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A Song of Ice and Fire: A Smile of Shadows

von

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Jon


 

Stranger, if you passing meet me and desire to speak to me, why should you not speak to me? And why should I not speak to you?

(Walt Whitman)

~*~

JON

 

Das Wiehern von Pferden weckte ihn bei Sonnenaufgang.

Jeder Muskel in seinem Körper fühlte sich verkrampft und steif vor Kälte an; es dauerte einen Moment, bis es ihm gelungen war, die Müdigkeit weit genug abzuschütteln. Seine Kleider und Stiefel überzuziehen schien länger zu dauern als üblich; Sam war bereits unten.

Es war eine Gruppe von fast zwei Dutzend Männern, alle ins Schwarz der Nachtwache gekleidet, die meisten von ihnen zu Pferd. Ihre Gesichter waren gerötet von der Kälte und offenbar waren sie bereits seit einer Weile unterwegs gewesen; Schnee hing in ihren Mänteln und den Mähnen ihrer Tiere.

Ihr Anführer war ein Mann, dessen Alter Jon unmöglich hätte schätzen können mit scharfen grauen Augen und kurz geschnittenem schwarzen Haar. Unter dem schweren Pelzmantel zeichnete sich ein überraschend drahtiger Körperbau ab, als er mit Schwung aus dem Sattel glitt und Sam die Zügel zuwarf, der Mühe hatte, sie aufzufangen.

„Brandon Sand“, stellte er sich vor und klopfte seinem Pferd dabei flüchtig auf den Hals; die Flanken des massigen Tieres bebten leicht und Dampf stieg von seinen Nüstern auf. „Erster Grenzer der Ostwacht, wir sind die Verstärkung. Wo ist euer Lordkommandant, oder wer auch immer ihn jetzt ersetzt?“

„Ich war sein Kämmerer“, antwortete Jon in einem ersten Reflex, immer noch ein wenig verdutzt darüber, dass Brandon anscheinend schon beschlossen hatte, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, „Jon Schnee.“

Erst dann wurde ihm klar, dass er vermutlich nicht in der Position war, hier irgendwelche offiziellen Angelegenheiten zu übernehmen.

„Ihr sprecht wohl besser mit Maester Aemon“, merkte Sam reichlich verschüchtert an, „Er ist oben bei den Raben, äh – ich hol‘ ihn.“

Er stapfte davon, während Brandon Jon unter einer halb hochgezogenen Augenbraue von Kopf bis Fuß musterte und zwei Jungen sich um die Pferde kümmerten.

„Jon Schnee von Winterfell? Ned Starks Bastard?“

Flüchtig presste Jon die Lippen zusammen. „Ja“, antwortet er knapp.

Brandon verengte die Augen kaum merklich, vielleicht auch gegen den beißenden Wind. Etwas an seinem Gesichtsausdruck war seltsam, wie Jon feststellte, nur für Sekundenbruchteile, dann war es auch schon wieder verschwunden, bevor er es richtig greifen konnte.

Sam kam die Treppe wieder heruntergestolpert, gefolgt von Maester Aemon, der ihm ein wenig langsamer folgte, um sich  der Neuankömmlinge anzunehmen, und dennoch spürte Jon Brandons Blick auf sich ruhen, als er sich umdrehte und sich auf den Weg zurück zu den Quartieren machte; Sam hastete neben ihm her.

„Von der Ostwacht“, sagte er, „Das ist gut, oder? Wegen der Wildlinge dann…“

„Ja, dann sind wir immerhin fünfzig gegen ein paar tausend Wildlinge“, murmelte Jon, während ihm die Erleichterung vermutlich ins Gesicht geschrieben war.

Jon.

Sams letzten Satz hatte er nicht mitbekommen; er blieb stehen und drehte sich zu ihm um. „Was denn?“

Sein Freund wirkte seltsam angespannt und nervös, oder eher, noch nervöser als sonst. So hatte er ihn nur selten erlebt; Jons Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Oh, bitte nicht.

„Es geht um deinen Bruder“, sagte Sam und bestätigte damit seine Befürchtung, „Vorhin kam ein Rabe, und… es gab einen Hinterhalt bei den Zwillingen, Walder Frey hat…“

„Lebt Robb?“, fragte Jon scharf und Sam zuckte kaum merklich zusammen, bevor er rasch nickte.

„Ja, ja, er – er lebt. Aber…“ Nervös zog er die Augenbrauen zusammen. „Er wurde gefangen genommen, zusammen mit… zusammen mit seiner Mutter, und, ehm – seiner Schwester, sagen sie.“

Jon blieb der Mund halb offen stehen.

„Schwester?“

„Äh, ja“, antwortete Sam, offenbar froh, ganz passable Neuigkeiten überbringen zu können, „Arya – das war doch die jüngere, richtig, du hast gesagt…“

Für ein paar Sekunden klopfte sein Herz ein wenig schneller – Arya lebt, sie ist nicht als Geisel in King’s Landing – doch dann sickerte die volle Wucht von Sams Neuigkeiten zu ihm durch.

„Gefangen?“, wiederholte er wie betäubt, „Was heißt das, was passiert mit ihnen?“

Natürlich war das eine dumme Frage, die er sich eigentlich selbst beantworten konnte.

„Sie bringen sie nach Königsmund“, sagte Sam und sah dabei so schuldbewusst drein, als habe er das höchstpersönlich zu verantworten, „Robb Stark und seine Mutter, meine ich – wegen seines Verrats…“

Nach Königsmund. Flüchtig fuhr Jon sich mit der flachen Hand über das Gesicht, um einen einigermaßen klaren Kopf zu bewahren. Wegen seines Verrats… Sie würden ihn hinrichten.

„Und Arya…?“

Sam presste flüchtig die Lippen zusammen.

„Es heißt, sie soll einen der Freys heiraten“, sagte er leise.

Jon starrte ihn an wie vom Donner gerührt. „Wie bitte? Sie ist elf!“

Er biss die Zähne zusammen und ließ seinen Blick wahllos ringsum gleiten, ohne die geringste Ahnung, was er tun sollte.

Sie ist elf und die wollen Robb hinrichten…

Für Sekundenbruchteile tauchten schreckliche Bilder in seinem Kopf auf; Robb, geschlagen und blutig vor einer johlenden Menge, sein Kopf auf einer Lanze am Stadttor, direkt neben dem von Lady Catelyn, Arya in einem viel zu großen weißen Kleid, die grauen Augen voller Angst…

Sams Berührung an seinem Arm riss ihn zurück in die Gegenwart; er starrte ihn an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Geist kam auf leisen Pfoten die Treppe hochgeschlichen und drückte den Kopf gegen seine Hand, als spürte er, dass sein Herr Unterstützung gebrauchen konnte.

„Jon“, sagte Sam leise, „Es tut mir leid…“

„Ich weiß“, antwortete er heiser und mit einer Stimme, die er kaum als seine erkannte, „Hör mal, könntest du… gib mir einen Moment, ja?“

Sam warf ihm einen weiteren besorgten Blick zu, wandte sich dann jedoch folgsam ab und machte sich auf den Weg, um Maester Aemon zu helfen. Jon ließ sich mit dem Rücken gegen die grobe Holzwand sinken und schloss die Augen für einen Moment. Geist winselte leise und rollte sich neben ihm ein; Jon presste die Lippen zusammen und vergrub seine Hände im weißen Fell des Wolfes.

Arya und Robb…

„Ärger?“

Er blinzelte hoch zu Brandon, der ihn unter hochgezogenen Augenbrauen musterte, bevor sein Blick zu Geist weiterwanderte.

„Was ist das?“, fragte er mit unüberhörbarer Faszination.

„Ein Schattenwolf“, antwortete Jon düster. Verdammt, hatte er nicht einfach nur eine Minute für sich haben wollen?

Brandon verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und musterte ihn flüchtig.

„Was ist passiert?“, fragte er dann und seine Stimme war schlagartig ernst.

Jon ließ den Hinterkopf gegen die Wand sinken. Für einen Moment lang schweifte sein Blick wahllos über den grauen Himmel.

„Mein Bruder wurde bei den Zwillingen gefangen genommen und meine Schwester soll einen der Freys heiraten“, antwortete er müde. Seine Worte besaßen eine seltsame Endgültigkeit, als er es aussprach. „Sie werden ihn in Königsmund hinrichten lassen und Arya ist erst elf.“

Erneut regte sich etwas seltsames in Brandons Gesicht, nur für Sekundenbruchteile; Jon verengte die Augen kaum merklich, sagte jedoch nichts.

„Verstehe“, antwortete Brandon schließlich, vielleicht ein bisschen zu gelassen, „Das tut mir leid…“

Geist regte sich und stand auf, um argwöhnisch an Brandons Umhang zu schnüffeln; Brandon warf dem Wolf einen flüchtigen Blick zu, regte sich jedoch nicht. Jon kam nicht umhin, ihm eine gewisse Kaltblütigkeit zu unterstellen; Geists Kopf ragte ihm immerhin fast bis zur Brust und normalerweise wichen die Leute zumindest zurück…

Unten im Hof war Lärm zu hören und rasch erhob er sich; Geist stellte wachsam die Ohren auf, als Brandon sich umdrehte, um über die Brüstung zu spähen.

Eine kleinere Gruppe Grenzer war gerade von ihrer Patrouille zurückgekehrt. Es waren wenige – sie hatten ja kaum noch welche, die sie entbehren konnten – und Jon war sich recht sicher, dass es auch einige mehr gewesen waren, als sie aufgebrochen waren; einige wiesen üble Kratzer und Schnittwunden auf, und soweit er das erkennen konnte, hatte mindestens einer Schwierigkeiten, sich gerade auf seinem Pferd zu halten, was vermutlich den zwei abgebrochenen Pfeilen in seiner Schulter geschuldet war. Unweigerlich begannen die Narben auf Jons Rücken unter dem Pelzmantel zu jucken.

Langsam folgte er Brandon die Treppe wieder hinunter, und das ungute Gefühl in seinem Magen wurde deutlich verstärkt, als sein Blick auf eine kleine Gestalt in der Mitte der Grenzer fiel, deren roter Haarschopf deutlich unter der fellbesetzten Kapuze zu erkennen war.



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