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Gebieter des Feuer und der Leidenschaft

von

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10. Entschuldigungen und Schmerz
 

Geschockt und regungslos saß sie auf dieser Bank. Emmanline versuchte noch immer zu verarbeiten, was da eben gerade passiert war. Was war nur geschehen?

Ein weiteres Gefühlschaos überwältigte sie und ihre Gedanken überschlugen sich immer wieder erneut. Es ging alles so schnell, dass sie in der Stille diese Szene zwischen ihm und ihr immer und immer wieder abspulen musste. Wie eine Endlosschleife. Er war so erzürnt gewesen und wie er sie angeschaut hatte. Sein Blick war voller Wut und Verachtung gewesen. Ihr gegenüber.

Und da waren noch seine Worte, die sie wirklich zu tiefst getroffen hatten. Wie konnte er ihr so was nur unterstellen? Was hatte sie denn schlimmes getan?

Er meinte zu ihr, sie wäre nicht ehrlich zu ihm gewesen und sie hätte ihn verraten. Sie hätte offener ihm gegenüber sein sollen. Sie konnte genau nach empfinden, wie er sich im Moment fühlte. Glaubte er etwa, sie wüsste es nicht, wie es war, jemanden wichtiges zu verlieren? Doch sie wusste es zu gut und besser. Mehr als das. Ihre Mutter war ihr wichtiger als alles andere gewesen. Auch sie hatte sie in ihrer Vergangenheit verloren. Es war schmerzhaft und unerträglich gewesen, denn dieser Schmerz haftete immer noch tief in ihr. Wie ein Dorn, der sich verankert hatte und sich einfach nicht lösen ließ.

Innerlich fühlte sie sich verletzt und schwermütig, dass sie sich wie eine Statue vor kam. Schmerzhaft krallte sie sich in ihren Oberschenkeln fest. Sie brauchte es jetzt, sie brauchte diesen realen Schmerz. Würde sie nichts spüren, würde sie sich nur noch mehr verlieren. Erneut machte sie einen Schritt nach vorne und kam dem Abgrund näher. Der Sog in ihr drinnen, wurde stärker und bald bekam sie keinen Halt mehr. Sie verspürte in sich eine unsagbare Kälte, dass sie sich bald nicht mehr dagegen wehren konnte. Sie würde fallen. Eines Tages war es soweit. Die Zeit würde kommen.

Emmanline musste sich besinnen, dass sie in die Realität zurück kehren musste. Sie durfte sich nicht zu viel in sich einkehren, denn es würde sie stets näher in die Dunkelheit ziehen, die ihr mehr als vertraut war. Es war für sie wie ein zweites ich geworden. Es fehlte nur ein einziger Schritt.

Sie solle ihm nie wieder unter die Auge treten, weil er sie nicht wieder sehen wollte. Warum ließ er sie dann nicht einfach gehen? Dann müsste er sie nie wieder sehen. Sie würde soweit laufen, dass sie nicht mehr zurück blicken konnte und er bräuchte sich keine Gedanken machen, dass sie ihm begegnen würde. Sinnlos war es, solch ein Gedanke zu hegen, er würde sie gehen lassen, denn das würde er niemals tun. Sie wusste es einfach. Der Mann mochte zornig sein, aber er würde sie stets gefangen halten.

Ein weiterer Grund warum sie verspürte, sie wäre hier eine Gefangene. Auch wenn er es zuvor geschworen hatte. Sowie er geschworen hatte, wenn er zu ihr zurück käme, würde er dort aufhören, wo er zuletzt aufgehört hatte, weil er ein Anrecht von ihr haben wollte. Gelogen hatte er. Er hatte sie herein gelegt, weil er sie nur milder stimmen wollte und damit sie ihm schweigsam folgte. Ein erneuter Stich eines Dornes.

„Hör auf.“, ermahnte sie laut zu sich selbst. Sie durfte sich nicht von ihm beeinflussen lassen. Auch wenn er wirklich vieles getan hatte, um ihr etwas anderes zu zeigen. Eine gute Seite.

Ihr Gefühl und ihre Blicke wurden kälter und gefühlloser, denn sie musste ihre eiserne Mauer wieder errichten, die sie zu vor etwas hatte bröckeln lassen. Wie konnte das geschehen?

Wütend über sich selbst stand sie auf und ging zum Schloss zurück. Sie musste sich etwas einfallen lassen, wie sie von hier entkommen konnte. Sie konnte nicht länger hier bleiben. Nicht bei ihm.

Mitten auf dem Hof blieb sie stehen, weil sie einen kleinen Schatten in der Dunkelheit erkennen konnte. Verzweifelt versuchte sie in der Dunkelheit etwas zu erkennen, aber sie musste sich nicht anstrengen, um zu wissen, wer dort stand.

Ohne darüber nach zu denken, rannte sie auf den Schatten zu. Ihr Herz hatte einen Moment aufgehört zu schlagen. Wie konnte sie es nur vergessen? Dabei hatte sie es doch versprochen.

„Malatya.“, klang Mitgefühl in ihrer Stimme mit. Erst als das kleine Mädchen unter Tränen und Schluchzen ihren Kopf hob, konnte sie erkennen wie alleine sie sich fühlte. Ohne auch nur nach zudenken, öffnete sie ihre Arme und selbst Malatya schien nicht zu zögern, während sie sich in ihre Arme schmiss. Ihr Herz tat weh, das dieses sonst freudige und aufgeweckte Kind, so sehr verstört aussah.

„Mama.“, brachte sie unter erstickten Schluchzen aus. „Sie ist nicht mehr da.“, weinte sie bitterliche Tränen.

Noch enger drückte sie das kleine Mädchen an sich und legte ihre Wange auf ihr schönes seidiges schwarzes Haar. „Pssst,...“, versuchte sie sie zu trösten. „Ich bin hier.“, konnte sie nur diese Worte sagen und sie reichten vollkommen aus, weil sie wusste, dass das kleine Mädchen genau diese drei Worte am meisten brauchte.

Finger krallten sich verzweifelt an sie. In diesem Augenblick verspürte sie keine Schmerzen, denn wichtig war es, dass sie für Malatya da war. Sie war ihr so ans Herz gewachsen, dass sie es jetzt wirklich merkte.

Stillschweigend und sie hielt die Kleine weiter in den Arm, während noch mehr Tränen vergossen wurden. Sie zitterte und bebte am ganzen Körper, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. „Komm mit, meine Kleine. Wir gehen rein und ich werde bei dir bleiben. Solange du möchtest.“, flüsterte sie in ihr Haar und ihre Augen waren dabei geschlossen. „Ich werde dich nicht alleine lassen.“, versprach sie ihr.

Zustimmend nickte sie und führte sie in Malatyas Zimmer. Unterwegs waren sie keinen Einzigen begegnet und es war seltsam. Doch im Moment konnte sie sich deswegen nicht den Kopf zerbrechen. Jemand brauchte sie und sie würde da sein.
 

Heiße Flammen hatten außerhalb und in ihm getobt, doch er fühlte sich keinen Deut besser. Noch immer war der Verlust, die Leere und der Schmerz da. Entkräftet sank er zu Boden und schlug mit seinen Fäusten auf der harten und schwarzen Erde ein, solange bis sie blutig waren, aber den Schmerz verspürte er trotzdem nicht. Er hatte seiner Wut und seinem Zorn freien Lauf gelassen, aber warum fühlte er sich nicht besser? Was musste er noch alles anstellen, damit er sich zufrieden stellen konnte und Ruhe empfand? Es sollte aufhören. Er wollte es nicht.

Jetzt erst begann die Trauer in Lucien überhand zu bekommen und brüllte voller Schmerz gegen dem Nachthimmel auf. Sterne funkelten ihn noch strahlender entgegen, als sie es je zuvor getan hatten. Er hatte das Gefühl, der Nachthimmel und die Sterne verspotteten ihn. Musste er sich das bieten lassen?

Gefühlte Stunden saß er da, sein Körper aufrecht und sein Kopf gegen dem Himmel gereckt. Sein Herz versuchte ruhiger zu schlagen und sein Adrenalin wurde stets weniger. Seine Wut und seinen Zorn waren verraucht, als er sich mit seinem inneren Feuer ausgetobt hatte. Er hatte es dringend gebraucht und jetzt empfand er nicht einmal Genugtuung, während er seine Umgebung betrachtete. Was er getan hat, würde er sich niemals verzeihen können. Was hatte er nur getan? Alles war in Schwärze getaucht und nichts war, wie es zuvor gewesen war.

Sein Gefühl der Beschämung wurden größer und dadurch wurde sein Verstand klarer. Erinnerungen kamen zurück, die er zuvor verdrängt hatte. Entsetzen trat in seinen Augen und sie weiteten sich vor Schock. Sein Herz setzte aus und sein Atem blieb ihm fern. Seine Schultern sackten nach unten und seine Arme hingen schlaff an seinem Körper hinunter.

„Oh, ihr heiligen Götter. Was habe ich nur getan?“, war es ein Hauch von Flüstern. Es waren Dinge gefallen, die hätten niemals fallen dürfen. Was geschehen war, konnte er nie wieder rückgängig machen.

Lucien hätte niemals gedacht, dass er je zu so was fähig war, aber dies war Beweis genug, dass er dazu fähig war. Er hatte hiermit seinen Stolz und Ehre verloren. Verloren hatte er es dadurch, dass er eines der höchsten Gesetze gebrochen hatte. Seiner Seelengefährtin gegenüber respektlos gegenüber getreten zu sein. Das was er gesagt hatte, waren Beleidigungen, Beschuldigungen und Mutmaßungen gewesen. Vorwürfe sie hätte ihn verraten, obwohl sie ihm nie Beweise deswegen geliefert hatte. Er war voller Trauer, Wut und Zorn gewesen, dass er alles ausgeblendet hatte, was ihm wichtig gewesen war. Er hatte sie von sich gestoßen und sie somit verleumdet.

Sein Herz wurde schwerer als ein Stein und es drohte in die Tiefe zu versinken. Nun hatte er ihr einen erneuten Grund gegeben, warum sie sein Volk dafür verachten sollte.

„Verzeih mir.“, wurde er immer wehmütiger. Wie sollte er sich dafür entschuldigen? Wie sollte er das wieder gut machen können? All die Hoffnungen und Chancen die er zuvor gehabt hatte, waren mit nur so einem kurzen Augenblick zerstört worden. Seine Trauer und sein Schmerz für den Verlust seiner Mutter war keine Entschuldigung dafür, was für furchtbare Dinge er zu ihr gesagt hatte. Diese Worte konnte keiner mehr ungeschehen machen. Wie also sollte er sich ihrer untergeben, damit sie ihm verzieh? Allein die Worte, sie solle ihm nie wieder unter die Augen treten, waren niemals ernst gemeint. Alles war nicht ernst gemeint gewesen. „Emmanline...“, Reue nahm einen unglaublich Besitz in ihm. Er musste zu ihr. Sofort.

Jetzt konnte er auch verstehen, warum sein Drache so in ihm tobte. Selbst das Raubtier in ihm wollte seine Gefährten und sie in den Arm nehmen, sie um Verzeihung bitten und sich ihr ergeben, dass er schuldig ihr gegenüber gewesen war.

Ohne weiter auf alles zu achten, machte er sich auf die Suche nach seiner Seelengefährtin.
 

Emmanline hatte sich mit Malatya aufs Bett gelegt. Sie saß an der Rückenlehne gelehnt und ihre Beine ausgestreckt. Der Kopf von Malatya lag auf ihrem Schoß gebetet. Schon seit längerer Zeit war sie unter Tränen und Erschöpfung eingeschlafen, während sie ihr stetig beruhigend über ihr schwarzes Haar strich. Was sie jetzt noch immer tat, auch wenn sie eingeschlafen war.

Sie sieht so unschuldig aus, dass es ihr wirklich im Herzen weh tat, dass sie solch eine Erfahrung von Verlust durch machen musste. Sie hätte es ihr gerne erspart, aber niemand war vor allem gefeit gewesen. Niemand.

Jetzt, wo sie so still da saß und dem kleinen Mädchen beim Schlafen zu sah, kamen ihr immer wieder die Worte des Mannes hoch, der ihr sehr weh getan hatte. Nicht mit körperlichen Verletzungen, aber mit verbalen Worten. Sie hatte es niemals gewollt, dass es dazu kam.

Nur warum fühlte sie sich genauso verraten, wie er es ihr gegenüber angedeutet hatte? Da konnte selbst ein Seufzen der Frustration nicht helfen.

Auf einmal klopfte es an der Tür und ihr Herz machte einen Sprung. Warum hatte sie das Gefühl, dass sie genau wusste, wer hinter Tür stand? Sie konnte einen schwachen erdigen Geruch wahrnehmen.

Emmanline sagte kein Wort, als die Tür aufging und, wie sie vermutet hatte, dass er ins Zimmer kam. Sie blickte ihn nur an und konnte nicht fassen, was sie da sah. Er kam mit gesenktem Kopf ins Zimmer, als er sie auch hinter sich schloss. Selbst blieb er noch mit gesenkten Kopf an einer Stelle stehen. Das er sein Haupt senkte, bedeutete nur eins, er zeigte damit seine Reue und das er etwas unverzeihliches getan hatte, was er schwer bereute. Damit bat er sie um Entschuldigung und zeigte ihr, dass er einen sehr großen Fehler begangen hatte. Aber das entscheidende war, niemals senkte ein Drache sein Haupt vor jemanden, der nicht dem Respekt gegenüber gerecht war. Meistens taten sie es nur vor desgleichen oder vor den Eltern, wenn sie etwas getan hatten, was sie bereuten.

Dieser Mann und Drache senkte seinen Kopf vor ihr? Sie verstand nun überhaupt nichts mehr. Was hatte er nur vor? Wollte er sie damit noch weiter beleidigen, indem er ihr etwas vorgaukelte? Aber, keiner senkte sein Haupt so tief, nur um jemanden zu täuschen. Sie müsste es besser wissen.

Darum verstand sie sich jetzt am wenigsten. Sie tat etwas, was sie vermutlich eines Tages sehr bereuen würde. Mit nur einer einzigen Bewegung, streckte sie ihren Arm zu ihm hin. Die Handfläche nach oben zeigend und sie wartete. Er schien diese kleinste und leiseste Bewegung wahrgenommen zu haben und erhob sein Kopf. Der Ausdruck der in seinem Gesicht geschrieben war, war genau so schockierend, wie er demütig dort gestanden hatte. Seine Augen baten um unendlicher Entschuldigung und das er etwas getan hatte, dass er niemals all das ungeschehen machen konnte. Trotz allem hielt sie ihre Hand erhoben und er kam ohne zu zögern auf sie zu. Sein Arm streckte sich ihr dann schon entgegen, als er schon einen Schritt getan hatte. Er brauchte nur drei Schritte, bis er seine Handfläche in der ihren legen konnte.

Vorsichtig näherte er sich ihr und setzte sich auf die Bettkante. Der Mann kam ihr so nahe, dass er seine Stirn an ihre legte. Schwermütig ließ er die Luft aus seinen Lungen frei. Hatte er etwa die ganze Zeit über, als er hier herein gekommen war, die Luft angehalten?

Noch immer hielt er ihre Hand fest und erhob sie zu seiner Brust hin, an der Stelle wo sein Herz

rasend und unregelmäßig schlug. Seine andere Hand legte er an ihrem oberen Halsansatz, während seine Augen geschlossen waren.

Eine ganze Weile verharrten sie so beieinander, bis er endlich diese unangenehme Stille durchbrach. „Ich weiß nicht, wie ich dich um Entschuldigung bitten soll.“, gestand er ihr wehmütig. „Ich habe mir so vieles zurecht gelegt, aber nichts kann ich tun. Ich habe dir unsagbares Unrecht getan, habe dich Beleidigt, etwas Unterstellt und all meinen Schmerz, Wut und Zorn an dir ausgelassen. Dazu hatte ich kein Recht.“, presste er seine Stirn mit mehr Druck gegen ihre und seine Augen noch fester zusammen gepresst.

Emmanline konnte ihn dabei nur schweigend anschauen und sie konnte ihm keine Worte gegenüber seiner Worte entgegen bringen. Sie war noch nicht in der Lage dazu. Stattdessen sagte sie nur. „Deine kleine Schwester braucht dich. Du und ihr alle habt sie vernachlässigt.“, klagte sie ihn diesmal an. „Sie braucht euch, ihre Familie und Liebsten.“, löste sie sich von ihm und blickte zu Malatya hinunter. Sie hatte mit ihren zärtlichen Berührungen aufgehört gehabt, als er ins Zimmer getreten war, nahm sie aber jetzt wieder auf. „Wie konntet ihr sie nur vergessen?“, beschuldigte sie ihn, wobei es auch den anderen galt.

Jetzt legte er eine Hand auf das Haar von seiner kleinen Schwester und blickte sie traurig an. „Du hast Recht.“, war seine Stimme rau geworden. „Ich bin jetzt hier, meine Süße.“, beugte er sich nach unten und drückte einen sanften Kuss auf Stirn seiner kleinen Schwester, aber mit Vorsicht, dass sie nicht wach wurde. „Ich danke dir, dass du bei ihr gewesen warst.“, blickte er zu ihr rauf.

Emmanline schüttelte mit ihrem Kopf. „Nimm sie in deine Arme. Sie wird wissen, dass du bei ihr bist. Sie hatte bitterlich geweint.“, verfolgte sie seinen Bewegungen, als er seine kleine Schwester wirklich in den Arm nahm. Sie konnte sofort sehen, wie sehr sich Malatya an ihren Bruder schmiegte. Sie konnte hier nicht bleiben und deswegen stand sie auf.

„Wo willst du hin?“, schoss sein Blick zu ihr hoch und leichte Angst erklang als Hall mit.

Ihr Rücken war zu ihm gewandt. „Ich werde ihr etwas warmes zum trinken holen. Es wird ihr sicherlich gut tun.“, log sie, aber es kam glaubwürdig über ihre Lippen. Dann verließ sie einfach das Zimmer, ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren.

Die Tür hinter sich geschlossen, lehnte sie sich dagegen. Ihr Blick war zu Boden gerichtet und sie konnte es nicht fassen, was da eben passiert war.

Sie wusste nicht was hier geschah. Er war wütend und zornig gewesen, dass sie dachte, er würde ihr in dem Moment über sie herfallen, mit seiner tödlichen Präsenz, die in ihm wohnte. Doch konnte sie unter all der Wut und dem großen Zorn, nicht den Drachen erkennen, dass selbst er ihr weh tun würde. Er hatte sich im Hintergrund gehalten und auf seine eigene Art sich zur Unruhe bewegt.

Was jetzt geschah, was sie in diesem Zimmer erlebt und gesehen hatte, hatte ihr den Atem geraubt. Sie hatte von ihm eine ganz andere Seite gesehen, die voller Reue und Schuld war, dass er anscheinend seinen Stolz vollkommen vergessen hatte. Jetzt erkannte sie den großen Ausmaß, was da geschehen war. Er hatte sein Haupt vor ihr gesenkt und er bettelte um Verzeihung. Sein Blick sprach, er würde am liebsten alles zurück nehmen, was er vor einigen Stunden gesagt hatte. Was sollte sie davon halten?

Etwas stieg in ihr auf und sie wusste nicht genau was es war, aber es setzte sie unter Druck. Eines wusste sie, dass nicht viel fehlte, bis sie einen Druckausgleich brauchte. Etwas rührte sich in ihr.

Mit einem leisen Seufzer, löste sie sich von der Tür und schritt den linken Gang hinunter. Ihre Füße bewegten sich wie von alleine und sie wusste nicht, welchen Weg sie einschlug.

Langsam registrierte sie, wo sie hin lief und sie hatte das Gefühl, ihr blieb die Luft weg. Überall in der Luft lag eine Anspannung von Trauer und Verlust. Sie konnte es genau fühlen. Jeder trauerte um die ehemalige Königin, Clanangehörige und Mutter.

Plötzlich vernahm sie Geräusche von Schluchzen unter Tränen wahr. Es kam aus einem kleinen Saal und die Tür leicht angelehnt. Sie blieb stehen und konnte durch den kleinen Spalt Personen erkennen, wo sie genau wusste, wer sie waren. Es waren die Geschwister von ihm. Es war ihr ein Rätsel, aber sie tat etwas, womit sie selbst nicht gerechnet hätte, sie trat in den Raum wo sie alle saßen.

Sofort vielen Blicke auf sie, als sie einfach so da stand und sie regungslos anschauten. Eines verstand sie nicht und irgendwie machte es sie wütend.

„Was willst du hier?“, stieß eine Drachin unter Kummer aus.

Hier in diesem befanden sich fünf seiner Geschwister, aber warum?

Es machte sie wirklich wütend und ihre Augen verengten sich, während sie mit eisiger Stimme fragte. „Die Frage ist wohl eher, warum seid ihr hier?“

Die Wächterin, wie er ihr erzählt hatte, riss ihren Stuhl nach hinten, als sie vor Wut aufgestanden war, während sie sie mit finsteren Blick an funkelte. „Du hast ja wohl kaum das Recht, deine Klappe so weit auf zu reißen. Du weißt überhaupt nicht...“

„...was los ist?“, beendete sie ihren Satz, aber als Frage formuliert. „Oh, und wie ich es weiß. Ich weiß, dass eure Mutter ihren Gefährten in den Tod gefolgt ist.“, klangen entsetzte Laute der anderen in ihr Ohr.

„Wage es ja nicht, so respektlos über sie zu reden.“, erwiderte die Wächterin erneut.

„Beruhige dich, Ysera.“, erklang eine sanfte Stimme einer Frau, die eine beruhigende Wirkung hatte. Diese Frau war die ruhigste und gelassenste unter all den Geschwistern. Er hatte ihr erklärt, sie sei eine Mütterliche, die sich um alle kümmerte. Jetzt verstand sie auch, dass sie genau das war, was sie zu sein schien. Ihre Berührungen beruhigten diese Kriegerin. Es war erstaunlich.

„Sie will uns etwas sagen.“, und sie hatte Recht.

Kurz schaute Emmanline sie nur an, bevor sie ihre Augen schloss, um sie gleich wieder zu öffnen. „Ihr befindet euch hier zusammen, aber ihr seid nicht die einzigen, die um eure Mutter trauern. Ihr seid nicht alleine, aber dennoch werden andere alleine gelassen. All was ich hier auf diesem Gut mitbekommen habe, war, dass ihr zusammen haltet und niemanden im Stich lasst. Aber ob es stimmt? Ich kann euch Drachen einfach nicht verstehen.“, drehte sie sich einfach um und verließ den Raum, während ihre Füße sie in eine anderen Richtung lenkten.

Emmanline konnte nur ein Laut der Überraschung und entsetzen hören, wobei ein Name viel. „Malatya.“, schrie jemand mit hoher Stimme auf und sie stürmten alle samt aus dem Raum, um sie zu suchen.

Irgendwie wurde ihr schwer ums Herz. Ihre Worte waren hart gewesen, dass wusste sie, aber sie musste ihnen klipp und klar zu verstehen geben, was in Vergessenheit geraten war. Sie konnte eigentlich nicht wirklich ahnen, was für ein Ausmaß, zwischen ihnen allen bestand, aber sie verstand nun, was für eine starke Bindung zwischen ihnen herrschte.

Dabei spürte sie einen Stich im Herzen, was sie sich nicht recht erklären konnte. Darum fühlte sie sich auch so fehl am Platz und das sie einfach nicht hierher gehörte.

Durch ein Krachen zuckte sie innerlich zusammen und dadurch wurde sie abrupt aus ihren Gedanken gerissen. Es hatte sich angehört, als wenn vieles zu Bruch gegangen war. Ihr Herz klopfe schnell und sie blickte den Gang hinunter. Aus einem Zimmer konnte sie Licht brennen sehen. Eine Tür stand offen und sie wusste, aus diesem Zimmer stammten das Klirren von zerbrochenem Glas.

Nur ein paar Schritte musste sie tun, dass sie genau davor stand. Einen Blick wagte sie und erkannte den ältesten Bruder von ihm.

„War er nicht erst heute Morgen irgendwohin aufgebrochen?", sprach sie innerlich mit sich selbst.

Der Mann saß an einem Tisch, hatte seine Ellenbogen auf die Fläche abgestützt und sein Kopf in seinen Handflächen vergraben. Ihr Blick schweifte von ihm ab und sah all die Dinge auf dem Boden liegen. Glas war zerbrochen, Papier lagen überall verstreut und andere Dinge. Erst da schaute sie zu ihm auf und blickte in zwei glühenden Augen, die wie Kohle erschienen. „Was willst du hier, Elfe? Verschwinde.“, knurrte er bedrohlich und tödlich.

Emmanline presste ihre Lippen zusammen und sie konnte ihren Blick nicht von ihm abwenden. Ein Seufzen entrang sich ihrer Kehle. Sie musste mit Sicherheit heute einen Rekord im Seufzen gemacht haben. Bei dieser Bemerkung ging sie ins Zimmer und hob all die Verstreuten Blätter auf.

„Ich hatte gesagt, du sollst verschwinden.“, stand er wütend auf und schlug hart mit seinen Handflächen auf dem Tisch auf. Als sie ihn einfach ignorierte und nicht die Anstalten machte zu gehen, kam er um dem Schreibtisch herum. Hart packte er sie am Handgelenk und zerrte sie hoch.

Die Blätter an sich gedrückt, blickte sie ihn ausdruckslos in seine glühenden Augen. „Ja, was willst du dann machen? Mir Schmerzen zu fügen? Oder vielleicht den Kopf abreißen?“, gab sie nicht klein bei. „Tue es.“, forderte sie ihn heraus.

Ein tiefes Knurren, als er sie los ließ. „Dumme Elfe. Was stimmt nicht nur mit dir? Was willst du?“, war er ihr noch immer so nah.

„Die Sachen aufheben, die du anscheinend runter geschmissen hast.“, provozierte sie ihn.

„Willst du mich verarschen? Ich bin jetzt ganz nah an der Grenze dir wirklich den Kopf abzureißen.“, war es fast ein Versprechen. „Ich bin zu keinen Späßen aufgelegt. Also versuche mich nicht zu reizen. Was willst du verflucht nochmal hier?“

„Du trauerst.“, konnte sie einen kleinen Funken von Verwunderung in seinen Augen erkennen, aber er verschwand genauso schnell, wie er gekommen war.

„Das geht dich nichts an.“, wandte er sich wutentbrannt von ihr ab, als er zum Fenster hinüberging und hinaus starrte.

Es war nicht zu übersehen, welcher Zorn in ihm brannte, während er seine Hände immer und immer wieder sie zu Fäusten ballte. Sie ließ sich nicht beirren und hob die anderen Dinge vom Boden auf, als ihr etwas ins Auge stach. Sie war überrascht darüber. Er rührte sich keinen Zentimeter vom Fleck und schien sie zu ignorieren. Das sollte ihr ganz Recht sein.

Emmanline hatte alles ordentlich auf den Tisch gelegt gehabt und die Scherben in dem Eimer getan, der neben ihr gestanden hatte. Seltsam erschien es schon, dass sie all dies tat, aber sie tat es dennoch. All das getan, verschwand sie einfach wortlos.
 

Raiden musste sich zügeln, bevor er komplett die Kontrolle verloren hätte. Diese Elfe hatte ihn rasend gemacht, weil er alleine sein wollte. Was fiel ihr überhaupt ein sein Arbeitszimmer zu betreten, ohne von ihm eine Aufforderung bekommen zu haben? Er hatte das Recht wütend zu sein.

Lucien hatte ihm einen Auftrag gegeben und befolgte ihn. Nicht weil er der König war. Es hatte ihn überrascht gehabt, dass sein Bruder vor hatte, dem Elfenkönig einen Brief überbringen zu lassen, da sie sich schon seit Jahrhunderten nicht mehr hatten Blicken lassen. Woher bekam er diese Information, wo sich dieses Volk befand? Zumal es auch reiner Selbstmord war, denn so leicht werden sie sich nicht finden lassen. Das wäre für jede Fraktion das Leichteste. Aber seine große Neugierde war geweckt gewesen, weswegen er auch den Befehl seines Bruders befolgte.

Heute Morgen hatte er sich zu dieser Mission auf gemacht, aber als sich ein unendlicher Schmerz des Verlustes in ihm breit gemacht hatte, wäre er beinahe zusammen gebrochen. Sein Herz wäre beinahe in tausende Splitter zerbrochen, als ihm bewusst war, was es gewesen war. Seine Mutter hatte sich nach so langer Zeit ihr eigenes Leben genommen. Jeder wusste, es könnte jeden Tag soweit sein, was geschehen war. Heute war sie von allen gegangen, um seinem Vater in den Tod zu folgen.

Darum konnte er nicht anders und er musste nach Hause zurückkehren. Dann würde er eben später aufbrechen. Doch er konnte einfach nicht, nicht nachdem er sich so fühlte. Der Schmerz und Kummer um seiner Mutter würde anderen einen großen Vorteil nutzen ihm einen Kopf kürzer zu machen. Das konnte er nicht riskieren.

Das war der Grund warum er so wutentbrannt sein Zimmer verwüstete und dabei Dinge zu Bruch gingen. Doch musste er sich eingestehen, dass er mit der kleinen Elfe nicht gerechnet hätte.

Ohne seiner Aufforderung war sie eingetreten. Er hatte ihr gedroht gehabt, damit er ihr Angst einjagen konnte und darauf verschwand. Ihr Blick war unberührt gewesen. Wenn sie Gefühle besaß, dann konnte sie die sehr gut verbergen.

Seit sie auf dem Hof war, hatte er sie im Auge behalten. Nicht weil er scharf auf sie war oder aus Neugierde, sondern damit sie keinen dummen Fehler beging, seinem Volk Schaden zu zufügen. Manchmal hätte er sich vielleicht gewünscht, sie würde einen dummen Fehler begehen, aber nichts geschah. Zumal sich seine finstere Seite dem widerstrebte, ihr wehtun zu wollen. Wenn er ihr so oft weh tun wollte, warum hatte er sie mehr als einmal beschützt? Vor seinem Bruder? Oder sogar vor seiner Mutter? Nun gut, er hatte sie beschützt gehabt, weil sie etwas von Jesaja wusste. Diese Chance durfte er sich damals nicht entgehen lassen. Tot hätte sie ihm nichts genützt.

Etwas an ihr war anders und jetzt gestand er sich ein, dass doch eine gewisse und reine Neugierde in ihm herrschte. Das er sie permanent beobachtete, lag auch daran, weil er gehofft hatte, etwas zu sehen, was niemand sah. Vielleicht würde er etwas heraus finden, wenn sein gewisser Bruder nicht wie ein Hund ihr hinterherlaufen würde. Das war schon witzig, denn Lucien lief nie einer Frau hinterher. Es war widersprüchlich in sich selbst, wobei er sich fragte, ob Lucien es überhaupt bemerkte. Lucien hatte sich verändert. Sie hatte ihn verändert. Auf welche Art und Weise?

Es war eine Erkenntnis, die ihm schon länger gekommen war. Hier auf dem Hof und Gut würde noch eine Menge passieren, was er zu spüren wusste. Als wenn sich etwas ganz großes auf den Anmarsch machte. Nur konnte er nicht sagen, ob es was Gutes oder Schlechtes war.

Wie hypnotisiert hatte er aus dem Fenster geschaut gehabt. Wütend über alles und jeden. Gerade noch konnte er seinen Zorn zügeln, die Wut nicht an der kleinen Elfe auszulassen. Raiden spürte, dass sie sich nicht mehr im Raum befand. Ruckartig drehte er sich um und sie war verschwunden. Warum hatte er das nicht mitbekommen? War er so in seinen Gedanken verstrickt gewesen, dass er nicht einmal mitbekommen hatte, wie sie gegangen war?

Mit einem aufmerksamen Blick, sah er, wie all die Utensilien, die er zuvor vom Tisch gefegt hatte, säuberlich, getrennt und ordentlich auf dem Schreibtisch lagen. Unwillkürlich hob er eine Augenbraue. „Dumme Elfe.“, knurrte er.

Während er auf seine ordentlichen liegenden Sachen starrte, viel ihm etwas auf. Mit gerunzelter Stirn ging er zu seinem Schreibtisch hin und hob eine kleine getrocknete Blume auf, die ganz oben auf dem Stapel der Papiere lag. Wenn er sich nicht irrte und ihm sein Geruch nicht im Stich ließ, dann war dies eine Kamille. Wer legte denn bitteschön eine kleine Blüte in sein Zimmer? Ihm wäre diese kleine weiße Blüte, mit dem beruhigenden Duft sofort aufgefallen. War es die Elfe gewesen? Das konnte nicht sein, denn er hatte diese Art von Duft nicht an ihr wahrgenommen. Wobei seine Gedanken und Sinne gerade eine Auszeit nahmen.

Ein kleiner Blitz durchzuckte ihn, als ein Teil seiner Vergangenheit an die Oberfläche auftauchte.
 

Wie immer saß er schwer beschäftigt in seinem Arbeitszimmer. Jeder Tag war wie jeder andere auch und er verspürte innerlich eine große Trostlosigkeit, dass sich tiefer in seine Seele fraß. Melancholisch wurde sein Gemüt und daraus eine wirkungsvolle Desinteresse.

„Wenn das so weiter geht...“ Knurrte er ermüdet und frustriert auf. „...dann werde ich eines Tages noch verrückt.“ Was durchaus passieren könnte, wenn nicht irgendwann etwas interessantes passierte, was dem Mann und dem Drachen gleichermaßen faszinierte.

Drachen im hohen Alter konnten schnell in einer Melancholie verfallen und das war nie ein gutes Zeichen, weil sie sonst Wege einschlugen, die nur mit Gewalt und Blut vergießen zu tun hatten. Das war nicht wirklich sein Weg den er einschlagen wollte. Vielleicht alles anderes, aber nicht abhängig von seinen Trieben. In einem Rausch verfallen, wo er der Raserei anheimfiel. Einmal diesen Schritt getan und er wäre verloren, wo er niemals hätte heraus kommen können.

Seine Muskeln schmerzten ihm, als er sich in seinem Stuhl zurück lehnte und sich ermüdend mit seinen Fingern durch sein Haar strich.

Raiden hatte vor einigen Jahrzehnten den Posten als Botschafter nur angenommen gehabt, weil sein Vater ihn darum gebeten hatte und weil er gehofft hatte, somit sein Überdruss los zu werden. Zu Anfang hatte es auch geklappt, aber umso schneller kam dieses Gefühl zurück. Es wäre vielleicht anders, wenn sein Vater nicht versuchen würde mit einigen Fraktionen Pakte, bezüglich mit Frieden oder Waffenstillstand, zu vereinbaren. Wo waren nur die Zeiten der Kriege gewesen? Wo einer sich austoben konnte?

Es wurde mal wieder an der Zeit, dass er jagen gehen sollte und sich einfach nur seinen Instinkten hingab. Er und sein Drache brauchten das, genossen jeden Flug in den Lüften der Freiheit. Heute Nacht beschloss er, würde er sich ausgiebig seinen Trieben nach geben. Sei es Jagdinstinkte oder rein sexueller Natur. Vielleicht sollte er sich da auch mal ganz austoben. Oder sogar gleich beides zusammen.

Ein süßlicher Duft stieg in seine Nase, den er zuvor noch nicht wahrgenommen hatte. Er müsste irgendwo aus seinem Zimmer kommen. Kurz blickte er sich um und folgte dem Geruch. Er war nicht weit von ihm entfernt und zerwühlte ein paar Papiere auf seinem Tisch, aber fand nichts. Aufgeben tat er nicht, weil er wusste, dass hier etwas war.

Leicht konnte er schon erahnen was er finden würde und wie er schon gedacht hatte, entdeckte er eine kleine Blume, die durch die Stapel seiner Papiere etwas zerdrückt wurde. Schwarze Blütenblätter die sich wie Samt anfühlten, wenn er sie mit seinen Fingern berührten. Vollkommen Schwarz mit einem lila Schimmer, wenn das Licht günstig drauf fiel. Sie war wirklich schön anzusehen, dabei hegte er kein großes Interesse Blumen und Pflanzen gegenüber.

Ein kleines Lächeln breitete sich auf seinen Mundwinkeln aus. Raiden wusste, warum diese zarte Blume, die er mit eine Nichts zerstören konnte, hier bei ihm befand. Seine kleinste und jüngste Schwester hatte sich irgendwie zur Aufgabe, nein, zu eine Art Hobby gemacht, in jedem Winkel seines Arbeitszimmer Blumen verschiedener Arten und Farben, zu verstecken.

Zu Anfang hatte er sich immer gewundert, wer so dreist war, sich in sein Arbeitszimmer zu wagen, oder wer solch einen Unsinn tat. Er hatte es mit reiner Dummheit und Zeitverschwendung abgetan, aber nur solange, bis er heraus gefunden hatte, wer Schuld daran trug.

Einmal hatte er seine kleine Schwester dabei erwischt, wie sie in sein Arbeitszimmer geschlichen war. Vor Amüsant kichernd. Als Erstes wollte er sie darauf hinweisen, wie oft er ihr schon gelehrt hatte, dass sie nicht in sein Zimmer gehen sollte und durfte, aber zügelte sich sofort, als er an der Tür gestanden und sie beobachtet hatte. Während sie einen günstigen Platz aussuchte, wo sie ihr neues Präsent verstecken konnte, beobachtete er sie dabei. Sie strahlte über das ganze Gesicht, ihre Augen leuchteten fröhlich und ihr Kichern des Glücks ließen sein Inneres erwärmen. Malatya war so unschuldig und hatte eine freie und nicht bändigende Art an sich. Sie war das Energiebündel unter seinen Geschwistern, die ausgelassen war. Kein Wunder, sie war erst zwanzig, was das Alter von fünf Jahren entsprach, wenn es zu anderen Völkern verglichen wurde. Sie war die reine Unschuld.

Wie also konnte er ihr diese Freude nehmen, wenn er sie jetzt darauf hinwies, dass sie nichts in seinem Arbeitszimmer zu suchen hatte?

Vor einiger Zeit hatte sie damit angefangen und versteckte immer wieder eine Blume. Es war schon eigenartig und er würde gern den Grund dafür wissen, warum sie das tat. Doch er wollte sie nicht darauf ansprechen. Noch nicht.

Die neu erstandene Blume nahm er zwischen seinen Fingern und begutachtete sie erneut. „So verrückt.“ Schmunzelte er und stand auf, als er zu seinem Bücherregal hinüber ging. Er besaß so viele Bücher, dass er irgendwann aufgehört hatte zu zählen, die er sich in seinem ganzen Leben angesammelt hatte. Sie hatten die unterschiedlichsten Einschläge und ziemlich in der Mitte zog er ein rein weißes Buch heraus, welches er öffnete. Seiten blätterten sich beim aufschlagen automatisch um. Es war ein hütendes Buch, was er vor sehr langer Zeit erstanden hatte, aber wusste nicht, für welchen Gebrauch er dieses Buch überhaupt nutzen sollte. Doch das hatte sich schon längst geändert. Nun hatte es einen Nutzen, indem er so viele kleine, mittlere und großen Blumen beherbergte. Eine kleine Ansammlung, die er sich zugelegt hatte.

Wie könnte er denn all die kleinen Geschenken und Gesten seiner kleinen Schwester missachten und wegwerfen? Das hatte er niemals übers Herz gebracht, denn es zeigte ihre Zuneigung zu ihm, was er niemals verlieren wollte. Sie war die Jüngste und sie lag ihm, wie all den anderen seiner Geschwister, sehr am Herzen. Sie war das kleine Nesthäkchen in der Familie.

Vorsichtig, wie er jede Blüte behandelte, legte er sie zu all den anderen. Verschiedene Arten von Gerüchen stiegen ihm in die Nase, als er dieses behütende Buch aufgeschlagen hatte. Niemand würde es öffnen können, weil ein Zauber es zu verhindern wusste. Nur er konnte es. Nicht einmal Feuer konnte es zerstören und das sollte was heißen, welche Magie darauf lastete. Woher das Buch stammte, dass wusste er nicht. Er hatte schon oft versucht heraus zu finden, woher es kommt, aber er hatte schon längst mit der Suche aufgehört gehabt. Es war ein sinnloses Unterfangen gewesen.

Einen kurzen Augenblick kostete er den Anblick aus, bevor er das Buch wieder zuschlug und es wieder zwischen all den anderen Büchern schob.
 

Da kehrte Raiden mit seinen Gedanken langsam wieder in die Realität zurück. Es war eines seiner schönsten und guten Rückblicke in seiner Vergangenheit gewesen, als er sich daran erinnerte. Seit langem hatte er schon keine Blume mehr von Malatya bekommen. Kein Wunder, denn er war ständig, durch seine Pflichten als Botschafter, unterwegs. Dabei war sie auch eine längere Zeit auswärts gewesen. Anscheinend hatte sie jetzt ihre einmalige Chance genutzt und es erneut getan.

Wo die kindlichen Gesten von ihr aufgehört hatten, war er schon etwas enttäuscht gewesen und deswegen waren ihm auch all die Erinnerungen in den Hintergrund gerückt. Erst jetzt konnte er sich daran erinnern und es entlockte ihm ein erneutes Lächeln, welches sofort verschwand. Abrupt stand er auf und verließ sein Arbeitszimmer, schritt den Gang hinauf. Endete nicht eher mit seinen Schritten, bis er vor einer Tür stehen blieb. Leise Stimmen konnte er darin vernehmen, die ihm mehr als bekannt waren. Ohne zu zögern trat er ein. Was er da sah, ließ ihn stutzen.

„Na, wurdest du auch zusammen gestaucht?“, sprach seine kleine Schwester Jade, die in einem weichen Sessel mit bunten Blumen saß.

Jade war nicht die Einzige unter seinen Geschwistern, die sich hier im Malatyas Zimmer befanden. Alle, wirklich alle befanden sich hier in einem Raum. Selbst die Anwesenheit seines schweigsamen und mörderischen Bruders Alastar. Es war nicht zu fassen, aber er war hier. Auch wenn er sich im Hintergrund hielt und an einer Wand lehnte, wo er finster vor sich hin brütete.

Einzeln blickte er jeden an. „Nein. Warum?“, dachte er noch einmal über die Frage von ihr nach. „Von wem?“

„Sie hat uns nicht zusammengestaucht.“, widersprach Lya ihrer Schwester. Sie saß auf dem Bett, neben Lucien, der die schlafende Malatya im Arm hielt. „Sie hat uns lediglich nur auf etwas aufmerksam gemacht, was wir beinahe vergessen hätten.“, sprach sie weiter und drehte ihren Kopf zu ihrer kleinen Schwester um, während sie ihr zärtlich und sorgenvoll über den Kopf streichelte.

„Ihr meint die Elfe?“, wandte er ein. „Sie war zwar bei mir aufgetaucht, aber sie hatte nichts zu...“, verstummte er plötzlich, als er seinen Arm hob. Noch immer befand sich die Blume in seiner Hand und er hatte verstanden. Unbewusst hatte sie es doch getan und das ärgerte ihn ein klein wenig.

„Redet nicht so beiläufig von ihr, als wäre sie ein Thalon.“, knurrte Lucien drohend und alle blickten ihn an. Thalon waren so was wie die niedrigsten in der Dämonenfraktion. Sie konnten die Gestalt eines schwarzen Wiesels von etwa zwei Spann Schulterhöhe und kämpften mit einer unvorstellbaren Wildheit. Nur passte die unvorstellbare Wildheit nicht zu ihr.

„Fällt euch überhaupt nicht auf, dass zum ersten Mal, seit sehr langer Zeit, wir uns alle in einem Raum befinden? Wann war es das letzte Mal geschehen?“, machte Lucien allen auf etwas aufmerksam.

Jeder schaute jeden an und Erkenntnis blitze in ihren Augen auf.

„Er hat Recht. Das gibt es ja nicht.“, brachte Ysera die ersten Worte raus. „Ich komme mir da so dumm und reingelegt vor.“, knurrte sie etwas ungestüm.

Zum ersten Mal kamen die Zwillinge zu Wort. „Dumm und reingelegt ist verkehrt dahin gesagt.“, meinte Lodan. „Wir wissen alle hier, dass wir seit der Ankunft von Emmanline, wie sehr wir sie beobachten. Niemand sollte leugnen, dass keiner sie nicht im Auge behält.“, wandte er sich an jeden.

„Wir glauben, dass sie überhaupt nicht weiß, was sie wirklich da tut.“, stellte Taran fest.

„Natürlich weiß sie nicht was sie da tut.“, Luciens Stimme ernst und eisern.

Raiden fragte sich, ob sein Bruder überhaupt bemerkte wie besitzergreifend er ihr gegenüber eigentlich war. Er verteidigte sie in jeder Lage und es brachte ihn zum grübeln. Irgendwas steckte doch dahinter.

„Emmanline,...“, will Lucien weitersprechen. „...sie scheint eine Art an sich zu haben. Sie kann nicht anders. Es liegt in ihrer Natur zu helfen. Schaut euch nur Malatya an.“, blickte er zu ihr herab. „Sie kann sich in ihre Drachengestalt verwandeln, welche Hoffnung wir niemals gewagt hätten. Wir wissen alle, wie sehr unsere kleine Schwester darunter gelitten hat. Als ich sie das erste Mal sah, wo sie ein Drache gewesen war, da traute ich meinen Augen nicht. Emmanline war die Einzige die es möglich gemacht hatte, ihr das zu geben. Dabei wäre es ihr gutes Recht, uns nicht zu helfen. Aber sie hatte es trotzdem getan. Aus einem guten Grund.“, blickte er zu jeden seiner Geschwister.

„Und was soll das sein?“, eine eisige Stimme, wie der kälteste Gletscher. Alastar haftete seinen Blick auf Lucien, der so bohrend war. „Wollt ihr euch jetzt von dieser Elfe täuschen lassen, nur weil sie ein Wunder vollbracht hatte, was andere nicht vermocht hatten?“, jede Silbe klang wie das ätzen von Säure. „Dann seid ihr dümmer, als ich dachte.“

„Treibe es nicht zu weit, Alastar.“, eine Messerschneidende Drohung.

„Sie hat es wegen Malatya getan.“, war eine zärtliche und warme Stimme, unter all der Aggressionen zu hören. Sie durchschnitt diese Stimmung wie eine scharfe Klinge. „Lucien hat Recht. Emmanline bräuchte sich nicht dazu verpflichten uns zu helfen. Seit ich auf diesen Hof bin, habe ich bemerkt, wie Malatya ihre Nähe gesucht hatte. Als würde sie von ihr angezogen.“, sprach Lyas Stimme ruhig weiter.

„Was wenn sie sich unser Vertrauen erschleichen will? Was dann?“, gab Alastar noch nicht auf. Es war nicht zu übersehen, wie sehr er diese Elfe hasste.

„Nein.“, widersprach dieses eine Worte alles, was in diesem Raum gesagt wurde. „Sie ist nicht so.“, war Malatya aufgewacht, während sie sich auf setzte.

„Hey, meine Kleine.“, wollte Lya sie in den Arm nehmen, aber aller Erstaunen zog sie sich zurück.

Alle waren sprachlos darüber. Auch als sie alle mit einem verbissenen Blick anstarrte.

„Was ist nur los mit dir?“, wollte Lucien wissen, aber sie sprang zurück, als er sie berühren wollte.
 

Steif stand Malatya neben dem Bett und ihr kleiner Körper bebte vor Zorn und Schmerz. „Ihr wart nicht da gewesen.“, flüsterte sie die Worte heraus. „Keiner.“, schluchzte sie leise. „Emmanline ist gut und nicht böse. Auch wenn ich noch nicht lange wieder Zuhause bin, aber sie war immer ehrlich. Ich konnte es spüren. Sie hat mir geholfen und meiner Drachin, wo wir es am dringendsten brauchten.“, unterbrach sie sich und biss sich auf ihre Lippen, weil sie nicht weiter sprechen wollte.

Sie wusste, dass es stimmt. Sie wusste, dass Emmanline nie etwas böses im Sinn hatte. Ihre Drachin hatte es ihr bestätigt und sie vertraute ihr. Es waren die Instinkte eines Raubtieres, dass stets auf der Hut war.

„Was willst du uns damit sagen, Süße?“, konnte sie Lyas Stimme wahrnehmen.

Dann war Schluss. „Ich will damit sagen, dass mir Emmanline mehr gegeben hatte, als ihr alle zusammen, was ich von euch bekommen hatte.“, schrie sie fast.

Ihr war es egal gewesen wie schockierend und wie entsetzt sie sein mögen, aber sie konnte ihre Wut, Trauer, Scherz und Ängste nicht mehr unterdrücken.

Sie taumelte einen Schritt zurück und schniefte einmal. „Mein ganzes Leben hat es mir weh getan, dass ich mich nicht verwandeln konnte, wie es ihr konntet. Ich hatte euch beneidet und war auch eifersüchtig und wütend auf euch alle. Auf alles und jeden.“, rückte sie mit allem raus, was sie bedrückte. „Ich hatte euch beneidet, wie ich euch sehen konnte, wie ihr vor Freude im Himmel wart. In mir steckte eine so große Sehnsucht, aber ich konnte sie nie befriedigen, wenn ich es am dringendsten gebraucht hätte. Natürlich, ich bin aus der Königsfamilie und sollte mich beherrschen keine Schwäche zu zeigen, aber ich habe es so satt. Ihr mochtet vielleicht da gewesen sein, aber ich habe es oft nicht als dem empfunden. Ich habe mich darüber gefreut euch alle zu sehen, weil ihr meine Geschwister seid und weil ich euch lieb habe, aber niemand hatte mich je verstanden, wie es in mir ausgesehen hatte. Niemand. Nicht einmal Mutter oder Vater.“, liefen ihr die ersten Tränen über ihre Wange. „Emmanline wusste es. Sie hatte es gewusst, wie ich mich gefühlt hatte und wie es in mir aussah. Ich kann nicht sagen warum, aber ich wusste es einfach. Und noch mehr wusste ich, als sie meinen Geist berührt hatte, als ich ihr die Erlaubnis gegeben hatte.“

„Wie bitte? Du hattest ihr erlaubt in deinem Geist herum zu werkeln?“, brach entsetzen aus.

„Ja habe ich.“, war sie trotzig und reckte das Kinn nach oben, was sie noch nie getan hatte. „Sie hat nie etwas getan, was mir hätte weh getan. Sie hatte mir nur den Weg gezeigt, wie ich geistig meine Drachin erreichen konnte. Ihre Stimme...“, senkte sie ihren Kopf, als könnte sie noch immer die sanfte und liebevolle Stimme von Emmanline hören. „Ihre Stimme war ermutigend gewesen und sie hatte nicht aufgegeben mir Zuspruch zu geben. Obwohl ich immer wieder aufgeben wollte. Sie war da gewesen und geblieben. Bis ich am Ziel war.“, wurde ihr Klang leiser und sie erhob ihre Hände, um auf sie zu starren.

Malatya zuckte zusammen, als sich eine Hand auf ihr Schulter legte und als sie aufblickte, schaute sie in die Augen von Raiden. Sein Blick war entschuldigend und mitfühlend, was sie bei ihm noch nie gesehen hatte.

„Niemand wollte dich so verletzen, kleine Blume.“, lächelte er sie leicht an. Nur Raiden nannte sie so und sie wusste auch warum. „Erinnerst du dich?“, hielt er eine kleine getrocknete Blume hoch, welche sie zwischen seinen Sachen im Arbeitszimmer gelegt hatte. Sie wusste, dass sie nicht in sein Zimmer gehen durfte, aber sie hatte es dennoch getan gehabt. Aber nie hatte Raiden sie zur Rechenschaft gezogen. Erst hatte sie immer gedacht, er würde nicht merken das sie es war, aber er hatte es schon immer gewusst.

Eine leichte Röte zeigte sich auf ihren Wangen. „Ich wollte dir immer eine Freude machen, wenn du so traurig und bedrückt gewesen warst.“, gab sie zu.

Seine große Hand legte sich auf ihre Wange und er blickte sie sanft an, wie ein großer Bruder es seiner kleinen Schwester gegenüber tat, die er liebte. „Ja, das weiß ich. Ich hatte mich auch immer sehr darüber gefreut, auch wenn ich dir verboten hatte, dass du nicht mein Arbeitszimmer betreten solltest. Am Anfang war ich böse gewesen, bis ich dann wusste, warum. Mir ist heute aufgefallen, dass ich es doch sehr vermisst hatte, eine Blume von dir zu bekommen.“, gestand er ihr.

Im ersten Augenblick war sie geschockt über seine offene und ehrliche Art. Das hatte er noch nie getan.

„Das ist eine Kamille.“, blickte sie ihn an.

Sein Lächeln mochte sie. „Ja, ich weiß.“

„Diese Blume habe ich für dich ausgesucht, weil sie eine Bedeutung hat, die ich dir geben wollte.“

Jetzt konnte sie Verwunderung in seinen Augen sehen. „Ach, wirklich? Was für eine?“

Diesmal war es an ihr, die Hand auf seine Wange zu legen, auch wenn sie klein war. „Sie soll dir Trost und Hoffnung geben. Emmanline sagte mir, was sie bedeutete und da wusste ich, die möchte ich dir schenken. Du warst immer so abwesend und trostlos.“, ein kleines zögerndes Lächeln. Alles um sie herum war mit Stille getränkt.

Am liebsten hätte sie gesagt, er solle was sagen, aber seine Antwort auf das, war eine starke Umarmung von Raiden.

„Danke dir.“, war seine Stimme heiser und sie klammerte sich fest an ihn.

Eine weitere Hand legte sich auf ihre Schulter und erneut blickte sie zu der Person hin. Lucien hatte sich auf die Bettkante gesetzt gehabt und lächelte sie herzlich an. Ja, Lucien hatte sie stets auch so in den Arm genommen, wenn er zu Besuch kam, aber es hatte ihr immer gefehlt gehabt, wenn er weg gewesen war.

Langsam ließ sie ihren Blick zum einem zum anderen wandern. Alle sahen sie warm an und sie wusste, dass es ihnen leid taten. Wie könnte sie je böse auf ihre großen Brüdern und Schwestern sein? Dazu liebte sie sie zu sehr.

Zum ersten Mal fühlte sie sich von all dem Druck und der Sehnsucht befreit, die auf ihr gelastet hatten.
 

Wie erstaunlich das doch war. Zum ersten Mal saßen all seine Geschwister in einem Raum und keiner machte Anstalten, sich dagegen zu wehren. Das sie jetzt hier alle so gemeinsam saßen, verdankte er nur Emmanline. Erneut hatte sie etwas getan, was sie besonders machte. Am liebsten hätte er voller Stolz gelächelt, aber seine Gedanken machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Er musste daran denken, was er ihr alles angetan hatte. Was er gesagt und wie er gehandelt hatte.

Natürlich hatte er um Vergebung gebettelt, während er ergebend ihr gegenüber getreten war. Sein Stolz war ihm in diesem Moment Scheißegal gewesen. Zum Teufel damit, hatte er sich gedacht gehabt. Wenn er sie so um Vergebung bitten konnte, würde er alles tun, dass sie ihm verzieh.

Das Problem war, als er sein Haupt vor ihr gesenkt hatte, war es aus Reue gewesen. Er hatte es stets vor seinen Eltern getan, aber nie vor jemand anderen. Da Emmanline ihm wichtig war, bat er so um Entschuldigung. Als er auch meinte, er wüsste nicht, wie er sie um Entschuldigung bitten sollte und das er sich eine Menge zurecht gelegt hatte, wusste er nicht, wie er es anstellen sollte. Es gab keine richtigen Worte für seine Tat, die er seiner Seelengefährtin gegenüber angetan hatte. Das wusste er und diese Konsequenzen spürte er gerade am eigenen Leib. Es fühlte sich so an, als würde etwas in seiner Brust zerreißen, dass schmerzhaft war.

Letzten Endes hatte sie nichts gesagt, um ihm Erlösung zu geben. Stillschweigend hatte sie ihn angestarrt gehabt, als er ins Zimmer getreten war. Er hatte es nicht gesehen, wie sie ihn angeschaut hatte, aber fühlen konnte er es. Er hatte in diesem Augenblick diese erdrückende Stille gehasst, denn so schwer hatte es auf ihm gelastet gehabt.

Kurzes Rascheln ihrer Kleidung hatte er wahrgenommen gehabt und er war neugierig gewesen, was sie tat. Was er sah, blieb ihm schier die Luft weg und das Herz stehen. Emmanline streckte ihm ihre Hand hin und ihr Blick sprach überhaupt keine Worte. Wie sollte er darauf reagieren?

In ihm stieg nackte Angst auf, aber er konnte es ihr nicht so zeigen, wie verloren er sich gerade fühlte. Ja sicher, es wäre ratsam es zu tun, aber die Angst, dass sie ihn dann zurück stoßen würde, war schlimmer, als sich irgendwo eine scharfe Klinge in die Brust zu bekommen. Das war nichts dagegen, was er dann erleiden würde.

Verflucht, diese Frau hatte ihn vollkommen in der Hand und sie wusste es noch nicht einmal. Da war fraglich, sollte er jubeln oder einfach nur bestürzt darüber sein?

Es war zum verzweifeln, aber er war darüber bestürzt. Sie sollte es wissen. Alles sollte sie wissen. Aber stell das einmal richtig an, denn seine ganzen Ideen gingen ihm aus. Lucien wusste, dass was er getan hatte, konnte er nicht mit besonderen Orten oder anderen unwissenden Dingen wieder wett machen. Diesmal hatte er es wirklich vermasselt und steckte in einer riesigen Klemme.

Verwehren konnte er es sich trotzdem nicht, auch wenn sie kein Wort sagte, dass er nach ihrer Hand greifen musste. Sein Körper bewegte sich von ganz alleine und so schnell konnte er auch nicht schauen, da hatte er diese kurze Entfernung überbrückt.

Ihre Hand war so klein und zart, dass er nur mit einem Griff ihre Hand zerquetschen konnte. Aber er war bedacht und vorsichtig. Langsam und aufmerksam setzte er sich neben ihr aufs Bett, wo er augenblicklich seine Stirn gegen der ihren legte. Endlich konnte er einmal Atem schöpfen, während er ihren zarten Duft einatmete. Wie er ihn vermisst hatte.

Lucien fand keine richtigen Worte, als er sprach und er konnte einfach nicht. Nichts würde dem gerecht werden, was es als Ausgleich dafür gab, damit sie ihm verzeihen würde, denn auch jetzt sagte sie kein einziges Wort darauf, was ihn betraf. Diese Frau ließ ihn leiden.

Ihre zarte Stimme erhob sich, aber es war nicht das gewesen, was er erwartet hatte. Seine kleine Schwester brauchte ihn und sie hatte vollkommen Recht. Auch dafür sollte er sich rügen. Die ganze Zeit hatte er nur an sich gedacht, seine Wut ausgelassen und vergessen, was wichtig war. Malatya war noch so klein und unschuldig, dass sie furchtbar darunter leiden musste, da ihre Mutter den Tod gewählt hatte. Niemand hatte sich um sie gekümmert, außer Emmanline, die trotz allem gutherzig war.

Wie konnte ich dann nur behaupten, dass sie keine Gefühle in sich trägt? Sie wusste, wie es ist jemanden zu verlieren, weil auch sie einen schmerzhaften Verlust hinter sich hatte. Sie hatte genauso ihre Mutter verloren. Wieso nur, konnte ich all diese Behauptungen stellen, wenn ich überhaupt keine Ahnung von ihr habe?

Er sollte sich schleunigst was einfallen lassen, dass sie ihm vergeben sollte. Am besten wollte. Er konnte sie dazu nicht zwingen.

Auf schmerzhafte und schockierender Weise zeigte Malatya zum ersten Mal, welche Gefühle in ihr steckten. Es kam zum Ausbruch ihrer Gefühle. Jeder einzelne in diesem Raum, konnte er spüren, das es sie traf. Selbst bei Alastar konnte er leicht eine Zurückhaltung seiner Gefühle wahrnehmen. Lucien wusste, auch wenn sein Bruder kaum anwesend war, so gut wie nie, welche Einsamkeit in ihm wohnte. Er wurde mit der Aufgabe geboren, die ihn dazu zwang, Abtrünnige seines Volkes zu jagen und zu exekutieren. Dadurch war ihm bewusst, welche große Einsamkeit und Kälte in ihm wohnte. Alastar musste seine ganzen Gefühle unterdrücken, die ihn dazu zwangen, seine eigenen Leute zu töten. Würde er es nicht tun, würden ihn all seine Gefühle einstürmen und ihn zerstören. Dafür zollte Lucien Respekt vor ihm. Sein Bruder war am schlimmsten mit einem Fluch belegt, als sie alle zusammen.

Deswegen, nur weil er ohne Gefühle leben musste, bedeutete es noch lange nicht, dass er seiner Familie so gegenüber treten musste. Schließlich gehörte er in jeder Form zu ihnen. Er zeigte es nur nicht.

„Ich muss noch einmal fort.“, stand er auf, denn alles in ihm drängte ihn, er müsse zu seiner Seelengefährtin. Irgendwas in ihm rührte sich, dass mit ihr nichts stimmte. Er musste zu ihr.

„Tue das. Ich glaube du musst eine Menge bei ihr gut machen.“, blickte Raiden ihn dabei an.

Ein gezwungenes Lächeln erschien in seinem Gesicht. „Ja, dass muss ich wohl. Ich werde später noch einmal vorbei schauen.“, hoffend, dass Emmanline mit dabei sein würde. Darum verschwand er einfach aus seinem Zimmer. Raiden sagte noch zum Schluss, in welche Richtung sie gegangen war. Aber er hätte es nicht wissen müssen, denn er wusste es auch vorher schon. Wenn er schon daran dachte, an welchen Ort sie sich begeben hatte, graute es in ihm. Er fühlte sich verdammt schlecht dabei, denn das würde nichts mehr recht fertigen, was er ihr da angetan hatte. Er sollte sich dafür selbst verfluchen.

Es war nicht so, dass er die Zeit aufschieben wollte, während er zu Emmanline ging, aber es kam ihm nur wie eine Ewigkeit vor. Seine Füße fühlten sich wie Blei an und alles in ihm rumorte. Sein inneres Gefühl war schlecht, sowie er sich auch fühlte. Nur gab es keinen Weg drum herum, wenn er sie haben wollte. Er musste es tun.

Lucien begab sich in den Wald, wo sie immer hin ging, wenn sie alleine sein wollte, oder all dem nur entkommen wollte. Sein Herz wurde verdammt schwer und es drohte ihm in die Hose zu sinken, als er sie sitzend auf dem Boden Vorwand. Zwischen all der schwarzen Asche, die überall benetzt war. Es war wie ein Kohlraben schwarzer Teppich, der alles bedeckte und nichts war von ihm und seinem Feuer verschont geblieben.

Diese Tat würde sie ihm nie vergeben.

„Verschwinde.“, war ihre Stimme rau und erstickt.

„Emman...“, wollte er ansetzen.

„Ich hatte gesagt, du sollst verschwinden.“, schrie sie wutentbrannt. Er war regelrecht zusammen gezuckt, als er ihre so schneidende Stimme gehört hatte, die nichts gegen die eisigste Kälte war.
 

Ihr ganzer Körper bebte vor unterdrückter Wut und sie konnte sich einfach nicht beherrschen. Was er hier getan hatte, brachte jedes Fass zum überlaufen.

Vorhin wollte sie einfach nur fort gehen. Weit weg, von all dem Schmerz und Leid, die im Schloss herrschten, bevor sie selbst davon ergriffen wurde. All dem wollte sie entgehen und wollte sich zu ihrem einzigen Platz zurück ziehen, den sie hier mochte und sich erschaffen hatte. Es war das Einzige was sie hier mochte und wo sie sich auch wohlfühlte. Sie wollte unter der ganzen Natur ihre Ruhe und Zuflucht finden, wie sie es stets auch getan hatte. Aber nun war alles in einer schwarzen Schicht von Asche überdeckt. Alles was sie erschaffen hatte, all diese unsagbar schöne Natur mit ihrer Vielzahl an Pflanzen und Blumen, wurde alles niedergebrannt. Ein Feuer hatte hier getobt und sie wusste wessen Flammen es gewesen waren. Wie konnte Wut und Zorn nur so grausam sein, dass man so was schönes nur zerstörte?

Zu Anfang hatte sie Hoffnung daran gehegt, das vielleicht noch irgendeine Pflanze oder Blume überlebt hatte, aber nichts war verschont geblieben. Anhand ihrer Kohlraben Schwärze an ihren Händen bestätigten das Ergebnis dazu. Überall war sie mit Ruß beschmiert. Auf ihrer Kleidung und sogar in ihrem Gesicht. Warum nur all das?

Keineswegs wollte er gehen und das brachte ihr Blut zum kochen. Noch nie hatte sie solch eine Wut verspürt, hatte es stets unterdrückt, weil nichts all dem Wert war, die Wut freien Lauf zu lassen. Aber jetzt...ungezügelt und brodelnd wütete ihre Wut in ihr. Ihr ganzer Körper bebte.

„Was habe ich dir getan, dass du hier alles in Asche verwandelst?“, war ihre Stimme vorerst noch beherrschend, aber diese eiskalte Kälte war darin nicht zu überhören. „Stets habe ich mich immer verhalten, mich zu fügen und teilweise es zu akzeptieren. Aber weißt du was?“, stand sie auf und wandte sich sehr langsam zu ihm um. Oh ja, sie konnte gut verstehen, dass er geschockt von ihr war und ihr war es verflucht Recht, dass er es war. Noch nie zuvor in ihrem Leben fluchte sie oder brach in Raserei ihrer Gefühle aus. Doch dieser eine Drache hatte es tatsächlich geschafft. Mochte ihr Gesicht vor Zorn verzerrt sein. Ihre Augen sollten all ihrer Wucht preisgeben, was sie jetzt dachte und wie sie sich fühlte. „Langsam verstehe ich.“

„Emmanline...“, flüsterte er und wollte einen Schritt auf sie zu kommen.

„Wage es nicht mir nur einen Schritt näher zu kommen.“, drohte sie ihm, denn diesmal würde sie alles dran setzen, damit sie ihn verletzen konnte. In diesem Augenblick war sie zu allem fähig und sie würde sich all ihrer Kräfte nachgeben, die sie dachte, sie würde sie nicht besitzen. Eine unsagbare Macht bahnte sich in ihr auf. Diesmal war sie fähig dazu und es sollte sie schockieren, dass ihre wahre Natur dazu fähig war. Andernfalls würde sie keine Reue dafür verspüren.

Sofort war er stehen geblieben und sie erkannte seine Körpersprache. Alles schien in ihm zu widerstreben.

„Ihr Drachen, vor allem du.“, betonte sie extra seine Person. „Du nimmst dir alles heraus, was dir recht ist. Du nimmst jedes Mittel, um deine Ziele zu erreichen, egal ob im guten oder bösen Sinne. Du achtest keinen Deut darauf, wie sehr du andere dadurch verletzt. Denkst du auch nur einmal darüber nach? Nein? Dann solltest du jetzt einmal damit anfangen.“, würde sie immer lauter und sie hielt sich nicht hinterm Berg. Nun waren die Grenzen überschritten, dem sie nicht wieder zurück schreiten könnte. „Für einen Augenblick hatte ich wirklich geglaubt ihr wärt anders, als...

„Das sind wir.“, unterbrach er sie kleinlaut.

„Ruhe. Jetzt rede ich.“, ermahnte sie ihn drohend und mit gehobenen Finger, dass er zu schweigen hatte. „Ich hatte angenommen ihr wärt anders als er. Nichts von dem unterscheidest dich mit ihm, denn du nimmst wie er alles. Alles was ich je besaß, nehmt ihr mir einfach. Alles was mir lieb und teuer gewesen war und ich hatte nie viel gehabt, was ich mein eigen nennen konnte. Nun das.“, streckte sie ihre Arme zu allen Seiten aus und deute um sich herum, damit er das Ausmaß wirklich wahrnahm. „Es war hier das einzige an diesem Ort, wo ich für Augenblicke euch Drachen einfach ignorieren konnte. Wo ich mal nicht an dein Volk denken musste und das ich hier gefangen war. Dieser Ort gab mir zum ersten Mal etwas, was ich zuvor nicht gekannt hatte. Eine Ruhe und Frieden. Ich hatte mir all das erschaffen, was ich zu bewundern schien und ich war stolz darauf gewesen, dass ich zu all dem Leben fähig war. Aber du,...“, musterte sie ihn grimmig und etwas angewidert von oben bis nach unten. „...hast nur mit einem witzigen Augenblick alles zerstört. Wahrlich passt der Name Zerstörer zu dir, denn das tust du nun einmal. Es liegt in deiner Natur.“, sprach sie weiter, ohne auch nur einen Funken daran zu denken, welche Konsequenzen es für sie haben könnte. Sein Blick war finster und grimmig, aber sie konnte so was gekonnt ignorieren.

„Los sag mir. Was habe ich getan, warum ihr Drachen mir alles nehmt? Ich will es verstehen. Sag es mir.“, befahl sie, denn sie wollte eine Erklärung für all das haben.

Kurz dachte sie, dass er überhaupt nicht anfangen zu sprechen. „Es tut mir leid, Emmanline.“, war es das Einzige was er dazu zu sagen hatte? Eine Entschuldigung?

Warum nur, machte es sie nur noch wütender? „Weißt du was? Lass es einfach. Ich habe es mir anders überlegt. Ich will es nicht mehr wissen. Vermutlich würde ich es nicht verstehen.“, wandte sie ihren Blick von ihm ab.

„Ich hatte nicht gewollt, dass das hier passiert. Ich gebe zu, es geschah aus reiner Wut und Zorn heraus. Der Tod meiner Mutter machte mich so blind vor Verlust und Schmerz, dass ich nicht mehr denken konnte. Der Mann konnte es nicht mehr. Ich hatte mich so verraten gefühlt.“, senkte er sein Kopf, als sie ihn wieder angeschaut hatte. „Aber all der Verlust und Schmerz ist keine Entschuldigung dafür, was ich dir angetan habe.“

„Verraten gefühlt?“, klang sie verständnislos. „Und besitzt du dieses Gefühl noch? Glaubst du, ich habe das getan? Dich verraten?“, wollte sie seine ehrliche Meinung wissen.

„Ich weiß es nicht.“ Gestand er ihr ehrlich. „Ich denke nicht.“

Ein missbilligendes Schnaufen. „Du denkst nicht? Gut, ich habe verstanden. Der sich verraten fühlen müsste, das bin ich. Nicht du. Aber weißt du, mir ist es egal.“ Geworden. „Du hast vermutlich mit all dem Recht, was du mir angeschuldigt hast.“ Dachte sie an all seine Worte zurück, die sich wie ein Brandmal in ihrem Kopf eingebrannt hatten. „Ich besitze keinen Funken Dankbarkeit dir gegenüber, weil du mich zu all dem zwingst. Ich werde es niemals einsehen, dass ihr anders sein könntet, weil ich tatsächlich Genugtuung verspüre. Ich dachte, ich könnte es vielleicht nicht, aber du hast meine Einsicht komplett verändert. Ich mag gefühllos sein, aber das liegt daran, dass ich nicht anders sein kann. Genau das habt ihr mir auch genommen, als ihr mir meine Mutter genommen hattet. Glaubst du, ich hätte nie das Gleiche empfunden, während ich sah, wie sie getötet wurde? Glaubst du, ich hätte nie Wut, Trauer oder Schmerz verspürt? Was glaubst du, wärst du da nicht kälter in dir?“, wurde ihre Tonlage immer sachlicher, aber das Eis verschwand keinen einzigen Moment lang. Das konnte sie nicht ablegen. „Sehe es als Rache, was ich jetzt verspüre, denke oder gar handle. Es sollte mir gleich sein. Bestrafe mich, foltere mich oder lass mich leiden, wenn das in dir Zufriedenheit, Vergelten oder Genugtuung bedeutet. Es stimmt auch in der Tat, das es wirklich und besser ist, alleine zu bleiben. So würde ich niemals eine Schwäche besitzen, wie du es erwähnt hattest.“ Aber warum fühlte sie sich dann so schlecht dabei? Sie war stets alleine und es hatte ihr nie etwas ausgemacht. Warum ausgerechnet jetzt?

„Ich kann all das nicht zurück nehmen, was ich gesagt habe, auch wenn ich alles dafür geben würde, es zu tun, aber ich kann es nicht. Ich kann und werde dich niemals bestrafen, foltern oder irgendwie leiden lassen.“ Klang in seinen Worten ein Punkt Entschlossenheit mit. „Ich will keine Zufriedenheit, Vergelten oder Genugtuung. Das Einzige was ich will bist...“

„Nein.“ Schrie sie ihn an. Sie wollte das nicht hören. Kein einziges Wort davon, denn alles war eine reine Lüge. „Ich will das alles nicht hören. Geh. Verschwinde. Ich will alleine sein. Verschwinde.“ Forderte sie ihn wütend auf. Alles wurde ihr zu viel und es sollte alles aufhören.

Ohne ein Wort, wandte er sich um und ging ein paar Schritte, den Weg zurück, den er gekommen war. „...du.“ War er noch einmal stehen geblieben, als er flüsterte, bevor er ganz verschwand.

Jetzt erst konnte sie in sich zusammen sacken und fiel mit ihren Knien zu Boden. Das war ihr alles zu viel und sie besaß keine Kraft mehr in sich. Keinen einzigen Funken Energie und dennoch spielten ihre Gedanken und Gefühle vollkommen verrückt. Am liebsten würde sie schreien, aber in ihrem Hals steckte ein riesiger Klumpen fest, die alles in ihr ersticken ließ.

Warum nahm all das kein Ende?
 

Noch immer stand Lucien unter Schock und Entsetzen, was gerade zwischen ihm und ihr geschehen war.

Lucien hatte gewollt, dass sie vor Wut tobte und all ihren Zorn aus sich herausließ. Jetzt wo er das hatte, was er wollte, stand er in einer Starre, dass er nicht mehr ein und aus wusste. Sein Herz war wie ein Stein in seiner Brust, eine große Last auf seinem Körper und seine Gefühle total am Boden. Was man von seinen Gedanken auch behaupten konnte.

Es hätte nichts gebracht, wenn er bei ihr geblieben wäre. Festgestellt hatte er, dass sie in diesem Augenblick nicht zur Ruhe kommen würde, wenn er bei ihr geblieben wäre. So gerne er auch bei ihr geblieben wäre. Sein Instinkt sagte in ihm, nimm sie in den Arm und tröste sie. Lindere ihren Schmerz und Leid. Schließlich musste er sich zwingen, genau das Gegenteil zu tun. Sie hätte sich von ihm niemals in den Arm nehmen lassen wollen, geschweige trösten zu lassen. Emmanline hielt sich an ihrem Schmerz fest, der sich tief in sie fest gefressen hatte, bis zum Grund ihres Herzen und ihrer Seele. Warum war ihm dieses Ausmaß nicht schon vorher deutlich gewesen? Er hatte doch gewusst, was ihr zum groben Teil widerfahren war, aber trotzdem hatte er es getan. Sie erneut verletzt und etwas genommen, was ihr am Herzen gelegen hatte.

Warum schaffte er es nicht einmal ihr gegenüber etwas richtiges zu tun? Bis jetzt hatte er immer von sich behauptet, dass er sich bei ihr die größte Mühe gab. Reichte das nicht aus? Musste er sich noch mehr bemühen, damit er endlich was bei ihr erreichte? Das er sie erreichte?

Wie sehr würde er seiner Mutter jetzt um Rat fragen. Doch sie war nicht mehr da und auch dies saß tief in ihm. Es fühlte sich an, als müsste er zwei Verluste bewältigen. Langsam verkraftete er es nicht mehr. Eigentlich könnte er es auf geben und Emmanline in Ruhe lassen, was für ihn einfacher wäre, aber am Ende wusste er es schon im voraus, dass er es niemals schaffen würde. Sein Drache war von dieser Frau besessen und er würde sie niemals gehen lassen. Sowie der Mann es auch nicht mehr tun würde. Diese kleine und so zerbrechliche Frau, was sie eigentlich nicht war, hatte sich tief in sein Herz fest gesetzt. Sie sollte wissen, wie es in ihm aussieht. Sie sollte wissen, was sie ihm bedeutete. Wie wichtig sie ihm doch sei. All das, was sie für ihn bedeutete. Es wurde an der Zeit, das er mit ihr Klartext redete, dass sie ihn endlich verstand. Auch wenn er etwas unverzeihliches getan hatte. Er würde sie vom Gegenteil überzeugen. Nein, er musste sie überzeugen können. Alles andere würde er nicht akzeptieren. Sie gehört zu ihm und somit an seine Seite. Sollte sie weiterhin toben, wüten und ihn sogar voller Zorn anschreien, aber nicht einmal würde er nachgeben und aufgeben ihr Verzeihen zu bekommen. Sei es, wenn er den Rest seiner Ehre und seines Stolzes hergeben müsste. Es war auch an der Zeit, das er sich über einiges klar werden musste. Sie hatte damit Recht, dass er ernsthaft darüber nachdenken musste. Genau das würde er tun und hatte er ein Mittel und Weg gefunden, dann würde er es verflucht noch einmal anwenden. Wenn er sogar auf Knien rutschen musste, um von ihr Vergebung zu bekommen.

Ein tiefes Feuer der Entschlossenheit brannte in seinen Adern und sein Blut kochte vor Ehrgeiz. Nein, jetzt gab es kein Weg mehr zurück. Entscheidet sich einmal ein de la Cruise, dann stand diese Entscheidung in Stein gemeißelt und nichts und niemand könnte diese Entscheidung jemals brechen können. Absolut nichts.

Sollten ihn alle für verrückt halten, dass er hinter ihr her rannte oder sogar betteln musste, dann war es deren Problem, aber diese Frau würde er nicht aufgeben und nie wieder hergeben. Sie wurde ihm vom Schicksal her gegeben und er müsse dumm sein, sich dessen nicht bewusst zu sein. Oder dumm sein, wenn er damit sein zukünftiges Leben hinschmeißen würde.

Emmanline war eine gefühlsvolle und sinnliche Frau, was er des öfteren zu spüren bekommen hatte. Sie mochte den Anschein nicht haben, aber er glaubte und verstand nun, was wirklich hinter ihrer Art steckte. Sicher war ihm bewusst, dass sie eine eiskalte und felsenfeste Mauer errichtet hatte, damit sie nie wieder verletzt werden würde. Aber auch diese Zeit war vorbei. Er würde ihre innere Mauer einreißen und ihr zeigen, was es heißt, dass sie nie mehr alleine war und das sie sich vor nichts mehr fürchten müsste. Langsam sollte er aufwachen und wie ein wahrer Seelengefährte für sie sein, was seine Aufgabe und Pflicht war. Jetzt war Schluss und er sollte sich verdammt noch einmal zusammen reißen.

Emmanline gehörte ihm und er würde sie nie wieder hergeben. Er wollte ihre ganze Sinnlichkeit, Leidenschaft und Gefühle erfahren und kennenlernen. Sie standen ihm zu, sowie seine ganzen Gefühle, Empfindungen und Taten ihr gehörten. Diese Frau hatte seine ganzen Rechte, die ihr auch zustehen und ihn sollte der Tod ereilen, wenn er ihr seine ganzen Rechte nicht zusprechen würde. Von jetzt an sollte sie nur noch Liebe, Glück und Freude empfinden und erleben. Sei es das Letzte was er tun müsste. Er würde Leid und Schmerz wie ein Schwamm aus ihr heraussaugen. Sollte er das geschafft haben, würde er sie all mit seiner Liebe, Glück und Freude überschütten.

Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck und geradeaus richtendem Blick, war er entschlossen und eisern. Nun müsste er einen Weg finden, wie er ihr eine Entschädigung geben könnte. Worte würden ihm da nicht weiterhelfen, aber Taten tat es alle male. Vielleicht besaß er sogar schon ein Gedanke, wie er ihre Aufmerksamkeit bekommen konnte.

Große Zuversicht und Hoffnung machte sich in ihm breit. Diesen Gedanken würde er in die Tat umsetzen, wenn er diese Idee durchdacht hatte. Es würde hart und schwer sein, was ihm einiges kosten und abverlangen würde, aber er wollte das durchziehen.

Lucien würde es allein nur für sie tun, weil sie es wert war. Also war es ratsam sich gleich ans Werk zu machen, weil er keine Zeit verlieren wollte. Alles war kostbare Zeit, wenn er nur hier herum stand. In Mitleid und Trauer würde er sich nicht mehr wälzen, da er ein großes Ziel hatte, wovon er sich nicht mehr abbringen lassen würde. Er war felsenfest überzeugt, dass er es schaffen würde.

„Ich darf keine Zeit verlieren.“, verschwand er in tiefer Dunkelheit, anstatt ins Schloss zurück zu kehren.



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