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Berliner Nächte

von

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Bereit für die Klapse

Ich bin sicher, so fühlt sich sterben an. Diese Gewissheit, dass das Leben jetzt vorbei ist, überkommt mich vollends. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich leider nicht sterbe, sondern quicklebendig miterleben darf, wie sich alle zu uns und dann zu Dominik umdrehen und uns ihre volle Aufmerksamkeit schenken.

Ich sehe Dominik entschuldigend an und verfluchte mich selbst dafür, hier her gekommen zu sein. Leon hatte von Anfang an Recht. Die Idee war total scheiße und jetzt darf ich den Mist ausbaden.

Ich atme tief durch und verkünde noch einmal: „Dominik und ich sind nicht zusammen!“

Ich weiß genau, dass es uns so ziemlich keiner glauben wird, aber das ist mir egal. Ich trete zu Dominik, überreiche ihm die Tasche und sage laut genug, dass es auch jeder mitbekommt: „Hier, die müssen wir wohl in der Straßenbahn vertauscht haben.“

Er überreicht mir stumm meine Tasche und nimmt seine an sich. Leider kann ich an seiner Miene nicht ablesen, was er denkt oder fühlt. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen, aber das ist wohl das so ziemlich dümmste, was ich nur tun kann.

Ich flüstere nur ein leises ‚Sorry’ und mache mich dann auf den Weg, endlich zu meiner eigenen Lesung zu kommen.

Als ich bei Ann-Kathrin vorbei komme, meine ich zu ihr: „Vielleicht solltest du deine Energie lieber ins Lernen statt ins Lästern investieren, dann wären deine Noten vielleicht halbwegs so gut wie Dominiks und du hättest es nicht nötig, so eine Scheiße über ihn herum zu erzählen.“

Ich bin sicher, wenn Blicke töten könnten, dann wäre ich jetzt nicht nur einen Tod gestorben. Zum Glück ist dem aber so, weshalb ich lebend und hoch erhobenen Hauptes den Hörsaal verlassen kann. Ich weiß genau, dass einige sowieso lieber glauben, was sie glauben wollen und nicht das, was der Realität entspricht, aber jeder, der weiß, wie falsch Ann-Kathrin ist, wird jetzt sicher wissen, dass all diese Gerüchte nicht der Wahrheit entsprechen.

Ein bisschen stolz bin ich schon auf mich, dass ich Ann-Kathrin die Stirn bieten konnte, aber es wäre mir doch lieber gewesen, wenn am Morgen nicht schon so ein Drama statt gefunden hätte.

Ich bin froh, als ich in meine eigene Lesung stoßen und mich neben Jonas niederlassen kann.

Hier blickt mich wenigstens keiner komisch an oder behauptet irgendwelchen Mist über mich.

Was geschehen ist, holt mich erst wieder ein, als wir uns mit Leon zum Mittagessen treffen und dieser mir begeistert auf die Schulter klopft.

„Als man mir erzählt hat, was da noch abgegangen ist, hätte ich dich am liebsten umgebracht. Wie kann man nur so bescheuert sein und bei uns auftauchen. Aber dann haben sie gesagt, wie du Ann-Kathrin fertig und damit alle Gerüchte zunichte gemacht hast und ich dachte: Gut, dass der Scheiß endlich vom Tisch ist!“

Ich grinse ihn an und das erste Mal seit Langem bin ich nicht mehr böse auf ihn. Nicht, weil er das eben zu mir gesagt hat, sondern weil ich vorhin erfahren habe, wie er selbst versucht hat, die Gerüchte über mich aus der Welt zu schaffen.

Es scheint, als wäre nun endlich der Punkt erreicht, an dem ich ihn verzeihen könnte. Überhaupt scheint heute so ein schicksalhafter Tag zu sein, in dem sich endlich viele Dinge klären.

Ich hoffe nur, dass Dominik das genauso sieht und mir nicht böse ist, dass ich überhaupt erst bei ihm aufgetaucht bin.

Andererseits sollte es auch in seinem Interesse sein, wenn endlich mal alle gehört haben, dass die Gerüchte nicht der Wahrheit entsprechen.
 

Was er davon hält, erfahre ich, als ich gegen Abend unsere Wohnung betrete und ihn im Wohnzimmer vorfinde. Dort sitzt er im Schneidersitz auf der Couch und guckt irgendeine komische Soap an. Ich ziehe die Brauen hoch, sage aber nichts zu dem Programm, sondern setze ich mich stumm neben ihn.

Er blickt mich stumm an und ich atme tief durch. „Tut mir Leid, ich hätte gar nicht erst bei dir auftauchen sollen,“ entschuldige ich mich, weil ich wirklich nicht weiß, was ich sonst noch dazu sagen soll. Unruhig schaue ich mich im Raum um.

Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, dass er leicht nickt. „War doch gut, dass du gekommen bist. Jetzt wissen wenigstens alle, wie es wirklich ist!“

Ich nicke ebenfalls und muss leicht lächeln. „Endlich hat Ann-Kathrin mal jemand die Meinung gesagt,“ scherze ich und er muss ebenfalls leise kichern. „War nötig!“, stimmt er mir zu und ich blicke ihn nun doch an.

„Trotzdem siehst du betrübt aus,“ stelle ich fest und ziehe meine Beine ebenfalls zu einem Schneidersitz nach oben. Im Gegensatz zu ihm finde ich es aber nicht sonderlich bequem.

„Doch. Heute kam den ganzen Tag über kein Kommentar mehr zu uns beiden und das ist eindeutig ein Fortschritt,“ freut er sich und streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sein Blick ruht auf dem Bildschirm, aber ich glaube nicht, dass er groß mitbekommt, was die Leute im Fernseher sagen.

„Aber?“, hake ich nach und er zuckt hilflos mit den Schultern. „Es war ein cooles Gefühl, dass alle dachten, ich hätte einen Freund. Weißt du… ich war nicht mehr der Loser vom Dienst sondern hatte einen heißen Freund,“ platzt es aus ihm heraus und er vermeidet es nun erst Recht, mich anzusehen. Ich blinzle und dann muss ich lachen. Ich kann einfach nichts dagegen tun. Er sieht mich empört an und scheint ganz vergessen zu haben, dass es ihm gerade noch peinlich war.

„Das ist gar nicht witzig!“, faucht er und haut mit einem Kissen auf mich ein. Ich packe sanft seine Hand und nehme ihm das Kissen weg.

„Irgendwann findest du schon einen Jungen, der dich liebt und mit dem du glücklich werden kannst,“ versichere ich ihm und feixe: „Ob er dann so heiß sein wird, wie ich, ist jedoch fraglich, aber…“ Ich komme gar nicht dazu, zu Ende zu reden, weil er sich schon das nächste Kissen geschnappt hat und auf mich einprügelt. Ich muss lachen und versuche nur halbherzig, ihn aufzuhalten. Irgendwann werfe ich ihn von der Couch – natürlich so, dass er sich nicht weh tut – und beuge mich zu ihm herab.

„Ich bin so froh, dass alles geklärt ist. Und dass sie dich endlich in Ruhe lassen,“ gestehe ich nun wieder ernst und er macht ein zustimmendes Geräusch.

„Meinst du, wir können uns jetzt auch mal zusammen in der Öffentlichkeit zeigen?“, frage ich und er verzieht den Mund. Ich hätte mir denken können, dass er davon nicht begeistert ist, aber er widerspricht nicht, sondern schweigt.

„Schon gut,“ winke ich ab. „Vergiss die Idee. Aber in ein paar Wochen gehst du mit mir raus, okay? Du hast es versprochen,“ erinnere ich ihn und er nickt zögerlich. Zwar scheint er auch davor Angst zu haben, aber er stimmt dennoch zu. Ich lächle freudig und helfe ihm dann wieder hoch.

„Was guckst du da eigentlich für eine Scheiße?“, frage ich dann und er wird rot.

„Ich hab das nicht geguckt, ich hab nur…“, er bricht ab und schaut sich suchend nach der Fernbedienung um, findet sie aber in unserem Kissenchaos nicht mehr.

Ich muss wieder lachen. „Schon gut. Lass es uns einfach gucken, ja.“
 

Ich blicke auf, als ich bemerke, dass ich beobachtet werde, und sehe genau in zwei haselnussbraune Augen, die mich groß anschauen.

Erschrocken zucke ich zusammen.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken,“ meint das Mädchen, zu der die Augen gehören, und streicht sich verlegen eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Unweigerlich erinnert sie mich an Dominik. Der sitzt auch immer da und guckt verlegen aus der Wäsche, egal was er sagt.

„Kennen wir uns?“, frage ich sie, weil ich sie so gar nicht einordnen kann. Keine Ahnung, wer das ist. Sie sieht nicht so aus, als würde sie ebenfalls Mathematik studieren, denn dann würde sie die Bücher, die neben mir liegen, nicht so neugierig mustern.

Ich habe sie auch noch nie bei uns gesehen.

„Nein, glaube nicht,“ erwidert sie und lächelt wieder verlegen. „Ich war mit dabei, als du Ann-Kathrin die Meinung gegeigt hast,“ erklärt sie mir dann und beginnt urplötzlich über das ganze Gesicht zu strahlen.

„Das war so genial! Der blöden Ziege hätte schon längst mal jemand die Meinung sagen sollen! Und der arme Dominik hat so lange unter ihr Leiden müssen!“

Ich nicke nur und finde es amüsant, wie sie sich so wegen etwas aufregen kann, dass sie ja eigentlich gar nichts angeht. Aber immerhin ist sie Feuer und Flamme, was ihre Meinung angeht. Ist doch auch was schönes, wenn Menschen ihren eigenen Verstand nutzen und sich eine Meinung bilden können.

„Und um mir das zu sagen bist du extra hergekommen?“, rate ich und sie wird rot und weicht meinem Blick wieder aus.

„Eigentlich wollte ich fragen, ob wir mal zusammen Kaffee trinken gehen könnten,“ gibt sie zu und fummelt unruhig an ihrer Umhängetasche herum.

Ich sehe ihr dabei zu und lasse mir das Angebot durch den Kopf gehen. Warum ich zögere, weiß ich nicht. Eigentlich entspricht sie total meinem Typ Mädchen und sie scheint den Gerüchten keinen Glauben zu schenken, hat Mitleid mit Dominik und kann Ann-Kathrin nicht leiden. Eigentlich ist sie perfekt.

Andererseits dachte ich das auch von Maria. Zwar glaube ich nicht, dass die Gute hier genauso falsch drauf ist, aber man weiß ja nie.

Weil ich nicht antworte, blickt sie ziemlich traurig drein. „Okay, hab verstanden,“ meint sie und senkt den Blick. „Dann… hab mal noch einen schönen Tag.“

Jetzt tut sie mir Leid. Ich habe ihr ja nicht mal ein Nein gegeben, sondern einfach nur geschwiegen. Sie muss sicher denken, ich finde sie schrecklich. Weil sich mein schlechtes Gewissen meldet und ich mir denke, dass es vielleicht ja doch ganz nett wird, sage ich schnell: „Sorry, das kam falsch rüber! Ich würde gerne mit dir ausgehen.“

Und schon strahlt sie mich wieder an und nickt freudig.

„Heute nach der Uni? Wann hast du Schluss?“

Tja und weil ich jetzt nicht mehr zurück rudern kann, verabreden wir uns für Fünf Uhr und sie zieht glücklich von dannen.
 

„Ich habe ein Date,“ verkünde ich Jonas, während wir gemeinsamen einen Kaffee trinken, ehe die letzte Lesung für den heutigen Tag beginnt.

Er sieht mich fragend an. „Seit wann?“

Also erzähle ich ihm, dass mich das Mädchen gerade in der Bibliothek gefragt hat, ob wir einen Kaffee trinken können und muss ihm dabei peinlicherweise gestehen, dass ich nicht mal weiß, wie sie heißt.

„Du scheinst dich ja brennend für sie zu interessieren,“ merkt er daraufhin sarkastisch an und ich seufze. „Sie ist total mein Typ,“ kläre ich ihn auf und merke selbst, dass nicht wirklich überzeugend klingt. Was ist denn nur auf einmal los? Es ist ja nicht so, dass ich jetzt von der gesamten Frauenwelt enttäuscht bin, nur weil Maria so eine schräge Nummer abgezogen hat.

Auch Jonas hört sofort meinen Tonfall heraus und runzelt die Stirn. „Was ist denn los? Sag ja nicht, du bist immer noch in Maria verknallt und trauerst der Schlampe hinterher!“, empört er sich und ich blinzle ihn verwirrt an.

„Was?“, frage ich dümmlich und er verdreht die Augen. „Na warum sonst zeigst du kein Interesse an diesem netten Mädchen. Wenn sie doch deinem Typ entspricht. Dann musst du ja schon in wen anders verknallt sein, dass es dich so dermaßen kalt lässt,“ stellt er fest und ich ziehe eine Schnute. „Vielleicht habe ich keine Lust darauf, dass es so wird wie letztes Mal?“, frage ich und komme mir dämlich vor, dass zu sagen. Als wäre ich jetzt tief verletzt. So ist es ja gar nicht. Bin nur beschämt darüber.

Und mir ist ja auch klar, dass nicht alle Mädchen wie Maria sind. Es ist also lächerlich, davor Angst zu haben. Genauso lächerlich, wie die Vermutung von Jonas, ich könnte noch in Maria verknallt sein.

„Blödsinn. Ich will diesmal nur nicht so euphorisch sein, wie bei Maria,“ erwidere ich und das klingt sogar plausibel. Ich komme zu dem Schluss, dass dem wohl tatsächlich so ist. Selbstschutz oder wie man das dann auch immer nennen mag.

Jedenfalls finde ich diese Erklärung gut und auch Jonas scheint sie zu akzeptieren. Danach wechseln wir das Thema und darüber bin ich mehr als froh, denn ich möchte mich nicht noch länger mit der Frage auseinandersetzen, warum ich überhaupt nicht nervös bin, obwohl ich gleich ein Date haben werde.
 

Sie wartet schon, als ich um die Ecke biege und eine Minute nach Fünf das Café erreiche, in dem wir uns treffen wollen.

„Hallo,“ strahlt sie mich an und wirkt erleichtert. Wahrscheinlich hat sie nach meiner zögerlichen Zusage gedacht, ich würde vielleicht nicht auftauchen.

Ich begrüße sie und dann huschen wir schnell ins Café, weil es doch schon recht kalt ist. Der Winter ist nicht mehr wirklich fern und so langsam merkt man das auch an den Temperaturen. Wir haben zwar erst Anfang November, aber manchmal hat es ja im November auch schon geschneit.

Sie sucht uns einen Tisch, der relativ abgeschottet von den anderen Tischen hinter eine Säule steht und lässt sich dort nieder. Ich folge ihr brav und frage dann wie der letzte Depp erstmal, wie sie überhaupt heißt. Danach bin ich um einen komischen Blick von ihr und ihren Namen reicher.

Elisa heißt sie. Schön. Dann kann das Date ja losgehen.

„Du studierst Mathe, richtig?“, fragt sie und ich nicke. „Wie bist du darauf gekommen? Ich meine… es ist Mathe“, will sie wissen und ich verkneife es mir, genervt mit den Augen zu rollen. Irgendwie kann keiner verstehen, warum man sich freiwillig für ein Mathestudium bewirbt. Aber ich war schon immer sehr gut in Mathe und es hat mir auch schon immer Spaß gemacht, mit Zahlen umzugehen. Das sage ich ihr auch so und sie nickt.

„Ich studiere Germanistik. Ich möchte so gerne in einem Verlag arbeiten,“ erklärt sie mir und ich nicke. Ich frage mich, warum Dominik wohl Germanistik studiert. Vor kurzem wusste ich noch nicht mal, dass er das überhaupt tut. Das musste mir erst Jonas sagen, als ich beschlossen habe, Dominik wegen der Tasche zu suchen. Im Nachhinein komme ich mir richtig blöd vor. Ich wohne mit ihm nun schon einige Wochen zusammen und weiß immer noch kaum etwas über ihn. Vielleicht sollte ich mir selbst einen Preis dafür überreichen, dass ich zumindest seinen Namen kenne.

„Hörst du mir zu?“, fragt in dem Moment Elisa und reißt mich aus meinen Gedanken. „Klar,“ lächle ich sie an und sie scheint nicht ganz zu glauben, was ich sage, spricht aber weiter. Es geht um einen Verlag, in dem sie gerne arbeiten würde, weil sie nur Bücher aus diesem Verlag liest. Ich beiße mir auf die Zunge, um ihr nicht zu sagen, dass ich das ziemlich lächerlich finde, weil sicher auch gute Bücher in anderen Verlagen erscheinen und man sich nicht nur auf einen festbeißen sollte, lasse es aber. Ich finde es zwar total bescheuert, aber jedem das seine.

„Und wo möchtest du mal arbeiten?“, fragt sie und ich überlege gerade, was ich ihr für ein Märchen erzähle – ich weiß nämlich überhaupt nicht, wo genau ich mal arbeiten möchte -, aber dann werde ich zum Glück von der Kellnerin gerettet, die kommt und unsere Bestellungen aufnimmt.

Kaum ist sie weg, wartet Elisa weiter gespannt auf eine Antwort, aber ich wechsle lieber das Thema: „Du bist also mit bei Dominik?“, frage ich sie und sie nickt. Ein wenig enttäuscht wirkt sie schon, dass ich ihr nicht von meinen Zukunftsplänen erzählen möchte, aber meine Güte… die gehen sie doch gar nichts an!

„Ja. Und bei Ann-Kathrin. Der falschen Schlange! Ich fand ja nie gut, was sie mit Dominik gemacht hat, aber es hat ihr ja jeder geglaubt.“

Ich nicke und bin froh, dass unsere Getränke kommen und ich nicht antworten muss, weil ich so tun kann, als würde ich trinken. In Wahrheit nippe ich nur an meinem Cappuccino und hasse mich selbst dafür, dass ich so gar keine Begeisterung für sie aufbringen kann. Sie gibt sich doch nur alle Mühe, ein nettes Gespräch aufzubauen und eigentlich ist sie sicher auch ein tolles Mädchen, aber irgendwie nervt mich nur alles an ihr.

„Was machst du so in deiner Freizeit?“, versucht sie erneut, ein Gespräch in Gang zu bringen und ich nehme einen großen Schluck heißen Cappuccino und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass er wahnsinnig heiß ist und ich mir gerade den gesamten Mund verbrenne. Aber was ist das denn für eine dämliche Frage. Fällt ihr nichts Besseres ein? Etwas Tiefsinniges? Über das man philosophieren kann?

„Nicht viel,“ gebe ich zu und das klingt genauso langweilig, wie es tatsächlich ist. Früher habe ich Handball gespielt, aber seit ich studiere, mache ich nebenbei nicht mehr viel. Lieber treffe ich mich mal mit den Jungs oder mach was für die Uni, aber ein richtiges Hobby betreibe ich nicht mehr.

Sie scheint die Antwort ziemlich unbefriedigend zu finden, aber lässt sich davon nicht beirren. „Ich lese viel,“ erklärt sie mir und irgendwie habe ich mir das fast schon gedacht.

„Und ich spiele Klavier. Kannst du ein Instrument spielen?“

Ich nicke und erzähle ihr, dass ich als kleines Kind ein bisschen Gitarre spielen gelernt habe.

„Dann können wir uns ja gegenseitig mal was vorspielen,“ freut sie sich und ich bin wahnsinnig froh, dass ich keine Gitarre mehr besitze.

„Klar,“ meine ich lahm und lächle sie dämlich an, was ihr genügt. Sie grinst verliebt zurück und nimmt einen Schluck von ihrem doofen Latte Macchiato. Latte Macchiato! Als wäre sie sich zu fein für einen normalen Kaffee!

„Wie kam es eigentlich dazu, dass diese ganzen Gerüchte über Dominik und dich in Umlauf gelangt sind?“, fragt sie mich und ich verziehe den Mund. Es ist ja nicht so, als hätte ich hier gerade viel Spaß. Aber diese Frage hier versaut das Date noch komplett.

In knappen Sätzen schildere ich ihr, was geschehen ist und sie nickt und sieht mich mitfühlend an. Keine Ahnung, warum sie jetzt Mitleid mit mir hat. Mittlerweile hat sich die Sache ja erledigt und wirklich darunter gelitten habe ich auch nicht.

„Ich habe irgendwie das Gefühl, dass du nicht so wirklich mit mir reden magst,“ nuschelt sie traurig und sieht mich vorwurfsvoll an. Ich blicke sie an und versuche, sie dabei richtig anzusehen. Also quasi intensiv wahrzunehmen. So, wie man das macht, wenn man abchecken will, ob man ein Mädchen attraktiv findet oder nicht.

Darüber freut sie sich und lächelt mich an, so dass Romantiker nun behaupten würden, wir hätten einen tiefen Blick ausgetauscht, ehe es zu einem finalen Kuss kam.

Nur, dass es zu keinem Kuss kommt, weil ich schnell einen Schluck Cappuccino trinke, als sie sich ein Stück zu mir herüber beugt.

Enttäuscht zieht sie sich zurück. Ich schenke ihr ein Lächeln, um ihr zu verdeutlichen, dass alles super ist, ehe ich demonstrativ auf mein Handy blicke.

Sie bemerkt den Wink mit dem Zaunpfahl aber nicht oder will ihn nicht bemerken, denn sie erzählt mir nun einfach weiter von ihren Zukunftsplänen und was sie genau im Verlag dann tun möchte.

„Ich habe auch schon ein Praktikum gemacht,“ freut sie sich und schildert mir dieses dann haarklein. Obwohl so ein Verlagsleben zweifelsohne interessant ist, kann ich ihr einfach nicht so richtig folgen.

Ich möchte gar nichts hören, sondern einfach nur nach Hause. Es ist Freitag, es ist Wochenende. Ich möchte ins Bett und dann ausschlafen und morgen den Tag mit Dominik verbringen. Aber auf gar keinen Fall möchte ich weiter hier mit Elisa sitzen und mir langweilige Episoden aus ihrem Leben erzählen lassen.

Weil ich ihr das so nicht sagen kann, lächle ich nur und nicke an den richtigen Stellen. Ich weiß einfach nicht, was los ist.

Sie ist so hübsch und sicher nicht dumm, aber irgendwie such ich richtig nach etwas, das mich an ihr stört. Man kann also festhalten, dass ihr bereit für die Klapse bin. Ein tolles Mädchen interessiert sich für mich und ich rede sie schlecht, statt mich darüber zu freuen.

„Gehen wir?“, fragt sie nach einer Weile und ich nicke und bin so frei, ihr den Latte Macchiato zu bezahlen. Als wir aus dem Café treten, blickt sie mich fragend an. „Begleitest du mich noch ein Stück? Es ist schon so dunkel.“

Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass sie in dieser reichlich belebten Gegend niemand entführen wird, willige ich ein. Wenig später stehen wir vor einem einfachen Hochhaus und sie bedankt sich bei mir.

„War ein schöner Abend,“ lächelt sie und blickt mich wieder so verlegen an, wie heute Morgen in der Bibliothek.

„Vielleicht können wir das ja mal wiederholen,“ bietet sie an und ich nicke. „Ja, vielleicht.“

Ich glaube nicht, dass es die Antwort war, die sie hören wollte und ich glaube auch nicht, dass sie mit einer einfachen Umarmung zum Abschied zufrieden ist, aber ändern kann ich das jetzt auch nicht. Wie würde Heidi Klum jetzt so schön sagen: „Tut mir Leid, Elisa. Ich habe heute leider kein Foto für dich.“
 

„Du bist spät!“, steht Dominik fest, kaum dass ich die Haustüre aufschließe.

„Ich hatte ein Date!“, verkünde ich und trete zu ihm in die Küche. Er kocht sich gerade ein Rührei. Hungrig linse ich über seine Schulter und sehe ihn bettelnd an.

„Du kannst was abhaben,“ seufzt er resigniert und ich grinse und hole uns zwei Teller aus dem Schrank.

„Ein Date also,“ greift er das Thema wieder auf und ich seufze nun ebenfalls. „Es war der Horror!“, erkläre ich ihm und dann beginne ich, ihm genauestens zu erzählen, was mich an ihr so genervt hat.

Er hört mir nur verwundert zu. „Ich kenne Elisa ja und finde eigentlich, dass sie ein tolles Mädchen ist,“ gibt er zu und ich schüttle den Kopf. „Du bist schwul, du kannst das nicht beurteilen,“ wimmle ich ihn ab und bekomme dafür die Gabel in den Arm gepiekst.

„AUA!“, jaule ich und er lacht nur.

„Eigentlich entspricht sie ja auch meinem Typ,“ gebe ich dann zu und er sieht mich fragend an. Mir ist schon klar, dass das wenig Sinn ergibt, was ich da sage. Das habe ich ja nun schon den ganzen Tag über selber bemerkt.

„Aber irgendwie.. ich weiß nicht. Der Funke ist einfach nicht übergesprungen,“ schwafle ich und er lacht wieder.

„Solls geben,“ murre ich und stopfe mir ein großes Stück Rührei in den Mund. Lecker ist es, aber mein ganzer Mund tut weh von dem scheiß Cappuccino.

„Eigentlich ist es mir auch egal. Schade nur um die Zeit,“ mampfe ich und schaue ihm zu, wie er sich Ei in den Mund schaufelt.

Als er merkt, dass ich ihn beobachte, sieht er mich fragend an.

„Was ist?“, fragt er irritiert und ich zucke mit den Schultern.

„Darf ich dich nicht anschauen?“, zwinkere ich ihm zu und er zieht eine Schnute. Ich muss lachen und bekomme einen Knuff von ihm ab.

Elisa und er haben fast die gleiche Augenfarbe. Das ist es, was mir aufgefallen ist, während ich ihn angestarrt habe, um ihn zu ärgern.

Nur mit dem Unterschied, dass seine Wimpern wundervoll lang sind, obwohl er sich nicht ein Kilo Mascara rangeschmiert hat. Sie leuchten auch ohne Kajalstift.

Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur wieder ein, weil ich Elisa einfach so gar nichts abgewinnen konnte.

„Deine Eier sind lecker,“ verkünde ich und merke selbst, dass es falsch klingt. Wenigstens sagt er nichts dazu, sondern grinst nur vor sich hin.

„Perverses Stück,“ witzle ich und schnappe mir seinen Teller, kaum dass er den letzten Bissen gegessen hat, um sie zur Spüle zu tragen.

„Was hast du Morgen so vor?“, frage ich ihn, während ich abspüle und er so nett ist, das Geschirr abzutrocknen.

„Keine Ahnung. DVD-Abend halt,“ erinnert er mich und ich winke ab. Natürlich habe ich nicht vergessen, dass wir den DVD-Abend für morgen eingeplant haben. Mir geht es aber um den restlichen Tag. Das sage ich ihm auch.

„Ich… weiß nicht. Lesen?“

Ich schüttle den Kopf und er ahmt mir die Geste irritiert nach. „Nicht… lesen?“, fragt er unsicher und ich nicke. „Jasper, was willst du von mir?“, lacht er und ich beschließe, ihn nicht weiter zu ärgern.

„Ich würde gerne wissen, ob du den morgigen Tag mit mir verbringen möchtest,“ kläre ich ihn auf und sehe ihn fragend an.

„Wirklich?“, hakt er nach und ich sehe ihn böse an. „Natürlich wirklich, sonst würde ich doch nicht fragen!“

„Aber… was ist, wenn man uns draußen zusammen sieht?“, fragt er und ich zucke mit den Schultern. „Ist mir scheißegal und du bist dann auch nur um einen heißen Typen reicher,“ zwinkere ich ihm und bekomme einen heftigen Knuff von ihm.

„Hatten wir nicht ausgemacht, wir warten noch ein paar Wochen?“, fragt er mich und ich nicke. „Ja, hatten wir. Aber jetzt machen wir aus, dass wir morgen Schlittschuhlaufen gehen.“

Er blinzelt und will widersprechen, aber ich lasse ihn einfach stehen. Ist mir doch egal, ob uns morgen jemand sieht. Wenn ich mit ihm Schlittschuhlaufen gehen will, dann geh ich auch mit ihm Schlittschuhlaufen. Wäre ja noch schöner, wenn ich mich dafür bei irgendjemanden rechtfertigen müsste!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Midnight
2014-05-19T13:11:24+00:00 19.05.2014 15:11
:D hach ja, man merkt immer mehr, dass Jasper immer wieder Gründe sucht, nicht mit Elisa seine Zeit zu verbringen, ja aber warum denn nur? XD
Stattdessen denkt er die meiste Zeit an Domi, was irgendwie süß ist und ich werde das Gefühl nicht los, dass er gerne noch mehr Zeit mit ihm verbringen will!
Einfach süß, ich würde mich freuen, wenn er im nächsten Kapitel wieder mehr Zeit mit Domi verbringen würde und die beiden eine schöne Zeit haben oder so XDDD von mir aus kann der Ausflug starten!

LG Middy <3
Antwort von:  Jeschi
19.05.2014 18:21
Danke fürs Kommi. <3
Keine Sorge, das nächste Kapitel verbringen die Beiden tatsächlich viel Zeit miteinander, so viel sei verraten. :>
Von:  tenshi_90
2014-05-19T12:35:49+00:00 19.05.2014 14:35
Ich glaube Jaspar hat im Unterbewusstsein Elisa mit Domi verglichen .. Deswegen kam sie ihn wahrscheinlich so langweilg vor.

Bin mal gespannt, wie der Ausflug so wird ^^
Antwort von:  Jeschi
19.05.2014 18:22
Danke für den Kommiiiiiii <3
Ja, da hast du Recht. Er weiß halt, was gut ist. :D


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