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Berliner Nächte

von

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Das Verlies

Wütend knalle ich die Türe hinter mir zu. Draußen im Flur kann ich hören, wie Sascha noch irgendetwas murmelt, ehe er in seinem Zimmer verschwindet und seine Türe dabei deutlich leiser schließt.

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es ihn gar nicht zu interessieren scheint, ob ich nun auf ihn sauer bin oder nicht.

Es scheint ihn auch nicht zu stören, dass ich damit gedroht habe auszuziehen, wenn er sein Verhalten nicht ändert. Vielleicht würde es ihn sogar freuen, wenn ich endlich gehen würde, weil er dann so viel Chaos verbreiten könnte, wie nur möglich.

Mürrisch lasse ich mich auf mein Bett fallen und blicke an die Decke, an welcher der Putz schon zu bröckeln beginnt.

Wirklich heimisch fühle ich mich in diesem engen dunklen Raum wirklich nicht. Es gibt nicht mal genug Platz für einen Kleiderschrank, weshalb ich meine Klamotten nun schon seit einem Jahr in mehreren Kartons stapeln muss, die unordentlich an der Wand stehen.

Zwischen Schreibtisch und Bett ist ein Abstand von genau drei Zentimetern – ich habe nachgemessen – sodass ich mir schon mehrmals nachts den Kopf am Schreibtisch gestoßen habe, wenn ich mich auf die Seite drehen wollte.

Und das Fenster ist ein kleines, schmales Loch kurz unter der Decke, welches gerade so viel Licht durchlässt, dass man weiß, ob es Tag oder Nach ist.

Als ich damals kurz vor Semesterbeginn dringend eine Wohnung gesucht habe, kam mir dieses Kellerverlies gerade recht und der Platz wurde von mir als ausreichend eingestuft. Zudem machte Sascha einen recht netten Eindruck und ich dachte mir, dass es sicher eine coole Zeit werden würde, die ich hier mit ihm in der WG verbringen würde.

Leider habe ich schon ein paar Tage nach Einzug festgestellt, dass mein winziges Zimmer einfach viel zu klein für all mein Zeug ist – und so viel Zeuge habe ich gar nicht mit nach Berlin genommen – und dass Sascha nicht gerade das ist, was man einen guten Mitbewohner nennen würde.

Am Abend vor meinem ersten Tag an der Universität bin ich Recht früh ins Bett gegangen, konnte aber die halbe Nacht nicht schlafen, weil Sascha eine Tussi flachgelegt hat, die so laut geschrieen hat, dass man sicher am Nordpol noch hören konnte, was hier passierte.

Des Weiteren ist er ein ziemlich unordentlicher Kerl, der sich nie um den Abwasch kümmert und nie das Bad putzt. Als ich mir die Wohnung angeschaut habe, war hier alles sauber gewesen, aber ich habe bald merken müssen, dass er wohl extra für die Wohnungsbesichtung geputzt und seitdem wohl nie wieder einen Putzlappen in der Hand gehabt hatte.

Egal wie oft ich ihm schon gesagt habe, dass ich nicht sein Haussklave bin, der ihm alles hinter her räumt und ständig sauber macht, hat sich an seinem Verhalten nicht wirklich etwas geändert.

Er ist tagsüber an der Uni jobbt danach und geht fast jeden Abend feiern. Das einzige, was ihn interessiert, ist Mädchen flachzulegen und sich die Gehirnzellen weg zu saufen.

Obwohl ich sicher auch kein Engel bin und auch ab und an mal Party mache, habe ich dennoch nicht vor, in einer versifften Bude irgendwelche Tussis zu knallen.

Fast täglich streiten wir mittlerweile darüber, dass er doch auch mal sein Geschirr aufspülen könnte und ich keine Lust habe, immer irgendwelche halb verschimmelten Pizzareste in den Müll zu werfen, die tagelang auf einem Teller vor sich hin vegetiert haben.

Auch was das Bad anbelangt, finden wir fast immer einen anderen Streitpunkt. Wenn er sich rasiert, spült er zum Beispiel nie seine Stoppeln im Waschbecken runter.

Wenn er mit Putzen dran ist, kann man die Uhr danach stellen, dass er es eben nicht macht und man am Abend noch die Wasserspritzer, Haare und Kosmetikartikelreste vorfindet, die wir am Morgen dort hinterlassen haben.

Und was die Toilette angeht, ist es besser, einfach zu schweigen…

Wenn man Sascha so sieht, dann hat man nicht das Gefühl, dass er ein unordentlicher, schmuddeliger Kerl ist. Im Gegenteil, er verlässt nur total gestriegelt das Haus und sieht aus, wie ein typischer Sonnyboy, der massenhaft Mädchenherzen bricht.

Leider ist das aber auch schon alles und während es ihn gar nicht stört, dass hier so ein Dreck ist, ist es mir peinlich, mal ein Mädchen mit nach Hause zu bringen oder Kumpels zu mir einzuladen.

Vor zwei Tagen ist mir deshalb die Hutschnur geplatzt und ich habe ihn mächtig angeschrieen, er solle endlich einmal etwas tun, weil ich sonst ausziehen werde.

Lieder hat ihn das gar nicht interessiert. Er hat nur mit den Schulter gezuckt, ein ‚Hm’ von sich gegeben und ist in seinem Zimmer verschwunden. Ein paar Minuten später war er dann schon auf den Weg zur nächsten großen Party.

Seitdem ist hier drinnen echt dicke Luft und ich habe das Gefühl, er geht mir aus dem Weg, damit ich ihm ja nicht sagen kann, dass er irgendetwas tun soll.

Ich komme mir langsam vor, als wäre ich seine Mutter, weil ich ihm ständig hinterher räume und ihm sage, was er zu tun hat.

Und ich glaube, ich nerve ihn auch so, wie es seine Mutter diesbezüglich wohl immer getan hat.

Das ich ausziehen möchte, war jedoch keine leere Drohung, auch wenn er das wohl noch nicht so ganz verstanden hat.

Tatsächlich habe ich in dem Jahr, in dem ich nun schon hier wohne, recht häufig geäußert, ich würde ausziehen, wenn er sein Verhalten nicht ändert.

Bisher habe ich diesen Plan jedoch aus verschiedensten Gründen immer verworfen.

Ein Problem ist dabei das Geld, denn ich kann mir unmöglich eine Wohnung für mich alleine leisten. Ich brauche also wohl eher eine WG.

Weil wir hier in der Nähe der Uni natürlich eine ideale Lage haben, die bei Studenten heiß begehrt ist, ist es ziemlich schwer, eine geeignete Wohnung oder WG zu finden, die dieser hier gleicht.

Und dann kommt noch hinzu, dass ich immer noch zu sozial bin, um Sascha einfach im Stich zu lassen. Ich bilde mir ein, dass hier niemand mehr einziehen würde, würde ich nun gehen und dass Sascha dann die Wohnung alleine nicht halten kann. Und so genervt, wie ich momentan von ihm bin, möchte ich trotzdem nicht der Grund sein, dass er ein riesiges Problem bekommt.

Als ich aber höre, wie er im nächsten Moment schon wieder die Wohnung verlässt, ohne auch nur eine der Aufgaben erledigt zu haben, die ich ihm aufgetragen habe, verbanne ich meine soziale Ader in die dunkelste Ecke meine Gehirns.

Am liebsten würde ich schon wieder ausflippen und herumschreien, aber da er leider gerade gegangen ist, würde es niemand hören, weswegen ich es auch lassen kann.

Deshalb stehe ich nur ebenfalls wieder auf, schnappe mir meine Jacke und meine Umhängetasche und mache mich auf den Weg zur Uni.
 

Wenig später sitze ich mit einem dampfenden Becher Kaffee in der noch recht leeren Cafeteria und blättere in einer Zeitung, die ich auf dem Weg zur Uni am nächstbesten Kiosk gekauft habe.

Obwohl es von Wohnungsanzeigen nur so wimmelt, finde ich nichts, was auch nur im Entferntesten auf meine Bedürfnisse zugeschnitten ist.

„Na, suchst du schon wieder nach Wohnung,“ begrüßt mich in dem Moment Jonas und stellt seinen Kaffeebecher neben den meinen, ehe er sich auf dem Stuhl gegenüber von mir niederlässt.

Wir haben uns im ersten Semester kennen gelernt und sofort gut verstanden. Wir studieren beide Mathe und dadurch, dass wir uns gegenseitig gut ergänzen und uns somit Dinge gegenseitig erklären können, läuft es für uns beide bisher auch richtig gut.

Darüber, dass wir wegen der Uni viel zusammen gelernt haben, haben wir uns auch angefreundet und meistens ist es Jonas, mit dem ich abends oder am Wochenende fortgehe.

Er und Leon sind momentan meine einzigen richtigen Freunde in Berlin, obwohl ich eigentlich mit allen gut klar komme und mit jedem Spaß haben kann. Trotzdem sind es immer nur die Beiden, die sich mein Gejammer und meine Sorgen bezüglich Sascha anhören dürfen – und auch die einzigen, die es interessiert.

Leon ist Jonas Mitbewohner und studiert im vierten Semester Germanistik. Er ist ein richtig netter Kerl, der auf dem Campus so ziemlich jeden kennt.

Er stößt wenig später zu uns, als ich schon dabei bin, Jonas von dem Streit am heutigen Morgen zu erzählen.

„Ich weiß nicht, was ich noch machen soll. Ich würde gerne in den Semesterferien umziehen, damit ich den Stress nicht habe, wenn die Uni wieder anfängt,“ jammere ich und rühre mit einem kleinen Plastikstäbchen in meinem Kaffee herum.

„Ist jetzt sicher, dass du ausziehen willst?“, erkundigt sich Leon, der von dem vorherigen Teil des Gesprächs nicht viel mitbekommen hat. Ich nicke.

„Er ist heute schon wieder gegangen, ohne etwas zu machen und ich habe langsam die Schnauze voll. Es müsste schon ein Wunder geschehen, dass er heute Abend endlich mal seine alten Kaffeetassen ausgespült hat.“

„Ich kann mich ja noch mal umhören, ob ich nicht noch jemanden kenne, der einen Platz für dich frei hat,“ bietet sich Leon an und ich stimme dankbar zu.

„Ist mir mittlerweile auch fast egal, wo ich unterkomme – Hauptsache, ich muss nicht mehr mit so einem Chaoten zusammen wohnen,“ murre ich und schlürfe meinen Kaffee, während ich mich in der Cafeteria umsehe, die sich nach und nach mit Studenten füllt, die vor ihrer ersten Lesung noch frühstücken wollen.

„Ich muss dann los, Leute,“ verabschiedet sich Leon derweil und steht auf. Wir sehen ihm nach, als er seinen Plastikbecher in einen der Mülleimer wirft und dann Richtung seines Hörsaals verschwindet.

„Wir sollten auch langsam los,“ meint Jonas und steht langsam auf, wartet, dass ich ihm folge. Am liebsten würde ich jetzt nach Hause gehen und mich in meinem Bett verkriechen.

Ich habe keine Lust, mich jetzt mit mathematischen Formeln auseinander zusetzten, weil mein Kopf so voll mit Gedanken bezüglich meinem Problem mit Sascha und der Suche nach Wohnungen ist, dass ich mich eh nicht konzentrieren kann.

Dennoch folge ich Jonas in Gedanken versunken zu unserer Lesung.
 

Den Nachmittag habe ich zunächst in der Universität und danach in einem Café verbracht und so ist es nun schon dunkel, als ich mich dazu überwinden kann, in mein Verließ zurück zu kehren.

Als ich die Wohnungstüre öffne, empfängt mich der altbekannte muffige Geruch, der von der Küche herrührt und den ich die meiste Zeit zu ignorieren versuche.

Dieser Gestank lässt mich bereits wissen, dass auch heute wieder nichts in der Küche gemacht worden ist und als ich mir im Kühlschrank einen Jogurt hole, sehe ich mich in meiner Vermutung bestätigt.

Noch immer stapeln sich schmutzige Tassen, Teller und Töpfe auf der kleinen Anrichte und gammeln vor sich hin.

Weil ich keine Lust habe, ihm schon wieder hinterher zu räumen, lasse ich einfach alles so, wie er es verlassen hat und gehe mit dem Jogurt geradewegs in mein Zimmer.

Doch noch bevor ich mich in den Schutz meiner kleinen Höhle zurückziehen kann, läuft mir Sascha vor die Füße.

„Hey,“ begrüßt er mich ganz unbekümmert, als wäre nie etwas zwischen uns gewesen.

„Hm,“ brumme ich nur und versuche mich an ihm vorbei zu schieben, um in mein Zimmer zu gelangen, aber er hält mich auf.

„Hör mal, du willst ja eh ausziehen, oder?“, fragt er und klingt dabei ziemlich geschäftig, so dass ich alarmiert aufblicke.

Ehe ich antworten kann, spricht er schon weiter: „Ich habe einem Kumpel versprochen, er kann dein Zimmer haben. Also wäre es nett, wenn du so schnell wie möglich abhauen könntest. Er hat nämlich schon seine Wohnung gekündigt.“

Mir klappt der Mund auf und ich weiß gar nicht, was ich auf so viel Dreistigkeit noch groß antworten soll. Ehe ich mich sammeln kann, ist er auch schon zur Wohnung draußen und alles was mir bleibt, ist, ihm den Becher in meiner Hand mit einem wütenden Aufschrei nachzuwerfen.

Dieser knallt gegen die Haustür, bespritzt den gesamten Flur mit Jogurt und bleibt dann auf dem Boden liegen.

Ich blicke auf die Sauerei und atme schwer aus. „Scheiße.“
 

Wenig später knie ich vor der Türe auf dem Boden und wische meine Jogurtreste von den Fließen.

Ich habe das Gefühl, noch nie einen so beschissenen Tag wie heute erlebt zu haben und bin immer noch unglaublich wütend auf Sascha. In einem Anflug von Hass habe ich vorhin sogar all seine Essensreste auf seinem Bett verteilt.

Nun fühle ich mich zwar – entgegen meiner Erwartungen – nicht besser, aber immerhin hat er jetzt auch mal was von seinem Schmutz.

Als ich den Lappen auswasche, schimpfe ich mich selbst einen Idioten, es nicht besser gewusst zu haben. Während ich mir Gedanken gemacht habe, ob ich ihn damit nicht in die Bredouille bringe, wenn ich jetzt einfach die Wohnung wechsle, hat er nun gar keine Skrupel, mich rauszuschmeißen, um für seinen beschissenen Kumpel Platz zu schaffen.

Aber eigentlich bin ich ja auch selbst Schuld. Ich hätte nie vom Ausziehen sprechen sollen, sondern hätte ihn einfach mit den Tatsachen konfrontieren müssen, wenn ich was anderes gefunden hätte.

Nun stehe ich mit einem Fuß auf der Straße und kann mich nur auf meine Kündigungsfrist berufen, wenn ich überhaupt eine habe. Denn da ich eigentlich keine Rechte genieße, weil nur Sascha den Mietvertrag für die Wohnung unterschrieben hat und ich bloß als Mitbewohner eingetragen bin, ist es fraglich, ob ich groß Ansprüche gegen ihn erheben kann.

Und genauso genommen nützt mir all das eh nur wenig, wenn ich bis dahin keine Wohnung gefunden habe. Darüber hinaus, dass ich auch eigentlich keine Lust habe, ihn noch wegen der scheiß Wohnung hier zu verklagen, in der ich eh nicht länger bleiben möchte.

Während ich gerade das letzte Mal gedankenversunken über den Boden wische, klingelt mein Handy und ich taste unbeholfen auf der Oberseite der Kommode neben mir herum.

Als ich gerade glaube, extra aufstehen zu müssen, fühle ich das Handy doch unter meinen Finger und reiße es zu mir heran.

Ich denke schon, es ist Sascha und hoffe es sogar, weil ich ihn dann noch einmal richtig anschreien könnte, aber stattdessen ist es Leon.

„Ja?“, melde ich mich und er begrüßt mich mit einem fröhlichen ‚Hey’.

„Was machst du gerade?“, fragt er und ich verziehe den Mund, weil ich gerade eigentlich keine Lust auf Konversation habe.

Da ich aber nicht unhöflich sein möchte, antworte ich trotzdem: „Ich wische den Flur.“

„Coole Sache,“ meint er und klingt dabei auch noch so, als wäre es tatsächlich eine ‚coole Sache’. Ich sage nichts dazu und warte darauf, dass er mir den Grund für seinen Anruf erzählt.

„Hör mal, ich glaube, ich habe eine Wohnung für dich gefunden. Die ganze Sache hat allerdings einen Haken.“

Ich ziehe die Brauen hoch und meine Stimmung hellt sich fast sekündlich auf.

„Der Haken ist mir scheiß egal, ich nehme sie!“

Der Schatten

„Hier ist es also?“, frage ich Leon und sehe mich in der Straße um, in der meine neue Wohnung liegen könnte.

Nachdem er mir am gestrigen Abend die gute Nachricht überbracht hat, war ich Feuer und Flamme, die Wohnung endlich in Augenschein nehmen zu können und habe ihn gleich nach der Uni hier her geschleift.

„Ja, hier oben im dritten Stock,“ klärt er mich auf und zeigt auf ein großes weißgräuliches Gebäude, dass ziemlich unscheinbar wirkt. Die Gegend hier ist allerdings recht hübsch, es gibt einige Bäume an der Straße und neben einigen Studenten habe ich hier auch schon eine Oma mit Dackel vorbeispazieren sehen.

Hier könnte es mir gefallen.

„Und wo liegt nun genau der Haken?“, frage ich neugierig, weil ich bis jetzt eigentlich nichts Negatives erkennen konnte.

Ich hoffe nur, dass ich nicht wieder einen schmuddeligen Mitbewohner antreffen muss.

Ehe Leon mir antworten kann, taucht hinter uns ein Junge auf, der uns unentwegt anlächelt, als hätte man seine Mundwinkel an seine Backen getackert.

„Du musst Jasper sein,“ meint er und schüttelt mir überschwänglich die Hand, „Leon hat mir schon erzählt, dass du ganz dringend eine neue Wohnung suchst.“

Ich nicke nur überfordert und blicke Leon vorwurfsvoll an. Ich hoffe, der Junge wird nicht mein neuer Mitbewohner, sonst kann ich mir gleich die Kugel geben.

„Ich bin Daniel, mir gehört momentan noch das Zimmer, das du bekommen würdest,“ klärt er mich auf und stürmt auf den Eingang zu, winkt dabei ungeduldig, damit wir ihm folgen.

Während ich noch ein Dankesgebet in den Himmel schicke, dass er es wohl ist, der auszieht, schleift Leon mich schon mit sich.

Einen Augenblick später befinden wir uns in einer relativ großen – aufgeräumten!!! – Wohnung wieder und ich sehe mich schon recht zufrieden um.

„Wir haben eine kleine Küche mit Essbereich, ein Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer und ein Bad. Also relativ groß. Dafür ist die Uni etwas weiter entfernt, wie du sicher schon gemerkt hast,“ klärt Daniel mich auf und ich nicke nur, weil ich bei ihm eh nicht groß zu Wort komme. Es ist mir tatsächlich nicht entgangen, dass ich früh ein wenig unterwegs sein würde, würde ich hier einziehen. Aber wie ich schon gesagt habe: Alles ist besser als das, was ich bisher habe.

„Ich bin nach dem Semester fertig und habe bereits eine Anstellung in München, also ziehe ich zum Ende des Semesters aus und du hast die ganzen Ferien Zeit, umzuziehen.“

Ich sage ihm natürlich nicht, dass ich mir nicht lange Zeit lassen kann, weil man mich eigentlich schon jetzt rausgeschmissen hat, weil es ihn nichts angeht. Stattdessen meine ich nur, dass sich das sehr gut anhört.

Daniel klatscht zufrieden in die Hände und wird noch aufgedrehter als eh schon – falls das überhaupt möglich ist -, weil er wohl froh ist, einen Nachmieter gefunden zu haben.

Er führt uns in sein Zimmer, dass ungefähr doppelt so groß wie mein jetziges ist und ein normales Fenster hat, durch das sogar Licht dringen kann.

„Das wäre dann dein Reich. Ich nehme allerdings alle Möbel mit, also musst du deine Einrichtung definitiv selbst mitbringen.“

„Kein Problem,“ erwidere ich nur, weil ich sowieso meine eigenen Möbel habe mit nach Berlin nehmen müssen, als ich bei Sascha eingezogen bin.

Während Daniel mir die Eckdaten erklärt, wird mir die Wohnung immer sympathischer. Sie liegt zwar etwas weit von der Uni entfernt, aber ist groß, hell, sauber und relativ billig.

„Wie ist eigentlich mein neuer Mitbewohner so,“ frage ich Daniel, weil ich sicher nicht einwilligen werde, wenn ich wieder so einen Volltrottel wie Sascha erwischen sollte.

Leon räuspert sich und möchte wohl etwas dazu sagen, aber Daniel kommt ihm (natürlich) zuvor.

„Domi ist total nett. Ein wenig in sich gekehrt vielleicht, aber sehr umgänglich. Er erledigt seine Aufgaben, nervt nicht und verhält sich ruhig. Ich habe jetzt ein Jahr mit ihm zusammen gewohnt und konnte mich nie über ihn beschweren,“ klärt er mich auf und begeistert mich damit sofort total, weil dieser Domi sich so ziemlich nach dem kompletten Gegenteil von Sascha anhört.

Leon sieht so aus, als würde er dem Ganzen gerne noch etwas hinzufügen, aber ich habe noch einige Fragen an Daniel, die wichtiger sind, als sich über meinen neuen Mitbewohner auszutauschen. Solange der Junge nett und ordentlich ist, sollte es ja kein Problem sein, ein paar Jahre mit ihm auszukommen.

Als wir eine halbe Stunde später die Wohnung verlassen, bin ich überglücklich, eine neue Bleibe gefunden zu haben.

„Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll,“ meine ich zu Leon, „Ich hätte nicht gewusst, wo ich hätte hingehen sollen, hätte ich jetzt nicht diese tolle Wohnung gefunden.“

„Schon gut,“ winkt er ab und deutet hoch zu dem Fenster, dass zu meiner neuen Küche gehört, „Daniel hat mir schon vor Längerem erzählt, dass er sich schwer tut, einen neuen Mitbewohner zu finden, weil die meisten Studenten lieber nahe an die Uni wollen. Nachzufragen, ob sie noch frei ist, hat mir wirklich nicht viel Mühe abverlangt.“

Ich bin ihm trotzdem dankbar und lade ihn noch auf einen Burger ein, ehe wir nach Hause gehen.

Wenn jetzt keine Katastrophe mehr passiert, dann kann ich nächste Woche den neuen Mietvertrag unterschreiben und meine Wohnung bei Sascha kündigen, ehe er mich rausschmeißen kann.
 

Drei Tage später klingle ich bei Daniel und noch ehe ich die Hand vom Klingelknopf nehmen kann, reißt er bereits die Türe auf.

„Unten war offen, deswegen bin ich gleich hoch gekommen,“ sage ich, aber wirklich interessieren tut es ihn nicht. Er begrüßt mich nur wieder ungestüm und zieht mich dann mit sich Richtung Küche.

Wenig später sitze ich bereits am Küchentisch und lese mir den Vertrag durch.

Mit am Tisch sitzt auch der eigentliche Vermieter der Wohnung, der einen recht freundlichen Eindruck macht.

„Okay,“ meine ich, nachdem ich ihn auf mögliche Haken überprüft habe und unterschreibe den Wisch.

„Gut, dann gehört die Wohnung ab den Semesterferien dir,“ freut sich Daniel und hibbelt auf seinem Stuhl herum, während der Vermieter nur geschäftig aus der Wäsche guckt.

„Endlich,“ stöhne ich und fühle förmlich, wie mir einige hundert Steine vom Herzen fallen.

Als der Vermieter sich gerade auf den Weg machen will, öffnet sich die Haustür und ein Schatten huscht herein.

Eigentlich ist es kein richtiger Schatten – obwohl er zweifelsohne einen Schatten besitzt – sondern ein kleiner, schmaler Kerl, der komplett in Schwarz gekleidet zu sein scheint.

„Domi!“, brüllt Daniel durch die halbe Wohnung und wedelt schon wieder mit der Hand, wie er es immer tut, wenn er möchte, dass jemand herkommt oder ihm folgt.

Domi der Schatten verdreht die Augen, während er erst seine Jacke auszieht, ehe er in die Küche kommt.

Der Vermieter sagt sich nun gänzlich los und verschwindet, während Domi mich interessiert mustert.

„Domi, das ist Jasper. Er übernimmt mein Zimmer. Jasper, dass ist Dominik, mein beziehungsweise dein Mitbewohner,“ stellt Daniel uns vor und ich lächle das Schattenwesen nett an und winke dämlich. „Hi.“

„Hi,“ nuschelt Domi und nimmt auf dem freien Küchenstuhl Platz. Irritiert sehe ich ihm zu, wie er die Beine hochzieht und zu einem Schneidersitz verknotet, ehe er mir wieder seine Aufmerksamkeit schenkt.

„Ich habe gerade den Mietvertrag unterschrieben,“ erkläre ich ihm, was eigentlich offensichtlich ist. Allerdings weiß ich nicht, was ich groß mit ihm reden soll. Er wirkt ziemlich unnahbar und verschüchtert und Daniel ist auch keine große Hilfe, weil er ausnahmsweise mal nichts sagt, sondern uns nur beobachtet.

Dominik macht keinerlei Anstalten, mir zu antworten, sondern spielt nur an seinen Haaren herum, die wild in alle Richtungen abstehen und teilweise blond und teilweise schwarz gefärbt sind. Ein bisschen ein Freak ist er ja schon…

„Er hat ziemlich schlechte Erfahrungen mit seinem jetzigen Mitbewohner gemacht,“ klärt Daniel Dominik auf und deutet dabei auf mich, als wäre es nicht klar, dass er mich meint.

„Offenbar bist du das genaue Gegenteil von dem Typ, also müsstest ihr euch ja blendend verstehen.“

Domi nickt und sieht mich wieder an. Ich weiß nicht so genau warum, aber ich fühle mich ein wenig unwohl, wenn er mich so ansieht. Es ist eine Mischung aus Neugierde und Misstrauen und mit letzterem kann ich nicht so gut umgehen.

Teilweise deshalb, teilweise, weil es tatsächlich schon recht spät ist, stehe ich letztlich auf und sage mich los.

Daniel bringt mich noch zur Türe, während Dominik in seinem Zimmer verschwindet.

„Er ist ein wenig komisch, oder?“, frage ich Daniel, als ich sicher bin, dass Domi uns nicht mehr hören kann.

„Ja, schon. Aber wenn er erst mal aufgetaut ist, dann ist er wirklich sehr nett,“ beruhigt Daniel mich und ich nicke, ehe ich mich verabschiede.

„Bis dann!“, ruft er mir nach, als ich bereits halb die Treppen unten bin.

Tatsächlich war das aber das letzte Mal, dass ich Daniel gesehen habe.

Die restlichen Tage an der Uni läuft er mir nicht mehr über den Weg und als ich drei Tage nach Beginn der Semesterferien Jonas und Leon die Türe öffne, die gekommen sind, um mir beim Umzug zu helfen, ist er bereits auf dem Weg nach München.

Daniel hat mir heute früh morgens bereits den Schlüssel in den Briefkasten geworfen und so komme ich nun das erste Mal ohne zu Klingeln in die Wohnung.

Aufgeregt trete ich in den kleinen Vorraum, von dem ein schmaler Gang bis zu meinem Zimmer führt. Links und rechts des Ganges gehen jeweils zwei Türen weg. Auf der rechten Seite befinden sich das Bad und Domis Zimmer, auf der linken Seite die Küche und das kleine Wohnzimmer.

„Hallo?“, rufe ich, aber Domi antwortet nicht. Ich schleiche mich zu seinem Zimmer und klopfe, aber auch hier bekomme ich keine Antwort.

Entweder schläft er noch oder er ist nicht da. Ich hoffe nur, dass wir ihn nicht wecken, sollte er tatsächlich noch im Bett liegen, allerdings wären wir die ersten, die bei einem Umzug keinen Krach machen würden.

Mit einem Türstopper hindere ich die Haustüre daran, beim ersten Windhauch ins Schloss zu knallen, ehe ich wieder nach unten gehe und Jonas und Leon beim Ausräumen des gemieteten Transporters helfe.

Was nun folgt, ist ein mühsames Erklimmen der Treppen mit teilweise recht schweren Möbelstücken.

Als wir endlich fertig sind, sind wir hundemüde und ich beschließe, die Jungs zum Dank auf ein paar Drinks einzuladen und meinen Einstand zu feiern.

Dominik habe ich den ganzen Tag nicht gesehen. Entweder ist er nicht zu Hause oder er liegt tot in seinem Zimmer. Letzteres ist allerdings relativ unwahrscheinlich.
 

Als ich am späten Abend nach Hause komme, versuche ich, möglichst leise zu sein, während ich mich in mein Zimmer schleiche.

Erst als ich an Domis Türe vorbeikomme, sehe ich, dass unter dem Türspalt Licht hervor scheint.

Ich überlege, ob ich schnell bei ihm klopfen soll, aber lass es dann doch. Richtig bekannt machen können wir uns auch morgen Früh in aller Ruhe.

Er sieht das allerdings anders. Als ich mich gerade ausgezogen und ins Bett geworfen habe, reißt er meine Türe auf, ohne vorher zu klopfen und macht das Licht an, welches ich gerade erst ausgemacht habe.

Ich starre ihn entgeistert an und er starrt ebenso zurück. „Du hast mich zu Tode erschreckt!“, brüllt er.

Ich blinzle nur und weiß nicht so genau, was er von mir will. „Wieso?“, frage ich also nur dümmlich und er verzieht den Mund.

„Daniel hat gesagt, du ziehst erst nächste Woche hier ein und ich habe mich darauf verlassen, dass stimmt, was er sagt. Und dann sitze ich nichts ahnend in meinem Zimmer und höre plötzlich, wie jemand in der Wohnung herumgeistert,“ meckert er und ich seufze. Irgendwie habe ich mir unseren Start ja anders vorgestellt.

„Sorry, eigentlich hatte ich Daniel gesagt, dass ich bereits heute einziehen werde. Ich bin davon ausgegangen, dass du Bescheid weißt,“ rechtfertige ich mich und verfluche Daniel dafür, dass ich wegen ihm schon am ersten Abend einen wütenden Domi vor mir habe.

Andererseits muss er sich ja auch nicht so anstellen. Um ihn versöhnlich zu stimmen, lächle ich ihn also nett an und klopfe auf mein Bett.

„Komm her,“ meine ich und mache Platz, dass er sich setzten kann und wir noch ein wenig Quatschen und uns kennen lernen können. Er aber glotzt mich nur blöd an, öffnet den Mund, ohne etwas zu sagen, dreht dann auf dem Absatz um und knallt die Tür hinter sich zu.

„Okay… dann nicht?“, murmle ich irritiert und zucke mit den Schultern. Verstehe einer diesen Kerl!
 

Nach unserem reichlich misslungenen Start gestern Abend, habe ich heute gar keine Lust, mein Zimmer zu verlassen und Dominik unter die Augen zu treten. Ich habe das Gefühl, er kann mich nicht leiden, dabei habe ich ja gar nichts gemacht, was ihn hätte verärgern können.

Das gestern Abend ist zwar blöd gelaufen, war aber nicht meine Schuld und dass er so ausflippen und aus dem Zimmer stürmen musste, war reichlich übertrieben.

Nichtsdestotrotz muss ich mein Zimmer irgendwann verlassen, wenn ich nicht verhungern möchte. Deshalb raffe ich mich auf und laufe Richtung Küche.

Mein Kopf meldet sich, um mir zu sagen, dass die paar Drinks gestern Abend eindeutig einer zu viel waren, und beschließe, zuerst eine Tablette zu schlucken, ehe ich mir etwas zu Essen mache.

Als ich in die Küche trete, treffe ich auf Dominik. Ich hatte gehofft, er würde noch schlafen, aber leider ist das nicht der Fall. Trotz meiner Kopfschmerzen versuche ich, möglichst nett zu sein und das Ganze als einen Neustart anzusehen.

„Morgen,“ grüße ich ihn als fröhlich und versuche zu lächeln, ehe ich mich Abwende und mir ein Aspirin und einen Jogurt suche.

„Morgen,“ meint er ein wenig verhalten und rutscht auf seinem Stuhl herum. Offenbar weiß er auch nicht recht, wie er sich verhalten soll. Das ist allerdings meine Chance!

„Ist blöd gelaufen gestern, was?“, frage ich ihn und er gibt ein lang gezogenes ‚Hmm’ von sich.

„Vielleicht können wir einfach noch mal neu beginnen?“, frage ich und warte auf eine Reaktion, die allerdings ausbleibt.

Ich setzte mich samt Jogurt an den Tisch und rühre unsicher im Becher herum.

„Also denkst du, wir können miteinander auskommen?“, frage ich ihn und er nickt. „Denke schon,“ nuschelt er und ich lächle ihn erfreut an.

„Okay, super. Wollen wir dann heute Mittag zusammen zum Italiener und uns besser kennen lernen? Ich lade dich auch ein, ja?“

„Ich fahre heute nach Hause,“ wehrt er ab und wird rot, auch wenn ich nicht so ganz nachvollziehen kann, warum ihm das peinlich ist.

„Ach so,“ meine ich dümmlich. „Sind ja Ferien, stimmt,“ füge ich hinzu und blicke auf meinen Löffel, ohne zu essen.

„Ich fahre morgen. Wann kommst du zurück?“, will ich dann wissen.

„Erst kurz bevor das Semester beginnt,“ klärt er mich auf und ich habe das Gefühl, dass keine sonderlich große Konversation mehr aus diesem seltsamen Gespräch entstehen kann.

„Ich auch. Dann sehen wir uns ja gar nicht mehr groß, ehe die Uni wieder anfängt,“ stelle ich fest und er nickt nur stumm.

„Aber danach lade ich dich definitiv zum Italiener ein!“, rufe ich freudig und warte gar nicht erst auf Antwort, sondern springe auf und verabschiede mich ins Bad. Den Jogurt lasse ich erst mal unberührt stehen. Ich habe nicht das Gefühl, schon etwas essen zu können.
 

Ich verlasse das Bad erst wieder, als ich höre, dass Dominik in seinem Zimmer verschwindet. Es ist zwar irgendwie gemein, ihm auszuweichen, aber er macht es mir auch nicht besonders leicht, offen mit ihm umzugehen, so verschlossen, wie er sich gibt.

Andererseits scheint er ja doch recht in Ordnung zu sein, wenn auch etwas wortkarg, weshalb ich mir sicher bin, dass wir relativ gut miteinander auskommen werden.

Vielleicht sollte ich Daniels Worten auch einfach Glauben schenken und darauf hoffen, dass Domi mit der Zeit schon auftauen wird.

Wieder in meinem Zimmer, beginne ich, ein paar Habseligkeiten zusammen zu packen.

Ich werde tatsächlich die gesamten Ferien über bei meinen Eltern zu Hause verbringen und ein paar alte Freunde wieder sehen.

Ein bisschen Schade ist es schon, dass ich Dominik dann kaum kennen lernen konnte, ehe der ernst des Lebens wieder beginnt, aber es ist ja nicht zu ändern.

Ich hoffe einfach darauf, dass er nach den Ferien ein wenig umgänglicher sein wird und versuche, einfach so nett wie nur möglich zu ihm zu sein.

Als ich gerade anfange, alle Dinge, die ich zusammen gesucht habe, in einen Koffer zu stopfen, klopft es an der Türe und er steckt seinen Kopf herein.

„Ich wollte Tschüß sagen,“ erklärt er mir und tritt ein.

Er hat schon seine Jacke angezogen und wirkt wieder wie ein Schatten.

Das einzig helle an ihm ist der blonde Haarbüschel, der den oberen Teil seiner Haare ausmacht.

„Okay, dann kommt gut zu Hause an,“ meine ich ein wenig unschlüssig, weil ich keine Ahnung habe, wie ich ihn nun verabschieden soll.

Soll ich ihn in eine kumpelhafte Umarmung schließen, einfach nur winken oder ihm feierlich die Hand geben?

Er sieht ebenfalls ein wenig unbeholfen drein und wirkt relativ verloren.

Ein bisschen hat er was von einem Welpen, so hilflos und unschuldig blickt er mich an. Allerdings habe ich ja gestern Abend bereits gemerkt, dass er auch ganz anders kann.

„Du morgen auch,“ meint er nun und versucht sich an einem Lächeln, was ein bisschen misslingt.

„Tut mir Leid wegen gestern Abend,“ nuschelt er dann und es scheint ihm ziemliche Überwindung zu kosten, das zu sagen.

Ich muss grinsen. „Schon vergessen,“ winke ich ab, „Du warst halt erschrocken, weil du nicht mit mir gerechnet hast.“

Er nickt und scheint dem ganzen recht wenig hinzufügen zu wollen.

Unruhig tritt er auf der Stelle hin und her und ich glaube, dass es Zeit ist, ihn zu erlösen.

Ehe ich aber etwas sagen kann, meint er: „Wir können nach den Ferien gerne zusammen Essen gehen.“

Dabei wird er wieder aus unerfindlichen Gründen rot und ich nicke und stimme ihm zu.

„Aber ich habe keine Lust, verarscht zu werden, ja?“, fügt er hinzu und ich blinzle ihn irritiert an.

„Klar, warum sollte ich auch?“, frage ich verwirrt und er winkt nur ab und lächelt noch einmal, ehe er macht, dass er von mir wegkommt.

„Tschüß,“ ruft er mir zu, als er bereits im Flur ist und ich kann gerade noch antworten, ehe auch schon die Haustüre hinter ihm ins Schloss fällt.

Ich runzle die Stirn und weiß immer weniger, was ich von ihm halten soll.
 

„Und? Die erste Nacht gut überstanden?“, begrüßt Leon mich, als ich bei ihnen zu Hause aufschlage.

Auch sie fahren morgen nach Hause und so ist es das letzte Mal für geraume Zeit, dass wir uns sehen können.

Deshalb haben wir uns noch einmal getroffen, um zusammen zu Abend zu essen, ehe jeder seiner Wege geht.

„Ja, das schon,“ meine ich und erzähle ihnen dann von Dominiks seltsamen Verhalten.

„Ist ja komisch,“ befindet Jonas, während Leon nur unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutscht und offensichtlich nicht weiß, was er sagen soll.

„Was ist denn los?“, frage ich ihn, weil mir sein seltsames Verhalten doch recht verdächtig vorkommt.

„Ich habe dir doch gesagt, dass das Ganze einen Haken hat,“ meint er und ich runzle die Stirn.

Tatsächlich habe ich komplett vergessen, dass Leon mich ja gewarnt hatte, etwas an der Wohnung wäre faul. Ich erinnere mich, wie ich ihn nicht habe zu Wort kommen lassen, als er es mir sagen wollte und dass ich danach nicht noch einmal gefragt habe.

Nun bekomme ich ein wenig Angst, weil die ganze Sache offensichtlich etwas mit Dominik zu tun hat.

„Ist Domi etwa ein Psycho oder so was?“, frage ich ängstlich nach, weil ich dem stillen Kerl mittlerweile alles zutraue.

„Nein, das nicht,“ winkt er ab und ringt sich zu seinem Lächeln durch. „Er ist nur… Naja… Also… Er ist schwul.“

Ich blinze ihn wenig beeindruckt an und weiß nicht so genau, was ich davon halten soll, wie er mir die Botschaft gerade überbracht hat. Sieht Leon es als Problem an, wenn jemand schwul ist? Damit hätte ich nicht gerechnet, ich habe ihn immer relativ offen für alles eingeschätzt.

Nicht, dass ich jetzt geglaubt hätte, er würde sein Bett mit Jungs teilen. Aber ich dachte zumindest, dass er kein Problem damit hätte, wenn es jemand anderes tut.

Er muss mir meine Gedanken an meinem Gesichtsausdruck abgelesen haben, denn er meint sofort: „So meinte ich das jetzt nicht!“

Ich zucke nur mit den Schultern und fange wieder an zu essen. „Ist mir eigentlich recht egal, ob er schwul ist oder nicht. Ich hatte in meiner alten Klasse auch einen, der schwul war, und mit dem habe ich mich immer gut verstanden,“ erwidere ich mit vollem Mund.

Ehrlich gesagt hatte ich meine ersten sexuellen Erfahrung mit diesem Jungen, ehe ich eher die Mädchenschiene eingeschlagen habe, während er bei Jungs geblieben ist, aber das müssen Leon und Jonas ja nicht wissen.

„Was ich sagen wollte war ja auch nicht, dass es ein Problem ist, dass Dominik schwul ist,“ rudert Leon zurück und ich ignoriere ihn. Ich habe keine Lust, jetzt groß darüber zu diskutieren. Ich weiß nicht genau, ob er das jetzt nur sagt, weil ich so offen für Homosexualität bin und er es sich nicht mit mir verscheißen möchte, oder weil er wirklich selbst auch nichts dagegen hat.

Stattdessen überlege ich mir, ob es irgendetwas daran ändert, wie ich mit Dominik umgehen sollte und im nächsten Moment fällt mir wieder ein, wie er gestern Abend wütend aus dem Zimmer gestürmt ist, nachdem ich ihn gebeten habe, zu mir ans Bett zu kommen.

„Oh,“ meine ich leise und blicke peinlich berührt auf meinen Teller. Er hat das sicher komplett falsch aufgefasst und dachte, ich würde ihn entweder verarschen oder vernaschen wollen – keine Ahnung, was davon jetzt schlimmer für ihn gewesen wäre.

Würde zumindest erklären, warum er zu mir gesagt hat, er möchte einfach nicht verarscht werden.

Da bin ich ja noch stärker ins Fettnäpfchen gesprungen, als ich zunächst vermutet hätte. Hoffentlich hat er nicht auch noch gedacht, dass Essen beim Italiener wäre ein Date.

Ich beiße mir auf die Lippen.

„Siehst du!“, triumphiert Leon, dem das natürlich nicht entgeht, „So einfach ist es nämlich gar nicht!“

Ich zucke erneut mit den Schultern. Zwar werde ich etwas klar stellen müssen, wenn ich Dominik das nächste Mal sehe, aber ansonsten sehe ich kein Problem darin, mit ihm normal umzugehen, wo ich es nun weiß.

„Darauf wollte ich aber eigentlich gar nicht hinaus,“ meint er und beugt sich nun zu uns vor, blickt uns verschwörerisch an.

„Das Problem ist nicht, dass er schwul ist, sondern das einige Gerüchte im Umlauf sind.“

„Gerüchte?“, echot Jonas, von dem ich ganz vergessen habe, dass er noch da ist, und auch ich bin mit einem Mal ziemlich neugierig.

„Was für Gerüchte?“, frage ich und bekomme nun doch ein wenig Angst. Nicht, dass ich glaube, dass Dominik nachts in mein Zimmer kommt und mich vergewaltigt, aber irgendetwas muss es ja sein, wenn Leon schon die ganze Zeit von einem Haken an der ganzen Sache spricht.

Leon sieht sich um, als könnte tatsächlich plötzlich wer in ihrer Küche stehen, der uns belauscht, ehe er flüstert: „Soweit ich weiß, geht das Gerücht um, er habe eine Affäre mit einem der Professoren.“

Rumpelstilzchen

Ich habe die ganzen Semesterferien versucht, nicht an das zu denken, was Leon mir über Dominik erzählt hat. Und dennoch habe ich mich bei jeder möglichen Gelegenheit daran erinnert. Immer, wenn meine Eltern, meine Schwester oder meine Kumpels nach meiner Wohnung oder meinem Mitbewohner gefragt haben, hat sich unweigerlich das Bild in meinen Kopf geschlichen, wie sich Dominik von einem unserer Professoren ficken lässt.

Obwohl ich auf Gerüchte recht wenig gebe, kann ich dieses Bild nicht verdrängen und frage mich immer wieder, ob es vielleicht doch stimmt. Hat Dominik tatsächlich eine Affäre mit einem der Professoren? Und wenn ja, was würde das für mich bedeuten?

Sicher, solange jener Professor nicht eines Tages halbnackt in unserer Küche steht, bin ich davon nicht groß betroffen. Allerdings reicht es mir schon alleine, darüber Bescheid zu wissen, um Dominik mit ganz anderen Augen zu sehen.

Nun weiß ich erst Recht nicht mehr, wie ich ihm gegenüber treten soll, nachdem zuvor schon seine Homosexualität für den ein oder anderen Fehltritt meinerseits gesorgt hat.

Keine Ahnung, wie ich ihm nun noch in die Augen schauen soll, wenn ich im Hinterkopf immer eine kleine Stimme höre, die sagt, dass er vielleicht gerade Sex mit einem der Dozenten gehabt hat.

Ob es stimmt? Und wenn ja, warum tut er das? Hofft er, so bessere Noten zu bekommen? Nicht auszudenken, wenn das auffliegen würde! Oder ist es die wahre Liebe und sie versuchen nur, ihre verbotenen Gefühle so lange geheim zu halten, bis Dominik mit studieren fertig ist?

Jedes Mal, wenn ich darüber nachzudenken beginne, fühle ich mich plötzlich unheimlich erschöpft und gegen Ende der Ferien habe ich beschlossen, einfach nichts auf die Gerüchte zu geben und so zu tun, als wäre all das eine riesige Lüge.

Trotzdem bin ich reichlich nervös, als ich am Freitag vor Semesterbeginn die Haustüre aufschließe und in die Wohnung trete. Sie ist leer, zumindest brennt nirgendwo Licht und ich kann mir nicht vorstellen, dass Dominik um sechs Uhr abends schon am schlafen ist.

Ich schleppe meinen Koffer in mein Zimmer und lasse ihn dann unbeachtet dort stehen, gehe in die Küche, um mir eine Cola zu holen.

Als ich gerade den Kühlschrank wieder schließe, höre ich, wie die Haustüre aufgeschlossen wird und Sekunden später steht Dominik im Raum.

„Hey,“ begrüßt er mich und ich erwidere den Gruß mit einem Lächeln, dass hoffentlich echt wirkt.

„Bist du schon länger wieder hier?“, fragt er und mir kommt es vor, als wäre es diesmal er, der an einem ungezwungenen Gespräch interessiert ist.

Ich schüttle den Kopf. „Bin vor wenigen Minuten rein gekommen.“

Er nickt und stellt die Reisetasche ab, die er sich bis eben noch über die Schulter gehängt hatte.

Unbewusst wischt er sich seine Hände an der Jacke ab und sieht dabei mit einem Mal so aus, als wäre er recht nervös. Ich sehe ihn fragend an, aber er scheint mir nicht sagen zu wollen, was plötzlich in ihn gefahren ist.

„Also… Wenn du noch nichts gegessen hast…“, beginnt er und blickt mich dabei nicht an, sondern starrt auf einen unbestimmten Fleck auf dem Boden.

Mir dämmert plötzlich, worauf er hinaus möchte und warum er dabei so nervös ist und ich beiße mir auf die Lippe, weil ich da wohl noch etwas klar stellen muss. „Hör mal… also…“, stammle ich und finde urplötzlich den Boden genauso interessant wie er es tut.

„Das sollte eigentlich kein Date werden,“ lasse ich die Katze aus dem Sack und wage nun doch, ihn wieder anzusehen.

Er steht stocksteif da, die Wangen rot und den Blick zwar auf mich gerichtet, aber irgendwie so, als würde er durch mich hindurch schauen.

Lange schweigt er und sein Gesichtsausdruck verrät nichts von dem, was er gerade denkt oder fühlt.

Ich weiß nicht, ob ich ihm damit vielleicht sogar das Herz gebrochen habe oder ähnliches und will gerade noch etwas zu meiner doch recht vagen Erklärung hinzufügen, als er wieder das Wort ergreift: „Das habe ich auch nicht erwartet!“

Von einer Sekunde zur nächsten wird sein neutraler Gesichtsausdruck plötzlich ziemlich sauer und er packt abrupt seine Reisetasche.

„Stell dir vor, nur, weil ich schwul bin, heißt das noch lange nicht, dass ich dich ficken will!“, brüllt er mir entgegen, dreht auf dem Absatz um und ist auch schon in seinem Zimmer verschwunden.

Ich bleibe alleine in der Küche zurück, starre verwirrt auf den Fleck, auf dem er eben noch gestanden hat und seufze.

Das habe ich ja wieder richtig toll hinbekommen…
 

„Domi,“ meine ich fast schon flehend und klopfe gegen seine Türe. „Domi, mach auf!“, bitte ich und versuche noch einmal, die Klinke nach unten zu drücken, obwohl ich es zuvor schon ein paar Mal versucht habe und dabei feststellen musste, dass er die Türe verschlossen hat.

„Dominik, es tut mir Leid,“ versichere ich ihm und rüttle noch einmal an der Türe. „Mach doch bitte auf!“

Ich bin kurz davor, meine Beherrschung zu verlieren, als ich höre, wie sich der Schlüssel im Schloss dreht. Ich öffne hastig die Türe und trete in sein Zimmer.

Es ist das erste Mal, dass ich mich darin befinde und ich kann nicht umhin, mich trotz der prekären Situation neugierig umzusehen.

Ich hatte etwas anderes erwartet, als das, was ich nun tatsächlich zu Gesicht bekomme.

Sein Zimmer ist in einem hellen Beige gestrichen und wirkt alles in allem ziemlich freundlich. Neben einem Bett, einem Schreibtisch und einem Kleiderschrank befindet sich in dem Raum ein voll gestopftes Bücherregal mit Romanen aller Art, eine Topfpflanze, die er zu hegen und zu pflegen scheint, so prächtig, wie sie blüht, und eine Gitarre. Das einzige, was zu seinem oft etwas düsteren Auftreten passt, sind einige Poster von Metallbands, welche mir alle nichts sagen, die über seinem Bett an der Wand hängen.

Er selbst steht mitten im Raum und wirkt ziemlich verloren.

„Ich wollte dich nicht verletzen,“ sage ich und sehe ihn entschuldigend an. „Ich habe wirklich kein Problem damit, dass du schwul bist und ich möchte mich auch wirklich nicht über dich lustig machen.“

Er sagt nichts dazu. Stattdessen dreht er sich um und setzt sich auf sein Bett, blättert geistesabwesend in einem Buch über deutsche Lyrik herum.

„Sag doch was,“ bitte ich ihn und komme mir reichlich doof vor. Ich entschuldige mich hier und er ignoriert mich einfach.

„Warum sagst du dann solche Sachen?“, will er wissen und sieht mich mit einem Mal vorwurfsvoll an.

Ich beiße mir auf die Lippen und kann ihm unmöglich sagen, dass mich Leons Ausführungen allesamt aus der Bahn gebracht haben – seien es nun die bezüglich seiner Homosexualität oder die über seine angebliche Affäre.

„Weil ich den Eindruck hatte, dass du dir vielleicht mehr erhoffst. Du bist so rot geworden und ich habe es wohl einfach falsch gedeutet.“

Er schnaubt. „Und das ich vielleicht einfach nur unsicher bin, weil mich bisher jeder gemieden oder verarscht hat und du bisher der einzige neben Daniel bist, der nett zu mir ist, das ist dir dabei nicht in den Sinn gekommen?“

Ich sehe ihn an und überlege kurz. „Nein,“ gebe ich zu, weil ich daran tatsächlich kein einziges Mal gedacht habe. Weshalb auch? Ich wusste ja nicht, dass er von allen gemieden wird.

Er sieht mich ungläubig an und ich zucke mit den Schultern. „Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie die anderen bisher mit dir umgegangen sind. Ich wusste gar nichts von dir und habe auch erst an dem Tag, an dem du weggefahren bist, erfahren, dass du schwul bist.“

Er reibt sich mit der Hand über das Gesicht und sieht plötzlich ziemlich erschöpft aus. Fast denke ich, er würde zu weinen anfangen, aber keine Träne verlässt seine Augen.

„Tut mir Leid, ich habe die ganze Zeit gedacht, dass deine plumpen Annäherungsversuche deine Art wären, dich über mich lustig zu machen. Ich wusste nicht, dass du einfach nur gut mit mir auskommen willst. Bisher… waren alle eigentlich eher froh, wenn ich sie in Ruhe gelassen habe.“

Ich blinzle, weil das letzte, was ich erwartet hätte, eine Entschuldigung seinerseits gewesen ist.

„Schon okay,“ winke ich deshalb nur perplex ab, weil ich keine Ahnung habe, was ich sonst groß dazu sagen soll.

Er scheint ein schlechtes Gewissen zu haben, denn er schüttelt nur mit dem Kopf. „Das ist gar nicht okay!“, schreit er mich an und ich habe langsam das Gefühl, dass der Junge wirklich schlimme Stimmungsschwankungen hat. Vielleicht sollte er sich mal mit einem der Psychologiestudenten zusammensetzten.

„Ich war total scheiße zu dir, dabei hast du es nur gut gemeint!“, platzt es aus ihm heraus und er springt auf und tigert unruhig in seinem Zimmer umher, während er immer wieder mehr zu sich selbst, als zu mir sagt: „Ich bin ein Idiot. Ein totaler Idiot.“

Ich trete zu ihm und hindere ihn daran, weiter auf und ab zu laufen, in dem ich seinen Arm packe und ihn so zum Stillstehen zwinge.

„Du bist gar kein Idiot, du hast es eben nicht besser gewusst und warst dir unsicher, weil du die Situation bisher wohl noch nie hattest.“

Er nickt nur und scheint wenig überzeugt, macht aber nicht mehr den Anschein, sich weiterhin selbst beschimpfen zu wollen.

„Dann hast du noch gar nichts schlechtes über mich gehört?“, fragt er und sieht mich plötzlich mit Hundeaugen an. Ich weiche seinem Blick aus, weil es mir richtig unangenehm ist, so angesehen zu werden. Das weckt in mir regelrecht das Bedürfnis, ihn fest an mich zu pressen und zu trösten und das möchte ich nicht, damit er es nicht wieder falsch verstehen kann.

„Nicht wirklich. Oder meinst du das mit deiner Affäre?“

Ich fühle unter meinen Fingerspitzen, wie er sich verspannt und erst da fällt mir auf, dass ich ihn immer noch festhalte, um ihn am hin und her laufen zu hindern. Hastig lasse ich ihn los und er wendet sich prompt ab.

„Na toll, also hast du auch schon davon gehört,“ meint er betrübt und ich glaube, nun schleicht sich doch eine Träne aus seinen Augen, die er aber in einer harschen Bewegung fortwischt.

„Domi, jetzt beruhig dich doch,“ bitte ich ihn und komme mir ziemlich hilflos vor, wie ich hier in seinem Zimmer stehe und er still vor sich hin heult.

„So eine Affäre ist halt schon recht ungewöhnlich und das die Leute darüber tratschen, ist ihnen wohl kaum zu verübeln,“ versuche ich ihn zu beschwichtigen und sage damit genau das falsche.

Ehe ich mich versehen kann, hat er sein Kopfkissen gepackt und es mir ins Gesicht geschleudert. Ich sehe ihn empört an. „Was soll das?“, fauche ich.

„Keiner hat gesagt, dass die Gerüchte stimmen, du Vollpfosten!“, giftet er zurück.

Ich blinzle und zucke mit den Schultern, wie schon so oft in letzter Zeit. „Und wo ist dann dein Problem?“

Ihm entweicht ein kleiner Schrei und er stapft dabei wütend mit dem Fuß auf, was den Anschein erweckt, er wäre Rumpelstilzchen. Als mir der Vergleich in den Kopf schießt, muss ich grinsen. Das bringt ihn allerdings erst Recht zur Weißglut und ehe ich mich versehe, hat er mir auch noch einen Teddy ins Gesicht gedonnert.

„Das ist überhaupt nicht lustig! Stell dir mal vor, über dich wären solche Gerüchte in Umlauf!“, blökt er und sieht aus, als würde er im nächsten Moment explodieren.

„Mir wäre das egal, weil ich auf solche Gerüchte recht wenig gebe,“ erwidere ich und er verzieht nur unzufrieden den Mund. „Das kann man immer leicht sagen, wenn man sich nicht in der Situation befindet,“ antwortet er und lässt sich auf sein Bett plumpsen.

Ich blicke auf ihn hinab und weiß nicht so Recht, was ich sagen soll. Die Situation ist tatsächlich alles andere als leicht, aber wenigstens weiß ich jetzt schon mal, dass die Gerüchte nicht stimmen.

Um ihn abzulenken, mache ich den Vorschlag, nun doch noch zum Italiener zu gehen.

„Ich weiß nicht,“ lehnt er jedoch ab, „Ich möchte nicht, dass sie uns zusammen sehen. Am Ende reden sie über dich auch noch schlecht und das möchte ich nicht.“

Ich runzle die Stirn. „Und wie soll das gehen? Wir wohnen zusammen! Sollen wir das jetzt unsere ganze Studienzeit über geheim halten? Was, wenn ich mal jemanden mit hier her bringe? Dann sehen sie dich! Oder Jonas und Leon – die wissen doch auch schon Bescheid.“

„Aber die sind deine Freunde und werden schon nicht über dich lästern. Und wenn du jemanden mitbringt, dann verstecke ich mich eben in meinem Zimmer,“ schlägt er vor. Ich schüttle den Kopf, weil ich von der Idee wenig halte.

„Dominik, das ist Unsinn! Es ist zwar sehr nett, dass du mich beschützen willst, aber was sollen sie denn schon groß über mich sagen? Das ich nun auch eine Affäre mit einem Professor habe?“

Er verdreht die Augen, ich scheine ihn wirklich zu nerven. „Nein, aber vielleicht, dass wir ein Pärchen sind?“, mault er und ehrlich gesagt habe ich an diese Möglichkeit noch gar nicht gedacht. Dabei ist diese Vermutung vielleicht nahe liegend, wenn man davon ausgeht, ich hätte extra meine tolle Wohnung bei Sascha aufgeben, um mit meinem neuen Freund zusammen zu ziehen.

„Ach man,“ seufze ich, weil ich eigentlich gehofft hatte, dass es jetzt endlich mal ein unkompliziertes Studentenleben werden würde, ganz ohne Probleme und Sorgen.

Deswegen sage ich auch: „Ich werde es nicht geheim halten. Wir müssen es nicht an die große Glocke hängen und wir müssen auch nicht die ganze Zeit zusammen kleben, aber ich möchte nicht lügen müssen und ich möchte auch nicht so tun, als würde ich dich nicht kennen!“

Er beißt sich auf die Lippe und sieht alles andere als begeistert aus. Ich bin sicher, er würde jetzt liebend gerne widersprechen, aber ich habe wohl so entschlossen geklungen, dass er es sich nun nicht mehr traut, dem ganzen noch etwas entgegen zu setzen.

„Nachdem das geklärt ist… Gehen wir jetzt endlich was essen? Ich habe nämlich wahnsinnigen Hunger!“
 

Während des gesamten Essens wirkt Dominik seltsam angespannt und immer wieder sieht er sich im Restaurant um, ob nicht doch jemand von der Uni anwesend ist.

Alles in allem wirkt er ziemlich paranoid, aber so wirklich verübeln kann ich es ihm nicht. Ich verstehe durchaus, dass es für ihn schwer sein muss, von allen aufgrund eines Gerüchts gemieden zu werden, an dem nicht ein Funken Wahrheit dran ist.

Und ich kann ebenfalls nachvollziehen, dass er nicht möchte, dass über uns auch noch Gerüchte in Umlauf gebracht werden, die letztlich vielleicht nicht nur ihm schaden, sondern auch mir.

Andererseits weiß ich schon gar nicht, warum überhaupt solcherlei Gerüchte in Umlauf sind und ob es einen Vorfall oder ähnliches gab, der dafür gesorgt hat, dass es ihm heute noch immer so schwer gemacht wird.

Als er mir endlich mal wieder seine Aufmerksamkeit schenkt, frage ich ihn danach: „Woher stammt eigentlich das Gerücht, dass du eine Affäre mit einem der Professoren haben sollst?“

Er verzieht erneut den Mund, offenbar ist das nicht unbedingt das Thema, über das er jetzt gerne reden würde. Allerdings kann ich ja nur nachempfinden, warum er so eine Panik schiebt, wenn ich die ganze Geschichte kenne.

„Angefangen hat es damit, dass ich in den ersten Klausuren immer am besten abgeschnitten haben. Das hat mir natürlich die Sympathie einiger Professoren eingebracht, was wiederum einigen anderen Studenten nicht gepasst hat. Weißt du, die stammen aus gutem Hause, waren an Privatschulen und haben wohl geglaubt, sie wären viel intelligenter, als wir anderen zusammen.“

Ich höre auf zu essen und blicke ihn nur gebannt an. Ich habe geglaubt, es sei mehr Überzeugungskraft nötig, ihn dazu zu bringen, mir die Geschichte zu erzählen, aber vielleicht ist er auch einfach froh, mal jemanden sein Herz ausschütten zu können.

„Was ist dann passiert?“, hake ich nach.

„Zwei Mädchen haben darüber gewitzelt, dass ich vielleicht die Professoren besteche und daraus ist dann schnell die wahnwitzige Idee entstanden, ich hätte sie vielleicht sogar mit Sex um den Finger gewickelt. Nachdem dann noch raus kam, dass einer unserer Professoren tatsächlich schwul ist, war es natürlich ein gefundenes Fresschen für sie. Sie haben überall herumerzählt, ich hätte bei ihm nur deshalb so gute Noten, weil ich ihm den Schwanz gelutscht hätte und er würde mich in den Vorlesungen deshalb so gerne sehen, weil ich danach zu einem kleinen Quickie bleiben würde.“

Jetzt hört auch er auf, während seiner Erzählungen zu essen und schiebt den Teller von sich. „Mir ist der Appetit vergangen,“ erklärt er mir peinlich berührt und ich winke nur ab, weil ich durchaus nachvollziehen kann, dass er jetzt keinen Hunger mehr hat.

„Ziemlich krass,“ befinde ich und finde kaum Worte, die beschreiben, wie abscheulich ich dieses Verhalten finde.

Er tut mir echt Leid und am liebsten würde ich ihn jetzt in den Arm nehmen und ihm versichern, dass alles wieder gut wird, aber ich fürchte, dass wäre ihm ziemlich unangenehm – vor allem, weil wir uns ja noch immer in der Öffentlichkeit befinden und er eigentlich gar nicht mit mir gesehen werden will.

„Hast du nie versucht, die Sache klar zu stellen?“, frage ich ihn.

„Doch, natürlich!“, empört er sich. „Aber wem glaubt man denn mehr? Dem, was das Opfer sagt oder dem, was alle anderen sagen? Die meisten denken, ich würde mich einfach nur rechtfertigen und die Affäre vertuschen wollen, damit unser Dozent keinen Ärger bekommt. Aus unerfindlichen Gründen scheinen sie der Ansicht zu sein, dass es eher Sinn macht, ich würde meinen Körper für gute Noten verkaufen, statt sich mit der Idee anzufreunden, dass ich einfach nur intelligent genug bin, mich in die Lehrinhalte hineinzudenken.“

Er sieht aus, als würde er gleich wieder das Weinen anfangen, weshalb ich schnell einen Kellner bitte, die Rechnung zu bringen.

Wir schweigen, bis ich bezahlt habe und wir das Restaurant verlassen haben, erst dann ergreife ich wieder das Wort: „Ich halte immer noch nichts davon, mich absichtlich von dir fern zu halten, aber wenn es dich beruhigt, dann werde ich in der Uni nur das Nötigste mit dir reden, damit keiner auf dumme Gedanken kommt, okay?“

Er nickt dankbar nuschelt ein leises ‚Okay’.

Ich lächle und nicke und sehe ihn teils wohlwollend, teils mitleidig an.

Es wird wohl echt Zeit, dass sich ihm mal einer annimmt, sonst wird er noch seine gesamte Studienzeit unter diesen Gerüchten leiden und niemals Anschluss finden.
 

„Nicht dein Ernst!“, empört sich Jonas, als ich ihm und Leon Dominiks Geschichte erzähle.

Es ist Montagmorgen und wir haben uns wie fast immer in der Cafeteria getroffen.

„Doch. Irgendjemand war neidisch auf seine guten Leistungen und hat deshalb dieses Gerücht in die Welt gesetzt,“ bestätigte ich ihnen den Tatbestand noch einmal und Jonas schüttelt ungläubig den Kopf.

„Ich verstehe nicht, was in manchen Leuten ihren Kopf so vor sich geht!“, schnaubt er und ich pflichte ihm bei.

Nur Leon scheint etwas zögerlicher. „Also ist gar nichts an den Gerüchten dran?,“ fragt er und klingt dabei noch ein wenig ungläubig. Ich weiß nicht so Recht, was das soll. Noch immer habe ich das Gefühl, dass er nicht ganz so gut mit Homosexualität umgehen kann, wie er vorgibt. Andererseits kommt er sich vielleicht auch einfach nur blöd vor, weil er bei der Verbreitung des Gerüchts kräftig mitgemischt hat.

Ich versuche, ihn nicht zu verurteilen und bestätige auch ihm noch einmal, was Dominik mir am Freitagabend erzählt hat.

„Weißt du, wer genau die Gerüchte in die Welt gesetzt hat? Denen würde ich echt gerne mal die Meinung geigen!“, motzt Jonas drauf los und lässt sich in den folgenden Minuten lange und ausführlich und mit ziemlicher Leidenschaft in der Stimme darüber aus, wie beschissen er Menschen findet, die etwas gegen Homosexuelle haben.

Leon und ich sehen ihn nur verwirrt an, bis er sich wieder beruhigt hat.

„Was ist jetzt dein Problem?“, fragt Leon irritiert, als Jonas seinen letzten Satz beendet hat. „Bist du jetzt auch schwul?“

Ich blicke die beiden fragend an. Jonas, weil ich ebenso neugierig auf eine Antwort bin, wie Leon und Leon, weil ich ihn noch immer nicht einschätzen kann.

„Nein, bin ich nicht,“ wehrt Jonas ab, „aber meine Schwester ist bisexuell und war zuletzt mit einem Mädchen zusammen. Ich finde es einfach total bescheuert, wie man ständig deshalb auf ihr herumgehackt hat und deswegen finde ich auch blöd, das jetzt alle auf Dominik herumhacken!“

Leon und ich wechseln einen Blick, weil uns beiden bisher neu war, dass Jonas eine bisexuelle Schwester hat. Um ehrlich zu sein wusste ich persönlich nicht mal, dass er überhaupt eine Schwester hat.

Ich kenne ihn nun zwar schon etwas länger und wir sind auch schon eine ganze Weile befreundet, aber über unsere Familienverhältnisse haben wir uns bisher kaum ausgetauscht. Tatsächlich habe ich mich auch nie dafür interessiert, ob Jonas nun Geschwister hat oder nicht, weil das für mich nie wirklich relevant war. Was mich interessiert hat war bisher nur Jonas an sich gewesen, mit all seinen Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten.

„Wie dem auch sei,“ beende ich Jonas Schimpftriade, „jedenfalls möchte Dominik nun nicht, dass wir uns in der Uni groß zusammen sehen lassen, weil er fürchtet, dass man sonst auch über uns Gerüchte in die Welt setzten könnte, von wegen, wir hätten eine Beziehung oder so etwas in der Art .“

„Aber das wird kaum möglich sein, immerhin wohnt ihr zusammen und man wird euch zwangsläufig mal zusammen sehen. Und selbst wenn nicht, irgendwer erfährt ja doch davon und erzählt es weiter,“ merkt Jonas an und ich nicke bekräftigend.

„Das habe ich ja auch gesagt und deshalb werde ich auch nicht groß versuchen, es geheim zu halten. Irgendwann kommt es eh raus. Ich habe ihm lediglich versprochen, ihn nicht die ganze Zeit aufzulauern und all zu viel Zeit mit ihm hier an der Uni zu verbringen. Aber alles andere finde ich unsinnig. Immerhin wohnen wir zusammen und ich möchte ihn nicht die ganze Zeit wie einen Fremden behandeln müssen.“

Jonas stimmt mir zu, nur Leon scheint wieder etwas dagegen einzuwenden zu haben, sagt aber nichts dazu. Ich kann ihm allerdings ansehen, dass er meiner Argumentation nicht so ganz zustimmen kann.

Ich wüsste gerne, wo sein Problem liegt, aber ich traue mich nicht, ihn danach zu fragen. Zum einen fürchte ich, dass mir die Antwort nicht gefallen könnte und zum anderen habe ich auch einfach keine Lust, mich mit Leon in die Haare zu kriegen.

Ich habe hier nicht viele Leute, mit denen ich gut auskomme und ich möchte es mir mit ihnen nicht versauen, nur weil wir in einem Punkt vielleicht nicht die gleichen Ansichten haben.

Sollte Leon ein größeres Problem mit Dominik oder Schwulen generell haben, wird es irgendwann wohl sowieso herauskommen und bis dahin tue ich einfach so, als würde ich nichts davon ahnen.

Ich sage mich los, weil ich vor der ersten Lesung noch einmal auf Toilette möchte und verlasse die Cafeteria, steuere die Klos an.

Als ich um eine Ecke biege, stoppe ich allerdings abrupt und verstecke mich wieder hinter der Wand, linse nur vorsichtig in den anderen Gang.

Dort steht Dominik und befindet sich in einem angeregten Gespräch mit einem der Dozenten, dessen Namen ich nicht kenne.

„Ich verlasse mich darauf, dass du niemanden davon erzählst, Dominik,“ sagt der Dozent und berührt ihn dabei am Arm. Ich runzle die Stirn.

„Keine Sorge Richard, bis jetzt habe ich doch auch nichts gesagt,“ erwidert Dominik darauf und lächelt ihn dabei strahlend an, ehe er in einer der Toiletten verschwindet. Mir klappt der Mund auf. Richard?!

Anders scheiße

„Von wegen, da läuft nichts!“, blöke ich, kaum das ich in die Toilette gestürmt bin. „Willst du mich eigentlich verarschen, oder was?!“

Dominik sieht mich irritiert an und seine Augen huschen kurz über die Kabinen, aber seine Angst ist unbegründet. Wir sind alleine.

„Da läuft auch nichts,“ versichert er mir und blickt mich dabei nicht an, sondern behält die Tür im Auge. Wahrscheinlich hat er wahnsinnige Angst, dass neben mir auch noch jemand anderes erfahren könnte, dass an den Gerüchten sehr wohl etwas dran ist.

„Ich bin so bescheuert, ich hab dir diese Nummer total abgekauft und hatte auch noch Mitleid mit dir. Gerade eben habe ich Jonas und Leon noch erzählt, wie bedauernswert deine Situation ist und im nächsten Moment muss ich feststellen, dass du mich die ganze Zeit angelogen hast!“

Er schüttelt vehement den Kopf. „Ich habe dich nicht angelogen!“

Ich schnaube nur und schüttle den Kopf. „Hör doch endlich auf zu lügen. Ich hab doch gesehen, wie du ihn angelächelt hast und wie er an deinem Arm herumgetatscht hat. Und ihr habt euch geduzt? Also ich nenne meine Dozenten nicht beim Vornamen!“

Er wird rot und blickt verlegen zu Boden. „So ist das aber nicht,“ streitet er noch immer ab, was mittlerweile offensichtlich ist. „Wirklich nicht.“

„Ach erzähl mir doch nichts. Ich habe doch genau gehört, was du zu ihm gesagt hast,“ fauche ich und sehe ihn enttäuscht an. „Da erzählst du mir, du möchtest nicht, dass dich jemand verarscht und dann bist du es, der andere Leute belügt. Und ich war auch noch so blöd, dir die ganze Geschichte abzukaufen.“

„Jasper, so ist es nicht,“ versucht er noch einmal, mir etwas vorzumachen, aber weit kommt er nicht, weil in dem Moment die Türe aufgeht und jemand herein kommt. Ich kenne den Jungen nicht, wahrscheinlich einer aus dem Erstsemester. Er sieht uns verschreckt an und flüchtet sich dann in eine der Kabinen.

Dominik und ich schweigen und sehen uns nur gegenseitig an. In seinem Blick liegt etwas flehendes, in meinem nur Ablehnung.

„Ich hab keinen Bock mehr auf dieses Gelaber,“ meine ich nur und mache, dass ich aus der Toilette komme. Er läuft mir nicht nach, aber das habe ich auch nicht erwartet. Sicher hat er Angst, man könnte uns eine Beziehung andichten – dabei müsste es ihm doch gelegen kommen, wenn man über uns Gerüchte verbreitet. Dann würde zumindest nicht rauskommen, dass die Gerüchte über seine Affäre alles andere als eine Lüge sind.
 

Als ich am Abend in meinem Zimmer sitze, komme ich mir ziemlich blöd vor. Ich habe mich total aufgeführt, ohne die wahren Hintergründe zu kennen. Was allerdings nichts an der Tatsache ändert, dass Dominik mich wohl eiskalt angelogen hat.

Ich fühle mich immer noch total bescheuert, weil ich ihm die ganze Geschichte gutgläubig abgenommen und ihn auch noch getröstet habe.

Gleichzeitig kann ich mir kaum vorstellen, dass jemand all diese Emotionen nur vorspielen kann. Er hat immerhin mehrmals fast geweint und ein kleiner Teil in mir ist überzeugt, dass das, was er mir erzählt hat, der Wahrheit entspricht.

Andererseits gibt es wohl kaum eine andere Erklärung für die Szene heute Morgen und schon alleine die Tatsache, dass er den Dozenten Richard genannt hat, lässt mich Böses ahnen.

Ich versuche, mich von den Gedanken über Dominik abzulenken und mir zu sagen, dass es vollkommen ausreichend ist, wenn wir einfach nur zusammen wohnen und sonst nicht viel miteinander zu tun haben. Ich muss mich mit ihm nicht anfreunden und ich muss ihm auch nichts von dem glauben, was er mir erzählt, solange er nur pünktlich seinen Teil der Miete zahlt und seine Unordnung beiseite räumt.

Aber irgendwie möchte ich das nicht. Ich möchte normal mit ihm umgehen können, ich möchte ein kumpelhaftes Verhältnis mit ihm pflegen und einfach die paar Jahre, die wir noch hier zusammen verbringen werden, meinen Spaß haben.

Als ich einzogen bin, hatte ich nicht vor, wieder so ein distanziertes Verhältnis zwischen mir und dem neuen Mitbewohner zu schaffen, wie ich es bereits zu Sascha hatte. Alles sollte hier besser werden uns jetzt ist es wieder scheiße. Zwar anders scheiße, aber unterm Strich trotzdem scheiße.

Ehrlich gesagt bin ich einfach nur ziemlich enttäuscht von Dominik. Ich hatte ihm bereits angedeutet, dass es mir nicht viel ausmacht, wenn er mit einem Professor ins Bett steigt und das er nur nachvollziehen müsste, dass sich andere vielleicht daran aufreiben könnten.

Er hätte einfach sagen sollen, dass es der Wahrheit entspricht, er davon aber nicht profitiert, und ich hätte ihn deshalb nicht verurteilt.

Aber vielleicht entspricht auch das der Wahrheit. Vielleicht lässt er sich von Richard flachlegen und bekommt dafür gute Noten. Das würde auch erklären, warum er es selbst vor mir geheim halten wollte – weil er nicht möchte, dass Richard gewaltig Ärger bekommt.

Ich blicke düster drein. Am liebsten würde ich es in die Welt hinaus schreien, so dass Richard richtig Ärger bekommt und Dominik gleich mit. Das hätte er verdient, nach diesen dreisten Lügen, die er mir aufgetischt hat.

Als ich mir gerade ausmale, was es für rechtliche Konsequenzen für die Beiden haben könnte, klopft es an meiner Türe.

Diesmal öffnet er sie nicht und steckt den Kopf rein, sondern wartet brav auf eine Antwort. Ich weiß nicht, ob ich ihn wirklich sehen möchte, deshalb zögere ich.

Eigentlich habe ich keine Lust auf eine weitere Diskussion. Seit ich hier eingezogen bin, sind wir nur am streiten und das nervt mich ziemlich. Zumal er mich bisher nur angelogen hat und ich einfach keine Notwendigkeit darin sehe, mir neue Lügen auftischen zu lassen.

Obwohl ich ihn nicht hereinbitte, höre ich keine Schritte auf dem Gang, die mir sagen, dass er sich verzieht. Genervt verdrehe ich die Augen und beuge mich nach hinten, um die Türe zu öffnen. Kaum, dass ich die Klinke nach unten gedrückt habe, huscht er in mein Zimmer.

„Was ist?“, maule ich ihn an und hoffe, er fühlt sich so wenig willkommen, dass er gleich wieder Weite sucht.

Leider geht die Taktik nicht auf und er nimmt sogar mit gesenkten Kopf auf meinem Bett platz, streicht über die Bettdecke, obwohl diese bereits glatt ist, und sagt erstmal gar nichts.

Ich verdrehe erneut die Augen. „Wenn du mich nur anschweigen willst, dann kannst du auch wieder gehen,“ gifte ich ihn an und drehe mich auf meine Schreibtischstuhl herum, so dass ich ihn nun direkt ansehe.

Er weicht meinem Blick aus und schweigt weiterhin.

„Dominik, verdamm nach mal!“, rufe ich und stehe so hastig auf, dass er zusammen zuckt. Entschuldigend sehe ich ihn an und versuche, mich zu beruhigen.

„Nun sprich endlich mit mir oder hau ab,“ knurre ich und mahle angespannt mit den Zähnen.

Endlich hebt er den Kopf und ich kann schon wieder Tränen in seinen Augen glitzern sehen, aber diesmal falle ich auf diesen Trick nicht rein.

„Vergiss es. Diesmal lullst du mich nicht wieder mit deinem Gejammer ein. Ich hab dich durchschaut, also wäre es wohl eher angebracht, du würdest dich entschuldigen,“ motze ich und versuche, ihn dabei möglichst streng anzuschauen.

Er senkt nur wieder den Kopf.

„Dominik,“ dränge ich ihn mit wachsender Ungeduld und er schnieft auf, ehe er tatsächlich zu sprechen beginnt.

„Es ist wirklich nicht so, wie du denkst,“ versucht er mir erneut eine Lüge auf die Nase zu binden.

Ich schnaube nur. „Wenn du außer Lügen nichts zu sagen hast, kannst du wieder gehen!“

Um meine Ansage zu verdeutlichen öffne ich die Türe und mache eine Handbewegung, als wäre er eine lästige Fliege, die ich zu verscheuchen versuche.

„Aber es ist die Wahrheit!“, versichert er mir und springt auf, jedoch nicht, um das Zimmer zu verlassen, sondern nur, um die Türe wieder zu schließen.

„Es stimmt nicht, dass ich mit Richard ein Verhältnis habe,“ sagt er und lehnt sich gegen die geschlossene Türe, sieht mich nun das erste Mal richtig an.

„Er ist mein Onkel.“

Ich stutze. Sein Onkel? Unwahrscheinlich! Ich schüttle den Kopf und muss tatsächlich lachen, weil ich nicht glauben kann, mit was für aberwitzigen Geschichten er mir nun schon wieder ankommt.

„Merkst du eigentlich nicht, dass du dich hier gerade ziemlich lächerlich machst?“, frage ich ihn und er beißt sich auf die Lippe.

„Es ist mir doch eigentlich scheiß egal, wem du deinen Arsch hin hältst. Ich hab nur keinen Bock darauf, angelogen zu werden. Dann stehst du eben auf den alten Sack, na und? Sag es mir doch einfach. Ich verrate es auch keinem,“ schimpfe ich und lasse ihn dabei nicht mehr zu Wort kommen.

Erst, nachdem ich ihm mehrfach versichert habe, dass mir egal ist, mit wem er sein Bett teilt, kann ich mich wieder beruhigen.

Er schweigt, wie immer, wenn er nicht mehr weiß, wie er noch argumentieren soll.

„Wenn es das jetzt war, kannst du ja gehen,“ sage ich mit Nachdruck in der Stimme und versuche, um ihn herum zu greifen und die Türe zu öffnen, aber er stellt sich mir in den Weg.

Auf einmal sieht er mich ganz anders an, als vorher. Plötzlich scheinen seine Augen Funken zu sprühen und das meine ich nicht romantisch.

„Er ist wirklich mein Onkel. Väterlicherseits. Deswegen haben wir auch den gleichen Nachnamen. Faber. Richard Faber – Dominik Faber. Okay?“

Ich versuche, mir vorzustellen, dass er mir wirklich die Wahrheit sagt. Ob er sich das ausdenkt und ihre Nachnamen vielleicht nur rein zufällig identisch sind? Oder stimmt es doch, was er da sagt?

Es ist ziemlich frustrierend, ihm nichts mehr glauben zu können, deshalb hake ich nach.

„Woher stammst du?“

Er verdreht die Augen. „Aus Brandenburg. Es ist also nicht so, dass es ein Unding ist, dass ich an der gleichen Uni studiere, an der mein Onkel Dozent ist, falls du darauf hinaus möchtest.“

Ich nicke, bleibe aber skeptisch. „Habt ihr so ein gutes Verhältnis, dass er dich derart betatschen muss?“, frage ich. Das ist mein Trumpf!

„Meine Güte, er hat mich nicht betatscht, er hat meinen Arm berührt. Hat dein Onkel dich noch nie am Arm berührt?“, fragt er mich und ich zucke mit den Schultern. „Ich habe keinen Onkel,“ wehre ich ab, was tatsächlich stimmt. Sowohl meine Mutter, als auch mein Vater, sind Einzelkinder.

„Warum hast du ihn dann so angestrahlt?“, will ich wissen und nun ist er es, der die Augen verdreht. „Ich habe mich eben für ihn gefreut.“

„Weswegen?“

„Meine Güte, Jasper, was wird das hier, ein Kreuzverhör? Ich habe ihn angelächelt, weil ich mich für ihn gefreut habe. Weil er mir erzählt hat, dass er sich mit seiner langjährigen Freundin verlobt hat, okay?! Ich habe ihn beglückwünscht und er hat mich gebeten, es niemanden zu sagen, weil er Privates gerne von Beruflichen trennen möchte. Und weil ich bisher nicht einmal erzählt habe, dass er mein Onkel ist, habe ich gesagt, dass ich auch weiterhin dicht halten werde,“ rattert er mir seine Geschichte vor und flippt dabei völlig aus. Zumindest fängt er an, dabei energisch im Kreis herum zu spazieren und wild mit den Händen herum zu fuchteln.

Das einzige, was mich daran stutzen lässt, ist das Wort ‚Freundin’. Ich runzle die Stirn. „Wieso Freundin?“

„Freundin!“, ruft Dominik und haut mir so hart gegen die Schulter, dass ich fast umkippe, „Weil er hetero ist! Er ist gar nicht der Professor, wegen dem die Gerüchte im Umlauf sind. Er ist nicht mal für mich zuständig, sondern gibt Vorlesungen für die Naturwissenschaftler.“

Ich sehe ihn erstaunt an, aber er ignoriert das völlig. „Bist du nun zufrieden? Glaubst du mir jetzt, oder möchtest du vielleicht meinen Vater anrufen, dass er dir noch einmal bestätigt, dass Richard mein Onkel ist und sich frisch mit seiner Susanne verlobt hat?!“

Ich schließe die Augen und atme tief durch. Ihm scheint es ja richtig ernst zu sein und plötzlich komme ich mir ziemlich dumm vor, ihn gleich so angegangen zu sein, statt erst mal zu fragen, was da gerade abgegangen ist.

Unsicher, was ich nun sagen soll, beiße ich mir auf die Lippen und weiche seinem Blick aus, mit dem er mich noch immer unerbittlich taxiert.

„Es sah eben so aus, als hättest du mich angelogen,“ rechtfertige ich mich und schiele vorsichtig zu ihm herüber.

Bis eben war seine Körperhaltung recht angespannt, aber nun scheint er völlig zu erschlaffen.

„Genau deshalb wollte ich nicht, dass wir uns anfreunden. Weil mir vollkommen klar war, dass du mir nicht glaubst, so sehr du mir auch beteuerst hast, es zu tun. Du bist nicht anders, als alle anderen auch,“ murmelt er und klingt dabei ziemlich enttäuscht. Er wendet sich Richtung Türe.

„Das stimmt nicht,“ wehre ich ab, packe, wie schon am Freitag, wieder seine Arme und zwinge ihn so, mir zuzuhören statt wegzulaufen.

„Ich glaube dir! Ich kenn dich nur noch nicht richtig und hatte das Gefühl, du hättest mich vielleicht doch angelogen. Hätte doch sein können, dass du einfach nur Angst hattest, mir die Wahrheit zu erzählen, oder?“

Er scheint zu überlegen, ob es plausibel klingt, was ich da so von mir gebe und nach einigen Sekunden nickt er zögerlich.

„Ich habe das Gefühl, alles, was mit dir zu tun hat, falsch zu machen,“ gebe ich zu und lasse ihn los. „Ist dir schon mal aufgefallen, dass du wahnsinnig kompliziert bist?“

Nun muss er leicht lächeln und ich glaube, dass wieder alles gut ist zwischen uns.

Naja… zumindest so lange, bis wieder ein Missverständnis auftritt.
 

Zwei Tage später bin ich mit Jonas zum Abgleichen unserer Notizen verabredet. Leon ist nicht zu Hause, was mir nur Recht kommt.

Seit ich das Gefühl habe, er hätte etwas gegen Homosexuelle, komme ich mit ihm nicht mehr richtig klar.

Es ist nicht mal so, dass ich es auf mich persönliche projiziere. Zwar hatte ich zweifelsohne schon einmal etwas mit einem Jungen gehabt, aber ich würde mich wirklich nicht als schwul bezeichnen. Ich hatte ja auch zwei Jahre lange eine erfüllende Beziehung mit einem Mädchen, die nur deshalb kaputt gegangen ist, weil ich nach Berlin gekommen bin, um zu studieren, und sie nach München gezogen ist.

Vielleicht hätten wir die Distanz auch irgendwie bewältigen können, aber das wollte sie nicht. Mittlerweile bin ich darüber auch hinweg, obwohl ich es noch immer nicht ganz nachvollziehen kann.

Jedenfalls bin ich doch eher Mädchen zugewandt.

Das ändert aber nichts daran, dass ich es unmöglich finde, dass man so intolerant sein kann. Ich habe Dominik mittlerweile ein wenig ins Herz geschlossen. So anstrengend er manchmal auch sein kann, habe ich doch das Gefühl, dass er ein wirklich toller Kerl ist, der nicht verdient hat, was man ihm da momentan antut.

Aus dieser Überzeugung heraus habe ich mir auch zur Aufgabe gemacht, für ihn da zu sein. Wenn es schon niemand anderes ist, dann doch wenigstens ich. Immerhin bin ich sein Mitbewohner.

Zu dieser Einstellung gehört auch, verhalten auf Leon zu reagieren. Ich weiß nicht wirklich, ob ich über Dominik reden kann, wenn er dabei ist und habe auch ein bisschen Angst, er könnte sich dann gegen Dominik und damit gegen mich aussprechen.

Ganz in Gedanken versunken, bekomme ich gar nicht mit, dass Jonas aufgehört hat, unsere Notizen abzugleichen, bis er sich räuspert.

Ich schrecke auf und sehe ihn fragend an.

„Ich habe gesagt, ich habe hier etwas stehen, was du nicht stehen hast. Aber wenn du lieber träumst, statt es dir zu notieren, dann ist das dein Problem!“

Ich blinze und schüttle dann entschuldigend den Kopf: „Tut mir Leid, ich habe gerade nachgedacht.“

„Habe ich mir schon gedacht,“ grinst er, aber dann wird seine Miene ernst. „Was ist denn los?“, will er wissen und ich blicke auf unsere Notizen und beginne, den Punkt, den er gerade genannt hat, abzuschreiben, statt ihm zu antworten.

Er ist immerhin Leons Mitbewohner und ich weiß nicht, wie offen ich mit ihm über meine Gedanken bezüglich Leons seltsamen Verhalten reden kann.

Jonas wäre aber nicht Jonas, würde er locker lasse. Deswegen wartet er geduldig, bis ich mit Schreiben fertig bin, ehe er nochmals fragt.

Ich seufze.

„Findest du nicht, dass Leon in letzter Zeit ein wenig komisch ist?“, frage ich ihn geradeheraus, weil ich dem Verhör sowieso nicht entgehen kann.

Er stutzt und runzelt die Stirn. „Findest du?“, entgegnet er und bringt mich damit aus dem Konzept.

Ich hatte mir irgendwie erhofft – ja, ich bin sogar davon ausgegangen -, dass es nicht nur mir aufgefallen ist, wie seltsam Leon auf unsere Gespräche über Dominik reagiert hat.

Als ich Jonas nun darauf anspreche, zuckt er nur mit den Schultern.

„Ich weiß nicht. Fand ich eigentlich nicht.“

Etwas, an der Art, wie er es sagt, irritiert mich. Ich habe das Gefühl, dass irgendetwas im Busch ist. Vielleicht auch, weil er plötzlich gar nicht mehr an meinen Gedanken interessiert ist, sondern anfängt, mir seine nächsten Punkte vorzulesen.

„Jonas?“, frage ich misstrauisch und er verzerrt sein Gesicht. Offensichtlich möchte er mit mir nicht darüber reden, aber er hat sich bereits verlassen und diesmal werde ich es sein, der nicht locker lässt.

„Sag mir doch, was du weißt,“ bitte ich ihn und lege sogar das Skript weg, damit er gar nicht erst wieder anfangen kann, unsere Notizen abzugleichen.

Seufzend legt auch er sein Blatt beiseite und wendet mir seine Aufmerksamkeit zu.

„Ja, es ist mir auch aufgefallen,“ gibt er zu und beginnt, an dem Platzset herumzuspielen, dass dekorativ auf ihrem Küchentisch herum liegt.

Die Küche ist bei den Jungs der Mittelpunkt der Wohnung, das Zentrum, an dem alles zusammenläuft. Sie haben nicht den Luxus, ein Wohnzimmer zur Verfügung zu haben, so wie Dominik und ich. Von ihrem schmalen Gang gehen nur zwei Schlafzimmer, ein Bad und eben die Küche weg. Dafür liegt ihre Wohnung aber auch deutlich näher an der Universität.

Jedenfalls treffen wir uns immer in der Küche und deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass wir heute mit einer Kaffeetasse in der Hand in jener sitzen.

„Weißt du auch, warum er so reagiert?“, frage ich ihn und er schüttelt den Kopf.

„Nein, nicht so richtig. Aber ich weiß, was du in die Sache hinein interpretierst,“ meint er lächelnd, aber sein Lächeln erreicht dabei nicht seine Augen.

Ich werde das Gefühl nicht los, unser Ton ist zu ernst für so ein lockeres Lästergespräch geworden, wie ich es mir vielleicht erhofft habe.

„Jonas, könntest du mich bitte aufklären?“, frage ich deshalb nach, weil mich die Sache langsam echt Argwöhnisch werden lässt. Und neugierig bin ich auch, ich gebe es ja zu.

„Leon ist nicht Schwulenfeindlich oder so,“ beschwichtigt er mich. „Ich weiß, dass du das denkst und ich weiß, dass es manchmal so wirkt, aber eigentlich hat er damit keinerlei Probleme.“

Ich weiß nicht, ob ich dem ganzen Glauben schenken kann, also hake ich nach: „Irgendetwas scheint er aber gegen Dominik zu haben, oder?“

Jonas nickt. „Ich glaube, er schämt sich ein wenig,“ wirft er dann in den Raum und nun bin ich erst richtig verblüfft.

Nie hätte ich damit gerechnet, dass Leons komisches Verhalten etwas mit Scham zu tun haben könnte. Und genauso genommen kann ich mir auch nicht so wirklich erklären, warum sich Leon im Bezug auf Dominik so schämen sollte.

„Ich verstehe gar nichts mehr,“ gebe ich also zu und Jonas reibt sich müde über das Gesicht.

„Also, lass mich zunächst klarstellen, dass ich es auch nicht so genau weiß, okay? Er hat mal eine Andeutung gemacht, aber das war es dann auch, also erwarte nicht zu viel“, bittet er mich und ich nicke brav.

„Dominik hat dir doch erzählt, dass zwei Mädchen dieses Gerücht in die Welt gesetzt haben, oder?“, vergewissert er sich und wieder nicke ich nur.

„Genau, gut. Eines dieser Mädchen war wohl die Freundin von Leon.“

Mir klappt der Mund auf. Damit hätte ich jetzt als allerletztes gerechnet. Das würde auch erklären, warum Leon so genau Bescheid wusste und warum er immer mit bei der Sache war, wenn es darum ging, das Gerücht breit zu treten.

„Na toll,“ schnaube ich und Jonas hebt sofort beschwichtigend die Hände. „Reg dich bitte nicht auf. Erstens weiß ich es nicht genau und zweitens solltest du ihn dafür nicht unbedingt verurteilen. Du weiß doch sicher, wie das ist, wenn man verliebt ist, oder?“

Ich schnaube nur abfällig. „Aber nur, weil ich verliebt bin, muss ich nicht anfangen, aus Gefälligkeit jemandes Leben zu zerstören, oder?“

Jonas verdreht die Augen. „Übertreibst du da nicht ein bisschen?“

Ich will widersprechen, aber er lässt mich gar nicht erst zu Wort kommen, sondern redet gleich weiter: „Seit du uns die Geschichte aus Dominiks Perspektive erzählt hast, ist er schon ein wenig reumütig. Er kam zu mir und meinte, es wäre wohl scheiße gewesen, die Gerüchte ohne Beweise weiter zu erzählen. Ich habe ihm gesagt, dass das mit Gerüchten eben so läuft und er meinte daraufhin, er hätte Ann-Kathrin nicht so schnell glauben dürfen.“

Ann-Kathrin ist tatsächlich Leons Ex-Freundin, so viel ist sicher. Sie ist eine großgewachsene, brünette Schönheit, die mehr Geld für Klamotten und Kosmetik ausgibt, als für Essen.

Er hat sie uns mal gezeigt, als wir zusammen in der Cafeteria saßen und sie herein kam und sich einen Kaffee geholt hat. Ganz stolz war er da gewesen, einmal mit diesem Mädchen zusammen gewesen zu sein, die ihn jetzt nicht mal mehr mit dem Arsch anguckt.

Ehrlich gesagt konnte ich damals schon nicht verstehen, was er an ihr so toll fand. Sie ist zwar ohne Zweifel sehr hübsch und sicher ist sie auch ein sehr intelligenter Mensch, aber vor allem ist sie ziemlich arrogant. Das hat man schon in den wenigen Minuten sehen können, in denen sie in der Cafeteria stand und alle mit einem herablassenden Blick bedacht hat – allen voran Leon.

„Ich kann nicht glauben, dass er wegen so einer Tussi so gemein über Dominik gesprochen hat,“ platzt es aus mir heraus und Jonas sieht mich nur vorwurfsvoll an. Sicher möchte er nicht schlecht über Leon reden, sie verstehen sich ja so relativ gut und vielleicht muss man wirklich bedenken, dass er zu dem Zeitpunkt die rosarote Brille aufhatte. Dennoch finde ich es so nicht in Ordnung und diesen Standpunkt mache ich auch noch einmal deutlich.

„Er könnte sich zumindest entschuldigen,“ wende ich ein, aber Jonas schüttelt nur mit dem Kopf.

„Was würde es bringen? Genau genommen hat jeder, der es aufgeschnappt hat, es auch weitererzählt und dann müsste sich wohl jeder zweite bei Dominik entschuldigen. Und dann war es auch nicht Leon, der Schuld an der ganzen Misere ist. Das ist alles alleine Ann-Kathrin und ihrer Busenfreundin zuzuschreiben.“

Ich verziehe den Mund, weil ich anderer Ansicht bin, aber wahrscheinlich würde es Dominik echt nicht viel bringen, wenn Leon sich entschuldigt. Er ist nicht der eigentliche Grund, warum das Gerücht aufkam und nun ist eh schon alles passiert und nicht wieder gut zu machen.

„Ich bin trotzdem sauer auf Leon,“ verkünde ich und ernte einen schmerzhaften Knuff von Jonas.

„Du Idioten, du kannst nicht sauer sein, sonst weiß er, dass ich es dir erzählt habe,“ erinnert er mich und ich kann schon verstehen, dass er deshalb keinen Ärger mit seinem Mitbewohner haben möchte. Dennoch kann ich nicht einfach hinnehmen, was geschehen ist. Als Leon uns die Sache mit Dominik erzählt hat, dachte ich, er hätte es irgendwo aufgeschnappt, aber offensichtlich ist er ja sogar eine der Hauptquellen gewesen.

Ich will Jonas gerade noch einmal darauf ansprechen, ob ich wenigstens behaupten darf, es irgendwo anders aufgeschnappt zu haben, aber ehe ich das tun kann, hören wir, wie sich der Schlüssel im Schloss dreht und kurz darauf steht Leon in der Küche.

„Hey, ihr Zwei!“, begrüßt er uns und zieht dabei seine Jacke aus, „Ich habe gerade mit Paul gesprochen. Er meinte, am Samstagabend würde er eine coole Party geben. Er hat gefragt, ob ich komme. Ich habe zugesagt und gefragt, ob ich noch wen mitbringen darf. Er hat nichts dagegen, also könnt ihr gerne auch mit, wenn ihr wollt,“ klärt er uns auf und nimmt auf dem Platz neben mir Platz.

Ich presse meine Lippen aufeinander, bis sie nur noch ein schmaler Strich sind und warte auf die Antwort von Jonas, der zusagt und mir einen warnenden Blick zuwirft. Aber zu spät, Leon hat bereits gemerkt, dass mir irgendetwas nicht so ganz passt.

„Alles klar bei dir?“, fragt er mich und ich zwinge mich zu einem Nicken und einem falschen Lächeln und erwidere, ich würde auch gerne mitkommen.

Er sieht mich verwirrt an, nickt dann aber.

„Gut, dann ist das ja geklärt,“ freut er sich und springt auf.

„Jonas, ich geh ins Fitnessstudio. Gehst du mit oder müsst ihr das hier noch fertig machen?“

Während die Beiden über das Fitnessstudio diskutieren, versuche ich, Leon nicht böse anzusehen. Allerdings ist das gar nicht so leicht, wie gedacht.

Ich möchte Jonas wirklich nicht hintergehen und Leon jetzt fertig machen, andererseits kann Jonas auch nicht davon ausgehen, ich würde es einfach so hinnehmen, wenn er mir derlei abscheuliche Dinge über Leon erzählt.

Um Leon eins reinzuwürgen und meiner Rolle als netter Mitbewohner gerecht zu werden, unterbreche ich die Beiden und meine: „Hey, Leon. Es ist doch sicher okay, wenn ich Dominik auch mitnehme, oder?“

Die Nacht der Nächte

„Jasper,“ ruft Leon und stolpert fast über die kleine Treppe, die zu ihrem Hauseingang führt, als er mir nachrennen möchte.

Nach meinem tollen Vorschlag habe ich ihn gar nicht antworten lassen, sondern habe mich sofort verabschiedet, um ihm zu entkommen.

Ich hatte gehofft, er würde es einfach akzeptieren, aber so leicht ist es wohl doch nicht.

Schon wieder genervt, bleibe ich stehen und sehe ihm zu, wie er die kurze Distanz, die ich bereits zurückgelegt habe, joggend zu mir aufholt.

„Hör mal, nichts gegen dich oder Dominik, aber es ist wirklich keine gute Idee, wenn du ihn mitbringt,“ erklärt er mir und tritt dabei unsicher von einem Bein aufs andere.

„Wieso nicht?“, hake ich ein wenig dümmlich nach. Natürlich ist mir die Antwort bewusst, aber das muss er ja nicht wissen.

„Na, wegen der Gerüchte. Was glaubst du, wie die anderen alle reagieren werden, wenn ausgerechnet er da auftaucht?“, fragt er mich und ich zucke mit den Schultern. Mir ist das eigentlich egal.

„Irgendjemand hat diese Gerüchte in die Welt gesetzt,“ sage ich und muss mir fast auf die Zunge beißen, um ihn nicht direkt darauf anzusprechen, „und es wird Zeit, dass mal irgendwer damit anfängt, sie wieder aus dieser zu schaffen!“

Er zuckt zusammen, weil zum Ende hin immer lauter geworden bin und sieht mich nun reichlich bedröppelt an.

„Hör mal, Jasper,“ versucht er dann erneut, mich vom Gegenteil zu überzeugen. „Dominik ist halt einfach nicht beliebt und es fällt auf mich zurück, wenn ich ihn mitbringe.“

Ich zucke mit den Schultern, weil mir dieser Punkt wirklich egal ist. Beziehungsweise finde ich, dass es ihm nur recht geschieht, wenn man sich über ihn auch mal das Maul zerreißt.

„Genau genommen bringe ja ich ihn mit,“ wende ich eine und lehne mich lässig an die Hauswand neben mir, sehe ihn berechnend an. „Findest du nicht auch, dass man den Arschlöcher, die solche Sachen über ihn verbreitet haben, endlich mal zeigen sollte, dass er ein ganz normaler Kerl ist?“

Bei dem Wort ‚Arschlöcher’ beißt er sich auf die Lippen, was ihn eigentlich schon verrät. Ich tue aber so, als hätte ich weiterhin keine Ahnung und meine: „Wenn er nicht kommen darf, dann komme ich auch nicht.“

Er will widersprechen, aber ich lasse ihn gar nicht zu Wort kommen: „Schon gut, mir macht das nichts. Ich stehe eh nicht so auf Partys und ich kann mir in der Zeit ja einen tollen Abend mit Dominik machen.“

Leon verdreht die Augen. „Man, Japser, ich möchte aber, dass wir da alle zusammen hingehen, okay? Wir sind doch immer zu dritt unterwegs. Die anderen gehen ja auch von aus, dass ich euch Beide mitbringe.“

„Dann musst du ihnen eben sagen,“ maule ich, „dass ich keine Zeit habe.“

Wirklich glücklich darüber sieht er nicht aus und so langsam scheint ihn mein Vorhaben auch zu nerven, denn er faucht: „Was soll das jetzt? Seit wann ist dir der kleine Emo so wichtig, dass du ihn unbedingt mit auf die Party bringen musst?“

„Seit ich mit ihm zusammen wohne, du Vogel!“, gifte ich zurück und wende mich zum gehen. „Ich bringe ihn mit. Ist mir egal, was du davon hältst!“

Er ruft mir noch einige Dinge nach. Angefangen von Überzeugungsversuchen, bis hin zu wüsten Beschimpfungen. Aber er läuft mir nicht weiter nach, weshalb ich davon ausgehe, dass es okay ist, Dominik mitzunehmen.
 

„Ich weiß nicht, Jasper,“ quengelt Dominik und scheint völlig im Polster der Couch zu verschwinden, so klein, wie er sich darauf macht.

„Wieso denn nicht?“, frage ich ihn und versuche, ihn ein wenig mehr animieren: „Du musst auch mal unter Leute und die Partys von Paul sind eigentlich immer Recht cool. Garantiert wirst du dort Spaß haben!“

Er schüttelt den Kopf und verkriecht sich, wenn überhaupt möglich, noch tiefer in den Kissen. „Ich mag keine Partys.“

„Papperlapapp,“ widerspreche ich und lasse mich neben ihm auf das Sofa plumpsen. „Ich habe bereits gesagt, dass ich dich mitbringe und deswegen wirst du jetzt auch mitgehen! Du musst endlich mal raus und unter Leute, sonst wirst du deine gesamte Studienzeit ein Außenseiter bleiben. Das möchtest du doch nicht, oder?“

Von ihm kommt nur ein lang gezogenes ‚Mh’, weshalb ich weiterrede: „Jonas und Leon sind auch einverstanden und dann hast du schon uns Drei und brauchst keine Angst haben, alleine da rum zu stehen. Es kann also gar nichts Schlimmes passieren!“

Zugegeben, dass mit Jonas und Leon ist gelogen. Leon ist gar nicht begeistert und was Jonas darüber denkt, weiß ich nicht. So, wie er aber immer über die Rechte von Homosexuellen philosophiert, wird es ihn schon nicht groß stören.

„Doch!“, widerspricht er, „Sie werden alle über mich reden und mich schief angucken und so…“

Ich winke ab. „Da wird keiner über dich herziehen, solange du bei uns bist. Uns mögen sie doch und wenn sie sehen, dass wir uns gut mit dir verstehen, dass werden sie auch merken, dass du eigentlich ganz okay bist.“

„Jasper,“ seufzt er und richtet sich urplötzlich auf, „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.“

Ich verziehe den Mund, weil ich diesen Satz heute schon einmal von Leon gehört habe. Und wenn jemand nicht der gleichen Meinung sein sollte, dann sind das Dominik und Leon.

„Du kannst dich nicht immer nur verstecken! Du musst raus und der Welt den Mittelfinger zeigen! So viel solltest du dir selbst wert sein!“, motiviere ich ihn und klatsche laut in die Hände, was ihn ein wenig zusammenzucken lässt.

Ich springe vom Sofa auf und ziehe ihn mit mir. Irritiert steht er im Raum und blickt mich fragend an. „Du wirst schon sehen, es wird lustig am Samstag und wenn alles gut läuft, dann ändert sich dein Leben komplett an diesem Abend!“

Und das soll ja auch das Ziel sein – Dominik integrieren und sein Leben wieder etwas besser gestalten.

„Und wenn alles schief läuft, dann wird alles noch viel schlimmer als es jetzt schon ist,“ jammert er und ich schüttle den Kopf.

„Schlimmer geht’s doch kaum noch,“ zwinkere ich ihm zu, was ihn leider nicht zum lachen bringt. Ich dachte, es sei witzig…

„Na schön,“ seufzt er erneut und willigt dann ein, wenigstens mal kurz mit vorbeizuschauen. „Aber wenn es scheiße läuft, dann gehe ich sofort wieder nach Hause!“

Ich stimme zu, weil das ehrlich gesagt schon mehr ist, als ich erwartet hätte.

Das es schwer werden würde, Dominik davon zu überzeugen, war mir ja klar. Dass er nun aber doch relativ schnell zugestimmt hat, wundert mich ein wenig. Aber vielleicht hat meine kleine Moralpredigt ja auch etwas gebracht.

Ich denke, es ist ein relativ guter Kompromiss, wenn er einfach mal mit hingeht und schaut, ob es ihn gefällt, aber jederzeit wieder gehen kann, ohne dass ich böse bin, falls es für ihn nicht angenehm ist, auf der Party zu sein.

„Du darfst gehen, wenn du mir versprichst, es aber unter allen Umständen zu probieren,“ schlage ich vor und er nickt langsam.

„Schön,“ freue ich mich, „Dann wäre das ja geklärt!“
 

Am Samstag stehe ich Abends im Bad, um mich für die Party fertig zu machen.

Dominik hat sich in seinem Zimmer verkrümelt und ich weiß nicht, ob er sich nun ebenfalls umzieht oder wahlweise unter dem Bett versteckt hat.

„Dominik,“ rufe ich ein wenig drängelnd, weil ich mittlerweile weiß, dass er ziemlich lange im Bad braucht, bis seine Haare so sind, wie er das gerne hätte.

Als keine Reaktion kommt, runzle ich die Stirn und verlasse das Bad, klopfe an seine Zimmertüre. „Domi,“ rufe ich und öffne die Türe einen Spalt.

Er sitzt auf dem Bett, schon in den Klamotten, die er tragen möchte, aber immer noch nicht fertig. Als ich eintrete, blickt er auf.

„Was soll das denn jetzt?“, hake ich nach und lasse mich neben ihm auf das Bett fallen.

„Wir sind eh schon spät dran. Wenn du dich jetzt nicht langsam mal beeilst, dann gehen Jonas und Leon ohne uns los.“

Tatsächlich haben wir ausgemacht, uns um Neun bei ihnen zu treffen. Mittlerweile ist es kurz nach Halb und wenn wir noch pünktlich sein wollen, dann müssen wir in wenigen Minuten los. Eigentlich recht unmöglich, da Dominiks Haare noch immer wild in alle Richtungen abstehen. Ich hoffe nur, dass das so nicht gewollt ist, sonst wird es nicht lange dauern, bis jemand ihn schief anschaut.

„Ich gehe nicht mit,“ verkündet er mir und schlinge die Arme um seine Beine, welche auf dem Bett aufgestellt hat.

Ich verdrehe die Augen. „Die Diskussion hatten wir allein heute schon dreimal. Findest du nicht, es reicht langsam?“

Er schüttelt heftig den Kopf. „Mich mag dort doch eh keiner!“

Ich stehe auf und packe seinen Arm. „Entweder stehst du jetzt freiwillig auf, oder ich schmeiße dich aus dem Bett! Du gehst jetzt mit und wenn es scheiße ist, dann gehen wir nach einer halben Stunde wieder, okay? Und jetzt hör auf zu diskutieren.“

Er sieht mich unglücklich an und bewegt sich keinen Millimeter. „Dominik! Ich zähle bis Drei! Eins… Zwei…“

Ehe ich bei der Drei angelange, schafft er es doch, aufzustehen und mir ins Bad zu folgen. Wahrscheinlich hat er Angst bekommen, ich würde ihn tatsächlich aus dem Bett zerren.

Wenig später glättet er sich missmutig die Haare – Gott sei Dank! – und schaut mir zu, wie ich meine mit Gel in Form zu bringen versuche.

„Sie sind viel zu lang!“, jammere ich. Kinnlang um genau zu sein. Ich trage sie nun schon eine ganze Weile so, den Pony kess zur Seite und alles ein wenig mit Gel in Form gebracht.

Aber gerade möchte es mir gar nicht gelingen. „Vielleicht sollte ich sie abschneiden,“ murre ich und Domi schüttelt neben mir leicht den Kopf, während er noch immer mit dem Glätteeisen agiert. „Ich finde, es sieht gut aus,“ versichert er mir und sieht mich dabei nicht an, blickt stattdessen hochkonzentriert in den Spiegel.

„Du hast doch noch gar nicht geguckt!“, lache ich und er zuckt mit den Schultern. „Du siehst doch immer gut aus. Warum dann nicht auch jetzt?“

Ich muss grinsen, weil er dabei rot wird. Aber ich weiß ja, dass er nur nett sein möchte und nicht versucht, sich an mich ranzuschmeißen, also beschließe ich, ihn nicht weiter damit aufzuziehen. Ich schließe die Geltube wieder, stelle sie beiseite und wasche meine Hände ab, wehe ich noch einmal prüfend in den Spiegel sehe. Er hat Recht, ganz so schlimm ist es wirklich nicht.

„Dominik, wir kommen zu spät,“ bemerke ich mit einem blick auf die Uhr, aber er ist noch freudig dabei, sein Chaos auf den Kopf unter Kontrolle zu bringen.

„Dann gehen wir eben alleine-“ Er unterbricht sich selbst und legt das Glätteeisen weg. „Das kommt nicht gut, oder? Wenn wir da zu zweit auftauchen! Dann reden sie nur auch noch über dich!“

Manchmal nervt er mich ein wenig, mit seiner ständigen Paranoia und das weiß er auch. Nachdem ich ihn böse schaue, macht er sich brav wieder an die Arbeit und sagt keinen Ton mehr von seinen Verschwörungstheorien.

Ich zücke mein Handy und sage Jonas Bescheid, dass wir ein wenig später nachkommen, weil Dominik noch im Bad beschäftigt ist.

„Denkst du, es wird ihm nicht zu viel?“, fragt er mich und flüstert dabei fast. Wahrscheinlich möchte er nicht, dass Leon etwas von unserem Gespräch mitbekommt.

„Ich habe ihm versichert, dass wir gehen, wenn es ihm gar nicht gefallen sollte,“ kläre ich Jonas auf und er ist sofort ein wenig erleichtert.

„Leon ist gar nicht begeistert,“ verkündet er mir dann – noch leiser, wie zuvor schon.

„Dachte ich mir,“ erwidere ich nur und meine Laune sinkt sofort wieder ein wenig. Ich hasse es, wenn ich mich ständig vor Leon rechtfertigen muss, nur weil ich einen Kumpel mit auf die Party bringe. Mir ist natürlich bewusst, dass es für Domi ein wenig schwer werden könnte, aber warum sollten ihn die anderen total scheiße behandeln? Klar, es wird über ihn getuschelt, aber in der Uni war doch auch niemand gemein zu ihm. Man hat ihn halt einfach gemieden. Das sagte ich Jonas auch so.

„Schon, aber du weißt ja, was Leons Problem ist. Ihm ist die Sache unangenehm und noch unangenehmer wird es ihm sein, wenn ausgerechnet er sich nun mit Dominik sehen lässt.“

„Es ist seine Chance, es wieder gerade zu biegen,“ widerspreche ich. „Wenn die anderen sehen, dass er ihn normal behandelt, tun sie es vielleicht auch wieder. Ist doch ideal!“

Jonas sagt nichts mehr dazu, sondern verabschiedet sich. Wahrscheinlich ist Leon in Hörweite. Ich beende den Anruf und bemerke erst, als ich mich umdrehe, dass Dominik die ganze Zeit hinter mir stand.

Peinlich berührt beiße ich mir auf die Lippe. Ich habe ihm natürlich nicht gesagt, dass Leon einer der Verursacher seiner Misere war. Jetzt hat er es sicher aufgeschnappt, weshalb ich mich schon auf eine neue Diskussion vorbereite.

Allerdings ist meine Sorge relativ unbegründet, denn er meint nur recht unbeeindruckt: „Schon mal dran gedacht, dass er noch etwas von Ann-Kathrin möchte und deshalb nicht mit mir gesehen werden will?“

Mir klappt der Mund auf. „Du wusstest die ganze Zeit davon?“ Als er nickt, bin ich sofort wieder außer mir: „Warum hast du es mir nicht gesagt?!“

„Wozu denn? Ich bin nicht sauer auf Leon. Ich weiß, dass man manch dumme Sachen macht, wenn man verknallt ist.“

Ich schüttle den Kopf, weil ich genau diese Ausrede auch schon von Jonas gehört habe. Irgendwie scheint jeder Leon verzeihen zu können – sogar Dominik, der ja das Opfer der ganzen Geschichte ist. Aber ich, ich kann es nicht, so sehr ich es auch möchte. Ich finde es nicht in Ordnung, was Leon getan hat und ich finde, es ist an der Zeit, dass er wiedergutmacht, was er da verbrochen hat.

Das sage ich auch Dominik und wieder zuckt er nur mit den Schultern. „Es ändert sich doch sowieso nichts. Die brauchen eben jemanden, über den sie reden können.“

„Ich bin sicher, es wird sich etwas ändern!“, setze ich ihm entgegen und ehe er erneut dagegen reden kann, drehe ich mich auf den Absatz um und steuere die Haustüre an.

„Los jetzt!“
 

Ein wenig pikiert bin ich noch immer, dass Dominik mir nie gesagt hat, dass Leon mit Schuld an der Sache hat. Immerhin ist Leon mein Kumpel. Aber vielleicht hat er sich auch aus genau diesem Grund nicht getraut, mir etwas davon zu sagen. Kann ja sein, dass er einfach nur unsere zarten Bande nicht dadurch zerstören wollte, in dem er solcherlei Tatsachen zur Sprache bringt.

Genau genommen habe ich ihm ja auch nichts davon erzählt, nachdem Jonas es mir gesagt hat, also sollte ich wohl einfach die Klappe halten und bei mir selbst mit der Kritik anfangen.

Dennoch wäre es ein wenig leichter gewesen, hätte Dominik es mir einfach gesagt. Dann hätte ich Leon direkt ansprechen können und vielleicht wäre er dann jetzt eher kooperativ. Ich glaube nämlich immer noch nicht, dass er groß begeistert sein wird, wenn ich tatsächlich mit Dominik auf die Party komme und ich kann mir erst recht nicht vorstellen, dass er dann freiwillig Zeit mit Dominik verbringt. Wahrscheinlich schämt er sich auch zu sehr, ihm unter die Augen zu treten.

Keine Ahnung, ob Jonas das weiß, aber Leon wird sicherlich wissen, dass Dominik bewusst ist, dass er die Gerüchte fleißig mit verbreitet hat.

„Ich kann nicht verstehen, warum du Leon so leichtfertig verzeihen kannst,“ gebe ich zu, während wir uns auf den Weg zu Pauls Wohnung machen.

Bisher sind wir schweigend nebeneinander gelaufen, aber ich ertrage diese Stille zwischen uns nicht. Zudem kann ich mir vorstellen, dass Dominik ziemlich nervös ist und vielleicht hilft es ihm, wenn er darüber reden kann.

„Ich hab ihm nicht verziehen, ich möchte es ihm nur nicht länger vorwerfen.“

Ich verdrehe die Augen, weil das eine Logik ist, die ich einfach nicht verstehe. Manchmal benimmt sich Dominik wie eine Frau.

„Das geht doch gar nicht,“ halte ich dagegen und er schmunzelt, weil ich mich schon wieder so aufrege und versuche, ihm zu erklären, dass er Leon niemals verzeihen werden kann, wenn er ihm nicht mal ordentlich die Meinung geigt, bis Leon sich reumütig entschuldigt.

„Blödsinn. Nur, weil ich es ihm nachsehe, heißt es ja nicht, dass ich es vergesse. Ich möchte nur nicht mein Leben lang einen Hass auf ihn haben. Immerhin war Ann-Kathrin ja die eigentliche Ursache.“

Ich schnaube. „Das ist bescheuert!“

„Findest du?“ Er schein ehrlich erstaunt, dass ich dieser Ansicht bin, was mich fast die Fassung verlieren lässt: „Er ist Schuld, dass es dir jetzt so scheiße geht. Das du Angst hast, das Haus zu verlassen oder dich mit irgendjemanden in der Öffentlichkeit sehen zu lassen! Ich finde, dass er es verdient hätte, dass ihm genau das gleiche passiert. Und wenn schon nicht, dann soll er wenigstens für das gerade stehen, was er verbockt hat“

Er sieht mich überrascht hat, weil er wohl nicht damit gerechnet hat, dass ich mich derart in seine Probleme hinein steigern kann. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich selbst kaum verstehe. Vielleicht liegt es einfach nur daran, dass ich ihn ins Herz geschlossen habe und er auf mich so klein und hilflos wirkt.

Ich möchte einfach nicht, dass ihm ein weiteres Unrecht geschieht und ich finde, er sollte anfangen, sich ein wenig gegen andere zu behaupten. Deswegen glaube ich auch, dass es ihm sicher gut tun wird, heute mit auf die Party zu gehen.

„Du wirst sehen, Dominik. Heute wird unsere Nacht der Nächte! Die anderen werden alle staunen, wie toll du sein kannst!“

Er sieht gar nicht überzeugt aus, aber er ist so nett, nicht wieder etwas Gegenteiliges zu behaupten. Den Rest des Weges, bis wir bei Pauls Wohnung angelangen, schweigen wir.
 

Als wir klingeln, sieht Dominik so aus, als würde er gleich flüchten wollen. Ich nehme das ein wenig besorgt zur Kenntnis, weil ich nicht möchte, dass er sich schon vor dem Eintreten schlecht fühlt.

„Kopf hoch,“ versuche ich, ihn aufzumuntern und ehe wir uns noch groß unterhalten können, öffnet sich bereits die Türe.

„Hey,“ begrüßt uns Paul und wirft einen irritierten Blick auf Dominik. Etwas sagen tut er aber nicht, sondern lässt uns nur ein, lässt Domi dabei aber nicht aus den Augen.

„Jasper?“, fragt er und nickt in seine Richtung. Ich bedeute ihm, dass ich mich schon um ihn kümmere und er sich keine Gedanken machen möchte, ehe ich Domi mit mir schleife, der keine Anstalten macht, vom Flur in Pauls großen Wohnraum zu treten.

Pauls Eltern sind relativ wohlhabend und können ihm eine dementsprechend große Bude bezahlen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass ziemlich viele Leute aus der Uni in der Wohnung versammelt sind.

Ich mische mich unters Volk, Domi dicht hinter mir, und mache mich auf die Suche nach Jonas und Leon.

Ersterer ist schnell gefunden, aber er ist alleine. Irgendwie war mir klar, dass Leon sich nicht bei uns blicken lässt, wenn er weiß, dass ich Dominik mit dabei habe.

„Was für ein Feigling,“ schnaube ich abfällig und Jonas nickt nur verhalten. „War ja klar,“ nuschelt er und möchte wohl nicht viel mehr dazu sagen. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass er nicht derjenige ist, der über Leon lästern möchte, aber das hält mich nicht davon ab, ihm zumindest meine Meinung auf die Nase zu binden.

„Möchtest du etwas trinken, Dominik?“, wende ich meine Aufmerksamkeit meinem kleinen Mitbewohner zu, der sich die ganze Zeit hektisch umsieht, als würde sich gleich jemand auf ihn stürzen.

Bisher hat noch keiner weiter bemerkt, dass er überhaupt da ist und wenn es doch jemand gemerkt hat, dann hat es denjenigen wohl nicht interessiert. So langsam könnte er sich mal entspannen, aber natürlich macht er das nicht.

„Dominik?“, hake ich nach, weil er nicht antwortet und nur ganz langsam wendet er mir seine Aufmerksamkeit zu. „Ja, eine Cola.“

Ich nicke und sehe Jonas fragend an, aber der hebt nur seine Bierflasche, um mir zu zeigen, dass er versorgt ist.

Ich mache mich auf den Weg zur Küche, wo Paul den Alkohol gebunkert hat und hoffe darauf, dass Jonas auf Dominik aufpasst.

Obwohl ‚aufpassen’ wohl der falsche Ausdruck ist, immerhin ist Dominik ja kein kleines Kind mehr. Aber zumindest kann Jonas sich ihm annehmen.

Kaum betrete ich die Küche, werde ich von Paul belagert, der sich dort um das Ausgeben der Getränke kümmert.

„Ist das Dominik, den du da angeschleppt hast? Der, der… du weißt schon… Mit einem der Professoren-“

„Er hat keine Affäre mit einem der Professoren und ja, das ist Dominik,“ unterbreche ich ihn barsch und mache ihn damit nur erstrecht neugierig.

„Was hast du denn mit Dominik zu schaffen?“

Ehe ich ihm antworten kann, stürmt Leon in die Küche.

„Du hast ihn tatsächlich mitgeschleppt?“, schreit er mich an, kaum dass er mich ausfindig gemacht hat.

Er scheint schon ein wenig angetrunken zu sein, weil er seine Bewegungen nicht mehr gänzlich koordinieren kann. Ziemlich bemitleidenswert, wenn man bedenkt, dass der gute Kerl ja nur eine halbe Stunde vor uns hier eingetroffen ist.

„Ja,“ gebe ich mich unbeeindruckt und versuche, ihm ruhig zu antworten, weil ich nicht Pauls Party mit einem Streit sprengen möchte.

„Du weißt doch genau, wie alle zu ihm stehen!“, schreit Leon aber nur weiter herum und ignoriert Paul, der ihn mehrmals bittet, etwas leiser zu sein.

„Kann dir doch egal sein,“ entgegne ich nur unwirsch, schnappe mir eine Cola und ein Bier für mich und verlasse dann die Küche.

Leon folgt mir nicht, sondern jammert Paul damit voll, dass er es nicht gut findet, dass Dominik auf der Party ist.

Glücklicherweise scheint es Paul egal zu sein, denn er folgt mir nicht, um mir zusagen, dass ich Domi hier wegschaffen soll.

Als ich wieder bei den Jungs ankomme, sieht Dominik mich leiden an, äußert aber nichts dergleichen, dass er gerne die Party verlassen würde. Stattdessen nippt er an seiner Cola und versucht, sich hier Jonas uns mir zu verstecken.

„Ich wird mal rüber zu Sandra gehen,“ wirft Jonas ein und wird ein wenig rot dabei. Er steht schon ein halbes Jahr auf Sandra, aber bisher ist er immer abgeblitzt.

Ich nicke und ehe ich ihm Glück wünschen kann, ist er bereits abgehauen.

„Und? Ist es so schlimm, wie du befürchtet hast?“, frage ich Domi und er schüttelt vage den Kopf.

„Ich möchte aber trotzdem nicht all zu lange bleiben,“ bittet er mich und weil ‚nicht all zu lange’ ein relativ dehnbarer Begriff ist, stimme ich zu.
 

Wir machen es uns auf einem der Sofas gemütlich, kaum dass ein Platz frei wird. Mittlerweile hat Dominik sich ein wenig beruhigt, wohl auch, weil sich ein Mädchen zu uns gesellt hat, dass von den Gerüchten noch nie etwas gehört hat oder so taktvoll ist, es zu verschweigen.

Sie versucht, mich anzuflirten und als ich nicht darauf eingehe, versucht sie es bei Dominik, was natürlich keinen Erfolg bringt.

Irgendwann gibt sie auf und unterhält sich einfach nur nett mit uns, bis ihr Freund wieder auftaucht.

Ich bin nicht davon ausgegangen, dass sie einen Kerl haben könnte, nachdem sie so hemmungslos geflirtet hat, aber nun lässt sie sich von ihm widerstandslos an sich ran drücken und heftig abknutschen.

Ich rümpfe ein wenig angeekelt die Nase und bin reichlich froh, als er von ihr ablässt. Dann aber sieht er uns scharf an und ich ahne Schlimmes.

„Habt ihr sie etwa angeflirtet?“, fragt er und der Ton in seiner Stimme nimmt etwas Gefährliches an.

„Nein, haben sie nicht, Roland,“ schlichtet das Mädchen, deren Namen ich schon wieder vergessen habe und erklärt ihm, dass wir uns nur nett unterhalten haben.

„Alles gut,“ versichere ich Roland ebenfalls und er schnaubt nur und mustert dann erst mich und kurz darauf Dominik.

„Du bist die kleine Schwuchtel, die sich von einem der Professoren ficken lässt, oder?“, fragt er dann und grinst. „Und du bist dann sein Ersatz, wenn der Professor gerade keine Zeit hat?“, wendet er sich an mich.

Ehe ich etwas erwidern kann, zieht er mit seiner Freundin von dannen, weil er wohl zwei ‚Schwuchteln’ nicht als Gefahr für seine Trulla ansieht.

„Er sollte nicht so sehr Angst haben, ein Typ würde sich an sie ran machen – sondern eher, dass sie sich an einen ran wirft,“ mache ich mich lustig, aber Dominik lacht nicht, sondern sieht mich nur aus großen Augen an.

Ich kann es nicht richtig sehen, weil es relativ dunkel in dem Raum ist, aber ich glaube ihn gut genug zu kennen, dass er sicher gleich wieder Tränen in den Augen haben wird.

„Ich… mag nach Hause,“ schnieft er und ich drehe mich auf dem Sofa so, dass ich ihm nun direkt ansehen kann.

„Dominik, hör mal,“ meine ich und tätschle sein Knie, „ Roland ist ein Idiot, das wissen wir doch alle. Und sonst hat noch keiner etwas gesagt. Ich glaube, die Tussi gerade wusste es nicht mal, sonst hätte sie dich nicht so hemmungslos angeflirtet. Du musst dich nicht verstecken.“

Er sieht nicht überzeugt aus und blickt nur zu Boden.

Ich schnappe mir seine Cola und halte sie ihm unter die Nase. „Na komm, trink noch einen Schluck und dann gehen wir tanzen, ja?“

Er nimmt brav einen Schluck, lässt sich aber unter gar keinen Umständen zum Tanzen überreden.

„Warum mag mich nur keiner?“, nuschelt er dann unverständlich und zupft an seinem T-Shirt herum.

Ich nehme seine Hand und löse sie von seinen Klamotten, ehe er sie noch kaputt machen kann, ehe ich erwidere: „Es ist nicht so, dass dich keiner mag. Sie kennen dich nur alle nicht. Deswegen musst du ihnen zeigen, dass du ganz toll bist und dann mögen sie dich auch!“

Er blickt auf und sieht mich skeptisch an, aber ehe noch etwas sagen kann, steht Leon neben uns.

„Alter,“ meint er und blickt auf meine Hand, die immer noch Dominiks festhält, „Was soll die Scheiße denn jetzt?“

Gerüchte

Ich lasse Dominiks Hand los und stehe auf, um Leon auf Augenhöhe gegenüber treten zu können. Er trainiert im Fitnessstudio und ist demnach stärker wie ich, aber er ist angetrunken und notfalls werde ich schon mit ihm fertig.

„Was ist dein Problem?“, frage ich ihn und verenge die Augen. Dominik steht ebenfalls auf.

„Japser,“ bittet er und zupft an meinem Ärmel, „Lass uns einfach nach Hause gehen, ja?“

Ich schüttle den Kopf. „Leon hat schon lange genug dein Leben kaputt gemacht. Geh zu Jonas, ja?“ dränge ich ihn und schiebe ihn an, damit er endlich losläuft.

Unsicher macht er sich auf den Weg und ich wende meine Aufmerksamkeit wieder Leon zu.

Er sieht mich seltsam an und ich finde, dass es an der Zeit ist, ihn endlich darauf anzusprechen. Lange genug habe ich ja dicht gehalten, um Jonas nicht in den Scheiß mit rein zu ziehen, aber jetzt kann er ja nicht mehr nachvollziehen, ob es mir nun Jonas oder Dominik erzählt hat.

„Du hast die Gerüchte in die Welt gesetzt,“ stelle ich ihn also zur Rede und er schüttelt den Kopf. „Das war Ann-Kathrin.“

„Aber du hast ihr fleißig geholfen, es jedem zu erzählen. Langsam solltest du dafür sorgen, dass die Gerüchte sich in Luft auflösen! Das bist du ihm schuldig!“, gifte ich und versuche dabei, meine Stimme leise zu halten, damit niemand aus der näheren Umgebung aufmerksam wird.

Er nervt mich langsam ziemlich. Statt das er endlich mal zu der Scheiße steht, die er gebaut hat, versucht er noch immer, es alles nur auf Ann-Kathrin zu schieben. Das Mädchen ist zwar die Pest in Person, aber er ist auch nicht viel besser.

„Weshalb? Du hast es doch schon geschafft, dass die Hälfte der Leute hier etwas ganz anderes rum erzählt!“ Er macht eine ausladende Handbewegung und deutet hier und da vereinzelt auf ein paar Leute.

„Denkst du nicht, dass es mir Leid tut, das er jetzt so darunter leiden muss, nur weil Ann-Kathrin sich nicht beherrschen konnte?“, fragt er und reizt mich damit nur noch mehr, weil er erneut die Schuld von sich schiebt.

„Weil du dich nicht beherrschen konntest,“ rufe ich deshalb lauter als nötig, so das sich nun doch ein paar Leute nach uns umdrehen.

Unsicher sehe ich mich um. Wenn ich etwas nicht möchte, dann das jetzt auch noch irgendjemand etwas von dem Streit mitbekommt. Ich dämpfe meine Stimme und knurre wesentlich leiser: „Du bist genauso Schuld.“

Er seufzt und zieht mich ein wenig Abseits, damit wir besser vor neugierigen Zuhörern geschützt sind.

„Hör mal, mir tut es Leid, was da passiert ist, ja? Aber das ändert jetzt nichts mehr an der Sache und wenn du mit ihm auf die Party kommst, an ihm dran klebst und mit ihm Händchen hältst, dann machst du dich ganze Sache nur noch schlimmer!“

Mir klappt der Mund auf, weil er mir auf einmal derartige Sachen unterstellt.

Ehe ich etwas sagen kann, hakt er nach: „Was soll das überhaupt? Bist du jetzt plötzlich schwul? Bi? Ich kann mich nicht erinnern, dass du uns jemals etwas davon gesagt hast.“

Ich schüttle entsetzt den Kopf. „Wie kommst du darauf? Ich habe ihn lediglich mitgebracht! Und vorhin wollte ich ihn trösten.“

„Es hat aber ein wenig anders ausgesehen und das ist nicht nur mir aufgefallen, okay. Das ist genau das, weshalb ich nicht wollte, dass du ihm mit hier her bringst. Jetzt werden sich alle das Maul darüber zerreißen, ob ihr ein Pärchen seid.“

Mittlerweile bin ich richtig wütend. Nicht nur, dass er so wenig Reue zeigt, sondern auch noch den großen Macker markiert, nun will er mir auch noch erzählen, was ich alles falsch gemacht habe. Dabei vergisst er nur leider, dass er überhaupt Schuld ist, dass die ganze Sache mit Dominik so eskaliert ist. Wer war es denn, der mit den Gerüchten angefangen hat?! Er hätte Ann-Kathrin sagen sollen, dass sie ihre Fresse halten soll, aber das hat er nicht gemacht.

Von wegen, er war so verknallt in sie, dass er ihr aus der Hand gefressen hat. Was ist er denn für ein Loser, sich so von einem Mädchen einnehmen zu lassen?

Genau das donnere ich ihm nun an den Kopf. „Und jetzt trägst du nichts dazu bei, es zu ändern. Du nimmst kommentarlos hin, Dominiks Leben zerstört zu haben und versuchst nicht mal, ihm zu helfen, wieder Anschluss zu finden!“, ende ich meine Predigt und er verdreht nur die Augen.

„Ich habe sein Leben nicht zerstört, übertreib nicht so,“ erwidert er, nun aber schon handzahmer, weil er wohl langsam einsieht, dass er richtig Scheiße gebaut hat und immer noch baut.

„Und jetzt versuchst du nicht mal, es besser zu machen. Im Gegenteil! Du bist es auch noch, der ihn hier von der Party ausschließen wollte. Weil es nicht eh schon alles schlimm genug ist, muss du noch mal nach treten!“

„Hey!“, unterbricht er mich barsch, ehe ich weiter schimpfen und auf ihn einhacken kann, „So ist das gar nicht! Der einzige Grund, warum ich nicht wollte, dass er hier her kommt ist der, der jetzt auch eingetreten ist!“

Er nickt wieder Richtung feiernder Menge. „Weißt du noch, als du uns erzählst hat, dass sich Dominik nicht mit dir sehen lassen möchte?“

Ich nicke und sehe ihn nun gespannt an, was er nun für eine Ausrede vorzuweisen hat.

„Warum?“, fragt er und ich runzle die Stirn und überlege kurz. Dann fällt es mir wieder ein. „Er wollte nicht, dass über mich auch noch Gerüchte aufkommen.“

„Was glaubst du wohl, was in dem Moment geschehen ist, indem ihr Händchen haltend auf der Couch gesessen habt?“

Ich beiße mir auf die Lippe, als mir klar wird, auf was er hinaus will.

„Ich habe dir gesagt, du sollst dich zurück nehmen und ihn nicht mitbringen. Er hat es selbst gewusst und du warst zu sehr in deinem Wahn drin, ihn wieder sozial zu integrieren, dass dir gar nicht in den Sinn gekommen ist, dass es auf andere einen falschen Eindruck machen könnte.“

Ich blicke auf meine Hand und komme mir reichlich doof vor. Natürlich würde es bei den anderen falsch rüber kommen und nachdem über Dominik eh schon so viel getratscht wird, wird es auch nicht lange dauern, bis das nächste Gerücht die Runde gemacht hat.

Und damit ist dann genau das eingetreten, was Dominik nicht wollte.

„Ich bin kein Unmensch, als dass mir Dominik nicht Leid tun würde oder ich es verweigern würde, ihm zu helfen. Aber ich wollte verhindern, dass du in die Sache mit rein gezogen wirst.“

Ich weiß nicht, ob ich ihm glauben kann, weil er natürlich nur so tun könnte, als würde er jetzt der tolle Kumpel sein, der mich vor Schaden bewahren wollte.

Andererseits kommt es mir so vor, als würde er es tatsächlich ehrlich meinen und ich muss wohl einfach sehen, wie sich sein Verhalten entwickelt.

„Anstatt mir Vorwürfe zu machen, solltest du vielleicht mal nach ihm sehen,“ schlägt er mir vor und eigentlich möchte ich schon aus Prinzip nicht tun, was er mir vorschlägt, aber leider hat er Recht.

Wenn es wirklich stimmt und einige schon wieder Scheiße über uns verbreiten, dann sollte ich Domi vielleicht nicht alleine lassen.

Ich mache mich auf, ihn zu suchen und finde Jonas auch Recht schnell bei Sandra. Leider fehlt von Dominik jede Spur.

„Hey, wo ist er denn hin?“, frage ich Jonas und er sieht mich fragend an. „Wer?“

„Na, Dominik. Hat er dich nicht gefunden?“ Er sieht mindestens so irritiert aus wie ich und weiß ganz offensichtlich gar nicht, was ich gerade von ihm möchte.

„Du wolltest dich doch um ihn kümmern,“ stellt er fest und blinzelt mich an. „Wir waren hier gerade…“ Er beendet seinen Satz nicht, sondern sieht Sandra nur hilflos an. Sie blickt nur fragend zurück. „Keine Ahnung, um was es jetzt genau geht, aber wenn du Dominik suchst, der ist vorhin gegangen.“

Mir klappt der Mund auf und ich wirble auf dem Absatz herum und stürme aus der Wohnung.
 

Es ist noch nicht wirklich Herbst, aber die Nächte sind schon relativ kühl. Ich verfluche mich selbst dafür, so dumm gewesen zu sein, keine Jacke mitgenommen zu haben und hoffe, dass Domi seine nicht in der ganzen Aufregung vergessen hat.

Ich bin ein wenig sauer auf ihn, weil er einfach so abgehauen ist. Ich hatte ihm doch gesagt, er soll bei Jonas auf mich warten. Und sicher wäre ich auch mit ihm nach Hause gegangen, wen er gar keine Lust mehr gehabt hätte. Aber dass er einfach so geht, ohne mir Bescheid zu sagen, finde ich nicht gut.

Ich bin den halben Weg gerannt und völlig erschöpft, als ich endlich bei unserer Wohnung ankomme. Es brennt kein Licht in der Küche, aber ich glaube auch nicht, dass er sich in der Küche aufhält. Wahrscheinlich hat er sich in seinem Bett verkrochen.

Ich schließe auf und stürme sogleich sein Zimmer. Dort liegt er tatsächlich im Bett, noch gänzlich in Klamotten und heult sein Kissen voll.

„Bist du bescheuert!“, brülle ich und meine quillt Aufregung platzt nun aus mir heraus. , „Weißt du, was ich mir für Sorgen gemacht habe? Plötzlich bist du verschwunden und keiner hat dich gesehen! Was, wenn du dich verlaufen hättest? Oder wenn… dich jemand entführt hätte!“

Trotz all der Tränen gelingt es ihm, ein kleines Lächeln zustande zu bringen und dabei mein ganzes Geschrei einfach zu ignorieren. „Tut mir Leid,“ meint er schließlich und richtet sich auf. „Ich hatte das Gefühl, das alles schon schlimm genug ist. Jetzt reden sie über dich. Das wollte ich vermeiden.“

Ich schnaube und so langsam reicht es mir, wie ein rohes Ei behandelt zu werden. Warum wollen mich eigentlich alle immer nur schützen? Ich bin doch alt genug, mit dummen Sprüchen von anderen fertig zu werden. Und wenn jemand Gerüchte über sich ertragen kann, dann ich.

Immerhin bin ich nicht so eingeschüchtert wie Dominik, sondern weiß, wie ich mich behaupten kann. Wenn mir einer dumm kommt, dann werde ich dem schon was erzählen.

Mürrisch lasse ich mich auf Dominiks Bettkante nieder und blicke auf das Laminat in seinem Zimmer.

Im Gegensatz zu meinem Zimmer, finden sich auf seinem Boden keine Wollmäuse.

„Ist mir scheißegal, ob sie über mich reden oder nicht,“ versichere ich ihm und versuche mich an einem schiefen Grinsen: „Immerhin hast du jetzt keine Affäre mehr mit einem der Professoren, sondern mit mir.“ Ich zwinkere ihm zu: „Sag nicht, dass ist nicht besser.“

Er muss leise Kichern und befreit sich von seiner Decke, um neben mir Platz zu nehmen. „Wenn dich jemand fragt, musst du ihnen aber sagen, dass ich ein wilder Tiger im Bett bin,“ erläuterte ich ihm und nun beginnt er, richtig zu lachen. Da ist mein Aufheiterungsversuch ja geglückt.

„Leon hat versucht mir weiß zu machen, dass er dich nur nicht auf der Party wollte, um mich vor solchen Gerüchten zu schützen,“ erzähle ich Dominik dann und er runzelt ebenso die Stirn, wie ich, als ich das gehört habe.

„Glaubst du ihm?“, fragt er und zucke mit den Schultern, weil ich einfach keine Ahnung habe, ob ich es ihm glauben kann, oder nicht.

„Er ist kein schlechter Mensch, nur weil er mal einen Fehler gemacht hat,“ erinnert er mich und ich frage mich, warum ausgerechnet er das so einfach sagen kann. Bin ich zu nachtragend oder ist er zu nachgiebig?

„Er ist aber auch kein guter Mensch, wenn er sich nicht ehrlich bei dir entschuldigen kann,“ erwidere ich und er schüttelt den Kopf.

„Vielleicht ist das einfach nicht seine Art. Und vielleicht hat er versucht, es wieder gut zu machen, indem er vermeiden wollte, dass nun auch noch über dich Gerüchte entstehen.“

Ich denke eine geraume Weile über seine Worte nach, komme aber zu keinem Ergebnis. Irgendwann seufze ich und er fragt: „Was machen wir jetzt?“

Ich weiß, was er meint, aber ich weiß nicht recht, was er hören will.

Zugegeben, es ist ziemlich ungünstig, dass nun über uns geredet wird, aber was können wir schon groß dagegen tun? Was geschehen ist, ist geschehen und lässt sich auch nicht mehr rückgängig machen.

„Nichts. Wenn sie uns fragen, antworten wir wahrheitsgemäß. Und wenn sie über uns reden, dann ignorieren wir sie.“

„Also bleibt alles beim Alten?“, fragt er und ich nicke, obwohl natürlich nichts so sein wird, wie es vor der Party war.

Für mich wird es anstrengend werden, aber für Dominik läuft es eigentlich besser. Immerhin hat sich seine Affäre um einige Jahre verjüngert, da sollte er doch stolz drauf sein. Das sage ich ihm auch und bringe ihn erneut zum lachen. „Wahrscheinlich ist die Sache gar nicht so schlimm, wie angenommen, wenn wir darüber noch lachen können,“ stelle ich fest und er sieht mich ernst an und nickt dann zögerlich.

Scheint, als hätte ich mit dieser Annahme gar nicht so Unrecht.
 

Trotzdem ist es komisch, am Montag nach diesem Wochenende wieder die Uni zu betreten und einigen neugierigen Blicken ausgesetzt zu sein. Während ich mir einen Weg durch die Eingangshalle bahne, merke ich immer wieder, dass sich vereinzelt Studenten nach mir umdrehen. Einige tuscheln auch miteinander, aber niemand spricht mich an. Ich würde nicht behaupten, dass mir das unangenehm ist. Eigentlich ist es mir egal, ob man nun hinter meinem Rücken tuschelt, oder nicht. Aber seltsam ist es trotzdem, wegen einem Gerücht plötzlich derart im Mittelpunkt zu stehen. Wenn dem überhaupt so der Fall ist. Vielleicht entwickle ich schon eine derartige Paranoia wie Dominik und bilde mir am Ende das ganze Getuschel einfach nur ein.

Ich weiß nicht genau, wie ich mich nun verhalten soll. Soll ich die Leute, die reden einfach darauf ansprechen. So nach dem Motto: „Hey, ich hab gerade meinen Namen gehört. Ist es wegen dem Gerücht?“

Aber wie peinlich wäre es, sie darauf anzusprechen und dann zu merken, dass sie gar nicht über mich geredet haben. Am Ende bin ich es noch, der Gerüchte über mich selbst verbreitet.

Hin und her gerissen, was ich nun tun soll, trete ich in die Cafeteria und spüre auch da den ein oder anderen Blick auf mir ruhen. Ich versuche, einfach ruhig zu bleiben, mir nichts anmerken zu lassen und alles so zu machen, wie immer.

Folglich hole ich mir einen großen Pott Kaffee und setze mich an einen der Tisch, warte auf Jonas und Leon.

Die Leute verhalten sich ziemlich seltsam, wenn sie etwas erfahren haben, von dem sie nicht genau wissen, ob es nun stimmt, oder nicht. Warum redet man einfach über jemanden, statt ihn einfach direkt darauf anzusprechen. Würden sie mich jetzt fragen, ob ich mit Dominik zusammen bin, würde ich es verneinen und damit hätte sich die Sache. Sie bräuchten sich nicht mehr ihren Kopf über meine Angelegenheiten zerbrechen und ich hätte meine Ruhe. Aber wahrscheinlich macht genau das den Reiz aus, nicht zu wissen, ob es stimmt oder nicht. Wir haben ja auch großen Spaß daran, über andere zu lästern und in dieses Geläster schließt sich Tratsch ja mit ein.

Darüber philosophiere ich, bis endlich Jonas und Leon kommen. Endlich, weil es mir langsam doch unangenehm wird, dieses Getuschel so ganz alleine auszuhalten.

Ich begrüße die beiden und dann werde ich auch schon über das ganze Ausmaß der Gerüchteküche informiert.

„Roland hat mich vorhin gefragt, ob du jetzt tatsächlich mit Dominik zusammen bist. Er meinte, er hätte am Samstag ja noch Späße drüber gemacht und jetzt kommt er sich super intelligent vor, weil es der Wahrheit entspricht,“ klärt Leon mich auf und verdreht dabei die Augen. „Ich habe ihm natürlich gesagt, dass es nicht stimmt, aber er glaubt mir nicht.“

„Und Paul hat mich heute morgen darauf angesprochen, dass er ja total irritiert war, als du mit Dominik angekommen bist, aber das es jetzt natürlich Sinn ergibt,“ fügt Jonas hinzu und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Er schien sogar enttäuscht, als ich ihm gesagt habe, dass an den Gerüchten nichts dran ist. Scheint, als hätte er sich für euch gefreut.“

„Na wunderbar,“ murre ich und rühre missmutig in meiner Kaffeetasse. Das Roland ein bisschen geistig umnachtet ist, das war mir ja klar, aber dass sogar Paul was auf die Gerüchte gibt, obwohl wir uns relativ gut kennen, finde ich schade. Andererseits ist es nett von ihm, dass er sich für mich gefreut hat. Offenbar findet er mich wenigstens nicht komisch, dass ich plötzlich mit Dominik zusammen sein soll.

„Vanessa war ganz traurig, dass du schwul bist,“ feixt Leon und ich verdrehe die Augen. Mit Vanessa hatte ich im ersten Semester ein Date. Obwohl sie eigentlich ganz nett ist, fand ich ihre direkte Art einfach zu nervig und aus uns ist nie etwas geworden. Dass sie mir immer noch nachtrauert, hätte ich gar nicht gedacht.

„Interessanterweise scheint es niemanden bis auf Vanessa zu interessieren, ob du nun schwul bist oder nicht. Was die Leute irritiert, ist die Tatsache, dass es Dominik ist,“ meint Jonas und ich zucke mit den Achseln. Wäre ja auch noch schöner, wenn Homosexualität einen kleinen Skandal an der Uni auslösen würde. Wir leben immerhin im 21 Jahrhundert.

„Ich hoffe, sie machen Dominik heute nicht so fertig,“ erwidere ich besorgt und sehe mich in der Cafeteria um, ob ich ihn irgendwo sehe. Aber natürlich ist er nicht hier, er kommt eigentlich nie her, um sich Kaffee zu holen.

Wahrscheinlich wäre es auch ungünstig, wenn ich ihn jetzt in der Uni ansprechen würde. Das würde die Gerüchte ja nur noch mehr anfachen. Besser ist es, ihn weitestgehend zu ignorieren, bis Gras über die Sache gewachsen ist. In etwa so, wie wir es schon die ganze Zeit versuchen, um zu vertuschen, dass ich mit ihm zusammen wohne.

„Ich hoffe, es hört bald wieder auf. Ich komme mir total doof vor, wenn alle über mich reden,“ seufze ich und Leon sieht mich schief an.

„Aber erst mal behaupten, dass es dich nicht stört, wenn man über dich redet,“ mault er und ich werfe ihm einen bösen Blick zu.

„Es ist auch nicht so, als würde ich mich heulend auf dem Klo verkriechen wollen. Es nervt einfach nur,“ fauche ich und bin schon wieder sauer auf ihn.

Nach meinem Gespräch mit Dominik habe ich eigentlich beschlossen, es einfach gut sein zu lassen, aber so ganz verzeihen kann ich ihm dann doch nicht. Dominik hat wohl wirklich Recht, Verzeihen und Vergessen sind zwei unterschiedliche Dinge.

Deswegen nervt es mich auch, wenn er jetzt schon wieder mit der Sache anfängt und auch noch meint, es besser zu wissen. Er ist doch überhaupt erst an der ganzen Sache schuld! Hätte er Ann-Kathrin aufgehalten, gäbe es keine Gerüchte über Dominik, das mit der Party wäre nie so ausgegangen und keiner würde jetzt über mich reden.

Das sage ich ihm auch, ehe ich aufstehe und die Beiden einfach sitzen lassen. Im Nachhinein komme ich mir ziemlich blöd vor. Als wäre ich jetzt schon eine kleine Dramaqueen, die so eine Szene nötig hat.

Aber andererseits brauche ich mir keine weisen Sprüche von Leon anzuhören, von jedem, aber nicht von ihm.

„Hey, Jasper,“ ertönt hinter mir eine Stimme und ich drehe mich und blicke geradewegs in Felix’ Gesicht.

Felix ist ein Semester unter Jonas und mir und eigentlich sehr nett. Er sieht mich ein wenig verlegen an und meint: „Ich habe gehört, dass du jetzt mit Dominik zusammen sein sollst.“

Ich verdrehe die Augen, was mir im Nachhinein Leid tut. Wenigstens spricht er mich persönlich darauf an. Das war ja das, was ich mir vorhin noch gewünscht habe.

Dennoch nervt es mich gerade, weil ich ganz allgemein plötzlich genervt bin. Und daran ist nur Leon schuld.

„Ja, ich weiß, dass es alle erzählen. Aber es stimmt nicht, okay?“, murre ich und lasse Felix dann einfach stehen.

Ich verkrieche mich in einem menschenleeren Gang und lehne mich gegen die kühle Wand. Vielleicht sollte ich einfach wieder ein Mädchen daten, dann wüssten alle, dass die Gerüchte nicht stimmen und somit wäre die Sache erledigt.

Während ich mir überlege, ob ich es noch ein Date lang mit Vanessa aushalte, tritt Jonas zu mir. Ich bin erstaunt, dass er mich in so kurzer Zeit schon gefunden hat – ganz davon abgesehen, dass ich nicht gedacht hätte, dass er überhaupt nach mir suchen würde.

„Du solltest dich nicht so über Leon ärgern,“ rät er mir und lehnt sich an die gegenüberliegende Wand, sieht mich ernst an. „Wenn du diese ganze Scheiße hier überstehen willst, dann darfst du nicht so genervt reagieren, sondern musst cool bleiben. Dann merken die Leute gleich, dass die Sache gar nicht so spektakulär ist, wie sie denken. Und sie hören auch auf, über dich zu reden, weil sie merken, dass es dich nicht interessiert.“

„Ich rege mich ja nicht über die Leute auf, sondern über Leon!“, erwidere ich aufgebracht und er seufzt leise. „Manchmal ist er halt ein kleiner Idiot,“ nuschelt er dann, aber ich verstehe ihn trotzdem.

Das heitert mich ein wenig auf. Bisher war Jonas recht unparteiisch, aber jetzt von ihm zu hören, dass Leon sich etwas zurück nehmen könnte, hilft mir enorm. Nun weiß ich wenigstens, dass ich nicht ganz zu Unrecht am durchdrehen bin.

„Gehen wir zur nächsten Vorlesung,“ fordert er mich dann auf und ich nicke und stoße mich von der Wand ab.

Ich versuche, seinen Rat zu befolgen, als wir in den Hörsaal treten und halte den Kopf nach oben, lasse alle Sprüche an mir abprallen.

Die Lesung wird nicht besonders schön, aber bereits danach haben die Meisten den Spaß daran verloren, über mich zu reden.
 

„Wie war es?“, frage ich Dominik, kaum das ich nach Hause komme. Er sitzt in der Küche am Tisch, die Beine wieder in einem Schneidersitz verschlungen, und nagt gerade lustlos an einem Brot herum.

Als ich eintrete, legt er das Brot weg und wendet sich mir zu. „Ging.“

Ich hatte mir ein wenig mehr Info erhofft, deswegen nehme ich auch neben ihm Platz, beiße eine Ecke von seinem Brot ab und mampfe dann: „Geht es auch ein wenig genauer?“

Er seufzt und schiebt mir den Teller gänzlich zu, was ich dankbar zur Kenntnis nehme. Ich habe nämlich wahnsinnigen Hunger.

„Sie haben halt die ganze Zeit drüber geredet,“ erzählt er und rückt sich in eine bequeme Position. „Aber es war nicht so demütigend, wie bei der Sache mit dem Professor. Da waren sie ja alle der Meinung, dass ich widerlich wäre. Jetzt reden sie halt nur darum, wie du und ich uns nur annähern konnten. Also eigentlich… ist es gar nicht so schlimm.“

„Aber uneigentlich ist es dir unangenehm,“ stelle ich fest und er nickt.

„Bei mir war es auch nicht viel anders,“ beginne ich dann zu berichten. „Sie haben viel geredet und ich habe versucht, es einfach zu ignorieren und ihnen selbstbewusst gegenüber zu treten. Die meisten haben dann auch ihre Klappe gehalten, aber es gibt halt auch überall ein paar Idioten, die nicht wissen, wann es gut ist.“

Er schweigt dazu und ich habe auch nichts mehr zu sagen und beginne einfach, das Brot zu essen.

„Hast du keinen Hunger?“, frage ich ihn und halte ihm das letzte Stückchen unter die Nase, aber er schüttelt den Kopf.

Ich frage mich, ob ihm der Appetit vergangen sei, aber so wie er es gesagt hat, ist es ja gar nicht so schlimm, wie zuvor.

Das beruhigt mich etwas, weil ich nicht möchte, dass es Dominik schlecht geht. Ich kann zwar Leon die Hauptschuld zuschieben, aber ganz unbeteiligt bin ich dennoch nicht. Wieso musste ich auch seine Hand halten, um ihn zu trösten. Und sein Knie berühren. Ist doch klar, dass es auf andere irgendwie recht intim wirken könnte. Ich hätte ihm einfach locker auf die Schulter klopfen und mit allen anderen Tröstversuchen bis zu Hause warten sollen.

Aber in dem Moment war mir einfach nur wichtig, dass er wieder relativ gut gelaunt ist und den Abend genießen kann, sodass ich an die ganzen Konsequenzen, die mein Handeln mit sich bringen könnte, gar nicht gedacht habe.

Und wahrscheinlich war ich auch einfach wieder zu naiv, weil mir gar nicht in den Sinn kam, dass es auf andere falsch wirken könnte.

„Tut mir Leid, dass ich nicht dran gedacht habe, ein wenig verhaltener zu reagieren,“ entschuldige ich mich deshalb bei Dominik, was ihn dazu bringt, mich verwirrt anzusehen. Wahrscheinlich ist er noch gar nicht auf die Idee gekommen, mir eine Teilschuld anzulasten.

Ich erläutere ihm kurz und knapp, was mir gerade so durch den Kopf gegangen ist und er winkt ab: „Du hast ja nur versucht, mich wieder fröhlich zu stimmen. Das ist eben deine Art und die mag ich an dir auch so sehr.“

Er lächelt mich kurz an, weicht aber meinem Blick aus. Ich weiß nicht so recht, warum er das tut, aber ich glaube ihm das, was er sagt, weil er dabei so ausgesehen hat, als würde er es ehrlich meinen. Manchmal ist Dominik echt ein Mysterium, aber das ist es, was ich wiederum an ihm so sehr mag.

Maria

Überraschender Weise sind die nächsten Tage relativ ruhig. Ich habe damit gerechnet, mich einer Lästerattacke nach der anderen ausgesetzt zu sehen und mir den ganzen Zeit lang dumme Sprüche anhören zu dürfen, was nun mit Dominik und mir läuft, aber nichts dergleichen passiert.

Hier und da reden vereinzelt noch ein paar Leute über mich, aber die meisten haben sich bereits wieder beruhigt und wohl verstanden, dass an den Gerüchten gar nichts dran ist. Das beruhigt mich ein wenig und macht mir Hoffnung, dass es bei Dominik ähnlich ist. Vielleicht war dieses Gerücht auch nötig, um das andere aus der Welt zu schaffen und nun haben sich ganz automatisch beide gleichzeitig in Luft aufgelöst.

Obwohl das alles sicher nicht so geplant war, hat es sich also als gar nicht so schlecht herausgestellt.

Relativ zufrieden mit der Situation, kann ich mich sogar wieder mit Leon an einem Tisch aufhalten, ohne ihn gleich an die Gurgel springen zu wollen. Er ist auch intelligent genug, es sich nicht wieder mit mir zu verscherzen, was ja auch schon mal ein Fortschritt ist.

„Erstaunlich, wie schnell sich die Lage entschärft hat, oder?“, stellt auch Jonas fest, während wir gemeinsam bei unserem Lieblingsasiaten zu Mittag essen.

„Vor drei Tagen waren noch alle in hellem Aufruhr wegen eurer angeblichen Beziehung und heute redet schon keine Sau mehr darüber.“

„Ist auch gut so,“ murre ich und spieße eine Garnele mit der Gabel auf. Ich bin zu doof, um mit Stäbchen zu essen und stehe damit alleine da. Sowohl Jonas als auch Leon schaufeln ihr Essen mit Stäbchen in sich hinein.

„Mich würde nur mal interessieren, warum das so ist?“, wirft Leon ein und scheint damit auf etwas anspielen zu wollen, von dem ich mir nicht vorstellen kann, was es ist. Jedenfalls sieht er ziemlich gespannt aus, ob irgendjemanden von uns sich die gleiche Frage stellt, aber dem ist nicht so.

„Ich bin einfach froh darüber und hoffe, es bleibt so,“ wehre ich ab und Jonas fügt hinzu: „Wahrscheinlich hat Jasper sie einfach durch sein lässiges Auftreten überzeugen können.“

Leon sieht aus, als würde er gerne noch etwas dazu sagen wollen, aber er lässt es und darüber bin ich froh. Man hat ja gesehen, in welcher Katastrophe es geendet ist, nachdem er uns das letzte Mal etwas anvertraut hat.

Ich versuche wirklich, nicht mehr böse auf ihn zu sein, aber jedes Mal, wenn ich daran denke, dass er die eigentliche Schuld an dem ganzen Chaos hat, werde ich doch wieder sauer. Mittlerweile komme ich mir echt schäbig vor, weil ich es einfach nicht schaffe, einem Freund einen Fehler zu verzeihen, aber so leicht geht das eben nicht.

Ich weiß auch gar nicht, was ich von ihm erwarte. Er hat bereits gesagt, es würde ihm Leid tun und seitdem hat er auch keine Scheiße mehr gebaut, aber irgendwie komme ich mit der Sache dennoch nicht klar.

Vielleicht auch, weil es gar nicht so sehr um mich geht, sondern viel mehr um Dominik. Dieser musste so lange leiden, da kann es doch nicht innerhalb von wenigen Tagen alles wieder in Ordnung sein, oder?

Während wir schweigend essen, denke ich ausgiebig darüber nach, komme aber zu keinem wirklichen Ergebnis.

„Hast du die Notizen von der letzten Lesung? Die, welche ich verpasst habe, weil ich da arbeiten musste?“, fragt Jonas mich, als wir bereits mit Essen fertig sind und ich nicke und gebe sie ihm, ehe wir bezahlen. Jonas arbeitet nebenbei öfter mal in einem kleinen Supermarkt an der Kasse. Eigentlich sind seine Arbeitszeiten so geregelt, dass er tagsüber die Uni besuchen kann, aber wenn eine Lesung mal abends statt findet, kann es schon mal passieren, dass er diese dann nicht besuchen kann. Dann bin ich so nett, immer extra viele Notizen zu machen, damit er den Stoff auch ja versteht, wenn er ihn bei mir abgleicht.
 

Wenig später sind wir auf dem Weg zurück zur Uni und ich bin froh, als wir diese erreichen, weil es heute ziemlich windig und unschön ist.

Als wir die Eingangshalle betreten, erblicke ich fast sofort Dominik. Er steht da und unterhält sich mit einem Jungen, den ich nicht kenne, der aber wohl in seinem Semester sein muss, denn soweit ich das sehe, unterhalten sie sich über ein Skript, dass Dominik in Händen hält.

Es ist das erste Mal seit dem Aufkommen der Gerüchte, dass wir uns in der Uni begegnen. Meistens halte ich mich ja nur in der Cafeteria und im Hörsaal auf und da Dominik weder in der Cafeteria rum treibt, noch unsere Lesungen besucht, sehe ich ihn eigentlich so gut wie nie.

Mir ist natürlich bewusst, dass ich jetzt nicht groß etwas zu ihm sagen kann, ohne die Gerüchte wieder aufzuwärmen, andererseits habe ich ja schon mehrmals gesagt, dass ich nicht einsehe, allen etwas vorzulügen.

Ich entscheide mich also für ein knappes ‚Hey’, als ich an ihm vorbeilaufe und er erwidert es – nicht, ohne sich danach panisch umzuschauen – und das war es dann.

„Ich komme mir blöd vor, wenn ich nicht normal mit ihm reden kann,“ meine ich letztlich zu Jonas, als wir uns schon ein gutes Stück entfernt haben.

„Meine Güte, Jasper. Ihr könnt doch zu Hause miteinander reden, oder nicht?“, lacht er und ich zucke mit den Schulter. Ich komme mir trotzdem doof vor, keine Ahnung, warum er das nicht versteht.

Andererseits kann es natürlich auch sein, dass ich mich ein wenig blöd anstelle. Immerhin ist es nicht so schlimm, wenn wir in der Uni nicht groß miteinander reden. Wir sehen uns ja auch kaum. Aber darum geht es mir ja nicht, es geht mir nur darum, dass ich die ganze Zeit etwas verschweigen soll, nur weil andere dann einen Skandal daraus machen würden. So langsam geht mir die gesamte Uni auf die Nerven, so viel ist sicher.
 

„Wieso denn nicht?“, frage ich Dominik, der mit verschränkten Armen auf dem Küchenstuhl sitzt und mich stur ansieht.

„Weil das nur wieder die Gerüchteküche anheizt?!“, entgegnet er genervt und zieht seine Beine nach oben, um sie wieder im Schneidersitz zu verschränken. Irgendwie mag ich diese Angewohnheit an ihm.

„Aber es hat sich doch alles schon längst wieder beruhigt,“ erwidere ich und rede schnell weiter, ehe er mir wieder widersprechen kann: „Das wäre doch die Chance, allen zu zeigen, dass wir nur Freunde sind!“

Er schüttelt heftig den Kopf, ehe er meint: „Die würden sich nur fragen, warum wir schon wieder zusammen abhängen und erneut über uns reden!“

Ich seufze und lasse mich auf dem Stuhl ihm gegenüber nieder.

Ich versuche nun schon eine halbe Stunde lang, ihn davon zu überzeugen, dass er mit den Jungs und mir am Samstag in die Stadt geht.

„Wer sagt denn überhaupt, dass sich jemand aus unserer Uni in der Disco befindet, in der wir dann reingehen?“, frage ich und diese Frage ist ziemlich lahm, immerhin die Chance relativ groß, dass dem so ist. So sieht das auch Dominik, denn er verdreht nur die Augen und macht sich nicht mal die Mühe, mir darauf zu antworten.

„Ach komm schon, es könnte ganz witzig werden,“ dränge ich ihn und er rümpft die Nase. „So witzig, wie Pauls Party?“, murrt er dann und ich seufze.

Zumindest scheint ihn das ein schlechtes Gewissen zu bereiten, denn er seufzt ebenfalls und sagt dann: „Tut mir Leid, Jasper. Ich weiß ja, dass du es nur gut meinst. Aber ich glaube nach den ganzen Ereignissen ist es einfach besser, wenn wir uns in nächster Zeit nicht so oft zusammen sehen lassen.“

Ich nicke betrübt und finde es schade, dass wir nicht mal zusammen fortgehen können, nur weil sonst wieder jemand über uns reden könnte. Das sage ich Dominik auch, aber der winkt ab: „Macht doch nichts. Wir verstehen uns auch so gut und ich bin es gewohnt, nicht raus zu kommen.“

Mit dieser Ansage bin ich nur leider alles andere als zufrieden. „Versprich mir, dass wir irgendwann mal wieder zusammen fort gehen, wenn sich die ganze Scheiße ein wenig gelegt hat, ja?“, bitte ich ihn und er nickt nachgiebig. „Aber nicht in den nächsten zwei, drei Wochen. Es ist das erste Mal seit langem, dass mal keiner über mich redet. Ich möchte nicht, dass es schon wieder von vorne anfängt.“

Ich kann es ja wirklich verstehen. Ich habe ja mitbekommen, wie Dominik unter dieser ganzen Sache gelitten hat und ich weiß, wie glücklich es ihn schon macht, dass mal zwei Tage keiner über ihn geredet hat. Deswegen kann ich auch nachvollziehen, dass er diese Ruhe genießt und nicht schon wieder Öl ins Feuer gießen möchte. Dennoch bin ich mit der Regelung gar nicht zufrieden und das sage ich ihm.

„In ein zwei Wochen,“ verspricht er mir und nicke betrübt und schreibe Jonas eine SMS, dass ich mitgehe, aber Dominik zu Hause bleiben wird.

„Vielleicht besser so,“ schreibt mir Jonas einige Sekunden später zurück und ich verziehe den Mund.

Sind eigentlich alle anderen zu vorsichtig oder bin ich mal wieder zu naiv?
 

Samstagabend stehe ich also alleine im Bad, um mich für den Abend vorzubereiten, während Dominik auf dem Klodeckel sitzt – wieder im Schneidersitz – und mir dabei zuguckt.

„Bist du sicher, dass du nicht mit willst?“, frage ich ihn nun schon das dritte Mal und er erwidert nur ein lang gezogenes ‚Jaaaaspeeeer’, was Antwort genug ist.

Ich muss kichern. „Einen Versuch war es wert, oder?“, lache ich und er wirft ein Handtuch nach mir. Ich grinse vergnügt und zupfe noch ein wenig an meinen Haaren herum. „Wie sehe ich aus?“, frage ich dann und er grinst ebenfalls und meint: „Wie ein wilder Tiger.“

Ich muss lachen und prüfe noch einmal mein Outfit, ehe ich zufrieden nicke. „Ich glaube, so kann ich fort! Sieht eigentlich ganz gut aus. Und somit verpasst du die Gelegenheit, mit dem geilsten Typen Berlins auszugehen. Denk mal darüber nach,“ witzle ich und er wird rot und wirft noch ein Handtuch nach mir.

Ich frage mich, wo er die so schnell herbekommt.

„Also gut, dann werde ich mich mal auf dem Weg machen, ehe ich wieder zu spät bin,“ meine ich und schlüpfe im Flur in meine Jacke. Dominik folgt mir langsam aus dem Bad und sieht ein wenig unglücklich mit der Situation aus.

„Was ist?“, frage ich, während ich den Reisverschluss schließe und nach meinem Haustürschlüssel greife.

„Weiß auch nicht…“, erwidert er nur leise. Ich würde gerne weiter nachhaken, aber ich muss los, also frage ich ihn noch einmal, ob er sicher nicht mit möchte und er nickt und lächelt und dann hat er schon bessere Laune.

„Dann bis später oder wohl eher bis morgen,“ verabschiede ich mich und er nuschelt ein leises ‚Tschüß’ und plappert irgendetwas davon, dass ich Spaß haben soll.

Ich verlasse die Wohnung mit dem Gefühl, dass er doch gerne mit wäre, aber seine Paranoia ihm mal wieder im Weg stand. Ein wenig tut er mir schon wieder Leid und ich beschließe, bei der nächsten Gelegenheit noch hartnäckiger zu sein, damit er auch endlich mal unter Leute kommt.

Mit diesem Vorsatz im Hinterkopf mache ich mir nicht mehr all zu viele Sorgen um Dominik, sondern schaffe es, relativ gute Laune zu haben, als ich bei Jonas und Leon ankomme.

„also? Wohin gehen wir?“, frage ich die Beiden, kaum das ich neben ihnen zum stehen komme.

Leon erzählt mir etwas von einer neuen Disco, die irgendwo Eröffnung feiert und das wir da unbedingt vorbeischauen müssen, weil fast alle aus der Uni dort sein werden und wir das somit nicht verpassen dürfen.

Ich halte ja nicht viel davon, irgendwelchen Trends nachzulaufen, aber weil ich keinen besseren Vorschlag bringen kann – ich kenne mich, was Discos angeht, so gar nicht aus in Berlin -, gehen wir dann doch zu dieser Neueröffnung.

Vor dem Eingang hat sich schon eine riesige Schlange gebildet und wir warten ewig, ehe wir eingelassen werden. Obwohl es noch relativ früh am Abend ist, ist es drinnen schon wahnsinnig voll und ich verfluche Leon, dass wir hier her gegangen sind. Ich kann es nicht leiden, wenn man von Menschenmassen hin und her geschoben wird und sich kaum bewegen kann.

Zudem ist es ziemlich stickig im Raum und ich fürchte, dass ich bald ersticken werde, wenn ich mich hier all zu lange aufhalte.

Aber weil ich keine Spaßbremse sein möchte, geselle ich mich mit den Jungs an die Bar und trinke brav mein Bier, ohne mich groß zu beschweren.

Leon verabschiedet sich recht bald, um sich an ein Mädchen ran zu werfen und Jonas hält die ganze Zeit Ausschau nach Sandra.

„Was läuft da eigentlich zwischen euch?“, frage ich ihn und nippe lustlos an meinem Bier. Irgendwie habe ich jetzt schon keine Lust mehr auf den Abend. Wenn wenigstens Dominik hier wäre, dann könnten wir reden und es wäre mir egal, dass alle anderen nur ihre Weiber im Kopf hätten.

„Auf Pauls Party war sie total süß, aber seitdem antwortet sie mir nicht mehr. Ich komme mir ehrlich gesagt ein wenig verarscht vor,“ gibt er zu und ich nicke wenig interessiert. Sandra ist ja dafür bekannt, den einen oder anderen Typen scharf gemacht und dann links liegen gelassen zu haben. Ich weiß nicht, warum Jonas sich da so große Chancen erhofft hat.

„Aber ich gebe nicht auf!“, verkündet er mir und ich sage lieber nichts dazu. Wenig später hat er Sandra ausfindig gemacht und ist verschwunden.

Seufzend blicke ich auf meine Flasche, der einzige Freund, der mir noch geblieben ist. Ich überlege gerade, wieder nach Hause zu gehen und mir mit Dominik einen gemütlichen DVD-Abend zu machen, als sich ein Mädchen neben mir niederlässt, das ich flüchtig von der Uni kenne. Sie studiert, glaube ich, genau wie Vanessa Biologie. Zumindest würde da erklären, woher ich sie kenne. Hoffen wir nur, dass sie sich in diesem Fach besser zu Recht findet, als Vanessa, denn die hat nicht nur panische Angst vor Insekten, sondern killt auch regelmäßig ihre Topfpflanzen.

„Hey,“ meint sie und lächelt mich süß an. Zuckersüß. Jeder andere Junge wäre sofort hin und weg und auch ich kann nicht behaupten, dass es mich total kalt lassen würde, wenn sie mich so anlächelt. Und wow, sie spricht mit mir.

Ich lächle ebenfalls und richte mich ein wenig auf, weil es sicher doof aussieht, wie ich so in mich zusammen gesunken auf dem Barhocker herumlungere. „Hey,“ erwidere ich ebenfalls und komme mir sofort wieder doof vor. Meine Herzfrequenz hat sich schon bei ihrem ‚Hey’ um das tausendfache erhöht und jetzt scheint es, dass mir auch noch sämtliche Gehirnwindungen durchbrennen, weil ich einfach keine Idee habe, was ich nun sagen soll. So ein ‚Hey’ ist ja eigentlich auch völlig ausreichend, oder?

„Ich dachte, ich leiste dir ein wenig Gesellschaft. Du sahst so verloren aus,“ lächelt sie und nimmt auf dem Hocker neben mir Platz. „Danke,“ erwidere ich und überlege krampfhaft, was ich sagen könnte, um das Gespräch am Laufen zu halten. „Ich bin Maria.“

Sie klimpert mit ihren langen Wimpern und ich schlucke und beginne, nervös an dem Etikett der Bierfalsche herum zu zupfen. „Ich bin Jasper,“ stelle ich mich vor und sie nickt und meint: „Ich weiß.“ Dabei hört sie nicht auf zu lächeln.

Jetzt kann ich mich auch wieder besser an sie erinnern. Sie tatsächlich mit Vanessa in einem Semester für Biologie und studiert – so weit ich das weiß – im Zweitfach Chemie. Ich glaube, sie öfters in Vanessas Clique gesehen zu haben und hoffe, dass das nicht noch totalen Ärger mit Vanessa geben wird, wenn ich hier so mit ihr flirte.

Obwohl ich gerade eigentlich nicht groß flirte, sondern nur dämliche Grinse und auf ihre Aussagen antworte.

Ich habe Maria gar nicht so hübsch in Erinnerung, wie sie nun vor mir steht. Vielleicht, weil ich damals nur Augen für Vanessa hatte – was ich mir jetzt gar nicht erklären kann. Vanessa mit ihren langen blonden Haaren und dem verschmitzten Lächeln ist zwar wirklich eine Schönheit, aber sie ist kein Vergleich zu Maria. Man kann kaum die Augen von ihr lassen, wenn sie wie eine Göttin mit langen, sich lockenden, braunen Haaren vor einen sitzt und einen mit ihren großen, blauen Augen anstrahlt.

„Wie kommt es, dass du so alleine bist?“, fragt sie und ich finde meine Sprache endlich wieder und erzähle ihr knapp, dass mich sowohl Jonas als auch Leon alleine gelassen haben. Endlich gelingt es mir, ein verführerisches Lächeln aufzusetzen, statt eines, das von geistiger Umnachtung zeugt.

„Und was ist mit deinem Freund?“, fragt sie dann aber und mein Lächeln erstirbt sofort. „Dominik ist nicht mein Freund.“ Was soll das? Hat sie mich jetzt angeflirtet, obwohl sie davon ausgegangen ist, dass ich schwul bin. Oder hat sie mich nur deshalb angesprochen, weil die meisten Mädchen irgendwie total süß finden, wenn ein Junge schwul ist. Aber warum kommt sie dann um die Ecke und flirtet mich total an. Glaubt sie vielleicht, wenn ich schwul wäre, würde ich mich für sie interessieren?

Ich will sie gerade anmotzen, als ich sehe, dass sie erleichtert wirkt. „Vanessa hat mir gesagt, ich brauche es nicht länger probieren, weil du jetzt Dominik hättest. Aber ich wollte mich selbst davon überzeugen. Gut, dass ich dich angesprochen habe.“ Sie kichert wieder und zwinkert mir zu und meine Wut verraucht fast augenblicklich und ich bin wieder hin und weg von ihr.

„Dann… willst du mich schon länger ansprechen?“, frage ich sie und komme mir im nächsten Moment total doof vor. Wie klingt das denn bitte? Als wäre ich total überzeugt von mir. Ich will gerade zurückrudern, aber Maria scheint es gar nicht weiter zu stören. Sie lächelt nur und erzählt mir, dass sie schon seit Längerem ein Auge auf mich geworfen hat und nur darauf gewartet hat, mich mal irgendwo alleine abfangen zu können.

„Ich hätte nie damit gerechnet, dass es heute so weit sein würde. Und dann habe ich dich hier alleine sitzen gesehen und sofort die Chance ergriffen.“

„Gut, dass du das getan hast,“ grinse ich und so langsam übernimmt mein Schwanz die Kontrolle über mein Tun und Handeln. Das gefällt mir gar nicht, weil ich eigentlich Herr über die Lage bleiben möchte. Maria macht es mir aber auch nicht leicht, weil sie sich interessiert zu mir vorbeugt und ich damit beste Einsicht in ihren Ausschnitt habe. Ich zwinge mich, ihr in die Augen zu sehen, bis ich merke, dass sie es absichtlich macht und meinen Trieben dann doch nachgebe.

Mit einem mal ist mir ziemlich heiß und ich komme mir vor wie der größte Loser auf der Welt. Ich werde hier tatsächlich gerade von einem Mädchen abgeschleppt und kann dagegen gar nichts tun. Dabei sollte ich doch eigentlich der coole Macker sein, der sie anspricht und verführt. Ich komme mir wirklich bescheuert vor. Erst Recht, als sie mich bittet, mit ihr zu tanzen und ich brav folge, als wäre ich ihr Schoßhündchen.

Verhalten sich eigentlich alle Kerle so debil oder bin nur ich so bescheuert, einem Mädchen derart schmachtend hinterher zu laufen?

Obwohl ich mich ein wenig entmannt fühle, komme ich mir wie der geilste Typ auf der Welt vor, als ich mit Maria tanze. Ich bilde mir ein, alle würden mich neidisch ansehen, weil ich hier das hübscheste Mädchen vor mir habe und dieses nur Augen für mich hat.

Irgendwann kehren wir erschöpft zur Bar zurück und Maria lächelt noch immer.

„Meinst du, du könntest mich nach Hause bringen?“, fragt sie und ich weiß genau, auf was das jetzt hinaus läuft. Ich überlege, ob ich einfach gehen kann. Immerhin bin ich mit Jonas und Leon hier. Aber seit wir angekommen sind, habe ich die Beiden nicht mehr gesehen, also wird es wohl auch nicht so schlimm sein, wenn ich einfach mit Maria nach Hause gehe. Deshalb stimme ich zu.

Kurz darauf sind wir auf dem Weg zu ihr und ich bin wahnsinnig nervös, weil die Gegebenheit eindeutig auf Sex hinaus laufen.

Maria hält auf dem ganzen Weg über meine Hand und lacht über bescheuerte Witze, die ich reiße und die eigentlich gar nicht witzig sind. Ich möchte sie eigentlich auch gar nicht erzählen, aber ich schaffe es nicht, meine Klappe zu halten, weil ich so aufgeregt bin.

Es dauert nicht lange, bis wir bei ihrer Wohnung angelangt sind. Sie wohnt alleine in einer winzigen Einzimmerwohnung, in die gerade mal ein Bett und ein Schreibtisch passen. Das interessiert mich allerdings reichlich wenig, weil ich nur Augen für Maria habe.

Sie hat gar keine Anstalten gemacht, mich vor der Türe zu verabschieden, sondern mich einfach mit sich gewunken. Scheint, als würde sie nichts anbrennen lassen. Aber warum sollten wir auch warten, wenn wir uns doch so gut verstehen und eigentlich alles klar ist.

Deswegen nehme ich es auch einfach so hin, dass sie mich küsst und zu ihrem Bett dirigiert. Ich meine, ich wäre ja auch blöd, würde ich mich jetzt dagegen wehren. Vor allem, weil seit drei Stunden eh schon mein Schwanz das Denken für mich übernommen hat.

Ich beschließe, ihm die ganze Kontrolle zu überlassen und handle einfach und den Rest der Nacht gibt es nur noch Maria und mich.
 

Der Morgen mit Maria war reichlich seltsam. Obwohl sie mir einen Kaffee gemacht hat und ich bei ihr Duschen durfte, hatte ich das Gefühl, dass es ihr lieber wäre, ich würde jetzt erst Mal gehen. Vielleicht, weil es ihr peinlich war, so schnell mit mir im Bett zu landen. Normalerweise wartet man damit ja ein paar Dates. Ich weiß auch gar nicht, ob wir jetzt zusammen sind oder noch immer in der Date-Phase schweben, aber immerhin habe ich ihre Nummer bekommen und sie hat mir ein kleines Abschiedsküsschen gegeben, als ich gegangen bin.

Trotzdem bin ich total verwirrt, als ich zu Hause ankomme. Ich erwarte, dass Dominik noch schläft und möchte mich in mein Zimmer schleichen, um ihn nicht aufzuwecken, aber auf der Hälfte des Flurs renne ich fast in ihn hinein, weil er in dem Moment aus dem Bad tritt.

„Du kommst jetzt erst?“, fragt er überrascht und starrt erst mich, dann seine Armbanduhr an. Es ist nach Zehn.

„Ja, ich… komme jetzt erst,“ ende ich meine Erklärung ziemlich lasch und er zieht die Brauen hoch. Ich frage mich, warum ich jetzt nicht einfach damit prahle, Maria abgeschleppt zu haben. Vielleicht, weil es nicht meine Art ist. Und weil es auch nicht Dominiks Art ist und ich damit bei ihm sicher nicht punkten könnte.

„Scheint ja eine interessante Nacht gewesen zu sein,“ stellt er fest und klingt dabei irgendwie komisch. Ich kann nicht sagen, ob er es verbittert oder neutral meint, jedenfalls kommt ihm die Ansage seltsam trocken über die Lippen.

„Ja… Ähm… ich war danach noch bei Maria,“ gebe ich zu und er zieht die Brauen hoch. „Aha.“

Ich hatte mir ein wenig mehr Euphorie von ihm erhofft. So nach dem Motto: ‚Glückwunsch Jasper, du hast das heißeste Mädchen der Uni abgeschleppt.’ Oder so. Aber natürlich würde er das niemals sagen.

„Ja… sie… war so süß und wow und sie hat mich angesprochen und dann hat eines zum anderen geführt und dann waren wir bei ihr und… ja,“ stammle ich und er schiebt sich nur unbeeindruckt an mir vorbei und verschwindet in der Küche. Ich sehe ihm verwirrt nach, ehe ich ihm folge.

„Glaubst du, sie steht auf mich? Glaubst du, es könnte etwas werden?“, frage ich ihn, um Klarheit über meine Gedanken zu bekommen, die mich schon den ganzen Morgen quälen.

„Woher soll ich das wissen?“, fragt er mich ein wenig pampig und ich runzle die Stirn. „Alles okay?“, will ich wissen und er nickt nur.

„Wirklich?“, hake ich nach, woraufhin er entgegnet: „Klar, warum denn auch nicht?“

Ich zucke mit den Schultern, was er nicht sehen kann, weil er mir den Rücken zugewandt hat und im Kühlschrank herumwühlt.

„Willst du auch frühstücken?“, fragt er mich und klingt dabei wieder total normal.

„Nein, ich habe schon bei Maria gefrühstückt… Ob ich ihr eine SMS schreiben soll? Oder soll ich bis morgen warten? Was meinst du, Dominik?“

Er zerrt die Milch aus dem Kühlschrank und schüttet sich ein wenig in ein Schälchen, ehe er irgendwelche billigen Cornflakes dazugibt. Antworten tut er mir aber nicht.

„Domiiiii,“ quengle ich. „Sag mir, was ich tun soll. Ich bin total überfordert. Ich würde sie so gerne wieder sehen. Vielleicht ergibt sich ja was… Stell dir vor: Maria und ich. Das Traumpaar der ganzen Uni!“

„Ja, total super,“ stimmt er mir zu und sucht sich einen Löffel. „Dann schreib ihr doch einfach, wenn es dich glücklich macht.“

„Und was soll ich ihr schreiben?“, frage ich ihn und zücke mein Handy. „Soll ich schreiben, dass die Nacht total heiß war oder klingt das dann, als wäre ich so ein Macho, der nur auf Sex aus war?“

Er schiebt sich an mir vorbei und peilt wieder sein Zimmer an, was irgendwie komisch ist, weil er sonst immer in der Küche isst. Ich folge ihm in den Flur.

„Oder soll ich lieber schreiben, dass ich sie gerne wieder sehen würde? Das klingt zwar nicht so cool, aber ich bin ja auch nicht einer dieser obercoolen Macker…“

„Weißt du was?“, fragt er und wendet sich noch einmal mir zu. „Es ist mir scheißegal, was du ihr schreibst, ja?“

Ehe ich etwas erwidern kann, betritt er sein Zimmer und knallt die Tür hinter sich zu. Ich bleibe verwirrt im Flur stehen, das Handy noch immer in der Hand.

Angelina Jolie

Seitdem redet Dominik nicht mehr mit mir und ich habe keine Ahnung, was ich eigentlich falsch gemacht habe. Eigentlich haben wir uns nach einiger Zeit immer wieder vertragen, aber obwohl ich den ganzen Sonntag über das Gespräch suche, hat er nicht einmal darauf reagiert.

Nun weiß ich gar nicht, wie ich auf ihn reagieren soll. Er geht mir aus dem Weg und wenn wir uns über den Weg laufen, ignoriert er mich und meine Konversationsversuche.

Mittlerweile ist schon Montagmittag und wegen der Uni hatte ich keine Gelegenheit mehr, es weiterhin zu probieren.

Ich traue mich auch nicht, es Jonas oder Leon zu erzählen, weil ich ihnen dann alles erzählen müsste und bisher wissen sie noch nicht, dass ich die Nacht mit Maria verbracht habe.

Und damit sind wir schon beim nächsten Problem: Maria.

Ich habe ihr geschrieben, dass ich es sehr schön fand mit ihr und sie gerne wieder sehen würde, um sie näher kennen zu lernen. Das schient mir die beste Lösung, damit sie sieht, dass ich die Nacht nicht bereue, aber mir auch mehr wie nur Sex mit ihr vorstellen könnte.

Bis jetzt hat sie aber noch nicht darauf geantwortet und als ich sie vorhin flüchtig in der Uni gesehen habe, hat sie zwar nett gelächelt, aber ist nicht zu mir gekommen, um mit mir zu reden. Langsam komme ich mir ziemlich doof vor und starre fast sekündlich auf mein Handy, obwohl es ja vibrieren würde, würde sie eine SMS schreiben.

„Du wirkst heute irgendwie abwesend,“ bemerkt Jonas irgendwann während des Mittagessens, als ich das achte mal in einer vierteln Stunde auf das Handy gucke. „Ist etwas passiert?“

Ich möchte es ihm wirklich nicht sagen, weil ich keine Ahnung habe, was genau zwischen Maria und mir läuft und weil Leon dabei ist und ich keine Lust habe, dass er wieder irgendwelche Gerüchte in Umlauf bringt. Scheint ja sein Hobby zu sein. (Nein, ich habe ihm immer noch nicht gänzlich verziehen!)

„Heute ist einfach nicht mein Tag,“ nuschle ich, aber ich kenne Jonas gut genug um zu wissen, dass er sich damit nicht zufrieden gibt.

„Und warum schaust du ständig auf das Handy?“

Ich entscheide mich für die halbe Wahrheit und erzähle ihm, dass Dominik irgendwie sauer auf mich ist und ich keine Ahnung habe, warum. „Ich dachte, er meldet sich mal, aber bisher kommt einfach nichts von ihm,“ lüge ich und Jonas runzelt die Stirn.

„Wieso ist er denn sauer?“, hakt er nach und ich maule: „Ich hab doch gesagt, ich weiß es nicht. Ich bin nach der Party nach Hause und dann war er plötzlich komisch.“

„Einfach so?“, mischt sich nun auch Leon ein und ich nicke, weil ich ihnen sonst doch von Maria erzählen müsste. Andererseits macht es auch keinen Sinn, dass er wegen Maria sauer auf mich ist. Vielleicht hat er sich Sorgen gemacht, weil ich nachts nicht nach Hause gekommen bin? Aber er hat ja gedacht, ich sei zu Hause und war ganz erstaunt, als er mich im Flur angetroffen hat.

„Ja, einfach so,“ nuschle ich und die Beiden ziehen die Brauen hoch. „Seltsam,“ sagen sie wie aus einem Munde und ich nicke nur und widerstehe dem Drang, auf mein Handy zu gucken.

Als ich es gerade in meine Umhängetasche gleiten lassen will, vibriert es und ich zucke so heftig zusammen, dass ich an den Tisch stoße und damit fast die Gläser darauf umschmeiße.

„Sorry,“ nuschle ich und öffne die SMS. Sie ist tatsächlich von Maria.

„Hey, Süßer. Können wir uns um Vier vor der Uni treffen? Dann können wir vielleicht besser reden.“ Ungewollt beginne ich zu Grinsen und errege damit erneut die Aufmerksamkeit von Jonas und Leon.

„Was? Hat sich Domi entschuldigt oder warum freust du dich so?“, will Jonas wissen und ich schüttle den Kopf und dann erzähle ich ihnen doch von Maria und ernte von Jonas skeptische blicke und von Leon grölende Beglückwünschungen.

„Und jetzt ist Dominik sauer, weil er eifersüchtig ist?“, schlussfolgert Jonas nur und seine Vermutung schlägt ein wie eine Bombe. Zumindest bei mir. Ich sehe ihn an und mir klappt der Mund auf, weil plötzlich alles einen Sinn macht und gleichzeitig bedeuten würde, dass ich auf eine erneute Katastrophe hinsteuere.

„Unsinn,“ wehre ich also ab, obwohl es vielleicht gar kein Unsinn ist. Meine Freude über Marias SMS ist mit einem Mal dahin und ich frage mich, ob Dominik tatsächlich eifersüchtig sein könnte. Ich muss unbedingt mit ihm darüber reden, wenn ich nach Hause komme!

Aber bevor ich mit Dominik reden kann, muss ich erst Mal mit Maria reden.

Die ganze Zeit bis Vier bin ich total unruhig und kann es kaum erwarten, sie wieder zu sehen. In der SMS hat sie ja sehr wohlwollend geklungen und ich male mir bereits aus, wie wir Händchen haltend in der Uni umher spazieren könnten.

Dann endlich ist es Vier und ich fliege fast zum Eingangsbereich. Fast denke ich, sie kommt nicht, aber plötzlich steht sie hinter mir und erschreckt mich fast zu Tode.

„Sorry,“ kichert sie und hebt ihr Handy hoch. „Ich habe deine SMS bekommen und dachte, wir klären das lieber persönlich.“

„Okay,“ lächle ich und komme mir schon wieder so debil vor, weil mir fast augenblicklich die Worte ausgehen und ich wieder auf Maria angewiesen bin, die das Gespräch am Laufen halten muss.

„Ich fand die Nacht mit dir auch total schön,“ erklärt sie mir und wird dabei nicht mal rot. Ich weiß gar nicht, wie sie das macht. Ich nicke nur.

„Und ich finde es auch voll süß, dass du jetzt mit mir ausgehen willst und so,“ fährt sie vor und ich nicke nur noch heftiger, bis ich es merke und damit aufhöre, ehe ich mich noch lächerlich mache.

„Aber eigentlich möchte ich gar keine feste Beziehung, weißt du,“ sagt sie dann und mit einmal weicht das Lächeln aus meinem Gesicht und mit einmal Mal ist auch meine Schwärmerei für sie wie weggeblasen.

„Was?“, meine ich, teils verwirrt, teils wirklich sauer.

„Wenn du magst, können wir uns aber noch ein paar mal ganz unverfänglich treffen,“ schlägt sie dann vor und mir klappt der Mund auf.

Vorbei, die Tagträume, in der ich mit Maria eine Traumbeziehung führe und ihr irgendwann einen Heiratsantrag mache.

„Aber… ich dachte, du magst mich. Du hast doch noch gesagt, dass du mich schon lange ansprechen wolltest und so…“, stammle ich und sie lächelt und nickt. „Ich mag dich ja auch. Und ich find dich total heiß. Deswegen würde ich mich freuen, wenn wir die Nacht wiederholen könnten. Schreib mir einfach, wenn du Lust hast, ja?“, bittet sie mich und macht sich dann auf den Weg nach Hause. „Man sieht sich!“, ruft sie mir noch zu und winkt und ich bin geneigt, ihr nachzulaufen und ihr eines in die Fresse zu hauen.

Aber weil man Frauen nicht schlägt, winkte ich ihr nur kurz zu und bleibe dann stehen wie der letzte Idiot.

So viel dazu.
 

Meine Laune ist grottenschlecht, als ich in die Wohnung trete. Noch nie habe ich mich dermaßen bescheuert gefühlt. Da wurde ich also von einem Mädchen abgeschleppt und auch noch verarscht. Nicht nur, dass es total an meinem Stolz nagt, ich komme mir auch noch total bescheuert vor, weil ich echt dachte, sie würde sich für mich interessieren.

Eigentlich möchte ich gar niemanden hören oder sehen, aber dann bemerke ich Dominik, der im Wohnzimmer hockt und eine Dokumentation über Haifische anguckt und erinnere mich, dass ich mit ihm auch noch reden wollte.

„Hey,“ meine ich also und lasse mich neben ihn auf die Couch fallen.

„Du siehst scheiße aus,“ stellt er fest, nachdem er einen Blick auf mich geworfen hat und ich nicke und unterdrücke die Tränen, die ich jetzt am liebsten vergießen würde, um der Scham zu entkommen.

„Maria hat mir gerade gesagt, dass sie mehr an meinem Schwanz als am Rest von mir interessiert ist,“ kläre ich ihn auf und er horcht interessiert auf.

„Tut mir Leid für dich,“ meint er, aber irgendwie kaufe ich es ihm nicht mehr ab. Vielleicht meint er es sogar wirklich ernst, aber nachdem Jonas seine Vermutung geäußert hat, bin ich lieber vorsichtig.

„Kann es eigentlich sein, dass du eifersüchtig auf sie warst?“, platze ich nun direkt damit heraus, weil ich ja eigentlich darüber mit ihm reden wollte.

Er wird rot, was eigentlich schon recht verdächtig ist, aber dann wehrt er doch ab: „Wie kommst du auf so einen Blödsinn?“

„Weil du… so komisch reagiert hast,“ gebe ich zu und er schaltet den Fernseher aus und dreht sich auf dem Sofa zu mir um.

„Keine Angst, ich verknall mich schon nicht in dich und mach dich zur Lachnummer der ganzen Uni,“ giftet er plötzlich und im nächsten Moment ist er wieder aufgesprungen und aus dem Zimmer gestürmt.

Aber nicht mit mir! Diesmal bin ich zu sauer auf Maria, weil sie mich so gedemütigt hat, und wenn ich auf etwas keine Lust habe, dann auf Dominiks Drama. Deshalb springe ich auf und stürme ihm nach, stoße die Türe wieder auf, ehe er sie ganz zumachen kann. Fast fällt er um, aber zum Glück stolpert er nur nach hinten und kann sich an seinem Schreibtisch abfangen.

„Kannst du mal aufhören, hier jedes Mal so eine Szene abzuziehen? Was ist denn los mit dir? Bist du total bescheuert?“, schreie ich ihn an und bereue es im nächsten Moment schon wieder. Er kann ja eigentlich gar nichts dafür und trotzdem lasse ich meinen ganzen Frust an ihm ab.

„Dann hör du doch mal auf, mir bei jeder Gelegenheit vorzuwerfen, ich würde auf dich stehen. So toll bist du auch nicht, als das ich mich unbedingt in dich verknalle muss!“, brüllt er zurück und ich glaube, dass ist das erste Mal, dass ich ihn so richtig toben sehe. Er war ja schon öfter mal etwas lauter, aber er ist nie so ausgeflippt. Naja, vielleicht flippt er gerade auch nur deshalb so aus, weil ich es selbst tue.

„Warum ziehst du hier dann so eine beschissene Show ab und bist den ganzen Sonntag total bockig?“, hake ich nach, nun schon wesentlich ruhiger, aber immer noch gereizt.

Er blinzelt und blickt dann zu Boden.

„Ich dachte halt… Keine Ahnung. Ich habe gedacht, du tust das nur, weil du die Gerüchte beseitigen wolltest und… irgendwie kam ich mir blöd vor, weil es ja meine Schuld ist, dass so über uns geredet wird und… ich fand es auch doof, dass du extra mit einem Mädchen ins Bett steigst, um nicht mehr mit mir in Verbindung gebracht zu werden.“

Keine Ahnung, ob ich ihm das glauben kann. Irgendwie kommt es mir gelogen vor, aber andererseits klingt es auch relativ plausibel.

Ich schlucke schwer und weiß nicht, was antworten, weshalb er sagt: „War blöd von mir. Ich wusste nicht, dass dir Maria so wichtig ist.“

Dabei sieht er total traurig aus und ich weiß nicht, ob er nun selbst traurig ist oder einfach nur so viel Mitleid mit mir hat.

Ich nicke. „Naja… Sie ist eine blöde Schlampe. Also sollten wir nicht wegen ihr streiten, oder?“, versuche ich mich an einem Witz, der mir deutlich misslingt.

„Ist nicht mal so, dass ich total verknallt in sie gewesen wäre, aber vielleicht wäre es ja noch was geworden, wenn wir uns öfter mal getroffen hätten. Ich fand sie halt nett. Und jetzt komme ich mir vor wie der letzte Idiot, weil ich auf ihre Masche hereingefallen bin.“

„Sie kommt mir eigentlich auch nicht so vor, als würde sie am Wochenende Typen abschleppen. Wahrscheinlich wäre jeder auf sie hereingefallen,“ tröstet er mich und ich lächle schwach.

„Ich bin total sauer auf sie, aber vor allem bin ich sauer auf mich, weil ich auf den Mist reingefallen bin. Ich hätte es besser wissen müssen, schon, als sie mir quasi ihre Titten aufgedrängt hat. Ich habe gedacht, sie will einfach nur sexy sein, aber wahrscheinlich wollte sie nur sicher gehen, dass ich auch ja geil auf sie werde.“

„Hat ja auch geklappt,“ wirft er ein und ich verziehe den Mund. „Ja, ich bin genauso erbärmlich wie alle anderen Typen auch. Man gebe uns ein paar Titten und wir lassen alles mit uns machen.“

Er muss lachen. „Jetzt bist du schlauer und mit dem nächsten Mädchen hüpfst du dann nicht gleich ins Bett,“ schlussfolgert er und ich stimme zu.

„Wie ist da bei euch schwulen? Seid ihr auch so schwanzgeil?“, frage ich und er beginnt zu lachen. „Glaub mir, es gibt genug, die ebenfalls nur mit ihrem Schwanz denken.“

„Aber du nicht,“ stelle ich fest und er schüttelt den Kopf. „Ich nicht,“ bestätigt er und ich nicke.

„Als Maria zu mir kam, wollte ich gerade nach Hause gehen und mir mit dir ein paar DVDs angucken,“ gebe ich zu und er blickt auf. „Nächstes Mal mach ich das, egal welche Tussi da vor mir steht!“

„Und wenn es Angelina Jolie ist?“, fragt er und ich muss lachen. „Keine Angelina Jolie der Welt kann es mit Dominik Faber aufnehmen,“ zwinkere ich ihm zu und er lächelt und wird wieder rot und ich frage mich, ob er vorhin nicht doch gelogen hat. Aber selbst wenn er ein wenig auf mich stehen sollte, ist er sicher so vernünftig, sich nicht ernsthaft in mich zu verlieben und alles andere ist ja nicht so schlimm.
 

Ich weiß genau, dass Jonas und Leon gespannt auf neue Informationen bezüglich Maria und mir warten, aber ich bring es einfach nicht fertig, ihnen die Wahrheit zu erzählen. Weil ich aber auch nicht lügen möchte, schweige ich einfach oder erzähle wahlweise davon, dass ich mich wieder mit Dominik vertragen habe.

„Man, Jasper, jetzt rück schon mit der Sprache raus,“ drängt mich Leon irgendwann und ich sehe ihn so böse an.

„Es geht euch gar nichts an, was mit Maria und mir ist,“ gifte und ihre Blicke wechseln von neugierigen zu mitleidigen Blicken.

„Tut mir Leid, ich dachte echt, das mit euch könnte etwas werden,“ tröstet mich Jonas da auch schon und ich habe keine Ahnung, wie sie das jetzt erraten haben, aber wenigstens muss ich es jetzt nicht mehr aussprechen.

„Sie ist eine blöde Schlampe,“ behaupte ich und gebe mich total lässig, als würde es mir gar nichts machen, dass wir nur Sex hatten und es niemals mehr werden wird.

„Sie wollte noch öfters mit mir Sex haben, aber so gut war er gar nicht, als dass ich das wiederholen müsste,“ meine ich trotzig, was ziemlich gemein ist, weil der Sex eigentlich echt geil gewesen ist. Muss ja aber keiner wissen – beziehungsweise weiß wahrscheinlich die halbe Universität, wie Maria im Bett ist…

„So eine hinterhältige Tussi. Das hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Sie sieht doch so unschuldig und süß aus!“, empört sich Leon und die Art und Weise, wie er sich nun für mich einsetzt, finde ich dann doch wieder ganz nett von ihm.

So ganz bin ich zwar immer noch nicht darüber hinweg, aber so langsam wird er mir wieder sympathischer.

„Naja, die Sache ist abgehakt,“ schließe ich das Thema Maria ab und stehe auf, um mich auf den Heimweg zu machen. Bis eben saß ich bei den Beiden in der Küche und habe mit ihnen gequatscht.

„Gehst du am Wochenende wieder mit feiern?“, fragt Leon mich und ich schüttle den Kopf. „Ich glaube, ich bleibe zu Hause und schaue mit Domi DVDs.“

Wie fast immer, wenn die Sprache auf Dominik fällt, sieht Leon aus, als würde er gerne etwas dazu sagen wollen, verkneift es sich aber doch.

„Er ist immerhin mein Mitbewohner und ich möchte auch mal Zeit mit ihm verbringen,“ murre ich trotzdem, ehe ich gehe und das scheint auch Leon zu überzeugen, denn er nickt.

Wenig später laufe ich durch die Straßen Berlins und fühle mich schon etwas besser. Jetzt wissen alle, dass Maria eine dumme Kuh ist und mit Dominik habe ich mich auch wieder vertragen.

Eigentlich beginnt langsam alles wieder gut zu werden. Bleibt nur zu hoffen, dass es so bleibt.
 

Ich weiß genau, dass sich einige Studenten neugierig zu mir umdrehen, obwohl ich tunlichst versuche, sie nicht anzusehen.

Mir war von Anfang an klar, dass es eine beschissene Idee sein würde, hier her zu kommen, aber in Anbetracht der Tatsachen hatte ich wohl nicht wirklich eine andere Wahl.

Ich quetsche mich durch die Masse an Leuten, die gerade dabei ist, den Hörsaal zu entweder zu betreten oder zu verlassen.

„Was machst du hier?“, zischt mir in dem Moment auch schon Leon zu und zerrt mich zu sich, ehe ich mir weiter meinen Weg bahnen kann.

Ich blinzle ihn an und es ist das erste Mal, dass mir auffällt, dass er und Dominik das gleiche studieren.

„Ich suche Dominik,“ gebe ich zu und er sieht mich fassungslos an. „Bist du bescheuert?“, fragt er und senkst sofort seine Stimme, damit niemand uns mehr hören kann.

„Was ist so wichtig, dass du hier her kommen musst, statt es ihm zu Hause zu sagen?“, fragt er und ich hebe die schwarze Umhängetasche hoch, die ich in der Hand halte und von der ich heute morgen nicht bemerkt habe, dass darauf ein großes Bandlogo gestickt ist, bis Jonas mich darauf aufmerksam gemacht hat.

„Ich hab unsere Taschen vertauscht und dachte, ich tausche sie schnell mit ihm, ehe unsere Lesungen beginnen.“

Leon schiebt mich wieder mit sich aus dem Saal, während er auf mich einschimpft. „Dann nehmt ihr eben beide einfach einen Block oder so was,“ wehrt er mich ab und blickt sich um, als könnte er sehen, ob irgendjemand mich bereits mit Dominik in Verbindung gebracht hat.

„Das geht nicht, ich brauch das Skript!“, wehre ich ab und sehe mich wieder suchend nach Dominik um. „Außerdem sind mein Handy und mein Geldbeutel in der Tasche!“

„Hör mir mal zu!“, motzt Leon und packt mich an den Armen, als ich mich gerade wieder in den Hörsaal schieben möchte.

„Ich habe lange genug gebraucht, um allen klar zu machen, dass an den Gerüchten zwischen euch beiden nichts dran ist und du willst da rein marschieren und Taschen tauschen? Was glaubst du, werden die alle denken, wenn sie das beobachten?“

ich beiße mir auf die Lippen und muss zugeben, dass er wohl Recht hat. Es würde wohl echt blöd aussehen, wenn Dominik und ich plötzlich Taschen tauschen würden. Resigniert schultere ich Dominiks Tasche wieder und nicke nachgiebig. „Stimmt wohl,“ gebe ich zu, aber dann kommt mir langsam in den Sinn, was er da gerade eben gesagt hat, und ich sehe ihn verwirrt an.

„Was soll das heißen, du hast lange genug dafür gebraucht?“, frage ich ihn und er zuckt verlegen mit den Schultern.

„War ja teilweise auch meine Schuld, was da abgegangen ist und deswegen habe ich eben allen, die hier Müll gelabert haben, klar gemacht, dass ich gut mit dir befreundet bin und weiß, dass du nicht mit Domi zusammen bist. Die meisten haben mir dann auch geglaubt, weil sie ja auch wussten, dass ich sicher nicht derjenige bin, der Dominik in Schutz nehmen würde, weißt du.“

Ich sehe ihn verwundert an. Das wusste ich gar nicht und ich habe auch nicht damit gerechnet. Mir war zwar klar, dass er es leugnen würde, würde ihn jemand danach fragen, aber dass er aktiv auf die Leute zugegangen ist, die getuschelt haben, wäre mir nie in den Sinn gekommen.

„Danke,“ meine ich verblüfft und er nickt, ehe er sich wieder paranoid umsieht. Ich muss schmunzeln, weil er sich damit genauso komisch benimmt, wie Dominik.

„Jetzt geh endlich,“ fordert er mich auf und ich nicke und wende mich zum gehen, stoße dabei aber unglücklich gegen ein Mädchen, so dass ihr die Zettel herunterfallen, die sie in der Hand hält.

„Oh, sorry,“ entschuldige ich mich und versuche mich an einem netten Lächeln, dass auch sofort wirkt. Sie lächelt nur dümmlich zurück, meint, es sei gar kein Problem und bückt sich dann, um ihren Kram aufzuheben.

Ganz Gentleman, der ich nun mal bin, helfe ich ihr dabei und bereue es im nächsten Moment sofort.

„Ist ja witzig, die gleiche Tasche hat Dominik auch,“ lacht sie und deutet auf die blöde Tasche, die noch immer in meinen Besitz ist. Ich merke, wie mein Lächeln gefriert und versuche krampfhaft, es aufrecht zu halten.

„So ein Zufall,“ meine ich lahm und nehme Blickkontakt auf. Ich weiß, dass es ein gemeiner Versuch ist, sie damit abzulenken, dass ich sie anflirte, aber immerhin ist sie dann vielleicht nicht länger auf die Tasche fixierst.

Weil sie diese aber mustert, bemerkt sie meinen Schlafzimmerblick gar nicht.

„Ich versteh euch Jungs einfach nicht. Wie kann man nur auf so schreckliche Musik stehen?“, meint sie, lacht dabei aber. Offenbar ist ihr mein Flirtversuch doch nicht entgangen. „Naja, so schlecht ist die Band gar nicht, wenn man sich erst mal dran gewöhnt hat,“ erwidere ich wenig überzeugend, weil ich keine Ahnung habe, was die Band für Musik macht – ich kannte ja bis eben nicht mal den gottverdammten Namen!!! – und stehe auf. Um nett zu sein, helfe ihr hoch und überreichen ihr dann die Blätter, die ich aufgesammelt habe.

„Also, ich muss jetzt los, vielleicht sieht man sich ja mal wieder,“ will ich mich auch sogleich verabschieden und schenke ihr noch ein Lächeln, ehe ich mich in Bewegung setze. Weit komme ich aber nicht, denn sie meint: „Kann ich deine Telefonnummer haben?“

Ich sende einen stummen Fluch Richtung Himmel, ehe ich nicke und mich wieder ihr zuwende. Sie zückt ihr Handy und tippt meine Nummer ein, während ich neben ihr stehe, wie auf heißen Kohlen.

„Drei, sieben – was?“, hakt sie nach und ich rattere erneut meine Nummer herunter, während ich mich unruhig umsehe. Mein Blick fällt auf Dominik, der mich irritiert ansieht. Ich deute unauffällig auf die Tasche und mache dann eine scheuchende Handbewegung, um ihn zu signalisieren, dass er einfach weitergehen soll.

„Okay, danke!“, meint in dem Moment das Mädchen, deren Namen ich nicht mal kenne und sie sieht mich verlegen an: „Sorry, ich kenne nicht mal deinen Namen,“ meint sie dann und ich zwinge mich dazu, die Sache durchzuziehen und nicht zu flüchten.

Sie grinst mittlerweile bis über beide Ohren und ich schlucke, weil ich eigentlich nicht vorhatte, mich noch mal mit ihr zu treffen. „Jasper,“ sage ich dennoch und im nächsten Moment gefriert ihr Lächeln und ich ahne schlimmes.

„Jasper,“ echot sie und mustert mich noch einmal und dann meine Tasche. Ihre Lippen formen ein ‚Oh mein Gott’ und ich bin geneigt, mich einfach in Lust aufzulösen.

„Also, ich freue mich auf unser Date,“ versuche ich mir nichts anmerken zu lassen und will flüchten, aber sie packt mein Handgelenk und zwingt mich zu bleiben.

„Du bist Dominiks Freund,“ stellt sie fest, zum Glück leise, damit es niemand weiter hört. Ich mache mich aus ihrem Griff los, was nicht wirklich schwer ist – sie ist immerhin nur ein kleines zartes Mädchen.

„Ich bin nicht sein Freund,“ stelle ich klar und sehe mich um. So langsam steckt mich die Paranoia von Leon und Dominik an und daran ist nur diese blöde Tussi schuld.

„Wir sind nicht zusammen und wer was anderes behauptet, lügt!“

Sie sieht mich skeptisch an und schüttelt den Kopf. „Hör doch auf, dir selbst was vorzumachen. So ein Outing ist vielleicht nicht schön, aber danach wirst du dich viel besser fühlen.“

Mir klappt der Mund auf und ich will widersprechen, aber sie lässt mich nicht sondern redet einfach weiter: „Denk doch auch mal an Dominik. All die Gerüchte, die über ihn in Umlauf waren. Und jetzt hat er endlich jemanden, der zu ihm steht und dann will derjenige es nicht zugebe. Das ist doch scheiße! Du solltest dir mal überlegen, wie du deinen Freund behandelst!“

„Hey, jetzt pass mal auf,“ unterbreche ich sie, ehe sie den nächsten Satz anfangen kann, aber sie hat nicht wirklich Lust, aufzupassen und schimpft einfach weiter: „Ihr Typen seid doch alle gleich! Ihr denkt immer nur an euch. Und ich dachte immer, dass wenigstens Schwule anders wären, aber du benimmst dich auch nicht anders, wie all die anderen Arschlöcher auch!“

„Meine Fresse,“ fauche ich sie an und sie verstummt. „Dominik und ich sind nicht zusammen, okay. Das sind nur ein paar blöde Gerüchte, die über uns in Umlauf sind. An denen ist aber rein gar nichts dran!“

„Warum hast du dann seine Tasche?“, konfrontiert sie mich mit ihrem – für sie sicher sehr stichhaltigen – Beweis.

„Das ist meine Tasche,“ lüge ich und sie schüttelt den Kopf. Offenbar glaubt sie mir kein Wort mehr. So langsam geht sie mir auf die Nerven.

„Ich weiß echt nicht, warum es nicht in deinen Kopf will, aber Dominik und ich sind nicht zusammen,“ maule ich. Wäre sie kein Mädchen, dann hätte ich sie wohl schon längst zusammen geschlagen, wegen all der Scheiße, die sie labert.

Sie sieht nicht so aus, als würde sie mir glauben und will gerade wieder zu einen Gegenargument ansetzen, als jemand zu uns tritt. „Linda, kommst du endlich? Die Vorlesung beginnt gleich.“ Entsetzt schnappe ich nach Luft und starre Ann-Kathrin an. Diese blickt neugierig zurück, erkennt mich dann aber und grinst. „Wen haben wir denn da,“ freut sie sich und ich bete zu Gott, dass sie jetzt einfach in Flammen aufgeht, aber das tut sie nicht. Stattdessen brüllt sie durch den ganzen Hörsaal: „Dominik, dein Schatz ist hier!“

Bereit für die Klapse

Ich bin sicher, so fühlt sich sterben an. Diese Gewissheit, dass das Leben jetzt vorbei ist, überkommt mich vollends. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich leider nicht sterbe, sondern quicklebendig miterleben darf, wie sich alle zu uns und dann zu Dominik umdrehen und uns ihre volle Aufmerksamkeit schenken.

Ich sehe Dominik entschuldigend an und verfluchte mich selbst dafür, hier her gekommen zu sein. Leon hatte von Anfang an Recht. Die Idee war total scheiße und jetzt darf ich den Mist ausbaden.

Ich atme tief durch und verkünde noch einmal: „Dominik und ich sind nicht zusammen!“

Ich weiß genau, dass es uns so ziemlich keiner glauben wird, aber das ist mir egal. Ich trete zu Dominik, überreiche ihm die Tasche und sage laut genug, dass es auch jeder mitbekommt: „Hier, die müssen wir wohl in der Straßenbahn vertauscht haben.“

Er überreicht mir stumm meine Tasche und nimmt seine an sich. Leider kann ich an seiner Miene nicht ablesen, was er denkt oder fühlt. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen, aber das ist wohl das so ziemlich dümmste, was ich nur tun kann.

Ich flüstere nur ein leises ‚Sorry’ und mache mich dann auf den Weg, endlich zu meiner eigenen Lesung zu kommen.

Als ich bei Ann-Kathrin vorbei komme, meine ich zu ihr: „Vielleicht solltest du deine Energie lieber ins Lernen statt ins Lästern investieren, dann wären deine Noten vielleicht halbwegs so gut wie Dominiks und du hättest es nicht nötig, so eine Scheiße über ihn herum zu erzählen.“

Ich bin sicher, wenn Blicke töten könnten, dann wäre ich jetzt nicht nur einen Tod gestorben. Zum Glück ist dem aber so, weshalb ich lebend und hoch erhobenen Hauptes den Hörsaal verlassen kann. Ich weiß genau, dass einige sowieso lieber glauben, was sie glauben wollen und nicht das, was der Realität entspricht, aber jeder, der weiß, wie falsch Ann-Kathrin ist, wird jetzt sicher wissen, dass all diese Gerüchte nicht der Wahrheit entsprechen.

Ein bisschen stolz bin ich schon auf mich, dass ich Ann-Kathrin die Stirn bieten konnte, aber es wäre mir doch lieber gewesen, wenn am Morgen nicht schon so ein Drama statt gefunden hätte.

Ich bin froh, als ich in meine eigene Lesung stoßen und mich neben Jonas niederlassen kann.

Hier blickt mich wenigstens keiner komisch an oder behauptet irgendwelchen Mist über mich.

Was geschehen ist, holt mich erst wieder ein, als wir uns mit Leon zum Mittagessen treffen und dieser mir begeistert auf die Schulter klopft.

„Als man mir erzählt hat, was da noch abgegangen ist, hätte ich dich am liebsten umgebracht. Wie kann man nur so bescheuert sein und bei uns auftauchen. Aber dann haben sie gesagt, wie du Ann-Kathrin fertig und damit alle Gerüchte zunichte gemacht hast und ich dachte: Gut, dass der Scheiß endlich vom Tisch ist!“

Ich grinse ihn an und das erste Mal seit Langem bin ich nicht mehr böse auf ihn. Nicht, weil er das eben zu mir gesagt hat, sondern weil ich vorhin erfahren habe, wie er selbst versucht hat, die Gerüchte über mich aus der Welt zu schaffen.

Es scheint, als wäre nun endlich der Punkt erreicht, an dem ich ihn verzeihen könnte. Überhaupt scheint heute so ein schicksalhafter Tag zu sein, in dem sich endlich viele Dinge klären.

Ich hoffe nur, dass Dominik das genauso sieht und mir nicht böse ist, dass ich überhaupt erst bei ihm aufgetaucht bin.

Andererseits sollte es auch in seinem Interesse sein, wenn endlich mal alle gehört haben, dass die Gerüchte nicht der Wahrheit entsprechen.
 

Was er davon hält, erfahre ich, als ich gegen Abend unsere Wohnung betrete und ihn im Wohnzimmer vorfinde. Dort sitzt er im Schneidersitz auf der Couch und guckt irgendeine komische Soap an. Ich ziehe die Brauen hoch, sage aber nichts zu dem Programm, sondern setze ich mich stumm neben ihn.

Er blickt mich stumm an und ich atme tief durch. „Tut mir Leid, ich hätte gar nicht erst bei dir auftauchen sollen,“ entschuldige ich mich, weil ich wirklich nicht weiß, was ich sonst noch dazu sagen soll. Unruhig schaue ich mich im Raum um.

Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, dass er leicht nickt. „War doch gut, dass du gekommen bist. Jetzt wissen wenigstens alle, wie es wirklich ist!“

Ich nicke ebenfalls und muss leicht lächeln. „Endlich hat Ann-Kathrin mal jemand die Meinung gesagt,“ scherze ich und er muss ebenfalls leise kichern. „War nötig!“, stimmt er mir zu und ich blicke ihn nun doch an.

„Trotzdem siehst du betrübt aus,“ stelle ich fest und ziehe meine Beine ebenfalls zu einem Schneidersitz nach oben. Im Gegensatz zu ihm finde ich es aber nicht sonderlich bequem.

„Doch. Heute kam den ganzen Tag über kein Kommentar mehr zu uns beiden und das ist eindeutig ein Fortschritt,“ freut er sich und streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sein Blick ruht auf dem Bildschirm, aber ich glaube nicht, dass er groß mitbekommt, was die Leute im Fernseher sagen.

„Aber?“, hake ich nach und er zuckt hilflos mit den Schultern. „Es war ein cooles Gefühl, dass alle dachten, ich hätte einen Freund. Weißt du… ich war nicht mehr der Loser vom Dienst sondern hatte einen heißen Freund,“ platzt es aus ihm heraus und er vermeidet es nun erst Recht, mich anzusehen. Ich blinzle und dann muss ich lachen. Ich kann einfach nichts dagegen tun. Er sieht mich empört an und scheint ganz vergessen zu haben, dass es ihm gerade noch peinlich war.

„Das ist gar nicht witzig!“, faucht er und haut mit einem Kissen auf mich ein. Ich packe sanft seine Hand und nehme ihm das Kissen weg.

„Irgendwann findest du schon einen Jungen, der dich liebt und mit dem du glücklich werden kannst,“ versichere ich ihm und feixe: „Ob er dann so heiß sein wird, wie ich, ist jedoch fraglich, aber…“ Ich komme gar nicht dazu, zu Ende zu reden, weil er sich schon das nächste Kissen geschnappt hat und auf mich einprügelt. Ich muss lachen und versuche nur halbherzig, ihn aufzuhalten. Irgendwann werfe ich ihn von der Couch – natürlich so, dass er sich nicht weh tut – und beuge mich zu ihm herab.

„Ich bin so froh, dass alles geklärt ist. Und dass sie dich endlich in Ruhe lassen,“ gestehe ich nun wieder ernst und er macht ein zustimmendes Geräusch.

„Meinst du, wir können uns jetzt auch mal zusammen in der Öffentlichkeit zeigen?“, frage ich und er verzieht den Mund. Ich hätte mir denken können, dass er davon nicht begeistert ist, aber er widerspricht nicht, sondern schweigt.

„Schon gut,“ winke ich ab. „Vergiss die Idee. Aber in ein paar Wochen gehst du mit mir raus, okay? Du hast es versprochen,“ erinnere ich ihn und er nickt zögerlich. Zwar scheint er auch davor Angst zu haben, aber er stimmt dennoch zu. Ich lächle freudig und helfe ihm dann wieder hoch.

„Was guckst du da eigentlich für eine Scheiße?“, frage ich dann und er wird rot.

„Ich hab das nicht geguckt, ich hab nur…“, er bricht ab und schaut sich suchend nach der Fernbedienung um, findet sie aber in unserem Kissenchaos nicht mehr.

Ich muss wieder lachen. „Schon gut. Lass es uns einfach gucken, ja.“
 

Ich blicke auf, als ich bemerke, dass ich beobachtet werde, und sehe genau in zwei haselnussbraune Augen, die mich groß anschauen.

Erschrocken zucke ich zusammen.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken,“ meint das Mädchen, zu der die Augen gehören, und streicht sich verlegen eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Unweigerlich erinnert sie mich an Dominik. Der sitzt auch immer da und guckt verlegen aus der Wäsche, egal was er sagt.

„Kennen wir uns?“, frage ich sie, weil ich sie so gar nicht einordnen kann. Keine Ahnung, wer das ist. Sie sieht nicht so aus, als würde sie ebenfalls Mathematik studieren, denn dann würde sie die Bücher, die neben mir liegen, nicht so neugierig mustern.

Ich habe sie auch noch nie bei uns gesehen.

„Nein, glaube nicht,“ erwidert sie und lächelt wieder verlegen. „Ich war mit dabei, als du Ann-Kathrin die Meinung gegeigt hast,“ erklärt sie mir dann und beginnt urplötzlich über das ganze Gesicht zu strahlen.

„Das war so genial! Der blöden Ziege hätte schon längst mal jemand die Meinung sagen sollen! Und der arme Dominik hat so lange unter ihr Leiden müssen!“

Ich nicke nur und finde es amüsant, wie sie sich so wegen etwas aufregen kann, dass sie ja eigentlich gar nichts angeht. Aber immerhin ist sie Feuer und Flamme, was ihre Meinung angeht. Ist doch auch was schönes, wenn Menschen ihren eigenen Verstand nutzen und sich eine Meinung bilden können.

„Und um mir das zu sagen bist du extra hergekommen?“, rate ich und sie wird rot und weicht meinem Blick wieder aus.

„Eigentlich wollte ich fragen, ob wir mal zusammen Kaffee trinken gehen könnten,“ gibt sie zu und fummelt unruhig an ihrer Umhängetasche herum.

Ich sehe ihr dabei zu und lasse mir das Angebot durch den Kopf gehen. Warum ich zögere, weiß ich nicht. Eigentlich entspricht sie total meinem Typ Mädchen und sie scheint den Gerüchten keinen Glauben zu schenken, hat Mitleid mit Dominik und kann Ann-Kathrin nicht leiden. Eigentlich ist sie perfekt.

Andererseits dachte ich das auch von Maria. Zwar glaube ich nicht, dass die Gute hier genauso falsch drauf ist, aber man weiß ja nie.

Weil ich nicht antworte, blickt sie ziemlich traurig drein. „Okay, hab verstanden,“ meint sie und senkt den Blick. „Dann… hab mal noch einen schönen Tag.“

Jetzt tut sie mir Leid. Ich habe ihr ja nicht mal ein Nein gegeben, sondern einfach nur geschwiegen. Sie muss sicher denken, ich finde sie schrecklich. Weil sich mein schlechtes Gewissen meldet und ich mir denke, dass es vielleicht ja doch ganz nett wird, sage ich schnell: „Sorry, das kam falsch rüber! Ich würde gerne mit dir ausgehen.“

Und schon strahlt sie mich wieder an und nickt freudig.

„Heute nach der Uni? Wann hast du Schluss?“

Tja und weil ich jetzt nicht mehr zurück rudern kann, verabreden wir uns für Fünf Uhr und sie zieht glücklich von dannen.
 

„Ich habe ein Date,“ verkünde ich Jonas, während wir gemeinsamen einen Kaffee trinken, ehe die letzte Lesung für den heutigen Tag beginnt.

Er sieht mich fragend an. „Seit wann?“

Also erzähle ich ihm, dass mich das Mädchen gerade in der Bibliothek gefragt hat, ob wir einen Kaffee trinken können und muss ihm dabei peinlicherweise gestehen, dass ich nicht mal weiß, wie sie heißt.

„Du scheinst dich ja brennend für sie zu interessieren,“ merkt er daraufhin sarkastisch an und ich seufze. „Sie ist total mein Typ,“ kläre ich ihn auf und merke selbst, dass nicht wirklich überzeugend klingt. Was ist denn nur auf einmal los? Es ist ja nicht so, dass ich jetzt von der gesamten Frauenwelt enttäuscht bin, nur weil Maria so eine schräge Nummer abgezogen hat.

Auch Jonas hört sofort meinen Tonfall heraus und runzelt die Stirn. „Was ist denn los? Sag ja nicht, du bist immer noch in Maria verknallt und trauerst der Schlampe hinterher!“, empört er sich und ich blinzle ihn verwirrt an.

„Was?“, frage ich dümmlich und er verdreht die Augen. „Na warum sonst zeigst du kein Interesse an diesem netten Mädchen. Wenn sie doch deinem Typ entspricht. Dann musst du ja schon in wen anders verknallt sein, dass es dich so dermaßen kalt lässt,“ stellt er fest und ich ziehe eine Schnute. „Vielleicht habe ich keine Lust darauf, dass es so wird wie letztes Mal?“, frage ich und komme mir dämlich vor, dass zu sagen. Als wäre ich jetzt tief verletzt. So ist es ja gar nicht. Bin nur beschämt darüber.

Und mir ist ja auch klar, dass nicht alle Mädchen wie Maria sind. Es ist also lächerlich, davor Angst zu haben. Genauso lächerlich, wie die Vermutung von Jonas, ich könnte noch in Maria verknallt sein.

„Blödsinn. Ich will diesmal nur nicht so euphorisch sein, wie bei Maria,“ erwidere ich und das klingt sogar plausibel. Ich komme zu dem Schluss, dass dem wohl tatsächlich so ist. Selbstschutz oder wie man das dann auch immer nennen mag.

Jedenfalls finde ich diese Erklärung gut und auch Jonas scheint sie zu akzeptieren. Danach wechseln wir das Thema und darüber bin ich mehr als froh, denn ich möchte mich nicht noch länger mit der Frage auseinandersetzen, warum ich überhaupt nicht nervös bin, obwohl ich gleich ein Date haben werde.
 

Sie wartet schon, als ich um die Ecke biege und eine Minute nach Fünf das Café erreiche, in dem wir uns treffen wollen.

„Hallo,“ strahlt sie mich an und wirkt erleichtert. Wahrscheinlich hat sie nach meiner zögerlichen Zusage gedacht, ich würde vielleicht nicht auftauchen.

Ich begrüße sie und dann huschen wir schnell ins Café, weil es doch schon recht kalt ist. Der Winter ist nicht mehr wirklich fern und so langsam merkt man das auch an den Temperaturen. Wir haben zwar erst Anfang November, aber manchmal hat es ja im November auch schon geschneit.

Sie sucht uns einen Tisch, der relativ abgeschottet von den anderen Tischen hinter eine Säule steht und lässt sich dort nieder. Ich folge ihr brav und frage dann wie der letzte Depp erstmal, wie sie überhaupt heißt. Danach bin ich um einen komischen Blick von ihr und ihren Namen reicher.

Elisa heißt sie. Schön. Dann kann das Date ja losgehen.

„Du studierst Mathe, richtig?“, fragt sie und ich nicke. „Wie bist du darauf gekommen? Ich meine… es ist Mathe“, will sie wissen und ich verkneife es mir, genervt mit den Augen zu rollen. Irgendwie kann keiner verstehen, warum man sich freiwillig für ein Mathestudium bewirbt. Aber ich war schon immer sehr gut in Mathe und es hat mir auch schon immer Spaß gemacht, mit Zahlen umzugehen. Das sage ich ihr auch so und sie nickt.

„Ich studiere Germanistik. Ich möchte so gerne in einem Verlag arbeiten,“ erklärt sie mir und ich nicke. Ich frage mich, warum Dominik wohl Germanistik studiert. Vor kurzem wusste ich noch nicht mal, dass er das überhaupt tut. Das musste mir erst Jonas sagen, als ich beschlossen habe, Dominik wegen der Tasche zu suchen. Im Nachhinein komme ich mir richtig blöd vor. Ich wohne mit ihm nun schon einige Wochen zusammen und weiß immer noch kaum etwas über ihn. Vielleicht sollte ich mir selbst einen Preis dafür überreichen, dass ich zumindest seinen Namen kenne.

„Hörst du mir zu?“, fragt in dem Moment Elisa und reißt mich aus meinen Gedanken. „Klar,“ lächle ich sie an und sie scheint nicht ganz zu glauben, was ich sage, spricht aber weiter. Es geht um einen Verlag, in dem sie gerne arbeiten würde, weil sie nur Bücher aus diesem Verlag liest. Ich beiße mir auf die Zunge, um ihr nicht zu sagen, dass ich das ziemlich lächerlich finde, weil sicher auch gute Bücher in anderen Verlagen erscheinen und man sich nicht nur auf einen festbeißen sollte, lasse es aber. Ich finde es zwar total bescheuert, aber jedem das seine.

„Und wo möchtest du mal arbeiten?“, fragt sie und ich überlege gerade, was ich ihr für ein Märchen erzähle – ich weiß nämlich überhaupt nicht, wo genau ich mal arbeiten möchte -, aber dann werde ich zum Glück von der Kellnerin gerettet, die kommt und unsere Bestellungen aufnimmt.

Kaum ist sie weg, wartet Elisa weiter gespannt auf eine Antwort, aber ich wechsle lieber das Thema: „Du bist also mit bei Dominik?“, frage ich sie und sie nickt. Ein wenig enttäuscht wirkt sie schon, dass ich ihr nicht von meinen Zukunftsplänen erzählen möchte, aber meine Güte… die gehen sie doch gar nichts an!

„Ja. Und bei Ann-Kathrin. Der falschen Schlange! Ich fand ja nie gut, was sie mit Dominik gemacht hat, aber es hat ihr ja jeder geglaubt.“

Ich nicke und bin froh, dass unsere Getränke kommen und ich nicht antworten muss, weil ich so tun kann, als würde ich trinken. In Wahrheit nippe ich nur an meinem Cappuccino und hasse mich selbst dafür, dass ich so gar keine Begeisterung für sie aufbringen kann. Sie gibt sich doch nur alle Mühe, ein nettes Gespräch aufzubauen und eigentlich ist sie sicher auch ein tolles Mädchen, aber irgendwie nervt mich nur alles an ihr.

„Was machst du so in deiner Freizeit?“, versucht sie erneut, ein Gespräch in Gang zu bringen und ich nehme einen großen Schluck heißen Cappuccino und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass er wahnsinnig heiß ist und ich mir gerade den gesamten Mund verbrenne. Aber was ist das denn für eine dämliche Frage. Fällt ihr nichts Besseres ein? Etwas Tiefsinniges? Über das man philosophieren kann?

„Nicht viel,“ gebe ich zu und das klingt genauso langweilig, wie es tatsächlich ist. Früher habe ich Handball gespielt, aber seit ich studiere, mache ich nebenbei nicht mehr viel. Lieber treffe ich mich mal mit den Jungs oder mach was für die Uni, aber ein richtiges Hobby betreibe ich nicht mehr.

Sie scheint die Antwort ziemlich unbefriedigend zu finden, aber lässt sich davon nicht beirren. „Ich lese viel,“ erklärt sie mir und irgendwie habe ich mir das fast schon gedacht.

„Und ich spiele Klavier. Kannst du ein Instrument spielen?“

Ich nicke und erzähle ihr, dass ich als kleines Kind ein bisschen Gitarre spielen gelernt habe.

„Dann können wir uns ja gegenseitig mal was vorspielen,“ freut sie sich und ich bin wahnsinnig froh, dass ich keine Gitarre mehr besitze.

„Klar,“ meine ich lahm und lächle sie dämlich an, was ihr genügt. Sie grinst verliebt zurück und nimmt einen Schluck von ihrem doofen Latte Macchiato. Latte Macchiato! Als wäre sie sich zu fein für einen normalen Kaffee!

„Wie kam es eigentlich dazu, dass diese ganzen Gerüchte über Dominik und dich in Umlauf gelangt sind?“, fragt sie mich und ich verziehe den Mund. Es ist ja nicht so, als hätte ich hier gerade viel Spaß. Aber diese Frage hier versaut das Date noch komplett.

In knappen Sätzen schildere ich ihr, was geschehen ist und sie nickt und sieht mich mitfühlend an. Keine Ahnung, warum sie jetzt Mitleid mit mir hat. Mittlerweile hat sich die Sache ja erledigt und wirklich darunter gelitten habe ich auch nicht.

„Ich habe irgendwie das Gefühl, dass du nicht so wirklich mit mir reden magst,“ nuschelt sie traurig und sieht mich vorwurfsvoll an. Ich blicke sie an und versuche, sie dabei richtig anzusehen. Also quasi intensiv wahrzunehmen. So, wie man das macht, wenn man abchecken will, ob man ein Mädchen attraktiv findet oder nicht.

Darüber freut sie sich und lächelt mich an, so dass Romantiker nun behaupten würden, wir hätten einen tiefen Blick ausgetauscht, ehe es zu einem finalen Kuss kam.

Nur, dass es zu keinem Kuss kommt, weil ich schnell einen Schluck Cappuccino trinke, als sie sich ein Stück zu mir herüber beugt.

Enttäuscht zieht sie sich zurück. Ich schenke ihr ein Lächeln, um ihr zu verdeutlichen, dass alles super ist, ehe ich demonstrativ auf mein Handy blicke.

Sie bemerkt den Wink mit dem Zaunpfahl aber nicht oder will ihn nicht bemerken, denn sie erzählt mir nun einfach weiter von ihren Zukunftsplänen und was sie genau im Verlag dann tun möchte.

„Ich habe auch schon ein Praktikum gemacht,“ freut sie sich und schildert mir dieses dann haarklein. Obwohl so ein Verlagsleben zweifelsohne interessant ist, kann ich ihr einfach nicht so richtig folgen.

Ich möchte gar nichts hören, sondern einfach nur nach Hause. Es ist Freitag, es ist Wochenende. Ich möchte ins Bett und dann ausschlafen und morgen den Tag mit Dominik verbringen. Aber auf gar keinen Fall möchte ich weiter hier mit Elisa sitzen und mir langweilige Episoden aus ihrem Leben erzählen lassen.

Weil ich ihr das so nicht sagen kann, lächle ich nur und nicke an den richtigen Stellen. Ich weiß einfach nicht, was los ist.

Sie ist so hübsch und sicher nicht dumm, aber irgendwie such ich richtig nach etwas, das mich an ihr stört. Man kann also festhalten, dass ihr bereit für die Klapse bin. Ein tolles Mädchen interessiert sich für mich und ich rede sie schlecht, statt mich darüber zu freuen.

„Gehen wir?“, fragt sie nach einer Weile und ich nicke und bin so frei, ihr den Latte Macchiato zu bezahlen. Als wir aus dem Café treten, blickt sie mich fragend an. „Begleitest du mich noch ein Stück? Es ist schon so dunkel.“

Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass sie in dieser reichlich belebten Gegend niemand entführen wird, willige ich ein. Wenig später stehen wir vor einem einfachen Hochhaus und sie bedankt sich bei mir.

„War ein schöner Abend,“ lächelt sie und blickt mich wieder so verlegen an, wie heute Morgen in der Bibliothek.

„Vielleicht können wir das ja mal wiederholen,“ bietet sie an und ich nicke. „Ja, vielleicht.“

Ich glaube nicht, dass es die Antwort war, die sie hören wollte und ich glaube auch nicht, dass sie mit einer einfachen Umarmung zum Abschied zufrieden ist, aber ändern kann ich das jetzt auch nicht. Wie würde Heidi Klum jetzt so schön sagen: „Tut mir Leid, Elisa. Ich habe heute leider kein Foto für dich.“
 

„Du bist spät!“, steht Dominik fest, kaum dass ich die Haustüre aufschließe.

„Ich hatte ein Date!“, verkünde ich und trete zu ihm in die Küche. Er kocht sich gerade ein Rührei. Hungrig linse ich über seine Schulter und sehe ihn bettelnd an.

„Du kannst was abhaben,“ seufzt er resigniert und ich grinse und hole uns zwei Teller aus dem Schrank.

„Ein Date also,“ greift er das Thema wieder auf und ich seufze nun ebenfalls. „Es war der Horror!“, erkläre ich ihm und dann beginne ich, ihm genauestens zu erzählen, was mich an ihr so genervt hat.

Er hört mir nur verwundert zu. „Ich kenne Elisa ja und finde eigentlich, dass sie ein tolles Mädchen ist,“ gibt er zu und ich schüttle den Kopf. „Du bist schwul, du kannst das nicht beurteilen,“ wimmle ich ihn ab und bekomme dafür die Gabel in den Arm gepiekst.

„AUA!“, jaule ich und er lacht nur.

„Eigentlich entspricht sie ja auch meinem Typ,“ gebe ich dann zu und er sieht mich fragend an. Mir ist schon klar, dass das wenig Sinn ergibt, was ich da sage. Das habe ich ja nun schon den ganzen Tag über selber bemerkt.

„Aber irgendwie.. ich weiß nicht. Der Funke ist einfach nicht übergesprungen,“ schwafle ich und er lacht wieder.

„Solls geben,“ murre ich und stopfe mir ein großes Stück Rührei in den Mund. Lecker ist es, aber mein ganzer Mund tut weh von dem scheiß Cappuccino.

„Eigentlich ist es mir auch egal. Schade nur um die Zeit,“ mampfe ich und schaue ihm zu, wie er sich Ei in den Mund schaufelt.

Als er merkt, dass ich ihn beobachte, sieht er mich fragend an.

„Was ist?“, fragt er irritiert und ich zucke mit den Schultern.

„Darf ich dich nicht anschauen?“, zwinkere ich ihm zu und er zieht eine Schnute. Ich muss lachen und bekomme einen Knuff von ihm ab.

Elisa und er haben fast die gleiche Augenfarbe. Das ist es, was mir aufgefallen ist, während ich ihn angestarrt habe, um ihn zu ärgern.

Nur mit dem Unterschied, dass seine Wimpern wundervoll lang sind, obwohl er sich nicht ein Kilo Mascara rangeschmiert hat. Sie leuchten auch ohne Kajalstift.

Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur wieder ein, weil ich Elisa einfach so gar nichts abgewinnen konnte.

„Deine Eier sind lecker,“ verkünde ich und merke selbst, dass es falsch klingt. Wenigstens sagt er nichts dazu, sondern grinst nur vor sich hin.

„Perverses Stück,“ witzle ich und schnappe mir seinen Teller, kaum dass er den letzten Bissen gegessen hat, um sie zur Spüle zu tragen.

„Was hast du Morgen so vor?“, frage ich ihn, während ich abspüle und er so nett ist, das Geschirr abzutrocknen.

„Keine Ahnung. DVD-Abend halt,“ erinnert er mich und ich winke ab. Natürlich habe ich nicht vergessen, dass wir den DVD-Abend für morgen eingeplant haben. Mir geht es aber um den restlichen Tag. Das sage ich ihm auch.

„Ich… weiß nicht. Lesen?“

Ich schüttle den Kopf und er ahmt mir die Geste irritiert nach. „Nicht… lesen?“, fragt er unsicher und ich nicke. „Jasper, was willst du von mir?“, lacht er und ich beschließe, ihn nicht weiter zu ärgern.

„Ich würde gerne wissen, ob du den morgigen Tag mit mir verbringen möchtest,“ kläre ich ihn auf und sehe ihn fragend an.

„Wirklich?“, hakt er nach und ich sehe ihn böse an. „Natürlich wirklich, sonst würde ich doch nicht fragen!“

„Aber… was ist, wenn man uns draußen zusammen sieht?“, fragt er und ich zucke mit den Schultern. „Ist mir scheißegal und du bist dann auch nur um einen heißen Typen reicher,“ zwinkere ich ihm und bekomme einen heftigen Knuff von ihm.

„Hatten wir nicht ausgemacht, wir warten noch ein paar Wochen?“, fragt er mich und ich nicke. „Ja, hatten wir. Aber jetzt machen wir aus, dass wir morgen Schlittschuhlaufen gehen.“

Er blinzelt und will widersprechen, aber ich lasse ihn einfach stehen. Ist mir doch egal, ob uns morgen jemand sieht. Wenn ich mit ihm Schlittschuhlaufen gehen will, dann geh ich auch mit ihm Schlittschuhlaufen. Wäre ja noch schöner, wenn ich mich dafür bei irgendjemanden rechtfertigen müsste!

Eisprinz

„Dir ist schon klar, dass ich nicht Schlittschuhlaufen kann, oder?“, fragt mich Dominik, während wir gemütlich frühstücken.

„Macht nichts. Ich kann es ja auch nicht,“ gebe ich zu und schmiere mir mein Brötchen. Er schüttelt entsetzt den Kopf. Offenbar war das nicht die Antwort, die er hören wollte. „Und dann bringen wir es uns gegenseitig bei oder wie?“, fragt er und ich nicke. „Wird sicher lustig,“ lache ich, als er mich nur ungläubig anguckt.

„Entspann dich mal, Dominik!“, bitte ich ihn. „Ich weiß, du hast Angst, uns könnte jemand sehen. Aber ich bin sicher, wir werden Spaß haben!“

Er nickt und blickt sein Brötchen an, das er reichlich mit Marmelade beschmiert hat. „Wir machen uns sicher voll zum Affen,“ stellt er dann fest und ich grinse. „Dann macht es doch am meisten Spaß.“

Wirklich davon überzeugt wirkt er nicht. Im Gegenteil. Er blickt skeptisch drein, während er sein Brötchen isst. Fast ist es, als würde er erwarten, dass sein Brötchen ihm offenbart, dass es ein toller Tag wird. Aber natürlich tut es nichts dergleichen und deshalb behält er diesen Blick auch bei, als wir schon dabei sind, den Tisch abzuräumen.

„Wir könnten auch ins Kino oder so,“ schlägt er vor und ich muss grinsen, während ich die Teller abwasche und er neben mir steht und unruhig am Geschirrtuch herum fummelt. „Nein,“ erwidere ich knapp und streng und er verzieht den Mund. „Oder-“, ich lasse ihn nicht mal ausreden, sondern sehe ihn sofort böse an, was ihn verstummen lässt. Belustigt reiche ich ihm den ersten Teller. „Jetzt stell dich nicht so an,“ bitte ich ihn und er schaut aus Hundeaugen zurück, von denen ich nicht weiß, ob er mich damit erweichen will oder ob sie symbolisieren sollen, dass er nachgibt.

„Ich stelle mich gar nicht an,“ murmelt er, aber das kaufe ich ihm natürlich nicht ab. Es ist ja ganz offensichtlich, dass er krampfhaft nach einer Ausrede sucht, um nur nicht mit mir in die Eishalle zu müssen.

„Du kannst dein Leben nicht davon abhängig machen, was andere über dich sagen könnten,“ ermahne ich ihn, erhalte aber keine Antwort. Wenigstens widerspricht er mir auch nicht, sondern trocknet nur stumm den zweiten Teller und das Besteck ab.

Wenig später sind wir fertig und ziehen uns in unsere Zimmer zurück, um uns umzuziehen.

Ich schlüpfe in meine Jeans und einen dicken Pulli und frage mich, ob ich tatsächlich zu viel von ihm verlange. Mir ist schon klar, dass er sich wie im Himmel fühlen muss, mal nicht der Mittelpunkt der Lästereien zu sein. Andererseits kann er sich nicht immer nur zu Hause verstecken.

Erst geht er nicht fort, weil er nicht von allen Seiten schief angesehen werden will und dann geht er nicht fort, weil er nicht erneut von allen Seiten schief angesehen werden will. Es wird wirklich höchste Zeit, dass jemand kommt und ihn aus seiner Isolation befreit. Und auch wenn er der Meinung ist, dass dies noch ein paar Wochen Zeit hätte, bin ich der Meinung, dass es lieber schon ein paar Wochen eher hätte geschehen müssen. Deswegen bleibe ich auch unerbittlich, egal wie sehr er jammert.

Entschlossen wickle ich mir einen Schal um, ehe ich mein Zimmer verlassen und nachsehe, wie weit er ist.

Ich schwitze jetzt schon. Wir haben zwar schon November, aber so richtig kalt ist es noch nicht und ich habe mich auch nur für die Eishalle so dick angezogen. Ich werde sicher zerfließen, bevor wir überhaupt dort angekommen sind.

„Domi?!“, frage ich und klopfe kurz an. Von drinnen höre ich ein Brummen, was ich als Zeichen verstehe, eintreten zu dürfen. Das tue ich dann auch.

Er schlüpft gerade in einen Pulli und sieht nicht besonders glücklich aus, beschwert sich aber nicht mehr. Ich bin sicher, wenn wir erstmal dort sind, dann wird es ihm gefallen.

„Mach einen Schal ran, ja. Nicht, dass du dich erkältest,“ bitte ich ihn und er blickt mich amüsiert an. „Ja, Mami,“ grinst er und ich ziehe eine Schnute, belasse es aber dabei. Besser, er macht sich über mich lustig, als wenn er die ganze Zeit eine Null-Bock-Stimmung an den Tag legt.

Dann sind wir endlich fertig, schlüpfen in unsere Jacken und gehen los.
 

Als wir bei der Eishalle ankommen, ist diese schon gut gefühlt. Das überrascht mich ein wenig. Wir sind zwar nicht sonderlich früh, aber sicher auch nicht wirklich spät dran. Dominik sieht sich schon wieder paranoid um, aber ich ignoriere es einfach. Mir ist schon klar, dass er ein wenig brauchen wird, um sich entspannen zu können und ich schätze, ich helfe ihm nicht, wenn ich ihn immerzu damit voll labere.

Deswegen ziehe ich ihn schweigend mit mir und bezahle unseren Eintritt. Das lenkt ihn zumindest kurzzeitig ab und ich darf mir ein paar Minuten anhören, dass er es sehr wohl auch alleine bezahlen kann.

„Jetzt reg dich mal ab. Ich hab dich gezwungen mitzukommen, dann kann ich es dir auch bezahlen,“ maule ich, was ihn nur wenig überzeugt. Er beschwert sich noch, bis wir uns Schlittschuhe ausgeliehen haben und uns dann in eine Ecke hocken und sie anziehen.

„Mir ist jetzt schon schlecht,“ verkündet er und ich muss lachen.

„Warum vertraust du mir nicht einfach mal, dass es total lustig wird?“, frage ich ihn und er zuckt mit den Schultern und lässt sich aufhelfen.

Ich will ihm gerade erklären, dass wir uns gegenseitig ein wenig stützen sollten, als ich merke, dass er mir gar nicht zuhört.

Ich folge seinem Blick. „Da vorne ist wer aus der Uni,“ jammert er und tatsächlich sehe ich dort ausgerechnet Linda und ein anderes Mädchen stehen. Ich beiße mir auf die Lippen und frage mich, ob wohl auch Ann-Kathrin hier ist. Sie scheint sich ja gut mit Linda zu verstehen. Aber er sieht so aus, als wären die beiden Mädchen alleine.

„Ist doch auch egal,“ versuche ich unbekümmert zu bleiben und ziehe ihn dann mit mir. Ist mir wirklich egal. Linda ist zwar nervig und mit Ann-Kathrin befreundet, aber nach meiner Ansage beachtet eh niemand mehr Ann-Kathrins dummes Gerede.

Außerdem will ich mir den Tag definitiv nicht von Linda kaputt machen lassen. Deswegen helfe ich Dominik aufs Eis und steige dann ebenfalls darauf.

Ich komme einen ganzen Meter weit, dann lande ich bereits auf dem Hinter und muss mich von Dominik auslachen lassen, der noch steht – auch wenn er sich an die Bande klammert.

„Das ist nicht witzig!“, murre ich und stehe umständlich auf. Wieder auf den Beinen, suche ich ebenfalls Schutz an der Bande und blicke mich um. Wir scheinen die einzigen zu sein, die noch nie auf Schlittschuhen standen. Alle anderen drehen fröhlich ihre Runden und bedenken uns mit einem nachsichtigen Lächeln. Nur ein kleines Mädchen kriegt gerade noch von ihrer Mutter gezeigt, wie sie sich bewegen muss. Wir ahmen es ihr nach und müssen frustriert feststellen, dass sie es viel schneller raus hat, als wir.

„So schaffen wir niemals auch nur eine Runde,“ lacht Dominik und hangelt sich am Rand entlang, immer bereit, sich an der Bande abzufangen. Dabei macht er immer noch eine bessere Figur wie ich. Ich stolpere hinter ihm her und laufe mehr, als dass ich gleite.

Irgendwann hat er es raus und ich bin frustriert.

„So schwer ist es gar nicht,“ verkündet er mir, während er an mir vorbeisaust und mich einfach stehen lässt. Ich sehe ihm böse nach und werde eine Minute später wieder von ihm eingeholt. Offensichtlich ist das einzige, was er nicht geübt hat, das Bremsen, denn er kommt nicht rechtzeitig zum stehen und stößt gegen mich. Hilflos werde ich mit nach unten gerissen und wir landen nebeneinander auf dem Eis.

„Gerade hatte ich meine erste Runde, da wirfst du mich um,“ maule ich und sehe ihn böse an. Ihn stört das wenig. Er kugelt sich vor Lachen herum und das stimmt mich schnell wieder fröhlich, weil es ja mein Ziel war, dass er auch mal ein wenig Spaß hat.

„Komm steh auf, dann zeig ich es dir noch mal, ja?“, bietet er sich dann an und hilft mir wieder hoch. Ich komme mir ziemlich bescheuert vor, weil ich der einzige bin, der seine Motorik nicht kontrollieren zu können scheint.

Dominik reicht mir seine Hände und ich ergreife sie und lasse mich mit ihm ziehen. „Kannst du mal langsam machen, ich komme ja gar nicht nach,“ lache ich, weil er mich mehr mit sich zieht, als mir beim laufen hilft.

„Sorry,“ meint er und wird sofort langsamer. Ich versuche, mich ganz auf meine Beine und Füße zu konzentrieren, was schwer ist, weil ich ständig gucken muss, dass er nicht noch jemanden umfährt. Immerhin fährt er rückwärts. „Sei vorsichtig,“ bitte ich ihn und dirigiere ihn in die richtige Richtung, ehe er noch jemanden umfährt. Wir fahren mehrere Runden und irgendwann habe ich es raus und lasse ihn los. Tatsächlich gleite ich dann einige Mal alleine ums Eis.

Und es macht wirklich richtig Spaß. Ich strahle Domi an, als ich es endlich schaffe, eine Runde komplett neben ihm zu fahren, ohne, dass er mich abhängt.

Irgendwann lehnen wir uns dann gegen die Bande, um eine Pause zu machen.

„Jetzt bist du froh, mitgekommen zu sein, was?“, frage ich ihn und er nickt und lächelt mich an.

„Bis jetzt uns auch noch niemand doof angeschaut,“ freut er sich und ich bin erleichtert, dass ihm das aufgefallen ist. Wenn ich etwas nicht hätte gebrauchen können, dann, dass er die ganze Zeit seine Paranoia beibehalten hätte.

„Okay, mir wird kalt. Entweder trinken wir erst mal was, oder fahren noch eine Runde,“ verkünde ich dann und so beschließen wir, dass Eis zu verlassen und uns mit einem Kakao aufzuwärmen.

Wenig später sitzen wir zufrieden neben der Eisfläche und beobachten die anderen.

„Danke,“ nuschelt Dominik leise und sieht mich dabei verlegen an. Offenbar ist es ihm im Nachhinein peinlich, wie er sich dagegen gewehrt hat. Ich nicke nur und belasse es dabei. Ich weiß ja, dass er einfach nur Angst hatte.

Entspannt schlürfen wir unseren Kakao und kichern über Linda und ihre Freundin, die versuchen, möglichst elegant an ein paar Jungs vorbeizulaufen und dabei prompt ins rutschen geraden. Fast wären sie umgefallen.

„Wir müssen unbedingt irgendwann mal wieder hierher kommen,“ bittet er mich und ich nicke. „Ganz dringend.“

Ich nehme noch einen Schluck Kakao und werde plötzlich auf etwas aufmerksam: Da unten steht Maria auf dem Eis, Hand in Hand mit einem hässlichen Typen, den ich nicht kenne. Sie scheinen wahnsinnig viel Spaß zu haben, während er sie übers Eis zerrt und dabei immer schneller wird. Schadenfroh beobachte ich, wie sie irgendwann gegen das kleine Mädchen von vorhin stoßen und so richtig von deren Mutter zur Sau gemacht werden.

„Bist du immer noch nicht über sie hinweg?“, fragt mich Dominik und hat dabei einen Gesichtsausdruck aufgelegt, den ich nicht richtig deuten kann.

„Doch,“ versichere ich ihm. „Aber es ärgert mich, dass ich offenbar nicht gut genug für sie war, um für eine Beziehung zu taugen. Der Typ dort scheint wohl eher geeignet.“

Ich verziehe den Mund und komme mir einmal mehr ausgenutzt vor. Jetzt weiß ich, warum es für Mädchen so schrecklich ist, wenn ein Typ sie nur flachlegt und dann abserviert.

„Wahrscheinlich warst du eher zu gut für sie,“ nuschelt Domi und nickt zu dem Kerl. „Guck ihn dir doch an. Den sein IQ ist doch nicht höher wie 10.“

Ich muss lachen und komme zu dem Schluss, dass er Recht hat. Wahrscheinlich sind sie gar nicht zusammen, sondern erst ist nur so blöd, sich auf diese Fickbeziehungssache einzulassen.

„Ich bin froh, jetzt mit dir hier zu sein und nicht mit ihr,“ verkünde ich Dominik. „Auf so eine Tussi habe ich nämlich gar keine Lust.“

Er lächelt mich an und trinkt seine Tasse leer. „Auf eine weitere Runde?“, fragt er dann und ich nicke.

Sekunden später stehen wir wieder auf dem Eis.

Wir sind noch nicht ganz eine Runde gekommen, als neben uns zwei Mädchen auftauchen und uns freudig angrinsen. „Hi,“ sagt die eine und die andere winkt dämlich dazu.

„Hallo,“ erwidere ich freundlich und Domi ringt sich zumindest ein Lächeln ab.

„Habt ihr Lust, mit uns ein paar Runden zu drehen?“, fragt die, die bereits ‚Hi’ gesagt hat und ich stimme zu.

„Cool. Ich bin Anne und das ist Melissa,“ klärt sie mich auf und deutet auf das stille Mädchen neben sich. Ich schenke beiden ein weiteres Lächeln und stelle uns vor.

„Kommt ihr öfters her?“, fragt mich Anne und ich erkläre ihr, dass wir das erste Mal hier sind und gerade erst gelernt haben, wie man sich überhaupt auf Schlittschuhen bewegt. Kurz darauf ziehe ich meine Kreise mit ihr und habe Dominik bei Melissa gelassen. Sie scheinen beide wenig zu sagen zu haben. Melissa sieht ziemlich schüchtern aus und Dominik ist das Desinteresse ins Gesicht geschrieben. Ich beschließe, bald wieder zu den Beiden zu stoßen, aber erst möchte ich mich noch ein wenig mit Anne unterhalten.

Sie scheint nett zu sein und sieht gut aus. Außerdem ist sie nicht so seltsam, wie es Elisa gewesen ist.

„Dein Freund scheint nicht so viel Interesse an Melissa zu haben. Eigentlich schade, sie fand ihn sehr süß,“ klärt mich Anne auf und ich zucke mit den Schultern. Ich möchte ihn nicht vor ihr outen, dass kann er selbst tun.

„Ich glaube, die Zwei sind einfach beide ziemlich schüchtern,“ winke ich ab und ziehe Anne über das Eis, wie es zuvor schon der Typ mit Maria gemacht hat. Nur mit den Unterschied, dass wir dabei nicht so lächerlich aussehen und andere Leute mit uns reißen.

„Was habt ihr danach noch vor?“, fragt mich Anna und ich zucke mit den Schultern. So richtig habe ich darüber nicht nachgedacht. „Ihr?“, frage ich sie deshalb, aber auch sie zuckt mit den Schultern. „Vielleicht irgendwo einen Kaffee trinken oder was essen,“ erklärt sie mir und ich nicke. „Klingt gut, vielleicht gehen wir mit.“

Wir fahren noch einige Zeit alleine, ehe wir wieder zu Melissa und Dominik stoßen.

„Na, hattet ihr Spaß?“, frage ich sie und ernte einen bösen Blick von Domi und einen roten Kopf von Melissa. Also nein.

„Ich habe Jasper gerade erzählt, dass wir dann noch was trinken gehen wollen. Wäre doch cool, wenn die Zwei mitgehen würden, oder Lissi?“, fragt Anne und tuschelt und kichert mit ‚Lissi’ herum.

Ich blicke indes Dominik vorwurfsvoll an. „Du hättest dich wenigstens nett mit Melissa unterhalten können,“ rüge ich ihn und er blickt nur böse zurück.

„Ich dachte, dass wir den Tag zusammen verbringen würden, aber du musstest ja unbedingt wieder auf Flirtkurs gehen,“ faucht er zurück und sieht ziemlich missgestimmt aus. Ein wenig ein schlechtes Gewissen bekomme ich daraufhin schon. In der Tat war es eigentlich mein Plan gewesen, etwas mit ihm zu unternehmen. Andererseits schließt das ja nicht aus, jemanden kennen zu lernen. Hauptsache, wir verbringen den Tag zusammen.

Das sage ich ihm auch und er zuckt nur mit den Schultern und ignoriert mich dann genauso, wie vorher Melissa.

„Wie wäre es, Jungs? Fahren wir noch fünf Runden, ehe wir gehen?“, fragt uns in dem Moment Melissa – ich wusste nicht, dass sie überhaupt weiß, wie man redet – und wir stimmen zu.

Anne möchte sich gerade wieder an mich ran hängen, aber ich habe noch ein Hühnchen mit Domi zu rupfen. Ich packe sein Handgelenk und zerre ihn hinter mich her, bedeute Anne, dass ich kurz mit ihm reden will.

„Du brauchst gar nicht auf mich einzureden. Von mir aus kannst du mit den Tussen ja noch was trinken gehen, aber ich gehe nach Hause,“ mault er, kaum dass wir außer Hörweite sind.

„Hör mal, ich finde Anne sehr nett und würde sie gerne näher kennen lernen, ja. Aber ich möchte den Tag trotzdem mit dir verbringen. Also sei doch bitte nicht eingeschnappt. Was ist denn jetzt los, Domi?“

Er zuckt mit den Schultern. „Du wolltest mit mir fort und dann lässt du mich einfach alleine,“ mault er und ich muss lächeln. „Ich werde nicht mehr mit Anne alleine losziehen, ja?“, biete ich ihm an. „Und wenn wir den Kaffee getrunken haben, dann gehen wir alleine nach Hause und gucken gemütlich unsere DVDs, wie geplant. Okay?“, frage ich und er nickt, sieht aber nicht sehr glücklich aus.

„Und die letzen Runden gehören nur dir,“ versichere ich ihm und fasse seine Hand, um ihn hinter mir herzuziehen.

Ich glaube, er möchte weiterhin böse auf mich sein, aber je schneller wir werden, desto schneller verschwinden seine bösen Gedanken und irgendwann schimpft er nur auf mich ein, ich soll langsamer machen. Mache ich natürlich nicht, bis wir irgendwann ins schleudern geraten und gegen die Bande knallen. Kichernd kommen wir zum stehen und ich sehe ihn zufrieden an. „Wenn du lachst, siehst du viel süßer aus, als wenn du so miesepetrig aus der Wäsche guckst.“

Er will gerade etwas erwidern, aber da stoßen auch schon die Mädels zu uns. „Fertig?“, fragt Anne und blickt irritiert auf meine Hand, die immer noch Domis in seiner hält. Ich lasse ihn los und nicke. „Ferig!“
 

Kurz darauf sitzen wir in einem kleinen Café, schlürfen unseren heißen Kaffee und mampfen unser Baguette.

„War voll cool mit euch,“ verkündet uns Anne und lächelt dabei insbesondere mich an. „Fand ich auch,“ stimme ich ihr zu. Melissa und Dominik schweigen. Ich muss ein wenig grinsen, weil er so stur ist. Ein wenig tut mir Melissa ja Leid. Sie versucht mehrmals, Domi auf sich aufmerksam zu machen oder zumindest Blickkontakt aufzunehmen, aber er schaut schweigend sein Baguette an, als wäre es das Interessanteste auf der Welt.

„Was macht ihr heute Abend?“, fragt mich Anne und ich erzähle ihr von unserem DVD-Abend.

„Klingt cool,“ stellt sie fest und blickt kurz zu Melissa. „Könnten wir auch mal wieder machen, was, Lissi?“, fragt sie diese und erhält nur ein Schulterzucken zur Antwort. Als weder Melissa noch ich reagiere, blickt sie mich wieder an. „Oder wir schließen uns euch einfach an?“

Ehe ich etwas sagen kann, brummt Dominik ein ‚Nein’ und hat sofort die gesamte Aufmerksamkeit. Er scheint aber keine Erklärung dazu abgeben zu wollen, also bleibt das wieder an mir hängen.

„Sorry, aber das ist so ein Ding zwischen uns… Wir gucken eh nur totale Männerfilme, also wäre euch sicher eh langweilig,“ versuche ich zu erklären, aber wirklich besänftigen tut es die beiden Mädchen nicht.

Melissa sieht verletzt aus – wahrscheinlich denkt sie, dass Dominiks ‚Nein’ eine klare Ablehnung ihrer Person war – und Anne wirkt eher irritiert.

„Du kannst mir ja deine Nummer geben, dann können wir irgendwann die Tage noch mal was zusammen unternehmen,“ biete ich ihr an und sie nickt nur holt ihr Handy hervor. Wir tauschen unsere Nummern aus, aber das hebt die Stimmung auch nicht mehr. „Sorry, er hat das nicht so gemeint, wie es rüber kam,“ entschuldige ich mich bei den beiden Mädels. „Doch,“ widerspricht Domi mir aber sogleich.

Ich sehe ihn böse an. „Kann dich mal kurz sprechen, ja?“, bitte ich ihn und zerre ihn erneut mit mir.

In einer anderen Ecke des Cafès sehe ich ihn böse an. „Was soll das denn? Die arme Melissa ist jetzt total fertig mit den Nerven und Anne findet uns wahrscheinlich auch total bescheuert.“

„Ist mir egal,“ mault er und verschränkt die Arme. Ich seufze. „Hör mal, ich finde Anne sehr nett, okay. Vielleicht wird was aus uns. Mach mir das doch bitte nicht kaputt,“ bitte ich ihn und er blickt böse zu ihr, ehe er die Schultern zuckt. „Dann viel Spaß noch mit ihr. Ich hau jetzt ab.“

Ich packe seine Arme, ehe er auch nur den Versuch unternehmen kann, abzuhauen.

„Was ist denn nur los mit dir?“, frage ich ihn genervt und er antwortet nicht, sondern weicht nur meinem Blick aus und kaut auf seiner Lippe herum.

„Ich habe mich darauf gefreut, den Tag mit dir zu verbringen, aber du hast ja nur Augen für Anne,“ nuschelt er dann und ich blinzle und bekomme wieder ein schlechtes Gewissen.

„Dominik,“ beginne ich, weiß aber nicht, was ich sonst sagen soll. „Wir sind doch zusammen und wenn du nicht so doof aus der Wäschen gucken würdest, dann hätten wir jetzt sicher ein wenig Spaß zu viert. Und…“ Ich breche ab und blicke zu Anne und Melissa, die die Köpfe zusammengesteckt haben und diskutieren.

„Dominik,“ dränge ich und er nickt nur. „Aber den DVD-Abend machen wir alleine!“, bestimmt er und ich nicke. „Versprochen.“

Als wir wieder zu den Beiden zurückkommen, sind die Zwei eher verhalten gegenüber Dominik. Ich unterhalte mich noch ein wenig mit Anne und sehe zu, dass ich Dominik in unser Gespräch einbinden kann.

Lange hält das aber nicht an und deswegen beschließe ich, dass wir gehen, gleich nachdem wir alle leer getrunken haben.

„Ich fands cool mit dir, aber dein Freund ist komisch,“ flüstert mir Anne zu, als wir uns verabschieden.

„Sorry, er ist ein wenig eingeschnappt, weil wir den Tag alleine zusammen verbringen wollten,“ kläre ich sie auf und sie wirft ihm einen Blick zu.

„Okay, gut. Dann bis demnächst,“ meint sie dann schwach lächelnd.

Ich verabschiede mich ebenfalls und dann machen wir uns getrennt auf den Weg nach Hause. Leider wird Dominik nicht dadurch gesprächiger, dass die beiden Mädchen weg sind. Ganz offensichtlich ist er sauer auf mich.

Ich weiß nicht, ob ich einfach ebenfalls sauer auf ihn sein soll oder ob ich versuchen soll, die Wogen zu glätten.

Deswegen sage ich erstmal gar nichts, bis wir zu Hause ankommen und er sofort in seinem Zimmer verschwindet.

Ich weiß nicht Recht, ob er mich sehen will und folge ihm nur zögerlich.

„Tut mir Leid,“ entschuldige ich mich letztlich doch bei ihm und sehe ihm zu, wie er sich aus seiner Jacke schält.

„Ich weiß, das sollte nur unser Tag werden und ich hab es versaut.“

Er zuckt nur mit den Schultern und ich verdrehe die Augen. „Dominik, jetzt reiß dich doch mal zusammen!“, bitte ich ihn und er sieht mich wütend an. Aber er sagt nichts, sondern beherrscht sich gerade noch rechtzeitig. Er sieht mich nicht an, während er sich was Dünneres anzieht. Dann erst wendet er sich mir wieder zu.

„Tut mir Leid, dass ich dein Date kaputt gemacht habe.“ Der Unterton, der dabei mitschwingt, ist ziemlich verbittert.

Ich sollte sauer sein, weil er hier so ein Theater macht, aber ich muss einfach lachen. Wahrscheinlich ist das ziemlich angepasst, er sieht mich jedenfalls so an.

„Du bist schlimmer als eine Frau, weißt du das,“ necke ich ihn und er verschränkt beleidigt die Arme. Ich trete zu ihm und entwirre seine Arme wieder.

„Ich bin doof. Mein Plan war es eigentlich, dass du Spaß hast, aber dann hab ich nur an mich gedacht und meine Chance bei Anne genutzt,“ gebe ich zu und das besänftigt ihn tatsächlich, denn er meint: „Ich hätte nicht so überreagieren sollen.“

Diesmal meint er es sogar ehrlich und deswegen ist der Streit danach auch vergessen.

Den restlichen Nachmittag verbringen wir dennoch erst mal getrennt. Erst am Abend klopfe ich wieder an bei ihm an und trete ein.

Er liegt auf seinem Bett und schläft. Ich muss grinsen und setze mich neben ihn, stupse ihn an. Mehr als dass er murrt, erreiche ich dabei allerdings nicht. Belustigt rüttle ich ein wenig stärker und dann endlich schlägt er die Augen auf.

„Na, ausgeschlafen, ja?“, feixe ich und er haut mir wie so oft ein Kissen ins Gesicht. Mir entgeht trotzdem nicht, dass er rot geworden ist und deswegen kichere ich auch vor mich hin, während er mich böse anschaut.

„Ich bestelle uns eine Pizza und dann können wir mal schauen, was wir für Filme gucken, ja?“, frage ich ihn und er nickt.

„Also? Was willst du für eine Pizza?“

Er nennt mir eine Nummer, mit der ich recht wenig anfangen kann. Als ich nachfragen will, deutet er auf dem Schreibtisch. Dort liegt eine Karte vom Italiener, die er wohl schon rausgesucht hat. Ich schnappe mir diese und gehe dann in die Küche, um zu bestellen. Vor Dominik mag ich nicht telefonieren. Mir ist das irgendwie peinlich, wenn man mir dabei zuhört. Ich weiß, ich bin komisch.

Ich habe kaum aufgelegt, da vibriert mein Handy und ich erhalte eine SMS von Anne. „Hey, war schön heute mit dir. Wir können uns ja noch mal alleine treffen.“

Ich tippe ein ‚Okay’ zurück und habe es kaum beiseite gelegt, als es auch schon klingelt. Ich stürme in mein Zimmer, um meinen Geldbeutel zu holen und höre, wie Dominik die Türe öffnet und die Pizzas entgegen nimmt.

Als ich zurückkehre, stehen diese bereits auf den Tisch und er lehnt mein Geld ab.

„Du hast den Eintritt bezahlt – ich bezahle die Pizzas. Das ist fair, oder?“

Weil Widerstand zwecklos ist, stecke ich das Geld wieder ein und wir machen es uns im Wohnzimmer bequem.

„Ich hab nicht so viele Filme mit nach Berlin genommen, wie ich dachte. Aber ich denke, die Auswahl ist dennoch groß. Such dir einfach welche aus, mir ist es egal. Ich find alle gut,“ kläre ich Dominik auf und deute auf einen Stapel DVDs, den ich zusammen gesucht habe.

Wenig später schiebt er einen Film ein und wir mampfen zufrieden unsere Pizza, während irgendwelche Leute sich gegenseitig an die Kehle gehen.

Ich schiele zu Dominik, der gespannt das Geschehen auf dem Bildschirm verfolgt und freue mich, ihn wieder besser gelaunt zu sehen. Es war schön, heute mit ihm Spaß zu haben und im Nachhinein bereue ich es ein wenig, mich auf den Flirt mit Anne eingelassen zu haben. Irgendwie ist es zwar cool, dass ein Mädchen an mir interessiert ist, das voll cool zu sein scheint, aber andererseits hätte ich ihn gerne noch ein wenig öfter Lachen gesehen, an diesem Tag.

Es stimmt nämlich echt: Er sieht süß aus, wenn er lacht. Und es war schön, mit ihm auf dem Eis. Vor allem, weil er so viel Spaß dabei hat. Wie ein kleiner Eisprinz.

„Was starrst du so?“, fragt er und ich winke ab und richte meine Augen wieder auf den Fernseher.

Aber freuen tue ich mich dennoch und finde es schön, noch ein wenig Zeit mit ihm alleine verbringen zu können. Deswegen drücke ich die nächste SMS von Anne auch ungelesen weg und schalte das Handy danach aus.

Der Abend gehört uns, das habe ich ihm ja versprochen.

Untertitel: Happy End

„Noch einen?“, frage ich Dominik nach dem dritten Film, erhalte aber keine Antwort. Als ich zu ihm sehe, bemerke ich, dass er eingeschlafen ist. Ich muss schmunzeln und schalte den Fernseher aus, ehe ich mich zu ihm umdrehe und überlege, ob ich ihn wecken soll. Ich entscheide mich dagegen und hebe ihn stattdessen vorsichtig hoch, trage ihn in sein Zimmer und lege ihn aufs Bett. Sanft breite ich die Decke über ihm aus und lösche das Licht.

Weil ich selbst noch nicht sonderlich müde bin, räume ich das Wohnzimmer auf, ehe ich ins Bett gehe. Aber auch da kann ich nicht besonders gut schlafen.

Deswegen schalte ich mich ein Handy wieder ein und staune, weil ich fünf neue Nachrichten von Anne darauf vorfinde. Offenbar hat es ihr nicht so ganz gepasst, dass ich den Abend über nicht erreichbar war. Aber dafür hatten Dominik und ich Spaß, haben uns nett über die Filme unterhalten und kein Wort mehr über den missglückten Nachmittag verloren.

Ich bin der Meinung, ich muss mich nicht dafür rechtfertigen, weshalb ich ihr nur ‚Gute Nacht’ schreibe und dann das Handy wieder ausschalte.

Wenn sie mir es nicht total übel nimmt, dass ich mich heute – gestern, wie mir ein Blick auf die Uhr sagt -, nicht gemeldet habe, dann können wir ja die Tage mal was zusammen unternehmen. Ich würde sie schon gerne besser kennen lernen. Es ist zwar nicht so, als dass ich totale Schmetterlinge im Bauch hätte, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
 

Als ich am nächsten Morgen aufwache, schläft Dominik noch. Ich beschließe, uns Frühstück zu machen und bin gerade am Tischdecken, als er in die Küche kommt. Er trägt immer noch, was er gestern Abend anhatte: Jogginghose und Pulli.

„Na, du Schlafmütze?“, grinse ich und er blickt nur verschlafen zurück.

„Wie bin ich ins Bett gekommen?“, fragt er und ich zucke mit den Schultern. „Ich habe dich getragen.“

„Oh!“, macht er und weiß wohl nicht, wie er mit der Information umgehen soll. Irritiert lässt er sich am Tisch nieder und ich schenke ihm einen Kaffee ein.

„Du hast so tief und fest geschlafen, ich wollte dich nicht wecken,“ erkläre ich ihm und er nuschelt ein leises ‚Danke’.

Ich amüsiere mich still über seine Verlegenheit und nehme ebenfalls am Tisch platz.

Anne hat sich bis jetzt nicht gemeldet. Ich habe auch nicht erwartet, dass sie mir nachts noch zurück geschrieben hat, aber jetzt ist ja schon fast Mittag. Ein wenig enttäuscht bin ich darüber schon, weil ich dachte, dass sie eigentlich ein recht unkompliziertes Mädchen ist, genau die Sorte, die ich gerne als Freundin hätte. Aber vielleicht habe ich mich da auch einfach geirrt.

Dominik ist schweigsam während des Frühstücks und ich weiß nicht genau, warum. Vielleicht ist er auch einfach nur peinlich berührt, weil ich ihn ins Bett getragen habe. Irgendwie scheint ihn das ja auch der Bahn geworfen zu haben.

„Alles klar?“, spreche ich ihn an und er zuckt regelrecht zusammen. Wahrscheinlich war er in Gedanken. Er weicht meinem Blick aus, nickt aber. Ich weiß nicht genau, was ich damit nun anfangen soll und beiße mir unsicher auf die Lippe. „War doch noch schön gestern, oder?“, frage ich ihn und er nickt wieder.

„Wir könnten das ja so bald wie möglich wiederholen? Oder?“, biete ich ihm an und diesmal blickt er mich sogar an, während er nickt.

„Anne hat sich nicht mehr gemeldet. Finde ich total doof von ihr,“ erläutere ich ihm dann und schon sieht er ein wenig besser gelaunt aus. Finde es noch immer seltsam, dass er sie nicht leiden kann. Eigentlich hat sie ihm nichts getan und ich habe mich ja entschuldigt, dass ich sie angeflirtet habe, statt sie zu ignorieren und meine Zeit ihm zu widmen.

Aber vielleicht ist Dominik auch einfach nicht der richtige Ansprechpartner, was Mädchen angeht. Ich glaube, er weiß nicht so genau, was er dazu sagen soll, weil er für sie so gar nichts an Gefühlen aufbringen kann.

Ich rede noch ein wenig mit ihm über Anne – ob er will oder nicht -, ehe ich ins Bad gehe und mich dann zu Jonas und Leon verabschiede. Ich hoffe, die zwei haben ihren Rausch schon ausgeschlafen, denn ich möchte gerne mit jemanden über Anne reden, der nicht wie drei Tage Regenwetter guckt, wenn ich ihren Namen erwähne.
 

Ich bin noch nicht ganz bei der WG angekommen, als mein Handy vibriert und ich tatsächlich doch noch eine SMS von Anne erhalte.

Ich hole das Handy aus meiner Tasche hervor und lehne mich gegen eine Haushand um sie in Ruhe zu lesen. Sie schreibt, sie hatte gestern schon Angst gehabt, ich würde mich nicht mehr bei ihr melden. Und dass sie sich gerne mit mir treffen würde.

Das finde ich schön und sage ihr das auch. Ich frage sie, ob sie mit mir mal ins Kino möchte und kurz darauf sagt sie auch schon zu und ich setze meinen Weg fort. Ich habe am Montagabend ein Date und freue mich sogar darauf. Dieses aufgeregte Gefühl habe ich beim letzten Mal so gar nicht gehabt. Ich deute das mal als gutes Zeichen.

Kurz darauf erreiche ich die WG und klinge Jonas aus dem Bett. Es hätte mir klar sein müssen, dass die beiden noch pennen, aber eigentlich ist es mir auch egal. Wer saufen kann, kann auch aufstehen.

Das sage ich Jonas auch, als er mir die Türe öffnet und mich dabei böse anschaut.

„Witzig,“ knurrt er darauf noch, lässt mich aber ein. Ich habe ihnen sogar einen Kaffee mitgebracht und knalle die Pappbecher auf ihren Küchentisch, ehe ich daran platz nehme.

„Wie war die Party?“, frage ich ihn und er stöhnt auf. „Zum kotzen.“

Ich frage nicht, ob er das wörtlich meint oder ob es nur keinen Spaß gemacht hat sondern nehme lieber einen Schluck von meinem Kaffee.

„Wie war es mit Dominik?“, will er wissen und ich überlege kurz. „Eigentlich schön,“ sage ich dann und erzähle ihm dann von Anne. Deswegen bin ich ja auch eigentlich hier. Um ein zünftiges Gespräch zwischen Männern zu führen. Irgendwie interessiert er es sich aber gar nicht so sehr für Anne wie für Dominik.

„Und er war dann echt eingeschnappt, nur weil du mit einem Mädchen geflirtet hast?“, fragt er und ich nicke irritiert, weil ich eigentlich eher Fragen über Annes Oberweite erwartet hätte.

„Bist du sicher, dass er nicht doch auf dich steht?“, fragt mich Jonas und ich bin ehrlich gesagt verwundert. Von Leon hätte ich so eine Frage ja noch erwartet, aber dass Jonas nun auch schon so anfängt finde ich seltsam.

„Hat dir Leon diese Flausen jetzt auch noch eingeredet?“, frage ich ihn deshalb und er schüttelt den Kopf. „Das ist auf meinem eigenen Mist gewachsen, weil ich sein Verhalten komisch finde.“

Ich blicke ihn böse an und widme mich ganz meinem Kaffee. Auf die Frage antworte ich sicher nicht. Sie müssen mal mit sich klar kommen, wirklich! Nur, weil Dominik schwul ist, heißt das nämlich nicht, dass er sich in jedes männliche Wesen verknallt, nur weil es ein bisschen nett zu ihm ist. Und schon gar nicht in mich. Er weiß ja, dass ich auf Frauen stehe. Niemals würde er sich da Hoffnungen machen.

Obwohl ich natürlich zugeben muss, dass sein Verhalten ein wenig seltsam ist. Aber ich bin immer noch der Meinung, dass er nur sauer ist, weil ich ihm den Tag versprochen habe und dann lieber geflirtet habe. Er saß ja nur unbeteiligt daneben. Wahrscheinlich wäre ich andersherum auch sauer gewesen.

So erkläre ich das auch Jonas, der immer noch auf eine Antwort zu warten scheint und lenke das Thema dann wieder zurück auf Anne. Ich möchte mich nicht mit lächerlichen Vermutungen auseinander setzen sondern mit realen Tatsachen.

„Ist sie heiß?“, fragt er mich. Endlich tut er das, was von ihm verlangt wird. Ich bin ganz stolz auf ihn. Andererseits weiß ich die Frage schon wieder nicht zu beantworten. Ist sie heiß? Ich bin mir nicht sicher, ob man sie als heiß bezeichnen kann. Sie ist zumindest süß und sehr hübsch. Sie hat auch relativ große Brüste. Aber nicht zu groß. Ganz okay. Andere würden sie sicher heiß finden. Ich stutze. Das kann ich ihm so schon mal nicht sagen. Wie sollte ich das erklären? ‚Ich finde sie toll aber nicht heiß’. Das ist doch blödsinnig. ‚Ich finde sie nicht so heiß, wie andere. Aber ich mag sie schon.’ Erst Recht bescheuert. Nur etwas muss ich ja antworten, weil Jonas schon so komisch guckt. „Sie ist süß,“ würge ich also kläglich hervor und komme mir doof vor. Ursprünglich wollte ich ihm die Ohren voll schwärmen und jetzt finde ich sie nicht mal besonders heiß. Aber heiß ist ja auch ein blödes Wort. Was ist denn schon heiß? Herdplatten sind heiß. Oder die Sonne. Aber ein Mädchen ist eher hübsch. Oder? Maria ist heiß. Aber Maria ist eine Schlampe. Also ist es wohl besser, man ist kein heißes Mädchen, sondern einfach süß. So sage ich Jonas das aber auch nicht, sondern erzähle ihm genau das, was jeder sagen würde: Süßes Gesicht, relativ große Titten. Perfekt.

„Klingt doch gut,“ freut er sich und nimmt nun endlich auch mal einen Schluck von seinem Kaffee. Im Flur hören wir Krach. Wahrscheinlich ist Leon aufgewacht.

„Morgen Abend gehen wir ins Kino. Ich glaube, das wird recht witzig. Man kann gut mit ihr reden,“ verkünde ich Jonas und er nickt.

Im nächsten Moment kommt tatsächlich Leon in die Küche und ich reiche ihm den Kaffee, der mittlerweile nur noch lauwarm ist.

„Ihr seid so laut,“ mault er, weckt aber keinerlei Schuldgefühle bei uns. „Was für eine bescheuerte Party. Keine Weiber und dafür mehr Alkohol als nötig gewesen wäre,“ motzt er also weiter und ignoriert, dass keiner wirklich darauf antworten will.

„Sei froh, dass du nicht dabei warst!“, spricht er mich dann direkt an und ich nicke nur. „Wie war es mit Dominik?“, fragt er dann und ich bin überrascht, dass er ihn selbst anspricht. Eigentlich benimmt er sich ja immer recht verhalten, wenn das Gespräch auf Dominik kommt.

Ich erzähle ihm also knapp, was ich Jonas auch schon gesagt habe, lasse aber seine Reaktion weg, als ich beginne, von Anne zu erzählen. Ich glaube, dass Leon noch mehr darauf rumhacken würde als bereits Jonas. Und einmal reicht ja auch.

Leon ist dafür ein wenig entgegenkommender, was Anne angeht. Er fragt mich über sie aus und stellt sein Fragen dabei so, dass ich nur ‚Ja’ oder ‚Nein’ sagen muss, was irgendwie günstiger ist, weil ich dann nicht wieder so in Bedrängnis komme, wie zuvor bei Jonas.

Ich finde, dass ich mittlerweile zu hohe Ansprüche erhebe, was Frauen angeht. Keine Ahnung, ob das an Maria liegt, aber seit einiger Zeit ist es wirklich schwer für ein Mädchen, mich noch zu beeindrucken. Vielleicht bin ich total verkorkst oder so. Einige Machos würden wahrscheinlich alle direkt flachlegen, die sie nur nett angucken.

Ich hingegen stelle mich total blöd an und prüfe jede erst mal darauf, ob sie auch komplett meinen Ansprüchen entspricht. Das Problem dabei ist nur, dass ich gar nicht mehr weiß, was meine Ansprüche überhaupt sind. Immerhin habe ich auch schon Mädchen gedatet, die meinen bisherigen komplett entsprochen haben und trotzdem nichts für sie empfunden.

Auf Maria freue ich mich aber eigentlich. Ich habe nur das Gefühl, diese Freude verschwindet mit jeder Sekunde, die ich darüber nachdenke, mehr. Vielleicht war es aber auch ein Fehler, zu Jonas und Leon zu gehen um mit ihren darüber zu reden. Deswegen verlasse ich sie auch wieder und nehme als Ausrede ihren miserablen Zustand.

Wenig später bin ich tatsächlich wieder auf dem Weg nach Hause und fühle mich schon besser. Ich mag Jonas und Leon ja sehr, aber im Moment habe ich das Gefühl, ich muss mich ständig für alles rechtfertigen. Irgendwie ist das komisch. Angefangen hat es wohl mit Dominik. Aber der arme Junge kann ja auch nichts dafür, dass ich mich im Moment ein wenig komisch verhalte.

Als ich zu Hause ankomme, ist Dominik in seinem Zimmer und ich verkrümle mich in meines. Aber so wirklich zur Ruhe komme ich dennoch nicht. Ich bin nicht müde genug um zu schlafen, aber auch zu wenig motiviert, um jetzt noch mal raus zu gehen. Ich überlege, ob ich noch mal zu Dominik gehen soll, aber entscheide mich dagegen. Wir haben den gestrigen Tag ja schon zusammen verbracht und ich möchte mich nicht aufdrängen. Außerdem hat mich Jonas Ansage irritiert. Ob er vielleicht doch – ein klitzekleines bisschen – verknallt in mich ist? Eigentlich unsinnig, aber wenn doch, wie soll ich mich dann verhalten?

Das macht mich ganz nervös. Nicht, weil ich denke, er könnte mich nachts überfallen oder so. Natürlich denke ich solche Dinge nicht! Aber ich frage mich, ob ich ihn dann nicht auf Dauer verletzen könnte.

Andererseits habe ich ihn ja schon mal darauf angesprochen und da meinte er, ich wäre verrückt, so etwas zu denken.

Also vielleicht sollte ich ihm einfach glauben und nicht so viel auf die Dinge geben, die mir Jonas und Leon erzählen wollen. Sie haben ja gar nichts mit ihm zu tun und bekommen ihn kaum zu Gesicht. Sie wissen gar nicht, wie er sich wirklich mir gegenüber verhält und schon gar nicht, was er denkt. Das weiß ja nicht mal ich und er macht es einem auch wirklich schwer, in seine Gedanken einzutauchen.

Egal, was er tut und egal was er sagt, man kommt nie so ganz dahinter, wie er tickt. Das ist zwar nervenaufreibend und faszinierend zugleich, aber auch der Grund dafür, dass ich ihn einfach nicht durchschauen kann. Andererseits muss ich ihn auch nicht durchschauen, solange zwischen uns alles in Ordnung ist.
 

Den restlichen Sonntag habe ich mit PC-Spielen und Grübeln verbraucht. Beides Dinge, die ich recht selten tue. Umso schlechter ist meine Laune heute, obwohl ich abends noch ein Date habe. Darauf freue ich mich wirklich, aber trotzdem bin ich noch ein wenig irritiert von den Geschehnissen des gestrigen Tages. Und von Samstag sowieso.

Dominik ist schon weg, als ich endlich aufstehe und mich fertig mache. Ich kann froh sein, dass ich Mittag noch keine Lesung haben. Andererseits habe ich Jonas versprochen, ich lerne mit ihm am Morgen noch etwas. Jetzt wird er wohl alleine lernen müssen.

Irgendwann bin ich dann aber auch fertig und mache mich auf den Weg zur Uni. Dort empfängt mich ein schlechtgelaunter Jonas und ich entschuldige mich ewige Male dafür, ihn vergessen zu haben. Er muss ja nicht wissen, dass ich ihn eigentlich gar nicht vergessen habe.

Danach essen wir etwas und hocken uns dann in unsere Lesung. Leon bekomme ich gar nicht zu Gesicht. Erst, als ich mich gerade von Jonas verabschiede und auf den Weg zum Kino machen will.

Da taucht er auf und wünscht mir viel Glück, aber Zeit, mich mit ihm zu unterhalten, habe ich keine mehr. Tatsächlich bin ich schon spät dran und eile zu meinem Date. So fängt es ja schon super an.
 

Anne wartet schon vor dem Kino auf mich, aber sie muss früher da gewesen sein, dann ich bin auf die Minute genau pünktlich.

„Hey,“ begrüße ich sie und hauche ihr einen Kuss auf die Wange. Sie strahlt ununterbrochen, offenbar bin ich wirklich ihr Typ und das freut mich. Ich selbst bin immer noch ein wenig unsicher, was meine Gefühle für Anne angeht, aber dafür ist das Date ja da. Heute werde ich dann schon sehen, ob ich mich mit ihr gut verstehe und vielleicht sogar verliebe – oder eben nicht.

Wir treten ins Kino und sehen uns mit einer langen Schlange konfrontiert. Offensichtlich haben sehr viele Leute beschlossen, heute ins Kino zu gehen. „Welchen Film möchtest du denn sehen?“, fragt mich Anne und ich merke, dass ich mir keine Gedanken darüber gemacht habe. Ehrlich gesagt habe ich mich nicht mal informiert, welcher Film überhaupt läuft. Um bei ihr zu punkten, sage ich ihr aber, dass mir der Film egal ist und sie entscheiden darf. Tatsächlich findet sie die Idee super, auch wenn sie sich dann für einen komischen romantischen Film entscheidet, der mir nicht wirklich zusagt. Andererseits bin ich ja nicht wegen dem Film sondern wegen ihr hier.

Ich hole unsere Karten – ihre zahle natürlich ich – und danach auch noch Popcorn. Ich mag eigentlich kein Popcorn, aber vielleicht ist es ja romantisch, wenn sich unsere Hände immer wieder mal zufällig berühren, wenn wir zur gleichen Zeit in die Tüte langen.

So langsam komme ich also nun doch in Datelaune, wenn ich mir solche Gedanken machen. Das erleichtert mich schon ziemlich.

Wir suchen unseren Platz und lassen uns dann dort nieder. Natürlich habe ich uns einen Pärchensitz organisiert und glücklicherweise füllt sich das Kino nicht allzu sehr, weshalb wir relativ ungestört sind.

Bis der Film anfängt, plaudern wir recht unbeschwert und ich merke immer mehr, dass sie echt ein Traummädchen ist. Sie ist wirklich witzig, wir scheinen den gleichen Humor zu haben. Und sie ist intelligent. Sie studiert zwar nicht, aber an der Art, wie sie redet, merke ich, dass sie etwas im Kopf hat. Nicht, dass niemand, der nicht studiert, dumm ist. Aber es gibt ja auch Leute, die aus guten Grund nicht studieren – Anne ist zum Glück keine davon.

Irgendwann fängt der Film an und ich versuche, mich auf die Handlung zu konzentrieren. Immerhin möchte sich Anne sicher nach dem Film darüber austauschen und wenn ich dann gar keine Ahnung davon habe, ist das auch nicht gut.

Allerdings ist der Film wirklich zum kotzen. Keine Ahnung, ob den irgendjemand gut finden kann, der nicht total das Mädchen ist. Ich glaube nämlich, dass nicht mal jedes Mädchen den gut finden würde, weil er mit so ziemlich jedem Klischee arbeitet, dass es so gibt: Die Hauptfigur geht gerne shoppen, ihre beste Freundin ist Kosmetikerin, ihr bester Freund ist schwul, sämtliche Typen stehen auf sie, weil sie unbeschreiblich gut aussehend ist und sie selbst ist nur in einen riesigen Macho verknallt und merkt dabei nicht, dass ihr schüchterner Kollege ihr eigentlicher Traummann ist.

Ja, so geht es wohl jedem einzelnen Mädchen auf dieser Welt…

Anne findet ihn aber total toll. So toll, dass sie sogar das Popcornessen vergisst, was mir meine super Chance, zufällig ihre Hand zu berühren, kaputt macht.

Ich überlege, ob ich einfach ihre Hand nehmen soll. Ich glaube, sie erwartet sogar, dass wir Händchenhalten. Aber ich traue mich nicht. Beziehungsweise traue ich mich eigentlich schon, aber irgendetwas hält mich doch davon ab. Ich möchte nicht jedes Klischee erfüllen, wie es schon der Film tut. Im Kino Händchenhalten, Anne nach Hause bringen, ein kleiner Kuss zum Abschied und dann groß das Happy End als Untertitel des Abends.

Mehr und mehr komme ich mir blöd vor. Sie hat nur Augen für den Film und ich habe nur Augen für mein Popcorn, das mir noch nicht mal schmeckt. Ich hätte salziges nehmen sollen, das mag ich nämlich. Aber ich dachte, sie mag sicher lieber süßes und habe sogar den Spruch gebracht: „Was Süßes für meine Süße.“ Im Nachhinein finde ich den Spruch natürlich selber lächerlich und schäme mich auch ganz sehr dafür.

Ich bin heilfroh, als der Film endlich zu Ende ist und sich die Heldin dann doch für ihren Kollegen entschieden hat, der natürlich eine Styleberatung hinter sich hat und nun aussieht wie der zweite Brand Pitt.

Kann ja nicht angehen, dass sie einen durchschnittlichen Kerl datet. Der muss schon ein halbes Topmodel sein. Irgendwie hat er der Film es echt in die Kategorie „Größte Scheiße ever!“ gebracht.

„Wie fandest du ihn?“, fragt mich Anne, als wir den Kinosaal verlassen und ich zwinge mich zu einem Grinsen und meine: „Ganz okay.“ Das ist natürlich übertrieben, aber ich möchte sie auch nicht enttäuschen. Sie schwärmt noch eine ganze Weile, wie toll der Film doch ist und ich weiß nicht so recht, was ich darauf antworten soll.

Ich zweifle nun doch an ihrer Intelligenz. Welch halbwegs normaler Mensch kann denn so einen Mist so dermaßen toll finden. Sind alle Mädchen so? Ich habe meine Ex-Freundinnen anders in Erinnerung. Aber wie scheiße wäre es von mir, wenn ich sie nun mit meinen Ex-Freundinnen vergleichen würde. Von ihrem miserablen Filmgeschmack einmal abgesehen ist Anne ja eigentlich total toll.

Wie ich es mir zuvor in meinen Horrorvisionen ausgemalt habe, bringe ich sie tatsächlich nach Hause und als wir vor ihrer Türe zum stehen kommen, sieht sie mich erwartungsvoll an. Ich weiß, was jetzt von mir verlangt wird und ich weiß, dass ich dem nicht nachkommen werde. Ich beuge mich vor, um sie erneut auf die Wange zu küssen und kurz, aber fest zu umarmen, ehe ich ihr noch einmal beteuere, dass es schön war und ich sie gerne noch mal treffen würde und ihr noch eine gute Nacht wünsche.

Ein wenig enttäuscht wünscht sie mir das gleiche und ich flüchte schon fast aus dem Hauseingang. Als ich gerade auf die Straße trete, ruft sie mir nach und ich bleibe stehen. „Du, Japser, darf ich dich noch etwas fragen?“, will sie wissen und ich nicke und trete wieder ein Stückchen näher, damit sie nicht so schreien muss.

„Wie findest du mich eigentlich?“, fragt sie und ich hole tief Luft, was mir kurz Zeit gibt, zu überlegen. Aber eine wirkliche Antwort finde ich nicht und deswegen meine ich: „Naja, also… ich mag dich sehr gerne und es hat mir heute Spaß gemacht mit dir zu quatschen. Deswegen würde ich dich auch gerne mal wieder treffen. Du bist wirklich toll.“

Ich weiß selbst, dass das scheiße klingt. Und sie fasst es genauso auf, wie ich es meine: „Also denkst du eher, dass es etwas Freundschaftliches werden kann und keine Beziehung, oder?“

Ich würde ihr gerne sagen, dass es anders ist und ich mich nur nicht so schnell verlieben kann, aber natürlich ist das Blödsinn. Im Grunde meines Herzens denke ich ja genau das, was sie gerade ausgesprochen hat. Deswegen nicke ich auch nur.

Sie nickt ebenfalls und sagt nichts und ich wende mich ab. Als ich gerade wieder auf die Straße trete, meint sie: „Jasper? Du und Dominik… seid ihr zusammen?“
 

Ich halte inne und wende mich um. „Bitte?“, frage ich sie und beginne, nervös an meiner Jacke zu fummeln. Eigentlich gibt es keinen Grund, jetzt nervös zu werden. Dominik und ich sind nicht zusammen, ich bin nicht schwul und das ich mich nicht in sie verliebt habe, liegt nicht daran, dass sie keinen Schwanz hat.

„Nein!“, beteuere ich also und sie nickt nur und zuckt mit den Schultern. „Tut mir Leid, ich dachte, dass es vielleicht daran liegt, dass du schwul bist. Also… das du mich nicht magst,“ versucht sie sich zu erklären und ich schüttle den Kopf und entschuldige mich, obwohl ich mich eigentlich nicht dafür entschuldigen bräuchte.

„Dominik ist aber schwul, oder? Ich hatte den Eindruck, er steht auf dich.“

Ich mustere den Boden. Am Straßenrand wächst Unkraut und obwohl es da nicht hingehört, sieht es nicht mal total bescheuert aus, wie es da wächst.

„Ich glaube nicht, dass er auf mich steht,“ erwidere ich dann leise und sie hebt abwehrend die Hände. „Ich kann mich irren. Ich dachte ja auch, du stehst auf ihn. Ihr habt so vertraut gewirkt. Und irgendwie… verknallt.“

Ruckartig hebe ich den Kopf wieder und sie zuckt zusammen. „Nur, weil ich nicht auf dich stehe, heißt das nicht, dass ich schwul bin, okay?“, brause ich auf und erkenne mich selbst kaum wieder. Keine Ahnung, was nun los ist, aber ich führe mich auf, wie der letzte Idiot. So schnell, wie die Wut gekommen ist, vergeht sie aber auch wieder und ich entschuldige mich nochmals und versichere ihr, dass meine Gefühle ihr gegenüber nichts mit denen gegenüber Dominik zu tun haben und dass ich nicht schwul bin und noch so vieles mehr. Dann gehe ich und vermeide es, sie zuvor noch einmal anzusehen, weil sie die ganze Zeit über schon sehr traurig gewirkt hat. Ich möchte ihre Tränen nicht sehen müssen.
 

Schlecht gelaunt betrete ich die Wohnung und erwarte, unter Dominiks Türe Licht hindurch scheinen zu sehen. Das ist aber nicht der Fall, er schläft wohl schon. Mir wird klar, dass ich ihn heute nicht einmal zu Gesicht bekomme habe. Dafür habe ich heute schon mehr als genug über ihn nachgedacht. Mittlerweile nervt mich all dieses Gerede. Ich weiß nicht, was alle immer damit haben, dass Dominik auf mich stehen könnte. Ist es denn so ein Verbrechen, wenn er sich als Schwuler gut mit mir versteht? Muss er deshalb gleich in mich verknallt sein? Und ich in ihn, wo ich doch hetero bin?

Verärgert lege ich mich schlafen, aber es dauert noch fast zwei Stunden, ehe ich wirklich schlafen kann. Der Morgen beginnt nicht viel besser, weil ich mit seltsamer Musik geweckt werde, die aus Dominiks Zimmer kommt. Eigentlich ist er nicht der Typ, der laut Musik hört und wenn, dann ist es eher Metal und nicht Lady Gaga.

Kurz überlege ich, ob er vielleicht Besuch haben könnte. Wer weiß, vielleicht hat er einen Freund und deswegen hat er gestern auch schon geschlafen. Weil sie sich davor wild durch alle Zimmer gevögelt haben. Und wenn ich dann gleich Frühstücke, werde ich irgendwelche Rückstände auf dem Küchentisch vorfinden, die sich sicher nicht vorfinde möchte. Deswegen hört er auch Lady Gaga. Weil er sich so einen tuntigen Typen angelacht hat, der selber rum läuft wie ein Gaga-Verschnitt. Und jetzt treiben sie es schon wieder wild und die Musik soll nur die Geräusche überdecken.

Plötzlich von innerer Unruhe getrieben, stehe ich auf, durchquere den Flur und platze einfach in sein Zimmer.

Kein Unterschied

Entgegen aller Erwartungen, ist Dominik alleine und der einzige, der bei ihm ist, ist der Wischmop, mit dem er wild im Zimmer herumtanzt und dabei leise irgendeinen Gaga-Song mitsingt. Ursprünglich wollte er wohl wischen, aber mittlerweile wackelt er eher wild mit dem Arsch und vollführt irgendwelche mysteriösen Dancemoves, satt zu putzen.

Ich blinzle verwirrt, während ich ihm zusehe und so langsam wechselt meine Unruhe in Belustigung und ich muss laut loslachen.

Erst jetzt bemerkt er, dass ich in seinem Zimmer stehe und ihm zusehe, weshalb er augenblicklich aufhört zu tanzen. In Sekundenschnalle schaltet er die Musik aus und blickt mich dann mit hochrotem Kopf an. „Oh, hey. Schon wach? Ich bin gerade am Saubermachen.“

„Ja. Saubermachen,“ feixe ich und nicke in Richtung seines PCs, der gerade noch Lady Gaga gespielt hat. „Dein Krach hat mich aufgeweckt,“ tadle ich ihn und er sieht mich reumütig an.

„Ich dachte, du musst eh gleich aufstehen,“ entschuldigt er sich, macht es damit aber eigentlich schlimmer. Was denkt er sich eigentlich, so dreist zu sein? Leider bin ich aber zu amüsiert, um sauer zu sein und noch etwas dazu zu sagen, also winke nur ab. „Machen wir heute was zusammen?“, frage ich ihn stattdessen, weil er so süß guckt, aber natürlich nicht, weil ich auf ihn stehe. Man kann jemanden ja auch mögen, ohne auf ihn zu stehen.

Er stimmt zu und ich freue mich wirklich auf den Tag. Ich bin sicher, es wird schön. „Diesmal flirte ich auch mit niemanden,“ verspreche ich ihn und er schenkt mir ein Lächeln. Scheint, als wäre er nicht sonderlich nachtragend.
 

Ich gähne das gefühlte hundertste Mal in dieser Stunde und verfluche Anne dafür, dass ich wegen ihr so schlecht habe einschlafen können. Ich weiß wirklich nicht, wie ich der Vorlesung folgen soll, weil ich so wahnsinnig müde bin und eigentlich nur in mein Bett möchte. Und dann musste Dominik, dieses Monster, mich auch noch so uncharmant wecken. Weil nicht eh schon alles schlimm genug ist.

Ich seufze und bekomme von Jonas einen Ellenbogen in die Seite gerammt. Zuerst denke ich, er will mich ermahnen, hier nicht so demonstrativ müde zu sein, aber dann entdecke ich den kleinen Zettel, den er mir zugeschoben hat.

Ich fummle ihn auf und lese, was er geschrieben hat: „Wie war dein Date mit Anne gestern?“

Schlagartig sinkt meine Laune noch weiter, weil ich nicht weiß, was ich jetzt dazu noch schreiben soll. Ich versuche, nahe an der Wahrheit zu bleiben, aber bloß kein Wort über Dominik zu verlieren. Also antworte ich letztlich so: „Ganz gut. Aber ich glaube, sie ist eher ein Mädchen, mit dem ich befreundet sein will, nicht zusammen.“

Ich schiebe ihm den Zettel zu und lass es mir nicht nehmen, ihm ebenfalls den Ellenbogen in die Seite zu stoßen, obwohl er den Zettel schon bemerkt hat. Er sieht mich böse an, sagt aber nichts dazu. Kurz darauf kommt das Stücken Papier auch schon wieder zurück und darauf steht: „Bist du ein Idiot. War sie nicht gestern noch deine Traumfrau?“

Na danke auch! Ich verzerre den Mund und funkle das Papier wütend an, als hätte es sich selbst voll geschrieben. Jetzt ist es also auch schon ein Verbrechen, jemanden nicht zu lieben. Wütend kritzle ich zurück: „Es hat halt nicht gefunkt, okay?!“ Dann werfe ich ihm das Ding gegen den Kopf und er blinzelt irritiert. Offensichtlich weiß er nicht, wie er meinen Wutausbruch einordnen soll. Deswegen ist die nächste Frage dann auch ‚Was ist los?’, aber ich antworte ihm nicht mehr.

Erst, als die Lesung zu Ende ist und wir in die Aula treten, traut er sich, noch einmal zu fragen und ich gebe ihm die knappe Antwort: „Sie hat total das Drama gemacht, nur weil ich sie lieber als Freundin statt als Freundin hätte. Tut mir ja Leid, wenn sie mehr Gefühle für mich aufbringt, als ich für sie, aber da kann ich ja auch nichts dagegen machen, oder?“

Ich sehe Jonas Hilfe suchend an, er soll mich gefälligst bekräftigen. Zu seinem Glück nickt er lahm. „Schon,“ antwortet er und mustert mich dann, was mich schon wieder zur Weißglut bringt. „Was?!“, frage ich schroffer, als nötig und schüttelt den Kopf und überlegt wohl, ob er es tatsächlich aussprechen soll. Dann aber meint er: „Ich habe das Gefühl, dass du seit der Sache mit Maria total schräg drauf bist. Kein Mädchen kann es dir Recht mache. Niemand kann es dir Recht machen.“

Ich zucke mit den Schultern. Ich bin immer noch der Meinung, dass ich die Sache mit Maria schon längst verdaut habe. Ich nehme ihr zwar übel, wie sie mich ausgenutzt hat, aber ich projiziere meine schlechten Erfahrungen mit ihr ja nicht auf alle Mädchen dieses Planeten.

„Oder ist es irgendetwas anderes?“, fragt er dann und ich weiß genau, auf was er jetzt wieder hinaus will, weswegen ich nur die Lippen aufeinander beiße und nichts weiter dazu sage, außer ein geknurrtes ‚Nein’.

Wenigstens akzeptiert er es und fängt nicht noch einmal mit diesem Thema an. Genervt bin ich trotzdem und freue mich schon auf den Abend mit Dominik. Der stellt wenigstens keine blöden Fragen oder verurteilt mich. Mit ihm kann man wenigstens noch Spaß haben!
 

„Du scheinst schlecht gelaunt zu sein,“ stellt Dominik fest, während wir nebeneinander im Bade stehen und unsere Haare auf unterschiedliche Art und Weise in Form bringen. Er mit einem Glätteisen, ich mit Haargel.

„Ich bin auch genervt. Von Anne, von Jonas, von allen.“ Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu. Er wirkt hochkonzentriert. „Außer von dir,“ füge ich hinzu, damit er sich nicht schon wieder schlecht fühlen muss und weil es auch der Wahrheit entspricht.

„Du solltest lernen, Dinge an dir abprallen zu lassen,“ schlägt er mir vor, aber so wirklich ernst nehmen kann ich ihn da nicht. Er schafft es ja auch nicht, Dinge an sich abprallen zu lassen. Das sage ich ihm auch und überraschenderweise lächelt er, statt beleidigt zu sein. „Du bist aber nicht ich,“ kontert er und ich muss ebenfalls lächeln.

„Keine Angst, der Abend gehört dir und ich werde alle negative Gedanken aus meinem Kopf fernhalten, okay?“, beruhige ich ihn und er nickt und sieht mich fragend an: „Wohin gehen wir eigentlich?“

Ich grinse. „Wirst du dann schon sehen.“

Tatsächlich habe ich mir gut überlegt, wie wir den Abend verbringen können, obwohl es vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre. Aber ich finde, ich habe ihn letztes Mal ein wenig enttäuscht und deswegen sollte ich mich auch anstrengen, es wieder gut zu machen.

Das ist der Grund, weshalb ich mir etwas Tolles ausgedacht habe.

Ich lege das Döschen mit dem Gel weg und nehme ihm das Glätteisen aus der Hand. Er sieht mich empört an, aber ich schalte es dennoch ab und lege es beiseite.

„Da, wo wir hingehen, sieht dich eh kaum einer,“ besänftige ich ihn und trete in den Flur, lösche das Licht im Bad, so dass er gezwungen ist, mir zu folgen. Außer, er schafft es, sich im Dunkeln weiter die Haare zu glätten, was sicher sehr beachtlich wäre.

Wenig später sind wir auf dem Weg in die Stadt und ich fühle mich schon besser als den ganzen Tag über. Entspannt, ruhig, vorfreudig. Ich habe nicht das Gefühl, dass Dominik groß etwas von mir erwartet. Ihn muss ich nicht nach Hause bringen, vor der Türe abknutschen und ihm am nächsten Tag einen Heiratsantrag machen. Und wenn ich all das nicht tue, fragt mich Jonas am nächsten Morgen trotzdem nicht, warum ich es nicht getan habe. Vielleicht sollte ich also nur noch Dinge mit Dominik unternehmen, das wäre sicher Balsam für meine Seele.

Wie dem auch sei, ich genieße den Abend schon jetzt und bin sicher, dass es nur noch besser werden kann.

Wenig später betreten wir auch schon den kleinen Hinterhof, der unser Ziel ist und Dominik sieht mich fragend an.

„Was wollen wir hier?“, fragt er und ich deute ihm an, leise zu sein. „Wirst du gleich sehen, gib mir ein paar Sekunden, ja,“ bitte ich ihn und schiebe ihn hinter eine große Mülltonne. Wir müssen uns nur ein paar Sekunden verstecken, dann kommt auch schon ein kleiner pummliger Mann aus der Hintertür des Gebäudes und zündest sich mit zittrigen Fingern eine Zigarette an. Ich frage mich, warum er hier noch arbeiten darf. Ist er so ein talentierter Koch, dass niemanden sein Alkoholkonsum stört?

Wir zumindest können froh sein, denn so steht die Türe offen und merkt er nicht, dass wir uns hinter ihm ins Gebäude schleichen. Kurz darauf befinden wir uns in einen Flur und ich scheuche Dominik durch das Treppenhaus immer weiter noch oben.

„Das ist doch sicher verboten, oder? Jasper? Ich möchte keinen Ärger kriegen?“, zischt Dominik mehr zu, aber läuft trotzdem weiter, wenn ich ihn ein wenig anschiebe. Wenig später sind wir ganz oben und ich öffne die Türe und schiebe ihn hinaus.

„Ernsthaft, Jasper! Was, wenn uns wer entdeckt?“, jammert er, aber ich antworte ihm nicht. Ich weiß auch gar nicht was, immerhin hat er Recht. Wir sind gerade in ein Gebäude eingebrochen und wandern nun auf dem Dach umher. So ein bisschen fühlt sich das an, wie in einem typischen amerikanischen Film, aber auch Berlin hat flache Dachterrassen, auf denen man herumwandern kann. Die Aussicht ist vielleicht nicht so großartig, wie in New York, aber fast und zumindest reicht es aus, um Dominik ein ‚Wow’ zu entlocken.

„Schön, oder?“, frage ich ihn und laufe bis zum Rand, um nach unten zu gucken. „Und hoch,“ fügt er hinzu, als er es mir gleichtut.

„Aber trotzdem,“ jammert er und blickt sich um, als würde uns gleich ein Wachmann festnehmen, „Was, wenn uns wer hier entdeckt?“

„Wahrscheinlich haben sie das schon,“ meine ich und versuche, lässig zu klingen, was mir nicht so ganz gelingen mag. Ich weiß nicht, ob im Flur Kameras sind, aber wenn, dann kann es durchaus möglich sein, dass man uns entdeckt hat.

Andererseits war ich schon mal hier, zusammen mit einem Mädchen. Sie hat es mir damals gezeigt, als ich gerade nach Berlin gezogen bin. Und da hat uns niemand entdeckt.

„Japser!“, drängelnd Dominik, total unruhig, aber weil ich so gar nicht darauf reagiere, beruhigt er sich auch irgendwann und wir stehen letztlich schweigend nebeneinander und genießen die Aussicht.

Es ist angenehm, hier so mit ihm zu stehen. So ein Moment, in dem einfach alles passt und sich alles richtig anfühlt. Wie lange habe ich dieses Gefühl vermisst. Ich bin immer noch erstaunt, dass ausgerechnet er mir so ein Gefühl gibt, aber ich weiß ja mittlerweile, dass ich mich nur noch bei ihm wirklich wohl fühle, weil er nichts von mir erwartet.

„Ich war damals hier oben mit einem Mädchen, dass ich sehr gerne mochte. Aber sie wollte dann doch nichts von mir. Da habe ich mir gedacht, dass ich irgendwann noch mal mit jemanden hier her komme, der mir viel bedeutet und hoffe, dass diesmal alles so wird, wie ich es mir gedacht habe,“ erkläre ich Dominik und er blickt mich fragend an. „Alles ist momentan so scheiße und nur du hast es momentan verdient, dass sehen zu dürfen,“ verkünde ich ihm und sehe ihn Lächeln. Das genügt mir schon. „Das mit Anne tut mir Leid. Deswegen dachte ich, ist es nur fair, dir diesen Ort zu zeigen,“ flüstere ich und er haucht mir ein leises ‚Danke’ zu.

Wir genießen noch ein wenig die Aussicht und diese angenehme Ruhe, die uns befallen hat, ehe ich ihn mit mir ziehe und wir uns wieder auf den Weg nach unten machen. Glücklicherweise kommt uns im Flur niemand weiter entgegen und wir können ungehindert wieder hinaus gelangen. Danach rennen wir eine ganze Weile durch Berlins Straßen, ehe wir uns sicher sind, dass uns keiner verfolgt, und lachend stehen bleiben.

„Oh Gott, nie mehr!“, stöhnt Dominik und ich grinse und stimme ihm zu. Solche Aktionen sind eindeutig nichts für ein schwaches Herz, obwohl wir eigentlich ganz ungehindert waren. Ich hoffe nur, niemand hat uns aufgezeichnet und in drei Tagen steht die Polizei vor der Türe. Aber vielleicht sind sie es ja auch schon gewohnt, dass Leute einbrechen und die Aussicht genießen.

Ich versuche, das ganze mal rein positiv zu betrachten und mich zu beruhigen. Trotzdem war das genug Action für heute. „Wollen wir noch schnell was zu Essen holen und nach Hause gehen?“, frage ich Dominik deshalb und er nickt. Wenig später machen wir uns – voll gepackt mit Asia-Fertig-Food – wieder auf den Weg nach Hause.
 

Wir essen in der Küche und schweigen dabei. Ich habe mich quer durch das ganze Sortiment gekauft und dabei mehr Essen mitgenommen, als nötig. Letztlich mussten wir unser gesamtes Geld, dass wir dabei hatten – beide nicht sonderlich viel – zusammenkratzen und der Asia-Mann hat uns dann noch drei Euro erlassen. Sonst hätten wir gar nicht bezahlen könne.

Nun probieren wir uns durch sämtliche Gerichte und streiten uns darüber, was denn nun am besten schmeckt. Ich stelle mich ziemlich blöd an, was Essen mit Stäbchen angeht und Dominik muss es mir immer wieder zeigen, obwohl er sich selbst nicht wesentlich besser anstellt.

Das alles sieht sicher total merkwürdig aus, aber es hat ein gewisses Flair, das ich nicht missen möchte. Wäre Dominik jetzt ein Mädchen, würde ich sogar sagen, es ist romantisch. Aber vielleicht habe ich da auch einfach andere Ansichten, was romantisch bedeutet, wie Mädchen. Man muss sich ja nur Anne und ihren Film angucken.

Nachdem wir gegessen haben, lassen wir einfach alles stehen und liegen und ich folge Dominik in sein Zimmer.

„Also, ich hab zwar relativ viele DVDs da, aber ich weiß nicht, ob dir etwas davon gefällt. Du stehst ja eher auf Actionfilme,“ klärt er mich auf. Wir haben beschlossen, einen Film anzuschauen und ich habe beschlossen, diesmal einen von seinen Filmen zu gucken. Er hat relativ viele Horrorfilme im Regal stehen, etwas, womit ich nicht so ganz klar komme. Aber andererseits möchte ich ja auch nicht wie eine Pussy dastehen und denke mir, dass ich den Film schon überleben werde. Entscheiden kann ich mich trotzdem nicht.

Dominik sieht mir dabei zu, wie ich hin und her überlege und lässt sich derweil auf seinem Bett nieder. Ich schnapp mir drei Filme und setze mich neben ihn. „Wie sind die so?“, frage ich ihn und er blickt sie kurz an und erzählt mir dann im Groben, um was es geht und wie er den Film fand.

Danach bin ich nicht sonderlich schlauer und lasse mich einfach nach hinten fallen.

Er dreht sich zu mir um und sieht mich fragend an.

„Mir ist gar nicht so nach Film gucken,“ gebe ich zu. Das ist nur die halbe Wahrheit. Eigentlich habe ich nur Angst vor seinen Horrorfilmen. Keine Ahnung, ob er das ahnt, jedenfalls grinst er nur, aber sagt nichts dazu.

Sekunden später liegt er neben mir und wir blicken an seine Zimmerdecke.

„Was ist zwischen dir und Anne vorgefallen, dass du im Moment so seltsam bist?“, fragt er mich gerade heraus und ich kneife die Augen zusammen, weil mich seine Deckenlampe blendet, ich aber den Blick nicht abwenden möchte.

„Eigentlich nichts. Ich schaffe es nur einfach nicht, mich in sie zu verlieben, obwohl sie eigentlich total mein Typ ist,“ erkläre ich ihm und er streckt sich, um den Lichtschalter auszumachen. Schon ist es dunkel und ich kann meine Augen wieder ganz öffnen. Das einzige Licht, dass jetzt noch herein scheint stammt von der Straßenlaterne und vom Flur.

„Besser?“, fragt er, weil ihm nicht entgangen ist, dass ich geblendet werde und ich nicke.

„Weißt du, so ging es mir schon mit Elisa. Sie hat mich total genervt, obwohl sie eigentlich das total Traummädchen gewesen ist.“

Er nickt und nun ist er es, der starr an die Decke schaut.

„Jonas nervt rum, ob es vielleicht an Maria liegen könnte, aber das tut es nicht. Ich glaube, bei mir im Kopf ist nur irgendetwas total kaputt und deswegen kann ich mich einfach nicht mehr verlieben,“ erläutere ich ihm und er muss kichern. „Das ist gar nicht witzig,“ fauche ich, aber ich meine es nicht böse.

„Vielleicht gehst du falsch an die Sache ran. Man verliebt sich ja nicht, nur weil man es möchte, sondern einfach, weil es passiert.“

Ich überlege eine Weile, ob stimmt, was er sagt und natürlich stimmt es. Andererseits ist es mir ja gar nicht so wichtig, mich jetzt unbedingt zu verlieben.

„Vielleicht bin ich ja auch einfach nur total gefühllos geworden,“ überlege ich und er schnaubt belustigt. „So ein Quatsch,“ befindet er und wahrscheinlich hat er Recht.

Ich drehe mich auf die Seite, um ihn besser ansehen zu können. „Wann warst du das letzte Mal verknallt?“

Mit der Frage hat er nicht gerechnet, denn er weiß nicht, wie er darauf antworten soll. Zumindest schweigt er eine ganze Weile, aber daran, wie er die Stirn runzelt, merke ich, dass er überlegt.

„Schon eine Weile her,“ sagt er dann und wendet sich mir nun auch zu. „In meinem Abiturjahrgang war ein Junge, den ich echt toll fand.“

„Wart ihr zusammen?“, frage ich ihn und er schüttelt den Kopf. „Wir haben ein bisschen rum gemacht und danach hat er mir gesagt, er steht nicht auf Jungs und mich fortan gemieden.“

Er tut mir Leid. Ich habe keine Ahnung, wie schwer es ist, jemanden zu finden, der ähnlich fühlt. Sicher, in irgendwelchen Clubs und ähnlichem findet man bestimmt leicht jemanden. Aber einfach so in der Schule wohl eher nicht. Außer, man hat Glück.

„Und seitdem?“, will ich wissen und er schüttelt den Kopf. „Ich mag das nicht noch mal erleben,“ klärt er mich auf und ich habe das Gefühl, ihn trösten zu müssen. „Irgendwann kommt schon der Richtige,“ versichere ich ihn deshalb und er nickt nur.

„Weißt du, wir haben so lange zusammen gewohnt und ich wusste trotzdem nicht, dass du Germanistik studierst, bis wir unsere Taschen vertauscht haben,“ erzähle ich ihm. Ich weiß gar nicht, wie ich da plötzlich drauf komme. Es hat ja gar nichts mit dem Thema zu tun und wirklich witzig ist es auch nicht. Eher ziemlich traurig. Er lächelt trotzdem leicht.

„Ich wusste es auch nicht. Ich habe es mir nur gedacht, weil dein Zimmer voller Mathebücher ist,“ klärt er mich auf und ich muss lächeln und schäme mich ein wenig für mein Chaos in meinem Zimmer. Und das, obwohl ich doch immer so über Sascha geschimpft habe.

„Das ist total krank, habe ich mir gedacht, als ich das gesehen habe. Ich meine, wer studiert schon freiwillig Mathe,“ fährt er fort und ich nehme es nicht übel, dass er mich ein wenig neckt.

„Ich war eben schon immer gut in Mathe und dachte, dass ich das dann auch studieren könnte,“ kläre ich ihn auf und er nickt.

„Also weißt du auch gar nicht, was du mal werden möchtest, oder?“, schlussfolgert er und ich stimme zu. Ich muss an das Gespräch mit Elisa denken. Fast die gleichen Worte, die gleichen Fragen. Und dennoch hat sie mich so sehr genervt und bei Dominik stört es mich nicht. Das liegt vor allem daran, dass es bei ihm nicht wertend klingt. Er akzeptiert es einfach, egal auf was für eine unsichere Zukunft ich mich da eingelassen habe.

Ich erinnere mich, dass mir Elisa total viel von ihren Zukunftsplänen erzählt hat und ich mich nur gefragt habe, was Dominik mit seinem Studium anfangen möchte. Nun kann ich ihn das fragen.

„Ich weiß es auch noch nicht. Ich glaube, ich wäre nicht so geeignet für einen Verlag oder ähnlichem. Aber cool wäre es schon,“ erläutert er mir und ich muss lächeln. „Wir sind so planlos, das kann nur schief gehen,“ stelle ich fest. „Wenigstens gehen wir dann gemeinsam unter,“ lacht er und ich nicke und muss wieder lächeln.

„Ich lese kaum. Außer vielleicht meine total kranken Mathebücher. Irgendwie komme ich mir immer total dumm vor, wenn jemand mit mir über Bücher redet und ich ihm dann sagen muss, dass ich nicht lese.“ Mir ist klar, dass die Aussage schon wieder recht wenig Sinn macht, aber er geht darauf ein, als wäre es total natürlich, dass ich so einen Mist rede. Vielleicht ist es das auch, vielleicht rede ich grundsätzlich nur Mist.

„Manche sagen, wer keine Lust auf Lesen hat, hat nur noch nicht das richtige Buch gefunden,“ erwidert er. Ich denke darüber nach. Ich denke wirklich darüber nach, obwohl ich mich bisher noch nie damit beschäftigt habe.

„Ich glaube, es müsste total viel Action in dem Buch sein. Ich mag es nicht, wenn einfach ewig die Landschaft beschrieben wird,“ erläutere ich ihm. „Aber die meisten Thriller finde ich auch langweilig, weil immer das gleiche passiert. Nur anders verpackt, weißt du, was ich meine?“, frage ich und er nickt.

„Mein erstes Buch war ein schrecklicher Liebesroman von meiner Mutter. Danach wollte ich nie mehr lesen, aber dann hat mir meine Tante ein paar Jugendbücher gekauft, die damals eher meinem Geschmack entsprochen haben und seitdem bin ich total begeistert,“ erzählt er und wird unbemerkt immer leiser. Ich weiß nicht, warum ich genauso leise antworte, aber ich tue es: „Mein erstes Buch war altersgerecht, aber ich stand damals mehr auf Gemetzel und in dem Buch ging es nur um so ein langweiliges Abenteuer, in dem niemanden wirklich etwas passiert.“ Er muss lachen und ich stimme mit ein, weil das wirklich ziemlich witzig klingt, wenn ich das so erzähle.

„Was liest du jetzt so?“, will ich dann wissen und er deutet auf ein Regal, dass ich in der Dunkelheit leider nicht erkennen kann. „Alles quer Beet. Ich habe auch ein paar gute Thriller. Vielleicht ist da ja einer dabei, der dir gefallen könnte. Wenn er dir nicht zu langweilig ist,“ ärgert er mich und ich muss lächeln und rucke ein Stück näher an ihn heran. Er registriert es natürlich und versteift sich ein wenig. Ich weiß die Reaktion nicht zu deuten, ich habe mich ja nur in eine bequemere Position gebracht.

„Dominik?“, meine ich dann leise, „Weißt du, warum ich hauptsächlich genervt bin?“

Er schüttelt den Kopf und streicht sich unsicher eine Strähne aus dem Gesicht. Sie fällt wieder hinein und er probiert es noch einmal ohne Erfolg.

Ich strecke die Hand aus und packe seine Strähne. Fragend sieht er mich an. „Sie behaupten alle, du wärst in mich verknallt. So ganz ohne irgendwelche Beweise. Als wäre es ganz unausweichlich, dass du dich in mich verliebst, nur weil du schwul bist und ich ein Junge. Ich finde so was total nervend. Was sollen diese ganzen Klischees?“

Ich rede mich in Rage, während ich mit seiner Strähne spiele. Sie fällt immer wieder in sein Gesicht und ich gebe es auf, sie daraus weg zu halten, sondern biege sie lieber hin und her.

„Vielleicht…“, beginnt er, aber er beendet seinen Satz nicht, aber es ist mir auch egal. Es ist mir wirklich einfach nur noch egal. Er hat Recht. Ich sollte abprallen lassen, was andere sagen.

Ich durchwuschle seine Haare und er sieht mich böse an und versucht, meine Hand weg zu schieben.

„Wie haben deine Eltern reagiert, als du ihnen gesagt hast, du wärst schwul?“, frage ich ihn und er zuckt mit den Schultern. „Naja, sie haben keine Party geschmissen. Aber sie haben gesagt, wenn ich nur so glücklich werden kann, dann muss ich eben so glücklich werden.“

„Ich glaube, meine Eltern würden ausrasten,“ erkläre ich ihm und stelle mir vor, wie meine Mutter reagieren würde, wenn ich ihr sagen würde, ich wäre schwul. Sicher würde sie einen Herzinfarkt bekommen.

„Ich glaube nicht. Jeder liebt doch sein Kind, oder? Irgendwann wird es jeder akzeptieren,“ überlegt er, aber ich glaube, da redet er sich die Welt ein wenig zu schön. Er hatte einfach Glück. Ich greife wieder nach seiner Strähne und fange erneut an, damit zu spielen.

„Du hast also mit dem Kerl rum gemacht,“ komme ich wieder darauf zu sprechen und er wird so rot, dass ich es auch im Halbschatten noch gut erkennen kann. Ich feixe.

„War nichts weiter,“ nuschelt er unverständlich und vergräbt sein Gesicht in seinem Kissen. Ich lache und packe sein Kinn, um ihn zu zwingen, mich wieder anzublicken. „Was ist dir das peinlich? Ich hab auch schon mit einem Kerl rum gemacht,“ erzähle ich ihm und er sieht mich überrascht an. „Nicht, dass es etwas zu bedeuten hatten. Es war nur Spaß,“ winke ich ab und sehe ihn bittend an: „Erzähl das bloß keinem!“

Er nickt und ich lächle dankbar und streichle ihm erneut die Strähne aus dem Gesicht. „Damals habe ich mich gefragt, ob es überhaupt einen Unterschied gibt,“ gebe ich zu und er runzelt die Stirn. „Unterschied?“

„Ja, zwischen Männlein und Weiblein,“ murmle ich und er lacht. „Naja, anatomisch gesehen gibt es da sogar einen ganz gewaltigen,“ grinst er und ich muss ebenfalls lachen und beuge mich vor, um ihn zu kitzeln. „Das habe ich gar nicht gemeint,“ maule ich und bearbeite ihn unerbittlich, bis er sich windet und an mir fest klammert. Erst als es uns beiden weh tut lass ich ihn los und er hat erst mal Zeit, Luft zu holen. „Ich meine… wenn man jemanden liebt, dann liebt man doch einfach, oder? Ob es nun ein Junge oder ein Mädchen ist.“

Er blickt mich an und nickt und ich drücke ihn eng an mich und bette meinen Kopf auf seiner Schulter. Sanft streichle ich über seinen Rücken. „Ich glaube, Jonas und Leon nehmen die Sache viel zu ernst. Und Anne auch,“ überlege ich und bin plötzlich total sauer auf sie alle. „Sie sollten dich nicht verurteilen!“

Er macht ein Geräusch, was ich nicht zuordnen kann, weil es von meinem Pulli erstickt wird. Ich lasse ein wenig locker, damit er atmen kann und blicke mich um. Mittlerweile ist es schon mitten in der Nacht, aber das stört uns nicht weiter, obwohl wir morgen nicht ewig lange ausschlafen können. Stattdessen halte ich Dominik noch eine ganze Weile fest und fühle mich plötzlich ziemlich sicher. Sicher in dem Sinne, dass hier niemand ist, der mich verurteilt, egal was ich tue. Er wurde so oft selbst verurteilt, da wird er das nicht jemand anderem antun. Ich glaube, ich könnte jetzt sterben, so selig fühle ich mich gerade. Ich nehme wieder ein wenig Abstand und blicke ihn an. Sanft streiche ich über seine Wange. „Dominik?“, frage ich leise, aber ich weiß selbst gar nicht, was ich fragen will. Mir ist auch gar nicht nach sprechen. Ich beuge mich nach vorne und spüre seinen Atem über meine Lippen streifen. Sein Arm schießt nach vorne und seine Hand krallt sich in meinen Pulli, als ich tief einatme und den letzten Abstand überwinde.

Arsch der Nation

In dem Moment, in dem unsere Lippen sich berühren, zucke ich auch schon wieder entsetzt von mir selbst zurück und er sieht mich erschrocken an. So bleiben wir liegen, beide mit aufgerissenen Augen und völlig überfordert mit der Situation.

„Ich…“, beginne ich, aber breche sofort wieder ab. „Tut mir Leid!“ rufe ich stattdessen und springe auf. Er versucht nach mir zu greifen, aber ich bin schneller und verlasse das Zimmer, ehe er überhaupt aufstehen kann.

Hastig stürme ich in mein Zimmer und schließe die Türe heftiger als nötig. Völlig außer Atem, obwohl ich mich gar nicht weiter angestrengt habe, stehe ich dann in meinem Zimmer und presse meinen Rücken gegen die Türe. Ich höre Dominik im Flur und meine, er steht eine ganze Weile vor meiner Zimmertür, ohne sich zu regen, ehe er wieder in sein Zimmer zurückkehrt.

Überfordert löse ich mich von der Türe und trete in die Mitte des Raumes, kann mich aber dennoch nicht entschließen, was ich tun soll. Ich habe keine Ahnung, was da gerade passiert ist. Unsicher blicke ich mich um und würde nun doch gerne mit Dominik über die Sache reden. Andererseits weiß ich nicht, was ich dazu sagen soll, weshalb ich es doch lasse und beschließe, einfach ins Bett zu gehen. Das tue ich dann auch, bin damit aber nicht wirklich glücklich. Ich weiß gar nicht, was gerade geschehen ist und kann mein Verhalten selbst nicht einordnen.

Vielleicht drehe ich auch einfach nur völlig durch, einen anderen Grund gibt es ja nicht. Schade nur, dass ich Dominik da mit rein gezogen habe.

Nervös spiele ich an der Bettdecke herum und der Schlaf will lange nicht kommen. Irgendwann muss ich dann doch wegdösen, aber ich schlafe unruhig in dieser Nacht.
 

Am nächsten Morgen scheint die Sonne so hell in mein Zimmer, dass ich sofort weiß, dass ich verschlafen habe. Murrend schäle ich mich aus meiner Decke und sehe mich in meinem Zimmer um, als würde ich es das erste Mal sehen. Die Erinnerungen an gestern Nacht überkommen mich mit einem Mal und ich schließe die Augen, um sie zu verdrängen. Keine Ahnung, was da los war. Wahrscheinlich war es einfach die Situation. Die Nähe, die Vertrautheit und Dominiks Blick aus diesen großen Augen. Anders kann ich mir mein Verhalten nicht erklären. Und ich möchte es mir auch gar nicht erklären. Im Gegenteil. Ich möchte es einfach nur vergessen. Am besten ist es, einfach weiter zu machen, als wäre nie etwas geschehen. Ansonsten weiß ich nicht, wie ich Dominik noch gegenüber treten und mich ihm gegenüber verhalten soll. Wahrscheinlich ist er genauso ratlos wie ich, was das betrifft. Ich hoffe nur, all die Vermutungen darüber, dass er in mich verknallt sein soll, entsprechen nicht der Wahrheit. Sonst habe ich ihn mit meiner Aktion gestern wohl verletzt. Ich beiße mir unsicher auf die Lippen. Und wenn dem doch so ist? Was habe ich nur angerichtet?

Unsicher, was ich tun soll, stehe ich auf und schleiche mich in die Küche. Ich weiß nicht, warum ich so leise bin, wahrscheinlich ist Dominik eh schon an der Uni und ich benehme mich einfach nur lächerlich. Andererseits ist ein Aufeinandertreffen eh vorprogrammiert, immerhin wohnen wir zusammen. Wir können uns nicht ewig aus dem Weg gehen.

Deswegen wundert es mich auch nicht, dass ich Dominik letztlich in der Küche antreffe. Dort sitzt er auf einem der Stühle, die Beine wieder nach oben auf die Sitzfläche gezogen, und blickt von seiner Kaffeetasse auf, als ich in den Raum trete.

„Guten Morgen,“ sage ich und versuche mich an einer festen Stimme. „Morgen,“ haucht er leise und weicht meinem Blick aus, sondern starrt wieder in seine Tasse. Ich bleibe unschlüssig im Türrahmen stehen, bis mir einfällt, dass ich mir vielleicht auch einen Kaffee einschenken könnte.

„Müsstest du nicht an der Uni sein?“, frage ich ihn, bemüht um ein wenig Smalltalk, um die Situation aufzulockern. Er blickt nicht mal auf, als er mit den Schultern zuckt und meint: „Und du?“ Ich grinse schief und setzte mich ihm gegenüber an den Tisch.

Er sieht so aus, als würde er gerne etwas sagen, aber er lässt es. Ich sehe ihm zu, wie er den Mund öffnet und kurz zu mir blickt, seinen Plan dann doch verwirft. Ich weiß, dass es an mir ist, es anzusprechen. Ich war der Idiot, der ihn geküsst hat und dann weggerannt. Aber ehrlich gesagt wusste ich mich nicht anders zu helfen. Dieser Kuss war nicht geplant und ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Fast war es, als wäre ich gar nicht über mich selbst. Und dann ist es eben passiert. Ich weiß nicht, wie ich ihm erklären soll, dass ich einfach nicht nachgedacht habe und es mir Leid tut, dass er nun so durcheinander ist und sich am Ende vielleicht sogar Hoffnungen gemacht.

Ich beiße mir so hart auf die Lippe, dass ich Blut schmecke und bin doch kein Stück weiter. Er sieht aus wie ein Häufchen Elend und seine Kaffee ist sicher schon kalt, weil er ihn nur anguckt und nicht trinkt.

„Dominik,“ beschließe ich, ihn doch darauf anzusprechen. Er hebt sofort den Kopf und tut sich schwer dabei, mir tatsächlich in die Augen zu schauen. Wahrscheinlich denkt er jetzt auch noch, dass er etwas falsch gemacht und ich ihn nun nicht mehr mag. Dabei bin der einzige Idiot doch ich.

„Hör zu,“ bitte ich ihn und drehe nervös die Kaffeetasse in meiner Hand herum, bis sie mir fast herunterfällt und ich mir einen Kaffeefleck auf mein T-Shirt mache. Seufzend stelle ich sie auf den Tisch.

„Das mit gestern tut mir Leid,“ erkläre ich und fummle geistesabwesend an dem Kaffeefleck herum, als würde er dadurch wieder verschwinden. „Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Irgendwie war die Situation so seltsam und dann ist es passiert und… es hätte nicht passieren dürfen, okay.“

Ich blicke auf und erwarte, in seine Augen sehen zu können, aber er hat den Kopf schon wieder gesenkt.

„Dominik?“, frage ich, weil er nicht antwortet, aber auch darauf reagiert er nicht wirklich. Resigniert senke ich meinen Blick und weiß nicht, wie ich all das je wieder gut machen soll.

Irgendwann, als ich bereits denke, er wird mir nicht mehr antworten, meint er mit seltsam fester Stimme: „Also tun wir einfach, als wäre nie etwas gewesen?“

Ich sehe ihn an und versuche in seinem Gesicht zu lesen, was ihm wirklich durch den Kopf geht. Begrüßt er die Idee oder ist enttäuscht? Aber seine Mimik ist Ausdruckslos und ich weiß einfach nicht, was er denkt. Also kann ich nur nicken, ohne zu wissen, was es in ihm auslöst.

„Okay,“ haucht er und steht auf, räumt seine Tasse in die Spüle, ehe er die Küche verlässt, ohne noch ein Wort zu sagen. „Okay,“ erwidere ich leise und sehe auf den Fleck, auf dem er eben noch saß. Mir ist natürlich klar, dass gar nichts okay ist, aber ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.
 

„Meinst du, ich habe Dominik Hoffnungen gemacht?“, frage ich Jonas und komme mir total blöd dabei vor. Er hat ja keine Ahnung, von was ich rede und natürlich werde ich ihm niemals von dem gestrigen Abend erzählen.

Er sieht mich fragend an, als wüsste er genau, dass ich eine Information hinter dem Berg halte, aber bevor ich ihm diese erzähle, sterbe ich lieber.

„Keine Ahnung, ich weiß ja nicht, was du so tust, wenn du mit ihm alleine bist.“ Ich verziehe den Mund. Das war so ziemlich die Antwort, die ich ganz und gar nicht hören wollte. Das sage ich ihm auch und er lacht.

„Welche möchtest du denn stattdessen hören?“, fragt er und ich zucke mit den Schultern. „Habe ich vielleicht etwas getan, das man falsch verstehen könnte?“, frage ich erneut und er sieht mich verzweifelt an. „Wie gesagt, ich weiß nicht, was du tust, wenn du mit ihm alleine bist, aber was ich mitbekommen habe, war alles relativ harmlos.“

Ich nicke und wirke wohl noch nicht wirklich befriedigt, denn er runzelt die Stirn. „Was ist denn los, Dominik?“

Ich zucke mit den Schultern und seufze.

„Weißt du, alle deuten an, er wäre in mich verliebt, aber wenn dem so wäre, hätte ich ihm doch eindeutige Signale geben müssen, dass er sich auch verliebt, oder?“

Er blinzelt und sieht mich forschend an, als würde in meinem Gesicht die Antwort stehen. „Hat er dir etwa seine Liebe gestanden?“, fragt er mich und ich schüttle wild den Klopf. „Ich mache mir einfach Gedanken, ob es stimmen könnte. Und wenn, ob ich ihm dann nicht irgendwie Hoffnungen mache. Das würde ich nicht wollen.“

Er nickt und scheint zu verstehen, obwohl er eigentlich gar nichts verstehen kann, weil er gar nicht weiß, was alles vorgefallen ist.

„Stell dir vor, ich hätte etwas getan, dass ihn vielleicht große Hoffnungen gemacht hätte und müsste ihm nun sagen, dass ich wirklich rein gar nichts von ihm will,“ überlege ich und Jonas runzelt die Stirn.

„Hast du etwa etwas getan, das ihn so große Hoffnungen machen könnte?“, erkundigt er sich und ich schüttle erneut vehement den Kopf. „Natürlich nicht.“

Er glaubt mir nicht, dass sehe ich ihm an, aber er weiß wohl auch genau, dass er nicht mehr aus mir herausbekommt.

„Das ist rein hypothetisch,“ stelle ich nochmals klar, aber das überzeugt ihn nicht. Dennoch versucht er, neutral zu antworten: „Ich denke, dann musst du klar stellen, dass dem nicht so ist, wie er sich es wünscht und hoffen, dass er es versteht.“

Ich blicke ihn unzufrieden an. „Gibt es keine Möglichkeit, wie er vielleicht unverletzt aus der Sache herausgeht?“, frage ich ihn und er verdreht die Augen. „Wenn du ihm deine Liebe gestehst, vielleicht,“ grinst er und ich blicke ihn böse drein. Nicht etwas böse auf Jonas, sondern auf mich selbst, dass ich so eine Scheiße verzapft habe.

„Was ist denn passiert?“, fragt er mich und ich winke ab. „Hab doch gesagt, dass alles rein hypothetisch ist, oder?“, murre ich und lasse ihn dann stehen. Ich muss ein wenig alleine sein. Also flüchte ich mich auf die Toilette und blicke mich im Spiegel an. Da bin ich nun also, das größte Arschloch auf der ganzen Welt. Dieser Kuss hätte nie passieren dürfen. Ich hätte mich nicht so gehen lassen sollen. Ich hätte wissen müssen, dass es ihn treffen würde. Ob nun verliebt in mich oder nicht, aber so einen Kuss kann man ja nur falsch verstehen.

Ich frage mich, wie er sich dabei gefühlt hat. War er nur überrascht und ist jetzt deshalb so verhalten, weil er gar nicht weiß, wie er sich verhalten soll. Oder war er in dem Moment vielleicht der glücklichste Junge auf der ganzen Welt? Immerhin hat er versucht, mich zurückzuhalten, als ich geflüchtet bin. Warum? Um mit mir darüber zu reden, um mir einen Korb zu geben oder um die Sache zu wiederholen.

Was wäre wohl geschehen, wenn ich nicht geflüchtet wäre? Ich verdränge den Gedanken schnell.

So etwas kann aber auch nur mir passieren. Ich bin ein Arschloch. Küsse den schwulen Mitbewohner und denke, dass alles danach weitergeht, wie davor. Ich sollte ausziehen, zurück zu Sascha. Da besteht wenigstens nicht die Gefahr, ihn zu küssen.

Überhaupt, Dominik ist ja auch selbst Schuld, wenn er geküsst wird. Dann soll er mich doch nicht mit so großen, blöden Angucken. Und dieses schüchterne Verhalten an den Tag legen. Da bekommt man doch Muttergefühle, so eine Art Beschützerinstinkt. Wahrscheinlich hätte ihn da einfach jeder geküsst und es ist nicht meine Schuld. Genau! Es ist ganz alleine seine Schuld, dass er so eine Anziehungskraft auf andere ausstrahlt. Vielleicht sollte er mal etwas an seinem Benehmen ändern, dann würden ihm nicht heterosexuelle Mitbewohner küssen wollen.

Mit dieser Einstellung verlasse ich die Toiletten wieder und renne fast in Jonas hinein, der mich offensichtlich gesucht hat.

„Was ist eigentlich los mit dir?“, fragt er mich und packt mich, ehe ich mich wieder an ihm vorbeischieben kann, um zu flüchten.

Ich schüttle den Kopf. „Nichts. Ihr habt mich nur alle ganz kirre gemacht mit eurer blöden Idee, Dominik könnte auch mich stehen,“ werfe ich ihm an den Kopf und löse mich dann aus seinem Griff. Ich möchte jetzt keinen sehen und hören, deswegen schwänze ich auch die Lesung und flüchte nach Hause.
 

Dominik kommt erst gegen Abend zurück, weshalb ich den ganzen Nachmittag Zeit hatte, mir Gedanken über Gedanken zu machen. Nun ist er noch nicht einmal ganz in der Wohnung, als ich ihm schon auflauere und ihn fast zu Tode erschrecke, weil ich im dunklen Flur auf ihn gewartet habe.

„Hör zu, wir müssen noch einmal darüber reden, ja?“, bitte ich ihn und folge ihm in sein Zimmer.

„Ich wollte wirklich nicht, dass du dir Hoffnungen machst und vielleicht denkst, dass ich etwas von dir will,“ erläutere ich ihm und er macht das Licht an und sieht mich genervt an. „War es das dann jetzt?“

Er klingt wahnsinnig unfreundlich. Worüber er sich auch immer Gedanken gemacht hat, den Tag über, ich weiß genau, dass ich für ihn nun der Arsch der Nation bin. Naja, wahrscheinlich auch berechtigter Weise.

„Nein, eigentlich nicht,“ antworte ich und verfolge ihn bis zu seinem Schreibtisch. „Ich weiß, dass du in mich verknallt bist und jetzt denkst, dass es mit uns etwas werden könnte, aber ich stehe auf Frauen, okay. Das war ein Ausrutscher und ich wollte dich nicht verwirren oder verletzten,“ erläutere ich ihm und er schiebt mich grob beiseite, um seine Bücher in ein Regal zu räumen.

Ich sehe ihm dabei zu, wie er schweigend herumwühlt, ehe er sich mir zuwendet. „Ich stehe nicht auf dich, okay,“ faucht er und klingt dabei so wütend, dass ich ihm kein Wort glauben kann. Andererseits… vielleicht nervt es ihn, dass ich immer wieder mit dieser Vermutung komme und er steht doch auf mich.

Mit einem Mal fühle ich mich wahnsinnig erschöpft. Ich weiß nicht, was er denkt und fühlt und weiß nicht, was in mich gefahren ist. Leider kann ich meine Sorgen keinem mitteilen und muss mit ihnen alleine klar kommen. Dabei würde ich gerne mit jemanden darüber reden, vorzugsweise natürlich mit ihm.

„Okay,“ hauche ich viel zu spät, so dass meine Antwort gar keinen Sinn mehr ergibt.

„Vergessen wir einfach, was geschehen ist,“ bittet er mich und sieht dabei so aus, als würde er es niemals vergessen. Ich blicke betrübt zu Boden. Ich wollte die Sache nicht einfach unter den Teppich kehren, bin aber dennoch froh, dass er es will. Ich fühle mich, als würde ich langsam schizophren werden.

„Dann… tun wir, als wäre nie etwas gewesen?“, frage ich ihn und sein Gesicht wird freundlich, als er nickt. Ich nicke ebenfalls.

„Ich hatte wahnsinnige Angst, dich zu verletzen,“ gebe ich zu und er sieht mich undefinierbar an. „Alles gut,“ versichert er mir und klingt dabei sehr überzeugend. Ich weiß nicht, ob es nur gespielt ist oder ob er es ernst meint.

„Wirklich?“, frage ich deshalb nach und er nickt.

„Ich habe stundenlang nur darüber nachgedacht, wie du dich jetzt fühlst,“ erkläre ich ihm und er zuckt mit den Schultern. „Mir geht es gut. Du kannst dich also voll und ganz um dich kümmern,“ meint er und verlässt sein Zimmer. Ich runzle die Augen und folge ihm. „Was meinst du damit?“, frage ich und bleibe im Flur stehen, als er in der Türe zur Küche stehen bleibt.

„Ich meine damit, dass du dir vielleicht überlegst, warum du das getan hast, ehe du dir weiter um mich Gedanken machst.“

Er verschwindet in der Küche und ich bleibe kraftlos an Ort und Stelle. Tief atme ich ein und wieder aus und schließe die Augen. Mir ist natürlich klar, dass ich mir darüber vielleicht auch einmal Gedanken machen müsste. Das es nicht so einfach ist, wie ich es mir in der Toilette habe einreden wollen. Aber der Grund, warum ich ihn geküsst habe, ist mir ehrlich gesagt völlig unklar. Und ich werde den Teufel tun und mir erlauben, darüber nachzudenken.
 

Den restlichen Abend bekomme ich Dominik nicht mehr zu Gesicht und ich muss zugeben, dass ich ihm auch aus dem Weg gehe, weil ich Angst habe, er könnte mich fragen, ob ich zu einem Schluss gekommen bin. Deswegen verstecke ich mich feige in meinem Zimmer und lenke mich mit hoch komplizierten mathematischen Formeln ab. Das hilft mir, mich zu konzentrieren und alles andere zu verdrängen. So schaffe ich es, abzuschalten und meine Gedanken zu sammeln. Es ist schon spät nachts, als ich ins Bett komme. Dennoch stehe ich am nächsten Morgen ungewöhnlich früh auf und verlasse das Haus, ehe Dominik mir über den Weg laufen kann.

Letztlich warte ich ewig lange vor der Uni, bis Jonas und Leon endlich kommen.

„Was ist denn los mit dir, sonst bist du doch immer zu spät,“ neckt Leon mich und ich zucke mit den Schultern und murmle irgendetwas davon, dass ich so früh ins Bett bin, dass ich ab einer gewissen Uhrzeit nicht mehr schlafen konnte.

Jonas mustert mich prüfend, sagt aber nichts. Darüber bin ich ihm dankbar, vor allem, weil jetzt auch noch Leon dabei ist. Ich möchte es schon nicht Jonas erzählen – da werde ich es sicher Leon beichten.

Den restlichen Tag lenke ich mich mit der Uni ab, so wie ich es am Abend zuvor mit der Mathegleichung getan habe.

Dennoch schwebt Dominik immer noch wie ein großer dunkler Schatten über meinem Kopf. Egal was ich tue, ich muss wohl oder übel nach einiger Zeit an ihn denken und damit unweigerlich an die Frage, die er mir gestellt hat und die ich mir selbst nicht zu stellen traue.

Dabei ist es natürlich unmöglich, dass ich Gefühle für Dominik entwickelt hätte. Nach meiner kleinen Erfahrung mit meinem Klassenkameraden vor Jahren, habe ich nie wieder an Jungs gedacht. In der Pubertät probiert ja jeder mal aus, wie es ist, sich gegenseitig einen zu wichsen, daran ist nichts Schlimmes oder Ungewöhnliches. Und seitdem habe ich mich nach keinem Jungen mehr umgedreht, hatte keinerlei Sexträume mehr von Jungs und das einzige, was mich geil gemacht hat, waren Brüste.

Ich habe Mädchen gedatet und habe mich in das eine oder andere verliebt. Ich habe sie wirklich geliebt, es mir nicht nur eingebildet. Ich hätte alles für sie getan und war am Boden zerstört, wenn sie mich verlassen haben. Es ist Quatsch, zu sagen, ich habe einfach noch nicht den richtigen Jungen getroffen. Und dass Dominik nun denkt, er wäre dieser besondere Junge, ist doch noch größerer Quatsch. Der Kerl, mit dem ich meine erste und einzige homoerotische Erfahrung gemacht habe, war ein gestandener Kerl und in dem Moment bin ich darauf abgefahren. Dominik hingegen ist klein, schmal und seltsam. So ziemlich das Gegenteil. Wenn man ihm Brüste ranhängen würde, könnte er auch als Mädchen durchgehen. Na gut, seine Stimme ist schon männlich und er benimmt sich auch nicht wie eine Tunte, aber ansonsten hat er trotzdem nicht viel Testosteron in sich, bin ich der Meinung. Es ist also einfach nur absolut unmöglich.
 

Am Abend kann ich ihm nicht länger aus dem Weg gehen. Er hockt im Wohnzimmer und guckt eine seiner Soaps. Die Türe steht offen und ich muss zumindest ‚Hallo’ sagen, ehe ich in mein Zimmer flüchten kann. Allerdings komme ich mir dabei reichlich dämlich vor, wie ich ihn einfach so offensichtlich aus dem Weg gehe, also trete ich irgendwann dann doch wieder zu ihm ins Wohnzimmer und setzte mich neben ihn.

Er wirft mir nur einen Blick und im nächsten Moment ist wieder alles gut mit uns. Ich weiß nicht genau, wie ich es erklären soll, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es einfach nichts mehr dazu zu sagen gibt. Wir haben uns ausgesprochen, wir haben einander wahrscheinlich ziemlich verwirrt und uns letztlich darauf geeinigt, es einfach zu vergessen.

Ich weiß, es hat ihn geärgert, dass ich ihm aus dem Weg gegangen bin, aber umso mehr freut es ihn jetzt, dass ich doch wieder auf ihn zugekommen bin. Wahrscheinlich ist er der gleichen Meinung wie ich, dass man es irgendwann auch mal gut sein lassen muss. In dem Moment nun jedenfalls fällt die Anspannung von uns beiden ab und wir gucken einfach nur entspannt die Soap, lachen über die Gegebenheiten darin und fühlen uns wieder so wohl, wie zuvor, wenn wir den anderen um uns herum hatten.

Ich denke, ich kann all die Fragen und Gedanken einfach verwerfen und die Situation akzeptieren, wie sie ist. Und er hoffentlich auch.
 

Obwohl ich mir vorgenommen habe, die Sache auf sich beruhen zu lassen, kann ich dennoch die Fragen nicht allesamt verdrängen. Ich weiß, ich sollte mir keine Gedanken mehr darüber machen, warum es passiert ist, aber ich tue es dennoch.

Immer wieder stelle ich mir den Abend in allen Einzelheiten vor. Den Kuss und meine Flucht. Dominiks Reaktion und meine Panik.

Ich frage mich, wie es damals war, als ich nur etwas ausprobiert habe, stelle mir jene Situation vor und frage mich, wie ich damals nur so scharf auf einen Jungen sein konnte, während es jetzt keinerlei Erregung in mir auslöst.

Mir vorzustellen, wie es wäre, diese Dinge mit Dominik zu tun, verbiete ich mir lieber gleich, ehe ich ihm am Ende nicht mehr in die Augen schauen kann.

Dennoch bin ich die ganze Nacht wach und denke und denke und denke.

Am nächsten Morgen fühle ich mich wie gerädert und beschließe, dass ich der Sache auf den Grund gehen muss, weil ich nicht eher ruhen kann.

Zu viele Fragen sind noch offen und Dominiks einfache Frage hat mein ganzes Seelenheil aus der Bahn geworfen.

So ruhig, wie es mittlerweile wieder zwischen ihm und mir ist, so unruhig ist es in meinem Inneren.

Fast ist es, als könnte nur ein was in Ordnung sein. Mein Seelenheil oder meine Freundschaft zu Dominik. Und weil ich das nicht ertragen kann, gehe ich an diesem Tag nach der ersten Lesung nach Hause, ohne auf die Fragen von Jonas und Leon zu reagieren. Ich möchte sicher sein, dass ich alleine bin und nicht auf Dominik treffe, während ich versuche, mir Klarheit zu schaffen.

Glücklicherweise ist er tatsächlich noch nicht zu Hause und ich werfe meinen PC an und klicke mich dann durch zwielichtige Internetseiten, mit einem Ohr immer im Flur, falls er doch nach Hause kommt.

Wenig später sehe ich zwei Kerlen zu, wie sie sich gegenseitig einen Blasen und stelle erleichtert fest, nicht erregt zu sein. Womit bewiesen wäre, dass alles mit mir stimmt.

Ich seufze erleichtert und klicke das nächste Video an, versuche, mich an zwei Lesben aufzugeilen, was aber leider nicht funktioniert.

Entsetzt blicke ich den Bildschirm an und versuche, einen hochzukriegen, was nicht passiert. Unsicher beiße ich mir auf die Lippen und klicke das nächste Video an, rede mir ein, dass mich künstliche Brüste eh noch nie angemacht haben.

Aber auch bei den Brüsten, die sich noch bewegen können, funktioniert es nicht wirklich und ich frage mich, ob ich mittlerweile einfach asexuell geworden bin.

In dem Versuch, mir zu sagen, dass ich einfach nichts mit Pornos anstellen kann, mache ich den PC aus und wechsle zum Bett, wo ich versuche, mich an meiner Fantasie aufzugeilen, während ich Hand anlege. Leider funktioniert das auch nicht so gut. Beziehungsweise weiß ich nicht, an was ich denke soll. Ich stelle mir die Nacht mit Maria vor und bin nur sauer. An meine Ex-Freundin mag ich nicht denken und der Gedanke an Anne macht mich nur sauer. Probeweise denke ich auch an ein paar Jungs, aber das funktioniert auch nicht. An Dominik zu denken, erlaube ich mir natürlich nicht, aber ich bin zumindest gut darin, mir zu sagen, dass es auch nichts bringen würde..

Im wahrsten Sinne des Wortes unbefriedigt, ziehe ich meine Hand wieder aus meinen Shorts und blicke an die Decke.

Ich bin nicht mehr fähig, zu wichsen. Ich werde nie wieder Sex haben können. Und das ist alles Dominiks Schuld. Er und dieser blöde, blöde Kuss.
 

Ich muss eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal die Augen öffne, höre ich Dominik in der Küche hantieren.

Ich stehe auf und folge den Geräuschen, bis ich ihn erblicke. Er steht am Herd und macht sich irgendetwas warm, was nicht aussieht, als hätte er es selbst gekocht.

Ich mustere ihn von hinten, was gut geht, weil er mich noch nicht bewegt hat und ganz natürlich herumwerkelt.

Mir ist klar, dass ich jetzt irgendetwas fühlen müsste, während ich ihm auf den Arsch gucke, aber glücklicherweise ist dies nicht der Fall.

Überzeugt, dass all meine Aufgewühltheit unsinnig ist, mache ich mich bemerkbar und staube sogar eine Portion Essen ab.

Wenig später sitzen wir also zusammen in der Küche, essen und unterhalten uns ganz ungezwungen.

„Ich bin froh, dass zwischen uns alles wieder gut ist,“ gebe ich irgendwann zu und fange einen seltsamen Blick von ihm auf, den ich nicht deuten kann.

„Ich auch,“ gibt er zu, obwohl er glaube, dass es nicht alles ist, was er denkt.

„Wollen wir dann mal wieder was unternehmen?“, frage ich ihn dennoch und er zögert. Wahrscheinlich möchte er das nicht, sagt aber dennoch zu, um den Schein zu wahren. Plötzlich komme ich mir ziemlich dämlich vor. Als hätte ich nicht von Anfang an gewusst, dass nicht alles gut ist. Andererseits kann es nicht wirklich wieder gut werden, wenn wir nichts mehr zusammen machen.

Ich blicke ihn an und möchte etwas sagen, lass es dann aber. Als er aufsieht, treffen sich unsere Blicke und er blinzelt fragend, aber ich sage nichts mehr dazu. Als er sich unsicher auf die Lippen beißt, kommt mir wieder in den Sinn, wie diese sich angefühlt haben, ein Hauch von nichts auf den meinen. Er öffnet den Mund und sagt etwas, aber obwohl seine Lippen Wort formen, verstehe ich nicht, was er sagt. Stattdessen frage ich mich, wie es jetzt wäre, wenn ich mich vorbeugen würde und – „Jasper!“

Ich stutze und sehe ihn fragend an: „Was?“, frage ich verwirrt und er nickt auf mein Handy, dass neben mir auf dem Tisch liegt. „Dein Handy klingelt.“

Krieg gegen die Welt

„Ja?“, frage ich, kaum dass ich abgenommen habe. Die Nummer kenne ich nicht. Das irritiert mich ziemlich, weil ich eigentlich nicht leichtfertig Nummern vergebe, sondern immer penibel darauf achte, dass nur die Leute sie erhalten, die ich auch kenne und mag. Allerdings kann ich nicht verhindern, dass andere Leute meine Nummer ohne mein Wissen weitergeben. So muss es auch jetzt sein, denn ich habe schon eine geraume Weile niemanden mehr meine Nummer gegeben und wenn, dann frage ich meistens auch gleich nach der des Anderen, so dass gar nicht erst ‚Unbekannte Nummer’ erscheinen kann.

Am anderen Ende der Leitung ist es kurz still und ich möchte gerade wieder auflegen, als ein leises Stimmchen ertönt: „Hallo.“

Ich runzle die Stirn, weil mir die Stimme nichts sagt. Kann aber auch sein, dass ich sie einfach nicht richtig zuordnen kann, weil sie so leise ist, dass ich kaum etwas verstehe.

„Hi,“ erwidere ich dümmlich. „Ähm… wer bist du?“, hake ich dann nach und blicke zu Dominik, deute ihm an, dass ich nicht weiß, wer es ist, als hätte er das aus meiner Frage nicht schlussfolgern können. Interessieren tut es ihn nicht wirklich. Er zuckt nur mit den Schultern, steht auf und räumt unseren Kram in die Spüle. Ich sehe ihm zu, wie er Wasser einlaufen lässt, während sich meine Gesprächspartnerin – dass es ein Mädchen ist, habe ich sogar schon vorher gemerkt – endlich zu erkennen gibt.

„Ich bins, Stefanie,“ sagt sie und ich runzle die Stirn. Ich weiß nicht, ob ich eine Stefanie kenne, denke aber eher, dass dem nicht der Fall ist.

„Wer?“, frage ich also verwirrt und am anderen Ende ist es wieder still. Wahrscheinlich war das die falsche Frage. Unter Umständen ist sie vielleicht in mich verknallt und hatte gehofft, sie sei mir auch schon aufgefallen.

„Stefanie. Von der Uni. Ich helfe manchmal in der Bibliothek dabei, Bücher zu sortieren. Du hast mal ein Buch bei mir ausgeliehen.“

Ich kann mich nicht daran erinnern, mal bei einer Stefanie ein Buch ausgeliehen zu haben, sage aber dennoch: „Ach so, die Stefanie.“

Dominik wirft mir einen Blick zu und ich bedeute ihm, dass ich keine Ahnung habe. Er grinst und widmet sich wieder dem Geschirr.

„Hab ich das Buch nicht wieder abgegeben?“, frage ich, weil ich davon ausgehe, dass sie deswegen anruft. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich das vergessen hätte. Ich höre Dominik leise lachen und richte meinen Blick wieder auf ihn. Mein Blick wandert an seinem Rücken herunter und mir fällt zum ersten Mal auf, dass er eine wirklich gute Figur hat. Männlich, aber dennoch nicht zu stark.

„Nein, ich wollte fragen, ob du vielleicht mal Zeit hast, diese Woche,“ sagt sie und klingt dabei ziemlich unsicher. Ich versuche, mich wieder auf Stefanie zu konzentrieren.

„Zeit?“, echoe ich dämlich, weil mir nichts anderes einfällt. Ich habe ihr nicht richtig zugehört, ich weiß gar nicht, warum ich Zeit haben sollte.

„Ja, weil ich mir gedacht habe, wir könnten zusammen was unternehmen,“ erklärt sie mir und ich blinzle hektisch.

Wenn ich auf etwas keine Lust habe, dann auf ein weiteres schreckliches Date, wie dass mit Elisa oder das mit Anne.

„Ich weiß nicht,“ antworte ich also, was so ziemlich die dümmste Antwort ist, die man einem Mädchen auf so eine Frage geben kann. Weil mir das selbst auffällt, sage ich schnell: „Also, ich weiß nicht, ob ich diese Woche Zeit habe.“

Dominik dreht sich wieder zu mir um und blickt mich erwartungsvoll an. Keine Ahnung, warum es ihm so wichtig ist, dass ich mich mit Stefanie treffe, aber er sieht mich drängend an und ich seufze. „Also… wann denn?“

Stefanie klingt mit einem Mal ganz anders, total aufgedreht und erfreut.

„Wie wäre es gleich Morgen?“, fragt sie und ich fühle mich ziemlich unter Druck gesetzt. „Okay,“ sage ich einfach zu, ohne überhaupt zu überlegen, ob ich da wirklich kann. Sie freut sich nur noch mehr und macht einfach mal fest, dass wir uns am Nachmittag vor der Uni treffen.

Ich stimme zu und als ich auflege meint Dominik sofort. „Und?“

„Du hast doch eh gelauscht,“ maule ich und er grinst breit und nickt. „Ich dachte, dass du dir vielleicht eher darüber klar wisst, was du willst, wenn du dich mit einem tollen Mädchen triffst,“ erklärt er mir und ich nicke abwesend und stelle mir schon mal vor, wie grausam das Date werden wird. In meinen Horrorvisionen gefangen, werde mir seine Worte erst nach und nach bewusst. Ich sehe ihn wütend auf. „Du hast meine Nummer weitergegeben?“

Er zuckt nur unberührt die Schultern. „Ich bin der Meinung, es könnte dir helfen,“ erklärt er mir nur und verlässt die Küche.

„Und wobei soll mir das bitte helfen?“, brülle ich ihm nach und bin immer noch sauer, dass er einfach meine Nummer weiter gibt. Was ist da überhaupt für eine blöde Anmerkung? Als würde mir ein Date bei irgendetwas helfen.

Missmutig blicke ich auf mein Handy und bin geneigt, Stefanie anzurufen und ihr abzusagen, traue mich das aber nicht. Vielleicht wird es auch gar nicht so schlimm. Immerhin ist das Date nur von Domi arrangiert worden und wahrscheinlich findet sie mich scheiße und ist genauso froh wie ich, wenn das Date vorbei ist.
 

„Dominik hat dir ein Date besorgt?“, fragt Leon nach und lacht herzlich. Ich sehe ihn wütend an. „Was ist daran denn bitte witzig?“, fauchte ich und sieht mich entschuldigend an. „Die Situation ist einfach ein wenig bizarr,“ klärt mich Jonas auf, auch wenn ich keine Ahnung habe, was daran bizarr ist. „Wieso?“, gifte ich deshalb und die Beiden wechseln einen Blick.

„Wir haben eben gedacht, dass Dominik auf dich steht und da passt seine Partnervermittlung so gar nicht ins Bild,“ erläutert mir Leon und ich verkneife mir einen Kommentar in die Richtung, dass alle nur davon ausgegangen sind, Dominik würde auf mich stehen, weil er nie seine Fresse halten kann.

Ich weiß nicht genau, warum ich schon den ganzen Tag so schlecht gelaunt bin. Obwohl es schlecht nicht trifft. Ich bin miserabel gelaunt. Ich führe Krieg gegen die gesamte Welt und am meisten gegen mich selbst.

Keine Ahnung, was mich daran stört, dass Dominik mir ein Date mit Stefanie besorgt hat. Einerseits ist das ja ein feiner Zug von ihm. Andererseits stören mich seine Beweggründe. Dass ich mir darüber klar werde, was ich will. Was soll das denn bedeuten? Dass er denkt, ich würde doch auf ihn stehen und mir nur über ein Date darüber klar werden können? Ich schnaube leise. Das würde bedeuten, er macht sich doch Hoffnungen und dass eben doch nicht alles so toll ist, wie er es mir weiß zu machen versucht. Was ziemlich gemein von ihm wäre. Warum lügt er mich dann an? Soll er mir doch ins Gesicht sagen, dass er sich verliebt hat. Und wenn dem nicht so ist, soll er sich gefälligst aus meinem Privatleben heraushalten.

Hinzu kommt, dass ich gar nicht weiß, wer Stefanie ist. Am Ende ist sie so eine hässliche Kuh, die keiner auch nur von hinten angucken möchte. Mir ist zwar bewusst, dass dieses Denken absolut oberflächlich ist, aber ich habe einfach die Schnauze voll von diesem Chaos, dass sich mein Leben schimpft.

Ich frage mich, was sich Dominik eigentlich dabei gedacht hat und am liebsten würde ich ihn jetzt suchen und durchschütteln.

Mir ist natürlich bewusst, dass das ziemlich lächerlich ist. Eigentlich ist die Sache weniger brisant, als ich sie gerade darstelle, aber ich habe das Gefühl, meine Nerven liegen blank. Ich habe mindestens zwanzig Mal probiert, Stefanie abzusagen, und im letzten Moment doch wieder gekniffen. Dass ich mit Dominik seitdem kein Wort mehr rede, brauche ich wohl nicht erwähnen. Ihn scheint das aber gar nicht zu stören. Es verstehe einer diesen komischen Jungen.

Am Ende freut er sich noch, wenn es zwischen Stefanie und mir funkt und fungiert dann als unser Hochzeitsplaner. Aber erst Wind um so einen dummen kleinen Kuss machen. Der hat sie doch nicht mehr alle. Genauso wenig wie Jonas und Leon, die alles auch noch amüsant finden. Amüsant! Als wäre ich ein Trottel in irgendeiner Comedyshow auf RTL.

Erneut ziehe ich mein Handy aus der Tasche, um Stefanie abzusagen, lasse es dann aber doch. Darauf warten sie doch alle. Dass ich ihr absage und sie mit mir dann Therapiegespräche in die Richtung ‚es ist vollkommen normal, dass du auf Jungs stehst! Wir verstehen das und wir lieben dich trotzdem’ führen können.

Und genau um ihnen zu beweisen, dass dem nicht so ist, werde ich mich mit Stefanie treffen. Und dann werden wir Sex haben und ich werde ihnen schon zeigen, dass ich nichts an Jungs interessant finde. Nicht mal an Dominik. Trotz seinen tollen Augen, den süßen Lächeln und dem perfekten Körper. Weil das nämlich jeder andere auch so wahrnimmt und trotzdem nicht auf ihn steht. Jawohl!
 

Stefanie ist sogar recht hübsch, gar kein Gesichtsfasching, wie ich zunächst befürchtet habe. Sie steht vor dem Gebäude und fummelt nervös an ihrer Handtasche herum. Als sie mich erkennt, kommt sie auf mich zu. Ich bin froh, dass sie zumindest zu wissen scheint, wer ich bin, ich hätte sie nämlich nicht erkennt, wenn sie nun nicht so zielstrebig zu mir marschieren würde.

„Hallo,“ sagt sie leise und ich erkenne die schüchterne Stimme vom Telefon wieder. „Hallo,“ begrüße ich sie und versuche, nett zu lächeln. Es gelingt mir nur ein schiefes Grinsen.

„Was wollen wir machen?“, fragt sie, weil es ihr sicher unangenehm ist, dass alle uns neugierige Blicke zuwerfen. Manchmal habe ich das Gefühl, die Uni ist ein Dorf. Jeder scheint jeden zu kennen.

„Weiß nicht,“ antworte ich und versuche, ich zusammenzureißen. Ich sollte mich schon ein wenig anstrengen, wenn ich sie verführen will. Und das ist mittlerweile mein Plan. Ich muss mir langsam mal selbst beweisen, dass ich noch auf Frauen stehen und dass Dominik mir am Arsch vorbeigeht. Zumindest beziehungstechnisch.

„Essen?“, schlage ich vor. „Ich bin nämlich ziemlich hungrig.“

Sie stimmt zu und wir machen uns auf den Weg zu einem netten kleinen Restaurant, nahe der Uni.

Wenig später unterhalten wir uns. Naja, sie unterhält mich und ich höre zu, während sie von ihrer Arbeit in der Bibliothek erzählt. Ehrlich gesagt interessiert es mich nicht und ich habe Mühe, mir mein Desinteresse nicht anmerken zu lassen. Ich möchte nicht, dass das Date endet wie das mit Elisa.

Wenigstens scheint sie nicht primär auf mich zu stehen, sondern möchte einfach einen netten Abend verbringen. Das macht die ganze Situation tatsächlich relativ angenehm und ich fühle mich gleich ein wenig besser.

Ich schätze, wir sind beide nur hier, weil Dominik das so wollte und kommen uns beide gleichermaßen bescheuert vor.

Andererseits kann man auch aus Scheiße noch Gold machen, wenn man sich nur clever anstellt. Deswegen versuche ich, ihr Interesse vorzuspielen, mich mit ihr zu unterhalten und sie noch auf einen Drink einzuladen.

Irgendwann, als sie ihre erste Scheu überwunden hat, merke ich, dass die Gute eigentlich ein recht sympathischer Mensch ist und man sicher viel Spaß mit ihr haben könnte – freundschaftlicher Natur, versteht sich. Naja, und vielleicht im Bett.

Irgendwann versuche ich, ihr eindeutige Signale zu geben. Ich muss zugeben, dass ich im verführen relativ schlecht bin, weil es eigentlich nicht meine Art ist. Aber wir haben ja beide schon gemerkt, dass es nur für Freundschaft reichen wird und es spricht doch nichts dagegen, die Freundschaft mit Sex zu besiegeln.

Sie blickt mich an und ich lächle verführerisch und beuge mich ein wenig näher zu ihr. Glücklicherweise scheint sie zu verstehen, dass sie tut es mir gleich und in wenigen Sekunden wechselt unser Gespräch von unverfänglichen Geplauder zu einem heißen Flirt. Interessanterweise stellt sich dabei heraus, dass Stefanie gar nicht so schüchtern ist, wie ich es gedacht habe.

„Eigentlich ist das ja nicht meine Art, aber…“, sie bricht ab und kichert dämlich, blickt mich dabei aus einem Schlafzimmerblick an, der alle weiteren Wort unnötig macht.

„Wir sollten zu mir gehen,“ schlage ich vor und sie nickt und kichert erneut und ich bezahle. Während ich das Geld abzähle, fällt mir auf, dass ich mich so gar nicht selbstsicher fühle, auch wenn ich ihr das gerade vormachen will. Ich habe gar keine Lust auf Sex mit ihr und komme mir dämlich vor, sie nur flachlegen zu wollen, weil ich mir selbst etwas beweisen muss. Und Dominik natürlich auch. Ich frage mich, ob er sich nicht doch einen anderen Ausgang dieses Dates erhofft hat und jetzt den Schreck seines Lebens kriegt, wenn ich sie nebenan flachlege.

Andererseits ist er selbst Schuld, wenn er so eine Scheiße in die Wege leitet.

Ich packe Stefanies Handgelenk und ziehe sie mir mit mir. Sie kichert die ganze Zeit nur dämlich vor sich hin und ich frage mich, ob sie vielleicht von einem einzigen Gin Tonic schon so betrunken ist, dass sie sich gar nicht mehr unter Kontrolle hat. Am Ende halst sie mir noch eine Klage wegen Vergewaltigung auf oder so.

Aber ich habe ja den Barkeeper als Zeugen, dass sie nicht betrunken sondern nur bescheuert ist.

Sie läuft auch noch normal, als wir auf den schnellsten Weg zur WG rennen und ich letztlich aufschließe. Ich bin sicher, Dominik ist noch wach, auch wenn in seinem Zimmer und sonst wo in der Wohnung kein Licht brennt. Oder er ist noch gar nicht zu Hause. Jedenfalls ist die Uhrzeit noch nicht sonderlich weit fortgeschritten.

Ich führe Stefanie in mein Zimmer und bitte sie, es sich bequem zu machen, während ich uns was zu trinken hole. Eigentlich sollten wir gleich zur Tat schreiten, aber ich bin wahnsinnig gut darin, Zeit zu schinden, weil ich mir noch immer unsicher bin.

„Danke,“ meint sie, als ich ihr ein Getränk hinstelle und mich dann neben sie setze. Sie hockt auf meinem Bett und betrachtet die Mathebücher, die überall herumfliegen. „Studierst du echt Mathe?“, fragt sie mich ungläubig und ich bin es Leid, auf diese Frage zu antworten, also nicke ich nur und nehme einen großen Schluck Wasser.

„Also dann,“ meint sie und im nächsten Moment sitzt sie auf meinem Schoß und ich bekomme Panik.

Ich weiß gar nicht mehr, wie man Sex hat. Ich habe das Gefühl, seit der Sache mit Maria habe ich es total verlernt. Ich mag gar nicht. Wirklich nicht.

Hilfe suchend sehe ich mich in meinem Zimmer um, als könnte mich dort etwas retten. Ich sehe die Schlagzeile schon vor mir: Student von sexgeiler Bibliothekarin vergewaltigt!

Dominik! Er könnte jetzt nach Hause kommen, nichts ahnend in mein Zimmer platzen und mich so vor der Katastrophe retten, aber er tut es nicht. Dieser Arsch.

Stattdessen tut Stefanie etwas, nämlich ihr T-Shirt hochziehen und mir ihre Brüste präsentieren. Naja, eigentlich ihren BH, aber der fällt Sekunden später zu Boden.

Ich gebe mir einen Ruck und berühre sie und versuche, so zu tun, als wäre alles super. Das ist es natürlich nicht. Ich komme mir pervers vor und sie kommt mir vor, als wäre sie eine Nutte. Wahrscheinlich ist sie das sogar und die Bibliothekssache ist nur erfunden.

Wenig später ist sie gänzlich nackt und ich bin es fast und komme mir total bescheuert vor. Wenigstens bin ich steif, ansonsten hätte ich mich nirgendwo jemals wieder blicken lassen können.

Ihr scheint sogar zu gefallen, was ich so tue, denn sie stöhnt und windet sich und ich frage mich, was sie wohl für Drogen genommen hat.

Irgendwann wird sie ungeduldig und fummelt an einen Kondom herum, zieht es mir über und zwingt mich dazu, mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben, indem sie die Sache einfach selbst in die Hand nimmt.

Ich versuche, die Sache zu genießen und kann es doch nicht. Von mir selbst entsetzt, stelle ich mir vor, dass es nicht sie ist sondern irgendein hübscher Junge. Glücklicherweise macht es mir dennoch nicht mehr Spaß und ich muss mich langsam fragen, ob bei mir nicht irgendetwas kaputt gegangen ist und ich nie mehr Lust oder gar Liebe empfinden werde.

Tatsächlich dauert es ewig, bis ich komme, aber sie scheint das gut zu finden, weil Frauen glaube ich eh länger brauchen. Andererseits stöhnt und schreit sie die meiste Zeit so, dass ich mich fragen muss, wie viele Orgasmen sie eigentlich hatte.

Irgendwann ist der Spuk vorbei und sie zieht sich an.

„Zugegeben, ich habe mir das Ganze anders vorgestellt, aber am Ende war es doch ziemlich heiß, oder? Hat sich definitiv gelohnt,“ grinst sie, ehe sie geht und mich einfach alleine lässt. Kaum dass die Tür ins Schloss gefallen ist, renne ich splitternackt über den Flur und unter die Dusche und spüle all das Grauen des Abends von mir ab.

Als ich mich wenig später in ein Handtuch wickle, tritt Dominik ungefragt ins Badezimmer und ich starre ihn entsetzt an.

„Ich bin nackt!“, rufe ich und er blickt unbeeindruckt auf mein Handtuch, mit dem ich so gar nicht nackt bin.

„Und?“, fragt er, obwohl er sich genau gehört hat, dass wir Sex hatten. Ich zucke also nur mit den Schultern und warte darauf, dass er etwas sagt. „Was willst du denn hören?“, frage ich ihn also entnervt und er zuckt mit den Schultern. „Ich habe mehr gehört, als ich hören wollte,“ erläutert er mir und ich erröte.

„Warum hast du sie mir auch auf den Hals gehetzt? Die Frau ist notgeil, das sage ich dir!“, schnauze ich ihn an und er schmunzelt leicht.

„Genau deshalb. Ich habe gedacht, es hilft dir,“ erklärt er mir und ich sehe ihn wütend an. „Wobei denn eigentlich?“

„Bei deiner Krise wegen dem Kuss,“ mault er und weicht zurück, als ich zu ihm stürme und ihn den Finger in die Brust piekse. „Ich habe keine Krise. Und ich wäre dir dankbar, wenn du aufhören könntest, mir solche Weiber auf den Hals zu hetzen!“

Damit lasse ich ihn stehe und knalle meine Zimmertüre zu.

Ich dachte immer, ich wäre komisch, aber Dominik übertrifft momentan einfach alles.
 

Jonas und Leon erzähle ich natürlich, wie wahnsinnig geil die Nacht gewesen ist, dass ich ihr das Hirn rausgevögelt habe und dass sie noch niemals besseren Sex hatte, wie mit mir. Reichlich übertreiben. So übertrieben, dass sie mir es wahrscheinlich eh nicht glauben, weil solch ein Gelaber eigentlich nicht meinen Mund verlässt. Aber sie sind so höflich, nichts zu sagen und nachdem Stefanie mir beim Mittagessen ein paar verführerische Blicke zuwirft, merken sie zumindest, dass meine Geschichte nicht komplett an den Haaren herbei gezogen ist.

Leider hilft mir das immer noch nicht bei meinem Problem, dass ich dank Dominik habe. Ich bin unfähig, Sex zu haben. Ich bin unfähig, mich zu verlieben. Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt noch existiere. Irgendwie läuft gerade alles aus dem Ruder und bei all den komplizierten Dingen, die momentan geschehen, ist es trotzdem noch Dominik, der mein ruhender Anker in der ganzen Situation ist.

Als würde er zeitlichgleich alles ins Wanken bringen und mir dennoch Sicherheit vermitteln.

Als Leon gegangen ist, spreche Jonas auf mein Problem an, was mir so gar nicht leicht fällt. „Weißt du, der Sex war schon echt gut, aber irgendwie hatte ich trotzdem keine Lust darauf. Ich habe in letzter Zeit überhaupt keine Lust mehr auf Sex. Und jemanden toll finden, kann ich schon ewig nicht mehr. Ob irgendwas bei mir kaputt ist?“

Ich sehe ihn an und er blinzelt verwirrt, weil er sicher mit allen gerechnet hat, nur nicht damit.

„Was willst du mir eigentlich sagen?“, fragt er und ich zucke mit den Schultern. „Ganz egal, ob Elisa oder Anne oder jetzt Stefanie – sie sind alle wirklich toll, aber ich kann mich einfach nicht auf sie einlassen. Wenn ich mir vorstelle, mit ihnen Sex zu haben, dann graut es mich. Und so ein Kribbeln im Bauch hat auch nicht eingesetzt, wenn ich sie gesehen habe. Das war ja nicht mal Vorfreude auf das Date,“ erläutere ich ihm und er runzelt die Stirn.

„Vielleicht setzt du dich selbst unter Druck,“ überlegt er und ich frage mich, ob das stimmen kann. Andererseits wüsste ich nicht, dass ich mir wirklich totalen Druck mache.

„Die Sexgeschichte mit Stefanie passt ja auch nicht wirklich zu dir. Trotzdem hast du es getan. Warum?“, fragt er und ich zucke mit den Schultern.

„Um Dominik zu beweisen, dass ich nicht auf Jungs stehen?“, frage ich und er sieht mich überrascht an.

Notgedrungen erzähle ich ihm von meiner Unterhaltung mit Dominik und dass er der Meinung ist, ich könnte mir unbewusster Gefühle klar werden.

„Ich habe das aber schon ausprobiert, weißt du. So… Pornos angeguckt und geschaut, ob ich Jungs toll finde. Aber da hat sich bei mir auch nichts getan. Es ist einfach, als wäre ich innerlich tot. Nicht mehr fähig, etwas zu fühlen.“

Die Aussage lässt seine Mundwinkel zucken, aber er ist so schlau, nicht zu lachen.

„Schon mal daran gedacht, dass du niemand etwas beweisen musst? Weder dir selbst noch Dominik noch Leon und mir. Vielleicht versuchst du es einfach damit, wieder in den Tag zu leben, wie vor einigen Wochen. Vor der Sache mit Maria.“

Ich schüttle den Kopf. „Aber das geht nicht. Es ist zu viel passiert und es wurden zu viele Vermutungen geäußert, denen ich nun auf die Spur gehen will.“

Er sieht mich musternd an. „Soll ich dir meine Einschätzung geben?“, fragt er und ich nicke irritiert. Ich wusste nicht, dass er sich solche Gedanken um meine Situation gemacht hat, um mir eine klare Analyse der Lage zu geben, aber genau das tut er. „Eine ganze Zeit lang gab es für dich nur noch Dominik, dann hast du wieder angefangen, etwas mit Mädchen zu machen und gemerkt, dass es nicht klappt. Jetzt, da sich die Situation verschärft hat, versuchst du dir selbst zu beweisen, dass du nicht auf Jungs sondern auf Mädchen stehst. Aber das ist doch völliger Unsinn. Du weißt doch eigentlich, wer du bist und solltest dich nicht von äußeren Einflüssen verunsichern lassen.“

Ich blicke betrübt zu Boden.

„Also meinst du, es ist Quatsch zu denken, ich wäre in Dominik verliebt. Und das mir dieser Gedanke vielleicht alles kaputt macht?“

Er überlegt eine Weile und zuckt dann mit den Schultern. „Ich denke, dass du dich Sache einfach auf dich zukommen lassen sollst.“

Ich verziehe den Mund, weil mir die Aussage nicht gefällt. Sie beantwortet meine Frage nicht. Das sage ich ihm auch und er muss lachen.

„Jonas, ernsthaft. Du glaubst also, ich bilde mir nur ein, vielleicht in ihn verliebt zu sein, weil alle das sagen?“

Er steht auf und schnappt sich sein Tablett. „Das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass du am besten weißt, wer du bist.“

Mit diesen Worten verschwindet er und ich bin geneigt, ihn richtig schlimm zu hassen. So eine Aussage bringt mich einfach nicht weiter.

Missmutig stehe ich ebenfalls auf und räume das Tablett weg.

Ich hatte mir erhofft, von Jonas einen Ratschlag zu bekommen. Stattdessen erzählt er mir irgendwelche Geschichten über Selbstfindung, als hätte ich vergessen, wer ich bin. So ist es nämlich nicht. Ich habe nur einfach Angst, dass ich nicht mehr der bin, der ich eins war. Das ich mich verändert habe. Und dass diese Veränderung vielleicht nicht unbedingt das ist, was ich gerne für mich selbst hätte.
 

Als ich am Abend nach Hause komme, ist Dominik bereits dort. Er guckt seine blöde Soap und nimmt mich erst wahr, als ich mich neben ihn fallen lasse.

„Wie war dein Tag?“, frage ich belanglos und er zuckt nur mit den Schultern.

„Ich habe mir überlegt, dass wir Morgen etwas zusammen unternehmen könnten,“ erläutere ich ihm und er blickt mich nun doch an.

„Hast du Lust?“, frage ich ihn und er nickt langsam. „Klar,“ stimmt er zu und ich sehe ihm an, dass etwas nicht stimmt.

„Alles okay?“, frage ich und er weicht meinem Blick aus. „Die Sache mit Stefanie war reichlich blöd, oder?“, fragt er dann nach einiger Zeit und ich muss schmunzeln. „Ohja,“ stimme ich zu und er lacht.

„Ich habe das nur getan, weil ich so sauer auf dich war, nach dieser Sache mit dem Kuss. Ich dachte mir, dass du so was unterlassen solltest, wenn du es nicht ernst meinst und dass du vielleicht mal wieder mit einer Tussi zusammen sein solltest, um dir darüber klar zu werden, dass du nicht tun und lassen kannst, was du willst.“

Er sieht mich entschuldigend an.

„Dabei habe ich leider vergessen, dass an der Sache auch zu knabbern hattest und meine Aktion eigentlich total lächerlich gewesen ist.“

Ich muss lächeln und winke ab. „Eigentlich war sie sogar gut. Ich habe deswegen heute noch einmal mit Jonas über alles geredet und gemerkt, dass ich aufhören sollte, mir wegen jedem Mist Gedanken zu machen.“

Er nickt und ich merke, wie diese Lektion so langsam fruchtet. Früher hat mich all das gar nicht gestört. Die Gerüchte um Dominik und mich, es ist einfach an mir abgeprallt. Wann aber hat es eigentlich angefangen, mir doch etwas auszumachen? Vielleicht, als ich mir selbst nicht mehr sicher sein konnte.

„Was machen wir denn dann morgen schönes?“, will er wissen und sieht mich neugierig an. Ich zucke mit den Schultern. „Kino?“

Ruhe vor dem Sturm

Tatsächlich wache ich am nächsten Morgen mit einem besseren Gefühl auf, als die letzten Tage. Ich möchte mir wirklich zu Herzen nehmen, was Jonas mir gestern gesagt hat. Ich werde versuchen, seinen Ratschlag in die Tat umzusetzen und einfach wieder in den Tag hinein zu leben, Dinge so zu nehmen, wie sie kommen. Am Besten gleich heute Abend, wenn ich mit Dominik ins Kino gehe. Dann kann es mir einfach egal sein, ob er vielleicht Gefühle für mich hegt, ob uns jemand sieht und dämliche Gerüchte in die Welt setzt, ob mich ein Mädchen anflirtet (oder ein Junge) oder nicht. Ein wenig fühle ich mich wie Buddha, gänzlich ruhig und entspannt. Andererseits weiß ich, dass dem nicht so ist. Ich merke, wie es ganz tief in mir drin brodelt, wie die wohlbekannte Ruhe vor dem Sturm. Das liegt vor allen Dingen an dem Gespräch mit Jonas, in dem er ein paar Äußerungen gebracht hat, die mir helfen sollten, aber nur meine Unsicherheit bestätigt haben. Klar, er konnte das nicht wissen, er kennt meine Vergangenheit auch nicht, also kann ich ihm keinen Vorwurf machen. Möchte ich auch nicht. Aber das ist der Grund, warum ich in der Vorlesung mehr nachdenke, als aufzupassen.

„Du weißt doch eigentlich, wer du bist und solltest dich nicht von äußeren Einflüssen verunsichern lassen.“

Das hat er gesagt. Und dieser Satz lässt mir einfach keine Ruhe, so gelassen ich mittlerweile nach Außen hin auch wieder bin.

Das Problem ist ja nicht, dass ich nicht weiß, er ich bin, sondern dass ich es weiß. Ich weiß, dass ich vor einigen Jahren, am Gymnasium, ein sexuelles Intermezzo mit einem Jungen gehabt habe und dass es mir gefallen hat.

Nachdem ich mir das eingestanden habe, werde ich doch wieder nervös und beginne, die Matheformeln nur mehr abzukritzeln, als wirklich nachzuvollziehen. Stattdessen rufe ich mir jenen Schicksalhaften Moment in Erinnerung als Tobias damals nach dem Sport mit mir alleine in der Umkleide war, wir uns angesehen haben und dann in stiller Übereinkunft Dinge getan haben, die ich nun wirklich nicht noch einmal ausführlichst vor mir sehen möchte.

Andererseits war ich sehr jung und ich habe gelesen, dass man in so einem Alter solcherlei Erfahrungen sammelt. Junge mit Junge, Mädchen mit Mädchen. Wahrscheinlich hat auch Jonas schon mal einem Kerl einen runter geholt und wer weiß, was zum Beispiel das Mädchen vorne in der ersten Reihe schon alles mit ihrer Zunge erkundet hat.

Ich verdränge die Bilder und überlege mir, was das für meinen neuen Plan bedeutet. Kann ich mit diesem Wissen wirklich noch alles auf mich zukommen lassen? Ja! Aber möchte ich das? Keine Ahnung.

Ich versuche, mir Dominik nackt vorzustellen, was mir nicht gelingt. Einfach, weil ich mir dabei irgendwie schäbig vorkomme. Ein wenig fühle ich mich naiv. Es muss doch nachvollziehbar sein, ob ich in seiner Gegenwart Schmetterlinge im Bauch habe oder nicht. Oder wenigstens erkenntlich, ob meine Libido in Dominiks Nähe jubelnd aufschreit. Aber irgendwie will es mir nicht so ganz gelingen, meine Gefühlslage zu klären. Ich habe das Gefühl, keine Kontrolle mehr darüber zu haben. Und dazu kommt noch Jonas Aussage von gestern, nachdem ich ihn gefragt habe, ob er also glaubt, ich bilde mir nur ein, in Dominik verliebt zu sein, weil es alle sagen.

Das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass du am besten weißt, wer du bist.

Mein er damit, ich bin in Dominik verliebt und muss das nur mit mir selbst ausmachen? Ich sehe mich um, als könnten alle plötzlich meine Gedanken lesen. Oder sie schauen mich heimlich an, weil sie es sehen, so wie Jonas es sieht? Oder sieht er es gar nicht? Kann man jemanden überhaupt ansehen, ob er schwul ist? Und wenn, sieht man mir an, dass ich auf einen Jungen abfahre? Aber wenn alle anderen das sehen könnten, dann müsste ich es ja auch sehen können. Und ich sehe es nicht. Also bin ich wohl einfach nicht verliebt. So einfach ist das. Problem gelöst.

Natürlich ist das Problem damit nicht gelöst und ich weiß immer noch nicht, was ich denken soll. Unbewusst drücke ich so hart mit dem Bleistift auf, dass die Miene abbricht und in den Raum hüpft. Ich sehe ihr nach, obwohl ich sie eigentlich nicht sehen kann, weil sie viel zu klein ist. Trotzdem versuche ich, sie auf dem Boden auszumachen.

„Was starrst du so dämlich? Willst du den Flugwinkel berechnen?“ Irritiert blicke ich zu Jonas und merke erst jetzt, dass er mir einen anderen Bleistift unter die Nase hält. Er ist manchmal so aufmerksam. Ich bedanke mich und schreibe das letzt Wort zu Ende, ehe ich zu ihm rüberschiele. „Glaubst du, man sieht jemanden an, ob er schwul ist?“

Er wirft mir einen fragenden Blick zu. „Keine Ahnung,“ antwortet er dann, „Manchen sicher, aber vielen auch nicht.“

Ich nicke und kritzle einen schiefen Kreis auf mein Papier. „Und sieht man es mir an?“

Er verdreht die Augen. „Denkst du immer noch darüber nach?“, will er wissen und ich schüttle sofort den Kopf. „Nein. Also doch. Aber mir geht’s schon besser. Ich wüsste nur gerne, ob man mir etwas ansieht.“

„Wie soll man dir ansehen, dass du schwul bist, wenn du es gar nicht bist. Guck mal, du magst Mädchen doch eigentlich. Vielleicht bist du bi. Oder einfach hetero. Also was soll dieses Gelaber überhaupt?“

„Ich weiß nicht.“ Ich weiß es ehrlich nicht und irgendwie hat er ja Recht. Was soll all das überhaupt? Ich werde eh zu keinem Ergebnis kommen und ohne Dominik in meiner Nähe wohl erst Recht nicht. Und wo ist denn überhaupt mein Vorsatz hingekommen, alles auf mich zu kommen zu lassen?

Ich beschließe, sämtliche Gedanken, die mit diesem Thema zu tun haben, aus meinem Kopf zu verbannen und für den Rest des Tages systematisch zu verdrängen, wenn sie doch wieder auftauchen sollten.

Tatsächlich gelingt mir das ganz gut und als ich Abends nach Hause komme und mich für das Kino umziehen möchte, fühle ich mich wieder so frei und unbefangen, wie am Morgen, als ich aufgewacht bin.
 

Dominik kommt spät nach Hause und ist danach eine ganze Weile im Badezimmer beschäftigt. Ich hocke in der Zeit tatenlos rum, verdränge brav meine Gedanken und spiele mit einem Salzstreuer, bis er mir aus der Hand gleitet, auf den Boden fällt und auf geht. Mürrisch mache ich mich daran, Salz aufzukehren.

Als ich gerade dabei bin, die Salzpackung zu suchen, um den Streuer wieder aufzufüllen, tritt Dominik in die Küche.

„Ich bin fertig, wir können los. – Was machst du da?“

„Der Salzstreuer ist mir runter gefallen,“ gebe ich kleinlaut zu, aber er ignoriert einfach meine Blödheit und hilft mir, das Fläschchen zu halten, während ich es auffülle.

Ich kippe das Salz vorsichtig rein und mustere dabei sein höchst konzentriertes Gesicht, als wäre er es, der die schwierigere Aufgabe von uns beiden hätte.

Ich versuche, auf mein Bauchgefühl zu hören, nach Schmetterlingen zu suchen, die vielleicht doch irgendwo herumgeistert, aber nichts geschieht. Plötzlich blickt er auf, sieht mir genau in die Augen und ich zucke enttarnt zusammen, so dass wieder ein wenig Salz auf den Boden fällt. Er muss schmunzeln. „Du kannst auch gar nichts,“ höre ich ihn sagen, aber es klingt ziemlich weit weg. Ich merke, wie ich ihn anstarre, als er den Salzstreuer verschließt und wegstellt. Erst, als er mir die Salzpackung aus der Hand nimmt, komme ich wieder zu mir.

„Erde an Jasper. Können wir dann gehen?“ Ich nicke und versuche, mich zusammen zu reißen. Wo ist meine innere Ruhe hin? Gerade war sie noch da! Jetzt ist sie weg, begraben im Müll, unter einem Berg von dämlichem Salz.
 

Ich hole unsere Karten, während Dominik sich bereits in der Schlange vor dem Kiosk anstellt, um Popcorn für uns zu ergattern. Langsam aber sicher beruhige ich mich wieder, ärgere mich aber darüber, dass ich es einfach nicht gut sein lassen kann. Mit dem Vorsatz, den restlichen Abend lang nicht mehr über Dominik nachzudenken, trete ich zu ihm und reiche ihm eine der Karten.

„Hier wird es noch ewig dauern. Die Oma da vorne gibt gerade eine Massenbestellung für ihre fünf Enkel auf,“ mault er und ich grinse. So lange dauert es dann gar nicht und endlich sind wir dran. Während Dominik bestellt, sehe ich mich um und entdecke eine Gruppe Mädchen von der Uni. Als sie sehen, dass ich zu ihnen blicke, beginnen sie dämlich zu kichern und eine winkt mir sogar zu. Hastig wende ich mich ab und renne fast Dominik um, der mir eine kleine Tüte Popcorn unter die Nase hält.

Ich nehme sie ihm dankend ab und wir machen uns auf dem Weg zum Kinosaal. Ein wenig haben wir noch, bis die Vorstellung beginnt.

„Flirtest du schon wieder?“, erkundigt er sich belustigt und ich ziehe eine Schnute. „Ne, heute garantiert nicht. Ich hab die Schnauze voll von diesem ganzen Gefühlschaos,“ maule ich und lasse mich auf meinem Platz nieder. Er setzt sich neben mich und wuselt umständlich mit seinem Getränk und seinem Popcorn herum, bis ich ihm behilflich bin.

„Stimmt, du hast gesagt, du würdest jetzt alles auf dich zukommen lassen,“ nimmt er das Gespräch wieder auf, als er sitzt und ich nicke und werfe ihm einen flüchtigen Blick zu. Kann er mir mal sagen, wie ich die Sache ruhen lassen soll, wenn er wieder damit anfängt?!

„Ja, genau,“ murmle ich und stopfe mir Popcorn in den Mund, um nicht weiter darüber reden zu müssen. Aber er scheint gar nicht vorzuhaben, das Gespräch länger auszudehnen, denn er erzählt mir von den Kritiken, die er über den Kinofilm, den wir uns ansehen wollen, gefunden hat.

„Meistens hieß es, er sei echt gruselig,“ erläutert er mir und das beruhigt mir gar nicht. Ich weiß, er steht auf Horrorfilme und ich bin ja auch ein netter Mensch und habe ihm die Wahl des Films überlassen, aber ich dachte, er hätte sich vielleicht einen rausgesucht, den auch ich ohne Herzinfarkt überleben könnte.

„Na toll,“ murre ich und rutsche bereits jetzt unruhig auf meinem Sitz hin und her. Wenn ich doch schwul wäre, müsste ich wohl Dominik in unserer Beziehung dominieren lassen, weil ich nämlich eine absolute Memme bin.

Als hätte er meine Gedanken erraten, meint er: „Keine Angst, ich beschütze dich.“

Ich muss lachen, was er mir übel nimmt, weil er mich böse anguckt, aber sein Gesicht entspannt sich gleich wieder und er meint: „So schlimm ist der Film auch nicht, keine Bange.“

Beruhigter widme ich wieder meinem Popcorn und bin gerade dabei, mich zu entspannen, als die Gruppe Mädchen in den Saal kommt und sich ausgerechnet vor uns niederlässt. Sofort dreht sich die eine, die mir vorhin schon gewunken hatte, zu uns um und lächelt mich nett an.

Ich blicke zu Dominik, der wiederum mich fragend anblickt. „Vielleicht ist das Schicksal und du solltest es auf dich zukommen lassen,“ meint er und wedelt dabei beschwörerisch mit den Armen herum, als wäre er irgend ein Medium oder Orakel oder so was. Obwohl, eigentlich sieht er eher aus wie ein Tintenfisch.

„Ne,“ meine ich mit fester Stimme und das Mädchen wendet sich enttäuscht um. Erst jetzt wird mir bewusst, dass sie die ganze Zeit zugehört haben muss und ich blicke schuldbewusst ihren Rücken an, aber nun ist es zu spät. Dominik grinst neben mir vor sich hin und ich habe das Gefühl, dass ihn das Ganze ziemlich amüsiert. Erneut frage ich mich, wie es eigentlich um seine Gefühle mir gegenüber steht.

Er blickt auf sein Handy und verkündet mir, dass es noch zehn Minuten dauern würde, bis der Film anfängt. Genug Zeit also, um mich für mein Benehmen, dem Mädchen gegenüber, zu schämen.

Missmutig stopfe ich mir Popcorn in den Mund und verschlucke mich an einem Stück, so dass ich fast ersticke, während Dominik mir unbeholfen auf den Rücken hat, dass ich Angst habe, er bricht mir das Rückrat.

Ich denke gerade, dass es die Strafe Gottes für mein unmögliches Benehmen ist, als drei Jungs zu den Mädchen stoßen. Empört beobachte ich das Mädchen, dass mich gerade noch angeflirtet hat, dabei, wie sie einem der Kerle einen Kuss gibt und ihm sagt, sie hätte schon Angst gehabt, er würde sie versetzen.

„Voll die Fotze,“ meint Dominik neben mir und ich blicke ihn entsetzt an. „Solche Wörter aus deinem Mund,“ wundere ich mich und er zuckt die Schultern und klaut sich mein Popcorn, weil er seins bereits leer gegessen hat. „Wie verfressen bist du eigentlich?“, will ich wissen und er zuckt nur mit den Schultern.

„Wer hat dir überhaupt erlaubt, ein Popcorn zu essen?“, frage ich dann und er blickt mich kurz reuevoll an, meint dann aber schelmisch: „Ich habe es gefragt, ob ich es essen darf und es war hocherfreut, dass es in meinem satt in deinem Magen landen wird.“

„Na danke auch,“ murre ich, gehe dann aber auf seinen Scherz ein: „Nicht mal mein Popcorn will etwas mit mir zu tun haben.“

Er grinst belustigt und ich stelle die Tüte in die Mitte und hoffe, er lässt mir wenigstens ein paar Krümel übrig.

Dann beginnt zumindest schon mal die Werbung und ich werde langsam nervös, weil ich wirklich, wirklich, wirklich keine Horrorfilme mag. Dominik hingegen hibbelt neben mir erfreut auf seinem Platz herum und kann es gar nicht erwarten, dass es endlich losgeht. Vielleicht sind wir ja auch aus Versehen im falschen Film gelandet. Was wäre das nur tragisch.

Meine Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt, als sie die Vorschau für andere Filme bringen, die genauso düster und gruselig sind, wie es der eigentliche Film gleich sein wird.

Ich will mich gerade in tranceähnlichen Zustand versetzt, um den Film nicht miterleben zu müssen, als sich das Mädchen wieder zu uns umdreht. „Hey, ich kenn dich von der Uni oder?“

Ich bin fassungslos, dass sie mich in der Gegenwart ihres Freundes anspricht und so anlächelt, dass es einfach nur als Flirten durchgehen kann und nicke mechanisch. „Dachte ich mir, dass ich dich ein paar Mal gesehen haben,“ sagt sie und lächelt kokett und ihr Freund wirft mir einen bösen Blick zu. Gott sei Dank, dreht sie sich wieder um und dann beginnt auch endlich der Film und ich vergesse sie und das Popcorn und das einzige, was jetzt noch interessant ist, sind meine Augenlider, weil ich die Augen die meiste Zeit geschlossen halte.

Dominik scheint der Film gar nicht zu jucken. Er isst mein Popcorn zuckt ab und an zusammen, grinst danach aber, als wäre es total lustig und sieht flüstert mir ab und an ins Ohr, ich soll doch aufpassen, weswegen ich jedes Mal zusammen zucke, weil er mich damit erschreckt.

Außerdem merke ich zum ersten Mal eine körperliche Reaktion auf ihn, seit der Sache mich dem Kuss. Immer dann, wenn er mir etwas ins Ohr flüstert, spüre ich seinen Atem an meiner Wange, seine Haare, die meinen Hals kitzeln und höre seine Stimme, die rauchig klingt, wenn er flüstert. Ich nehme sogar seinen Geruch wahr, eine Mischung aus irgendeinem Parfum, Duschgel und ihm selbst.

Als er sich zurückzieht, schließe ich meine Augen sofort wieder, jetzt allerdings, um das ganze noch mal zu erleben. Er tut mir den Gefallen und flüstert mir kurze Zeit später ins Ohr: „Sei nicht so ein Angsthase.“ Ich öffne die Augen und sehe ihn empört an und hab sein Gesicht nun genau vor mir. Unsere Nasen stoßen aneinander und er zieht sich nicht zurück. Ich mich leider auch nicht. Mehr passiert aber nicht. Nach einer kurzen Weile blickt er wieder auf die Leinwand und ich tue es ihm gleich und sterbe fast vor Angst.

Ablenkung suchend wühle ich in der Tüte nach Popcorn und muss feststellen, dass sie ebenfalls bereits leer ist. Dabei habe ich schon eine große Tüte genommen. Was ist er? Ein Müllschlucker?

Mangels Popcorn, suche ich meinen Händen eine andere Beschäftigung und kralle sie einfach in die Lehne des Sitzes. Irgendwann zucke ich mächtig zusammen, als Dominik seine Hand unangekündigt auf meine legt. Erst denke ich, das ist die plumpste Anamache der Welt, aber dann erkennen ich, dass er mich nur beruhigen will und irgendwann presse ich seine Hand so fest, dass er sie sicher nie wieder bewesen werden kann.

Irgendwann ist der Film endlich aus und ich danke Gott, dass ich noch lebe. Dominiks Hand löst sich aus meiner, gerade rechtzeitig, bevor das Licht angeht und es irgendjemand sehen und falsche Rückschlüsse ziehen kann.

Wir stehen auf, um unsere Jacken anzuziehen und ich bin dabei wieder den Flirtversuchen des Mädchens ausgesetzt, dass gerade noch ihren Kerl die Zunge in den Hals gesteckt hat.

„Alter, Moni, was willst du ständig mit diesem Typen?“, fragt ihr Freund irgendwann genervt und sie zuckt mit den Schultern. „Sei doch nicht so eifersüchtig, Luki.“

Ich frage mich, wie er mit einem Mädchen zusammen sein kann, dass seinen so dermaßen verschandelt. Luki jedenfalls ist ziemlich eifersüchtig, denn er mustert mich böse von oben bis unten und blickt dann zu Dominik, den ich kurzzeitig ganz vergessen habe.

„Hey, bist du nicht der Typ, der mit einem der Professoren fickt?“, fragt er und Dominik blickt ihn an wie ein geprügelter Hund. Ich warte darauf, dass er sich verteidigt oder irgendetwas anderes dazu sagt, aber dass macht er nicht, weswegen ich die Initiative ergreife.

„Da bist du aber nicht up to date,“ informiere ich den Kerl keck. „Weil er nämlich jetzt mit mir fickt.“

Das Ganze wirkt in sofern, dass der Kerl uns angewidert anguckt und sich dann wegdreht, während das Mädchen jammert, dass alle heißen Kerle entweder schwul oder vergeben sind. Ich frage mich, wie lange die Beziehung der Beiden noch funktionieren wird, ehe er sie qualvoll umbringt.

Dominik steht unsicher neben mir und fummelt an seinem Jackenärmel herum, während ich meine Jacke zu knöpfen. „Jasper,“ murmelt er irgendwann und möchte sicher noch mehr sagen, aber ich komme ihm zuvor: „Erzählen doch eh alle rum und es hat zumindest gefruchtet.“

„Ich glaube nicht, dass Jonas gemeint hat, du sollst selbst Gerüchte in die Welt setzen, als er meinte, du sollst es auf dich zukommen lassen,“ murmelt er und ich grinse und wende mich ihm zu. „Vielleicht beschere ich dir heute noch die Nacht deines Lebens – also woher willst du wissen, ob es nur Gerüchte sind?“, ärgere ich ihn und er wird knallrot. Ich grinse vergnügt und schiebe ihn Richtung Ausgang.
 

Dominik ist sehr still, während wir auf dem Rückweg sind. Ich weiß nicht genau, woran es liegt. Stört es ihn, dass ich das zu dem Kerl gesagt habe oder hat er jetzt Angst, ich habe meine letzte Aussage Ernst gemeint. Vielleicht hofft er auch, ich habe sie ernst gemeint. Wo sich wiederum die Frage stellt, ob ich sie ernst gemeint habe.

Als wir zu Hause ankommen, schließe ich die Wohnungstüre auf und lasse ihm den Vortritt. „Jasper,“ meint er wieder, kaum dass sich die Türe hinter uns geschlossen hat und ich sehe ihn fragend an.

Er spielt schon wieder nervös an seiner Jacke herum und ich mustere ihn abwartend. Letztlich seufzt er und meint: „Du verwirrst mich immer so.“

Ich muss lächeln und gehe einen Schritt auf ihn zu, was ihn zusammenzucken lässt. „Weißt du, wie sehr du mich verwirrst? Die ganze Zeit schon? Ich finde es nur fair, wenn ich dich auch mal ein wenig verwirre.“

Er hebt den Blick nur kurz und ich spüre erneut diese Nähe zwischen uns, die ich in dieser einen schicksalhaften Nacht bereits gespürt habe. Würde ich ihn jetzt küssen, würde ich es mir eingestehen müssen und danach wäre nichts mehr, wie es einmal war. Aber ist es wirklich Liebe oder ist es einfach nur diese seltsame Nähe, die nur ab und an zwischen uns aufkommt, so wie eben jetzt?

Er blickt mich fragend an und ich seufze, um die Stille zu durchbrechen. „Nimm es nicht so schwer, Dominik. Ich wollte ihm nur sein Maul stopfen und es hat geklappt. Sie reden eh die meiste Zeit über uns, also warum nicht auch jetzt?“

Er möchte etwas erwidern, was wahrscheinlich mehr Sinn ergeben wird, als mein Fazit, aber er lässt es dann doch.

„Pizza?“, frage ich ihn und als er nickt, stürme ich davon, um den Flyer zu holen und so ein paar Meter Abstand zwischen uns zu erzeugen, ehe meine Hormone wieder verrückt spielen – aus ganz und gar lächerlichen Gründen.

Deswegen traue ich mich auch erst wieder in seine Nähe, als die Pizza da ist und wie zu erwarten ist der Zauber des Augenblicks verfolgen und ich fühle in seiner Nähe nichts, was über Freundschaft hinausgeht. Ich weiß nicht, wie es bei ihm ist, aber auch er benimmt sich ziemlich normal, scherzt und klaut mir ein Stück Pizza.

„Du isst so viel momentan. Sicher, dass du kein Mädchen bist und vielleicht schwanger oder so?“

Er lacht auf und beißt genüsslich von dem Stück ab, aber zu meiner Beruhigung lässt er dann doch eines von seinen Stücken auf dem Karton zurück, was ich mir letztlich unter den Nagel reiße.
 

Am nächsten Morgen scheint es, als wäre nie etwas gewesen, dass unsere Gefühle verwirrt haben könnte. Und auch die nächsten Tage ist es zwischen uns recht normal. An der Uni habe ich von meiner Ansage, dem Kerl gegenüber, auch nicht viel mitbekommen. Entweder hat es keinen mehr überrascht, ein derartiges Gerücht über uns zu hören, oder aber er und der Rest der Bande haben nichts zu jemand anderem gesagt.

Wegen all dem beginne ich langsam, Jonas Rat wirklich zu verfolgen und mir nicht zu viele Gedanken über Dinge zu machen, die sich mit Sicherheit eh noch klären werden.

Mein Hochgefühl hält bis Mitte der Woche, dann aber sinkt es tief herab, als ich mich nach einer Vorstellung mit Jonas unterhalte und mich dabei ständig einem missbilligenden Blick ausgesetzt fühle, den mir ein Junge zuwirft, den ich nicht wirklich einordnen kann, obwohl er mir bekannt vor kommt. Er steht wie wir im Gang und unterhält sich mit einem anderen Typen, den ich nur von hinten sehen kann.

Irgendwann muss er wohl bemerkt haben, dass ich seinen Blick bemerkt habe, denn er sagt etwas zu seinem Gesprächspartner und als der sich daraufhin umdreht, erkenne ich den Jungen aus dem Kino wieder. Nun kann ich auch den anderen zuordnen: Auch einer aus der Truppe.

Beiden grinsen mich bescheuert an und Jonas bemerkt, dass ich abgelenkt bin und zieht fragend die Brauen hoch und folgt kurz meinem Blick.

„Wer ist das?“, fragt er und ich erkläre ihm kurz, was im Kino vorgefallen ist.

„Bist du bescheuert? Weißt du, wie lange es gedauert hat, allen klar zu machen, dass du nicht mit Dominik zusammen bist? Und dabei war es noch Leon, der den meisten Leuten den Kopf gewaschen hat,“ rügt er mich.

Ich seufze und versuche, ihm klar zu machen, dass ich etwas Blödes sagen musste, nachdem er die Sache mit dem Professor wieder aufgewärmt hat. Aber meine Verteidigung zieht nicht richtig und mir wird klar, dass es wohl auch etliche andere Wege geben hätte, dem Kerl das Maul zu stopfen.

„Naja, egal. Jetzt ist es eh geschehen,“ murrt Jonas und flucht vor sich hin, während wir uns auf den Weg zur Aula machen.

Als wir an den beiden Jungen vorbei kommen, höre ich einen der Beiden „Schwuchtel“ sagen, aber es geht mir am Arsch vorbei. Jonas hingegen sieht aus, als würde er ihm gleich eine reinhauen und deswegen schiebe ich ihn schnellsten weiter.

„Was ist denn jetzt mit dir los?“, frage ich ihn und er zuckt mit den Schultern. „Ich kann es nicht leiden, wenn jemand so was sagt. Du weißt, meine Schwester und überhaupt.“

Ich nicke und seufze und frage mich, wie blöd ich eigentlich war.

Letztlich kommen wir in der Aula an, der Typ ist vergessen und wir können in Ruhe unseren Kaffee trinken.
 

Ich glaube gerade, dass der Tag trotz des Zwischenfalls noch gut werden könnte, als ich nach Hause komme und eines besseren belehrt werde.

Das erste, was ich höre, nachdem ich die Türe aufgeschlossen habe, ist ein unterdrücktes Schniefen. Ich gehe diesem auf den Grund und finde Dominik im Wohnzimmer wieder, wo er sich seine Soaps anguckt und dabei vor sich hin heult.

„Alles okay?“, frage ich, in der leisen Hoffnung, dass vielleicht nur gerade eine Hauptfigur gestorben ist, aber er schüttelt den Kopf und ich lasse mich notgedrungen neben ihm nieder.

„Was ist denn passiert?“, frage ich ihn und er sieht mich gequält an. „Das ist alles deine Schuld!“, ruft er dann und boxt mir unsanft gegen den Arm.

Die Party

Ich bin geneigt, ihn anzugehen, aber ich beherrsche mich und umfasse seine Faust, ehe er mir noch mal irgendwohin boxen kann. Sanft zwinge ich ihn, die Hände runter zu nehmen, ehe ich ihn bitte, mir zu sagen, was los ist.

„Na was wohl?“, murrt er und Tränen quellen wieder aus seinen Augen hervor. „Wegen deiner blöden Ansage im Kino hat mir heute die halbe Uni ‚Schwuchtel’ nachgerufen.“

Ich blinzle. „Aber das bist du ja auch.“

Ihm klappt der Mund auf und ich verbessere mich schnell: „Ich meine, du bist schwul. Und nur weil die es nicht akzeptieren können, solltest du nicht weinen.“ Sanft wische ich ihm eine Träne von der Wange. „Das sind doch alles Idioten, Domi,“ meine ich und ziehe ihn in meine Arme, wo er ungehemmt meine Schulter voll heult.

„Schau mal, du solltest stolz auf das sein, was du bist, weil du toll bist. Ganz egal, was die anderen auch gemeines zu dir sagen, ja?“, meine ich und streiche sanft über seinen Rücken.

Er löst sich von mir und blickt mich böse an. „Und das sagst ausgerechnet du?“, will er wissen und ich senke betrübt den Blick. „Was willst du denn damit sagen?“, frage ich ihn, obwohl ich es eigentlich ganz genau weiß.

„Du bist doch der, der nicht zu dem stehen will, was er ist,“ murmelt er und bereut sicher bereits während er es ausspricht, was er da sagt. Zumindest senkt er daraufhin schuldbewusst den Blick und nuschelt: „Sorry, das war blöd.“

Ich lasse ihn los und weiß nicht, was ich darauf erwidern soll. „Domi,“ beginne ich, aber mir fällt partout nichts ein, mit dem ich meinen Satz beenden könnte. „Schon gut, Jasper. Ich weiß, dass war alles ein Versehen und das du vielleicht ein wenig Zeit brauchst, um dir über gewisse Dinge klar zu werden und…“, plappert er, aber nach einer Weile schalte ich ab, während er sich noch immer für seine unbedachte Äußerung rechtfertigt. Irgendwann ziehe ich ihn einfach wieder in meine Arme, halte ihn fest, rieche den vertrauen Geruch, der mir im Kino schon so aufgefallen ist und seufze leise. Er verstummt.

„Jasper?“, fragt er und ich wiege uns beide hin und her. „Du machst alles so wahnsinnig kompliziert,“ flüstere ich so leise, dass ich nicht weiß, ob er es überhaupt verstanden hat.
 

Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Genau wie damals in der Schule ein anderer Junge meine Gefühle kurzzeitig verwirrt hat, verwirrt momentan Dominik diese. Und genau so schnell, wie diese Sache sich vor ein paar Jahren wieder erledigt hatte, wird sich auch diese Sache mit Dominik wieder erledigen.

Klingt logisch, ist logisch. Zumindest rede ich mir das ein, denn ich habe das Gefühl, dass ich damals wesentlich weniger Gefühle hatte, als jetzt. Wenn ich damals neben Geilheit überhaupt irgendein Gefühl besessen habe.

Aber immerhin bin ich jetzt auch reifer und dementsprechend macht man sich um solche Dinge eben mehr Gedanken und nachdem ich Dominik als Person sehr schätze und ihn gerne zu meinem Freund (Freund im Sinne von guten Kumpel) habe, ist es ja wohl auch klar, dass ich Gefühle für ihn habe. Jonas und Leon gegenüber bringe ich ja auch ein gewisses Maß an Gefühlen entgegen. Vielleicht sollte ich also endlich aufhören, mir ständig so viele Gedanken zu machen und Dominik einfach vergessen. Zumindest vergessen in dem Sinne, ob ich nun mehr von ihm will oder nicht. Er ist einfach nur ein Kumpel, wie jeder andere Kerl in meinem Leben auch.

Mädchen sind auch viel zu heiß, um auf sie zu verzichten. Ich weiß genau, dass ich Mädchen mag. Da kann auch Dominik nichts dran rütteln. Man denke nur an Maria, die ich fast in der Bar flachgelegt hätte. Solche Gefühle kann man sich doch nicht einreden. Ich liebe Mädchen. Nicht Dominik. Und wenn, dann nur ganz wenig.

Mit dieser Überzeugung ist es einfach, durch den Tag zu kommen, in dessen Verlauf ich Dominik unweigerlich begegnen muss. Das geht auch eine ganze Weile gut, auch, weil Domi wohl selbst keine Lust hat, sich mir zu nähern.

Was mich allerdings erneut zu der Frage bringt, was Dominik eigentlich für Gefühle für mich hat. So wirklich schlau werde ich aus ihm nicht. Mal denke ich, er ist total verknallt in mich und dann tut er wieder so, als wäre da gar nichts zwischen uns. Wie soll ich denn meine eigenen Gefühle verstehen, wenn ich nicht mal seine verstehen kann?

Er ist doch schwul. Er sollte klare Verhältnisse schaffen, wenn er schon einen armen Jungen in solch ein Chaos stürzt. Er sollte sagen, er will mich oder nicht. Wenn er mich nämlich gar nicht will, dann ist es doch eigentlich irrelevant, was ich will. Und wenn er mich will, dann kann ich mir ja immer noch Gedanken machen, ob es gegenseitiger Natur ist. Es ist also alles Dominiks Schuld. Und er trägt somit die Verantwortung. Ich sollte also gar nichts mehr machen, nichts tun, nichts denken, nur noch abwarten und sehen, ob er irgendwann mal noch eine Reaktion zeigt oder nicht.
 

Auf diesem Stand vergeht eine weitere Woche, ohne dass Dominik und ich uns noch einmal sonderlich nahe kommen. Ich vermisse diese intimen Momente zwar irgendwie, bin aber hauptsächlich froh, mal ein paar Tage ohne größere Gefühlsverwirrungen zu überstehen. Dominik scheint auch nicht unbedingt unzufrieden damit zu sein, zumindest beschwert er sich nicht und ist recht locker drauf. Wir unterhalten uns, schauen zusammen seine schreckliche Soap, in der jeden Tag das gleiche passiert, und scherzen miteinander.

Folglich fühle ich mich am Freitag auch dafür bereit, mich wieder unter Mädchen zu trauen, die eventuell meine große Liebe sein könnten. Das ist der Grund, warum ich sofort zusage, als mich Jonas fragt, ob ich am Samstag mit auf einer „super angesagte“ Party gehen möchte.

Somit finde ich mich Samstagabend im Bad wieder und style meine Haare, als Dominik dieses betritt.

„Was machst du?“, fragt er verwirrt, als wäre es nicht offensichtlich, dass ich mich zum Ausgehen fertig mache. Ich habe ganz vergessen ihm zu sagen, dass ich heute zu einer Party gehen werde und sofort schleicht sich ein schlechtes Gewissen bei mir ein, ihn nicht gefragt zu haben, ob er mit will. Ich weiß, Dominik mag keine Partys und ich weiß, er hat immer Angst, unter so viele Leute zu gehen, von denen ein Großteil aus der Uni stammt, aber ich hätte trotzdem fragen sollen.

„Ich gehe mit Jonas und Leon zu einer Party,“ erläutere ich ihm und beiße mir schuldbewusst auf die Lippe. Er nickt langsam und murmelt ein „Achso“, ehe er sich wieder abwendet, um das Bad zu verlassen.

„Willst du mit?“, schleudere ich ihm hastig entgegen, ehe er sich beleidigt zurückziehen kann. Ich weiß nicht, ob es ihn wirklich stört, dass ich ihn nicht gefragt habe, aber ich weiß, dass es mich stört. Ich hätte einfach daran denken müssen, aber nein, ich war ja zu sehr darauf fixiert gewesen, meine Traumfrau zu finden.

„Du musst mich nicht immer mitschleifen,“ wehrt er nur ab, bleibt aber zumindest im Türrahmen stehen, statt wegzulaufen.

„Will ich aber. Du gehst zu wenig unter Leute und ich habe dir ja schon mal gesagt, dass ich das nicht gut finde und dich gerne öfter mitnehmen möchte,“ entgegne ich und wage mich so weit vor, ihn am Arm wieder ins Bad zu ziehen. Schon steht er neben mir vor dem Spiegel und ich überreiche ihm feierlich sein Glätteisen.

Er starrt darauf, ohne Anstalten zu machen, es zu benutzen.

„Hör mal, wenn du mich nicht dabei haben willst, ist das auch in Ordnung,“ murmelt er leise neben mir und ich werfe ihm einen fragenden Blick zu.

„Wie kommst du auf die Idee, ich würde dich nicht dabei haben wollen?“ empöre ich mich.

„Wenn ich dich nicht darauf angesprochen hätte, hättest du wahrscheinlich gar nicht gefragt. Und ich bin eh immer nur im Weg. Entweder, du fühlst dich gezwungen, dich mit mir abzugeben oder hast ein schlechtes Gewissen, weil ich nur dumm in der Ecke stehe. Ganz zu schweigen von all den Idioten dort, denen du sowieso die Meinung geigen wirst, wenn sie mich auch nur blöd angucken. Das kann doch gar keinen Spaß machen,“ schlussfolgert er und ich bin fassungslos.

„Was redest du dir denn da für eine Scheiße ein?“, platze ich auf und wirble zu ihm herum, so dass er zusammen zuckt. „Habe ich mich je beschwert?“, gehe ich ihn an. „Habe ich je gesagt, das stört mich oder schlimmer: Du störst mich? Nie! Ich mach das doch gerne und ich habe dich auch gerne dabei!“

Er sieht mich an, mit einer Mischung aus Scham, Angst und irgendetwas anderem, dass ich nicht klar definieren kann.

„Aber… So lernst du ja keine Mädchen kennen.“ Es ist nur ein Nuscheln, aber ich verstehe es ganz genau. Leider weiß ich darauf nichts zu erwidern. Bis eben wollte ich eigentlich ein Mädchen kennen lernen, aber kaum dass Dominik auf der Bildfläche erscheint, ist es selbstverständlich für mich, die Zeit mit ihm zu verbringen.

Er muss mein Schweigen wohl richtig deuten, denn er meint: „Siehst du. Ich bin dir nur eine Last. Ich bleibe zu Hause.“

Als er sich wieder zum Gehen wendet, halte ich ihn erneut fest. Fragend blickt er mich an, aber ich weiche seinem Blick aus. „Ich kann schon auch ein Mädchen kennen lernen, wenn du dabei bist. Und jetzt fang endlich an, deine Haare zu glätten,“ bitte ich ihn tonlos.
 

Als wir wenig später zusammen bei Jonas und Leon erscheinen, ist es nicht so, als wären diese groß überrascht. Ich habe zwar mit keiner Silbe erwähnt, dass ich Dominik mitbringen möchte, aber offenbar ist es für sie mittlerweile selbstverständlich. Ich weiß nicht so genau, wie ich mit dieser Erkenntnis umgehen soll. Es ist fast, als gäbe es ihn und mich nur noch im Doppelpack. Aber so sollte es ja auch sein, wir sind gute Kumpels, Mitbewohner… wir sollten viel zusammen unterwegs sein.

Ein wenig habe ich zwar Angst, dass der Rest der Partygesellschaft es weniger positiv auffassen könnte wie die Beiden, aber wenn, dann werde ich ihn eben nicht kurzzeitig alleine lassen, um mich nach einem Mädchen umzusehen. Was soll’s. Es ist ja nicht so, als wäre es die letzt Party meines Lebens und somit die letzte Gelegenheit, Mädchen kennen zu lernen.

Die Party findet in einem Club statt, denn irgendjemand von der Uni gemietet hat. Ich finde so etwas immer ziemlich arrogant. Seht her, ich habe Geld, ich kann mir einen ganzen Club mieten. Wüsste ich es nicht besser, würde ich sagen, es wäre Ann-Kathrins Party, aber dem ist nicht so. Ich kenne denjenigen, der die Party organisiert hat, gar nicht.

Wir kommen alle ohne Probleme rein, nachdem wir unseren Studentenausweis vorgezeigt haben und finden uns auch schon in einer riesigen Partymeute wieder, die zu wirklich grässlicher Musik abtanzt.

Ich sehe mich um, erkenne aber niemanden, den ich kenne und beschließe, mich deshalb erst Mal mit Dominik zur Bar vorzukämpfen. Leon ist bereits verschwunden, kaum dass wir eingetreten sind und Jonas folgt uns nach kurzem Zögern.

Während wir auf unsere Getränke warten, nutzen wir die Zeit, von der Bar aus die Lage zu checken. Nun sehe ich doch ein paar mehr oder minder bekannte Gesichter und auch Jonas entdeckt bald eine Gruppe Mädchen, zu denen er sich auch schon gesellt. Manchmal frage ich mich, wie ein so sanftmütiger, netter Kerl gleichzeitig so geil sein kann. Aber vielleicht liegt es auch einfach daran, dass die Mädchen, für die er sich interessiert, ihn eine ganze Weile mögen und dann einfach fallen lassen. So war es zumindest schon immer und ich kann mir vorstellen, dass ihn so langsam aber sicher einfach ankotzt.

Dominik spielt neben mir mit einem Eiswürfel in seinem Colaglas, ohne die Freuden des Partylebens groß mit mir teilen zu wollen. Ich werfe noch ein paar suchende Blicke in die Runde, aber als kein wirklich interessantes Mädchen zu erkennen ist, wende ich mich doch wieder ihm zu.

„Noch keine entdeckt?“, errät er meine Gedanken und ich schüttle nur den Kopf, ehe ich mich meinem Bier zuwende. Es schmeckt nicht gut, viel zu bitter. Ich hätte mir einen Cocktail holen sollen, aber davon bin ich immer recht bald recht unzurechnungsfähig.

„Vielleicht kommen ein paar Mädchen zu dir, wenn ich gehe?“, überlegt er und ich werfe ihm einen bösen Blick zu. „Dominik, ich muss heute nicht unbedingt ein Mädchen kennen lernen. Ich weiß nicht, warum das nicht in den hübsches Köpfchen geht.“

Er wird rot und ich könnte mich schlagen. Ich sollte aufhören, so etwas zu sagen, wo die Dinge doch zwischen uns neuerdings so kompliziert geworden sind.

Er spielt wieder mit seinem Colaglas und ich sehe ihm eine Weile schweigend dabei zu, während ich ab und an unauffällig zur Tanzfläche schiele, ob nicht doch ein interessantes Mädchen dort erscheint.

Es ist auch nicht wirklich so, als wären da nur hässliche Weiber unterwegs. Einige sind ganz hübsch, aber ich finde trotzdem etwas an ihnen auszusetzen. Bei einer weiß ich, dass sie jede Nacht einen anderen Kerl hat, die andere hat zu große Brüste, die nächste zu kleine, dann ist dort eine, die auch eine Nutte sein könnte, so knapp wie ihr Rock ist und die andere scheint das totale Mauerblümchen zu sein, so zugeknöpft, wie sie rum läuft.

Seufzend wende ich mich ab und errege so wieder Dominiks Aufmerksamkeit. Er sagt nichts, sieht mich aber abwartend an und weil Jonas nicht da ist, kotze ich ihm letztlich tatsächlich mein Seelenleid vor die Füße.

„Ich habe das Gefühl, alle Mädchen sind über Nacht scheiße geworden. Es ist wirklich nicht so, als würde ich sie nicht attraktiv finden, aber etwas stören tut mich an jeder einzelnen.“

„Hast du nicht gesagt, du willst heute kein Mädchen kennen lernen?“, entgegnet er nur wenig hilfreich, aber ich muss dennoch schmunzeln, schüttle den Kopf und drehe meine Bierflasche zwischen den Händen.

„Wie sieht es eigentlich bei dir aus?“, frage ich ihn und fummle am Etikett der Falsche herum, bis es letztlich abreißt. „Mit mir?“ Er kann mir offensichtlich nicht folgen und ich mache eine unsichere, umschweifende Handbewegung über die Tanzfläche. „Kein hübscher Junge hier?“

Ich weiß, damit wage ich mich ziemlich weit vor, aber ich muss es einfach wissen. Er kann nicht ewig so tun, als wenn er sich über seine Gefühle nicht klar ist. Im Gegensatz zu mir weiß er sicher längst, ob er sich etwas zwischen uns vorstellen könnte oder nicht. Ich weiß, dass das stimmt, vor allem, als er mit regungsloser Miene einen flüchtigen Blick über die Menge schweifen lässt und letztlich verlegen sein Glas anschaut.

„Nein,“ erwidert er kurz angebunden.

„Du hast gar nicht richtig geguckt,“ beharre ich und deute auf einen Kerl, der am anderen Eck steht und sich dort mit einem Mädchen unterhält, von dem er offensichtlich nichts will. Keine Ahnung, ob er schwul ist oder einfach nicht interessiert, aber er muss jetzt herhalten. „Was ist mit dem dort?“

Dominik dreht sich mit gequälter Miene um und blickt notgedrungen in die Richtung, die ich zeige. „Der, der sich so unbeteiligt mit einem Mädchen unterhält?“, fragt er nach und ich nicke. „Ich glaube nicht, dass er schwul ist,“ meint er dann und wendet sich ab.

„Und wenn doch?“, hake ich nach. Domi verdreht die Augen, sagt aber nichts mehr. Ich rutsche unruhig auf meinem Barhocker herum, als er plötzlich meint: „Versuchst du etwa, mich zu verkuppeln?“

Hastig schüttle ich den Kopf. „Ich will nur wissen, wie dein Beuteschema aussieht,“ gebe ich zu und er verdreht die Augen. „Beuteschema,“ meint er verächtlich. „Ich kann dir versichern, mein Verschleiß hält sich im Gegensatz zu deinem in Grenzen.“

Ich schnaube, weil ich mir diesen Schuh nicht anziehen will. Das mit Maria, das wäre mehr als eine einmalige Sache geworden, wenn sie nicht so blöd gewesen wäre und die Sache mit Stefanie ist seine Schuld!

„Deswegen musst du trotzdem einen Typ haben, auf den du stehst,“ lasse ich mich von seiner Ansage nicht provozieren und er funkelt mich wütend an. „Man, Jasper!“, beschwert er sich und wendet sich ab. Ich blicke auf das lose Etikett und zerknülle es genervt. Ich weiß gar nicht, warum ich genervt bin. Wegen seinem Verhalten? Eigentlich nicht. Vielleicht eher wegen meinem Verhalten. Aber gut, wenn er nicht mit mir reden will, soll er es eben lassen. Ich werde auch nicht weiter nachfragen, ich mache mich doch nicht gänzlich zum Affen.

„Du,“ meint er dann plötzlich und ich blinzle irritiert. „Was?“, hake ich verwirrt nach, weil ich gar nicht mitbekommen habe, dass er wieder mit mir redet.

„Ich habe gesagt: Du,“ erläutert er und ich wiederhole dämlich: „Ich?“

Er verdreht die Augen. „Wenn du unbedingt wissen willst, welcher Kerl in mein Beuteschema passen würde: Du.“

„Oh,“ erwidere ich und werde rot. Ich weiß gar nicht, wie ich mit dieser Aussage umgehen soll und deswegen rutsche ich nur unruhig auf dem Barhocker herum, werde rot und nicke, als hätte er mir nicht gerade so etwas Bedeutungsvolles gebeichtet.

Irgendwie hatte ich ja gehofft, dass ich so gar nicht sein Typ bin, dass er den Kuss vielleicht ganz schön fand, aber mich sofort von der Bettkante stoßen würde, würde ich mehr versuchen wollen. Leider bestätigt sich diese irrsinnige Hoffnung nicht und ich kann nichts tun, außer dumm vor mich hin glotzen. Wenigstens ist es ihm auch peinlich. Zumindest sind seine Wangen gerötet.

„Aber du bist ja nicht schwul,“ wagt er sich dann plötzlich weiter vor und ich weiß genau, was er nun hören will. Mit einem Mal fühle ich mich unter Druck gesetzt. Fast, als müsste ich mich jetzt endgültig entscheiden, ob es eine kurzzeitige Verwirrung oder ernste Gefühle sind, die mich da im Griff haben. Und wahrscheinlich bin ich es ihm auch schuldig, aber ich kann ihm einfach keine klare Ansage geben. Und vielleicht will ich es auch einfach nicht.

Also sage ich nichts zur Gegenwart und beschränke mich auf die Vergangenheit: „Ich hatte mal was mit einem Jungen aus meiner Schule.“

Ihm klappt der Mund auf, aber ehe ich ihm sagen kann, was das jetzt für uns – wenn es denn jemals ein „Uns“ geben soll – bedeutet, tritt Maria neben mich.

„Hi,“ sagt sie, als wäre nie etwas zwischen uns passiert, was mich zutiefst gedemütigt hätte.

Ich weiß gar nicht, wie ich mich nun ihr gegenüber verhalten soll, scheint, als wüsste ich an diesem Abend wirklich wenig. Jedenfalls sage ich nur dämlich „Hi“, statt sie anzuschreien, sie soll sich verpissen.

„Kennst du mich noch?“, fragt sie und ich frage mich, wie ich die ganze Scheiße mit ihr vergessen könnte, wie ich sie vergessen könnte.

„Ja,“ meine ich also lahm und sie beginnt zu strahlen.

„Ich hatte schon Angst, du hättest das zwischen uns vergessen,“ meint sie und greift nach meiner Hand. Ich werfe Dominik einen Blick zu. Er blickt demonstrativ in eine andere Richtung und ich weiß, ich sollte sie schnellstmöglich loswerden und mich wieder ihm widmen. Nach meinem Geständnis müssen wir da wohl einige klären.

Allerdings gestaltet sich dieses Vorhaben recht schwierig, weil Maria ungeduldig an meiner Hand zu zerren beginnt.

„Komm, tanzen wir ein wenig.“

„Hör mal, ich wollte eigentlich gerade-“, versuche ich, sie loszuwerden, aber sie winkt ab und meint: „Einen Tanz kannst du mir doch sicher gönnen.“

Ehe ich protestieren kann, reißt sie mich mit überraschender Stärke vom Hocker und ich stolpere ihr nach. Noch einmal blicke ich zu Dominik, der uns verwirrt nachsieht. Als sich unser Blick trifft, schaut er schnell wieder Richtung Bar und ich fluche.

Maria scheint dass nicht gehört zu haben und überhaupt scheint sie nicht viel mitzubekommen. Zum Beispiel, dass ich gerade wirklich nicht mit ihr tanzen möchte. Sie beginnt einfach, sich zu bewegen und mehr aus Pflichtgefühl als aus Interesse, tue ich ihr den Gefallen.

„Ich weiß, du hattest dir ein wenig mehr erhofft, aber ich bin eben einfach nicht so. Ich kann mich nicht binden,“ erklärt sie mir und ich würde ihr gerne an den Kopf werfen, dass sie das ruhig mal hätte sagen können, ehe wir Sex hatten. Aber weil ich Dominik nicht so lange alleine lassen will, verzichte ich darauf, eine Diskussion mit ihr zu beginnen.

„Ich fände es aber dennoch schön, wenn wir es wiederholen könnten. Hast du sicher kein Interesse daran?“, fragt sie und ich muss daran denken, wie sie mir nach unserer heißen Nacht Ähnliches gesagt hat.

„Ich bin nicht so,“ antworte ich und hoffe, sie versteht diese Erklärung. Immerhin hat sie mir diese ebenfalls gerade an den Kopf geworfen, als würde das auch nur irgendetwas wieder gut machen.

„Verstehe. Und… es hat nichts mit den Gerüchen zu tun?“, will sie dann wissen und ich sehe, wie sie Richtung Dominik schaut. Ich beiße mir auf die Lippen.

„Nein,“ antworte ich dann wahrheitsgemäß, weil ich ohne all die Scheiße mit ihm auch nicht eine weitere Nacht mit ihr verbracht hätte.

Sie nickt und dann lächelt sie wieder und tanzt unbeschwert mit mir weiter, als hätte ich sie gerade nicht abserviert. Aber vielleicht hat sie einfach schon mit einem Korb gerechnet. Und genauso genommen war es auch kein Korb. Ich habe ihr ja nicht gesagt, dass ich sie gar nicht mehr will sondern nur, dass ich keine Affäre mit ihr möchte.

Im nächsten Moment kommt mir in den Sinn, dass es vielleicht sinnvoll wäre, etwas mit ihr anzufangen. Und sei es nur Sex. Immerhin könnte ich mich mit Maria sicher davon überzeugen, noch auf Mädchen zu stehen – und nicht auf Dominik. Sie war immerhin die Letzte, die mich wirklich erregt hat.

Andererseits solle ich wohl langsam damit aufhören, mir irgendetwas beweisen zu wollen. Ich weiß noch, dass ich mal ein selbstbewusster Junge war, den kein Gerücht, rein gar nichts, aus der Fassung bringen konnte.

„Was ist nur aus mir geworden?“, nuschle ich leise und wecke damit Marias Interesse. „Es ist nichts falsches daran, eine Beziehung zu wollen,“ erklärt sie mir dann, weil sie wahrscheinlich denkt, ich meine die Sache zwischen uns. Aber wie soll sie es auch verstehen?

Ich nicke nur, aber sie ist noch nicht fertig: „Es sollte dir auch nicht peinlich sein, wenn du dich verliebt hast.“

Ich beiße mir auf die Lippe, ihr nicht an den Kopf zu werfen, dass ich garantiert nicht in sie verliebt bin. Vielleicht war ich es mal, aber mittlerweile bin ich über sie hinweg. Sie hat mich immerhin wie ein Spielzeug behandelt und auch wenn ich sie mal unglaublich toll fand, so hat sich das spätestens in dem Moment geändert, als sie mich gefragt hat, ob wir eine Affäre haben könnten, keine Beziehung.

Ich möchte ihr gerade sagen, dass eine Schlampe, wie sie es ist, mir wohl kaum einen Vortrag über Beziehungen halten sollte, als sie meint: „Und es spielt doch auch gar keine Rolle, ob es nun ein Mädchen oder ein Jungen ist.“

Erschrocken blicke ich zu ihr hoch und merke erst jetzt, dass sie viel mehr verstanden hat, als ich geglaubt hätte. Ich beginne, meinen Mund zu öffnen und zu schließen, ohne einen Ton herauszubringen, als wäre ich ein Fisch.

„Das ist aber so nicht richtig,“ erwidere ich letztlich und sie rümpft die Nase. „Findest du es nicht ein wenig vermessen, entscheiden zu wollen, was richtig und was falsch ist?“, fragt sie und ich blicke getroffen zu Boden.

„Ich mag Mädchen,“ nuschle ich lahm und höre sie sagen: „Ich auch.“

Ruckartig hebe ich den Kopf und sehe sie breit grinsen: „Das eine schließt das andere doch nicht aus,“ zwinkert sie mir zu und wie, um mir zu demonstrieren, dass es das nicht tut, wendet sie sich ab und nähert sich einer ihrer Freundinnen, die sie zum tanzen auffordert. Immer noch fassungslos bleibe ich alleine auf der Tanzfläche zurück und starre zu Maria, die jetzt mit ziemlich hemmungslos mit einem Mädchen tanzt und dabei alle Blicke auf sich zieht.

Ich seufze auf und werfe einen flüchtigen Blick zu Dominik, der mit dem Rücken zu mir zieht und immer noch mit seinem Colaglas spielt.

Und wenn es mir doch genauso geht wie Maria? Wenn diese Eskapade in der Schule nur der Vorbote dafür war, dass ich irgendwann auch Gefühle für einen Jungen entwickeln könnte. Ich beiße mir auf die Lippe. So habe ich mir das sicher nicht vorgestellt! Spaß haben und Lieben ist etwas ganz anderes. Aber wahrscheinlich laufe ich nur vor mir selbst davon, wenn ich weiter versuche es zu leugnen, bemerke ich bitter.

Ich merke erst, dass ich mich in Bewegung gesetzt habe, als ich letztlich vor Dominik stehen bleibe. Dieser sieht mich ausdruckslos an, so als wüsste er nicht, ob er nun sauer sein soll oder nicht, weil ich einfach mit Maria abgehauen bin.

„Hast du alles geklärt, ja?“, fragt er mich und ich höre in seiner Stimme, dass er verstimmt ist. „Eifersüchtig?“, ärgere ich ihn, aber er schnaubt nur.

Unsicher, wie ich mich nun verhalten soll, halte ich ihm einfach die Hand hin, die er irritiert ansieht. „Komm,“ bitte ich ihn und er sieht mich fragend an. „Wohin?“

„Na, tanzen.“

Süßes Schmatzen

„Was?“, meint er und lächelt nervös. Sein Blick fliegt unruhig über die Menge, die uns nicht wirklich wahrnimmt.

„Davon sind wir doch da, oder?“, frage ich und füge hinzu: „Um Party zu machen.“

„Aber..“, ehe er protestieren kann, ziehe ich ihn genauso fordernd vom Stuhl, wie Maria es kurz zuvor bei mir getan hat und zerre ihn hinter mir her. Er folgt mir unsicher und Sekunden später stehen wir auf der Tanzfläche und diesmal bin ich es, der sich zu bewegen beginnt, während Dominik unsicher neben mir steht.

Ich schnappe seine Hände und beginne, ihn ein wenig motivieren, bis er sich letztlich selbstständig bewegt.

Es ist ein relativ schneller Song und obwohl wir miteinander tanzen, berühren wir uns nicht. Alles in Allem also recht harmlos, so dass sich auch keiner weiter daran zu stören scheint. Außer vielleicht Dominik, der zwischen Spaß und Angst sekündlich hin und her wechselt.

„Was hat Maria gesagt?“, fragt er irgendwann und ich erkläre ihm, dass sie noch einmal um eine Affäre gebeten hat. „Und du hast ja gesagt?“, will er wissen und ich muss grinsen. „Du bist so ein Dummerchen. Wäre ich dann jetzt hier mit dir? Wohl kaum!“

Das scheint ihm einzuleuchten, also nickt er nur und meint: „Die Arme.“

„Sie wird es schon verkraften, sie hat ja schon eine Andere gefunden.“

„Eine Andere?“, echot er und blickt sich suchend nach Maria um, entdeckt sie aber nirgendwo. „Scheint, als wäre sie bi,“ erläutere ich ihm und er blinzelt erstaunt. „Soll’s geben,“ murmelt er dann und ich nicke. „Nun, ich bin das beste Beispiel, was?“, meine ich und bin selbst überrascht, dass es gar nicht mehr so bitter klingt, wie kurz zuvor in meinem Kopf, als ich mich dazu gezwungen habe, mir endlich darüber bewusst zu werden.

Überrascht hebt er den Kopf und ich lächle ihn an und mache einen Schritt auf ihn zu, so dass uns nur noch ein paar Zentimeter trennen. Er schluckt und ich kann sehen, wie seine Augenlider nervös zu flattern beginnen.

Meine Hände finden seine Hüften und ich brumme ihm ins Ohr: „Tanzt du dann jetzt endlich richtig mit mir?“
 

Es ist nicht so, dass wir jetzt wild und hemmungslos tanzen und uns gegenseitig am Arsch herumfummeln. Ich weiß auch gar nicht, wie der dieses böse Vorurteil in die Welt gesetzt hat. Mir genügt es förmlich, dass wir hier ganz normal tanzen, enger als zuvor, mit meinen Hüften an seinen Händen und seinen Armen um meinen Hals.

Nicht, dass mich das alles komplett kalt lassen würde. Spätestens, als Dominik beginnt, die Hüften ein wenig aufreizender zu bewegen, spüre ich, wie sich auf meinen Armen eine Gänsehaut bildet. Ich packe seine Hüften fester, um ihn ein wenig Einhalt zu gebieten, aber so wirklich bringen tut das nichts. Im Gegenteil. Statt abzukühlen, spüre ich, wie es verheißungsvoll in meinem Unterleib zieht und finde diese Wendung alles andere als toll. Ich wollte das langsamer angehen lassen! Mich erst mal an diesen Gedanken gewöhnen! Und schon gar nicht wollte ich, dass die Öffentlichkeit etwas davon mitbekommt. Allerdings hätte ich damit wohl rechnen müssen, nachdem ich Dominik zum Tanz aufgefordert habe.

Ich schlucke und spüre, wie Dominik sich gegen mich drückt. Was ist los mit diesem Jungen? Wo ist seine verdammte Zurückhaltung hingekommen. Ich schnappe nach Luft und versuche, mich ein wenig von ihm zu lösen, aber er lässt mich nicht, zieht mich nur näher an sich heran.

„Hör auf,“ hauche ich hilflos in sein Ohr und spüre, wie er erschaudert.

„Warum?“, fragt er, rückt aber zum Glück ein wenig von mir ab.

„Ich wollte es eigentlich langsam angehen lassen,“ erkläre ich ihm und sehe, wie er grinst.

„Zu spät, oder,“ flüstert er mir nun ins Ohr und ich bebe.

„Du bist ein Monster!“, maule ich und sehe ihm zu, wie er belustigt vor sich hin grinst. Ich bin sicher, in seiner Hose hat sich auch etwas geregt, aber ich traue mich nicht, mich davon zu überzeugen. Stattdessen versuche ich, mich selbst zu beruhigen, in dem ich mir eklige Sachen vorstelle.

Es klappt nur mäßig, aber ehe ich mich darüber ärgern kann, haben wir ein ganz anderes Problem. So langsam ziehen wir doch einige Blicke auf uns, weil mittlerweile auch der letzte Betrunkene gecheckt haben müsste, dass hier zwei Jungs miteinander am tanzen sind.

„Lass uns gehen,“ bittet er mich, weil es ihm ganz offensichtlich zu viel geworden ist. Vielleicht will er auch nur Sex mit mir haben, aber das glaube ich nicht. Und selbst wenn, hätte er da wohl schlechte Karte. Meine Erregung hat sich wieder beruhigt und dafür ist mir mittlerweile schlecht vor Aufregung. Bevor wir also eine heiße Nummer im Bett schieben, schiebe ich wohl eher eine peinliche über der Kloschlüssel.

Ich nicke und lasse mich von ihm wie in Trance durch den Club führen. Erst, als mir die kühle Nachtluft entgegenschlägt, beginnt mein Verstand wieder klar zu werden und ich bleibe stehen.

Dominik sieht unsicher zu mir und ich drücke seine Hand in meiner fest.

Weil ich nichts sage, fragt er: „Das ist kein Traum, oder?“ Ich schüttle den Kopf. „Und morgen… morgen wirst du nicht wieder so tun, als wäre nichts, oder?“

„Nein, wie kommst du denn darauf?“, frage ich irritiert.

„Ich hatte einfach das Gefühl, dass bei dir Nachts andere Regeln gelten,“ gibt er zu und ich bin erstaunt. Aber vielleicht hat er Recht. Bisher habe ich seine Nähe zumeist nur im Schutz der Dunkelheit zugelassen. So wie jetzt.

„Diesmal nicht! Versprochen!“ meine ich fest entschlossen und lächle ihn mit einem Mal zärtlich an. Er wird rot unter meinem Blick, aber dennoch fragt er weiter, um sicher zu gehen: „Auch, wenn alle über uns reden und uns komisch ansehen und…“ Ich unterbreche ihn, in dem ich ihn näher an mich ziehe und den Arm um ihn schlinge, während wir uns endlich in Bewegung setzen.

„Ist doch egal, was alle anderen denken, oder?“ Er nickt nur langsam, wahrscheinlich wird er noch ein wenig länger Probleme damit haben, dass die Leute über uns reden. Aber vielleicht ist es Zeit für uns Beide, uns endlich wieder diese Leck-mich-am-Arsch-Einstellung anzueignen, die ich vor ein paar Wochen noch so angepriesen habe.
 

Unbeholfen bleibe ich im Flur stehen. Ich komme mir vor wie Zwölf. Das erste Mal mit dem Schwarm alleine. Fehlt nur noch, dass mir lange blonde Haare wachsen, die ich zu einem Zopf flechten kann, dann könnte ich dämlich vor mich hin kichern und rot werden und alle würden sagen: Ach wie süß!

Ich weiß aber auch wirklich nicht, was ich jetzt tun soll. Eigentlich müsste es ja das gleiche sein wie mit einem Mädchen, aber das ist es nicht. Schon alleine, weil ich immer noch Hemmungen habe, ihm einfach genauso nahe zu kommen, wie zum Beispiel Maria. Dabei ist er ja nicht mal mein erster Junge. Dafür waren damals auch keine Gefühle im Spiel. Damals ging es nur um unsere Befriedigung, aber heute Nacht hängt so viel mehr von allem ab.

Dominik muss meine Unsicherheit spüren – na ja, sie ist ja auch ziemlich offensichtlich –, denn er ist so nett und macht den Anfang, in dem er sich an mich schmiegt. Ich gebe ein komisches Geräusch von mir, das mich wie eine sterbende Katze klingen lässt, ehe ich ihn langsam in die Arme schließe. Sein Duft steigt mir in die Nase, diesmal pur, ohne all die anderen ekligen Geräusche im Club, die ihn so verfälscht haben, und ich inhaliere ihn tief, als würde ich Dominik gänzlich in mich aufsaugen wollen. Ihm hingegen scheint das nicht zu genügen, sanft streichen seine Hände über mein Rücken und ich seufze wohlig auf.

Offenbar wartet er darauf, dass ich irgendetwas tue, zum Beispiel sein Streicheln erwidere, aber ich habe vergessen, wie man sich bewegt. Ich kann mich nur langsam entspannen und irgendwann ist es ihm wohl zu blöd, weil er sich zurück zieht und mich fragend ansieht.

„Weißt du, wenn du nicht willst, dann musst du dich nicht wegen mir dazu zwingen,“ erklärt er mir und sieht mich aus großen, traurigen Augen an. Hastig schüttle ich den Kopf. „Ich will wirklich, nur…“ Ich mache eine fahrige Handbewegung und suche nach Worten, aber wahrscheinlich habe ich nicht nur vergessen, wie man sich bewegt, sondern auch, wie man spricht. Jedenfalls kommt nicht viel Sinnvolles aus meinem Mund. Stattdessen sehe ich ihn nur hilflos an und hoffe, er versteht es auch so.

Zumindest kommt er wieder näher und nimmt meine Hand. Schüchtern blickt er darauf und ich fühle seinen Daumen, der darüber streicht.

„Jasper,“ nuschelt er leise, „Wir lassen das alles langsam angehen, ja?“ Fragend sieht er zu mir hoch und ich nicke und streiche ihm eine seiner Strähnen aus dem Gesicht.

„Bitte flüchte nicht wieder, okay?“, fleht er und Tränen sammeln sich in seinen hübschen Augen. Ich schnappe überrascht nach Luft. Bisher hat er so gut überspielt, wie scheiße meine Aktion war, aber jetzt sehe ich all den Schmerz darüber in seinen Augen. Und die Angst, ich könnte es noch einmal tun.

Er keucht überrascht auf, als ich ihn ruckartig wieder in meine Arme ziehe und an mich pressen.

„Nein, werde ich nicht,“ verspreche ich ihm und wische die Träne hinfort, die sich einen Weg über seine Wange gebahnt hat. Sanft umfasse ich sein Kinn mit den Händen und zwinge ihn, mich an zusehen. „Nie mehr.“

Er schnieft und nicht und ich muss lächeln. Vorsichtig beuge ich mich nach vorn und hauche ihm einen ersten, flüchtigen Kuss auf die Lippen. Erschrocken von mir selbst, weiche ich ein Stück zurück und suche seinen Blick. Seine Hände kralle sich auf meinem Rücken in mein Shirt und er lächelt leicht. Ich lächle ebenfalls und dann küsse ich ihn richtig.

Fest presse ich ihn an mich und spüre seine weichen Lippen auf meinen, wie sie meinen Kuss überraschend fordernd erwidern. Ich spüre, wie ich erschaudere und löse mich, ehe mein Blut auf Wanderschaft gehen kann. Ein wenig außer Atem sehe ich ihn wieder an. Nervös streicht er sich eine Strähne hinters Ohr und küsse ihn noch einmal kurz, ehe ich mich von ihm löse und seine Hand in meine nehme.

„Schläfst du heute Nacht bei mir?“, bitte ich ihn und als er rot wird, füge ich hinzu: „Also… nur schlafen. Ich… weiß nicht, ich…“ Er unterbricht mich, indem er einen Finger seiner freien Hand auf meine Lippen legt. „Ich weiß! Wir lassen es langsam angehen, okay. Und ja, ich schlafe bei dir.“

Ich strahle ihn an, küsse seinen Finger und dann ihn, ehe ich ihn in mein Zimmer führe.
 

Es ist nicht so, dass meine Aufregung jetzt irgendwie gemindert wäre, nur weil wir unsere Grenzen für diese erste Nacht klar abgesteckt haben. Spätestens, als sich Dominik sein Shirt über den Kopf zieht, bin ich wieder genauso nervös wie zu dem Zeitpunkt, als wir zur Tür herein gekommen sind.

Ich versuche, ihn nicht anzusehen und ziehe mich lieber selbst aus, ihm natürlich den Rücken zuwendend. Ich höre Stoff rascheln, versuche aber, mich voll und ganz auf mich zu konzentrieren. Wenig später bin ich in ein T-Shirt geschlüpft und sehe zu ihm. Er war in seinem Zimmer und hat sich ebenfalls ein Shirt geholt. Eigentlich schade, ich hätte ihn gerne in einem meiner Shirts gesehen. Ich hätte es schön gefunden, wenn es morgen nach ihm gerochen hätte. Andererseits wird morgen wohl auch mein Bett nach ihm riechen – da möchte ich nicht wählerisch sein.

Etwas unsicher grinst er mich an und bewegt sich kein Stück Richtung Bett, obwohl das ja eigentlich unser Ziel ist. Allerdings muss ich gestehen, dass ich ebenfalls noch dämlich herumstehe, statt mich einfach auf mein Bett zu werfen. Stattdessen strecke ich nur dämlich die Hand nach ihm aus und zum Glück ergreift er sie und tritt zu mir.

Ich umschlinge ihn und atme seinen vertrauten Duft ein, nachdem ich schon nach so kurzer Zeit regelrecht süchtig bin.

„Lass uns schlafen, okay?“, bitte ich ihn und spüre, wie er an meiner Schulter nicht. Ohne uns wirklich voneinander zu lösen, bewegen wir uns Richtung Bett und Sekunden später liegen wir tatsächlich nebeneinander.

Wohlig schmiegt er sich an mich und ich lege den Arm um ihn und taste nach seiner Hand, bis sich meine Finger mit seinen verschränken lassen. Er lächelt, soweit ich das erkennen kann.

„Gute Nacht,“ flüstere ich und weiß jetzt schon, dass ich so schnell wohl nicht schlafen werden kann. Mein Herz hämmert wie verrückt in meiner Brust. Ich spüre, wie er sich ein wenig zurechtrückt und im nächsten Moment habe ich seine Lippen auf meinen. „Gute Nacht,“ haucht er in den Kuss und spätestens jetzt ist es endgültig vorbei mit meiner Ruhe. Am liebsten würde ich jetzt doch über ihn herfallen, obwohl mir die Vorstellung, Sex mit ihm zu haben, Anflüge von Panikattacken beschert.

Ich verstehe gar nicht, warum mich der Gedanke, mit einem anderen Jungen zu schlafen, auf einmal derart nervös macht. Wenn ich nur daran denke, was damals alles lief, dann frage ich mich echt, wo dieser Jasper abgeblieben ist. Was jetzt von mir übrig ist, ist wirklich nur ein klägliches Häufchen meiner selbst.

Ich spüre Dominik sanft über meinen Rücken streichen und fühle seinen Atem an meinem Hals. Ich schlucke schwer und versuche ein wenig Selbstbeherrschung aufzubringen, ehe sich mein kleiner Freund selbstständig machen kann. Nichts wäre peinlicher, als jetzt hier neben ihm mit einem Ständer herumzuliegen.

Schon alleine, weil ich dann all mein Gejammer, von wegen ich würde es gerne langsam angehen wollen, Lüge strafen könnte.

Ob es ihm wohl ähnlich geht? Aber wahrscheinlich ist er solche Situationen gewöhnt. Nicht, dass ich glaube, er hätte schon so viele Jungs gehabt, dass er die kaum noch zählen könnte, aber er wird ja sicher schon mal neben einem Jungen gelegen und geschlafen haben.

Am liebsten würde ich mal nachfühlen, wie es ihm so im unteren Bereich geht, aber ich traue mich nicht. Und es würde wohl auch ein wenig komisch rüber kommen, wenn ich ihm einfach so in den Schritt fassen würde – von seiner Reaktion ganz abgesehen. Eine wilde Nacht würde ich jetzt wohl nicht überleben, ich muss mich erstmal an seine Präsenz gewöhnen. Also vergrabe ich meine Nase in seinem Haar und hoffe darauf, dass meine Erregung bald wieder abklingt.

Letztlich liegen wir Beide ziemlich lange wach, auch wenn wir versuchen, es den anderen nicht merken zu lassen. Irgendwann muss Domi doch wegdämmern, denn sein Atem wird regelmäßiger. Ich beschließe, dass ich mich so langsam auch mal zusammenreißen könnte und tatsächlich überkommt mich irgendwann der Schlaf.
 

Als ich am nächsten Morgen von den ersten Sonnenstrahlen geweckt werde, verfluche ich mich selbst dafür, die Rollläden nicht zugezogen zu haben. Nun ist es so hell, dass ich sicher nicht mehr schlafen kann – und das nach dieser kurzen Nacht.

Dominik scheint das nicht zu stören. Er schläft selig weiter und lässt mir somit die Zeit, ihn in Ruhe betrachten. Er ist wirklich wunderschön.

Ich mag seine strubbeligen Haare und seine schönen langen Wimpern. Ich mag die schmalen Lippen und den schlanken Körper. Ich mag einfach ihn.

Und ich mag, wie er hier neben mir liegt, sich an mich schmiegt, mein T-Shirt selbst im Schlaf umklammert und ab und an leise schmatzt. Vor allen Dingen das. Ich habe noch nie jemanden so süße Geräusche machen hören.

Ich lächle selig und presse ihn an mich. Es war keine Laune, dass ich ihm gestern Nacht versprochen habe, ihn nicht wieder sitzen zu lassen. Diesmal habe ich wirklich vor, die ganze Sache durchzuziehen. Es mag anfangs vielleicht komisch werden und wahrscheinlich wird die Beziehung auch nicht für alle einfach zu akzeptieren sein, aber das ist es mir auf jeden Fall wert.

Als es nur ein harmloser Kuss war, war es ein Leichtes, sich wieder zurückzuziehen, aber jetzt, jetzt ist es das nicht mehr. So viel mehr schein gestern Nacht geschehen zu sein, dabei ist eigentlich kaum etwas geschehen. Nur was passiert ist, das hatte Bedeutung und diese Bedeutung ist heute noch so greifbar in meinem Zimmer zu spüren, dass ich ihr niemals mehr entkommen kann. Und das möchte ich auch nicht.
 

„Ihr wart gestern so schnell weg.“ Jonas sieht mich vorwurfsvoll an, als ich am späten Nachmittag in ihre Küche trete. Leon hat mich hereingelassen – noch total verkatert, was angesichts der Uhrzeit echt ein Kunststück ist.

„Ja,“ sage ich nur, als würde das alles erklären. Als würde es irgendetwas erklären.

Heute morgen, nachdem auch Domi endlich aufgewacht war, haben wir gefrühstückt und danach den Tag miteinander verbracht. Das sah so aus, dass wir eigentlich die meiste Zeit auf der Couch herumgegammelt sind, geredet und gelacht haben. Irgendwann haben wir dann einen Film geschaut, dabei gekuschelt und einfach genossen, dass endlich mal gar nicht kompliziert zwischen uns gewesen ist.

Irgendwann hat sich dann mein schlechtes Gewissen gemeldet, weil ich zwar mit Jonas und Leon auf die Party gegangen bin, sie aber den ganzen Abend nicht weiter beachtet habe und letztlich sogar gegangen bin, ohne ihnen Bescheid zu sagen.

Das war der Grund, warum ich mich irgendwann schweren Herzens von Domi losgesagt habe und zu den Beiden gelaufen bin.

Allerdings bezweifle ich momentan, dass Leon überhaupt etwas mitbekommen hat, so wie seine Verfassung momentan ist.

Jonas hingegen sieht fit aus. Er sitzt in der Küche und rechnet eine hochkomplizierte Aufgabe aus der letzten Lesung, eine Beschäftigung, die ich mir ja an einem Sonntag nicht geben würde.

„Gab’s einen Anlass?“, fragt er, wirkt dabei allerdings recht desinteressiert. Wahrscheinlich glaubt er nicht daran, dass es einen wirklichen Anlass gab. Wer weiß, ob er sich nicht schon etwas zusammen gesponnen hat. Immerhin ist Dominik ja nicht so der Partygänger und fühlt sich unter so vielen Leuten schnell unwohl. Da kann ich mir gut vorstellen, dass die Beiden sich überlegt haben, ich sei mit ihm nach Hause gegangen. Bin ich ja auch, nur aus völlig an deren Gründen.

„Wir wollten alleine sein,“ antworte ich unverfänglich und ziehe einen Stuhl zu mir, um mich endlich zu setzen. Bisher stand ich nur blöd in der Küche herum, bereit zur Flucht sozusagen. Dabei will ich eigentlich gar nicht fliehen, obwohl ich nicht weiß, ob mein Vorhaben, es Jonas anzuvertrauen, wirklich sinnvoll ist.

Er sieht immer noch nicht auf, sondern nuschelt irgendetwas vor sich hin, was sich nach einem Bruch anhört, von dem ich bezweifle, dass er das richtige Ergebnis ist. Das scheint auch Jonas zu glauben, denn er streicht den Bruch durch und kramt nach seinem Taschenrechner, der unter einem ganzen Berg an Büchern und Notizzetteln vergraben liegt.

„Hat er sich wieder beobachtet gefühlt?“, fragt er und bestätigt damit meine Vermutung, dass sie sich bereits Gedanken über unseren Verbleib gemacht haben. Es sollte mich nerven, aber das tut es nicht. Heute nervt mich gar nichts, ich bin viel zu glücklich, um genervt zu sein.

„Nein,“ antworte ich erneut ein wenig knapp, was Jonas weiterhin nicht stört. Er nickt nur, tippt etwas in den Taschenrechner ein und stößt im nächsten Moment ein triumphierendes „Ha!“ aus. Scheint, als wäre die Lösung diesmal richtig. Tatsächlich besitzt er nun auch die Güte, den Kram wegzulegen und mich das erste Mal richtig anzusehen.

Ich grinse dämlich zurück und er runzelt die Stirn.

„Alles klar?“, fragt er und ich nicke. Ihn scheint das nicht zu überzeugen, aber er sagt nichts mehr. Stattdessen scheint ihm plötzlich was einzufallen, denn er reißt die Augen ein wenig auf und meint: „Rate, wen Leon gestern gesehen hat!“

Nun ist es an mir, die Stirn zu runzeln. Ich habe leider überhaupt keine Ahnung, wen Leon gesehen haben könnte und das sage ich ihm auch. Er scheint aber auch gar nicht mit einer Antwort meinerseits gerechnet zu haben, denn er brüllt fast: „Maria!“

Ich nicke langsam, weil ich nicht so wirklich weiß, was daran nun so überraschend sein soll, aber dann fällt mir Marias Auftritt von gestern ein und ich ahne plötzlich, was er mir gleich erzählen wird.

Tatsächlich sprudelt die Information nur so aus ihm heraus: „Ich habe es nicht mit eigenen Augen gesehen, aber Leon meinte, Maria hätte mit einem anderen Mädchen getanzt. Und danach wären sie eng umschlungen und knutschend aus der Bar verschwunden!“

„Hast du nicht gesagt, deine Schwester sei auch lesbisch oder bi oder was auch immer? Dann sollte dich das doch nicht groß schocken!“, erwidere ich und er winkt ab. „Tut es ja auch nicht,“ meint er und sieht mich dabei an, als wäre ich schwer von Begriff. „Ich dachte nur, es würde dich interessieren. Immerhin hat die Kleine dich abserviert.“

Ich hebe eine Braue hoch und er seufzt auf. „Vielleicht kann sie sich einfach nicht auf Jungs einlassen?“, will er mir weiter auf die Sprünge helfen, dabei kann mir eigentlich egal sein, was Maria kann und was nicht. Das sage ich ihm auch und bringe ihn so dazu, die Brauen zusammen zu ziehen.

„Du wirst gar nicht überrascht,“ stellt er fest und ich muss grinsen. „Bin ich auch nicht. Ich hab Maria gestern getroffen, wir haben kurz geredet und dann habe ich gesehen, wie sie mit dem Mädchen abgezogen ist,“ kläre ich ihn auf und er öffnet den Mund, schließt ihn aber wieder, ohne etwas zu sagen.

„Habt ihr euer Verhältnis wenigstens klären können?“, will er dann wissen und ich schüttle den Kopf. „Da gab es nichts zu klären.“

Er sieht das wohl anders, aber er sagt nichts mehr dazu. Vielleicht hat er sogar Recht, immerhin hat Maria mich verletzt. Aber das ist mir mittlerweile egal, weil ich eh nicht mehr Maria will, sondern Dominik.

„Worüber habt ihr dann geredet?“, will er dann wissen. Neugierig ist er ja echt gar nicht. Ich verdrehe die Augen und lehne mich im Stuhl zurück. Eigentlich wollte ich es ihm unbedingt erzählen, es ist mir wichtig, dass meine engsten Freunde darüber Bescheid wissen, was zwischen Dominik und mir läuft. Andererseits bekomme ich urplötzlich Angst, er könnte es nicht gut finden. Was eigentlich Quatsch ist, weil er ja sogar eine Schwester hat, die mit einem anderen Mädchen zusammen ist. Nur sind Lesben für Jungs irgendwie leichter zu akzeptieren. Die meisten Männer finden es ja sogar geil, wenn zwei Frauen miteinander rummachen. Aber Schwule, die sind immerhin eine Bedrohung für sie, auch wenn diese Ansicht Unsinn ist. Bei Fremden kann man darüber vielleicht noch hinweg sehen, aber bei Personen aus dem näheren Bekanntenkreis dann wohl nicht.

Dennoch muss ich es ihm sagen, irgendwann wird er es sowieso erfahren. Und dann lieber von mir, als von irgendeinem Trottel aus der Uni.

„Naja, sie hat mir ein wenig ins Gewissen geredet.“

Ihn klappt der Mund auf. Keine Ahnung, warum. Offenbar schockt ihn diese Ansage sehr, denn er weiß gar nicht, was er sagen soll. Ich bin ein wenig verwirrt, bis er loswettert, Maria solle sich zunächst an die eigene Nase fassen, ehe sie anderen Leuten Ratschläge gibt. Sie habe mich immerhin eiskalt abserviert und nun wolle sie mir auch noch sagen, was ich zu tun und zu lassen habe.

Ein wenig muss ich grinsen. Zumindest ist Jonas loyal, wenn auch ein wenig unfair.

„Es ging ja nur um Dominik,“ versuche ich ihn zu besänftigen und wecke damit zumindest seine Neugierde.

„Warum das?“

In einer knappen Zusammenfassung erzähle ich ihm, was Maria zu mir gesagt hat und mit jedem Wort, dass meinen Mund verlässt, wird seien Miene ausdrucksloser. Letztlich kann ich gar nicht mehr erkennen, was er denkt und fühlt. Ein wenig unsicher rutsche ich auf meinem Stuhl herum.

Es ist still in der Küche. So still, dass man sicher die berühmte Stecknadel fallen hören könnte. Ein wenig unbehaglich ist diese Schweigen schon, aber ich weiß nicht, wie ich die Stille unterbrechen sollte, denn mir will partout nicht einfallen, was ich sagen könnte, um die Situation zu entschärfen. Falls ich überhaupt etwas entschärfen muss.

Und eigentlich habe ich ihm ja immer noch nicht gesagt, was Marias Predigt in mir ausgelöst hat.

Er schluckt so laut, dass ich es hören kann, ehe er sich räuspert. „Und, ähm, hat es was gebracht, was sie da zu dir gesagt hat?“

Ich zucke hilflos mit den Schultern, weil die Frage relativ offen gestellt ist und ich wohl oder übel mit einem ganzen Satz antworten muss. Leider will mir kein wirklicher Satz einfallen. Überhaupt scheint mir nicht mal ein Wort einzufallen. Also antworte ich lahm mit einem „Ja“, was auch nicht wirklich hilfreich ist.

„Und inwiefern?“, hakt er nach, weil ihm die Antwort natürlich zu vage ist. Ich seufze und versuche, mich zu sammeln.

„Also… schon. Ich weiß jetzt zumindest, dass es nicht falsches ist, einen Jungen zu mögen und na ja…“, ich breche ab, weil ich einfach nichts weiter zu sagen weiß.

Er lehnt sich ein wenig vor und ich beginne, nervös an meiner Jacke herumzuspielen, die ich irgendwie vorhin nicht ausgezogen habe.

„Komm zum Punkt, Jasper,“ bittet er mich ein wenig ungeduldig und ich seufze erneut.

„Also ehrlich gesagt… also… na ja… ich… also wir… wir haben getanzt und dan…,“ stammle ich dämlich und dann bricht es einfach in einem wilden Genuschel aus mir heraus: „Jedenfallssindwirjetztzusammen.“

Außerirdische

Ich habe keine Ahnung, ob Jonas meinen letzten Satz verstanden hat. Er macht auch keinerlei Anstalten, irgendetwas zu sagen. Stattdessen schaut er mich nur prüfend an und ich werde wieder unruhig unter seinem Blick.

Nervös rutsche ich vor auf die Stuhlkante, jederzeit bereit aufzuspringen und die Flucht zu ergreifen.

„Du und Dominik also,“ meint er irgendwann und ich nicke. Ich habe Angst, dass er es nicht gut findet, weil er mir wirklich wichtig ist. Auf Leon könnte ich vielleicht noch verzichten, aber Jonas war mir immer ein guter Freund und ich möchte ihn ungern verlieren.

Andererseits weiß ich, dass ich auf Freunde verzichten kann, die eine Beziehung mit Dominik nicht tolerieren können.

„Na endlich,“ schnaubt er in diesem Moment und ich blinzle. Fragend sehe ich zu ihm, aber der nickt nur und dann wendet er sich einfach von mir ab, schnappt sich seinen Taschenrechner und beginnt mit der nächsten Aufgabe. „Jonas?“

Er reagiert nicht gleich, sondern nuschelt wieder irgendwelche Zahlen vor sich her, ehe er sich mir wieder zuwendet. „Was?“

„Ist es… okay für dich?“ Unsicher beiße ich mir auf die Lippe, aber er zuckt nur mit den Schultern. „Warum denn nicht?“

Darauf habe ich keine Antwort, also sage ich einfach gar nichts mehr dazu. So wirklich realisiert habe ich noch nicht, dass Jonas es jetzt weiß und kein Problem damit hat. Eigentlich sollte ich mich freuen, aber stattdessen schaue ich ihn einfach nur an, als wäre er ein Außerirdischer. Wirklich dumm von mir, aber nach all den Horrorvisionen, die ich mir ausgemalt habe, ist seine Reaktion einfach kaum zu glauben.

Er rechnet weiter und ich fühle mich ein wenig fehl am Platz. Gerade kommt mir die aberwitzige Idee, einfach ein wenig Mathe mit ihm zu machen – man hat ja sonst nichts zu tun –, als Leon wieder auf den Plan tritt. Er schleicht in die Küche wie ein Gespenst, blass und mit zusammengekniffenen Augen, weil ihn wohl das grelle Sonnenlicht blendet.

„Wie war die Party gestern?“, fragt er mich, als sähe er mich das erste Mal. Dabei hat er mir ja die Türe aufgemacht.

„Gut,“ antworte ich, aber mehr sage ich ihm nicht. Ich habe ein wenig Angst, ihm die Neuigkeit zu erzählen. Bei Jonas war es schon gruselig, aber noch ziemlich wahrscheinlich, dass er es okay findet. Bei Leon weiß ich das nicht.

Manchmal scheint er ein wirklich netter Kerl zu sein, aber ich kann ihn trotzdem nicht einschätzen. Alles, was Dominik und ihn betrifft, ist eh ein großes Mysterium für mich.

„Okay,“ meint er und streckt sich kurz. Jonas wirft mir einen Blick zu, den ich nicht so richtig deuten kann. Ob er es besser finden würde, ich würde Leon von Domi und mir erzählen? Oder denkt er, ich solle es lassen? Vielleicht ist es auch einfach ein ganz normaler Blick und ich interpretiere schon wieder viel zu viel in die Sache hinein.

Dennoch beginne ich schon wieder, unruhig auf dem Stuhl herum zu rutschen. So langsam sollte ich mir das mal abgewöhnen. Ich bin hier immerhin bei Freunden zu besuch und nicht bei einer Gerichtsverhandlung. Aber genau so fühlt es sich momentan an. Als würde ich auf mein Todesurteil warten. Tu ich vielleicht auch, falls Leon sehr übel reagieren sollte.

„War eine aufregende Nacht für ihn,“ meint in dem Moment Jonas. Es klingt sehr nebensächlich, als würde er gerade einwerfen, dass die Milch leer sei. Aber ich weiß genau, warum er das gemacht hat und ich kann mir einen wütenden Blick in seine Richtung nicht verkneifen. Immerhin ist es ja wohl meine Entscheidung, wann ich es Leon sage. Und ob ich es ihm sage.

Jonas lässt mein Blick kalt. Er sieht mich nur eindringlich an und wendet sich dann wieder seinen Zahlen zu. Am liebsten würde ich jetzt auch einfach hier sitzen und rechnen. Mathematik klingt gerade sehr verlockend.

„Warum?“, hakt Leon nach, der natürlich mitbekommen hat, was Jonas da angedeutet hat. Ich mag nicht antworten. Eigentlich sollte Jonas antworten, wenn er schon das Gespräch beginnt. Es ist ziemlich rücksichtslos von ihm, mich ins kalte Wasser zu werfen und mir dann nicht mal beizustehen. Ich werfe ihm noch einen wütenden Blick zu, den er nicht mal mitbekommt, weil seine Nase fast das Papier berührt.

„Davon bekommt man schlechte Augen,“ gifte ich in seine Richtung und ignoriere Leon einfach. Tatsächlich richtet sich Jonas ein wenig auf und strafft seinen Rücken. Nun sieht er mich wieder an und diesmal ist sein Blick noch drängender. Unweigerlich schüttle ich mit dem Kopf.

Auf keinen Fall werde ich ihm irgendetwas erzählen! Ich will gerade lautlos protestieren, als Leon anfängt, mir ebenfalls von Maria zu berichten. Na super. Aber wenigstens scheint ihn nicht zu stören, dass ich ihm nicht geantwortet habe.

Ich höre mir also an, was er zu sagen hat und bekomme eine reichlich ausgeschmückte Version des Geschehens zu hören, bei der ich mich wirklich frage, ob er die gleiche Maria meint wie ich. Aber wahrscheinlich ist Leon einfach so. Immerhin hat er ja schon über Domi getratscht, wenn auch auf Ann-Kathrins Wunsch hin.

Ich seufze, als er seinen Bericht abgeschlossen hat und er sieht mich mitleidig an. „Stehst du immer noch auf sie?“, will er wissen und ich höre Jonas auflachen und trete unter dem Tisch nach ihm.

„Nein,“ meine ich lang gezogen und wünsche mir, ich wäre einfach gegangen, als ich noch die Chance dazu hat. Stattdessen musste ich ja überlegen, ob ich nun mit Jonas Mathe machen soll oder nicht. Wäre ich einfach nach Hause gegangen, würde ich jetzt schon mit Domi auf der Couch liegen und wer weiß was tun.

„Sag es ihm schon endlich,“ unterbricht Jonas meine schmutzigen Fantasien und ich reiße erschrocken die Augen auf.

„Was?“, will Leon in diesem Moment auch schon wissen und ich könnte Amok laufen in dieser bösen, bösen WG, in der sich gute Freunde einfach so gegen mich richten. Ich ziehe eine Schnute und weigere mich, auch nur einen Ton zu sagen.

„Maria hat ihm gestern ein wenig die Augen geöffnet,“ übernimmt Jonas meine Rolle und erläutert ihm – zu meinem Entsetzen – ausführlichste, was Maria zu mir gesagt hat.

Leon nickt immer wieder mal und guckt äußerst angestrengt. Ich frage mich, wie viel er in seinem alkoholisierten Zustand überhaupt aufnehmen kann. Als Jonas geendet hat, bin ich immer noch nicht geoutet und ich fürchte, das wird Jonas auch nicht für immer übernehmen. Tatsächlich scheint nicht mal Leon das zu erwarten, denn er wendet sich wieder an mich: „Und jetzt?“

Ich beschließe, es ihm einfach zu sagen und darauf zu hoffen, dass er noch so viel Alkohol intus hat, dass er es heute Abend schon wieder vergessen hat.

„Jetzt sind wir zusammen,“ erwidere ich und versuche, möglichst lässig dabei zu klingen. Ob mir das gelungen ist, kann ich nur schwer sagen, aber zumindest hat Leon genau verstanden, was ich ihm da gesagt habe, denn ihm klappt die Kinnlade herunter. Na danke, genau die Reaktion, die ich mir erhofft habe.

„Ist ja krass!“, staunt er und schaut mich dabei an, als wäre ich ein Tier im Zoo. Ein wenig fühle ich mich auch so. Schaut ihn, das ist ein schwuler Junge. Vielleicht ist er auch bi, das kann man bei dieser seltenen Art nie so genau sagen…

Als wäre damit alles geklärt, wendet sich Leon wieder ab und schenkt sich endlich seinen Kaffee ein. Ich glaube, der Kaffee war der Grund, warum er überhaupt in die Küche kam, auch wenn er bisher keine Anstalten dazu gemacht hat, sich welchen einzuschenken.

Damit wäre das Thema wohl durch, habe ich das Gefühl. Und erstaunlicherweise habe ich auch von Leon keine ablehnende Reaktion erhalten. Auch nicht wirklich eine positive, aber vielleicht sollte ich in der Hinsicht nicht zu viel erwarten.

„Hm,“ mache ich lahm, um die Stille zu durchbrechen, die wieder aufgekommen ist. Aber so wirklich Beachtung schenkt mir keiner mehr. „Ich geh dann mal wieder,“ verkünde ich also und bin froh, endlich fliehen zu können. Jonas nickt nur und murmelt ein „Bis Morgen.“, wohingegen Leon mir mit einem versauten Grinsen viel Spaß wünscht.

Keine Ahnung, ob das jetzt vielleicht doch eine positive Reaktion ist, aber ich fasse es mal so auf. Hastig verabschiede ich mich und dann stürme ich nach Hause.

Was für eine komische Situation!
 

Ein wenig unsicher trete ich in den Flur und lausche. Von nirgendwo ertönt ein Geräusch, weshalb ich vermute, dass sich Dominik irgendwie in seinem Zimmer selbst beschäftigt. In meiner Vorstellung sehe ich ihn schon nackt auf dem Bett liegen und böse Dinge mit seinen hübschen Händen tun, aber ich werfe diese Idee gleich wieder. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er das sicher nicht tut. Leider.

Automatisiert lege ich den Schlüssel beiseite, ziehe Jacke und Schuhe aus und laufe dann zielstrebig in sein kleines Reich. Auch wenn er sich sicher nicht selbstbefriedigt, bin ich dennoch neugierig, was er wirklich treibt.

Tatsächlich liegt er auf dem Bett und liest. Als ich hereinkomme, hebt er den Kopf, lächelt und legt das Buch weg.

„Und? Wie war’s?“, will er wissen und bedeutet mir mit einem Klaps auf das Bett, mich neben ihm niederzulassen. Ich setze mich auf die Bettkante und er richtet sich auf.

„Ich hab es ihnen gesagt,“ beginne ich zu erzählen und berichte dann kurz von den Reaktionen der Beiden.

„Das ist doch gut!“, freut sich Dominik und ruckt näher an mich heran. Er schlingt von hinten die Arme um mich und bettet seinen Kopf auf meiner Schulter. Fast schon automatisch finden meine Hände seine und ich halte ihn fest.

„Ja, schon,“ erwidere ich bedächtig, weil ich erst mal meine Gedanken ordnen muss.

„Aber…“, versuche ich mich zu erklären, „Ich weiß auch nicht. Es war so einfach und so komplett ohne Katastrophe.“

Ich höre, wie er leise hinter mir lacht und spüre, wie er mir einen Kuss in den Nacken haucht. Ich erschaudere.

„Nicht alle Menschen sind Idioten und die Beiden sind zum einen deine Freunde und zum anderen haben sie sich das alles wahrscheinlich schon viel früher gedacht.“

Das klingt logisch. So logisch, dass ich nur noch nicken kann und mich an ihn kuschle.

Er zieht mich mit nach hinten auf das Bett und bettet seinen Kopf auf meiner Brust.

„Glaubst du, sie werden in nächster Zeit trotzdem ein wenig komisch zu mir sein?“, frage ich ihn, weil ich immer noch unsicher bin, ob das jetzt echt schon alles gewesen ist. Irgendwie habe ich mir mein Coming-Out ja ein wenig dramatischer vorgestellt. Ist das zu fassen? Andere wären froh, wäre ihres so reibungslos abgelaufen und ich wünsche mir mehr Dramatik! Andererseits fehlt da ja noch die Uni und ich schätze, dort wird es weniger gut ausgehen. Dann bekomme ich meine Dramatik vielleicht doch noch, denke ich ironisch und runzle über mich selbst die Stirn. Andererseits weiß ich schon, was mich stört. Es ist zu einfach!

„Nein, glaube ich nicht,“ antwortet Dominik auf meine Frage und ich spüre seinen Atem an meinem Hals. „Und selbst wenn, dann wird es sicher nichts von Dauer sein.“

Ich nicke und höre erneut ein belustigtes Schnauben von ihm: „Was ist wirklich los?“, will er wissen und ein wenig fühle ich mich durchschaut. Ich seufze. „Keine Ahnung. Ich hab mir das alles viel theatralischer vorgestellt… Ich habe das Gefühl, dass irgendwo ja ein Haken sein muss und wenn der nicht bei Jonas und Leon liegt, wo dann?“

Ich drehe mich zu ihm, was ihn zwingt, sich von meiner Brust zu lösen. Fragend sehe ich ihn an, aber eine wirkliche Antwort kann er mir auf meine Ängste wohl auch nicht geben.

„Es wird immer Idioten geben, die es nicht verstehen,“ antwortet er mir und klingt dabei fast wie ich selbst. Nur diesmal sind unsere Rollen vertauscht. Auf einmal muss er mich wegen Dingen beruhigen, die ich vor ein paar Wochen alle noch total einfach fand.

„Aber seit wann interessiert dich die Meinung anderer?“, fragt er dann und ich muss lächeln. Tatsächlich geht es mir aber nicht nur um mich, sondern auch um ihn. Er musste so viel Gerede über sich ergehen lassen, da möchte ich ihm das an der Uni ersparen. Natürlich habe ich auch selbst ein wenig Angst, aber hauptsächlich geht es mir um ihn. Das sage ich ihm aber nicht. Wahrscheinlich wäre es ihm unangenehm, wenn ich so denke. Den meisten Leuten ist es ja unangenehm, wenn irgendwer anders versucht, sie zu beschützen.
 

Tatsächlich kann ich mein Vorhaben, es an der Uni geheim zu halten, weitestgehend durchziehen. Wir benehmen uns einfach wie immer. Wenn wir uns zufällig irgendwo begegnen, denn beachten wir uns kaum und auch sonst laufen wir nicht Händchen haltend und knutschend durch die Gegend.

Ein wenig befremdlich scheint es für ihn schon gewesen zu sein, dass ich weiterhin auf getrennte Wege beharrt habe, aber wahrscheinlich denkt er, ich brauche einfach noch Zeit, ehe ich es öffentlich machen will. Das stimmt natürlich zum einen Teil, zum anderen ist es natürlich immer noch, um ihn ein wenig vor missbilligenden Blicken zu bewahren.

Trotzdem ist es manchmal komisch, an ihm vorbei zu gehen, ohne ihn groß eines Blickes zu würdigen. Manchmal lächeln wir uns an, aber das ist auch schon da Äußerste der Gefühle.

„Vermisst du ihn denn gar nicht?“, will Jonas wissen, als wir an Dominik vorbeikommen, ohne ihn groß zu beachten.

„Was meinst du?“, hake ich nach, weil ich nicht wüsste, wieso ich Domi vermissen sollte. Es ist ja nicht so, als würden wir uns zu Hause nicht sehen und dort jede freie Minute gemeinsam verbringen.

„Ich stelle es mir einfach ziemlich anstrengend vor, ihn zwar zu sehen, aber nicht berühren zu dürfen,“ antwortet er und irgendwie finde ich es ganz süß von ihm, dass er sich solche Gedanken um unsere Beziehung macht.

„Es dient ja einem guten Zweck. Immerhin will ich vermeiden, dass das Gerede wieder losgeht,“ antworte ich. Genau genommen nicht nur in unserem, sondern auch in Leons Sinne. Er hat sich so ins Zeug gelegt, die Gerüchte aus der Welt zu schaffen und nun soll ich einfach alles über den Haufen werfen?

„Er sieht trotzdem betrübt aus,“ stellt Jonas mit einem Blick auf Domi fest und ich traue mich nicht, mich selbst davon zu überzeugen. „Ihr seid frisch verliebt und dann so was,“ erläutert er mir und ich zucken nur lahm mit den Schultern.

Keine Ahnung, was er hören will. Ob er es eine gute Idee findet, es doch öffentlich zu machen? Aber was werden dann alle sagen?

„Ach keine Ahnung,“ bricht es deshalb ein wenig hilflos aus mir heraus. „Am Ende ist es so vielleicht besser.“

Wahrscheinlich ist es leider jedoch so, dass es wohl oder übel irgendwann herauskommen wird. Immerhin habe ich nicht vor, unsere Beziehung nur in unseren Vier Wänden zu führen. Mit Sicherheit möchte ich keines dieser Pärchen werden, dass seine Beziehung jahrelang geheim hält – aus Angst vor der Reaktion der Öffentlichkeit. Wir sind nur ein paar dumme Studenten, es wird ein wenig Gerede geben und mehr nicht. Ist ja nicht so, als wären Superstars oder so was. Andererseits kann man schon sagen, dass wir kleine Berühmtheiten an dieser Schule sind. Im negativen Sinne zwar, aber trotzdem. Hier gibt es wohl kaum jemanden, der nicht weiß, wer Dominik ist. Und genau deswegen möchte ich ihn einfach vor der Reaktion der anderen schützen. Und klar will ich gleichzeitig auch mit ihm ausgehen, ganz normale Dates haben und in deren Rahmen mit ihm Händchen halten, ihn küssen, egal, wo wir gerade sind. Darauf werden wir auf Dauer nicht verzichten können und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis uns jemand von der Universität sieht. Mir ist das klar und Dominik sicher auch. Trotzdem finde ich, ist es noch mal was anderes, ob man damit hausieren geht oder ob es alle so nach und nach mitbekommen. Vielleicht sollten wir es also an der Uni nicht an die große Glocke hängen, aber unser Privatleben deswegen nicht umstellen. Das klingt doch vernünftig, oder? Und ich bin sicher, Dominik sieht das auch so.
 

Als ich an diesem Abend nach Hause komme, ist Dominik bereits dort. Er ist meistens schon da, wenn ich komme, weil ich gerne Abendvorlesungen besuche, wohingegen er die gerne vermeidet. Er meint immer, er kann abends gut lernen und möchte dann lieber alten Stoff wiederholen und festigen, statt sich noch mal neuen anzutun.

„Hey!“, begrüße ich ihn und hauche ihm einen zarten Kuss auf die Lippen.

„Hey,“ antwortet er ein wenig lahm und ich sehe ihn fragend an, aber er sagt nichts mehr, sondern brütet über einem schrecklich langweilig aussehenden Buch. Er verschlingt ja gerne Bücher aller Art, wenn er auch so seine Vorlieben hat. Im Rahmen des Studiums hat er es sich aber zur Aufgabe gemacht, viele alte Schinken durchzukauen. Gerade liest er „Effi Briest“. Von dem Buch weiß ich nur, dass wir es mal als Klassenlektüre lesen sollten und ich 0 Punkte mündlich eingetragen bekommen habe, weil ich nach den ersten drei Seiten aufgehört habe zu lesen.

Er aber liest es mit Begeisterung, als wäre es wirklich ein Meisterwerk, als welches es uns unsere Deutschlehrerin damals verkaufen wollte.

Ich beschließe, ihn nicht zu stören und koche uns was zu Essen. Es ist nicht so, dass ich wirklich kochen könnte, aber so ein paar Basics bekomme ich dann doch hin. Deswegen mache ich uns heute auch Spagetti mit Tomatensauce, was mir bisher eigentlich immer ganz gut gelungen ist.

Als das Essen fertig ist, legt er sein scheußliches Buch weg und hilft mir, den Tisch zu decken.

Dabei ist er verdächtig ruhig, was mich ein wenig irritiert. Fast habe ich das Gefühl, er ist sauer, aber das kann nicht sein. Wir haben uns am Morgen nicht gestritten, sondern ganz normal verabschiedet und seitdem habe ich nicht mehr mit ihm geredet. Und zumindest antwortet er mir gerade auch ganz normal auf meine Fragen. Mehr allerdings nicht.

Ich runzle die Stirn, während ich uns beiden Spagetti auftue und sehe ab und an fragend zu ihm. Er aber bekommt von meinem fragenden Blick nichts mit, oder er ignoriert ihn. Fein, dann eben nicht!

Wir essen also fast schweigend und die Stille zwischen uns ist wirklich unerträglich. Zweimal frage ich, ob alles okay ist und zweimal antwortet er mir mit einem monoton klingenden: „Klar, warum nicht?“

Warum nicht, dass lässt sich einfach beantworten: Er. Ist. Komisch.

Leider kann ich kaum mehr wie nachfragen, und nachdem er nicht mit der Sprache herausrücken will, kann ich ihm dann auch nicht helfen.

Wir räumen den Tisch ab und er hilft mir beim Abspülen, ehe er sich wieder dem blöden Buch widmet. Vielleicht hat ihn auch einfach das Buch depressiv gemacht?

Ich beschließe, ihn ein wenig in Ruhe zu lassen und später noch einmal nachzufragen. Also sage ich mich in mein Zimmer los, weil ich angeblich noch etwas für die Uni vorbereiten müsste. Natürlich ist das Quatsch, weshalb ich auch ziemlich ratlos einfach nur herumsitze und mich letztlich in ein Buch für angewandte Mathematik vertiefe.

Als ich beschließe, dass es genug ist, lege ich das Buch weg und trete in unseren kleinen Flur. Dominik hockt im Wohnzimmer und schaut sich einen komischen Film an, der kitschiger nicht hätte sein können. Ich frage mich echt, wie er einerseits Horrorfilme und andererseits diesen Kitsch gucken kann.

Aber vielleicht bin ich auch zu hart mit dem Film. Es ist immerhin nicht dieser Glitzervampirmist sondern eine Liebeskomödie.

Ich lasse mich neben ihn sinken und tue eine Weile so, als fände ich den Film ultraspannend, bis sich die Hauptdarsteller küssen und ich frustriert aufstöhne. Unter lautem Protest schalte ich den Fernseher aus und wende mich an Domi: „Was ist los?“

„Was soll los sein?“, fragt er und ich mache eine umschweifende Handbewegung: „Du redest kaum mit mir, verbringst deine Zeit lieber alleine und bist auch sonst komisch!“

„Es ist alles okay,“ entgegnet er und ich hoffe, er gesteht sich selbst ein, dass es sich nach einer großen Lüge anhört. Ich schüttle den Kopf.

„Ich hab doch gar nichts gemacht! Wenn dich etwas stört, musst du es mir sagen, aber ich wüsste echt nicht, was! Früh war alles in Ordnung, dann haben wir den ganzen Tag nicht miteinander geredet und auf einmal bist du komisch!“

„Eben!“, bricht es mit einem Mal aus ihm heraus.

„Eben was?!“, hake ich verwirrt nach.

„Wir haben den ganzen Tag nicht miteinander geredet!“, wiederholt er noch einmal für Doofies wie mich. „Überhaupt reden wir gar nicht in der Uni. Oder beachten uns überhaupt irgendwie.“

Mir kommt das Gespräch mit Jonas in den Sinn, dass wir heute Morgen noch geführt haben und ein wenig komme ich mir vor, als hätten sich schon wieder alle gegen mich verschworen.

„Doch nur, damit nicht alle über uns reden!“, entgegne ich ein wenig ungehalten. Ich frage mich, warum alles, was ich aus guten Gründen tue, von anderen als scheiße empfunden wird. Am liebsten würde ich ihn das fragen, aber ich möchte nicht fies zu ihm sein.

„Seit wann stört es dich, wenn andere über dich reden? Dir geht es doch nur darum, dass keiner hinter dein kleines Geheimnis kommt. Ich will aber nicht mit einem Jungen zusammen sein, dem ich peinlich bin!“

Mir klappt der Mund auf. Ich frage mich, wie er immer auf solch einen Mist kommt. Als hätte er je einen Anlass gefunden, zu glauben, ich wäre ihm peinlich. Genau das sage ich ihm auch. „Es muss ja einen Grund haben, warum du mich an der Uni ignorierst. Oder willst du mich doch nicht?!“

Ich schüttle fassungslos den Kopf. „Das glaubst du? Nach all der Zeit, die wir nun schon gemeinsam verbracht haben?“

Ich kann einfach nicht glauben, was er sich da schon wieder zusammengereimt hat. Statt dass er mal eher den Mund aufmacht! Trotz des Streits muss ich ein wenig lächeln, weil ich diese verplante, vorschnelle Art an ihm mag.

Er sieht mich nur komisch an, weil ich so vor mich hin grinse. Ein wenig so, als wäre ich ein Außerirdischer. Ich muss daran denken, dass ich vor kurzem erst Jonas so angesehen habe. Vielleicht ist das die Lösung. Vielleicht sind wir alle nicht von diesem Planeten und stellen uns deshalb so wahnsinnig bescheuert an.

„Ich mach das doch nicht, weil du mir peinlich bist oder ich dich nicht mehr will,“ erkläre ich ihm, „Sondern weil ich nicht möchte, dass schon wieder alle über dich reden. Wir wissen doch Beide, dass dir das unangenehm ist.“

Er blinzelt und seine Wangen färben sich rot. Scheint, als wäre ihm sein Ausbruch nach dieser einfachen Erklärung meinerseits ein wenig peinlich.

„Dann… liegt es nicht an mir?“, will er wissen und ich schüttle den Kopf. „Du Dummerchen, ich liebe dich doch. Wenn du willst, dann schreie ich es morgen auch lauthals durch die Uni,“ spaße ich und er reißt überrascht die Augen auf. Erst denke ich, er hätte meinen Witz nicht verstanden, dann aber wird mir klar, was ich da gerade gesagt habe und nun ist es an mir, zu erröten.

Mit einem Mal lächelt er ganz zauberhaft und greift nach meiner Hand. Ich blicke auf unsere Finger, die sich miteinander verschränken. Ich bin noch immer ein wenig erstaunt von mir selbst. Hab ich das gerade wirklich gesagt? Ich schüttle ungläubig den Kopf und blicke Dominik an, der meinen Blick wild entschlossen erwidert. „Die an der Uni können es ruhig wissen, für mich ist das okay,“ versichert er mir und ich nicke lahm. Wenn er wüsste, wie scheiß egal mir die an der Uni alle gerade sind… Überhaupt ist er doch das einzige, das mich interessiert. Langsam ziehe ich ihn in meine Arme und er umschlingt mich und haucht mir einen Kuss auf die Lippen.

„Jasper?“, fragt er dann leise und ich gebe ein „Hmm“ von mir, weil ich gerade wirklich nicht sprechen möchte. Schon gar nicht übe die Uni. Am liebsten wäre es mir, ihn jetzt einfach die ganze Nacht fest zu halten und nie wieder herzugeben.

Ich spüre Dominiks Lippen mein Ohr streifen und schnurre zufrieden auf, während er kurz zögert und dann leise flüstert: „Ich liebe dich auch.“

So schließt sich der Kreis

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Berliner Nächte

Ich habe keine Ahnung, was Dominik vorhat, weil er mir auch auf mehrmalige Fragen hin keine Antwort gegeben hat. Irgendwann habe ich dann beschlossen, es einfach auf mich zu kommen zu lassen. Also laufe ich nun schweigend neben ihm her durch die Straßen Berlins, genieße die kalte Nachtluft und seine Hand, die warm in meiner liegt.

Wir sind noch nicht lange unterwegs, als ich etwas oder eher jemanden bemerke, der an der nächsten Straßenecke steht.

Es ist dieser blöde Typ, der uns in der Uni ständig dumm anmacht und einfach nicht locker zu lassen scheint. Am liebsten wäre ich umgedreht und zurückgegangen, aber ich weiß, dass wir damit dem Problem nur kurzzeitig entkommen wären. Außerdem möchte ich Dominik nicht beunruhigen, obwohl ich merke, dass er sich verspannt, als er den Typen ebenfalls entdeckt.

„Da sind die ja die zwei Schwuchteln,“ ertönt es auch sogleich, kaum das wir an ihm vorbei laufen.

„Wie ist es denn so, dass Fickpüppchen des Professors zu vögeln?“, richtet er seine Aufmerksamkeit auf mich und ich balle meine freie Hand zur Faust, bereit, ihm einfach seine hässliche Visage zu zermatschen, aber Dominik kommt mir zuvor.

„Och, er kann sich nicht beschweren. Wie sagt man so schön? ‚Auf alten Gäulen lernt man das reiten’. Willst du ihm nicht erzählen, was ich alleine mit meinem Mund alles hinbekomme, Jasper?“, sagt er und sieht mich fragend an.

Ich starre ihn fassungslos an, während der Typ den Mund öffnet, aber offensichtlich nicht weiß, was er dazu sagen soll. Das ist Wind für meine Segel und ich muss grinsen, als ich mich an ihn wende. „Oh ja, das stimmt. Er weiß wirklich, was er tut und wenn er dann noch seine Zunge dazu nimmt, dann kann man sich echt nicht mehr zusammen reißen,“ versichere ich ihm mit ernster Miene und sehe, wie Dominiks Mundwinkel gefährlich zu zucken beginnt, aber er reißt sich zusammen und nickt ganz ernst.

Der Kerl scheint noch immer nicht zu wissen, was er darauf erwidern soll, also sage ich leichthin „Naja, man sieht sich,“ ehe ich Dominik einfach weiter schleife. Als wir sicher sind, dass er uns nicht mehr hören kann, brechen wir fast synchron in Lachen aus.

„Wer zur Hölle bist du und was hast du mit meinem unsichern Dominik gemacht?“, frage ich, als ich wieder zu Atem gekommen bin und er lächelt, kuschelt sich dich an mich und meint: „Irgendein ziemlicher intelligenter Junge hat mir mal gesagt, dass er alles durchstehen kann, wenn er nur den richtigen Menschen an seiner Seite hat.“

„Der muss tatsächlich wahnsinnig intelligent sein. Und sicher auch sehr witzig und sexy und…“ Kichernd rammt er mir einen Ellenbogen in die Seite und ich muss lachen.
 

Wir bleiben vor einem Gebäude stehen, dass mir ziemlich bekannt vorkommt und fragend sehe ich zu Dominik, der mich schnurstracks in den Hinterhof zerrt.

„Was wollen wir hier?“, frage ich, während wir die Treppen nach oben huschen, immer in der Furcht, jemand könnte uns erwischen.

„Ich dachte, du hast Angst, jemand könnte uns erwischen,“ wage ich einen neuen Versuch, als er nicht antwortet.

„Hab ich,“ sagt er endlich und ich freue mich, dass er das Sprechen nicht ganz verlernt hat. „Aber es ist wichtig.“

Ich nicke und weiß nicht wirklich, was daran wichtig ist, folge ihm aber trotzdem bis auf das Dach.

Wer man glaubt, nur weil man es schon ein paar Mal gesehen hat, ist es nicht mehr spektakulär, irrt sich. Hier oben zu stehen und über die Dächer Berlins zu blicken, zu glauben, all die Lichter da unten, scheinen nur für einen selbst, ist immer wieder atemberaubend.

Dominik drückt sich dicht an mich, als wir auf das Lichtermeer hinunter blicken.

„Erinnerst du dich noch an den Abend, als wir das letzte Mal hier waren?“, fragt er und ich muss schmunzeln. „Wie könnte ich diesen Abend vergessen?“, frage ich und er lächelt leicht, was mein Herz schneller schlagen lässt.

„Ich wusste nicht, wie es um deine Gefühle für mich steht, aber als du mich dann hier noch gebracht hast, war mir klar, dass du mich mehr als nur mochtest, aber einfach nur Angst davor hattest.“

Ich nicke und weiß, was er meint. Ich habe mich mehrmals gefragt, warum ich ihn an diesem Abend auf dieses Dach gebracht habe, an so einen romantischen, intimen Ort, aber ich wusste nicht wirklich eine Antwort darauf. Dabei war es doch so offensichtlich.

„Ich war damals schon in dich verknallt, aber als wir hier oben standen und ich plötzlich hoffen konnte, dass es mit uns klappen könnte, da habe ich erst gemerkt, wie sehr ich dich liebe,“ gesteht er mir plötzlich und ich bekomme eine Gänsehaut.

Mit einem Mal tut es mir unendlich Leid, ihn an diesem Abend geküsst und dann einfach fallen gelassen zu haben. Ich habe gewusst, dass ich damit seine Gefühle verletzte, aber ich konnte einfach nicht aus meiner Haut. Jetzt, da ich weiß, wie ernst es ihm schon zu diesem Zeitpunkt mit mir war, hasse ich mich für meine Angst.

„Warum sind wir jetzt hier?“, frage ich ihn und richte meine Aufmerksamkeit ganz auf ihn, sehe ihm in die wunderschönen Augen und warte auf eine Erklärung seinerseits.

„Damals habe ich mich nicht getraut und danach habe ich es bereut, es nicht einfach getan zu haben,“ erläutert er mir und ich kann nicht ganz folgen. „Was hast du dir nicht getraut?“, hake ich nach.

„Es dir einfach zu sagen, es dir zu zeigen. Und diesen romantischen Augenblick so mit dir zu genießen, wie er es verdient gehabt hätte. Und deswegen sind wir heute hier,“ sagt er und ich muss wieder Lächeln, weil das einfach das süßeste ist, was er je gesagt oder getan hat.

„Dann sollten wir das auch tun,“ schlage ich vor und im nächsten Moment spüre ich seine Lippen hauchzart auf meinen und drücke ihn fest an mich, während wir diesen Moment einfach genießen.

Als wir uns lösen, blicke ich über Berlin und kann nicht umhin zu denken, wie magisch diese Nacht doch ist. Und vielleicht ist sie das aus, denn ich habe das Gefühl, dass diese Nächte hier in Berlin, mit Dominik an meiner Seite, alle etwas Magisches an sich haben. Wird Zeit, dies auch in vollen Zügen zu genießen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (68)
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Von:  Deedochan
2014-08-27T15:56:01+00:00 27.08.2014 17:56
So, jetzt habe ich mich ja einige Kapitel lang nicht mehr gemeldet - einerseits, weil ich keine Zeit zum Lesen hatte und andererseits, weil deine Geschichte kurzzeitig mein Interesse verloren hatte, da eigentlich in den letzten paar Kapiteln immer nur dasselbe vorkam: Parties, Uni, einander ignorieren, Herumgezicke und komische widersprüchliche Gefühle, die manchmal besser zu einem 13- jährigen Mädchen gepasst hätten als zu einem Burschen, der schon studiert. Außerdem erschien es mir relativ unwahrscheinlich, dass ein (fast schon) Mann plötzlich von einem selbstbewussten Typen zu einer Mimose mutiert, ABER: Nicht beleidigt über meine Kritik sein, so habe ich es empfunden.

Letztendlich jedoch bin ich froh, dass ich die Geschichte doch noch zu Ende gelesen habe, weil die beiden relativ knuffig miteinander sind und du das Ruder in den letzten 3 Kapiteln herumgerissen und ein gutes Ende geschrieben hast.

Danke für die Geschichte - und ich hoffe, man liest wieder etwas von dir, damit du dich noch mehr verbesserst ^^

p.s.: Da ich jetzt mehrere Kapitel in einem Rutsch gelesen habe, wollte ich dich nur darauf aufmerksam machen, dass man merkt, dass du deine Gedanken schnell - und ohne noch einmal darüber zu lesen - abgetippt hast, da in einigen Sätzen Wörter fehlen oder die Enden nicht zu den Anfängen der Sätze passen.

glg!

Deedochan
Antwort von:  Jeschi
27.08.2014 21:47
Hey danke für deinen Kommi.

Sorry, aber die Meinung teile ich absolut nicht. Es gibt gewisse Dinge im Leben, die einen nicht nur mit 13 sondern auch mit Anfang 20 aus der Bahn werfen. Ich weiß auch nicht, ob man in dem Alter bei allen schon von "Mann" reden kann. Ich kenne genug, bei denen ich das nie tun würde.
Außerdem bin ich kein Freund von Wischiwaschi-Kram. Manche Dinge im Leben gehen nicht von Jetzt auf Gleich.
Zugegeben, am Ende hat es sich ein wenig gezogen - aber unrealistisch ist es dennoch nicht.

Omg, ich bin nicht beleidigt. Ich höre bzw lese jede Kritik. Aber ich muss auch nicht jede (komplett) nachempfinden können.

Ich stimm dir zu, dass da noch einige Fehler drin sind. Aber ich hab ja gesagt, es ist ein grober Entwurf und wird noch mal überarbeitet.
Von:  Wernes23
2014-08-23T21:39:46+00:00 23.08.2014 23:39
Ich kann mich auch nur anschließen

Eine super Geschichte, der man gefesselt folgte
Freue mich auf weitere von dir ;)
Antwort von:  Jeschi
24.08.2014 16:07
Vielen Dank! :3 Das freut mich sehr! :3
Von:  Midnight
2014-08-23T21:10:58+00:00 23.08.2014 23:10
Ich liebe diese Story!
Du kannst echt toll schreiben. Es ist so spannend gewesen und ich habe jedes Mal mitgefiebert!
Es war kaum zu erwarten, bis endlich ein neues Kapitel kam!
Und vor allem die Regelmäßigkeit hat mir gefallen. Ich brauche mittlerweile leider immer eine halbe Ewigkeit dafür, aber hier lief das reibungslos ab. Darüber habe ich mir sehr gefreut!

Deine Charaktere waren wirklich gut beschrieben, so dass man sie sich richtig gut in sie hineinfühlen konnte, auch dass ihre Lebenssituationen so real beschrieben waren , so dass man sich tatsächlich vorstellen konnte, was da gerade passiert hat mir gut gefallen!
Außerdem war deine Geschichte echt abwechslungsreich, so dass es nie langweilig wurde, was auch zu einer Entwicklung der Geschichte geführt hat. Die Charaktere haben im wahrsten Sinne des Wortes jeder ihre ganz eigene Entwicklung durch gemacht, was für den Leser natürlich auch sehr rentiert, weil diese Tatsache dazu beiträgt wissen zu wollen, wie es weitergeht!

Jasper: Ich mag Jasper. Er ist ein netter Junge. Nicht zu abgehoben. Kann mit Menschen um gehen ohne zu sehr von Vorurteilen behaftet zu sein. Solche Menschen sind sehr sympathisch. Mir kam es vor, dass er jetzt nicht unbedingt jede Party mitnehmen muss, aber auch gerne mal dabei ist und mit seinen Freunden feiert. Das ist ebenfalls gut. Da man gemerkt hat, dass er ein sehr geselliger Mensch ist!

Allerdings kam er mir zeitweise auch ein bisschen verwirrt, ängstlich und desorientiert vor, als er sich so durch die Frauenwelt geschlagen hat, um heraus zu finden wo denn nun sein Problem liegt. Auch dass er Domi deswegen hin und wieder mal vernachlässigt hat und auch nicht gesehen hat, worum es ihm eigentlich geht hat gezeigt, wie sehr er noch mit sich selbst und seiner Freundinnensuche beschäftigt war. Er ist auf jeden Fall ein Typ mit vielen Frauengeschichten, die allerdings nicht unbedingt immer gut laufen, eben weil er viel zu nett ist und sich auch mal verarschen lässt, der Arme XD Ein weiteres Problem ist auch, dass er ganz sicher in seinem inneren weiß, was abgeht, es sich aber einfach nicht vorstellen will und kann und plötzlich Ängste in ihm aufsteigen wegen Dinge, die ihm zuvor völlig egal waren. Das heißt, bis es ihn selbst betraf.
Aber es war auch niedlich ihm dabei zu zu sehen, wie verzweifelt er war und nach der Lösung gesucht hat.

Aber im Vordergrund der gesamten Gesichte stand trotz allem immer Domi, der sich wie ein roter Faden durch seine Gedanken zog, egal, was er tat und mit wem. Das fand ich einfach zu gut, was mich auch dazu angehalten hat, die Story weiter zu lesen. Dieser arme verwirrte, wurde ja richtig Dominisiert! Achtung hoch ansteckend! Es ist klasse wie ihm immer bewusster wurde was er empfindet vor allem als er mal so richtig die liviten gelesen bekommen hat. Ich glaub, genau das hat er gebraucht, um sich wach zu rütteln!


Domi: Dieser Junge schien mir ein wenig speziel, schüchtern, mit sich selbst im unreinen. Aber irgendwie hat man von Anfang an gemerkt, dass in ihm etwas steckt, was sich erst mit der Zeit entwickeln wird. Es war richtig gut zu lesen wie er nach und nach immer mehr auf getaut ist und auch Jasper so richtig gezeigt hat wo der Harken ist. Was vor allem erkennbar ist, ist die Tatsache, das für ihn die Situation zwar sehr schwierig war, aber dafür glasklar. Er war sich seiner Gefühle schnell bewusst. So weit mein Eindruck. Im Gegensatz zu Jaspar, war er nicht halb so verwirrt. Dafür aber ziemlich eifersüchtig! XD Niedlich

Allerdings war auch deutlich erkennbar, dass er sich von sich aus ziemlich abgekapselt hat, aus Angst, dass was schief gehen könnte. Solche Menschen gibt es zu genüge. Menschen die sich ihrer Gefühle bewusster sind als alle anderen und nichts sagen, aus Angst, dass es nicht erwidert wird. Daher ist das auch sehr real und sehr gut vorstellbar!
Seine Augen waren die ganze Zeit auf Jasper gerichtet. So süß und so leidend. Es muss schrecklich wehtun, dem Geliebten Menschen zu zu sehen, wie er sich amüsiert, wären man selbst total in ihn verknallt ist.

Jonas und Leon: Diese Beiden sind wirklich ein gut eingespieltes Team, obwohl sie so unterschiedlich sind. Aber sicher ist es genau dieses Mischung, die es ausmacht. Sie passen echt gut zu einander und auch zu Jasper und Domi. Sie sind wie das fehlende Puzzelstück das notwendig ist, um ein ganzes Bild zu schaffen. Ohne sie wäre sicher deutlich weniger Spannung darin gewesen.
Jonas ist der Bodenständige, der versucht alles irgendwie mit Freundlichkeit zu regeln, wärend Leon ein Hitzkopf ist, aber im Grunde von allen den besten Überblick hat, es nur nicht zeigen kann, weil er in einer Zwickmühle steht, in der er gut dastehen will, aber eigentlich gar nicht so doof ist, wie er er sich gibt. Im Grunde ist er der Aktivste finde ich, während Jonas eher passiv ist.
Auch solche Kombis von Menschen gibt es, die sehr erheiternd sind und den Gern einer Geschichte ausmachen, so das alles zusammen passt.

Berliner Nächte ist eine sich langsam entwickelnde Geschichte, spannend aufgebaut, und macht Laune zum weiterlesen.

Vielen Dank Middy <3

Hoffe du schreibst bald wieder so was tolles!
Antwort von:  Jeschi
24.08.2014 16:12
OMG! WOW! So ein langer, toller Kommentar. Oh Gott, ich danke dir dafür. <3
Es freut mich sehr, dass dir diese langsame Entwicklung aufgefallen ist. Ich habe ja auch zu hören bekommen, dass es zu langsam geht, aber meiner Ansicht nach verändern sich Menschen nicht von Heute auf Morgen und das du das bemerkt und für gut befunden hast, sagt mir, dass ich doch was richtig gemacht haben muss.
Du hast Recht, Dominik ist ein wenig im unreinen mit sich und weiß doch trotzdem genau was er will. Jasper hingegen hat keinen Plan, was er eigentlich fühlen soll und kommt trotzdem besser mit sich und der Welt klar. Ich fand es wahnsinnig spannend, was passieren wird, wenn solche Gegensätze aufeinander prallen und hier ist sie nun, die Geschichte der Beiden.
Das du die Charaktere so gut analysiert hast, zeigt mir einfach wieder, dass es mir gelungen ist, authentische und liebenswerte Protagonisten zu schaffen. Ein wenig hatte ich Angst, man könnte sie nicht lieb gewinnen, aber wenn du sagst, du magst sie, dann macht mich das glücklich. Wo ich die beiden doch so liebe. XD (Meine Babys XDDD)
Und ja, Leon ist wirklich der aktivere, Jonas eher der stille Berater. Ich weiß, dass Leon am Anfang noch ein wenig ein Idiot war, aber wenn man hinter seine harte Schale guckt, findet sich da einfach ein weicher Kern.
Ich danke dir noch mal für den tollen, langen Kommi und dafür, dass du die Geschichte gelesen hast. Ich arbeite derzeit an etwas neuem, aber ob und wann ich es mal on stelle, ist fraglich. x.x
Danke nochmal. <3
Von:  Morphia
2014-08-23T19:09:02+00:00 23.08.2014 21:09
So süß und romantisch. ♡
Danke für diese Geschichte. Ich habe sie sehr sehr gern gelesen.
Antwort von:  Jeschi
24.08.2014 16:06
Vielen Dank für deinen Kommi und das Lob. Es freut mich unglaublich sehr. :3
Von:  tenshi_90
2014-08-23T12:08:26+00:00 23.08.2014 14:08
Das ist ein wundervoller Abschluss der Story :) Die beiden sind so süß zusammen ^^
Antwort von:  Jeschi
23.08.2014 16:23
Danke, freut mich wenn du das so siehst! :)
Von:  Midnight
2014-08-17T16:39:19+00:00 17.08.2014 18:39
:3
Ich finde es ja toll, dass Jasper und Domi nun zu einander stehen können und sich lieben, wie es sich gehört, ganz gleich was alle anderen ´dazu sagen.
Mal ehrlich, ist doch total egal, was andere denken, solange man sich selbst sicher ist was man will und dazu steht!
Es gibt kaum etwas schlimmeres, als verheimlichen zu müssen, dass man sich liebt, aus angst, andere könnten es nicht akzeptieren. Im Grunde ist man dann ja nicht mal ehrlich zu sich selbst und macht sich und seinen Partner nicht unbedingt glücklicher.
Ich kenne da so zwei und das ist echt traurig!

Danke für dieses wundervolle Kapitel <3

Auf ins nächsten XD
Hoff ich doch °x°

LG Middy <3

Antwort von:  Jeschi
18.08.2014 16:33
Danke für den Kommi! :)
Ja, da hast du absolut Recht. Es ist wirklich schrecklich, wenn man aus Angst vor anderen nicht zu sich selbst stehen kann/will. Und auf Dauer wird man so unglaublich unglücklich, das ist wirklich keine Lösung für die Ewigkeit.

Es freut mich, dass es dir gefallen hat. Leider wird nicht mehr sonderlich viel kommen. :/ Aber wer weiß, vllt hab ich ja Lust, irgendwann noch mal was zu den beiden Jungs zu schreiben. °O°
Von:  Morphia
2014-08-16T06:58:13+00:00 16.08.2014 08:58
Ist das schön. *o*
Da läuft ja alles wie am schnürchen. ^^
Gut gemacht, Jasper. ;)
Antwort von:  Jeschi
16.08.2014 18:31
Endlich hat ers mal was richtig gemacht :D
Danke für den Kommi. :)
Von:  tenshi_90
2014-08-15T20:25:20+00:00 15.08.2014 22:25
Ach ja.. da liegt Liebe in der Luft :) Die beiden sind so süß ^^
Antwort von:  Jeschi
16.08.2014 18:31
Ja <3
Danke für den Kommi :)
Von:  tenshi_90
2014-08-09T17:30:33+00:00 09.08.2014 19:30
Die beiden sind so ein zuckersüßes Paar :)

Ich hoffe, sie zeigen sich jetzt auch in der Öffentlichkeit so verliebt ^^
Antwort von:  Jeschi
09.08.2014 20:06
Wird sich zeigen, ne ;D

Danke für den Kommi :)
Von:  Morphia
2014-08-09T09:46:42+00:00 09.08.2014 11:46
Wie süß. *3*
Ich mag diese leicht komplizierte Art von Domi. Und noch besser finde ich, wie jasper damit umgeht. Die beiden sind so süß zusammen. ♡
Antwort von:  Jeschi
09.08.2014 17:01
Danke für den Kommi :)


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