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Die Zeit deines Lebens

von

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Erkenntnisse.


 

I don't want your fancy things, I just want your love.

Dirty Love, Warrior. Ke$ha, 2012.
 


 

21. Februar 2010. New York, USA. Studentenwohnheim.
 

Leise wimmerte sie und hielt sich die Hand vor den Mund. Sie sah kurz zum Bett, um festzustellen, dass er noch seelenruhig schlief.

Salzige Tränen rannen lautlos über ihre Wangen. Ein tiefer Schluchzer steckte in ihrer Kehle fest und drohte ihr jeden Moment über die Lippen zu kommen, doch sie versuchte sich zusammen zu reißen.

Schnell schlüpfte sie in ihre Wäsche und zog das Kleid von gestern Abend wieder an.

Mit der Handfläche fuhr sie sich über beide Augenpartien, während ihre andere Hand ihre Schuhe an den Absätzen griff.

Ein Zittern machte sich in ihr breit, ihre Knie drohten jeden Augenblick zusammen zu brechen. Ihr war schlecht und sie hatte das Gefühl in ihren Händen verloren, sodass sie Angst hatte, ihre Schuhe nicht mehr länger halten zu können.

Auf wackeligen Beinen schaffte sie es zu seiner Zimmertür und drückte die Schlenke sachte nach unten.

Die junge Frau öffnete sie einen Spalt und zwängte sich hindurch, um sie danach wieder genauso lautlos zu schließen, wie sie sie geöffnet hatte.

Einen kurzen Moment hielt sie sich am Türrahmen fest und drückte auch ihren Kopf leicht dagegen. Sie hatte komplett ihre Wegsteuer verloren und wusste noch nicht mal so richtig, wo sie sich befand.

Langsam und sachte ging sie den Flur entlang, stützte sich immer wieder zwischenzeitlich an der Wand ab, um nicht hinzufallen.

Als sie an der Treppe angekommen war, sackte sie zusammen. Ihr war so schwindelig, dass ihr die Treppe viel steiler vorkam, als sie eigentlich war.

Sie überlegte fieberhaft, wie sie hinunter kommen sollte und drückte ihre Stirn gegen die kühle Wand. Ihre Beine baumelten über die Stufen hinweg, ihre Schuhe hatte sie immer noch fest umklammert.

Sie stellte ihre Beine an und rutschte die erste Treppenstufe hinunter. Ihr Kleid scheuerte ihr am Hintern und sie hatte das Gefühl, mehrere blaue Flecken an ihrem Po zu haben, auch wenn sie sich nicht erinnern konnte, hingefallen zu sein.

Genaugenommen konnte sie sich an kaum noch etwas erinnern. Der gestrige Abend war ein einziges schwarzes Loch, das keine Lichtblicke zuließ.

Sie erinnerte sich noch, wie sie mit April hingegangen war und dass diese sie für Peter einige Minuten später abserviert hatte . Danach hatte sie an der Bar gesessen und ein paar Drinks getrunken. Doch eigentlich waren es gar nicht so viele gewesen. Dunkel kam ihr in den Sinn, wie Michael auftauchte und sich die beiden kurz unterhielten. Er hatte ihr ebenfalls einen Cocktail ausgegeben, wenn nicht sogar auch mehr.

Doch im Laufe dieses Abends musste sie irgendwie mit ihm auf seinem Zimmer gelandet sein.

Sie wusste nur nicht wie.

Ihr Herz setzte augenblicklich aus und sie blieb auf der dritten Stufe, die sie hinunter gerobbt war, sitzen. Mimi.

Sie hatte mit Michael geschlafen. Mit Mimis Ex-Freund, der sie so verletzt hatte.

Es traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Tränen quollen aus ihren Augenwinkeln, als sie sie schmerzlich zusammenkniff. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?

Mimi würde sie umbringen, wenn sie jemals davon erfahren würde. Dann wäre sie in New York fast ganz allein auf sich gestellt, weil sie sicher nie wieder ein Wort mit ihr reden würde.

Sie würde eine ihrer engsten Vertrauten verlieren, nur weil sie sich nicht zügeln konnte.

Doch etwas stimmte nicht mit ihr. Ihre Beine zitterten unkontrolliert und ihr Herz pochte langsam aber stark gegen ihre Brust. Dennoch fühlte sie, wie ihr Magen rebellierte und ihr Kopf vor Schmerzen schrie.

Die Sehnsucht nach ihrem Bett wurde größer und größer, sodass auch noch Tränen der Verzweiflung hinzukamen. Sie sah wieder die steile Treppe hinab und wusste, dass es noch Ewigkeiten dauern würde, wenn sie sie weiter hinunter robben würde.

Und sie wollte definitiv von keinem gesehen werden. Wer wusste schon, wer alles die Sache mit Michael bereits mitbekommen hatte? Diese Universität war praktisch ein Dorf .

Mühselig zog sie sich am Geländer hoch und jonglierte ihre Schuhe immer noch mit einer Hand.

Zögerlich setzte sie einen Fuß vor den andern und stieg langsam aber zielstrebig die Treppe hinunter.

Für Hikari war dieser Moment der schlimmste ihres Lebens. Sie konnte nicht ahnen, dass das erst der Anfang des ganzen Horrors war, der sie noch erwartete.
 


 

05. März 2010. Odaiba, Japan. Kino.
 

Er lächelte sachte, als er sein Gegenüber näher betrachtete. Es war sein erstes Date, seit einer gefühlten Ewigkeit.

Kotomi studierte gemeinsam mit ihm Journalismus und war eine sehr fröhliche und lebensbejahende Person. Jemand, der einen mit seiner Art vollkommen mitreißen konnte.

Und ihre langen schwarzen Haare passten hervorragend zu ihrem hellen Teint. Ihre grünen Augen fixierten ihn strahlend einen Moment, während sie von ihrer lustigen Mitbewohnerin erzählte.

Sie waren die besten Freundinnen, schon seit Kindheitstagen und waren nach der Oberschule in eine gemeinsame Wohnung gezogen, um weiterhin viel Zeit miteinander verbringen zu können.

Takeru nickte eifrig, wurde automatisch aber auch sehr traurig.

Hikari und er hatten sich auch einmal so nah gestanden. Konnten alle Geheimnisse miteinander teilen, hatten zusammen den größten Quatsch anstellt und herzlich über alles gelacht.

Er vermisste die unbeschwerte Zeit von früher, in der er Kari nur als seine beste Freundin wahrgenommen und sich noch nicht in sie verliebt hatte.

Generell fand er die Beziehungen zwischen Männern und Frauen äußerst kompliziert. Wenn Frauen etwas sagten, meinten sie meist das Gegenteil. Das beste Beispiel war Mariko, die ihm eine lockere „Freundschaft“ mit gewissen Extras vorgeschlagen hatte, aber deutliche anzeichnen machte, sich in ihn verliebt zu haben.

Als es mit den beiden angefangen hatte, hatte gesagt sie ihm, dass sie es okay fand, sich auch noch mit anderen zu treffen, dies allerdings zuvor abzuklären.

Doch nach und nach hatte sie immer mehr Zeit mit ihm verbracht, war sogar beleidigt, wenn er ihr mal absagte oder ihr offen erklärte keine Lust zu haben sich mit ihr zu treffen, da sie sich schon die halbe Woche gesehen hatten.

Der Höhepunkt wurde an Valentinstag erreicht, als sie plötzlich mit selbstgemachter Schokolade vor ihm stand und sich in seine Wohnung gedrängelt hatte.

Es war Tortur sie danach wieder rauszubekommen, so ähnlich wie dieses nervige Ungeziefer, das keiner in seiner Wohnung haben wollte. Erst als Davis einen höllischen Anflug seiner nicht existierenden Migräne vortäuscht hatte, war sie schweren Herzens gegangen. Takeru hatte das Gefühl, dass sie sich sogar Hoffnungen gemacht hatte, bei ihm zu übernachten, auch wenn sie sich meistens bei ihr trafen.

Seither war es immer anstrengender geworden, mit ihr Zeit zu verbringen. Sie hatte ihn immer mit diesem seltsamen „verliebten Mädchenblick“ angeblickt und sah regelrecht zu ihm auf. Himmelte ihn an.

Und auch wenn er es anfangs wirklich schmeichelnd fand, nervte es ihn mittlerweile ungemein.

Vorgestern hatte er ihr gestanden, sich mit einer Kommilitonin fürs Kino verabredet zu haben.

Zuerst hatte sie ihn äußert verstört angesehen und er spürte, dass sie mit der Fassung rang. Doch nur eine Sekunde später hatte sie ein perfektes Lächeln aufgesetzt und sagte, dass es ja vollkommen okay sei, sich auch mit anderen zu treffen, da sie nichts Festes am Laufen hätten.

Und auch, wenn sie es überzeugend rüber brachte, glaubte Takeru ihr irgendwie nicht.

Relativ zeitnah, hatte er ihre Wohnung verlassen und rätselte über ihr seltsames Verhalten, dass er wohl in hundert Jahren nicht verstehen würde.

Doch er hatte ihren Segen bekommen und freute sich auf die Verabredung mit Kotomi, da sie auch vom Äußeren her beiden Mädchen nicht sonderlich ähnlich sah.

Takeru hatte gemerkt, dass er so nicht von Kari loskam, wenn er sich weiterhin mit Mädchen traf, die ihr ähnlich sahen. Mariko mit inbegriffen. Er musste loslassen. Auch diese Affäre allmählich hinter sich lassen und nach vorne schauen.

Seine Schwester würde bald zur Welt kommen und er wollte so viel es ging, für sie da sein. Und dazu brauchte er keine Mädchen, die ihm nur als Ablenkung dienten, um Hikari zu vergessen.

Er wollte sich noch einmal so richtig verlieben. In jemanden, der seine Liebe erwidern würde und sich nicht in seinen Bruder verguckte.

Und vielleicht war Kotomi das Mädchen, auf das er schon so lange gewartet hatte .
 


 

„Ich bin einfach nur fertig“, meinte Joe und ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. Shuu saß ihm gegenüber und musterte ihn besorgt.

„Wie ist denn der Job so?“, fragte er vorsichtig, obwohl er es sich wohl schon denken konnte.

Joe sah ihn an und grummelte böse vor sich hin.

„Es ist furchtbar! Die Chefin hat einen an der Klatsche und würde mich am liebsten auffressen, wenn ich zu langsam arbeite“, gab er theatralisch von sich und setzte sich wieder gerade hin.

Er stellte seine beiden Ellenbogen auf dem Tisch ab und legte sein Kinn in seinen Handflächen ab. Etwas genervt blies er eine störende Haarsträhne aus dem Gesicht und richtete den Blick zu Shuu, der ihn belustigt ansah.

„Tja, arbeiten ist wohl nie ein Zuckerschlecken, aber du weißt ja, für was du es machst“, antwortete er mit ruhiger Stimme und nippte an seinem Kaffee.

Joe verrollte nur die Augen. Natürlich wusste er, für was er es machte, aber ob es ihm wirklich in seinem Leben weiterhelfen würde?

Er war mit seinem Studium unzufrieden, wie sollte ihm da eine Reise in die Walachei helfen? Vielleicht brauchte er eine anständige Studienberatung, die ihm wahrscheinlich auch nicht mehr sagte, als er ohnehin schon wusste.

Er selbst war doch so verunsichert und hatte keine Ahnung, was er für Stärken hatte. Schwächen fielen ihm gleich unzählige ein.

Joe war noch nie sonderlich gesprächig oder kontaktfreudig gewesen. Ihm fiel es daher schwer, sich neuen, für ihn fremden Personen zu öffnen. Er war auch nicht sonderlich mutig oder risikofreudig.

Eigentlich machte er immer das, was das Sicherste und Einfachste für ihn war. Doch das lag ihm nicht länger.

Er wollte aus dieser ewigen Routine raus, die ihn nicht selbst widerspiegelte , sondern nur den Wunsch seines Vaters, dem er nicht mehr entsprechen konnte.

Auch wenn er seinen Job als Auffüller hasste und sich täglich wünschte, woanders zu sein, hatte er die Hoffnung, dass die ganzen Strapazen ihm etwas bringen würden.

Seine Brüder wussten, was er durchmachte und standen hinter ihm, auch wenn jeder sein eigenes Leben führte. Blut war immer noch dicker als Wasser. Nur leider traf diese Tatsache nicht auf seinen Vater zu.
 


 

Takeru saß alleine an seinem Tisch, als er plötzlich ein bekanntes Gesicht an ihm vorbeigehen sah.

Es war Joe mit einem seiner Brüder, dessen Namen sich Takeru nie behalten konnte.

Er hatte ihn nicht bemerkt und Takeru wollte auch nicht aufstehen, um ihm nachzueilen, da er sowieso nicht das glücklichste Gesicht machte. Außerdem hatte er zu dem Ältesten ihrer Gruppe kaum noch Kontakt, auch wenn er es wirklich schade fand, da er Joe immer sehr mochte.

Als er ein kleiner Junge war, hatte er immer ein wachsames Auge auf ihn gehabt und Takeru erinnerte sich gut an die damalige Zeit zurück.

Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. Vielleicht war es an der Zeit, dass sie alle mal wieder etwas zusammen machen sollten. Nur weil Mimi und Kari in den USA lebten, hieß es noch lange nicht, dass sich auch der Rest auseinander leben musste.

Auch die Tatsache, dass er sich ständig mit seinem Bruder in den Haaren hatte, störte ihn sehr.

Er war kein streitsüchtiger Mensch, doch bei Matt platzte ihm im Moment öfters die Hutschnur. Dennoch gab er nicht die Hoffnung auf, dass er sich noch einmal ändern würde, sobald seine Schwester auf der Welt war. Ihr konnte man wirklich keine Schuld an dem Ganzen geben.

Und vielleicht würde sie es auch schaffen, seine Eltern wieder zusammen zu bringen. Er hatte immer gespürt, dass noch etwas zwischen den beiden war. Weder sein Vater, noch seine Mutter hatten eine längere Beziehung nach ihrer Trennung gehabt. Beide flüchteten sich in die Arbeit und kümmerten sich um Matt und ihn.

Es war kein Zufall, dass sie sich wieder näher gekommen sind. Es musste Schicksal sein, etwas Unaufhaltsames , wie Magie.

Takeru glaubte daran, auch wenn hier eher das Kind aus ihm sprach. Schon seit er klein war, wünschte er sich, dass sich seine Eltern wieder vertrugen. Matt hatte sich mit den Jahren damit abgefunden, er nicht.

Er sah kurz auf sein Handy, das er aus seiner Hosentasche geholt hatte. Die Zeit war schon vorangeschritten und der Film würde bald beginnen. Gezahlt hatten sie schon. Kotomi war nur noch einmal schnell zur Toilette verschwunden, bevor sie sich bei den Knabbereien anstellen wollten.

Auch wenn sie ein Mädchen war, war sie dafür schon relativ lange verschwunden. Takeru fragte sich, ob er sich nicht besser auf die Suche nach ihr machen sollte, doch er konnte ja schlecht das Damenklo stürmen. Vielleicht hatte sich auch nur eine ellenlange Schlange davor gebildet, da mehrere Filme in Kürze starten würden.

Er überlegte schon, ob er sich nicht schon mal anstellen sollte. Gerade als er aufstehen wollte, kam Kotomi angestürmt.

„Ah da bist du ja! Wollen wir uns jetzt anstellen?“, fragte er freudig und deutete zu Snackbar. Doch ihr Gesicht war finster und ein Blick, den er noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte, durchlöcherte ihn.

Sie schnappte sich ihre Jacke und zog sie sich einfach über, bevor sie wutentbrannt mit dem Finger auf ihn zeigte.

„Du kannst alleine in den Film gehen! Du Fremdgeher!“

Fremdgeher? Hatte er das gerade richtig verstanden? Sein Gesicht entgleiste, als Kotomi tatsächlich das Kino verlassen wollte. Er sprang auf und rannte ihr nach.

„Hey! Warte! Was meinst du mit Fremdgeher? Ich habe keine Freundin!“, versicherte er ihr, doch sie sah ihn nur missbilligend aus den Augenwinkeln heraus an.

„Wer’s glaubt!“, schnaubte sie nur und wandte den Kopf in die andere Richtung. Ihre schnellen Schritte unterbrach sie nicht, sondern steuerte schnurstracks die Tür an, als plötzlich Takeru ihr Handgelenk packte und sie zum Stehen zwang.

„Wer erzählt dir so ein Mist?“, wollte er wissen und fixierte sie mit einem dringlichen Blick.

Doch sie blieb unbeeindruckt und riss sich augenblicklich los.

„Ich habe gerade eine Nachricht bekommen! Von einer unbekannten Nummer!“

Sie kramte ihr Handy hervor und las die Nachricht laut vor. „Lass die Finger von meinem Mann!“

Mit einem herausfordernden Blick sah sie zu Takeru, der sie unwissend niederstarrte.

Was sollte das nur? Er hatte keine Freundin! Er würde doch wissen, wenn er eine hätte.

„Ich habe aber…“, setzte er an, wurde jedoch gleich von Kotomi unterbrochen.

„Tut mir leid, auf sowas habe ich wirklich keinen Bock“, sagte sie nur, machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Kino.

Takeru rief ihr noch hinterher, doch sie reagierte nicht mehr. Betrübt stand er mitten im Kino und wurde von einigen Leuten schräg angesehen. Die meisten konnten sich ein Kichern nicht verkneifen.

Doch ihm war alles andere, als zum Lachen zu mute.

Wer hatte Kotomi nur diese SMS geschickt? Er hatte ihre Nummer niemandem weitergegeben und er kannte auch keinen aus seinem Studium, dem man eine solche Aktion zutrauen könnte.

Nachdenklich blickte er durch die Gegend, wanderte mit der Hand zu seiner Hosentasche und holte die Tickets hervor. Alleine hatte er wirklich keine Lust, ins Kino zu gehen. Doch einfach wegwerfen war auch keine Alternative. Daher schnappte er sich sein Handy und tippte eine Nummer ein, bevor er es sich ans Ohr hielt.

Er wartete einen Moment, bis sein Gesprächspartner abnahm. Ein Grinsen bildete sich auf seinen Lippen, als er den mürrischen Unterton seines Gesprächspartners heraushören konnte.

„Hey Davis? Bock sich über ‘ne Schnulze lustig zu machen ?“
 


 

11. März 2010. New York, Großer Übungssaal.
 

Sie atmete schwer und merkte, dass ihr der Schweiß auf der Stirn stand. Kari versuchte mit den anderen mitzuhalten, doch ihr war auf einmal so schlecht, dass ihr ihre Konzentration abhandenkam. Immer wieder wurde sie von ihrer Trainerin ermahnt und wurde besonders von Emily schadenfroh niedergestarrt. Sie freute sich besonders, wenn Kari vor allen anderen zurecht gewiesen wurde, aber das war sie bereits gewohnt.

Was sie jedoch nicht gewohnt war, waren diese ständigen Übelkeitsattacken, die sie meistens morgens überkamen.

Zwar hatte keiner die Sache mit Michael mitbekommen, aber Kari fürchtete, dass ihr schlechtes Gewissen Mimi gegenüber ihr bereits auf den Magen schlug. Doch sie konnte ihr nicht die Wahrheit sagen. Nicht nachdem sie gemerkt hatte, wie schlimm Mimi noch unter der Trennung litt.

Sie verabredete sich zwar mit unzähligen Jungs, aber das machte sie nur, um den Schmerz und die Demütigung zu vergessen.

Es war alles nichts Ernstes , dafür schwirrte er ihr noch zu sehr im Kopf herum und benebelte ihre Sinne.

Wenn Kari jetzt ehrlich sein würde, musste sie Gefahr laufen, dass Mimi ihr auf ewig die Freundschaft kündigen würde. Und dass konnte sie beim besten Willen nicht gebrauchen.

Auch wenn sie sich mit April um einiges besser verstand, war Mimi eine Person, die sie schon seit Jahren kannte und auch sehr schätzte.

Sie wollte sie nicht verlieren, nicht nachdem sie das komplette Jahr hinter ihr gestanden hatte, sie vor unfreundlichen Mitstudenten verteidigte und sie immer wieder aufbaute, wenn es ihr schlecht ging.

Ihre Trainerin startete die Musik erneut, als Kari ihre Übelkeit hinunterschluckte und die ersten achtzehn Takte fehlerfrei mit tanzte. Bei einer Drehung wurde ihr plötzlich wieder schlecht und sie spürte, dass es ihr sogar hochkam.

Abrupt blieb sie stehen, fixierte einen Punkt an der Wand und hielt sich den Bauch. Sie schlug eine Hand über den Mund und die Musik wurde angehalten.

„Hikari? Ist alles in Ordnung?“, fragte ihre Tanztrainerin besorgt.

Kari wollte eigentlich nicken, doch sie hatte Angst, es nicht mehr halten zu können und sprintete, ohne darüber nachzudenken , einfach los.

Sie hielt sich während des Laufens immer noch die Hand vor ihren Mund, während die andere die schwere Tür des Übungssaals aufdrückte und genauso geschwind die Tür der Damentoilette aufstieß.

Sie quälte sich in eine der Kabinen, konnte sie gerade noch schließen, als sie sich geräuschvoll über der Toilette übergab. Der ganze Vorgang dauerte nur wenige Minuten, als sie sich, immer noch über die Schüssel gebeugt, den Mund abwischte und die Klospülung betätigte.

Sie fuhr sich mit der flachen Hand über ihren Nackenbereich und hielt sich mit der anderen immer noch den Bauch, als sie sich mit dem Rücken sanft gegen die Toilettenwand drückte.

Kari atmete unregelmäßig und wurde dieses flaue Gefühl immer noch nicht los.

Sie blickte zu r Toilette und presste die Lippen fest aufeinander, da sie sich nicht schon wieder übergeben wollte.

Was war nur los mit ihr? Hatte sie etwas Schlechtes gegessen? Sie hatte eigentlich nur ein Vollkornbrötchen mit Käse, wie immer.

Langsam wanderte sie mit ihrer Hand nach oben und stieß dabei sachte gegen ihre Brust, die plötzlich höllisch schmerzte. Verwirrt tastete sie sich ab und musste mit erschrecken feststellen, dass beide sehr empfindlich waren und einen dumpfen Schmerz hinterließen, wenn man sie nur sanft berührte.

Bekam sie etwa ihre Tage? Doch komischerweise hatte sie nie Brustschmerzen, wenn sie sie bekam.

Wann hatte sie ihre Periode das letzte Mal gehabt? Sie musste wirklich nachdenken und leider feststellen, dass es ihr nicht mehr einfiel.

Panik machte sich in ihr breit. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust und sie geriet in eine Art Schockstarre. Fieberhaft dachte sie nach und stellte fest, dass sie im Februar überhaupt keine hatte.

Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über ihre Lippen und hielt sich wieder den Bauch, der zu rebellieren begann.

Wilde Gedanken vermischten sich mit der aufkommenden Angst, die sich in ihrem Körper ausbreitete und ihre Finger zum Zittern brachte.

Sie hatte mit Michael Ende Februar geschlafen und erinnerte sich an fast nichts aus dieser Nacht. Kari atmete unregelmäßig und drohte zu hyperventilieren. Normalerweise hätte sie ihre Tage schon längst bekommen müssen…
 


 

April kam gerade zur Tür hinein, als Kari zusammenschrak und zu ihr hochschaute. „Oh du bist ja schon da“, sagte sie fröhlich und stellte ihr Cello ab.

Kari sah sie nur mit großen Augen an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Alles war vollkommen aus der Bahn geraten. Zusammengekauert saß sie auf ihrem Bett und überlegte fieberhaft, was sie nur tun sollte.

Sie brauchte Erkenntnisse, auch wenn alles bereits dafür sprach. Schon länger fühlte sie sich morgens unwohl und hatte es meist auf den Stress geschoben, der sie meist wahnsinnig werden ließ.

Doch es passte alles zusammen. Die Zeit. Ihre Symptome. Alles.

„Was ist denn los mit dir?“, fragte April auf einmal und musterte sie überrascht.

Kari richtete den Blick kurz auf sie und überlegte, ob sie sich ihr anvertrauen sollte. Am liebsten wäre sie zu Mimi gegangen, doch ihr konnte sie nicht unter die Augen treten, da sie genau wusste, wessen Baby es wäre, wenn es wirklich existierte.

Sie öffnete den Mund, doch kein Wort kam ihr über die Lippen. Hilflos sah sie zu ihrer Zimmergenossin, ihre Augen füllten sich mit Tränen und ein Schluchzen entwich ihrer Kehle.

Sie hielt sich augenblicklich die Hand vor den Mund und versuchte sich zusammenzureißen, doch alles brach plötzlich aus ihr hervor. Die Tränen, die sie eigentlich verstecken wollte.

Die Verzweiflung, die ihr Gesicht zierte. Die Tatsache, einen riesen Fehler begangen zu haben.

„Was ist denn los?“ Entsetzt setzte sich April direkt neben sie und strich ihr behutsam über den Rücken. Auch wenn sie sich anfangs nicht gut verstanden hatten, hatte sich ihr Verhältnis enorm verbessert und sie waren so etwas wie Freundinnen geworden. Dennoch verstand sie nicht, warum Kari weinte und sich selbst nicht mehr beruhigen konnte.

Sie sank in ihren Armen zusammen und April dachte schon daran, Wallace oder Peter zu rufen, da beide sie ebenfalls gut kannten und vielleicht sogar wussten, was passiert war.

Doch sie ließ sie nicht los, klammerte sich ein wenig schmerzvoll an ihren Arm und krallte sich mit den Fingernägeln in das Fleisch ihrer Oberarme.

Ratlos blickte sie hinab und strich ihr zaghaft über den Hinterkopf.

Kari wimmerte nur und brachte unvollständige Wörter zu Stande, die jedoch keinen Sinn ergaben, da sie zu aufgebracht war, um einen klaren Gedanken zu fassen. Es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder fing und das aussprach, wovor sie am meisten Angst hatte.

Sie drückte ihr Gesicht in ihren Schoss und unterbrach ihr Weinen keine einzige Sekunde.

Unregelmäßige Atemzüge folgten und sie stieß einen leisen Schmerzensschrei von sich, der April nur Schlimmes erahnen ließ.

Wieder und wieder versuchte April, sie mit ihren Worten zu erreichen, doch sie schien sie nicht richtig zu hören. Ihre Lippen zitterten bei dem Versuch, die Wahrheit in Worte zu verpacken.

„I-Ich“, setzte sie mit schwacher Stimme an. Tausendfach spielte sich das gleiche Szenario in ihrem Kopf ab. Wie konnte sie nur so dumm sein und an jenem Abend auf Michael reinfallen? Und wieso fiel es ihr so schwer, sich daran zurückzuerinnern? Alles was sie noch wusste, war, wie er an der Bar auf sie zukam und sich mit ihr unterhielt. Am nächsten Morgen war sie in seinem Bett aufgewacht.

Diese Nacht war passiert und sie war nicht ohne Folgen geblieben.

„I-Ich glaub‘, bin schwanger!“
 


 

Nervös lief sie im Zimmer herum und verschränkte die Finger ineinander. Sie starrte immer wieder zu ihrem kleinen Badezimmer, doch sie hatte es aufgegeben, ihren Namen verzweifelt zu rufen. Sie reagierte nicht mehr und April hatte wirklich Angst, dass sie was Dummes anstellen würde. In ihrer Verzweiflung hatte sie Wallace angerufen, der mit Peter jeden Augenblick auftauchen wollte. Sie hatte ihm nicht gesagt, um was es ging, nur dass Hikari ihn dringend bräuchte.

Es ging alles so verdammt schnell, sodass April ihren eigenen Gedanken nachhing. Nachdem Kari ihren Verdacht geäußert hatte, brach sie in ihren Armen zusammen, fing sich jedoch nach einer Weile wieder. Gemeinsam waren sie in die nächste Drogerie gegangen, um einen Schwangerschaftstest zu besorgen.

Kari war nach ihrer Ankunft im Wohnheim direkt ins Badezimmer verschwunden und seither hörte April nur ein leises Wimmern, wenn sie näher zu r Tür trat. Immer, wenn sie ihren Namen rief, erhielt sie keinerlei Rückmeldung. Selbst als sie gegen die Tür hämmerte, blieb Hikari stumm und schluchzte leise vor sich hin.

Doch sie konnte sich nicht dazu durchringen, die Tür zu öffnen. Ein plötzliches Klopfen an der Zimmertür ließ April schnell herumfahren und zur Tür eilen.

Sie öffnete sie und blickte erleichtert in die verwirrten Gesichter von Wallace und Peter, die schweigsam ins Zimmer traten.

Wallace hatte die Augenbraun zusammengezogen und sein Blick sagte, dass er nach Kari Ausschau hielt, sie aber nirgends fand.

„Wo ist sie denn? Und was ist hier überhaupt los?“, wollte er wissen, während es sich Peter auf Aprils Bett gemütlich machte.

April hingegen haderte mit sich selbst, druckste etwas herum, bevor sie die Arme vor ihrer Brust verschränkte und kurz nachdachte.

Klar, eigentlich war es Karis Aufgabe, mit der Wahrheit herauszurücken. Sie hatte kein Recht, es Wallace oder Peter zu sagen, doch sie machte sich so unfassbare Sorgen, dass ihr nichts anderes übrig blieb.

„Wir haben vorhin einen Schwangerschaftstest gekauft!“, eröffnete sie, fast schon ein wenig abgeklärt, während Wallace sämtliche Gesichtsmuskeln entgleisten.

Sofort starrte er zu Peter, der wie der Tod persönlich aussah.

„Habt ihr zwei etwa? Aber warum verhütet ihr denn nicht?“, fragte er aufgebracht und wirbelte mit den Händen umher.

April verzog nur das Gesicht. „Was? Nein! Peter und ich…wir sind noch nicht soweit“, brabbelte sie mit zunehmend rote m Kopf. „Es geht um Kari!“

„Um Kari? Aber was? Wie ist das denn…?“, er konnte noch nicht mal den Satz zu Ende bringen, da ihn diese Neuigkeiten umhauten wie eine Dampfwalze.

„Aber…wer ist der Vater?“

„Das wollte sie mir nicht sagen“, seufzte sie resigniert. „Sie hat sich schon seit `ner Stunde im Bad eingesperrt! Ihr müsst mir helfen, sie da raus zu bekommen!“

„Und was sollen wir deiner Meinung nach machen? Die Tür eintreten?“, schoss Wallace leicht verzweifelt zurück und fuhr sich durch die blonde Mähne. Kari sollte schwanger sein? Das konnte er sich nicht vorstellen. Das musste ein Missverständnis sein.

„Und ihr seid euch wirklich sicher?“, hakte er zu r Sicherheit nochmal nach.

April zuckte nur mit den Schultern, schließlich kannte sie das Ergebnis ja noch nicht. Aber die Tatsache, dass sich Hikari einsperrte, sprach wohl eher für eine Schwangerschaft statt dagegen.

Doch das wollte sie lieber nicht sagen. Viel mehr wollte sie zusammen mit den Jungs versuchen, sie endlich aus dem Badezimmer zu lotsen.
 


 

18. März 2010. New York, Studentenwohnheim.
 

Missmutig rührte Kari in ihrer Suppe herum, die nur aus einer lauwarmen Brühe bestand. Mimi saß ihr direkt gegenüber und fuchtelte wütend mit dem Handy herum. Michael hatte ihr mal wieder eine SMS geschrieben, in der er sich zum tausendsten Mal bei ihr für sein Verhalten entschuldigte und auf eine zweite Chance hoffte. Bei ihm war es wohl eher die Achtundsiebzigste.

Doch Kari fiel es immer schwerer, ihr zuzuhören, da sie ihren eigenen Gedanken zu sehr nachhing.

Es war genau eine Woche her. Sie hörte noch das Klopfen, die Stimmen von Wallace und April, die wild durcheinander brüllten. Das Plastikstäbchen, das sie in ihrer Hand hielt und mit salzigen Tränen übergoss.

Sie wollte es immer noch nicht wahrhaben, doch sie war tatsächlich schwanger.

Eine Tatsache, die sie vollkommen aus der Bahn warf und sie zur Lügnerin machte. Nachdem Wallace einfühlsame Worte sie nach einer gewissen Zeit erreicht hatten und sie schweren Herzens das Bad doch verließ, musste sie sich dutzend Fragen stellen.

Wie es dazu kam? Wie sie es gemerkt hatte? Wer der Vater war?

Doch die letzte Frage konnte sie keinem beantworten, deswegen log sie.

Natürlich war es April damals aufgefallen, dass sie nicht in ihrem Zimmer geschlafen hatte, doch sie hatte fest daran geglaubt, dass Kari zu Mimi verschwunden war. Als sie am nächsten Tag nicht das Gegenteil bestätigte, war die Sache für April gegessen gewesen.

Kari konnte doch schlecht zugeben, dass sie die Nacht bei Mimis Exfreund verbracht hatte, besonders weil sie sich kaum an etwas erinnern konnte.

Sie musste dringend mit Michael reden, denn nur er konnte die Fragen beantworten, die sie hatte.

Bisher hatte ihr allerdings der Mut gefehlt.

Sie blickte zu Mimi, die sich halb in Rage redete und immer wieder betonte, was Michael doch für ein Arschloch sei. Kari hingegen beugte sich über ihre Suppe und spürte wieder eine neue Welle der Übelkeit sie überkommen. Sie ließ den Löffel fallen und krallte sich mit den Fingern in ihr Tablett.

Sie schluckte, als ihr der Dampf ihrer Suppe in die Nase stieg und ihren Magen zusätzlich reizte.

Unauffällig begann sie zu würgen, konnte sich jedoch schnell wieder fangen, bevor Mimi etwas merkte.

Sie redete immer noch ohne Punkt und Komma und schien gar nicht zu merken, wie schlecht es ihr ging. Eigentlich war Kari auch froh darum.

Erst musste sie selbst mit der Sache zurechtkommen, bevor sie es Mimi nur ansatzweise erzählen konnte.

Ihr war nicht bewusst, dass sie von der einen Lüge zur nächsten lebte und sich allmählich darin verlor.

Ein Baby mit neunzehn? Wie sollte sie das ihrer Familie beibringen? Was sollte aus ihrem Studium werden? Wie sollte sie all das nur alleine meistern ?

Sie war doch selbst noch ein Kind, das in einem erwachsenen Körper lebte und noch gar nicht bereit war, Mutter zu werden. Doch dieses hilflose kleine Wesen existierte und Kari musste sich nun diesen Konsequenzen stellen.
 


 

Michael starrte wütend auf das Display seines Handys, als sich Carter gerade von ihm verabschiedet hatte. Wieso konnte sie ihm nicht einfach verzeihen? Er bereute doch sein Verhalten. Naja, irgendwie.

Er war doch auch nur ein Mann, der Bedürfnisse hatte. Sie hatte hingegen immer auf diesen Romantik-Kram gestanden, der ihn zum Hals raushing.

Er suchte eben das Aufregende , das Reizvolle , das sie ihm einfach nicht geben wollte. Dennoch brauchte er sie. Er brauchte diese Konstante in seinem Leben, die ihm Geborgenheit gab, wenn er sie mal brauchte.

Doch er wollte nicht auf das verzichten, was ihm immer schon wichtig war. Er musste sie doch irgendwie dazu bekommen, zu ihm zurückzukehren. Sonst war sie doch auch nur ein paar Wochen auf ihn sauer gewesen.

Er sah auf und erkannte, dass jemand auf ihn zugesteuert kam.

Zu seiner Überraschung war ihm das Gesicht alles andere als unbekannt. Er musterte sie angestrengt und zog die Augenbrauen skeptisch zusammen.

„Was willst du denn?“, fragte er herablassend und reckte sein Kind.

Eingeschüchtert sah ihn das Mädchen hilfesuchend an und presste die Lippen fest aufeinander.

„Ich muss unbedingt mit dir reden“, gestand sie ihm fast flüsternd und packte ihn zaghaft am Arm, um ihn in eine unbeobachtete Ecke zu ziehen.

„Was soll das denn jetzt? Hat dich etwa Mimi geschickt?“

Sie schüttelte nur den Kopf und ließ seinen Arm sofort los.

Nervös spielte sie an ihren Fingern und atmete unregelmäßig.

„Kannst du vielleicht mal hinne machen? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit“, meinte er pampig und sah sie gar nicht wirklich dabei an.

Er wusste selbst, dass es ein Fehler gewesen war, mit ihr zu schlafen, doch an jenem Abend war er so wütend gewesen, dass er Mimi einfach nur noch wehtun wollte. Also suchte er sich das Mädchen aus, das ihr nah stand. Er wusste, dass sie nicht viele Freundinnen hatte, doch seit sie hier war, hatte das auch negative Auswirkungen auf ihre Beziehung gehabt. Vielleicht war sie diejenige, die Mimi diesen Schwachsinn in den Kopf pflanzte. Daher erschien es ihm damals sinnvoll, diese Beziehung zu erschüttern und einen Keil zwischen die beiden zu treiben.

Allerdings hingen sie nach wie vor zusammen ab und jetzt stand sie wie ein begossener Pudel vor ihm und stammelte sich etwas zurecht. So langsam wurde er wütend.

„Man jetzt sag‘ endlich, was du willst!“, blaffte er sie an und das brünette Mädchen unterbrach augenblicklich ihr Gestammel und sah ihn mit ihren großen karminroten Augen an, die sich mit Tränen füllten.

Michael verdrehte nur die Augen. Wollte sie ihm jetzt etwa sagen, dass ihr die Nacht mehr bedeutet hatte? Für ihn war es nur Sex und noch nicht mal guter.

„Hallo? Jetzt hör‘ auf zu flennen. Ich weiß wirklich…“.

„Ich bin schwanger!“, unterbrach sie ihn wimmernd und schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen.

Michaels selbstgefälliger Gesichtsausdruck verschwand. Zurück blieb pures Entsetzen.

„Du bist was? Aber das ist ganz sicher nicht von mir!“, protestierte er augenblicklich.

„Doch, von wem denn sonst?“, fragte sie schrill und kämpfte nach wie vor mit ihrer Fassung.

„Du musst dich irren! Halt mich aus so einem Scheiß gefälligst raus!“

„Ich habe aber nur mit dir geschlafen!“, eröffnete sie ihm eindringlich.

„Keine Ahnung? Vielleicht bildest du es dir auch ein? Es muss nicht heißen, dass du schwanger bist, wenn du mal drei Kilo zunimmst !“, spottete er und trieb ihr weitere Tränen in die Augen.

„Ich habe aber einen Test gemacht!“, startete sie einen letzten Versuch. „Er war positiv“.

„Dann war er eben kaputt! Hör auf, mich in so einen Mist mitreinzuziehen, Hikari!“

Ihr Blick war verstört, als er einfach an ihr vorbeigehen wollte. Plötzlich kehrte ein Fünkchen Kämpfergeist zurück und Kari traute sich erneut, seinen Arm zu packen und ihn zum Stehen zu bringen.

„Es ist kein Mist! Ich habe nächste Woche Dienstag einen Arzttermin! Ich habe meine Periode nicht bekommen und hinterher habe ich noch zwei Tests gemacht, die auch positiv waren“, erklärte sie ihm verzweifelt. Tränen rannen lautlos über ihre Wangen, doch nichts schien ihn zu beeindrucken.

Grob riss er sich los und funkelte sie an.

„Halt mich ja da raus, sonst kannst du was erleben!“, drohte er ihr und verschwand in die andere Richtung. Hikari blieb allein zurück. Sie stand mitten auf dem Campus und blicke umher.

Es war wenig los und niemand schien dieses Streitgespräch mitbekommen zu haben.

Sie biss sich auf die Unterlippe und hielt sich ihren Bauch.

Es hätte ihr doch klar sein müssen, dass er so reagierte, auch wenn sie sich eine andere Reaktion erhofft hatte. Doch Michael war nicht der Typ, der einen positiv überraschte und sagte ‚Das kriegen wir schon irgendwie hin‘. Sie war allein .
 


 

19. Juni 2010. Odaiba, Japan. Gästezimmer.
 

Er zog das Laken glatt und stopfte die Enden unter die Matratze. Besorgt sah er zu ihr, als sie gerade das Kissen bezog und nachdenklich durchs Fenster blickte.

Wallace verschränkte nachdenklich die Arme vor der Brust und überlegte fieberhaft, wie er ihr nur helfen konnte.

Doch jedes Wort war wohl zu viel. Mit rotunterlaufenen Augen stand sie etwas weiter weg von ihm.

Sie hatte viel geweint, nachdem Mimi vollkommen ausgeflippt war und zu ihr gesagt hatte, dass sie sie nie wieder sehen wollte .

Es war ein einziges Drama, das heute seinen Höhepunkt fand.

Mimi hatte fassungslos in der Menschenmenge gestanden und war selbst den Tränen nah gewesen, als sie panisch das Feld räumte.

Hikari war danach in seinen Armen zusammengebrochen, während Michael einfach nur mit einem eiskalten Blick vor ihnen gestanden hatte und nichts sagte.

Alles ging ihm am Arsch vorbei.

Er hatte daraufhin Hikari ins Hotel begleitet, um ihre Sachen zu holen. Er hatte ihr angeboten, bei seinem Vater und seiner Stiefmutter im Gästezimmer zu schlafen, ohne sie zuvor gefragt zu haben.

Er wusste, dass Mimi Kari vorerst nicht ertragen konnte und Abstand brauchte.

Sie war auch nicht da, als sie das Hotelzimmer betraten.

Schnell hatten sie Hikaris Koffer gepackt, auch wenn sie komplett geistesabwesend wirkte und nicht realisierte, dass das gerade eben wirklich passiert war.

Als er zu Hause war, wartete sie einen Moment draußen, während er seinem Vater die Situation geschildert hatte. Auch wenn er anfangs nicht begeistert war, konnte ihn Wallace zum Glück überreden, Kari vorrübergehend aufzunehmen. Die Betonung lag wirklich auf „vorrübergehend“.

Er hatte kein eignes Zimmer, da er seinen Vater meist nur in den Sommerferien besucht hatte. Notgedrungen schlief er also auf der alten Wohnzimmercouch, die alles andere als bequem war.

Doch er konnte sie nicht ihrem Schicksal überlassen. Das hatte sie nicht verdient.

„Warum hast du ihr nicht die Wahrheit gesagt?“, fragte er auf einmal und betrachtete sie eindringlich.

Kari legte das Kopfkissen auf das Bett und seufzte herzhaft.

„Ich konnte nicht“, gestand sie sich ein und fixierte Wallace, „und die Wahrheit hätte auch nichts geändert. Das was damals passiert ist, hätte nie passieren dürfen“.

Mitleidig legte er seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie leicht an sich. Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Brust und schluchzte leise vor sich hin, während sie ihre Fingernägel in sein T-Shirt krallte.
 

Fortsetzung folgt...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :>
Da ich mir vorgenommen habe diese Geschichte ein wenig voranzutreiben und vielleicht sogar demnächst schon zu beenden, dachte ich mir einfach, dass ich spontan ein neues Kapitel hochlade :)
Ich habe mittlerweile auch wieder eher den Faden gefunden und bin bereits fleißig am weitertippen ;)
Es hat mich wirklich gerührt, dass noch so viel Interesse an dieser Story besteht, dass ich euch natürlich nicht all zu lange warten lassen wollte :'D

Ich hoffe, dass heutige Kapitel hat euch gefallen! <3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Suben-Uchiha
2015-11-13T16:48:45+00:00 13.11.2015 17:48
Mion,

Nun komm ich mal zum letzten Kapitel das ich aufholen musste xD
Hui..endlich wissen wir wie das ganze Drama um Kari und ihr Baby begonnen hat. Jetzt fehlt eigentlich nur noch die Abtreibung und die Abreise. Klingt zwar gerade etwas kalt von mir aber das fehlt eben noch.
Aber Michael bleibt wirklich ein Arschloch, ich weiß wie oft ich das schon gesagt habe xD Aber einfach das ganze abstreiten ist echt die Obergrenze. Er muss auf jedenfall wissen das er der Vater ist. Am liebsten hätte ich lust den Kerl ins Gefänis zu stecken damit er nicht mehr draussen rumläuft. Er ist ja ne Gefahr für jedes Mädchen das draussen frei rumläuft.
Und das Mimi in er gegenwart gerade nicht mit ihr reden will ist ganz verstendlich andauernt hilft sie ihr und dann bekommt sie mit einem Schlag die ganze Wahrheit. Hart.

Naja ich freu mich schon auf dein nächstes Kapitel.

LG
Dein Sven
Antwort von:  dattelpalme11
28.11.2015 21:33
Danke für dein Kommentar bzw. Kommentare :D Ich werde auch sie nach und nach beantworten, wenn ich Ferien habe ;)
Mhm, theoretisch hast du recht, aber mal sehen, was da noch alles mit Kari und dem Baby kommen wird ;D
Irgendwie finde ich es cool, dass jeder Michael so unsympathisch findet. Ich mag ihn zwar auch nicht, aber ich schreibe gerne aus seiner Sicht :D
Und ich weiß jetzt nicht ob er im Gefängnis landen würde xD
Wenn ich Mimi wäre, würde ich auch nicht mehr mit ihm reden wollen :/ Es ist wirklich ganz schön krass, was da passiert ist ;(

Liebe Grüße ;)
Von: abgemeldet
2015-11-08T21:54:38+00:00 08.11.2015 22:54
Oh man wie soll das nur enden...und dabei habe i nicht mal was 🍷😁 i bin total 😱😱😱😱😱

Od: cool das du jetzt öfters postest^^
Von:  Jea1995
2015-10-31T11:09:35+00:00 31.10.2015 12:09
Tolles Kapitel :)
Arme Kari was Alkohol halt alles so anstellen kann aber es ist leider keiner Endschuldigung -,-
Michael ist wirklich ein Arsch aber ein großer erstens verführt er Kari und dann behandelt er sie wie dreck auf sowas kann man echt verzichten und ich finds echt toll das Mimi ihn abgeschossen hat.....;)
Da zeigt Takeru mal intresse an einem anderen Mädchen und schon wird es zerstört ich bin mir sicher das diese Mariko dahinter steckt denn wie es aussieht ist sie in ihn verliebt :) ist meistens so bei Affären das einer sich verliebt leider -,-
Wallace und April,Peter sind echt tolle Freunde und ich mag die drei auch denn sie sind immer für Kari da und das ist wirklich toll denn sie braucht jemand der zu ihr hält :D
Der Arme Joe immer nur Stress aber ich finde es gut das er es durchzieht :D :D :D
Ich Liebe diese Geschichte einfach sie ist einer meiner Lieblinge denn ich mag einfach die Idee und dein Schreibstil :)) Es freut mich das du denn Fad wieder gefunden hast :-)
Liebe grüße <3
Antwort von:  dattelpalme11
28.11.2015 21:30
Danke für dein Kommentar ;)
Jaa, leider kann Alkohol nicht alles entschuldigen :/ Trotzdem ist Michael ein Arsch -.- Und obwohl er mir ebenfalls unsympatisch ist, schreibe ich komischerweise gerne aus seiner Sicht xD
Und TK hat wirklich Pech xD Wer wirklich dahintersteckt wird erst die Zeit zeigen, aber das Mariko eine Schwäche für ihn hat, ist schon sehr offensichtlich ;)
Ich mag die drei auch echt gerne, ich finde nur, dass April und Peter ein bisschen zu kurz kommen :(
Ich hoffe trotzdem, dass Joe bald bessere Zeiten zu Gesicht bekommt ;)
Freut mich, dass sie dir gefällt :)
Ich stehe leider immer noch ein bisschen mit ihr auf Kriegsfuß xD

Liebe Grüße :)
Von: abgemeldet
2015-10-30T21:04:53+00:00 30.10.2015 22:04
Das ist ja das reinste chaos🙀 Wie geht's denn jetzt weiter i meine 😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😬i brauch glaube erstmal 🍷
Antwort von: abgemeldet
30.10.2015 22:05
PS: endlich hast du wieder geschrieben wird Zeit carlylein wurde schon langweilig
Antwort von:  dattelpalme11
28.11.2015 21:25
Danke für dein Kommentar ;)
Jaa, in dieser Geschichte regiert das Chaos :D


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