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Midnight Soul Keeper- Only Human

von

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Die Realität

Nach etwa zwei Minuten öffnete sich erneut die Autotür und automatisch zeichnete sich das Lächeln der glücklichen und überaus stolzen Bonnie auf meinen Lippen. Die Bonnie, die ihren Vater und ihr jetziges Leben über alles liebte und niemals ändern oder hergeben würde, denn sie war glücklich.

Innerlich jedoch weinte ich, mehr als jemand ahnen konnte.

Mein Vater streckte mir seine Hand entgegen und ich nahm sie widerwillig an. Ich stand in einer Menge von Fotographen, Protestanten, Repräsentanten und Securityleuten, die einen Gang zu dem mit Wahlplakaten vollbehangenen Gebäude schufen. Von überall kamen Rufe und Jubel. Blitzlicht und Personen die versuchten, so nah wie möglich an uns heran zu treten, umzingelten uns.

Und nur eine Sache blieb gleich: Das Lächeln auf meinem Mund, das nicht einmal zuckte oder den Eindruck erweckte, gezwungen zu sein. Am Eingang warteten schon die ersten Reporter, die ohne auf ihre Mitmenschen zu achten, auf meinen Vater zustürmten und ihn förmlich mit Fragen bombardierten. Es bildete sich ein kleiner, gezwungener Kreis um meinen Vater, der ihn schon bald unter seinen Kameras und Mikrophonen verschluckt hatte.

Mich ließen sie dabei vollkommen außen stehen und gaben mir kurze Zeit die Möglichkeit durchzuatmen.

Ich lehnte mich an den in der Nähe stehenden weißen Pfeiler und beobachte die riesige Menge an Leuten, die sich vor dem Pressegebäude versammelt hatte. Wie viele mochten es sein? Zweihundert? Eine atemberaubende Summe, wenn man daran dachte, dass alle nur wegen meines Vaters hier waren.

Am Ende des überfüllten Platzes, auf der anderen Straßenseite, begann ein großer Wald, der sich über die dahinter liegenden Hügel erstreckte. Ganz im Gegensatz zur Stadt, schien mir der Wald, obwohl er unter den aufziehenden Regenwolken ziemlich bedrohlich aussah, freundlicher und auch anziehender, dass ich einen Schritt in dessen Richtung machte.

Und erneut schrie mich meine innere Stimme an.

'Halt! Nicht weiter! Du kannst nicht einfach weglaufen. Nicht hier und nicht jetzt. Du hast keine Chance!`

Ich war schon so von meiner täglichen Angst eingenommen, dass ich einfach keinen Mut mehr fand, selbst meinem Inneren Hoffnung auf ein besseres Leben zu geben. Und so wie mich meine Entschlossenheit verließ, vergrößerte sich der Abstand, zwischen dem Wald und mir wieder um einen Schritt.

Vorsichtig lehnte ich meinen Kopf gegen die weiße Säule und betrachtete meinen Vater, wie er gelassen und humorvoll so manch` blödes Kommentar von einem Reporter beantwortete.

Wenn man ihn so sah, mit den kurzen, grauen Haaren, den schwarzen Anzug und seinem gespielten Lachen, blieb einem Außenstehenden einfach nichts anderes mehr übrig, als ihm seine Antworten abzukaufen.

Ich im Gegensatz wusste, dass genau wie Meines, sein Lächeln gespielt war. In Wirklichkeit lachte er nicht über die Kommentare der anderen, sondern lachte über die Naivität der Leute um ihn herum, die so leicht zu täuschen waren. Er hasste sie aufgrund ihrer puren Anwesenheit.

Gerade als ich ihn so intensiv betrachtete, tippte mir etwas sachte auf die Schulter.

„Hey, du bist doch Bonnie, nicht wahr?“

Erschrocken, so aus meinen Gedanken gerissen zu werden, drehte ich mich zu dem jungen Mann um. Seine Schirmmütze hing tief im Gesicht, sodass seine Augen verdeckt waren. Er hielt einen Block und einen Stift in seinen Händen, die ziemlich doll zitterten. Er erweckte nicht den Eindruck nervös zu sein, dafür klang seine Frage zu bestimmt.

„Keine Sorge. Ich würde dir gerne ein paar Sätze über dich und deinen Vater entlocken. Wie ist er so zu Hause? Du scheinst ja ziemlich glücklich in deinem Leben zu sein, oder täuscht es? Wie erträgst du den Tod deiner Mutter? Meinst du sie wäre stolz auf deinen Vater und darauf, dass du ihm so bei dem Wahlkampf zur Seite stehst? Und vor allem-“

„Hey, verschwinden Sie. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass meine Tochter keine Interviews geben wird. Haben Sie das verstanden?“

Wutentbrannt hatte sich mein Vater aus dem Zirkel der Reporter gelöst, um mich einerseits vor diesen Fragen zu retten, mich aber gleichzeitig auch hilflos erscheinen ließ.

Mich wunderte es, dass dieser Reporter genau die Fragen gestellt hatte, die ich am wenigsten erwartet hätte. Schließlich würde doch niemand bei meinem „ Glück“ darüber nachdenken, ob ich glücklich war, oder? Man sah doch, dass ich überaus zufrieden in einer jetzigen Lage war.

Und die perfekte Vertuschung des Unfalles meiner Mutter, wie konnte dieser bitte die Frage aufwerfen, ob sie stolz auf meinen Vater gewesen wäre? Sie hatte sich doch immer für den Wahlkampf eingesetzt, somit war die Frage doch schon geklärt, ob die es unterstützen und für richtig empfinden würde. Klar wäre sie stolz auf uns gewesen.

Solange man nicht die Wahrheit kannte. Eigentlich hatte sie schon immer wie ich versucht, aus dieser persönlichen Hölle zu entfliehen. Jedoch ist es kläglich gescheitert. Die Folgen dieses Versuches haben sich bei mir einprägt und mich aufmerksam gemacht. Irgendwann, dass wusste ich, würde ein Augenblick kommen, in dem ich weg konnte, in dem mir alle Türen geöffnet wurden. Doch dieser Augenblick lag gefühlte Jahrtausende entfernt.

Mein Vater stapfte mit eiligen Schritten herbei und fasste mir unsachte am rechten Arm.

„Bonnie, ich habe dir doch gesagt, dass du bei mir bleiben sollst.“

Ein strafender Blick, hasserfüllt, traf meine blauen Augen.

„Ja, Vater", nuschelte ich, meinen Blick gesenkt.

„Darüber reden wir später, das verspreche ich dir.“

Dann wandte er sich dem Reporter zu, der sich seine Mütze noch tiefer zog.

„Sehen Sie zu, dass Sie verschwinden! Bleiben Sie noch weitere Minuten auf diesem Gelände, werde ich Anzeige erstatten, wegen Belästigung.“

Je zorniger mein Vater wurde, desto doller wurde der Griff an meinem Arm. Ich wollte nichts sagen, dass er mir weh tat, also ertrug ich tapfer die Schmerzen, bis sich der Griff ruckartig löste und er meine Hand fasste. Er zog mich wieder in die Mitte der großen Treppe, die nun mit Securityleuten abgesperrt war. Sachte umschloss er meine Hüfte mit dem rechten Arm und winkte der riesigen Menge von Menschen noch einmal zu. Auch ich lächelte locker zu den Menschen hinab, um den Fotographen ein besonders gutes Titelbild zu ermöglichen.

Nach einer Weile drehten wir uns dann um, um in das Gebäude einzutreten. Kurz bevor ich die Tür erreichte, drehte ich mich noch einmal zur linken Seite um, auf der der merkwürdige Reporter stand. Und immer noch beobachtete er uns, zwar mit dem Kopf gesenkt, doch sein Kopf wendete sich trotzdem in unsere Richtung. Ohne, dass er uns sehen konnte!

Ein Schauer fuhr mir über den Rücken und bewirkte eine Gänsehaut.

Und so komisch und auch verrückt es sich anhörte: Im letzten Augenblick hob er letztenendes doch noch den Kopf und blickte mich hämisch grinsend und mit, ich traue mich es kaum zu sagen, geschweige denn zu denken, tiefschwarzen Augen, ohne erkennbare Pupille, an. Noch bevor ich diesen Anblick realisieren konnte, waren wir schon in das Gebäude eingetreten und liefen geradewegs in den großen Konferenzraum ein.

'Nur eingebildet. Wirklich nur eingebildet?! Und wenn nicht? Du bist ja schließlich nicht verrückt. Der Schatten. Er stand doch im Schatten oder nicht? Naja, vielleicht kam es ja daher. Es schein bestimmt nur so, als würde er keine richtigen Augen haben.`

Natürlich hörte es sich komplett dämlich an, wenn man darüber nachdachte. Doch innerlich wusste ich genau, dass, obwohl ich mehrere Ausreden dazu parat hatte, die seine Augen erklären würden, der Anblick keine Illusion war, sondern nichts als die Wahrheit.

Da war ich mir sicher...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2014-11-14T22:03:52+00:00 14.11.2014 23:03
Spitzen Kapitel


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