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Eine beschwerliche Reise

Kratos & Anna
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Fruit: Kapitel Nr. 8, jetzt wird es interessant. :) Komplett anzeigen

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Herz aus Stein

Die folgenden zwei Tage waren ohne besondere Vorkommnisse vorbeigegangen. Annas Grippe hatte sich dank der vielen Ruhe und dem verhältnismäßig luxuriösen Essen deutlich gebessert und Kratos hatte beschlossen, die Herberge am kommenden Morgen zu verlassen.
 

Als die Sonne bereits am Horizont verschwand, betraten die beiden das angrenzende Wirtshaus. Kratos wollte sich bei anderen Reisenden über aktuelle Geschehnisse in Sylvarant informieren. Wortlos geleitete er die staunende Anna zu einem freien Tisch. Viele verschiedene Leute hatten sich in dem kleinen, nur schummrig beleuchteten Raum eingefunden. Sowohl Männer als auch Frauen unterhielten sich angeregt. Manche grölten, manche sangen. Manche aber waren tief über ihren Tisch gebeugt und schienen wichtige und geheimnisvolle Dinge zu besprechen.

Anna schnupperte. Es roch nach Alkohol, Rauch und ungewaschenen Menschen. Angeekelt rümpfte sie die Nase. Dennoch musterte sie ihre Umgebung interessiert. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie zu so später Stunde ein Wirtshaus betreten. Kratos bemerkte ihren Blick. „Anna, komm nicht auf dumme Gedanken.“, mahnte er und sondierte misstrauisch den Raum auf potentielle Gefahren. „Ich bin kein Kind.“, erwiderte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. „Aber du benimmst dich wie eins.“, gab er zurück, ohne ihren folgenden Protest zu beachten. Seine Anspannung lockerte sich. Anna schloss daraus, dass sich keine Bedrohung im Raum befand.

„Warte hier.“, brummte er und verschwand in der Menschenmenge. Anna seufzte. Sie hatte inzwischen begriffen, dass es wohl schier unmöglich war, sich mit ihm zu unterhalten wie mit jedem anderen normalen Menschen. Gelangweilt stütze sie ihr Kinn auf die Hand und starrte Löcher in die Luft. Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie unsanft an der Schulter gepackt wurde. „Hey Kleines.“, schnurrte der Besitzer der Hand und ließ sich neben ihr auf einen Stuhl fallen. „Bist du alleine hier?“, fragte er und sein schlechter Atem hätte Anna beinahe zum Würgen gebracht. Schaudernd rückte sie ein Stück weg, doch der Fremde ließ nicht locker. Noch immer krallte sich seine schwere, große Hand in ihre Schulter. „Hab dich was gefragt, Kleines. Biste taub?“, schnarrte er und begann an ihrer Schulter zu ziehen. „Loslassen!“, rief sie, doch der Lärm des Wirtshauses verschluckte ihren Protest. Mit aller Kraft versuchte sie sich seinem Griff zu entwinden, doch es gelang ihr nicht.

Ein kräftiger Schlag auf die Tischplatte ließ den Fremden zurückweichen. Mit schreckgeweiteten Augen fuhr er herum. Mit einem Schwung von Erleichterung erblickte Anna Kratos‘ Gesicht. „Wenn du deine Finger behalten möchtest, dann berühr sie nicht noch einmal.“, grollte er und hätten Blicke töten können, so hätte vermutlich das letzte Stündlein des Fremden geschlagen. Fluchend und schwankend erhob er sich und taumelte zurück in die Menge. Noch immer spürte Anna, wie ihr eigenes Herz gegen ihre Rippen hämmerte, als wolle es sie brechen. „Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte er und seine Stimme hatte einen sanfteren Ton angenommen. Mehr als ein zögerliches Nicken brachte sie nicht zustande, während er eine Tasse vor ihr abstellte.

Er setzte sich neben sie und erneut war sein Blick so emotionslos und leer, wie sie ihn kannte. Neugierig betrachtete sie die Tasse. „Kakao.“, murmelte er ohne sie anzublicken. Sie nippte an der bräunlichen Flüssigkeit und der warme, schokoladige Geschmack ließ den vorherigen Schreck verblassen. Erneut nahm sie einen großen Schluck und wandte sich an Kratos. „Hast du etwas Interessantes aufgeschnappt?“, fragte sie. „Nicht viel.“, erwiderte er und blickte sie aus dem Augenwinkel an. Erstaunt bemerkte Anna, wie sein Mundwinkel zu zucken begann. „Was… hast du?“ Verwirrt beobachtete sie ihn. „Anna…“, begann er und fasste sich an den Kopf. „Du hast einen Kakaobart…“ Erschrocken wischte sie sich mit dem Handrücken über den Mund und senkte beschämt den Blick. Eine unangenehme Wärme breitete sich auf ihren Wangen aus. Überrascht stellte sie fest, wie ihr Herz erneut zu hämmern begann.

Betreten nahm sie einen weiteren Schluck Kakao und lauschte den Gesprächen der anderen Gäste. Mit einem Mal wurde sie aufmerksam und auch Kratos schien es nicht überhört zu haben. Das Wort Luin war am Nachbartisch gefallen. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich, um die richtige Stimme aus dem Gewirr von Gesprächen zu filtern. Es dauerte einen Moment, doch schließlich verstand sie, wovon die Männer sprachen. „Sie sagten sie suchen eine Frau... Bewohner behaupteten sie wüssten nichts von ihr…“ Ein jäher Anflug von Angst schnürte Anna die Kehle zu. Mit zusammengepressten Lippen zwang sie sich weiter zuzuhören. „…Häuser durchwühlt… diese Kerle haben keine Rücksicht genommen…“ Mit einem Ruck stand Anna auf den Füßen. Ohne ein Wort hastete sie los, drängte sich durch die Menschenmenge und taumelte durch die geöffnete Tür in die Eingangshalle. Ihre Sicht verschwamm, als sie im Halbdunkel die Treppe empor stolperte. Sie riss die Zimmertür auf und taumelte in den düsteren Raum. Hinter ihr fiel mit einem lauten Knall die schwere Holztür ins Schloss.

Bebend verharrte sie in der Zimmermitte. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Es dauerte nur Sekunden bis sich die Tür erneut öffnete und schloss. Leise Schritte ertönten und eine Hand berührte ihre Schulter. Aufgebracht fuhr sie herum. „Nimm deine Finger da weg!“, rief sie und stolperte einige Schritte rückwärts. „Die Desians waren in Luin! Sie haben nach mir gesucht!“, schrie sie und die Tränen rannen in Bahnen über ihre blassen Wangen. „Anna, es-“ „Es ist meine Schuld, dass die Dorfbewohner jetzt unter ihnen zu leiden haben! Verdammt, meine Familie lebt in Luin!“ Unbeherrscht trat sie auf ihn zu, packte seinen Kragen, zerrte daran und zwang ihn in ihre Augen zu blicken. „Anna…“ „Was ist wenn sie ihnen etwas getan haben?! Was ist wenn jemand gestorben ist?!“ Ihre Stimme überschlug sich. „Du hättest mich niemals aus dieser abscheulichen Farm holen sollen! Dann wären diese Menschen verschont geblieben!“, weinte sie und hob die Faust. Mit aller Kraft schlug sie auf seine Brust. „A-… Anna… hör- auf…“ Immer wieder holte sie aus und ihre kleine Faust landete mit einem dumpfen Schlag auf seinen Rippen. Mit einem Mal packte er sie an Hinterkopf und Rücken und presste sie an seine Brust. Ein Schluchzen schüttelte ihren Körper, als sie versuchte sich zu befreien, doch er ließ sie nicht gehen. Sein Kinn ruhte auf ihrem Haar. Ihr Atem stockte, als sie seinen unerwartet wild pochenden Herzschlag vernahm. Er wirkte gefasst, ruhig, gerade zu wie versteinert. Allein sein Herz verriet seine Unruhe.

Allmählich versiegten ihre Tränen. Sie löste sich aus seinen Armen und vermied jeglichen Blickkontakt. „Anna, gib dir bitte nicht die Schuld… ich verspreche dir, sobald die Desians die Suche nach dir aufgegeben haben, besuchen wir Luin.“ „Du lügst…“, wisperte sie und ließ sich auf die Bettkante sinken. „Ich bin mir sicher, dass deiner Familie nichts passiert ist…“ Er schob den Stuhl ans Bett und setzte sich vor sie. „Und wieso bist du dir so sicher?...“, fragte sie und vergrub das Gesicht in den Händen. „Weil ich vermute, dass deine Familie genauso stark ist wie du.“ Sie warf ihm einen mutlosen Blick zu. „Ach, meinst du?... Als ich noch ein Kind war, hat mir meine Mutter immer versprochen, dass ich einen Schutzengel habe, der über mich wacht. In letzter Zeit frage ich mich, wo dieser Engel sich bitte versteckt haben soll.“

Sie bemerkte nicht, wie Kratos verkrampfte. „Glaubst du an so etwas wie Schutzengel?“, fragte sie schließlich. Sie hob den Kopf, um sein Gesicht zu betrachten, doch sein Pony verdeckte seine Augen. Er zögerte, dann begann er zu sprechen. „In gewisser Weise schon… Und ich denke deine Mutter hat recht. Aber ich weiß, dass es manchmal eine Weile dauert, bis ein Schutzengel seine Aufgabe tatsächlich verstanden hat.“ Sie runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“ Er hob den Kopf und erwiderte ihren Blick. „Ich meine, dass manch ein Schutzengel nicht auf Anhieb erkennt, wie wichtig diese Aufgabe für ihn ist.“

Vergeblich suchte sie in seinen Augen nach einem Hinweis auf die Bedeutung seiner Worte, doch sie wirkten leer und emotionslos. „Schlaf jetzt.“ „Schlaf jetzt? Ist das dein Ernst? Ich weiß nicht, ob es meiner Familie gut geht und du erwartest, dass ich einfach schlafen gehe?“ Seine Augen verengten sich. „Anna, wir können nichts an der Situation ändern. Wenn die Desians bereits in Luin suchen, wird es nicht lange dauern bis sie hier ankommen. Bis dahin müssen wir verschwinden. Du brauchst den Schlaf. Sei vernünftig.“ Sie knirschte mit den Zähnen und vergrub sich unter der Bettdecke. „Bis eben dachte ich tatsächlich, du besitzt Gefühle. Scheint als hätte ich mich geirrt. Du besitzt weniger Einfühlungsvermögen als ein Stein.“, flüsterte sie und presste ihr Gesicht in das Kissen, um ein erneutes Schluchzen zu unterdrücken.
 

Kratos verharrte stumm. Er erwiderte nichts. Erst als sie in einen sachten, stetigen Atemrhythmus verfiel, erlaubte er sich ein leises Seufzen. Er schloss die Augen und stützte seine Stirn auf seine Handballen. Immer wieder flammte das Bild vor seinem inneren Auge auf. Ihre Augen geweitet, ihr bebender Körper, die Tränen auf ihren Wangen. Unbarmherzig fraßen sich die Schuldgefühle in seine Brust. Wie hatten sie ein solches Unrecht auf diese Welt bringen können, ohne es im Geringsten zu bemerken? Er verfluchte seine Blindheit. Er bereute seine Naivität. Es musste einen anderen Weg geben, die beiden Welten zu verbinden. Mithos Lösung war falsch. Sie war selbstsüchtig und menschenverachtend. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Wenn es einen anderen Weg gab, dann würde er ihn finden. Er musste ihn finden.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Anna: Kneipen sind keine schönen Orte...

Kratos: Es gibt Schlimmere.

Anna: Zum Beispiel bei dir im Bett?

Kratos: Grrr... Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2014-03-20T21:51:08+00:00 20.03.2014 22:51
Typisch Kratos.


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