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Berliner Nächte

von

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Die Party

Ich bin geneigt, ihn anzugehen, aber ich beherrsche mich und umfasse seine Faust, ehe er mir noch mal irgendwohin boxen kann. Sanft zwinge ich ihn, die Hände runter zu nehmen, ehe ich ihn bitte, mir zu sagen, was los ist.

„Na was wohl?“, murrt er und Tränen quellen wieder aus seinen Augen hervor. „Wegen deiner blöden Ansage im Kino hat mir heute die halbe Uni ‚Schwuchtel’ nachgerufen.“

Ich blinzle. „Aber das bist du ja auch.“

Ihm klappt der Mund auf und ich verbessere mich schnell: „Ich meine, du bist schwul. Und nur weil die es nicht akzeptieren können, solltest du nicht weinen.“ Sanft wische ich ihm eine Träne von der Wange. „Das sind doch alles Idioten, Domi,“ meine ich und ziehe ihn in meine Arme, wo er ungehemmt meine Schulter voll heult.

„Schau mal, du solltest stolz auf das sein, was du bist, weil du toll bist. Ganz egal, was die anderen auch gemeines zu dir sagen, ja?“, meine ich und streiche sanft über seinen Rücken.

Er löst sich von mir und blickt mich böse an. „Und das sagst ausgerechnet du?“, will er wissen und ich senke betrübt den Blick. „Was willst du denn damit sagen?“, frage ich ihn, obwohl ich es eigentlich ganz genau weiß.

„Du bist doch der, der nicht zu dem stehen will, was er ist,“ murmelt er und bereut sicher bereits während er es ausspricht, was er da sagt. Zumindest senkt er daraufhin schuldbewusst den Blick und nuschelt: „Sorry, das war blöd.“

Ich lasse ihn los und weiß nicht, was ich darauf erwidern soll. „Domi,“ beginne ich, aber mir fällt partout nichts ein, mit dem ich meinen Satz beenden könnte. „Schon gut, Jasper. Ich weiß, dass war alles ein Versehen und das du vielleicht ein wenig Zeit brauchst, um dir über gewisse Dinge klar zu werden und…“, plappert er, aber nach einer Weile schalte ich ab, während er sich noch immer für seine unbedachte Äußerung rechtfertigt. Irgendwann ziehe ich ihn einfach wieder in meine Arme, halte ihn fest, rieche den vertrauen Geruch, der mir im Kino schon so aufgefallen ist und seufze leise. Er verstummt.

„Jasper?“, fragt er und ich wiege uns beide hin und her. „Du machst alles so wahnsinnig kompliziert,“ flüstere ich so leise, dass ich nicht weiß, ob er es überhaupt verstanden hat.
 

Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Genau wie damals in der Schule ein anderer Junge meine Gefühle kurzzeitig verwirrt hat, verwirrt momentan Dominik diese. Und genau so schnell, wie diese Sache sich vor ein paar Jahren wieder erledigt hatte, wird sich auch diese Sache mit Dominik wieder erledigen.

Klingt logisch, ist logisch. Zumindest rede ich mir das ein, denn ich habe das Gefühl, dass ich damals wesentlich weniger Gefühle hatte, als jetzt. Wenn ich damals neben Geilheit überhaupt irgendein Gefühl besessen habe.

Aber immerhin bin ich jetzt auch reifer und dementsprechend macht man sich um solche Dinge eben mehr Gedanken und nachdem ich Dominik als Person sehr schätze und ihn gerne zu meinem Freund (Freund im Sinne von guten Kumpel) habe, ist es ja wohl auch klar, dass ich Gefühle für ihn habe. Jonas und Leon gegenüber bringe ich ja auch ein gewisses Maß an Gefühlen entgegen. Vielleicht sollte ich also endlich aufhören, mir ständig so viele Gedanken zu machen und Dominik einfach vergessen. Zumindest vergessen in dem Sinne, ob ich nun mehr von ihm will oder nicht. Er ist einfach nur ein Kumpel, wie jeder andere Kerl in meinem Leben auch.

Mädchen sind auch viel zu heiß, um auf sie zu verzichten. Ich weiß genau, dass ich Mädchen mag. Da kann auch Dominik nichts dran rütteln. Man denke nur an Maria, die ich fast in der Bar flachgelegt hätte. Solche Gefühle kann man sich doch nicht einreden. Ich liebe Mädchen. Nicht Dominik. Und wenn, dann nur ganz wenig.

Mit dieser Überzeugung ist es einfach, durch den Tag zu kommen, in dessen Verlauf ich Dominik unweigerlich begegnen muss. Das geht auch eine ganze Weile gut, auch, weil Domi wohl selbst keine Lust hat, sich mir zu nähern.

Was mich allerdings erneut zu der Frage bringt, was Dominik eigentlich für Gefühle für mich hat. So wirklich schlau werde ich aus ihm nicht. Mal denke ich, er ist total verknallt in mich und dann tut er wieder so, als wäre da gar nichts zwischen uns. Wie soll ich denn meine eigenen Gefühle verstehen, wenn ich nicht mal seine verstehen kann?

Er ist doch schwul. Er sollte klare Verhältnisse schaffen, wenn er schon einen armen Jungen in solch ein Chaos stürzt. Er sollte sagen, er will mich oder nicht. Wenn er mich nämlich gar nicht will, dann ist es doch eigentlich irrelevant, was ich will. Und wenn er mich will, dann kann ich mir ja immer noch Gedanken machen, ob es gegenseitiger Natur ist. Es ist also alles Dominiks Schuld. Und er trägt somit die Verantwortung. Ich sollte also gar nichts mehr machen, nichts tun, nichts denken, nur noch abwarten und sehen, ob er irgendwann mal noch eine Reaktion zeigt oder nicht.
 

Auf diesem Stand vergeht eine weitere Woche, ohne dass Dominik und ich uns noch einmal sonderlich nahe kommen. Ich vermisse diese intimen Momente zwar irgendwie, bin aber hauptsächlich froh, mal ein paar Tage ohne größere Gefühlsverwirrungen zu überstehen. Dominik scheint auch nicht unbedingt unzufrieden damit zu sein, zumindest beschwert er sich nicht und ist recht locker drauf. Wir unterhalten uns, schauen zusammen seine schreckliche Soap, in der jeden Tag das gleiche passiert, und scherzen miteinander.

Folglich fühle ich mich am Freitag auch dafür bereit, mich wieder unter Mädchen zu trauen, die eventuell meine große Liebe sein könnten. Das ist der Grund, warum ich sofort zusage, als mich Jonas fragt, ob ich am Samstag mit auf einer „super angesagte“ Party gehen möchte.

Somit finde ich mich Samstagabend im Bad wieder und style meine Haare, als Dominik dieses betritt.

„Was machst du?“, fragt er verwirrt, als wäre es nicht offensichtlich, dass ich mich zum Ausgehen fertig mache. Ich habe ganz vergessen ihm zu sagen, dass ich heute zu einer Party gehen werde und sofort schleicht sich ein schlechtes Gewissen bei mir ein, ihn nicht gefragt zu haben, ob er mit will. Ich weiß, Dominik mag keine Partys und ich weiß, er hat immer Angst, unter so viele Leute zu gehen, von denen ein Großteil aus der Uni stammt, aber ich hätte trotzdem fragen sollen.

„Ich gehe mit Jonas und Leon zu einer Party,“ erläutere ich ihm und beiße mir schuldbewusst auf die Lippe. Er nickt langsam und murmelt ein „Achso“, ehe er sich wieder abwendet, um das Bad zu verlassen.

„Willst du mit?“, schleudere ich ihm hastig entgegen, ehe er sich beleidigt zurückziehen kann. Ich weiß nicht, ob es ihn wirklich stört, dass ich ihn nicht gefragt habe, aber ich weiß, dass es mich stört. Ich hätte einfach daran denken müssen, aber nein, ich war ja zu sehr darauf fixiert gewesen, meine Traumfrau zu finden.

„Du musst mich nicht immer mitschleifen,“ wehrt er nur ab, bleibt aber zumindest im Türrahmen stehen, statt wegzulaufen.

„Will ich aber. Du gehst zu wenig unter Leute und ich habe dir ja schon mal gesagt, dass ich das nicht gut finde und dich gerne öfter mitnehmen möchte,“ entgegne ich und wage mich so weit vor, ihn am Arm wieder ins Bad zu ziehen. Schon steht er neben mir vor dem Spiegel und ich überreiche ihm feierlich sein Glätteisen.

Er starrt darauf, ohne Anstalten zu machen, es zu benutzen.

„Hör mal, wenn du mich nicht dabei haben willst, ist das auch in Ordnung,“ murmelt er leise neben mir und ich werfe ihm einen fragenden Blick zu.

„Wie kommst du auf die Idee, ich würde dich nicht dabei haben wollen?“ empöre ich mich.

„Wenn ich dich nicht darauf angesprochen hätte, hättest du wahrscheinlich gar nicht gefragt. Und ich bin eh immer nur im Weg. Entweder, du fühlst dich gezwungen, dich mit mir abzugeben oder hast ein schlechtes Gewissen, weil ich nur dumm in der Ecke stehe. Ganz zu schweigen von all den Idioten dort, denen du sowieso die Meinung geigen wirst, wenn sie mich auch nur blöd angucken. Das kann doch gar keinen Spaß machen,“ schlussfolgert er und ich bin fassungslos.

„Was redest du dir denn da für eine Scheiße ein?“, platze ich auf und wirble zu ihm herum, so dass er zusammen zuckt. „Habe ich mich je beschwert?“, gehe ich ihn an. „Habe ich je gesagt, das stört mich oder schlimmer: Du störst mich? Nie! Ich mach das doch gerne und ich habe dich auch gerne dabei!“

Er sieht mich an, mit einer Mischung aus Scham, Angst und irgendetwas anderem, dass ich nicht klar definieren kann.

„Aber… So lernst du ja keine Mädchen kennen.“ Es ist nur ein Nuscheln, aber ich verstehe es ganz genau. Leider weiß ich darauf nichts zu erwidern. Bis eben wollte ich eigentlich ein Mädchen kennen lernen, aber kaum dass Dominik auf der Bildfläche erscheint, ist es selbstverständlich für mich, die Zeit mit ihm zu verbringen.

Er muss mein Schweigen wohl richtig deuten, denn er meint: „Siehst du. Ich bin dir nur eine Last. Ich bleibe zu Hause.“

Als er sich wieder zum Gehen wendet, halte ich ihn erneut fest. Fragend blickt er mich an, aber ich weiche seinem Blick aus. „Ich kann schon auch ein Mädchen kennen lernen, wenn du dabei bist. Und jetzt fang endlich an, deine Haare zu glätten,“ bitte ich ihn tonlos.
 

Als wir wenig später zusammen bei Jonas und Leon erscheinen, ist es nicht so, als wären diese groß überrascht. Ich habe zwar mit keiner Silbe erwähnt, dass ich Dominik mitbringen möchte, aber offenbar ist es für sie mittlerweile selbstverständlich. Ich weiß nicht so genau, wie ich mit dieser Erkenntnis umgehen soll. Es ist fast, als gäbe es ihn und mich nur noch im Doppelpack. Aber so sollte es ja auch sein, wir sind gute Kumpels, Mitbewohner… wir sollten viel zusammen unterwegs sein.

Ein wenig habe ich zwar Angst, dass der Rest der Partygesellschaft es weniger positiv auffassen könnte wie die Beiden, aber wenn, dann werde ich ihn eben nicht kurzzeitig alleine lassen, um mich nach einem Mädchen umzusehen. Was soll’s. Es ist ja nicht so, als wäre es die letzt Party meines Lebens und somit die letzte Gelegenheit, Mädchen kennen zu lernen.

Die Party findet in einem Club statt, denn irgendjemand von der Uni gemietet hat. Ich finde so etwas immer ziemlich arrogant. Seht her, ich habe Geld, ich kann mir einen ganzen Club mieten. Wüsste ich es nicht besser, würde ich sagen, es wäre Ann-Kathrins Party, aber dem ist nicht so. Ich kenne denjenigen, der die Party organisiert hat, gar nicht.

Wir kommen alle ohne Probleme rein, nachdem wir unseren Studentenausweis vorgezeigt haben und finden uns auch schon in einer riesigen Partymeute wieder, die zu wirklich grässlicher Musik abtanzt.

Ich sehe mich um, erkenne aber niemanden, den ich kenne und beschließe, mich deshalb erst Mal mit Dominik zur Bar vorzukämpfen. Leon ist bereits verschwunden, kaum dass wir eingetreten sind und Jonas folgt uns nach kurzem Zögern.

Während wir auf unsere Getränke warten, nutzen wir die Zeit, von der Bar aus die Lage zu checken. Nun sehe ich doch ein paar mehr oder minder bekannte Gesichter und auch Jonas entdeckt bald eine Gruppe Mädchen, zu denen er sich auch schon gesellt. Manchmal frage ich mich, wie ein so sanftmütiger, netter Kerl gleichzeitig so geil sein kann. Aber vielleicht liegt es auch einfach daran, dass die Mädchen, für die er sich interessiert, ihn eine ganze Weile mögen und dann einfach fallen lassen. So war es zumindest schon immer und ich kann mir vorstellen, dass ihn so langsam aber sicher einfach ankotzt.

Dominik spielt neben mir mit einem Eiswürfel in seinem Colaglas, ohne die Freuden des Partylebens groß mit mir teilen zu wollen. Ich werfe noch ein paar suchende Blicke in die Runde, aber als kein wirklich interessantes Mädchen zu erkennen ist, wende ich mich doch wieder ihm zu.

„Noch keine entdeckt?“, errät er meine Gedanken und ich schüttle nur den Kopf, ehe ich mich meinem Bier zuwende. Es schmeckt nicht gut, viel zu bitter. Ich hätte mir einen Cocktail holen sollen, aber davon bin ich immer recht bald recht unzurechnungsfähig.

„Vielleicht kommen ein paar Mädchen zu dir, wenn ich gehe?“, überlegt er und ich werfe ihm einen bösen Blick zu. „Dominik, ich muss heute nicht unbedingt ein Mädchen kennen lernen. Ich weiß nicht, warum das nicht in den hübsches Köpfchen geht.“

Er wird rot und ich könnte mich schlagen. Ich sollte aufhören, so etwas zu sagen, wo die Dinge doch zwischen uns neuerdings so kompliziert geworden sind.

Er spielt wieder mit seinem Colaglas und ich sehe ihm eine Weile schweigend dabei zu, während ich ab und an unauffällig zur Tanzfläche schiele, ob nicht doch ein interessantes Mädchen dort erscheint.

Es ist auch nicht wirklich so, als wären da nur hässliche Weiber unterwegs. Einige sind ganz hübsch, aber ich finde trotzdem etwas an ihnen auszusetzen. Bei einer weiß ich, dass sie jede Nacht einen anderen Kerl hat, die andere hat zu große Brüste, die nächste zu kleine, dann ist dort eine, die auch eine Nutte sein könnte, so knapp wie ihr Rock ist und die andere scheint das totale Mauerblümchen zu sein, so zugeknöpft, wie sie rum läuft.

Seufzend wende ich mich ab und errege so wieder Dominiks Aufmerksamkeit. Er sagt nichts, sieht mich aber abwartend an und weil Jonas nicht da ist, kotze ich ihm letztlich tatsächlich mein Seelenleid vor die Füße.

„Ich habe das Gefühl, alle Mädchen sind über Nacht scheiße geworden. Es ist wirklich nicht so, als würde ich sie nicht attraktiv finden, aber etwas stören tut mich an jeder einzelnen.“

„Hast du nicht gesagt, du willst heute kein Mädchen kennen lernen?“, entgegnet er nur wenig hilfreich, aber ich muss dennoch schmunzeln, schüttle den Kopf und drehe meine Bierflasche zwischen den Händen.

„Wie sieht es eigentlich bei dir aus?“, frage ich ihn und fummle am Etikett der Falsche herum, bis es letztlich abreißt. „Mit mir?“ Er kann mir offensichtlich nicht folgen und ich mache eine unsichere, umschweifende Handbewegung über die Tanzfläche. „Kein hübscher Junge hier?“

Ich weiß, damit wage ich mich ziemlich weit vor, aber ich muss es einfach wissen. Er kann nicht ewig so tun, als wenn er sich über seine Gefühle nicht klar ist. Im Gegensatz zu mir weiß er sicher längst, ob er sich etwas zwischen uns vorstellen könnte oder nicht. Ich weiß, dass das stimmt, vor allem, als er mit regungsloser Miene einen flüchtigen Blick über die Menge schweifen lässt und letztlich verlegen sein Glas anschaut.

„Nein,“ erwidert er kurz angebunden.

„Du hast gar nicht richtig geguckt,“ beharre ich und deute auf einen Kerl, der am anderen Eck steht und sich dort mit einem Mädchen unterhält, von dem er offensichtlich nichts will. Keine Ahnung, ob er schwul ist oder einfach nicht interessiert, aber er muss jetzt herhalten. „Was ist mit dem dort?“

Dominik dreht sich mit gequälter Miene um und blickt notgedrungen in die Richtung, die ich zeige. „Der, der sich so unbeteiligt mit einem Mädchen unterhält?“, fragt er nach und ich nicke. „Ich glaube nicht, dass er schwul ist,“ meint er dann und wendet sich ab.

„Und wenn doch?“, hake ich nach. Domi verdreht die Augen, sagt aber nichts mehr. Ich rutsche unruhig auf meinem Barhocker herum, als er plötzlich meint: „Versuchst du etwa, mich zu verkuppeln?“

Hastig schüttle ich den Kopf. „Ich will nur wissen, wie dein Beuteschema aussieht,“ gebe ich zu und er verdreht die Augen. „Beuteschema,“ meint er verächtlich. „Ich kann dir versichern, mein Verschleiß hält sich im Gegensatz zu deinem in Grenzen.“

Ich schnaube, weil ich mir diesen Schuh nicht anziehen will. Das mit Maria, das wäre mehr als eine einmalige Sache geworden, wenn sie nicht so blöd gewesen wäre und die Sache mit Stefanie ist seine Schuld!

„Deswegen musst du trotzdem einen Typ haben, auf den du stehst,“ lasse ich mich von seiner Ansage nicht provozieren und er funkelt mich wütend an. „Man, Jasper!“, beschwert er sich und wendet sich ab. Ich blicke auf das lose Etikett und zerknülle es genervt. Ich weiß gar nicht, warum ich genervt bin. Wegen seinem Verhalten? Eigentlich nicht. Vielleicht eher wegen meinem Verhalten. Aber gut, wenn er nicht mit mir reden will, soll er es eben lassen. Ich werde auch nicht weiter nachfragen, ich mache mich doch nicht gänzlich zum Affen.

„Du,“ meint er dann plötzlich und ich blinzle irritiert. „Was?“, hake ich verwirrt nach, weil ich gar nicht mitbekommen habe, dass er wieder mit mir redet.

„Ich habe gesagt: Du,“ erläutert er und ich wiederhole dämlich: „Ich?“

Er verdreht die Augen. „Wenn du unbedingt wissen willst, welcher Kerl in mein Beuteschema passen würde: Du.“

„Oh,“ erwidere ich und werde rot. Ich weiß gar nicht, wie ich mit dieser Aussage umgehen soll und deswegen rutsche ich nur unruhig auf dem Barhocker herum, werde rot und nicke, als hätte er mir nicht gerade so etwas Bedeutungsvolles gebeichtet.

Irgendwie hatte ich ja gehofft, dass ich so gar nicht sein Typ bin, dass er den Kuss vielleicht ganz schön fand, aber mich sofort von der Bettkante stoßen würde, würde ich mehr versuchen wollen. Leider bestätigt sich diese irrsinnige Hoffnung nicht und ich kann nichts tun, außer dumm vor mich hin glotzen. Wenigstens ist es ihm auch peinlich. Zumindest sind seine Wangen gerötet.

„Aber du bist ja nicht schwul,“ wagt er sich dann plötzlich weiter vor und ich weiß genau, was er nun hören will. Mit einem Mal fühle ich mich unter Druck gesetzt. Fast, als müsste ich mich jetzt endgültig entscheiden, ob es eine kurzzeitige Verwirrung oder ernste Gefühle sind, die mich da im Griff haben. Und wahrscheinlich bin ich es ihm auch schuldig, aber ich kann ihm einfach keine klare Ansage geben. Und vielleicht will ich es auch einfach nicht.

Also sage ich nichts zur Gegenwart und beschränke mich auf die Vergangenheit: „Ich hatte mal was mit einem Jungen aus meiner Schule.“

Ihm klappt der Mund auf, aber ehe ich ihm sagen kann, was das jetzt für uns – wenn es denn jemals ein „Uns“ geben soll – bedeutet, tritt Maria neben mich.

„Hi,“ sagt sie, als wäre nie etwas zwischen uns passiert, was mich zutiefst gedemütigt hätte.

Ich weiß gar nicht, wie ich mich nun ihr gegenüber verhalten soll, scheint, als wüsste ich an diesem Abend wirklich wenig. Jedenfalls sage ich nur dämlich „Hi“, statt sie anzuschreien, sie soll sich verpissen.

„Kennst du mich noch?“, fragt sie und ich frage mich, wie ich die ganze Scheiße mit ihr vergessen könnte, wie ich sie vergessen könnte.

„Ja,“ meine ich also lahm und sie beginnt zu strahlen.

„Ich hatte schon Angst, du hättest das zwischen uns vergessen,“ meint sie und greift nach meiner Hand. Ich werfe Dominik einen Blick zu. Er blickt demonstrativ in eine andere Richtung und ich weiß, ich sollte sie schnellstmöglich loswerden und mich wieder ihm widmen. Nach meinem Geständnis müssen wir da wohl einige klären.

Allerdings gestaltet sich dieses Vorhaben recht schwierig, weil Maria ungeduldig an meiner Hand zu zerren beginnt.

„Komm, tanzen wir ein wenig.“

„Hör mal, ich wollte eigentlich gerade-“, versuche ich, sie loszuwerden, aber sie winkt ab und meint: „Einen Tanz kannst du mir doch sicher gönnen.“

Ehe ich protestieren kann, reißt sie mich mit überraschender Stärke vom Hocker und ich stolpere ihr nach. Noch einmal blicke ich zu Dominik, der uns verwirrt nachsieht. Als sich unser Blick trifft, schaut er schnell wieder Richtung Bar und ich fluche.

Maria scheint dass nicht gehört zu haben und überhaupt scheint sie nicht viel mitzubekommen. Zum Beispiel, dass ich gerade wirklich nicht mit ihr tanzen möchte. Sie beginnt einfach, sich zu bewegen und mehr aus Pflichtgefühl als aus Interesse, tue ich ihr den Gefallen.

„Ich weiß, du hattest dir ein wenig mehr erhofft, aber ich bin eben einfach nicht so. Ich kann mich nicht binden,“ erklärt sie mir und ich würde ihr gerne an den Kopf werfen, dass sie das ruhig mal hätte sagen können, ehe wir Sex hatten. Aber weil ich Dominik nicht so lange alleine lassen will, verzichte ich darauf, eine Diskussion mit ihr zu beginnen.

„Ich fände es aber dennoch schön, wenn wir es wiederholen könnten. Hast du sicher kein Interesse daran?“, fragt sie und ich muss daran denken, wie sie mir nach unserer heißen Nacht Ähnliches gesagt hat.

„Ich bin nicht so,“ antworte ich und hoffe, sie versteht diese Erklärung. Immerhin hat sie mir diese ebenfalls gerade an den Kopf geworfen, als würde das auch nur irgendetwas wieder gut machen.

„Verstehe. Und… es hat nichts mit den Gerüchen zu tun?“, will sie dann wissen und ich sehe, wie sie Richtung Dominik schaut. Ich beiße mir auf die Lippen.

„Nein,“ antworte ich dann wahrheitsgemäß, weil ich ohne all die Scheiße mit ihm auch nicht eine weitere Nacht mit ihr verbracht hätte.

Sie nickt und dann lächelt sie wieder und tanzt unbeschwert mit mir weiter, als hätte ich sie gerade nicht abserviert. Aber vielleicht hat sie einfach schon mit einem Korb gerechnet. Und genauso genommen war es auch kein Korb. Ich habe ihr ja nicht gesagt, dass ich sie gar nicht mehr will sondern nur, dass ich keine Affäre mit ihr möchte.

Im nächsten Moment kommt mir in den Sinn, dass es vielleicht sinnvoll wäre, etwas mit ihr anzufangen. Und sei es nur Sex. Immerhin könnte ich mich mit Maria sicher davon überzeugen, noch auf Mädchen zu stehen – und nicht auf Dominik. Sie war immerhin die Letzte, die mich wirklich erregt hat.

Andererseits solle ich wohl langsam damit aufhören, mir irgendetwas beweisen zu wollen. Ich weiß noch, dass ich mal ein selbstbewusster Junge war, den kein Gerücht, rein gar nichts, aus der Fassung bringen konnte.

„Was ist nur aus mir geworden?“, nuschle ich leise und wecke damit Marias Interesse. „Es ist nichts falsches daran, eine Beziehung zu wollen,“ erklärt sie mir dann, weil sie wahrscheinlich denkt, ich meine die Sache zwischen uns. Aber wie soll sie es auch verstehen?

Ich nicke nur, aber sie ist noch nicht fertig: „Es sollte dir auch nicht peinlich sein, wenn du dich verliebt hast.“

Ich beiße mir auf die Lippe, ihr nicht an den Kopf zu werfen, dass ich garantiert nicht in sie verliebt bin. Vielleicht war ich es mal, aber mittlerweile bin ich über sie hinweg. Sie hat mich immerhin wie ein Spielzeug behandelt und auch wenn ich sie mal unglaublich toll fand, so hat sich das spätestens in dem Moment geändert, als sie mich gefragt hat, ob wir eine Affäre haben könnten, keine Beziehung.

Ich möchte ihr gerade sagen, dass eine Schlampe, wie sie es ist, mir wohl kaum einen Vortrag über Beziehungen halten sollte, als sie meint: „Und es spielt doch auch gar keine Rolle, ob es nun ein Mädchen oder ein Jungen ist.“

Erschrocken blicke ich zu ihr hoch und merke erst jetzt, dass sie viel mehr verstanden hat, als ich geglaubt hätte. Ich beginne, meinen Mund zu öffnen und zu schließen, ohne einen Ton herauszubringen, als wäre ich ein Fisch.

„Das ist aber so nicht richtig,“ erwidere ich letztlich und sie rümpft die Nase. „Findest du es nicht ein wenig vermessen, entscheiden zu wollen, was richtig und was falsch ist?“, fragt sie und ich blicke getroffen zu Boden.

„Ich mag Mädchen,“ nuschle ich lahm und höre sie sagen: „Ich auch.“

Ruckartig hebe ich den Kopf und sehe sie breit grinsen: „Das eine schließt das andere doch nicht aus,“ zwinkert sie mir zu und wie, um mir zu demonstrieren, dass es das nicht tut, wendet sie sich ab und nähert sich einer ihrer Freundinnen, die sie zum tanzen auffordert. Immer noch fassungslos bleibe ich alleine auf der Tanzfläche zurück und starre zu Maria, die jetzt mit ziemlich hemmungslos mit einem Mädchen tanzt und dabei alle Blicke auf sich zieht.

Ich seufze auf und werfe einen flüchtigen Blick zu Dominik, der mit dem Rücken zu mir zieht und immer noch mit seinem Colaglas spielt.

Und wenn es mir doch genauso geht wie Maria? Wenn diese Eskapade in der Schule nur der Vorbote dafür war, dass ich irgendwann auch Gefühle für einen Jungen entwickeln könnte. Ich beiße mir auf die Lippe. So habe ich mir das sicher nicht vorgestellt! Spaß haben und Lieben ist etwas ganz anderes. Aber wahrscheinlich laufe ich nur vor mir selbst davon, wenn ich weiter versuche es zu leugnen, bemerke ich bitter.

Ich merke erst, dass ich mich in Bewegung gesetzt habe, als ich letztlich vor Dominik stehen bleibe. Dieser sieht mich ausdruckslos an, so als wüsste er nicht, ob er nun sauer sein soll oder nicht, weil ich einfach mit Maria abgehauen bin.

„Hast du alles geklärt, ja?“, fragt er mich und ich höre in seiner Stimme, dass er verstimmt ist. „Eifersüchtig?“, ärgere ich ihn, aber er schnaubt nur.

Unsicher, wie ich mich nun verhalten soll, halte ich ihm einfach die Hand hin, die er irritiert ansieht. „Komm,“ bitte ich ihn und er sieht mich fragend an. „Wohin?“

„Na, tanzen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  MaiRaike
2014-07-16T17:53:10+00:00 16.07.2014 19:53
Ha! Danke Maria! Eeeendlich!

Ich find es super, dass Jasper und Dominik jetzt zusammen tanzen. Dann können die anderen lästern wie sie wollen. Am besten tanzt Maria mit einem Mäddchen daneben und dann fallen allen die Augen aus den Köpfen.
Antwort von:  Jeschi
16.07.2014 20:44
Haha ja
XD
So ungefähr xD

Danke für den Kommi <3
Von:  tenshi_90
2014-07-16T04:39:30+00:00 16.07.2014 06:39
Ich glaube, jetzt hat es so langsam Klick bei Jasper gemacht :)
Antwort von:  Jeschi
16.07.2014 11:06
Was lange währt, wurd endlich gut... Oder so xD

Danke für den Kommi :3
Von:  Morphia
2014-07-15T22:17:47+00:00 16.07.2014 00:17
Wer hätte gedacht, dass Maria noch zu was gut ist. ^^°

Freu mich auf das nächste Kapitel. ^^
Antwort von:  Jeschi
16.07.2014 11:05
Danke :3

Ja, jetzt ist sie vllt nicht mehr ganz so unsympathisch xD
Von:  Lin_Uchiha
2014-07-15T19:07:59+00:00 15.07.2014 21:07
Hallo erstmal :)
Ja ich gebe zu, ich lese diese ff schon sehr lange.. aber ich bin immer so unkreativ was ich schreiben soll.
Aber dennoch wage ich mich vor und gebe dir endlich mal feedback.
First things first: Kritisieren könnte ich nichts xD
Ich liebe deine Geschichte und ich liebe deine Charaktere!
Auch dein Schreibstil hat mich voll überzeugt und ich lese ihn echt gern.
Darum bin ich ja immer noch ein gebannter Leser deiner Story.
Also mach bloß weiter so :)
Bis zum nächsten mal
Antwort von:  Jeschi
16.07.2014 11:04
Danke für den Kommi :3
Haha, versteh ich. Aber ich freu mich übrr jede Art von Feedback/Kommi :)
Von:  Saki-hime
2014-07-15T13:03:32+00:00 15.07.2014 15:03
"Ich mag Mädchen" - "Ich auch"
Wie GEIL! XDD ich habs gefeiert xD
immer weiter, ich liebe deine FFs :D
Antwort von:  Jeschi
15.07.2014 16:56
xD
Vielen Dank, das ist sehr lieb von dir :3


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