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Verlorene Zweisamkeit

von

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Die Nacht war schwül. Die Luft in seinem Zimmer war stickig und abgestanden, sodass es ihn um kurz nach Mitternacht hinaus auf die Terasse zog. Leise setzte er sich auf die Hollywoodschaukel, die im kühlen Gras stand. Trotzdem quietschte sie unaufhörlich bei jeder kleinen Bewegung. Er zuckte bei diesem Geräusch schon lange nicht mehr zusammen. Gedanken, ob wohl jemand davon aufgewacht war, machte er sich auch nicht. Denn wer sollte schon wach werden? War ja weit und breit niemand hier, der auch nur ansatzweise von nächtlichem Lärm gestört werden könnte. Er lehnte sich in der Schaukel zurück und atmete tief durch. Von Weitem konnte man das Meer rauschen hören. Oder vielleicht war es doch eher seine Einbildung und die Gewohnheit, das Meer zu hören, denn die Luft stand in dieser Nacht so still, dass nichtmal der kleinste Luftstoß das Meer zum Rauschen bringen könnte.

Langsam wurde er ungedulgig. Sie musste doch schon längst da sein. Sie hatte seine Anwesenheit doch mittlerweile bestimmt bemerkt. Warum also zeigte sie sich nicht? Manchmal wartete sie sogar schon auf ihn oder er sah sie bereits vom Fenster aus. Doch in letzter Zeit hatte er das Gefühl, als würde sie ihn immer mehr warten lassen. Und obwohl er sich immer noch nicht damit zurechtgefunden hatte, wusste er, was sie damit zu bezwecken versuchte. Dieser Gedanke ließ ihm kleine Sorgenfalten auf der Stirn erscheinen. Heute war ein besonderer Tag für ihn. Für sie beide. Und es machte ihm Angst. Doch er hatte sich entschieden.

"Was soll das traurige Gesicht?", erschrocken wandte er sich um, doch als er ihr Gesicht sah, breitete sich ein liebevolles Lächeln auf seinem Gesicht aus.

"Hannah. Es tut gut, dich zu sehen." Er versuchte, ihre Wange zu streicheln, doch natürlich gelang es ihm nicht. Sie war anscheinend doch schon länger hier, denn um sie herum flogen nur noch ganz wenige Leuchtpartikel.

Die junge Frau lächelte leicht zurück, doch gleich darauf wurde ihre Miene wieder sorgenvoll. "Was ist los, Mischa? Du siehst so traurig aus."

"Heute sind es drei Jahre." Seine Stimme war ganz leise und er sah dabei auf den Boden. Drei Jahre, in denen sich so viel und doch so wenig verändert hatte. Seine Liebe zu ihr war noch immer die gleiche und er glaubte auch nicht, dass sich das jemals ändern würde. Langsam sah er zu ihr. Sie war um keinen Tag gealtert. Er dagegen sah aus, als wäre die Zeit für ihm um 10 Jahre schneller vergangen. Wenn man die Anzahl der Sorgen und Trauer in dieser Zeit mitrechnete, stimmte das sogar. Manchmal sah er in den Spiegel und sah anstatt eines 28-jährigen, das Gesicht eines alten Mannes, der in seinem Leben schon viel zu viel Leid ertragen musste.

"Und geht es dir gut?", fragte sie ihn schließlich.

"Wenn du bei mir bist, geht es mir immer gut.", antwortete er, auch wenn er wusste, dass dies ganz und gar nicht die Antwort war, die sie hören wollte. Kein Wunder also, dass sie laut stöhnte und die Augen verdrehte.

"Mischa..." setzte sie an, doch er unterbrach sie.

"Jaja, ich weiß. Und eigentlich ist das auch der Grund, warum ich mit dir reden wollte. Ich habe einen Entschluss gefasst. Einen, der mein Leben verändert wird. Und diesmal hoffentlich zum Positiven." Während er sprach, vermied er es, sie anzusehen. Gerade so, als müsste er irgendetwas vor ihr rechtfertigen. Dabei wusste er, dass sie es schon seid langer Zeit genau so wollte.

"Hannah, ich hab beschlossen, von hier wegzzuziehen. Ich muss hier einfach weg, ich ertrage es nicht mehr hier zu sein. Ich habe mir viel zu lange eingeredet, dass ich nur mit dir überleben kann, ohne irgendwelche anderen Menschen. Doch in Wahrheit bin ich mit dir zusammen einsamer denn je. Verstehst du?"

Er blickte betroffen zu ihr hinüber. Doch anders als erwartet hatte, lächelte sie breit und er bildete sich ein, er könnte spüren, wie sie seine Hand in ihre nahm. "Du weißt, ich hab all die Zeit nur darauf gewartet."

Lange Zeit sahen sie sich gegenseitig an und er strengte sich so sehr an, jedes Detail ihres Gesichts in seinem Gedächtnis abzuspeichern. So lange, bis ihm bewusst wurde, dass dies doch bereits lange geschehen war. Er schloss kurz die Augen und räusperte sich leise.

"Ich werde schon nächste Woche gehen. Und eine Wohnung hab ich auch schon gekauft. Denn es wird Zeit, mein eigenes Leben zu leben und nicht das, was schon längst vorbei ist. So sehr ich dich auch liebe und es auch immer tun werde, es hilft mir nicht, den Schmerz zu überwinden, indem ich hier in unserer alten Hütte sitze und so tue, als wäre nichts geschehen. Ich habe mittlerweile eingesehen, dass es dich nicht mehr gibt und ich anderweitig mein Glück suchen muss." In diesem Moment war es das erste Mal, dass es mehr zu sich selbst sagte, als zu Hannah.

"Ich bin sehr stolz auf dich.", flüsterte sie ihm noch zu. Dann langsam sah er, wie sich ihr Gesicht in Luft auflöste und die Luft um ihn herum zu leuchten begann. So schnell wie sie erschienen war, war sie auch wieder gegangen und das einzige, was sie hinterlassen hatte, war die Gänsehaut in seinem Nacken.

Mit einem Quitschen stand er von der Hollywoodschaukel auf, die einmal ihnen beiden gehört hatte und atmete lange durch. Es war ihm klar, dass sie drei Jahre nur darauf gewartet hatte, dass er bereit war, sie endlich loszulassen. Dass sie beide ihre getrennten Wege gehen mussten.

Ihm war, als hätte sich ein Teil seines Herzens gerade verabschieded und ein neuer Teil dazugekommen. Die Zukunft.

Als er zurück ins Haus ging konnte man das Rauschen des Meeres tatsächlich hören und plötzlich war die Nacht nicht mehr ganz so schwül, wie noch vor wenigen Minuten.



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