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Ein unerträglicher, nicht enden wollender Schmerz

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass ich dermaßen in meinem kleinen Naruto-FF-Universum verhaftet bin, dass meine Geschichten zum Teil zusammenhängen (der "Vorgänger" dieser FF ist z.B. unter dem Titel "Team Minato Mino-One-Shots" zu finden; Kapitel: "Team 4"). Dadurch besteht aber keine Notwendigkeit, die anderen zu lesen. Man versteht es im Prinzip auch so, denke ich. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein bisschen Spoiler-Alarm wegen Rin, wobei ich so vage bleibe, dass nicht wirklich viel gespoilert wird. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Zuallererst einmal möchte ich mich für die lange Unterbrechung entschuldigen.
Und dann möchte ich mich fürs YUAL bedanken, denn meine kleine FF hier wurde doch tatsächlich dafür vorgeschlagen und ist es auch geworden. Das hat mich gigantisch gefreut! Wer auch immer daran beteiligt war, vielen Dank. Komplett anzeigen

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There´ll be no comfort in the shade of the shadows thrown

Oft schon war Kakashi Hatake verletzt worden. Oft schon hatte er physische Schmerzen gespürt, von denen er dachte, dass sie ihn entweder in den Wahnsinn trieben, wenn sie noch länger anhielten oder dass sie vielleicht das Letzte wären, das er je spüren würde. Tatsächlich war er sogar schon einmal gestorben und dann zurückgekehrt, wohl wissend, dass in dieser Welt noch mehr Schmerzen auf ihn warteten.

Viel schlimmer als diese waren aber doch die Schmerzen, die nicht physischer Natur waren und nicht vergingen, sobald die Wunde verheilt war. Vielleicht weil es Wunden waren, die nie ganz verheilten, sondern immer irgendwo in seinem Hinterkopf waren und immer mal wieder an die Oberfläche drängten.

Von dieser Art war jeder Verlust, den er je hatte erleben müssen. Und jedes Mal hatte er dabei das Gefühl gehabt, dass es ihm das Herz zerreißen würde. Er selbst fand keine Worte, die dieses Gefühl treffender beschreiben könnten, aber das war auch egal, denn er redete sowieso niemals darüber.

Nun allerdings hatte er das Gefühl, dass alle je erlebten Schmerzen, egal welcher Art, ihn überrannten, nein, regelrecht niederrissen und erdrückten. Als würde jede Wunde, von der er gedacht hatte, dass sie auch nur ansatzweise verheilt sein könnte, wieder aufreißen und ihn mit Schmerzen überschütten. Als hätte alles, was in den letzten Jahren passiert war, jegliche Bedeutung verloren. Als würde er für jeden Schritt, den er vorwärts gemacht hatte, um das zehnfache mit Gewalt zurückgeworfen.

Kakashi Hatake war kein Mann, dem es in Kämpfen allzu oft die Sprache verschlug. Ihm hatte es nun mehr als nur die Sprache verschlagen. Seine Gedanken überschlugen sich und gleichzeitig fühlte sich sein Verstand völlig leer an. Er war nicht mehr als der lässige Stratege erkennbar, auf den man sich in jeder noch so ernsten Lage verlassen konnte. So hatte Naruto ihn noch nie erlebt und es machte dem jungen Shinobi beinahe schon Angst, seinen Lehrer so zu sehen. Irgendwo tief und verzerrt im Hintergrund hörte Kakashi auch noch, wie Naruto und Gai ihm zuriefen, ihn anschrien, sich zusammenzureißen. Ein Teil von ihm versuchte es auch, aber der Großteil von ihm war mit diesem unbeschreiblichen Schmerz beschäftigt und mit einer Flut an Bildern, welche seinen Kopf überschwemmten und seinen sonst so verlässlichen und brillanten Verstand daran hinderten, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

Denn vor ihm auf diesem Schlachtfeld, auf dem sich wahrscheinlich der vierte Ninja-Krieg entscheiden würde und welches sich langsam eher anfühlte wie das Ende der Welt, stand Obito Uchiha.

Obito Uchiha. Der ewig grinsende, viel zu optimistische und viel zu gutmütige Junge, der sein Leben gelassen hatte, um Kakashis zu retten. Genau dieser Junge stand nun als der Mann vor ihm, der versuchte, einen wahnsinnigen Plan in die Tat umzusetzen und der dafür bereits über unzählige Leichen gegangen war.

Es passte nicht zusammen.

Vielleicht, so hoffte ein verschwindend geringer Teil Kakashis, war dies nur die ultimative Steigerung all der Albträume, welche ihn schon fast zeit seines Lebens verfolgten. Eigentlich hätte dieser Teil seines Verstandes schon aufgeben müssen, als Kakashi die Ähnlichkeit zwischen seinem Kamui und der Kunst dieser gegnerischen Maskengestalt aufgefallen war. Aber wie alles an Kakashi war auch dieser kleine Teil seines Verstandes stur. Dies half ihm nun allerdings auch nicht mehr.

„Deine Kunst wirkt bei mir nicht,“ hatte die Gestalt gesagt, als er damals nach dem Aufeinandertreffen mit Sasuke sie hatte angreifen wollen. Jetzt machte es Sinn, warum das Kamui nicht gewirkt hätte. Im Moment war dies das Einzige, was noch einen Sinn ergab.

Langsam stieg ein Gedanke in seinem Verstand auf und überschattete alle anderen, die versuchten, diesen Gedanken aufzuhalten und zu entkräften. Es war ein Gedanke, der Kakashi schon ein Leben lang verfolgte und der sich nun in einer viel stärkeren, nie zuvor in der Art dagewesenen Form entfaltete:

Es war alles seine Schuld.

Nicht nur Obitos vermeintlicher Tod und dann Rins Tod. Nein, er war schuld am großen Ganzen. Hätte er damals auf der Mission anders gehandelt, hätten sie Rin eher retten können und Obito wäre nicht in dieser Höhle verschüttet worden, weil er ihm hatte helfen wollen. Wäre Obito noch da gewesen, hätte dieser Rin beschützen können und Kakashi hätte sie nicht getötet.

Kakashi zuckte zusammen, als der Gedanke zu voller Größe auswuchs und sich über seinen kompletten Verstand legte. Wäre Rin nicht durch seine Hand gestorben, wäre Obito nicht das geworden, was ihm nun hier, am Ende von allem, gegenüberstand. Wäre Obito nicht dieser wahnsinnige, skrupellose Unbekannte geworden, hätte er nicht mit dem Fuchsgeist das Dorf angegriffen und nicht Minato und Kushina getötet. Wäre all dies nicht passiert, hätte Naruto bei seinen Eltern aufwachsen können.

Kakashi hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Wäre er damals ein anderer, besserer Mensch gewesen, wären sie nun nicht hier. Dann hätte keiner von ihnen diesen realen Albtraum durchleben müssen. Dann wären sie jetzt alle zuhause.

Und warum war er damals dieser unheilvolle Mensch gewesen?

Kakashi versuchte zu atmen, obwohl ihm alles dabei entsetzlich weh tat.

Sein Vater hatte sich umgebracht, weil er darin die einzige Möglichkeit gesehen hatte, Schande von ihm, seinem Sohn, abzuwenden. Hatte es da begonnen? War es sein Vater, der all dies in Gang gesetzt hatte? Hätte er sich nicht umgebracht, wäre es dann anders gekommen? Oder blieb die Schuld doch an ihm selbst haften? Es gab niemanden in der gesamten, grausamen Welt, der ihm diese Frage hätte beantworten können.

An jedem anderen Tag, an jedem anderen Ort hätte Kakashi an dieser Stelle die Stimme Minatos in seinem Inneren gehört, die ihm sagte, dass es nicht seine Schuld war. Kakashi war davon nie überzeugt gewesen. Es war seine Fehlentscheidung und seine Hand gewesen, die für zwei der schlimmsten Dinge in seinem Leben verantwortlich waren. An jedem anderen Tag, an jedem anderen Ort aber hatte der Gedanke an Minatos Worte ihn soweit beruhigt, dass er weitermachen konnte.

Er hörte Minato nicht mehr.

Alles, woran er sich sonst gerne erinnert hatte, war weg.

Hinfort gejagt von diesem einen Moment, als Naruto die Maske zerschlagen hatte und Obito zum Vorschein gebracht hatte. Hinfort gejagt von diesem einen Satz, von dem Kakashi wusste, dass er wahr war und von dem er nicht gedacht hatte, dass er ihn jemals im wachen Zustand von Obito hören würde:

„Du hast Rin sterben lassen.“

Wenn dies wirklich das Ende war, dann sollte es ihn nun bitte schnell und endlich erlösen. Ihn von diesem schrecklichen Ort wegbringen und von diesem nicht enden wollenden Schmerz befreien.

Obito griff an und nichts, absolut nichts in Kakashi unternahm auch nur den Versuch, sich gegen das zu wehren, was nun passieren sollte.

Es war schon lange überfällig. Es war vermutlich das, was er für die Schuld, die er sich aufgeladen hatte, verdiente.

Naruto rettete ihn.

Mit einem Mal nahm Kakashi die Welt um sich herum wieder wahr und stellte mit Entsetzen fest, dass der echte Madara Uchiha ihnen nun auch noch gegenüberstand.

Es hörte einfach nicht auf.

Was hatte Obito mit Madara Uchiha zu tun? Viel wichtiger war: Was hatte dieser Obito mit dem Obito gemacht, den er gekannt hatte?

Kakashi war noch nicht am Ende angelangt. Nicht bevor er diese Frage beantwortet hatte. Nicht bevor irgendetwas in dieser grausamen Welt wieder Sinn machte.

Ein Kampf gegen Obito schien unausweichlich. Kakashi wusste wie der Kampf enden musste, um diese Welt zu retten. Er wusste, dass es in diesem Fall für keinen von ihnen ein gutes Ende geben würde.

Und er wünschte sich, er könnte an den Anfang zurückkehren.

Let´s live while we are young, while we are young

Keiner im Raum sagte etwas und Minato räusperte sich verlegen. Das verlief wirklich alles weniger wie gehofft und mehr wie befürchtet. Kakashi und Obito hatten beide ihre Arme verschränkt und lieferten sich mit grimmigem Blick ein Anstarrduell.

„Minato-sensei?“, fragte Rin, „Vielleicht sollten wir noch mal von vorn anfangen. Das eben ist vielleicht nicht so...gut gelaufen.“

Minato schloss das Mädchen sofort ins Herz. Mit wie viel Feingefühl und Vernunft sie gesprochen hatte. Nicht so stur wie...

„Sensei,“ fiel Kakashi ihm maulend in seine Gedanken. „ Ich bleibe nur, wenn er keine dummen Fragen mehr stellt.“ Kakashi deutete mit dem Kopf zu Obito.

„Hey, das war ja wohl keine blöde Frage,“ gab dieser genauso maulend zurück. „Das war 'ne ganz normale Frage. Trag die Maske einfach nicht, wenn du nicht danach gefragt werden willst.“

Kakashi zuckte zusammen. „Das... das geht aber nicht anders.“

Obito hob fragend eine Augenbraue. „Wieso geht das denn nicht anders?“

„Sensei!“ Kakashi blickte hilfesuchend zu Minato.

„Naja,“ antwortete dieser. „Du müsstest sie ja nicht tragen...“

„Doch! Auf wessen Seite stehen Sie eigentlich?“

Minato schüttelte den Kopf und seufzte. „Hier gibt es keine Seiten. Wir sind ab heute ein Team. Versuch doch bitte das zu verstehen.“

„Wir werden das jetzt einfach mal auf sich beruhen lassen,“ meldete sich Rin zu Wort. „Okay?“ Und sie lächelte das zuckersüßeste Lächeln, das die Welt je gesehen hatte.

„Okay,“ sagte Obito schnell. All sein Ärger über den neuen Kameraden verrauchte bei diesem Anblick in Nullkommanichts.

Minato sah erwartungsvoll zu Kakashi.

Dieser überlegte. „Okay,“ sagte er schließlich. Diese Rin schien einigermaßen vernünftig zu sein.

„Wie wär's,“ schlug Minato vor, „wenn wir aus diesem tristen Zimmer raus gehen und an die frische Luft gehen?“

Kurze Zeit später saßen Obito, Rin und Kakashi draußen auf einer Wiese vor dem Akademiegebäude.

„Bevor wir gemeinsam als Team losziehen werden, will ich, dass sich jeder von euch erst mal vorstellt. Damit lernt ihr euch besser kennen und verstehen und-“

„Ernsthaft?“, fragte Kakashi missmutig.

Minato seufzte innerlich. Er wusste ja, dass er mit Kakashi Geduld haben musste.

„Ja, ernsthaft.“

„Rin kenne ich doch schon.“ Obito blinzelte seinen Lehrer erstaunt an. „Na, und den da jetzt auch.“

Kakashi warf Obito daraufhin wieder einen finsteren Blick zu.

„Ich glaube, Minato-sensei meint etwas anderes,“ wandte Rin ein. Minato wurde immer dankbarer, dass er sie im Team hatte.

„Erzählt etwas über euch,“ sagte Minato und lächelte, ehe er sah, dass seine drei Schützlinge ihn nun fragend anblickten.

„Und was genau sollen wir erzählen?“, hakte Rin nach.

„Was ihr wollt. Eure Hobbys zum Beispiel. Was ihr gern habt und was nicht. Und was ihr euch für die Zukunft wünscht. So etwas.“

Jetzt blickten die drei sich untereinander fragend an und zumindest zwei von ihnen überlegten.

„Na, okay!“, rief Obito plötzlich enthusiastisch aus. „Ich fang an! Mein Name ist Obito Uchiha.“ Er machte eine bedeutungsvolle Pause. „Ja, Uchiha, denn ich gehöre zum berühmt-berüchtigten Uchiha-Clan.“ Stolz deutete Obito mit dem Daumen auf seine Brust und schluckte schnell die Enttäuschung darüber hinunter, dass niemand wirklich beeindruckt aussah. Rin und Minato sahen eher amüsiert aus und Kakashi rollte mit den Augen.

„Meine Hobbys...,“ fuhr er fort, ohne sich seine Enttäuschung groß anmerken zu lassen, „ich mach vieles gern, da weiß ich gar nicht, was ich sagen soll. Oh, aber ich liebe Süßigkeiten! Und gar nicht mag ich...“ Sein Blick wanderte zu Kakashi. „Arrogante Typen.“

Kakashi schnaubte.

„Wie sieht´s aus mit Wünschen für die Zukunft?“, fragte Minato hastig nach, ehe Kakashi Gelegenheit hatte, sich wieder aufzuregen.

„Öhm, hmm...“ Obito überlegte kurz und grinste dann über sein ganzes Gesicht. „Vielleicht würde ich einen prima Hokage abgeben.“

„Du?!“, entfuhr es Kakashi.

„Was dagegen?“

„Wieso in aller Welt glaubst du, wärst du zum Hokage geeignet?“

„Wieso denn nicht?“

„Wie viel Zeit hast du denn? Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll!“

„Du hältst dich wohl für besonders schlau, was?!“

Obito wurde es echt langsam zu bunt mit dem Kerl. Was fiel dem ein, ihn vor Rin schlecht zu machen?

„Hey Jungs!“, rief Rin dazwischen und beide wurden still.

„Wenn Obito Hokage werden will, dann ist das in Ordnung, verstanden?“

Obito schwebte auf Wolke sieben. Rin trat für ihn ein!

„Das ist ein toller Wunsch, Obito,“ fügte Rin hinzu und Obito war sich sicher, er würde vor Glück gleich abheben.

Minato machte sich gedanklich eine Notiz, demjenigen, der Rin seiner Gruppe zugeteilt hatte, ein Geschenk zum Dank zu schicken. „Rin, willst du weitermachen?“

„Oh, okay,“ sagte Rin überrascht und lächelte nach einer kurzen Überlegung. „Mal sehen. Mein Name ist Rin Nohara und ich sammele gerne Sachen. Ich mag es, mich um andere zu kümmern und ich glaube, es gibt nichts, was ich nicht mag.“ Mit sehr viel Bescheidenheit in der Stimme fügte sie hinzu: „Ich hoffe, ich werde eines Tages ein richtig guter Medizin-Ninja.“

Minato nickte erfreut. „Das ist großartig, Rin.“

„Ja, du wirst die beste Ärztin der Welt werden, Rin!“, pflichtete Obito ihm energisch bei.

Rin errötete und lächelte verlegen.

„Das,“ sagte Kakashi und konnte den Seitenhieb auf Obito nicht unterlassen, „ist wenigstens ein vernünftiges Ziel. Du machst sogar den Eindruck, so etwas schaffen zu können.“

Darauf wurde Rins Gesicht rot wie die untergehende Sonne. „D-danke.“

Obito schnaubte.

Nun sah Minato zu Kakashi. Jetzt wurde es spannend.

„Du bist dran, Kakashi.“

Dieser sah ihn erstaunt an. „Wirklich, Sensei?“ Bis gerade hatte er noch gehofft, um diese lächerliche Sache drumherum zu kommen.

„Bitte.“

Missmutig blickte Kakashi von seinem Lehrer zu seinen neuen Kameraden. Rin lächelte ihn an und Obito wartete gespannt und skeptisch zugleich darauf, was er nun sagen würde.

„Na schön,“ sagte Kakashi schließlich zögerlich. „Mein Name ist Kakashi Hatake. Ich...“ Er wandte seinen Blick von den anderen ab und haderte sichtlich mit sich selbst. „Ich...hab sonst nichts über mich zu sagen.“

Rin und Obito tauschten erstaunte Blicke aus und Obito zuckte mit den Schultern. Er hatte auch keine Ahnung, was diese komische Äußerung sollte. Gerade, und das musste er zugeben, hatte Kakashi nicht einmal arrogant, sondern irgendwie geknickt gewirkt.

„Sonst gar nichts?“, hakte Minato enttäuscht klingend nach, doch er erhielt nur Schweigen als Antwort. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, Kakashi zu drängen, also ließ er es schweren Herzens gut sein.

„In Ordnung, dann treffen wir uns morgen zu unserer ersten Mission. Seid bitte pünktlich.“

„Werden wir!“, rief Obito energisch und salutierte dabei so schwungvoll, dass er sich selbst gegen den Kopf haute. Minato und Rin lachten daraufhin, während Obito sich beschämt grinsend am Kopf rieb. Angesichts des amüsanten Bildes, das Obito abgab, verkniff sich selbst Kakashi einen bissigen Kommentar.

Danach erklärte Minato ihnen, wann und wo sie sich am nächsten Tag einfinden sollten und verabschiedete sich.

„Hey Rin,“ sagte Obito direkt nachdem Minato gegangen war, „hast du nicht noch Lust auf ein paar Dangos?“

„Ja, gerne,“ antwortete Rin und deutete sogleich mit dem Kopf zu Kakashi, der sich bereits von ihnen abgewandt hatte und sich wortlos auf den Heimweg machen wollte.

Obito wusste, worauf sie hinaus wollte. Das wollte er allerdings ganz und gar nicht. Rins Blick wurde nachdrücklicher und er erwiderte mit einem Gesichtsausdruck, der ausdrücken sollte: Muss das sein sein?

„Frag ihn. Bitte,“ flüsterte Rin und wenn sie ihn um etwas bat, dann konnte er einfach nicht nein sagen.

„Hey,“ Obito räusperte sich, „Kakashi.“

Der Angesprochene blieb überrascht stehen und drehte sich noch einmal um. „Hm?“

„Willst du...mitkommen?“ Die Begeisterung in Obitos Stimme hielt sich in Grenzen.

„Warum?“

Obito stutzte. War das nicht offensichtlich?

„Weil wir jetzt ein Team sind.“

Kakashis Blick drückte ein eindeutiges „Na und?“ aus, er antwortete aber schlicht: „Nein.“

Auch wenn Obito ihn eigentlich gar nicht hatte mitnehmen wollen, nahm er ihm diese Antwort nun übel. „Du hältst doch wohl für zu gut, um dich mit uns abzugeben, was?“

„Vielleicht,“ Rin sprang schnell wortwörtlich zwischen die beiden und sah zu Kakashi. „Vielleicht, ein anderes Mal, ja?“

Kakashi reagierte darauf nicht und sagte lediglich „Bis morgen.“ Dann ging er.

Obito knirschte mit den Zähnen. „Warum bist du immer noch so nett zu dem?“

„Obito, bitte.“ Sie sah ihn eindringlich an. „Er gehört jetzt zu uns. Versuch es wenigstens.“

Mit einem großen Seufzer lenkte er ein. „Ich werd´s versuchen.“

Rin lächelte und das war es ihm wert gewesen. „Danke!“, rief sie erfreut aus.

Gedanklich fügte Obito allerdings einen Punkt hinzu: Er würde es nur ihretwegen versuchen. Für den liebenswertesten Menschen auf der ganzen weiten Welt.

Love the one you hold

Rin Nohara hatte, seit sie sich erinnern konnte, einen besten Freund. Und immer, wenn sie daran dachte, wie sie Freunde geworden waren, musste sie lächeln. Sie war noch sehr, sehr klein gewesen und hatte draußen vor dem Haus ihrer Eltern gespielt, als plötzlich ein weinender Junge vor ihr stand. Er war mit seiner Mutter im Dorfzentrum gewesen, presste er zwischen all seinen großen Schluchzern heraus und hatte dabei eine der wichtigsten Eltern-Regeln nicht beachtet: Geh bloß nicht zu weit weg. Aber irgendetwas hatte seine Aufmerksamkeit gewonnen und bevor er wusste, was passiert war, hatte er seine Mutter aus den Augen verloren und sich verlaufen. Rin war wahrscheinlich das verantwortungsvollste und empathischste kleine Mädchen der Welt, denn sie beruhigte ihn und versprach ihm ihre Hilfe. Sie lachte sogar, als der Junge in ihr ordentliches, rosafarbenes und mit Blumenmuster besticktes Taschentuch schnäuzte, welches sie ihm gegeben hatte, damit er sich die Tränen aus dem Gesicht wischen konnte. Daraufhin schleppte sie ihn zu ihrer Mutter, erklärte ihr, was geschehen war und mit einem kurzen Blick auf das Fächersymbol auf der Rückseite seines Hemdes war die Sache für Rins Mutter schon klar: „Ach, du bist ein Uchiha? Moment, bist du nicht der Kleine, von dem sie sagen, dass er ständig verloren geht? Obito, oder so?“

Als sie älter wurden, leugnete Obito, dass er sich jemals so oft verlaufen habe. Gut, vielleicht war dies das ein oder andere Mal schon vorgekommen, aber so etwas Blödes würde ihm heute nicht mehr passieren. Er wäre ja nicht vollkommen dämlich. Meistens fiel er nach solchen Aussagen irgendwo herunter, lief irgendwo gegen oder stolperte über etwas. Rin war immer da gewesen, hatte ihm aufgeholfen und ihn zu mehr Vorsicht ermahnt. Obito kratzte sich daraufhin stets verlegen am Hinterkopf und lachte.

Irgendwann, als sie bereits auf der Akademie waren, fasste Obito zwei Entschlüsse: Erstens wollte er versuchen, vor Rin nicht ständig wie ein Idiot dazustehen und zweitens würde er sie irgendwann heiraten. Ja, sicher, für Letzteres gab es noch ein paar Zwischenschritte, die er zu beachten hatte, aber letztlich zählte nur, dass er sie glücklich machen und beschützen wollte. So wie sie es immer für ihn tat.

Obito hatte nicht eingeplant gehabt, dass ihm dabei eine Störung dazwischen kommen könnte. Die Störung stand aber eines Tages plötzlich vor ihm, hatte silbergraues Haar, trug eine Maske über Nase und Mund und war bestimmt drei, wenn nicht sogar vier, Zentimeter kleiner als er. Obito fand keine Erklärung dafür, warum Rin ihn so mochte. Er war arrogant, besserwisserisch, unfreundlich, stur, ganz und gar humorlos, so sympathisch wie ein Stromausfall und... hatte er arrogant schon gehabt? Ja, vielleicht war Kakashi ein besserer Shinobi als er. Noch.

Der Großteil der Zeit, die sie als Team unter der Führung von Minato Namikaze verbrachten, bestand daraus, dass einer der beiden etwas sagte oder machte und der andere daraufhin explodierte. Vielleicht wurde die Situation nur schlimmer, nachdem Obito beschlossen hatte, Kakashi so schnell wie möglich zu übertreffen. Ganz sicher war, dass Minato auf verlorenem Posten gestanden hätte, wenn er sich mit diesen beiden besonderen Jungen alleine hätte herumschlagen müssen. Aber er hatte ja seine Wunderwaffe, welche die beiden in den meisten Fällen wieder beschwichtigen konnte. Minato hätte zu gerne gewusst, wie Rin dies immer anstellte.

Rin fand die beiden ohne Frage anstrengend, aber sie wollte keinen von ihnen missen. Sie wollte gar nicht daran denken, dass einem ihrer Jungs etwas passieren könnte. Und auch, wenn sie sich manchmal mehr Sorgen um den übermütigen Tollpatsch Obito machte, war sie auch stets besorgt, was das unnahbare Genie Kakashi anbelangte. Kakashi war stark, überaus intelligent und konnte sicher auf sich alleine aufpassen, aber auf seine eigene Art war auch er übermütig. Es war als wollte er der Welt etwas beweisen und dies beunruhigte Rin. Dies und das Gefühl, dass Kakashi etwas Trauriges umgab. Als spürte sie in ihm eine verletzte Seele. Und sie war eine Heilerin. Mit der Aufmerksamkeit, die sie ihm schenkte, kam noch etwas anderes auf: Sie verliebte sich in ihn.

Sie hatte nicht vor, ihm das allzu bald zu sagen. Rin wusste, dass er dies noch nicht erwidern würde. Und bis der richtige Zeitpunkt gekommen war, würde sie ihm ihre Gefühle einfach auf subtilere Art mitteilen. Bis zu diesem Zeitpunkt würde sie auch daran arbeiten, dass Obito sich besser mit Kakashi verstand. Obito war ihr bester Freund und es war ihr sehr wichtig, dass er auch Freundschaft mit Kakashi schloss.

Als Rin ihren besten Freund zerquetscht unter einem riesigen Felsen erblickte, wusste sie, dass dieser Zeitpunkt niemals kommen würde. Dass es nie wieder einen Zeitpunkt geben würde, an dem ihr bester Freund an ihrer Seite sein würde. Und sie kam sich so schrecklich nutzlos vor, selbst während sie Obitos letzten Wunsch erfüllte und Kakashi sein Auge gab.

Eine Welt ohne Obito war leer, düster und kalt. Wochenlang weinte sie und hoffte darauf, dass alles nur ein schlimmer Traum gewesen war und Obito jede Sekunde mit einer breiten Grinsen im Gesicht vor ihr auftauchen würde. Das Bewusstsein darüber, dass dies nicht geschehen würde, trieb ihr von neuem die Tränen in die Augen. Doch dann, als sie wieder einmal das Foto ihres Teams betrachtete, kam es plötzlich über sie.

Obito würde dies nicht wollen.

Er würde nicht wollen, dass sie alleine in ihrem Zimmer saß und in Depressionen versank. Obito würde nicht einmal wollen, dass Kakashi dies tat. Sie wusste, dass es diesem noch viel schlimmer ging als ihr. Daher sprang sie plötzlich auf, rannte aus ihrem Zimmer und lief, als würde sie um ihr Leben laufen, zu Kakashi. Dieser wusste nicht, wie ihm geschah, als er die Tür öffnete und Rin ihm um den Hals fiel. Sie klammerte sich regelrecht an ihn, so als könnte einer von ihnen fallen, wenn sie losließe.

„Ich weiß noch nicht wie,“ sagte sie, während sie versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten, „aber wir werden das schaffen. Irgendwie werden wir das zusammen schaffen.“

Kakashi antwortete ihr nicht. Er blieb wortlos in Rins fester Umarmung stehen, während ihm Tränen die Wangen hinab liefen. Dann, ganz langsam und zögerlich, erwiderte er ihre Umarmung.

Er hatte Obito sein Wort gegeben. Er würde Rin beschützen.

Egal, um welchen Preis.

But do not ask the price I paid

Es war die schlimmste Sünde von allen gewesen.

Kakashi hatte schon davor viele Menschen umgebracht. Und danach folgten so unzählig viele weitere, dass etliche Leute sich wunderten, wie er damit umgehen konnte. Natürlich gehörte das Töten irgendwie zu einem Shinobi-Dasein dazu. Aber auch unter Ninjas gab es gute, schlechte und grausame Menschen. Vielleicht, überlegten diese vielen Leute mal mehr, mal weniger laut, gehörte Kakashi zu den Letzteren.

Kakashi selbst war es ziemlich egal, was die anderen sagten. Selbstverständlich bekam er es mit, aber es kümmerte ihn nicht sonderlich. Er wusste, wie grausam, schlecht und abscheulich er war. Seit es passiert war, verging kein Tag, an dem er nicht daran dachte und von Tag zu Tag hasste er sich selbst mehr und mehr.

Wenn er nur das Versprechen, welches er dem sterbenden Obito gegeben hatte, gebrochen hätte, wäre es dann weniger schlimm gewesen? Wäre das Ergebnis nicht das gleiche gewesen?

Nein.

Es ging nicht nur darum, dass er Rin nicht hatte beschützen können, es ging auch um die Art wie Rin gestorben war. Oder vielmehr, durch wessen Hand.
 

Immer wieder sah Kakashi alles vor sich. Wie sie von den feindlichen Ninjas umringt wurden und wie in Rin langsam der Gedanke aufkam, dass es für sie nur noch einen Ausweg gab.

Er hatte es nicht hören wollen. Er hatte nichts davon hören wollen. Sie mussten es nur heil hier wegschaffen, dann würden sie eine Lösung finden. Minato würde eine Lösung finden, er fand immer eine! Kakashi war in Panik verfallen. Eigentlich hatte er zu diesem Zeitpunkt das Versprechen schon nicht mehr eingehalten. Hätte er Rin vorher besser beschützt, wäre dies nicht passiert.

Zögerlich und voller Resignation schüttelte Rin den Kopf. „Du musst mich töten, bevor wir auch nur in die Nähe des Dorfes kommen. Bitte, Kakashi!“

„Sei still! Wir müssen hier weg, dann wird uns etwas einfallen!“ Hastig versuchte Kakashi die feindlichen Shinobi, die abwartend um sie herum standen, zu zählen. Wie viele waren es? Würde er diese überhaupt alle schaffen, ehe sein Chakra zur Neige ging? Er musste Rin einfach beschützen, er musste!

Rin kämpfte mit den Tränen. Selbst wenn Kakashi das tat, was sie verlangte, was würde dann aus ihm werden? Bei all seiner Stärke und seinem Talent würde er es trotzdem schwer haben, gegen so viele Gegner zu bestehen. Und selbst wenn er dies schaffte, wer würde sich dann um ihn kümmern? Gewiss wollte sie nicht sterben. Sie wollte zusammen mit Kakashi nach Hause zurückkehren. Ihm noch so viel sagen. Aber es gab keine andere Möglichkeit.

Die Tränen liefen ihre Wangen hinunter. Immerhin, und an diesen Gedanken klammerte sie sich nun, wartete Obito auf sie.

„Ich habe es versprochen,“ sagte Kakashi plötzlich. „Ich habe ihm versprochen, dich zu beschützen. Und das werde ich tun.“

Rin sah in sein entschlossen dreinblickendes Gesicht. Er verstand nicht. Von jetzt an lag es an ihr.

Kakashi formte die Fingerzeichen für sein Chidori und visierte die nun in Alarmbereitschaft versetzten feindlichen Shinobi im Hintergrund an. Rin hatte Angst vor dem, was nun kommen würde. Hoffentlich würde wenigstens Kakashi es bis nach Hause schaffen. Ihr Körper setzte sich in Bewegung und noch bevor Kakashis Hand ihren Brustkorb durchbohrte, dachte sie an das, was sie ihm schon immer hatte sagen wollen: „Ich liebe dich.“

Doch alles, was Sie in ihrem letzten Moment noch herausbringen konnte, war lediglich sein Name.

„Ka...kashi.“

Und sie sah noch seinen entsetzten Blick und wie seine Augen sich mit Tränen füllten, während ein entsetzlicher Schmerz durch ihren Körper und ihren Geist jagte.

In dem Augenblick, in dem Rin sich in seinen Angriff geworfen hatte, hörte Kakashis Verstand auf zu arbeiten. Er sah in ihr erschrockenes, schmerzverzerrtes Gesicht und hörte, wie sie als letztes, was sie je sagen würde, seinen Namen aussprach.

Die umstehenden Shinobi begannen zu fluchen, doch Kakashi hörte sie nicht. Alles, was er noch hörte, war das unerbittliche elektrische Zwitschern seines Chidoris. Ebenso wenig spürte er irgendetwas von dem eiskalten Regen, der unaufhörlich auf ihn niederprasselte. Alles, was übrig war, war eine grenzenlose Verzweiflung, die in Verachtung umschlug. Verachtung für eine Welt, in der Rin nicht mehr lebte, und Verachtung für ihn selbst, der Schuld daran war.

Während er seinen Arm zurückzog, hallte in fortdauernder Wiederholung Obitos Stimme in Kakashis Kopf wider: „Beschütz Rin bitte.“
 

Er hatte eine einzige Aufgabe in seinem Leben gehabt. Und er hatte sie nicht erfüllen können. Stattdessen hatte er sich noch mehr Schuld aufgeladen. Er war dafür verantwortlich, aber niemand zog ihn zur Verantwortung.

Schlimmer noch.

Nachdem Minato erfahren hatte, was geschehen war, wollte er ihn sogar trösten.

Kakashi verstand die Welt nicht mehr. Für jemanden wie ihn konnte man doch keinen Trost übrig haben.

„Es war nicht deine Schuld,“ wiederholte Minato immer und immer wieder und klang dabei von Mal zu Mal verzweifelter. Er hatte Angst vor dem, was in Kakashi vorgehen könnte. Panische Angst davor, seinen ersten und letzten Schüler zu verlieren. Auf welche Weise auch immer. Und Minato versuchte alles, was ihm einfiel, um ihn zu retten. Er sagte ihm immer wieder, dass es nicht Kakashis Schuld war, nichts davon. Zuerst blockte Kakashi alles davon ab. Es sprachen sowieso alle anderen viel leiser als die Stimmen von Obito und Rin, die er in seinem Kopf so laut hörte, dass sie es unmöglich machten, an etwas anderes zu denken. Wenn niemand anderes ihn zur Verantwortung zog, musste er dies eben selbst tun. Er wusste, was er zu tun hatte.

Doch er konnte nicht.

Zitternd legte er das Schwert wieder aus den Händen und brach, aus Verzweiflung über seine Unfähigkeit, nicht einmal dies hinzubekommen, weinend auf dem Boden seiner kleinen dunklen Wohnung zusammen.

Von da an dachte er lange darüber nach, welche Möglichkeiten ihm sonst noch blieben. Wenn er selbst es nicht beenden konnte, musste er einen Weg finden, wie jemand anderes dies für ihn erledigen konnte. Und solange er darauf wartete, würde er sich wenigstens als nützlich für das Dorf erweisen.

Minato protestierte, aber das war Kakashi egal. Es war ihm so vieles egal geworden. Wichtig war, dass er sich jeden Tag vor Augen führte, was er verbrochen hatte. Und so war es nicht verwunderlich, dass er gleich nachdem er seine Anbu-Uniform abgeholt hatte, zuerst zu Rin ging und ihr von seiner neuen Aufgabe erzählte. Nachdem er die Blumen an ihrem Grab ausgewechselt hatte, besuchte er Obito und erzählte es auch ihm. Und wie jedes Mal, wenn er dort war, drängte sich Kakashi ein Gedanke auf: Was wäre geschehen, wenn Obito nicht unter diesem Felsen zerquetscht worden wäre? Was würde er sagen, was würde er tun? Würde Obito ihm verzeihen? Wie sähe eine Welt aus, in der Obito noch leben würde?
 

But do not ask the price I paid

I must live with my quiet rage

Tame the ghosts in my head

That run wild and wish me dead

Should you shake my ash to the wind

Lord, forget all of my sins

Or let me die where I lie

´Neath the curse of my lover´s eyes

In the dark I have no name

Obito Uchiha hatte immer angenommen, dass man, kurz bevor man starb, sein Leben noch einmal vor dem inneren Auge an sich vorbeiziehen sähe. Warum er dies immer angenommen hatte, wusste er selbst nicht so genau. Vielleicht hatte er es von anderen gehört, vielleicht hatte er tatsächlich einmal etwas darüber gelesen. Wie es auch gewesen war, nie, wirklich nie, hatte Obito dabei daran gedacht, dass er so jung und auf diese Weise sterben würde.

Eventuell, so dachte Obito, war sein frühes Ableben der Grund dafür, dass er sein Leben nicht an sich vorbeiziehen sah? Weil er einfach noch nicht viel erlebt hatte? Es stimmte auch nicht ganz, dass er währenddessen nichts sah oder an niemanden dachte. Nein, seine Gedanken waren bei drei Menschen und bei zwei von ihnen ganz besonders. Es waren die drei Menschen, mit denen er so viel Zeit verbracht hatte und mit denen er noch so viel Zeit hatte verbringen wollen. Minato war sein Lehrer, und nicht einfach nur das, er hatte ihn trainiert und motiviert, obwohl so viele andere gesagt hatten, dass er ein hoffnungsloser Fall wäre. Es war also nicht verwunderlich, dass Obito nun auch an ihn dachte.

Wer hätte allerdings angenommen, dass er in diesen Momenten, die eindeutig seine letzten waren, ausgerechnet auch an Kakashi denken musste? Er sicher nicht.

Es war Ironie, eine bittere Ironie, aber nichtsdestotrotz hatte es etwas Komisches an sich. Ein (wie er selbst bemerken musste, kurzes) Leben lang hatten Obito und Kakashi sich gestritten, beschimpft, gerauft und hin und wieder tatsächlich gehasst. Minato und Rin hatten immer wieder alles versucht, um die beiden dazu zu bringen, sich zu vertragen, doch es war stets ergebnislos geblieben. Letzten Endes hatte es einen ganzen Krieg gebraucht, um aus Feinden Freunde zu machen.

Obito konnte das Gefühl nicht beschreiben, dass er gehabt hatte, als er mit Kakashi zusammen gekämpft hatte und sie Rin hatten befreien können. Es war ein überragendes Gefühl gewesen. Und für einen Augenblick machte es Obito unendlich traurig, dass es ein einmaliges Gefühl bleiben würde. Er war sich sicher, dass sie nun Freunde geworden wären (natürlich mit einem gelegentlichen Streit, denn irgendwie gehörte dies zu ihnen dazu), jetzt, da sie endlich auf einer Wellenlänge angekommen waren und da Obito damit begonnen hatte, Kakashi zu verstehen.

Aber Obito würde nicht mit ihnen zusammen nach Konoha zurückkehren. Ihre Wege wurden an diesem Punkt gewaltsam getrennt und während er hier allein unter diesen Felsen zurückblieb, hoffte er, dass seine beiden Kameraden es zurück nach Hause schaffen würden. Er war mächtig stolz auf seinen Einfall mit dem Auge (besonders, da es nicht einmal etwas war, worüber er lange nachgedacht hatte, denn Denken war nicht so seine Stärke). Das Sharingan war bei Kakashi sicher mehr als gut aufgehoben, er würde herausfinden, wie es sinnvoll einzusetzen war. Warum sonst nannte man ihn ein Genie? Das Denken sollte Kakashis Stärke sein, wenn es auch das Fühlen definitiv nicht war. Viel wichtiger war, dass er damit Rin beschützen konnte.

Rin.

Der wichtigste Mensch auf Erden. Der Mensch, an den Obito nun am stärksten denken musste. So gerne hätte er sie in diesem Moment noch einmal gesehen, da dies aber nicht ging, reichte es ihm auch, dass sie seine Hand hielt. Er wollte nicht, dass sie um ihn weinte, denn niemals wollte er der Grund sein, warum Rin traurig war. Obwohl sein Herz langsam seinen Dienst versagte, ließ sie es noch einmal schneller schlagen. Sie hatten Rin gerettet. Das war alles, was zählte. Und Kakashi würde sie sicher nach Hause bringen. Darauf musste und konnte er sich verlassen. Solange es Rin gut ging, war alles andere egal. Rin war nicht nur der wichtigste Mensch auf dieser Welt. Sie war seine Welt. Sie war das Licht, das Leben erst ermöglichte. Ohne Licht kein Leben.

Vielleicht war es Einbildung, oder vielleicht ein Zeichen dafür, dass es zu Ende ging, aber der Gedanke an sie machte seine Schmerzen erträglicher. Als erneut Gefahr drohte, ließ er ihre Hand ohne zu überlegen los. Diese Welt brauchte das Licht und er hatte es Kakashi anvertraut. Kakashi würde sie beschützen. Er hatte es versprochen.

Als die Felsen Obito vollständig unter sich begruben, konnte er nur daran denken, wie gerne er Rin noch gesagt hätte, dass er sie liebte.

Mehr als alles andere auf dieser Welt.

 

Obito hatte sich nie wirklich Gedanken darum gemacht, was nach seinem Tod auf ihn warten würde. An der Akademie hatten sie den angehenden Genin immer eingeschärft, dass Shinobi eine nicht sehr lange Lebenserwartung hatten, jedoch war das, wie so vieles an der Akademie, etwas gewesen, bei dem Obito nur halbherzig zugehört hatte. Er hatte sich nicht mit dem Tod beschäftigen wollen, während das Leben auf ihn gewartet hatte.

Als die Felsen ihn endgültig unter sich begraben hatten, hatte er das Bewusstsein verloren und eigentlich nicht damit gerechnet, es wieder zu erlangen. War er tot? Sollte man das Gefühl haben, aufzuwachen, wenn man tot sein sollte? Irgendetwas stimmte ganz gewaltig nicht.

Vorsichtig öffnete Obito sein verbliebenes Auge und erschrak sogleich beim Anblick des alten, unheimlichen Mannes vor ihm.

Der humorlose Alte war entgegen seiner ersten Befürchtung (Gott sei Dank!) nicht der Sensenmann, doch Obito konnte nicht aufhören, sich zu wundern. Wo war er? Was war er? Wieso in aller Welt hatte er Schmerzen? Richtig schlimme, unerträgliche Schmerzen? Die sollte man definitiv nicht haben, wenn man tot war, oder?

„Du hast Schmerzen. Also bist du am Leben“, erklärte der humorlose Alte.

Obito nickte verständnisvoll. Das machte Sinn. Er … Moment, was? Er lebte?!

Dieser Gedanke ließ ihn für einen verschwindend geringen Augenblick einen Teil seiner Schmerzen vergessen. Auf seinem malträtierten Gesicht formte sich ein breites Lächeln.

Er lebte!

Er konnte nach Konoha zurück! Er konnte zu Rin zurück! Es war nicht vorbei, nicht vorbei!

Den Alten interessierte sein Freudentaumel nicht. Während er irgendetwas über Licht und Schatten, Ursache und Wirkung faselte, seufzte Obito genervt. Bei was für einem Laberkopf war er hier nur gelandet?

Obito stutzte. Auch wenn das Denken nie seine Stärke gewesen war, in diesem Moment ratterte sein Gehirn auf Hochtouren. Ein alter Mann mit Sharingan, der allein in einer Höhle lebte? Ein abtrünniger Ninja vielleicht?

„Wer bist du?“, platzte es aus ihm unfreundlicher als gewollt heraus. Der Alte hatte ihn wahrscheinlich gerettet, da gehörte es sich nicht, unfreundlich zu werden.

Statt zu antworten, schlürfte der Alte unendlich langsam zu einem thronartigen Sitzplatz und gab Obito so die Gelegenheit, seinen Blick über das unheimliche Gebilde im Hintergrund schweifen zu lassen. Der Junge schluckte verängstigt. Was war das? Eine Pflanze? Was hingen da für Gestalten herunter? Ein unheilvolles Gefühl beschlich ihn, als sein Blick wieder auf dem Alten landete, der endlich antwortete: „Madara Uchiha.“

 

So schwach Obitos Körper auch war, so hoffnungslos es auch schien, so unheimlich dieser Ort auch war, der junge Uchiha gab nicht auf. Er musste einen Weg nach draußen, einen Weg zurück nach Konoha, einen Weg zurück zu Rin und Kakashi finden. Der Alte … Madara, war zwar nun still, weil weggetreten, jedoch waren diese weißen Gestalten noch da und redeten und redeten. Er wollte doch einfach nur nach Hause, und nicht sich so einen Unsinn über Genjutsu-Traumwelten anhören.

So hoffnungslos es auch schien, Obito war stur, nein, optimistisch. Er lebte. Er musste nur einen Weg aus dieser Dunkelheit herausfinden und zum Licht, zu seinem Licht zurückkehren. Und dann, dann würde er es ihr sagen. Allein der Gedanke daran ließ ihn lächeln.

 

Es gab keinen Weg mehr aus der Dunkelheit heraus. Denn es gab kein Licht mehr. Fassungslos sah Obito mit an, wie Kakashis Chidori Rins Brustkorb durchbohrte. Was geschah hier? Was geschah hier bloß? Panisch war er zuvor mithilfe einer der weißen Gestalten hierher geeilt, so voller Angst, es nicht rechtzeitig zu schaffen, seinen Kameraden nicht zu Hilfe kommen zu können. Niemals hätte er mit diesem Anblick, der sich ihm nun bot, gerechnet, nichts und niemand hätten ihn jemals auf so einen Anblick vorbereiten können. Nie zuvor hatte er solche Schmerzen erlebt, selbst die noch gegenwärtigen Schmerzen seiner Verletzungen erschienen ihm wie ein Nichts, ein lächerliches Nichts, im Vergleich zu dem, was er nun fühlte. Es war der Moment, in dem alle seine Hoffnungen und Träume, jeglicher Sinn und jeglicher Lebensinhalt, ja seine gesamte Welt endeten.

Dies konnte nicht die Realität sein. Es muss ein Albtraum sein. Nichts anderes als ein Albtraum. Es konnte nicht die Realität sein. Es durfte nicht die Realität sein!

Rin war tot.

Aber das konnte nicht sein. Denn es konnte keine Welt ohne Rin geben. Rin war das Licht dieser Welt. Was blieb denn noch von einer Welt, in der es kein Licht mehr gab? Was blieb am Ende der Welt übrig?

Rin war tot.

Und das war alles, an das er denken konnte, während er unter den verbleibenden Ninjas ein Massaker anrichtete. Er fühlte rein gar nichts, als er durch den riesigen Blutsee watete und ein heftiger Blutregen auf ihn niederprasselte. Achtlos ließ er den letzten Getöteten der feindlichen Ninjas in den See fallen und ging auf Rins leblosen Körper zu. Langsam kniete er vor ihr nieder und erschrak, als er sie nicht berühren konnte und stattdessen durch sie hindurch fasste. Für einen kurzen Moment war er selbst überrascht, wie schnell er begriffen hatte, was passiert war. Es musste das Mangekyou-Sharingan sein. Rin hatte sein Mangekyou erweckt.

Rin.

Sie war tot. Rin war tot.

Was war das für eine Welt, in der ein so wunderbarer Mensch wie Rin getötet wurde? Es musste eine falsche Welt sein. Es konnte nur eine falsche Welt sein.

Während er ihr immer kälter werdendes Gesicht berührte, sie langsam hochhob, verzweifelt an sich drückte und bittere, brennende Tränen seine Wange hinunterliefen, hallten plötzlich Madaras Worte in einer unaufhörlichen Schleife in seinem Kopf wider.

Was blieb von einer Welt, in der es kein Licht mehr gab?

„Rin“, flüsterte er ihr zu, „ich werde eine Welt erschaffen, in der du wieder lebst.“

 

Diese Welt, diese falsche Welt, war ihm nun egal geworden, sie war nur noch ein Mittel zum Zweck. Sie war nur ein Werkzeug für das höhere Ziel, dass er nun verfolgte. Genau wie die drei jungen Ninjas aus Amegakure, von denen er nur einen wirklich für seinen Plan gebrauchen konnte und deren lästiger Anführer ihm mit seiner lächerlichen Hoffnung, diese Welt zu verbessern, im Weg stand. Es war ihm egal, dass er sich nun Madara Uchiha nennen sollte, denn ein Name bedeutete ihm nichts mehr. Es hatte einmal einen Obito Uchiha gegeben, jedoch war dieser unwichtig geworden.

Es interessierte ihn nicht, was aus Kakashi, Minato, Kushina, dem Dorf oder dieser Welt würde. Und es ärgerte ihn, dass er Wut fühlte, als er Kakashi an Rins Grab stehen sah und er hörte, wie dieser ihr vom Kind des einstigen Lehrers erzählte. Die Wut gehörte zu dieser falschen Welt, von der er sich lösen wollte. Sie stand ihm nur im Weg.

Dieser kurze Moment der Schwäche, in der er eine Emotion zugelassen hatte, ließ ihn mit erstarkter Entschlossenheit vorgehen, als er die Anbu-Wachen und die beiden Frauen tötete, die zwischen ihm und dem Kyuubi standen.

Kushina und Minato waren dumm. Nicht nur dass sie so etwas Unsinniges taten wie ein neues Leben in diese furchtbare Welt zu setzen, nein, sie versuchten diese falsche Welt zu beschützen. Ihre Hartnäckigkeit und Dummheit mussten bestraft werden. Und so empfand er nichts, als er sie aus seinem Weg räumte.

Der Zusammenhang von Ursache und Wirkung musste ein für alle Mal durchbrochen werden.

 

Als er, so kurz vor seinem Ziel, erneut demjenigen gegenüberstand, mit dem dies alles begonnen hatte, fühlte er sich ein letztes Mal mehr als bestätigt. Wenn Kakashi die Falschheit dieser Welt nicht erkannte, dann war er ein Hindernis, das ebenso beseitigt werden musste.

Es sollte nun also da enden, wo es angefangen hatte.

In this twilight our choices seal our fate

Für den Bruchteil eines Augenblicks fühlte Kakashi sich wie er selbst an. Wie sein Selbst, dass im Kampf selbstbewusst agierte, klug überlegte, schnell voran preschte und stark attackierte, um die zu beschützen, die ihm wichtig waren. Und vielleicht war dieses Gefühl, dieser Gedanke, die zu beschützen die ihm wichtig waren, was seinen Angriff auf Obito stoppte. Obito hatte ihn und sich selbst mitten aus dem Kampfgeschehen herausgerissen und in die Kamui-Dimension gebracht. In Windeseile hatte Kakashi sich nach dem Sturz aus dem Teleportionswirbel abgerollt, um 180 Grad gedreht und sich mit einem Raikiri auf Obito gestürzt.

Und da war es ihm bewusst geworden.

Er war im Begriff gewesen, Obito mit seinem Raikiri zu töten.

Obito.

Obito zu töten.

Kakashi stoppte seinen Angriff abrupt.

Zwischen seiner mit elektrischem Chakra geladenen Hand und Obitos erschrockenem Gesicht befanden sich nur drei, vielleicht vier Zentimeter Abstand.

Er konnte es nicht. Egal, was Obito Schreckliches getan hatte, Kakashi war nicht in der Lage, es zu Ende zu bringen. Dies alles war nicht Obitos Schuld, sondern seine.

Ganz allein seine Schuld. Und er konnte Obito nicht dafür bestrafen.

Er konnte Obito nicht dafür bestrafen, dass er versagt hatte und Rin nicht hatte beschützen können. Dass er all seine Versprechen gebrochen hatte und so Obito zu dem geworden war, den sie jetzt als Feind betrachteten.

Kakashi erschrak als Obito aussprach, was er selbst dachte. Er war für ihn ein offenes Buch.

„Obito... Hör bitte auf damit“, hörte Kakashi sich selbst mit schwacher Stimme flehen, während das elektrische Zwitschern seines Raikiris die Stille um sie herum füllte.

Die Kamui-Dimension war ein merkwürdiger, unheimlicher Ort, an dem Zwielicht und Stille vorherrschten. Vielleicht gehörten sie beide hierher verbannt, für die Verbrechen, die sie begangen hatten.

Und Obito schaffte es, diesen unheilvollen Ort noch finsterer zu gestalten, als er Kakashi seine größte Sünde in Form von Rins Tod vor Augen führte. Und da war es wieder, dieses Zweifeln in Kakashis Innerem. War es nicht besser jetzt aufzugeben? Obito einfach machen zu lassen und diesen Schmerz ein für alle Mal zu beenden?

Doch Obito trieb es zu weit und Kakashi erinnerte sich plötzlich an Narutos Worte:

Wir sind Ninja. Wir sind Menschen, die ertragen.

Kakashi glaubte nicht mehr daran, dass sein Schmerz irgendwann nachlassen würde. Er musste ihn ertragen, wenigstens so lange, wie dieser Kampf noch andauerte. Für Naruto. Für Sakura. Für Sai. Selbst für Sasuke. Für eine Generation, für die es vielleicht noch Hoffnung gab und die es vor solch einem Schmerz zu beschützen galt. Für sie würde er alles aushalten und für sie, und auch für den alten Obito, würde er diesen Krieg zu Ende bringen. Vielleicht war Töten das einzige, was Kakashi wirklich konnte, dachte er während er mit sich rang. Im Beschützen hatte er versagt und ebenso im Lehrer sein. Vielleicht brauchte es jemanden wie ihn, der in der unheimlichen Stille eines Ortes, der vor den Anderen verborgen im Zwielicht lag, seinen einstigen besten Freund umbringen musste, damit dort draußen in der Welt des Lichts, in der Naruto lebte, Frieden herrschen konnte.

Ja, die Kamui-Dimension war ein passender Ort für ihren letzten Kampf. Kakashi schloss nicht aus, dass Obito tief in seinem Innern dies möglicherweise genauso empfand und sie deswegen hierher gebracht hatte.

 

Mit seinem aus Resignation und Verzweiflung geborenen Entschluss im Herzen war Kakashi bereit, dem anderen den Todesstoß zu versetzen, auch wenn sie sich schon wieder außerhalb des Zwielichts ihrer Kamui-Dimension befanden. Dieses Mal war es Minato, der seinen Angriff stoppte.

„Rin hätte das hier nie gewollt“, sagte Minato erschüttert und traf Kakashi damit mitten ins Herz. Und endlich, endlich nach der ganzen Zeit, die sie sich als Feinde auf diesem Schlachtfeld am Ende der Welt gegenübergestanden hatten, konnte Kakashi mit Obito reden. Konnte er seinen Zweifeln Ausdruck verleihen. Zugeben, wie schwach, hilflos und hoffnungslos er sich fühlte. Er wusste, dass Obito der einzige war, der ihn in dieser Hinsicht verstehen konnte. Umso bitterer war es, als Obito ihn schwach, hilflos und hoffnungslos auf dem Schlachtfeld zurückließ und ihm zu allem Überfluss ein weiteres Mal das Leben gerettet hatte. Das Leben, in dem er selbst keinen Sinn sah.

Und wieder schien es als würde Obito, der ganz und gar wieder Obito war, seine Gedanken lesen, denn er überwand für ihn die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits, um Kakashi ein letztes Mal zu retten. Ein letztes Mal richtete er eine Bitte an Kakashi.

That I will see the light

Mit wachsender Erschöpfung schleppte Kakashi sich durch die Tür seiner Wohnung in Konoha. Er ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und blieb an Ort und Stelle stehen, um seine Wohnung zu betrachten. Wie lange war er nicht mehr hier gewesen? Wie lange hatte dies alles eigentlich gedauert? Kakashi ignorierte das Gefühl, sich fremd in seiner eigenen Wohnung zu fühlen und schob es auf die Müdigkeit, die sich immer mehr in ihm ausbreitete. Er blickte aus dem Fenster auf das Dorf, das er so lange nicht mehr gesehen hatte und das sich in Abwesenheit aller so verändert hatte. Inzwischen dämmerte es bereits.

Der Krieg, der sich immer noch so an fühlte als wäre er nicht real gewesen, sondern ein grauenhafter Albtraum, war vor vier Tagen beendet worden. Und vor etwa einer Stunde waren die, die ihn überlebt hatten, durch das große Tor heimgekehrt. Tsunade hatte ihm eigentlich gesagt, dass er im Krankenhaus auf sie warten sollte, damit sie sich seine Wunden ansehen konnte. Doch Kakashi hatte freundlich abgelehnt und darauf verwiesen, dass seine Verletzungen nicht weiter schlimm waren und er seine Erschöpfung auch zuhause auskurieren konnte. Tsunade hatte ihn daraufhin kritisch beäugt und er hatte ihr als Kompromiss versprechen müssen, sich am nächsten Tag bei ihr im Krankenhaus zu melden.

Kakashi hat es schon immer bevorzugt, für sich selbst zu sein, besonders wenn er mit seinen Dämonen zu kämpfen hatte. Nun da er aber allein in seiner stillen Wohnung stand, hatte er zum ersten Mal seit langem Angst, dass seine Dämonen zu stark für ihn sein könnten.

Jetzt, wo alles vorbei war, er mit seinen Gedanken ganz allein war und Zeit hatte, über alles nachzudenken, fürchtete er, dass es ihn überwältigen könnte, dass er es nicht aushalten könnte. Vollends begreifen würde er es definitiv nicht. Kakashi blickte auf sein Bett, auf das er sich am liebsten einfach fallen gelassen hätte, doch plötzlich überkam ihn eine Angst davor, einzuschlafen und zu träumen.

Nein, wenn er jetzt im Traum wieder einmal Obito oder Rin sterben sähe, würde er es nicht ertragen. Jetzt nicht.

Den unheilvollen Gedanken abschütteln wollend, setzte er sich in Bewegung und begann, seine verdreckte und blutige Uniform abzustreifen. Als er sie in die Ecke werfen wollte, um sich später ihrer endgültig zu entledigen, fiel sein Blick auf das Foto, das ihn, Minato, Obito und Rin zeigte. Ein Gefühl der Panik kroch in ihm hoch und er legte den Rahmen um, so dass die Bildseite nicht mehr zu sehen war. Er fühlte sich schuldig, als er dies tat.

„Es tut mir leid“, sagte er leise, „bitte entschuldigt, aber es ist noch zu früh. Bitte lasst mir noch etwas Zeit, um das alles zu verarbeiten.“

Kakashi ging weiter, denn er sehnte sich nach einer heißen Dusche, von der er sich erhoffte, Blut, Dreck und Muskelschmerzen abzuwaschen. Wie er im Bad auf die Dusche zusteuerte, warf er einen flüchtigen Blick auf den Spiegel und erstarrte für einen Moment. Mit großen Augen betrachtete er ungläubig sein eigenes Spiegelbild und begann zu realisieren, dass er nicht nur psychisch nie wieder derselbe sein würde. Sein Sharingan war weg und plötzlich fühlte er wieder diese Hilflosigkeit, die ihn überfallen hatte, als sie Kaguya gegenübergestanden hatten und er vollkommen nutzlos gewesen war. Was sollte er jetzt tun? Jetzt, wo er das Sharingan nicht mehr hatte.

Zum sechsten Hokage sollst du werden, Kakashi.“

Eine Mischung aus Wut und Fassungslosigkeit machte sich in Kakashi breit, als er an Obitos Worte dachte. Was hatte er sich dabei gedacht? Wie kam er auf so etwas? Nach alldem, was passiert war? Nach alldem, was er falsch gemacht hatte? Er war nicht geeignet, Hokage zu werden. Wie konnte Obito ihn nur umso etwas bitten?

Kakashi stieg in die Dusche, drehte das Wasser auf und ließ es auf sich nieder prasseln.

Er war kein Hokage. Er würde nie einer sein. Er hatte alles falsch gemacht, was es falsch zu machen gab. Unzählige Shinobi waren in diesem Krieg und dessen Vorbereitung umgekommen. Asuma ging auf sein Konto, Jiraiya und auch Neji. Gais Verletzungen würden nie wieder heilen und Yamato war ein Wrack.

Kakashi fühlte sich nicht geeignet Hokage zu sein.

Jemand wie Naruto war geeignet, um Hokage zu werden. Jemand wie Naruto, der nie von seinem Weg abkam und nie jemanden im Stich gelassen hatte. Und es war Kakashis Schuld gewesen, dass jemand wie Naruto beinahe von seinem eigenen Kameraden getötet worden war. Wütend schlug Kakashi mit seiner Faust gegen die Fliesen der Wand. Auch bei Sasuke hatte er alles falsch gemacht, obwohl er so Vieles hatte richtig machen wollen. Er hatte Sasuke so stark machen wollen, dass er Sakura und Naruto hätte beschützen können. Doch Kakashi hatte es nicht geschafft, ihm dies klarzumachen. Letztendlich hatte Naruto auch da seine Fehler ausbügeln müssen.

Und es kam der Moment, den Kakashi gefürchtet hatte. Mit einem Mal prasselten die Bilder aus dem Krieg auf ihn nieder wie das Wasser auf seinen geschundenen Körper. Nur dass er Erstere weder ertragen noch abschalten konnte. Er lehnte seine Stirn gegen die Fliesen und schlug mehrmals mit beiden Fäusten gegen die Wand. Instinktiv hoffte Kakashi, dass er diesen Schmerz genauso wie jeden anderen Schmerz davor nur eine Weile in dieser erbarmungslosen Härte aushalten musste, bis er langsam, sehr langsam weniger werden würde. Aber was sollte er nun tun? Zurück in die Anbu?

Zum sechsten Hokage sollst du werden, Kakashi.“

„Obito, du weißt nicht, was du sagst“, sagte Kakashi zu sich selbst und drehte das Wasser ab, als er merkte, wie ihn langsam die Kräfte verließen. Mühsam schleppte er sich zurück in seinen Wohnraum, streifte sich notdürftig frische Kleidung über und fiel, nun endgültig von seinen Kräften verlassen, aufs Bett.

 

Er erwachte, als die Morgendämmerung langsam einsetzte. Zu seiner eigenen Überraschung war sein Schlaf ganz und gar traumlos gewesen. Es erstaunte ihn weniger, dass er sich nicht rühren konnte.

Aus dem Augenwinkel konnte er das umgelegte Teamfoto ausmachen.

Zum sechsten Hokage sollst du werden, Kakashi.“

Immer und immer wieder kam ihm Obitos letzter Wunsch in den Sinn.

Ausgeschlossen. Dieses Mal nicht. Tut mir leid, Obito, dachte er verbittert. Außerdem lag es nicht in seinem Ermessen, wer Hokage wurde.... Kakashi stutzte in seinen eigenen Gedanken.

Was hatte Tsunade, noch bevor sie nach Konoha aufgebrochen waren, zu ihm gesagt?

„Ich möchte mit dir reden, wenn wir wieder in Konoha sind.“

„Über was?“

„Du weißt doch noch, was Sarutobi gemacht hat, als der dritte Weltkrieg beendet worden war?“

Kakashi war nicht mehr dazu gekommen zu antworten, denn Tsunade war weg gerufen worden. Ihm war klar, was sie meinte. Aber sie konnte es nicht meinen. Nicht nach alldem.

Zum sechsten Hokage sollst du werden, Kakashi.“

„Obito, sei still“, raunte Kakashi in seine Bettdecke. Ein Hokage stand im Licht, im Hellen. Nicht wie er, dem das Licht nicht geneigt war. Das Zwielicht war seine Welt. Aus dem Zwielicht heraus dem Hokage dienen, das hatte er den Großteil seines Lebens gemacht und sicher war er nicht glücklich damit – er sollte ja auch nicht glücklich sein; er sollte dienen. Und für Obito die Welt betrachten. Das waren seine einzigen Lebensinhalte gewesen.

Als Kakashi allmählich bemerkte, dass bereits wieder der Abend dämmerte und seine Gedanken ihn den ganzen Tag beschäftigt hatten, klopfte es an seine Tür.

„Kakashi-sensei? Sind Sie da?“

Sakura.

„Kakashi-sensei? Wenn Sie da sind, machen Sie bitte auf.“ Sie klangt besorgt und das versetzte ihm einen Stich ins Herz.

„Vielleicht ist er nicht da?“ Sai war bei ihr.

„Wahrscheinlich kann er sich mal wieder nicht bewegen“, antwortete Sakura.

„Sollen wir die Tür aufbrechen?“

„Moment“, rief Kakashi dazwischen, „ich bin da. Gebt mir eine Minute. Oder zwei.“ Selbst das schien aber wie eine arg optimistische Einschätzung, stellte er fest, als er sich mühevoll und ächzend aufsetzte, seine Maske richtete und sich zur Tür schleppte.

Als er die Tür öffnete sah er, dass Sakuras Gesichtsausdruck zu ihrem sorgenvollen Tonfall passte und selbst Sai sah etwas nervös aus.

„Ist etwas passiert?“, fragte Kakashi beunruhigt und im Hinblick auf Naruto und Sasuke.

„Sie sollten sich heute bei Tsunade melden und haben es nicht getan“, sagte Sakura vorwurfsvoll. „Wir haben uns schon Sorgen um Sie gemacht.“

„Um mich?“

„Ja“, antwortete Sai. „Wir waren gerade alle bei Naruto und Sasuke, als Tsunade uns fragte, ob wir sie heute schon gesehen hätten. Naruto wurde dann so nervös, dass er selbst nach Ihnen sehen wollte. Sasuke beschimpfte ihn daraufhin als Idioten und schlug vor, dass wir nach Ihnen sehen.“ Sai schickte ein Lächeln hinterher.

Und plötzlich überkam Kakashi ein ganz anderes Gefühl, eins das er vor kurzem schon einmal gehabt hatte, das aber so neu für ihn war, dass es ihm ungewohnt erschien.

Er hatte es gefühlt, als sein ursprüngliches Team, seine ihm einst aufgezwungenen Schützlinge, gemeinsam Kaguya besiegten. Das Gefühl kam ihm vor wie eine Mischung aus Stolz und tiefster, inniger Verbundenheit. Etwas, das er in dieser Form noch nie gespürt hatte. Und nun, in diesem Moment, fühlte er es erneut, diesmal gepaart mit einer Art Schuldbewusstsein und Dankbarkeit, dass sie sich um ihn sorgten, und mit dem Wunsch, für sie da zu sein, sie von allen möglichen Sorgen fernzuhalten und sie zu beschützen.

Zum sechsten Hokage sollst du werden, Kakashi.“

Endlich verstand er es. Obito hatte ihn indirekt erneut darum gebeten, jemanden zu beschützen. Und obwohl Kakashi sich so schrecklich bewusst war, dass er beim ersten Mal entsetzlich versagt hatte, wusste er auch, dass Obito ihn darum gebeten hatte, weil er es selbst nicht mehr konnte. Naruto und die anderen waren das Licht dieser Welt und Obito wusste, dass das Licht beschützt werden musste. Obito hatte immer noch Vertrauen in ihn. Und Kakashi würde ihn nicht enttäuschen, er würde alles geben, um sie zu beschützen, selbst wenn er dabei zerbräche.

Für sie würde er alles ertragen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Wie viel Beherrschung es mich gekostet hat, nicht zu schreiben: Ich bin Obito und ich liebe Umarmungen! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Am Schluss der vollständige Refrain von Lover´s Eyes, weil es so schön passt. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Endlich. Fertig.
Ich danke nochmals fürs Lesen und fürs YUAL und hoffe, dass das Ende Anklang findet. Ich wollte es nicht vollkommen deprimierend enden lassen und Kakashi wenigstens die Aussicht auf einen Hoffnungsschimmer lassen.
Ich bin immer noch fasziniert davon, wie gut die Mumford&Sons Songs auf diese Thematik passen. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  NadiraUchiha
2016-10-10T20:21:02+00:00 10.10.2016 22:21
Oh mein Gott ist das traurig :( Ich kenme die ganze Geschichte ja schon aber hier geschrieben wirkt es irgendwie noch trauriger.. :(((( Ich finde die Geschichte ist wirklich interessant und spannend geschrieben ^^ Großes Lob, war schön das hier zu lesen :)
Lg
Nadira
Antwort von:  rokugatsu-go
17.10.2016 17:24
Vielen Dank, es freut mich, wenn dir die Geschichte gefallen hat. ^^
Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr damit deprimiert, haha. ^^°
Von:  Sensenmann
2014-05-24T11:11:32+00:00 24.05.2014 13:11
Oh, das Kapitel ist wieder sehr traurig geworden ;_;
Im Original-Kapitel mit Rins Tod, war das alles schon so aufwühlend, aber es jetzt noch einmal so zu lesen... Ich bin nur froh, dass Minato zumindest noch da war, natürlich hat der auch Angst seinen letzten Schüler zu verlieren. Allerdings war ich doch etwas geschockt bei der letzten Szene. Hat Kakashi wirklich daran gedacht sich umzubringen? Auf die gleiche Art wie sein Vater? :(
Von:  Sensenmann
2014-05-24T11:02:06+00:00 24.05.2014 13:02
Das Kapitel ist zwar etwas kürzer als sonst, aber dennoch sehr gut geowrden! Ich find es schön, das Rin auch mal im Zentrum der Geschichte steht und die Idee wie sie und Obito sich kennen gelernt haben ist auch sehr, sehr süß :3. Ich stell es mir gerade bildlich vor, wie Obito völlig aufgelöst, weinend auf der Straße steht xD
Obitos Vergleich mit Kakashi und einem Stromkasten fand ich auch genial xD Da musste ich sogar lachen :) Rin ist wirklich sehr fürsorglich und kann sich gut in andere Personen hineinversetzen. Schade nur, dass sie zwar erkannt hat wie traurig und einsam Kakashi ist, aber nicht, dass Obito in sie verliebt war :(
Von:  Sensenmann
2014-04-18T09:38:23+00:00 18.04.2014 11:38
Wieder ein sehr, sehr gutes Kapitel. Ich liebe Team Minato <3 Klein-Kakashi, Obito und Rin erinnern mich immer wieder an Naruto, Sasuke und Sakura :3 Auch wenn Rin sich einigermaßen anständig gegenüber Obito verhält und es nicht so stark raushängen lässt, dass sie in Kakashi verknallt ist :3 Langsam glaube ich auch, dass es Minato sehr interessiert wie Kakashis Gesicht denn nun aussieht xD. Aber immerhin lässt er es dabei bleiben.
Ich finde sehr schön, dass du versuchst weitere Parallelen zwischen Team Minato und Team 7 in die FF mi einzubauen, wie z.B. die Vorstellungsrunde. Natürlich will Obito Hokage werden :D Was denn sonst! Und es war auch irgendwie klar, dass Rin eine Ärztin werden möchte. Sie ist halt ein liebenswerter Mensch, der sich gerne um andere kümmert. Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel ^^

Von:  Sensenmann
2014-04-14T20:18:24+00:00 14.04.2014 22:18
Tut mir leid, dass ich es gestern nicht mehr geschafft habe! Zumindest das erste Kapitel konnte ich bisher lesen. Das andere hebe ich mir für unter der Woche auf ;).
Wie immer gefällt mir dein Schreibstil sehr. Es kommt zwar nur wenig Dialog vor - im Gegensatz zu "sigh no more" - aber du hast die Gesprächsschnippsel gut in Szene gesetzt. Das untermauert Kakashis Gefühlslage noch. Den Schmerz den Kakashi dabei empfindet, als ihm klar wird, dass es tatsächlich Obito ist, kann man durch deine Erzählung auch gut nachvollziehen und sich auch irgendwie in ihn rein versetzen. Natürlich glaubt Kakashi nun, dass das alles seine Schuld war, auch wenn dem bei weitem nicht so ist. Ich fand es auch gut, dass du das mit dem Kamui noch einmal aufgegriffen hast. Damals hätte es Kakashi eigentlich schon dämmern müssen, dass doch eine Beziehung zwischen seinem Auge und dem von "Tobi" bestehen muss. Alles in allem war es also wieder ein gutes Kapitel. Ich bin schon sehr auf das nächste gespannt!


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