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Die zwei Models

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
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Am Ende zum Abschluss gebracht und doch nicht beendet

Yukino/Yakino

Der restliche Tag im Freizeitpark verlief sehr angenehm.

Der Fotograf hatte sich voller Begeisterung für das Thema „Liebespaar im Freizeitpark“ entschieden, welches ich und James dadurch erfüllten, dass wir uns so verhielten wie meistens auch. Das reichte dem Fotografen aber zum Glück, ich wollte ihm als Yukino nicht näherkommen als unbedingt nötig und außerdem war er verlobt. Bei diesem Gedanken musste ich einen Kloß in meinem Hals hinunterschlucken. Trauer und Verzweiflung mischten sich miteinander, verschwanden teils jedoch wieder unter James' Licht, seiner Wärme. Ein dunkler Schatten blieb dennoch.

James und ich teilten uns Zuckerwatte und anderes Essen, lachten, fuhren die verschiedensten Fahrgeschäfte - die Achterbahnen ließen wir jedoch in Einstimmigkeit aus - und verbrachten entspannt ein paar Stunden miteinander.

In diesen Momenten vergaß ich manchmal, dass ich ja Yukino spielen musste, und nur der Wind, der mir durch meine lange Perücke strich, erinnerte mich daran, wer ich in diesem Augenblick war. Wann würde ich ihm wohl endlich wieder als Yakino sehen können? Wann würde er mich als Yakino wiedersehen?

Mein Herz verkrampfte sich in solchen Momenten schmerzhaft, doch versuchte ich es, zu überspielen.

Wäre ich Yakino gewesen, hätte James mit Leichtigkeit erkennen können, dass etwas nicht stimmte.
 

„Ähm, was?“ Meine Gesichtszüge entgleisten mir, als unsere Kollegin uns erneut über die Machenschaften Finns aufklärte.

„Finn hat vor, eure Männlichkeit mit Kitschromanen zu beweisen“, lachte sie erneut, sie schien es wirklich zu amüsieren, „Naja, damit kann er wahrscheinlich jeden Typen aus der Reserve locken, Jungs fassen sie ja nicht einmal an. Dabei sind sie doch nicht so schlecht.“ Dann setzte sich für eine kurze Weile ein nachdenklicher Zug über ihr Gesicht, während ich mich darum bemühte, meine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bringen. Yumino nahm die Nachricht erstaunlich gelassen an, wieso bloß?

„Habt ihr eigentlich schon mal einen gelesen?“, fragte sie dann mit neugieriger Miene.

„Vor einigen Monaten schon, aber jetzt habe ich kaum Zeit. Kannst du uns vielleicht etwas Gutes empfehlen?“, antwortete Yumino mit einer zuerst bedauernden Miene, dann wurde sie freundlich und lächelte. Mein Gesicht war dabei, zum zweitem Mal zu entgleisen. Wie er es bloß immer schaffte, sich so extrem umzustellen... Oder war mein Bruder zum Mädchen mutiert...?

„Was? Wieso ist es schon so lange her?! Ihr braucht dringend Lesestoff und eine gute Portion Leidenschaft, ich sehe es schon.“ Danach fing sie an, mit glänzenden Augen und sogar einigen Kreischanfällen eine ganze Endlosliste an Titeln und Beschreibungen und Schwärmereien von die männlichen Protagonisten aufzuzählen, wobei ich, ehrlicherweise, nicht wirklich zuhörte.

Nach schon mehr als fünfzig Titeln, rief uns endlich jemand, damit wir das endlich hinter uns bringen konnten. Wieder wurden wir an einen uns fremden Ort gebracht, doch auch diesmal wussten wir, was uns erwartete. Jedenfalls so in etwa. Mir grauste immer noch der Gedanke an die seltsamen Romane, denen Mädchen sowie Frauen aus unerfindlichen Gründen reihenweise verfielen.

Schweigend fuhren wir ungefähr 10 Minuten lang durch die Stadt, als wir dann vor einer Buchhandlung zum Stehen kamen. Sie war nicht besonders klein und zog sich über mehrere Etagen. Als Kind bin ich immer mit Yamino hierhergekommen, wobei ich eine Abteilung immer gemieden hatte.

„Guten Morgen allerseits!“, begrüßte uns Finn mit überschwänglicher Fröhlichkeit, doch sein Lachen hatte irgendetwas... Teuflisches an sich. Ich erschauderte.

„Morgen. Wieso sind wir heute denn schon wieder woanders?“, fragte Yumino mit leicht naiv fröhlicher Stimme.

„Ach, James wollte euch unbedingt noch etwas schenken, bevor wir ja schon bald wieder abreisen“, grinste Finn siegessicher. Er konnte seine Emotionen manchmal nicht gut verstecken.

„Ach, wollte ich das-“ James wurde ruckartig von einem Stoß in seine Seite von Finns Ellebogen gestoppt. „Genau, genau.“ Er lächelte, was jedoch gequält wirkte, und rieb sich die schmerzende Stelle.

„Heute, so dachten wir uns, tun wir euch mal etwas Gutes und füllen eure Regale mit ein paar Büchern zum Zeitvertrieb. Was lest ihr denn so? Sollen wir vielleicht als erstes in die... Wie hieß sie sogleich... Romantik-Abteilung?“

„Gerne, ich war lange aus Zeitmangel nicht mehr dort.“ Yumino schien wie er sehr selbstsicher, ich jedoch bekam beim bloßem Gedanken an dieses Stück Fläche weiche Knie und Zittern.

Unsere kleine Truppe marschierte also nach diesem merkwürdigem Schlagabtausch in die besagte Abteilung. Der Weg bis dahin dauerte nicht lange, wir schlängelten uns durch die vielen Bücherregale in der aufgeräumten Buchhandlung hindurch. Sie hatte viele Fenster, durch die das Licht hineinfiel und hatte erst neulich renoviert. Der Geruch von frischer Farbe haftete hier und da an den weiß gestrichenen Regalen. Es waren nicht sehr viele Leute da, vielleicht nur ein oder zwei hier und da verstreut.

Stillschweigend zogen wir durch die teils sehr leeren Abteilungen, wobei ich sehr gerne in einer Abteilung stehen geblieben wäre, doch wir gingen einfach daran vorbei. Schmerzhaft zwang ich mich, meinen Blick nach vorne zu richten und nicht den Büchern nachzutrauern, die wir nicht beachtet hatten.

„Da wären wir!“ Finn blieb vor Regalen stehen, die zuerst wie jede anderen auch aussahen. Doch der erste Blick trügte. Allein Titel wie Himmlische Verführung, Immer bei dir, oder Unendliche Leidenschaft schlugen jeden normalen Jungen in die Flucht. So eigentlich auch mich, wenn wir uns nicht in einer besonderen Situation befänden. „Sucht euch ruhig etwas aus, wir warten hier.“ Finn setzte sich auf einen bequem aussehenden Sessel direkt neben den Regalen und startete eine Analyse unserer Reaktionen.

„Ja, danke“, flötete Yumino fröhlich und widmete sich intensiv den Büchern zu, nahm welche in die Hand, las die Beschreibung, blätterte ein wenig, legte sie wieder zurück und dann fing das ganze wieder von vorne an. Zögerlich wagte ich mich auch an die Furcht säende Abteilung, merkte aber mein starkes Zittern. In der Hoffnung, man würde es als überschäumende Freude abstempeln, las ich den Klappentext des Buches. Allein beim Lesen drehte sich mir der Magen um, auch wenn ich es so gut es mir möglich war, zu verbergen versuchte.
 

Katharina, ein armes Bauernmädchen, begegnet dem Mann ihres Lebens.

Aber dieser ist der Prinz des Nachbarreiches, doch das weiß sie nicht. Sie weiß nichts über den Mann, mit dem sie sich einlässt...

Eine Geschichte, die Ihr Blut in Wallung geraten lässt!
 

Schnell wandte ich mich einem anderem der zahlreichen Bücher zu, doch jedes glich dem anderem. Sie waren für mich einfach alle... gleich. Jedenfalls ähnelten sie sich stark. Als ich schon die Hälfte der Bücherregale hinter mich gebracht hatte, stand Yumino noch bei ihrem zweitem von insgesamt zehn Regalen. Ich wunderte mich einmal mehr, wie gut er ein Mädchen spielen konnte, denn man merkte nicht, dass er eigentlich ein Junge war. Im Moment. Sonst benahm er sich aus meiner Sicht ziemlich knabenhaft.

„Und? Hast du schon etwas gefunden?“ James hatte sich, als ich in Gedanken versunken war, über mich gebeugt - er war um einiges größer als ich, aber auch älter - und das Buch betrachtet, das ich gerade in der Hand hielt. Erschrocken ließ ich es kurzerhand fallen, fasste es jedoch rechtzeitig an einer Ecke, ehe es auf den Boden fallen würde.

„Oh, entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken“, entschuldigte sich James, ein verlegenes Lächeln zierte sein Gesicht, während meines von einem sanftem Rotton überschattet wurde.

„Ach, nein, macht doch nichts.“

„Das erleichtert mich. Hast du etwas gefunden?“ Er betrachtete mit gewisser Neugier den Einband des grünen Buches, das ich in der Hand hielt. „Der Name der Autorin kommt mir bekannt vor...“

„Ja?“, war die einzige Antwort, die mir einfiel.

„Hmm... Ah, genau! Sie hat auch eine sehr berühmte Fantasy-Trilogie geschrieben, glaube ich.“

Nun schaute ich mir den Autorennamen noch einmal genauer an. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: „Die Bow and Arrow-Trilogie, oder?“ Meine Stimme klang begeisterter und hitziger als beabsichtigt.

James sah mich verwundert an. „Ja, genau. Ich wusste nicht, dass du Fantasy liest. Da fällt mir auf, wir sind eben an der Abteilung für Fantasy vorbeigelaufen, oder? Magst du da vielleicht nach etwas suchen?“

„Ja!“, rief ich impulsiv aus. Ich ahnte schon, dass meine Augen einen leuchtenden Glanz bekommen hatten, ich mochte dieses Genre einfach. Diese Fantasie, die Action.

„Ich sag dann noch kurz Finn Bescheid, oder?“

Plötzlich würde mir wieder bewusst, dass ich gerade dabei war, unseren Plan zu vereiteln. Ich schluckte einmal, dann noch einmal. Verbarg meine Leidenschaft für dieses Genre weitestgehend und zupfte kurz an James' Anzugsärmel, ehe er gehen konnte. „Ähm, nein, doch lieber nicht.“

Nun blickte er noch verwunderter als vorher. „Wieso denn plötzlich dieser Umschwung?“

„Äh, nun... Ich habe solange keinen mehr aus dieser Abteilung hier gelesen, also würde ich mich gerne noch ein wenig umsehen“, erfand ich eine Ausrede, in der Hoffnung, er würde es glauben.

„Okay, dann lass ich dich wieder allein.“ Er winkte mir zu und drehte sich dann um. Ich hatte einen Hauch von Skepsis in seiner Stimme hören können, ich kannte ihn zu gut, um das nicht zu hören.
 

James

Während ich durch die teils deckenhohen Regale ging, dachte ich angestrengt nach. Ich dachte über Yukino nach, die mich manchmal so sehr an Yakino erinnerte. Ihre Liebe zu Fantasy... Es war dieselbe, die Yakino mir einmal offenbart hatte. Seine leuchtenden Augen...

Ich möchte ihn wiedersehen.

Ich würde so gerne wieder in seinen Augen versinken.
 

Yukino/Yakino

„Und, seid ihr fertig?“ Finn hatte sich zu uns gesellt, James schlich irgendwo in der Buchhandlung herum. Finn lächelte voller Triumph.

„Ja, ich habe diese hier ausgewählt, ich hoffe, das geht in Ordnung?“ Yumino hatte sich zwei sehr dicke Romane ausgesucht, deren Titel Ruf der Engel und Liebespaar undercover hieß. Für mich klangen sie relativ normal, was Finn wohl dazu sagen würde?

„Schön.“ Er lächelte eher verhalten, unsicher. „Und du, Yukino?“

„Ich nehm dieses hier.“ Ich zeigte ihm das Cover des in verschiedensten Grünschattierungen gestaltete Buch, welches Freiheit bei dir hieß. Es war jenes, das die Autorin der Bow and Arrow-Trilogie geschrieben hatte.

„Gut, dann gehen wir zur Kasse. James wartet sicher schon.“ Sein Lächeln hatte sich versteinert.

Ich und Yumino hielten unsere Bücher bereit und folgten ihn zum Ausgang. Er bezahlte und wir stießen auf James, der ebenfalls eine Tüte der Buchhandlung in der Hand hielt. Den Inhalt konnte man durch das Plastik nicht sehen, doch es schien nur ein einziges Buch zu sein.

„Hast du auch etwas für dich gefunden?“, fragte ich ihn.

„Ein Buch, das ich wohl versuchen werde, in meiner Freizeit zu lesen.“

„Versuchen?“

„Ich hab nicht soviel Freizeit.“ Er sah ein wenig traurig aus.

„So, wollen wir dann fahren?“ Ein sich um sein Lächeln bemühender Finn unterbrach unsere kleine Konversation, wir stiegen in das Auto ein. Die restliche Fahrt verlief eher schweigend, ohne ein Wort. An unserer vorübergehender Wohnung verabschiedeten wir uns von ihnen, sie fuhren in ihr Hotel.

Wir standen kurz am Straßenrand, winkten dem immer kleiner werdendem Auto hinterher.
 

James

Finn sah, nachdem die Zwillinge ausgestiegen waren, missmutig aus dem Fenster. „Ich muss mir einen besseren Plan einfallen lassen...“

Ich war mittlerweile unglaublich genervt von seiner Vorstellung, die Zwillinge könnten Jungs sein. „Bitte hör endlich auf mit deiner Wahnvorstellung! Glaub doch nicht immer, was in Glückskeksen steht! Es ist doch eindeutig bewiesen, dass sie Mädchen sind!“

„Glückskekse lügen nicht!“, wehrte sich Finn.

„Und wieso gingen deine letzten beiden Pläne nicht auf?“

Er schwieg.

„Sieh es doch ein! Es sind Mädchen und keine Jungs!“

„Aber-“

„Kein aber!“

„Aber-“, versuchte er es erneut.

„Finn, ich schätze deine Fähigkeiten als Ratgeber, aber wenn du nur wegen Glückskeksen denkst, zwei unserer Models verkleiden sich als das andere Geschlecht und lügen uns an, dann denke ich nicht, dass du noch weiter als Berater arbeiten kannst.“

„Wieso glaubst du mir nicht?“

„Bitte, lass uns nicht weiter über das Thema streiten.“

„Sie sind aber-“

„Finn! Du bist...“ Ich zögerte. Ich wusste wirklich nicht, ob ich soweit gehen konnte, doch ich wusste, dass ich nicht möchte, dass unsere beiden Neulinge Schlagzeilen machten oder Ähnliches. Ich nahm noch einmal einen tiefen Atemzug.

„Entlassen.“
 

Yukino/Yakino

„Er ist gefeuert worden?“

Betretenes Schweigen machte sich in unserem kleinem Wohnzimmer breit, gerade erst hatte Yumino die Nachricht von der Entlassung Finns erhalten.

„Etwa wegen der Sache mit uns?“

„Vielleicht, wahrscheinlich...“ Yuminos Miene zeigte keine Regung. Es wirkte als wäre es ihr egal, aber ich ahnte, dass es ihr alles andere als egal war. „Auf jeden Fall müssen wir heute beim Shooting wieder alles geben, sonst werden wir auch noch gefeuert. James begleitet uns heute wieder.“

Ich nickte nur, verarbeitete die Nachricht.

„Komm, wir müssen los.“ Yumino reichte mir ihre Hand, sie hatte sich von ihrem Platz erhoben. Ich nahm sie und ließ mich hochziehen. Mir war immer noch ein wenig schummrig im Kopf, wie hatte James so etwas Derartiges tun können? Er war doch immer so freundlich, geduldig.

Mir wurde ein Rätsel nach dem anderem gestellt, doch die Antworten wusste ich alle nicht.
 

„Guten Morgen!“, rief uns James schon von Weitem zu, als wir den Ort des heutigen Shootings, das Restaurant IronBlue, betraten. Man hatte uns gebeten, als Models für die nächste Werbeanzeige zu posieren.

„Guten Morgen.“ Ich winkte ihm zu.

„Ihr habt die Mail gelesen?“, fragte er uns mit fast nebensächlicher Stimme, aber eben nur fast.

„Ja...“ Sofort machte sich ein mulmiges Gefühl in mir breit. Musste es wirklich so weit kommen?

„Wieso hast du Finn entlassen?“, fragte Yumino in einem Tonfall, der nicht darauf aus war, ihn mit Schuldgefühlen zu bedrängen.

„Das war, weil...“ Er schwieg und schien nachzudenken.

„Meine Lieben, da seid ihr ja!“, begrüßte uns der Inhaber des Restaurants, Inven Lebleu, seines Zeichens Franzose mit multikulturellen Kochkünsten, bevor James uns eine Antwort geben konnte. Er war ein Mann, der die 50 schon hinter sich gelassen hatte, aber seine Energie und Kreativität schien nie nachzulassen. Seine mit leichten, grauen Strähnen versehenen Haare hatte der ordentliche Koch zu einem Zopf zusammengebunden. Nun trug er aber keine Kochkleidung sondern einen schwarzen, teuer aussehenden Anzug.

„Ja, da sind wir. Freut mich, Euch kennenzulernen, Monsieur Lebleu“, begrüßte Yumino den Auftraggeber höflich und machte einen Knicks.

„Ach, seien wir doch nicht so förmlich. Ihr könnt mich ruhig Inven nennen. Mit wem habe ich denn gerade das Vergnügen?“

„Yumino Namida, sehr erfreut.“ Sie reichte ihm eine Hand, und er schüttelte sie kurz und herzlich. Als er mir seine Hand reichte, nahm ich sie. Seine Hand war ziemlich groß und fühlte sich ein wenig rau an, aber sie war angenehm warm.

„Ich bin Yukino Namida“, stellte ich mich auch vor.

„Entschuldigt bitte, aber ich kann euch beide bestimmt nicht auseinanderhalten“, lächelte er verlegen, „aber ich werde es versuchen!“

Wir nickten beide, dann wandte er sich James zu.

„James, mein junger Freund! Wie geht es dir?“ Die beiden Männer begrüßten sich vertraut mit einer Umarmung und Schulterklopfen.

„Ganz in Ordnung, würde ich sagen.“

„Wieso denn nur 'in Ordnung'?“

„Ähm... Lass uns doch woanders darüber reden.“ Ich merkte, wie er uns aus den Augenwinkeln ansah. Als er sah, dass ich es gesehen hatte, blickte er ertappt in eine andere Richtung.

„Gerne, die Mädchen können wir solange in die Maske schicken, oder?“

„Ja, das dauert ja auch immer seine Zeit.“ Nun lächelte er wieder amüsiert.

Eine Frau vom Staff zeigte uns den Weg zur Maske. Diese war in einem eher abgelegenem, aber dennoch gut vom Licht des anbrechenden Tages beleuchtetem Teil des Erdgeschosses aufgebaut.

„So, die Stylisten müssten jeden Moment kommen, ihr seid nämlich ein wenig zu früh dran“, lächelte die Frau. Sie gab uns noch Informationen über den näheren Ablauf, so wie Finn einst. Wieder krampfte sich mein Herz ein wenig zusammen, doch dies konnte ich wenigstens noch ansatzweise aushalten. Nicht wie die Schmerzen in meiner Brust, als ich solange nichts und wieder nichts von James gehört hatte.

„Okay, also shooten wir den ganzen Tag quer durch alle Räume und Geschosse des Restaurants, oder?“

„Genau, das Restaurant hat für heute geschlossen, damit man schönere Bilder schießen kann.“

„Dann habe ich alles verstanden.“

„Gut, dann gehe ich mal wieder. Wie schon gesagt, die Stylisten müssten jeden Moment auftauchen, wartet hier einfach. Ihr könnt euch gerne schon mal hinsetzen.“ Mit diesen Worten verschwand sie in einen der vielen Winkel dieses Gebäudes.
 

„Puah!“, seufzte Yumino, als sie sich hinsetzte.

„Was ist los?“ Ich hatte mich geräuschloser in den bequemen Sessel, der ein wenig abseits der Maske aufgestellt worden war, gesetzt.

„Ach, irgendwie ist es komisch, nicht mehr von Finn eingewiesen zu werden, wenn die beiden hier sind“, antwortete sie ehrlich.

„Ja, irgendwie schon schräg...“ Ich sah die Decke an. Mit kleinen, symmetrisch angeordneten Lampen erstrahlte sie Blau, Silber und Weiß. Sie leuchteten auf einem blassblauem Holzgrund, der hier und da mit silbernen Bändern geschmückt war. Aus irgendeinem Grund fiel mir auf, dass ich und James noch nie zusammen in den Urlaub gefahren sind... Ob wir das wohl jemals machen werden? Ich dachte noch eine Weile über dieses Thema nach, die Zeit verlor ich komplett aus dem Blick.

„Ihr seid sicher die Zwillinge, oder?“, ertönte plötzlich eine Stimme. Ich schreckte aus meinen Tagträumereien hoch und sah mehrere Leute, eine Gruppe auf uns zukommen. Sie waren alle mit verschiedensten Werkzeugen ausgestattet, ich vermutete, dass das die Stylisten waren.

„Ja, Yumino Namida, sehr erfreut.“ Yumino verbeugte sich höflich und ich tat es ihr hastig gleich.

„Ich bin Yukino Namida.“

„Flanie Hunon, auf gute Zusammenarbeit!“, sie schüttelte unsere Hände und stellte noch das restliche Team, bestehend aus vier Frauen und zwei Männern, vor. Sie schien die Chefin zu sein. „Dann folgt mir doch mal, damit wir dann beginnen können. Wir sind leider ein wenig spät, der Zug hatte eine Verspätung.“ Sie scheuchte uns auf die Stühle und sofort begannen Leute, sanft unsere Haare – oder Perücke - zu richten oder uns zu schminken.

Geduldig ließen wir alles über uns ergehen, es war während der letzten Aufträge und Tage Gewohnheit geworden. Einmal mehr bedankte ich mich gedanklich bei der Perücke, dass sie so gut saß wie echte Haare und sich auch so anfühlte.

Während wir geschminkt und aufgehübscht wurden, ließ ich meine Gedanken in jede erdenkliche Richtung ausschweifen, doch sie wählten immer nur einen Weg.

James.
 

Kritisch musternd beäugte die Leiterin des Stylistenteams das eben vollbrachte Werk. In der Zeit, in welcher das Team uns geschminkt und frisiert hatte, stand sie immer mit Rat und manchmal auch mit Tat zur Seite.

Ich und Yumino hatten eigentlich die gleichen Frisuren und Schminke bekommen, nur bei ihr war es spiegelverkehrt als Kontrast zu meinem Aussehen gemacht worden. Unsere Haare, oder besser gesagt die Perücke, aber das wussten sie ja nicht, wurden ganz locker und voluminös gemacht und mit Blumen und Bändern in den Farben des Iron Blue verziert. Ich trug einen Zopf auf der rechten und Yumino auf der linken Seite, man hatte einige Strähnen auch ein wenig blau oder silber eingefärbt. Unsere Schminke fiel sehr schlicht aus, damit es nicht so überladen wirke, wie Flanie uns aufklärte. Man hatte also nur kleine Sachen retuschiert, unsere Teint aufgehellt, blauen Lidschatten, der schwach silbern glitzerte, aufgetragen und kaum erkennbare Muster mit einem sehr dünnen Pinsel und weißem Lidschatten gemalt.

„Perfekt!“, rief Flanie nach mindestens einer halben Stunde Rundumfixierens aus. Erleichtert atmete ich auf, schließlich saßen wir nun knapp zwei Stunden hier. Die Männerrunde hatte bestimmt auch keinen Gesprächsstoff mehr, jedenfalls wusste ich nicht so recht, worüber man so lange reden konnte.

„Das trifft sich ja gut, wenn wir heute noch ein paar Fotos im Kasten haben wollen“, kam es von der nun genervt wirkenden Frau, die Finns Platz eingenommen hatte. Sie kam etwa eine Stunde nachdem sie uns alleine gelassen hatte, also als wir schon in etwa eine Dreiviertelstunde geschminkt worden waren, da das Team ungefähr eine Viertelstunde verspätet kam.

„Jaja, es braucht eben Zeit“, konterte Flanie mit einem kurzem, todbringend wirkendem Blick.

„Los, sie warten schon!“ Sie hatte den Blick eisig ignoriert und hetzte uns durch die Flure des hinteren Erdgeschossteils nach vorne. Ich konnte einen Blick aus den allgegenwärtigen Panoramaglasfenstern erhaschen, die Sonne stand jetzt vollständig am Horizont. Feinste Wolkengebilde hatten sich im strahlend blauen Himmel gebildet, inmitten von großen Wolkenkolossen wirkten sie zerbrechlich und ungeheuer zart.

„Nicht trödeln!“, rief sie uns zu, sie stand ungeduldig wartend etwas entfernt von uns.

Scheinbar war Yumino auch unbewusst stehengeblieben, um den Himmel zu betrachten. Nun eilten wir weiter, wobei ich mir Angst um meine Frisur machte. Sie war an einigen Stellen relativ instabil, wie ich fand, doch sie hielt.

Mit großen Schritten hatten wir uns von der Maske entfernt, schlugen aber nicht den Weg zum Eingang ein, wie ich zuerst dachte. Da fiel mir auf, dass wir unsere Kostüme ja noch gar nicht hatten.

„Hier sind sie endlich! Liegen die Kostüme schon bereit?“, rief sie in den Raum hinein, den wir eben nach vielen Abzweigungen endlich erreicht hatten.

„Aber natürlich!“ An der Tür des Raumes stand eine leicht pummelige Frau, die ich auf 30 oder 40 Jahre schätzte. Hinter ihr stand eine vollbeladene Kleiderstange, die einen weiteren Blick in den Raum verbarg. Ich konnte nur schätzen, welche Tiefe er hatte oder wie viele Kleidungsstücke in ihm lagerten. „Zuerst das Mittagskleid, nicht wahr?“ Ihre Stimme klang freundlich, ganz im Gegensatz zu der immer noch gehetzt wirkenden Frau.

„Genau. Ich warte draußen, lass dir bitte nicht allzu viel Zeit, wir sind schon so im Verzug!“ Mit diesen Worten und einem Handy am Ohr ging sie hinaus. Kurze Zeit später hörten wir, wie sie dieses leise anschrie, aber dann verebbten die Geräusche von ihr auch wieder.

„Hach, manchmal ganz schrecklich, diese Dame. Christina hieß sie, glaube ich“, seufzte die Kostümfrau mit schüttelndem Kopf. Dann klatschte sie ruckartig ihre Hände zusammen: „So, dann will ich euch zwei Hübschen doch mal fertig machen. Ich bin übrigens Diana Suna, freut mich.“ Sie schüttelte uns kurz und freundlich die Hände, als sie sich umdrehte und durch die Kleider verschwand. Verwirrt blickten wir diese an, als Diana hinter der regelrechten Mauer aus Stoff und mehr uns zurief: „Kommt, ihr sucht euch eure Kleider bei mir schon selbst aus!“

Wir folgten ihr also, Yumino ging vor. Ich hatte richtige Angst, als ich nach ihr durch diese Wand gehen musste, da ich mich fragte, ob ich die schönen Klamotten nicht zerstörte, wenn ich zwischen ihnen durchging. Ich spaltete mit leichtem, vorsichtigem Druck zaghaft die Kleider und duckte mich unter der Stange hindurch. Zum Glück verfing sich nichts, nichts riss und als ich wieder hoch sah, blickte ich in eine Fülle von den verschiedensten Kleidern und Outfits, alle in den Farben des Iron Blues.

Ich kam nicht umhin, einen erstaunten Laut von mir zu geben. „Wow...“

„Willkommen in Dianas Paradies für das Iron Blue!“, kicherte Diana, ehe sie uns beide an die Hand nahm und uns weiter nach hinten zog. „Hopp, hopp, wir haben heute noch eine Menge vor.“

Dann zeigte sie uns einige Kleider mit den passenden Accessoires wie Ketten oder Ohrringe. Zur Auswahl standen uns für den Mittag ein Matrosenkleid, ein trägerloses Kleid in Blau und Weiß mit silbernem Schmuck und viele, viele mehr. Am Ende entschied Yumino allein für uns beide, da ich schon immer schlecht im Aussuchen von Kleidung war.

Sie wählte ein schlichtes, weißes Kleid mit filigranen, silbernen Verzierungen am Saum aus. Es reichte über die Knien und hatte Spaghetti-Träger. Als Schmuck bekamen wir ein feines Armband aus silbernen Ösen, durch die blauweiße Bänder und Blüten geflochten waren. Unseren Hals schmückte ein breites, weißes Band, an dem ein großes, mit dezenten Mustern versehenes, tiefblaues Glasoval mit silbernem Rahmen befestigt war.

Diana half uns flott in die Kleider, ohne unsere Frisur oder das Make-Up zu zerstören. Danach perfektionierte sie nochmal den Sitz der Kleidung und des sanft fallenden Stoffes, ehe sie uns auf einem anderem Weg, der zu meinem Glück keine Kleiderstangen kreuzte, hinaus führte.

„Wir sehen uns dann Nachmittags, Abends und Nachts wieder, meine Lieben!“ Danach verschwand sie auch wieder in den Tiefen der vielen Kleider.

„Und weiter geht’s!“ Christina führte uns zu den Aufzügen.

„Gehen wir nicht zu den and-“, wollte ich fragen, als wir nach oben fuhren, da ich dachte, sie wären immer noch im Eingangsbereich.

„Sie warten oben“, fiel sie mir genervt ins Wort. Sie bemühte sich dennoch in irgendeiner Weise um einen freundlichen Tonfall. Der Aufzug gab einen klingenden Laut von sich, als wir das 15. Stockwerk erreichten. Als die Türen sich lautlos zu öffnen begannen, hörte ich James' entferntes Lachen.

Die Aufzugstüren öffneten ganz und gaben den Blick auf die kleine Gruppe frei, die auf uns wartete. Da war James und...

Ich wusste nicht wer diese Person war.

Diese Person, die ganz nah bei ihm stand.

Dieses Mädchen mit dem wunderschön lachendem Gesicht.

Dieses Mädchen, die ihm scheinbar sehr nahe stand.

Dieses Mädchen, zu dem James sich herunterbeugte.

Dieses Mädchen, die anscheinend seine Verlobte war.
 

Mein Kopf... drehte sich. Mir war schummrig. Schwindelig. Übel.

Ich hatte das Gefühl, in mir versammelten sich alle negativen Gefühle der Erde, einschließlich der Eifersucht, Trauer und vielem mehr, was zu Liebeskummer gehörte.

Ich versucht, mich in eine dunkle, am besten in die finsterste Ecke meines Bewusstseins zu verkriechen und zu schlafen, um all das nicht mit erleben zu müssen.
 

James

Als Christina, die ich kurzzeitig mit Finns Aufgaben betreut hatte, mir mitteilte, dass Lily hier herkommen würde, war ich erst einmal total überfordert. Ich und Inven waren gerade in einer hitzigen Diskussion verwickelt gewesen und ich musste erst einmal einige Sekunden nachdenken, was zu tun war. Doch da betrat Lily auch schon das Zimmer. Sie hatte wie immer ein weites, grünes Kleid mit einigen Rüschen und Schleifen an. Ihre Familie war eine sehr traditionelle Familie, wenn auch toleranter als mein Vater es gewesen war. Ihre braunen Haare hatte sie offen gelassen, wellig fielen sie ihr bis zu ihrem Rücken hinunter.

„James! Wieso hast du mich nicht besucht?“, beklagte sie sich aufgebracht dreinblickend.

„Ähm... Ich... hatte keine... Zeit?“, stotterte ich eher schlecht als recht.

Daraufhin seufzte sie einmal tief, und als sie ihren Blick wieder zu mir hob, war er nicht mehr ganz so verärgert. „Dafür bleib ich aber solange, bis du auch abreist und fliege mit dir.“

„Hab ich eine Wahl?“

„Nein.“ Ihre rehbraunen Augen funkelten frech.

So verbrachten wir also die restliche Zeit miteinander, bis das Shoot beginnen konnte, da die Zwillinge sehr lange brauchten. Ab und zu grübelte ich insgeheim darüber, was Yukino wohl heute tragen wird.

Lily wollte mir gerade etwas ins Ohr flüstern, als ich einen dumpfen Aufprall hörte. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass der Aufzug da war und die Zwillinge somit ebenfalls.

Als ich schnell meinen Blick in die Richtung des Aufzuges wandte, war Yukino auf den Aufzugsboden gesunken.

Hastig eilte ich zu ihr, sie war bewusstlos. Angst packte mich, ich hatte wirkliche Panik. Was war mit ihr passiert? Ich nahm ihre eine Hand, um ihren Herzschlag zu überprüfen, doch meine Hand schwitzte sehr viel. Ihre kleine Hand rutschte mir aus den Fingern, doch vorher erfasste ich etwas Glattes an ihrem Finger. Zuvor hatte ich ihn nie bemerkt, aber sie trug einen Ring.

Ich hatte ihn nicht gesehen, weil er aus Glas war.

Genau wie Yakinos.

Ein Gedanke durchzuckte mich. War sie vielleicht wirklich keine... sie?

Ich betrachtete ihr Gesicht noch einmal genauer. Da erkannte ich ihn endlich.
 

„Es tut mir wirklich Leid.“

Ich stand Lily gegenüber, sie saß, ich stand. Nachdem ich sichergestellt hatte, dass Yakino versorgt wurde, hatte ich sie zur Seite gezogen, um mit ihr ungestört reden zu können. Ich hatte sie mit ausschweifenden Gesten und manchmal peinlich tiefen Einblicken in meine Gefühlswelt der letzten Monate aufgeklärt, in der Hoffnung, sie würde es verstehen.

Ich will ihn wirklich nicht noch einmal verlieren.

Nun saß Lily mit nachdenklich trauriger Miene auf dem Stuhl, betrachtete den Boden und schwieg in ihren eigenen Gedanken verstrickt. Sie brauchte nicht lange, um wieder etwas zu sagen. Sie fand immer in kürzester Zeit die richtigen Worte, sie war wirklich ein bewundernswertes Mädchen, denn trotz ihres Alters von 16 Jahren wirkte sie häufig schon wie eine erwachsene Frau. „Da habe ich wohl verloren, das sehe ich ein. Wer seinen alten Schlüssel wiederfindet, braucht den neuen nicht mehr, oder so ähnlich, nicht wahr?“

Jetzt war ich an der Reihe, ein wenig dämlich zu schauen. „Wie bitte?“

„Das ist ein Zitat aus meinem Lieblingsmärchen. Jedenfalls so ähnlich, in Märchen steht das ja häufig nicht wortwörtlich, aber ich denke, so passt es ganz gut.“ Sie lächelte versonnen, sie schien an eine glückliche Erinnerung zurückzudenken.

„Ja? Und wie heißt dieses Märchen?“

„Da fällt mir auf, eure Geschichte erinnert mich ziemlich daran.“ Sie schmunzelte.

„Ah, ich glaube, allmählich weiß ich, welches Märchen zu meinst. Wirklich erstaunlich...“

„Wirklich ein lustiger Zufall.“ Sie sah mich herausfordernd an. „Verrat mir doch den Titel.“

Die zwölf Jäger.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, wir lesen uns im Epilog und in den Extras wieder ;D~
Danke an alle, die "Die zwei Models" gelesen haben!
Extras zu finden unter: literatureofmine Komplett anzeigen

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