ein gewaltiges Schloss mit Fenstern aus farbigem Bleiglas, hohen Türmen und hellen blauen Schindeln auf den Dächern. Der Junge kam aus dem Staunen einfach nicht mehr heraus. Wo man auch hinsah gab es was zu sehen.

Das Tor, welches den Weg in die Stadt öffnete, war unter regem Betrieb gefangen. Soldaten standen an beiden Seiten dieser großen Öffnung in der Mauer und musterten mit strenger Miene die Menschen, die an ihnen vorbeizogen. Soweit es der Junge erkennen konnte waren es wohl zumeist Bauern, die ihre Waren verkaufen wollten oder aber selbst Kaufleute mit Wagen, die so hoch beladen waren, dass man Angst haben musste sie würden jeden Moment umstürzen. Doch das taten sie nicht.

Auch konnte der Junge mit seinen neugierigen Augen immer wieder vereinzelt Soldaten in glänzender Rüstung sehen, die durch diese Menschenmenge zogen. Wahrscheinlich überprüften sie, dass alles seinen geregelten Gang nachging.

Eine leichte Berührung an seiner Schulter lenkte die Aufmerksamkeit des Jungen wieder auf seine Nähere Umgebung. Neben ihm stand nun Phantasus, der ihn lächelnd ansah. „Sie ist schön, nicht wahr?“, meinte er und wieder schaute der Junge leicht fragend. Doch Phantasus schüttelte nur leicht den Kopf und deutete dann mit einem Nicken in Richtung der Stadt: „Sie meine ich. Elysien. Die Stadt aus weißem Stein“, meinte der Führer dieser kleinen Gruppe mit einem leisen Lachen in der Stimme. Wieder schaute der Junge in seiner Begleitung zur Stadt am Fuße dieses Hügels und er musste Phantasus zustimmen. Diese Stadt, Elysien, war wirklich schön. Sie war gänzlich weiß, nicht grau oder verwaschen, sondern einfach nur weiß.

Dies war also der Ort, an den ihn Phantasus hatte führen wollen. Der Violetthaarige musste gestehen, dass der Anblick dieser Stadt ihn über alle Maßen beeindruckte, doch er verstand noch immer nicht den Sinn seines Anwesenheit. Zwar hatte Phantasus gesagt, dass man ihn erwarte, aber wer erwartete ihn schon? Es war ein Rätsel, welches der Junge bereit war zu lösen. Schließlich wollte er, jetzt, da er diese Stadt einmal gesehen hatte, auch durch ihre Straßen laufen. Er wollte sie erkunden und entdecken.

Ein kindliches Lächeln trat auf die Lippen des Jungen, als er sich die versteckten Geheimnisse vorstellte, die diese Stadt für ihn bereithalten musste. Wie viele es wohl waren? So groß, wie diese Stadt war mussten es unzählige sein. Ja, er würde Phantasus folgen. Außerdem interessierte es ihn ja auch ungemein wer da auf ihn wartete.



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