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Schwarze Segel voraus

von

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Esquiro hob das Fernglas und ließ den Blick in die Ferne schweifen. Dunkle Wolken verdeckten die Sonne und nahmen ihm die Fernsicht. Ein Sturm kündigte sich an.

Durch das gekrümmte Auge seines Fernrohrs schien der Horizont so nah. Am Rand der Welt, dort, wo Himmel und Erde aufeinandertrafen, meinte er unklare Schemen auszumachen. „Kurs ändern! Drei Grad steuerbord!“, schrie er. Hastig setzte sich die Mannschaft in Bewegung. Die Großsegel wurden gehisst, der Steuermann korrigierte die Fahrtrichtung. Am Heck des Schiffes schwenkte ein Matrose die Signalfahnen – schließlich wollte man den Anschluss an die kleine Flotille, die sich um die ‚Aquila‘ gesammelt hatte, nicht verlieren. Das stolze Boot unter seinem horasischen Kapitän war die einzige Hoffnung, die Port Störrebrandt noch hatte.

Die Wellen schlugen unruhig gegen den Bug, langsam aber sicher machte die raue See die Mannschaft nervös. Esquiro de la Vega versuchte, sie zu beruhigen, doch innerlich brodelte es auch in ihm. Dieses Mal würden sie nicht davon laufen können – und wenn es ein Alveranskommando war! Der Blick auf die Kimm, die sein Feldstecher preisgab, wurde klarer. Aus dem Schwarz der Wolkenfront lösten sich Segel, genauso schwarz, auf denen ein strahlend weißer Rabe mit einer goldenen Königskrone prangte. Die Al’Anfaner. Sie kommen.

Man hatte Halt befohlen. Die Kapitäne der kleinen Flotte hatten sich auf dem Flaggschiff – ein lächerliches Wort für so einen jämmerlichen Schoner – eingefunden, um Kriegsrat zu halten. Besser, um ihre Reise zu Boron zu planen. Als ob sie diesen Kampf überleben würden. Gedrückte Stimmung hatte sich über den wilden Haufen gelegt, diese zusammengewürfelte Ansammlung hoffnungsloser Haudegen und blutrünstiger Piratinnen. Denen nichts auf der Welt einen Schrecken einjagen konnte, außer natürlich der Namenlose persönlich. Und al’anfanische Segel.

„Lasst uns das Heil in der Flucht suchen, noch haben wir eine Chance, ihnen zu entwischen!“, blaffte Darbin Turjeleff, den alle nur den Schlachter nannten. „Das ist nicht unser Kampf. Sollen doch die Pfeffersäcke sehen, wo sie bleiben. Jahrelang haben sie uns gejagt, haben sich nicht um uns geschert und jetzt plötzlich, wenn sie Hilfe brauchen, kommen sie angekrochen.“ Die knarrende Stimme des großgewachsenen, breitschultrigen Mannes brach als Erstes das Schweigen und sprach aus, was sich Viele dachten. „Hast du etwa Angst? Hat der Schlachter etwa Angst vor ein paar Weicheiern in schwarzen Röckchen?“, flüsterte Laila, doch es war unverkennbar, dass sie die war, die Angst hatte. Unerschrockene Kapitäne, mit allen Wassern gewaschen und doch war ihnen klar, dass es niemand heil überstehen würde, wenn sie sich mit vier Galeeren des Imperiums anlegen würden.

Zustimmendes Gemurmel machte sich breit. Die Versammlung schien sich unterschwellig einstimmig zu sein. Heute lieber den Schwanz einziehen, morgen wieder siegen.

„Ruhe!“

Esquiros Schrei verhallte nur langsam unter Deck. Totenstille hatte sich über den Rat gelegt. „Ihr Waschlappen wollt euch Piraten nennen? Seit wann nehmen wir Reißaus vor dem Feind? Habt ihr noch Mumm in euren müden Knochen? Spürt ihr noch ein Fünkchen Tapferkeit? Wollt ihr Heim zu Muttern rennen? Gut, denn geht mir aus den Augen! Wenn ihr noch Stolz habt, dann folgt mir. Wir machen diesen Bastarden Feuer unterm Hintern.“ Er seufzte, dann sah er jedem Einzelnen in die Augen, langsam, durchdringend. „Womöglich ist heute nicht unser Kampf. Doch unser Krieg ist dies allemal. Wer, wenn nicht wir, soll für die Freiheit kämpfen? Wer, wenn nicht wir, soll die Unterdrücker besiegen? Ich sage euch, noch heute erringen wir einen großen Sieg für unsere Sache!“ Ein Donnergrollen rollte durch die Nacht. „Aye“, brüllten die Frauen und Männer wie aus einer Kehle.
 

Mit einem ohrenbetäubenden Krachen barsten die Planken der prächtigen Galeere, als der Rammsporn der Aquila tief in ihren Bauch stieß. Holzsplitter stoben in alle Richtungen davon und bohrten sich in das Deck des kleineren Schoners oder trafen Männer und Frauen. Wie durch ein Wunder überstand der goldene Adler, der den Bug des Schiffes krönte, den Aufprall und schien wie zum Trotz seine Flügel dem Königsraben entgegen zu recken. Schon stürmten die ersten Freibeuter an Bord des al’anfanischen Kreuzers und warfen sich den schwarz gerüsteten Soldaten entgegen. Manche schwangen sich mithilfe langer Taue an Deck, andere kletterten über die Galionsfigur auf die Reling, um sich auf die Feinde zu werfen. Vorneweg stürzte sich der Kapitän ins Getümmel, mit blitzendem Entermesser und bereitem Dolch. Schnell lernten die Seesoldaten, dass man von diesem Haudegen Abstand halten musste. Zwei oder drei Krieger fielen schneller, als dass man ihren Tod hätte beobachten können. Eine Hand Soldaten umringten Esquiro und versuchten ihn in Schach zu halten, doch ohne mit der Wimper zu zucken bahnte er sich einen Weg durch die Gerüsteten, immer ein Ziel vor Augen: das Steuerruder.

Er hatte den Aufbau fast erreicht, der das Heck der gewaltigen Trireme ausfüllte und zu dessen Füßen das Steuerrad aus teuerstem Mohagoni thronte. Er eilte auf die Treppe zu, die hinauf führte, doch plötzlich stellte sich ihm ein Mann in prunkvollen, schwarzen Roben in dem Weg, in der Hand ein Florett von derselben Farbe. Der Hut auf seinem Kopf zeigte seinen Rang: Capitano Emilio Florios. „Halt Schurke, an mir kommst du nicht vorbei! Ergib dich, dann bin ich geneigt, einen Teil von euch zu verschonen.“ „Glaub mir, ich hab’s mir zweimal überlegt und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich euch lieber untergehen sehen würde.“, lachte Esquiro und reckte ihm sein Entermesser entgegen. „Ihr werdet alle als Futter für die Geier von meinem Großmast baumeln. En garde Halunke!“ Florios stieß zu, ein flinker, angetäuschter Stich auf die linke Schulter. Esquiro duckte sich. Er war geschickt, wohl von klein auf trainiert. Er musste Acht geben. Mit dem Dolch in der Linken schlug er die Klinge zur Seite und setzte zu einem kräftigen Schlag auf den Waffenarm des Al’Anfaners an, doch dieser drehte sich nur behände zur Seite und nutzte die Gelegenheit, um Esquiros nun offene Flanke zu attackieren. Schnell fuhr er mit der eigenen Waffe herum und schaffte es gerade noch, das Florett abzulenken, bevor es sich in seinen Bauch gebohrt hätte. „Ihr seid gut“, meinte der Capitano anerkennend, „doch ihr habt keine Chance gegen mich.“ In einer blitzschnellen Abfolge von Schlägen ließ er in der Sonne schimmerndes Metall auf Esquiro niederregnen. Schritt für Schritt drängte er ihn zurück, Schritt für Schritt näher an die Reling, wo das peitschende Feuermeer jeden Mann verschlang. Die See war wütender geworden, die Wellen schlugen an Deck und mischten sich mit dem Blut der Sterbenden. Die Bohlen wurden hierdurch zu einem rutschigen Parkett und bereiteten den Fechtern keinen sicheren Stand. Die beiden Kontrahenten prallten aufeinander, die Klingen verkreuzten sich über ihren Köpfen. Florios grinste Esquiro ins Gesicht, dieses überhebliche, siegessichere Grinsen. Florios stieß ihn mit aller Kraft von sich und drängte ihn an die Kante des Schiffes. Er stieß gegen die Reling und versuchte mit allem Geschick, dass er aufbringen konnte, das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Er fing sich, doch nun saß er endgültig in der Falle. Doch Esquiro de la Vega würde nicht aufgeben! Mit einem Schrei aus tiefster Kehle trat er gegen die dünnen Latten und drückte sich mit aller Kraft von ihnen ab. Völlig überrumpelt sah der Capitano zu, wie sich der gerade noch strauchelnde Mann sich ihm entgegen warf und spürte, wie ihn seine Schulter auf der Brust traf. Er wurde von den Beinen geholt und landete schmerzhaft auf dem Rücken. Seine Waffe hatte er verloren.

Esquiro setzte ihm den Dolch an den Hals. Alles in ihm drängte darauf diesen arroganten Schnösel, der ihn nun schon seit zwei Götterläufen jagte, zu Boron zu schicken. Doch er tat es nicht. „Ergib dich, du hast verloren. Pfeif deine Männer zurück und kriech zurück nach Hause. Wage es ja nicht, Port Störrebrandt noch einmal zu behelligen. Ich werde dich finden und dann werde ich dich töten.“ Ein Blitz zuckte über den Himmel und Donner grollte, wie um den Sieger zu küren. Und die Panthergleiche würdigte ihn.



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