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Berliner Nächte

von

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Die Nacht der Nächte

„Jasper,“ ruft Leon und stolpert fast über die kleine Treppe, die zu ihrem Hauseingang führt, als er mir nachrennen möchte.

Nach meinem tollen Vorschlag habe ich ihn gar nicht antworten lassen, sondern habe mich sofort verabschiedet, um ihm zu entkommen.

Ich hatte gehofft, er würde es einfach akzeptieren, aber so leicht ist es wohl doch nicht.

Schon wieder genervt, bleibe ich stehen und sehe ihm zu, wie er die kurze Distanz, die ich bereits zurückgelegt habe, joggend zu mir aufholt.

„Hör mal, nichts gegen dich oder Dominik, aber es ist wirklich keine gute Idee, wenn du ihn mitbringt,“ erklärt er mir und tritt dabei unsicher von einem Bein aufs andere.

„Wieso nicht?“, hake ich ein wenig dümmlich nach. Natürlich ist mir die Antwort bewusst, aber das muss er ja nicht wissen.

„Na, wegen der Gerüchte. Was glaubst du, wie die anderen alle reagieren werden, wenn ausgerechnet er da auftaucht?“, fragt er mich und ich zucke mit den Schultern. Mir ist das eigentlich egal.

„Irgendjemand hat diese Gerüchte in die Welt gesetzt,“ sage ich und muss mir fast auf die Zunge beißen, um ihn nicht direkt darauf anzusprechen, „und es wird Zeit, dass mal irgendwer damit anfängt, sie wieder aus dieser zu schaffen!“

Er zuckt zusammen, weil zum Ende hin immer lauter geworden bin und sieht mich nun reichlich bedröppelt an.

„Hör mal, Jasper,“ versucht er dann erneut, mich vom Gegenteil zu überzeugen. „Dominik ist halt einfach nicht beliebt und es fällt auf mich zurück, wenn ich ihn mitbringe.“

Ich zucke mit den Schultern, weil mir dieser Punkt wirklich egal ist. Beziehungsweise finde ich, dass es ihm nur recht geschieht, wenn man sich über ihn auch mal das Maul zerreißt.

„Genau genommen bringe ja ich ihn mit,“ wende ich eine und lehne mich lässig an die Hauswand neben mir, sehe ihn berechnend an. „Findest du nicht auch, dass man den Arschlöcher, die solche Sachen über ihn verbreitet haben, endlich mal zeigen sollte, dass er ein ganz normaler Kerl ist?“

Bei dem Wort ‚Arschlöcher’ beißt er sich auf die Lippen, was ihn eigentlich schon verrät. Ich tue aber so, als hätte ich weiterhin keine Ahnung und meine: „Wenn er nicht kommen darf, dann komme ich auch nicht.“

Er will widersprechen, aber ich lasse ihn gar nicht zu Wort kommen: „Schon gut, mir macht das nichts. Ich stehe eh nicht so auf Partys und ich kann mir in der Zeit ja einen tollen Abend mit Dominik machen.“

Leon verdreht die Augen. „Man, Japser, ich möchte aber, dass wir da alle zusammen hingehen, okay? Wir sind doch immer zu dritt unterwegs. Die anderen gehen ja auch von aus, dass ich euch Beide mitbringe.“

„Dann musst du ihnen eben sagen,“ maule ich, „dass ich keine Zeit habe.“

Wirklich glücklich darüber sieht er nicht aus und so langsam scheint ihn mein Vorhaben auch zu nerven, denn er faucht: „Was soll das jetzt? Seit wann ist dir der kleine Emo so wichtig, dass du ihn unbedingt mit auf die Party bringen musst?“

„Seit ich mit ihm zusammen wohne, du Vogel!“, gifte ich zurück und wende mich zum gehen. „Ich bringe ihn mit. Ist mir egal, was du davon hältst!“

Er ruft mir noch einige Dinge nach. Angefangen von Überzeugungsversuchen, bis hin zu wüsten Beschimpfungen. Aber er läuft mir nicht weiter nach, weshalb ich davon ausgehe, dass es okay ist, Dominik mitzunehmen.
 

„Ich weiß nicht, Jasper,“ quengelt Dominik und scheint völlig im Polster der Couch zu verschwinden, so klein, wie er sich darauf macht.

„Wieso denn nicht?“, frage ich ihn und versuche, ihn ein wenig mehr animieren: „Du musst auch mal unter Leute und die Partys von Paul sind eigentlich immer Recht cool. Garantiert wirst du dort Spaß haben!“

Er schüttelt den Kopf und verkriecht sich, wenn überhaupt möglich, noch tiefer in den Kissen. „Ich mag keine Partys.“

„Papperlapapp,“ widerspreche ich und lasse mich neben ihm auf das Sofa plumpsen. „Ich habe bereits gesagt, dass ich dich mitbringe und deswegen wirst du jetzt auch mitgehen! Du musst endlich mal raus und unter Leute, sonst wirst du deine gesamte Studienzeit ein Außenseiter bleiben. Das möchtest du doch nicht, oder?“

Von ihm kommt nur ein lang gezogenes ‚Mh’, weshalb ich weiterrede: „Jonas und Leon sind auch einverstanden und dann hast du schon uns Drei und brauchst keine Angst haben, alleine da rum zu stehen. Es kann also gar nichts Schlimmes passieren!“

Zugegeben, dass mit Jonas und Leon ist gelogen. Leon ist gar nicht begeistert und was Jonas darüber denkt, weiß ich nicht. So, wie er aber immer über die Rechte von Homosexuellen philosophiert, wird es ihn schon nicht groß stören.

„Doch!“, widerspricht er, „Sie werden alle über mich reden und mich schief angucken und so…“

Ich winke ab. „Da wird keiner über dich herziehen, solange du bei uns bist. Uns mögen sie doch und wenn sie sehen, dass wir uns gut mit dir verstehen, dass werden sie auch merken, dass du eigentlich ganz okay bist.“

„Jasper,“ seufzt er und richtet sich urplötzlich auf, „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.“

Ich verziehe den Mund, weil ich diesen Satz heute schon einmal von Leon gehört habe. Und wenn jemand nicht der gleichen Meinung sein sollte, dann sind das Dominik und Leon.

„Du kannst dich nicht immer nur verstecken! Du musst raus und der Welt den Mittelfinger zeigen! So viel solltest du dir selbst wert sein!“, motiviere ich ihn und klatsche laut in die Hände, was ihn ein wenig zusammenzucken lässt.

Ich springe vom Sofa auf und ziehe ihn mit mir. Irritiert steht er im Raum und blickt mich fragend an. „Du wirst schon sehen, es wird lustig am Samstag und wenn alles gut läuft, dann ändert sich dein Leben komplett an diesem Abend!“

Und das soll ja auch das Ziel sein – Dominik integrieren und sein Leben wieder etwas besser gestalten.

„Und wenn alles schief läuft, dann wird alles noch viel schlimmer als es jetzt schon ist,“ jammert er und ich schüttle den Kopf.

„Schlimmer geht’s doch kaum noch,“ zwinkere ich ihm zu, was ihn leider nicht zum lachen bringt. Ich dachte, es sei witzig…

„Na schön,“ seufzt er erneut und willigt dann ein, wenigstens mal kurz mit vorbeizuschauen. „Aber wenn es scheiße läuft, dann gehe ich sofort wieder nach Hause!“

Ich stimme zu, weil das ehrlich gesagt schon mehr ist, als ich erwartet hätte.

Das es schwer werden würde, Dominik davon zu überzeugen, war mir ja klar. Dass er nun aber doch relativ schnell zugestimmt hat, wundert mich ein wenig. Aber vielleicht hat meine kleine Moralpredigt ja auch etwas gebracht.

Ich denke, es ist ein relativ guter Kompromiss, wenn er einfach mal mit hingeht und schaut, ob es ihn gefällt, aber jederzeit wieder gehen kann, ohne dass ich böse bin, falls es für ihn nicht angenehm ist, auf der Party zu sein.

„Du darfst gehen, wenn du mir versprichst, es aber unter allen Umständen zu probieren,“ schlage ich vor und er nickt langsam.

„Schön,“ freue ich mich, „Dann wäre das ja geklärt!“
 

Am Samstag stehe ich Abends im Bad, um mich für die Party fertig zu machen.

Dominik hat sich in seinem Zimmer verkrümelt und ich weiß nicht, ob er sich nun ebenfalls umzieht oder wahlweise unter dem Bett versteckt hat.

„Dominik,“ rufe ich ein wenig drängelnd, weil ich mittlerweile weiß, dass er ziemlich lange im Bad braucht, bis seine Haare so sind, wie er das gerne hätte.

Als keine Reaktion kommt, runzle ich die Stirn und verlasse das Bad, klopfe an seine Zimmertüre. „Domi,“ rufe ich und öffne die Türe einen Spalt.

Er sitzt auf dem Bett, schon in den Klamotten, die er tragen möchte, aber immer noch nicht fertig. Als ich eintrete, blickt er auf.

„Was soll das denn jetzt?“, hake ich nach und lasse mich neben ihm auf das Bett fallen.

„Wir sind eh schon spät dran. Wenn du dich jetzt nicht langsam mal beeilst, dann gehen Jonas und Leon ohne uns los.“

Tatsächlich haben wir ausgemacht, uns um Neun bei ihnen zu treffen. Mittlerweile ist es kurz nach Halb und wenn wir noch pünktlich sein wollen, dann müssen wir in wenigen Minuten los. Eigentlich recht unmöglich, da Dominiks Haare noch immer wild in alle Richtungen abstehen. Ich hoffe nur, dass das so nicht gewollt ist, sonst wird es nicht lange dauern, bis jemand ihn schief anschaut.

„Ich gehe nicht mit,“ verkündet er mir und schlinge die Arme um seine Beine, welche auf dem Bett aufgestellt hat.

Ich verdrehe die Augen. „Die Diskussion hatten wir allein heute schon dreimal. Findest du nicht, es reicht langsam?“

Er schüttelt heftig den Kopf. „Mich mag dort doch eh keiner!“

Ich stehe auf und packe seinen Arm. „Entweder stehst du jetzt freiwillig auf, oder ich schmeiße dich aus dem Bett! Du gehst jetzt mit und wenn es scheiße ist, dann gehen wir nach einer halben Stunde wieder, okay? Und jetzt hör auf zu diskutieren.“

Er sieht mich unglücklich an und bewegt sich keinen Millimeter. „Dominik! Ich zähle bis Drei! Eins… Zwei…“

Ehe ich bei der Drei angelange, schafft er es doch, aufzustehen und mir ins Bad zu folgen. Wahrscheinlich hat er Angst bekommen, ich würde ihn tatsächlich aus dem Bett zerren.

Wenig später glättet er sich missmutig die Haare – Gott sei Dank! – und schaut mir zu, wie ich meine mit Gel in Form zu bringen versuche.

„Sie sind viel zu lang!“, jammere ich. Kinnlang um genau zu sein. Ich trage sie nun schon eine ganze Weile so, den Pony kess zur Seite und alles ein wenig mit Gel in Form gebracht.

Aber gerade möchte es mir gar nicht gelingen. „Vielleicht sollte ich sie abschneiden,“ murre ich und Domi schüttelt neben mir leicht den Kopf, während er noch immer mit dem Glätteeisen agiert. „Ich finde, es sieht gut aus,“ versichert er mir und sieht mich dabei nicht an, blickt stattdessen hochkonzentriert in den Spiegel.

„Du hast doch noch gar nicht geguckt!“, lache ich und er zuckt mit den Schultern. „Du siehst doch immer gut aus. Warum dann nicht auch jetzt?“

Ich muss grinsen, weil er dabei rot wird. Aber ich weiß ja, dass er nur nett sein möchte und nicht versucht, sich an mich ranzuschmeißen, also beschließe ich, ihn nicht weiter damit aufzuziehen. Ich schließe die Geltube wieder, stelle sie beiseite und wasche meine Hände ab, wehe ich noch einmal prüfend in den Spiegel sehe. Er hat Recht, ganz so schlimm ist es wirklich nicht.

„Dominik, wir kommen zu spät,“ bemerke ich mit einem blick auf die Uhr, aber er ist noch freudig dabei, sein Chaos auf den Kopf unter Kontrolle zu bringen.

„Dann gehen wir eben alleine-“ Er unterbricht sich selbst und legt das Glätteeisen weg. „Das kommt nicht gut, oder? Wenn wir da zu zweit auftauchen! Dann reden sie nur auch noch über dich!“

Manchmal nervt er mich ein wenig, mit seiner ständigen Paranoia und das weiß er auch. Nachdem ich ihn böse schaue, macht er sich brav wieder an die Arbeit und sagt keinen Ton mehr von seinen Verschwörungstheorien.

Ich zücke mein Handy und sage Jonas Bescheid, dass wir ein wenig später nachkommen, weil Dominik noch im Bad beschäftigt ist.

„Denkst du, es wird ihm nicht zu viel?“, fragt er mich und flüstert dabei fast. Wahrscheinlich möchte er nicht, dass Leon etwas von unserem Gespräch mitbekommt.

„Ich habe ihm versichert, dass wir gehen, wenn es ihm gar nicht gefallen sollte,“ kläre ich Jonas auf und er ist sofort ein wenig erleichtert.

„Leon ist gar nicht begeistert,“ verkündet er mir dann – noch leiser, wie zuvor schon.

„Dachte ich mir,“ erwidere ich nur und meine Laune sinkt sofort wieder ein wenig. Ich hasse es, wenn ich mich ständig vor Leon rechtfertigen muss, nur weil ich einen Kumpel mit auf die Party bringe. Mir ist natürlich bewusst, dass es für Domi ein wenig schwer werden könnte, aber warum sollten ihn die anderen total scheiße behandeln? Klar, es wird über ihn getuschelt, aber in der Uni war doch auch niemand gemein zu ihm. Man hat ihn halt einfach gemieden. Das sagte ich Jonas auch so.

„Schon, aber du weißt ja, was Leons Problem ist. Ihm ist die Sache unangenehm und noch unangenehmer wird es ihm sein, wenn ausgerechnet er sich nun mit Dominik sehen lässt.“

„Es ist seine Chance, es wieder gerade zu biegen,“ widerspreche ich. „Wenn die anderen sehen, dass er ihn normal behandelt, tun sie es vielleicht auch wieder. Ist doch ideal!“

Jonas sagt nichts mehr dazu, sondern verabschiedet sich. Wahrscheinlich ist Leon in Hörweite. Ich beende den Anruf und bemerke erst, als ich mich umdrehe, dass Dominik die ganze Zeit hinter mir stand.

Peinlich berührt beiße ich mir auf die Lippe. Ich habe ihm natürlich nicht gesagt, dass Leon einer der Verursacher seiner Misere war. Jetzt hat er es sicher aufgeschnappt, weshalb ich mich schon auf eine neue Diskussion vorbereite.

Allerdings ist meine Sorge relativ unbegründet, denn er meint nur recht unbeeindruckt: „Schon mal dran gedacht, dass er noch etwas von Ann-Kathrin möchte und deshalb nicht mit mir gesehen werden will?“

Mir klappt der Mund auf. „Du wusstest die ganze Zeit davon?“ Als er nickt, bin ich sofort wieder außer mir: „Warum hast du es mir nicht gesagt?!“

„Wozu denn? Ich bin nicht sauer auf Leon. Ich weiß, dass man manch dumme Sachen macht, wenn man verknallt ist.“

Ich schüttle den Kopf, weil ich genau diese Ausrede auch schon von Jonas gehört habe. Irgendwie scheint jeder Leon verzeihen zu können – sogar Dominik, der ja das Opfer der ganzen Geschichte ist. Aber ich, ich kann es nicht, so sehr ich es auch möchte. Ich finde es nicht in Ordnung, was Leon getan hat und ich finde, es ist an der Zeit, dass er wiedergutmacht, was er da verbrochen hat.

Das sage ich auch Dominik und wieder zuckt er nur mit den Schultern. „Es ändert sich doch sowieso nichts. Die brauchen eben jemanden, über den sie reden können.“

„Ich bin sicher, es wird sich etwas ändern!“, setze ich ihm entgegen und ehe er erneut dagegen reden kann, drehe ich mich auf den Absatz um und steuere die Haustüre an.

„Los jetzt!“
 

Ein wenig pikiert bin ich noch immer, dass Dominik mir nie gesagt hat, dass Leon mit Schuld an der Sache hat. Immerhin ist Leon mein Kumpel. Aber vielleicht hat er sich auch aus genau diesem Grund nicht getraut, mir etwas davon zu sagen. Kann ja sein, dass er einfach nur unsere zarten Bande nicht dadurch zerstören wollte, in dem er solcherlei Tatsachen zur Sprache bringt.

Genau genommen habe ich ihm ja auch nichts davon erzählt, nachdem Jonas es mir gesagt hat, also sollte ich wohl einfach die Klappe halten und bei mir selbst mit der Kritik anfangen.

Dennoch wäre es ein wenig leichter gewesen, hätte Dominik es mir einfach gesagt. Dann hätte ich Leon direkt ansprechen können und vielleicht wäre er dann jetzt eher kooperativ. Ich glaube nämlich immer noch nicht, dass er groß begeistert sein wird, wenn ich tatsächlich mit Dominik auf die Party komme und ich kann mir erst recht nicht vorstellen, dass er dann freiwillig Zeit mit Dominik verbringt. Wahrscheinlich schämt er sich auch zu sehr, ihm unter die Augen zu treten.

Keine Ahnung, ob Jonas das weiß, aber Leon wird sicherlich wissen, dass Dominik bewusst ist, dass er die Gerüchte fleißig mit verbreitet hat.

„Ich kann nicht verstehen, warum du Leon so leichtfertig verzeihen kannst,“ gebe ich zu, während wir uns auf den Weg zu Pauls Wohnung machen.

Bisher sind wir schweigend nebeneinander gelaufen, aber ich ertrage diese Stille zwischen uns nicht. Zudem kann ich mir vorstellen, dass Dominik ziemlich nervös ist und vielleicht hilft es ihm, wenn er darüber reden kann.

„Ich hab ihm nicht verziehen, ich möchte es ihm nur nicht länger vorwerfen.“

Ich verdrehe die Augen, weil das eine Logik ist, die ich einfach nicht verstehe. Manchmal benimmt sich Dominik wie eine Frau.

„Das geht doch gar nicht,“ halte ich dagegen und er schmunzelt, weil ich mich schon wieder so aufrege und versuche, ihm zu erklären, dass er Leon niemals verzeihen werden kann, wenn er ihm nicht mal ordentlich die Meinung geigt, bis Leon sich reumütig entschuldigt.

„Blödsinn. Nur, weil ich es ihm nachsehe, heißt es ja nicht, dass ich es vergesse. Ich möchte nur nicht mein Leben lang einen Hass auf ihn haben. Immerhin war Ann-Kathrin ja die eigentliche Ursache.“

Ich schnaube. „Das ist bescheuert!“

„Findest du?“ Er schein ehrlich erstaunt, dass ich dieser Ansicht bin, was mich fast die Fassung verlieren lässt: „Er ist Schuld, dass es dir jetzt so scheiße geht. Das du Angst hast, das Haus zu verlassen oder dich mit irgendjemanden in der Öffentlichkeit sehen zu lassen! Ich finde, dass er es verdient hätte, dass ihm genau das gleiche passiert. Und wenn schon nicht, dann soll er wenigstens für das gerade stehen, was er verbockt hat“

Er sieht mich überrascht hat, weil er wohl nicht damit gerechnet hat, dass ich mich derart in seine Probleme hinein steigern kann. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich selbst kaum verstehe. Vielleicht liegt es einfach nur daran, dass ich ihn ins Herz geschlossen habe und er auf mich so klein und hilflos wirkt.

Ich möchte einfach nicht, dass ihm ein weiteres Unrecht geschieht und ich finde, er sollte anfangen, sich ein wenig gegen andere zu behaupten. Deswegen glaube ich auch, dass es ihm sicher gut tun wird, heute mit auf die Party zu gehen.

„Du wirst sehen, Dominik. Heute wird unsere Nacht der Nächte! Die anderen werden alle staunen, wie toll du sein kannst!“

Er sieht gar nicht überzeugt aus, aber er ist so nett, nicht wieder etwas Gegenteiliges zu behaupten. Den Rest des Weges, bis wir bei Pauls Wohnung angelangen, schweigen wir.
 

Als wir klingeln, sieht Dominik so aus, als würde er gleich flüchten wollen. Ich nehme das ein wenig besorgt zur Kenntnis, weil ich nicht möchte, dass er sich schon vor dem Eintreten schlecht fühlt.

„Kopf hoch,“ versuche ich, ihn aufzumuntern und ehe wir uns noch groß unterhalten können, öffnet sich bereits die Türe.

„Hey,“ begrüßt uns Paul und wirft einen irritierten Blick auf Dominik. Etwas sagen tut er aber nicht, sondern lässt uns nur ein, lässt Domi dabei aber nicht aus den Augen.

„Jasper?“, fragt er und nickt in seine Richtung. Ich bedeute ihm, dass ich mich schon um ihn kümmere und er sich keine Gedanken machen möchte, ehe ich Domi mit mir schleife, der keine Anstalten macht, vom Flur in Pauls großen Wohnraum zu treten.

Pauls Eltern sind relativ wohlhabend und können ihm eine dementsprechend große Bude bezahlen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass ziemlich viele Leute aus der Uni in der Wohnung versammelt sind.

Ich mische mich unters Volk, Domi dicht hinter mir, und mache mich auf die Suche nach Jonas und Leon.

Ersterer ist schnell gefunden, aber er ist alleine. Irgendwie war mir klar, dass Leon sich nicht bei uns blicken lässt, wenn er weiß, dass ich Dominik mit dabei habe.

„Was für ein Feigling,“ schnaube ich abfällig und Jonas nickt nur verhalten. „War ja klar,“ nuschelt er und möchte wohl nicht viel mehr dazu sagen. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass er nicht derjenige ist, der über Leon lästern möchte, aber das hält mich nicht davon ab, ihm zumindest meine Meinung auf die Nase zu binden.

„Möchtest du etwas trinken, Dominik?“, wende ich meine Aufmerksamkeit meinem kleinen Mitbewohner zu, der sich die ganze Zeit hektisch umsieht, als würde sich gleich jemand auf ihn stürzen.

Bisher hat noch keiner weiter bemerkt, dass er überhaupt da ist und wenn es doch jemand gemerkt hat, dann hat es denjenigen wohl nicht interessiert. So langsam könnte er sich mal entspannen, aber natürlich macht er das nicht.

„Dominik?“, hake ich nach, weil er nicht antwortet und nur ganz langsam wendet er mir seine Aufmerksamkeit zu. „Ja, eine Cola.“

Ich nicke und sehe Jonas fragend an, aber der hebt nur seine Bierflasche, um mir zu zeigen, dass er versorgt ist.

Ich mache mich auf den Weg zur Küche, wo Paul den Alkohol gebunkert hat und hoffe darauf, dass Jonas auf Dominik aufpasst.

Obwohl ‚aufpassen’ wohl der falsche Ausdruck ist, immerhin ist Dominik ja kein kleines Kind mehr. Aber zumindest kann Jonas sich ihm annehmen.

Kaum betrete ich die Küche, werde ich von Paul belagert, der sich dort um das Ausgeben der Getränke kümmert.

„Ist das Dominik, den du da angeschleppt hast? Der, der… du weißt schon… Mit einem der Professoren-“

„Er hat keine Affäre mit einem der Professoren und ja, das ist Dominik,“ unterbreche ich ihn barsch und mache ihn damit nur erstrecht neugierig.

„Was hast du denn mit Dominik zu schaffen?“

Ehe ich ihm antworten kann, stürmt Leon in die Küche.

„Du hast ihn tatsächlich mitgeschleppt?“, schreit er mich an, kaum dass er mich ausfindig gemacht hat.

Er scheint schon ein wenig angetrunken zu sein, weil er seine Bewegungen nicht mehr gänzlich koordinieren kann. Ziemlich bemitleidenswert, wenn man bedenkt, dass der gute Kerl ja nur eine halbe Stunde vor uns hier eingetroffen ist.

„Ja,“ gebe ich mich unbeeindruckt und versuche, ihm ruhig zu antworten, weil ich nicht Pauls Party mit einem Streit sprengen möchte.

„Du weißt doch genau, wie alle zu ihm stehen!“, schreit Leon aber nur weiter herum und ignoriert Paul, der ihn mehrmals bittet, etwas leiser zu sein.

„Kann dir doch egal sein,“ entgegne ich nur unwirsch, schnappe mir eine Cola und ein Bier für mich und verlasse dann die Küche.

Leon folgt mir nicht, sondern jammert Paul damit voll, dass er es nicht gut findet, dass Dominik auf der Party ist.

Glücklicherweise scheint es Paul egal zu sein, denn er folgt mir nicht, um mir zusagen, dass ich Domi hier wegschaffen soll.

Als ich wieder bei den Jungs ankomme, sieht Dominik mich leiden an, äußert aber nichts dergleichen, dass er gerne die Party verlassen würde. Stattdessen nippt er an seiner Cola und versucht, sich hier Jonas uns mir zu verstecken.

„Ich wird mal rüber zu Sandra gehen,“ wirft Jonas ein und wird ein wenig rot dabei. Er steht schon ein halbes Jahr auf Sandra, aber bisher ist er immer abgeblitzt.

Ich nicke und ehe ich ihm Glück wünschen kann, ist er bereits abgehauen.

„Und? Ist es so schlimm, wie du befürchtet hast?“, frage ich Domi und er schüttelt vage den Kopf.

„Ich möchte aber trotzdem nicht all zu lange bleiben,“ bittet er mich und weil ‚nicht all zu lange’ ein relativ dehnbarer Begriff ist, stimme ich zu.
 

Wir machen es uns auf einem der Sofas gemütlich, kaum dass ein Platz frei wird. Mittlerweile hat Dominik sich ein wenig beruhigt, wohl auch, weil sich ein Mädchen zu uns gesellt hat, dass von den Gerüchten noch nie etwas gehört hat oder so taktvoll ist, es zu verschweigen.

Sie versucht, mich anzuflirten und als ich nicht darauf eingehe, versucht sie es bei Dominik, was natürlich keinen Erfolg bringt.

Irgendwann gibt sie auf und unterhält sich einfach nur nett mit uns, bis ihr Freund wieder auftaucht.

Ich bin nicht davon ausgegangen, dass sie einen Kerl haben könnte, nachdem sie so hemmungslos geflirtet hat, aber nun lässt sie sich von ihm widerstandslos an sich ran drücken und heftig abknutschen.

Ich rümpfe ein wenig angeekelt die Nase und bin reichlich froh, als er von ihr ablässt. Dann aber sieht er uns scharf an und ich ahne Schlimmes.

„Habt ihr sie etwa angeflirtet?“, fragt er und der Ton in seiner Stimme nimmt etwas Gefährliches an.

„Nein, haben sie nicht, Roland,“ schlichtet das Mädchen, deren Namen ich schon wieder vergessen habe und erklärt ihm, dass wir uns nur nett unterhalten haben.

„Alles gut,“ versichere ich Roland ebenfalls und er schnaubt nur und mustert dann erst mich und kurz darauf Dominik.

„Du bist die kleine Schwuchtel, die sich von einem der Professoren ficken lässt, oder?“, fragt er dann und grinst. „Und du bist dann sein Ersatz, wenn der Professor gerade keine Zeit hat?“, wendet er sich an mich.

Ehe ich etwas erwidern kann, zieht er mit seiner Freundin von dannen, weil er wohl zwei ‚Schwuchteln’ nicht als Gefahr für seine Trulla ansieht.

„Er sollte nicht so sehr Angst haben, ein Typ würde sich an sie ran machen – sondern eher, dass sie sich an einen ran wirft,“ mache ich mich lustig, aber Dominik lacht nicht, sondern sieht mich nur aus großen Augen an.

Ich kann es nicht richtig sehen, weil es relativ dunkel in dem Raum ist, aber ich glaube ihn gut genug zu kennen, dass er sicher gleich wieder Tränen in den Augen haben wird.

„Ich… mag nach Hause,“ schnieft er und ich drehe mich auf dem Sofa so, dass ich ihm nun direkt ansehen kann.

„Dominik, hör mal,“ meine ich und tätschle sein Knie, „ Roland ist ein Idiot, das wissen wir doch alle. Und sonst hat noch keiner etwas gesagt. Ich glaube, die Tussi gerade wusste es nicht mal, sonst hätte sie dich nicht so hemmungslos angeflirtet. Du musst dich nicht verstecken.“

Er sieht nicht überzeugt aus und blickt nur zu Boden.

Ich schnappe mir seine Cola und halte sie ihm unter die Nase. „Na komm, trink noch einen Schluck und dann gehen wir tanzen, ja?“

Er nimmt brav einen Schluck, lässt sich aber unter gar keinen Umständen zum Tanzen überreden.

„Warum mag mich nur keiner?“, nuschelt er dann unverständlich und zupft an seinem T-Shirt herum.

Ich nehme seine Hand und löse sie von seinen Klamotten, ehe er sie noch kaputt machen kann, ehe ich erwidere: „Es ist nicht so, dass dich keiner mag. Sie kennen dich nur alle nicht. Deswegen musst du ihnen zeigen, dass du ganz toll bist und dann mögen sie dich auch!“

Er blickt auf und sieht mich skeptisch an, aber ehe noch etwas sagen kann, steht Leon neben uns.

„Alter,“ meint er und blickt auf meine Hand, die immer noch Dominiks festhält, „Was soll die Scheiße denn jetzt?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Deedochan
2014-04-01T07:11:21+00:00 01.04.2014 09:11
Ui, spannend ^^ Kommt jetzt der riesen Streit, der die Party sprengt? :P Na, ich bin gespannt! Bis bald.

Deedo
Antwort von:  Jeschi
01.04.2014 18:29
Man wird sehen, ne. :D
Danke für den Kommi! ;3
Von:  Midnight
2014-03-31T21:09:55+00:00 31.03.2014 23:09
Leon ist irgendwie doof und er hat zu viel getrunken und Domi tut mir richtig leid T~T
Ich will ihn kuscheln und drücken!
Ich hoffe doch das Jasper das machen wird? Es ist so süß wie er sich um Domi kümmert!

Bitte schreib bald weiter! *___*
Antwort von:  Jeschi
01.04.2014 18:29
Danke für den Kommi. :)
:D Kuschel ihn ruhig, dafür ist er ja da. :P
Von:  tenshi_90
2014-03-31T20:03:32+00:00 31.03.2014 22:03
Da scheint aber einer auf Streit aus zu sein... Ich finde das verhalten von Leon nicht in Ordnung.
Antwort von:  Jeschi
01.04.2014 18:29
Danke für den Kommi. :)
Ja, Leon macht sich momentan echt unbeliebt. :D"


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