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Collection III

Kurzgeschichten
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein etwas ungewöhnliches Pairing, denke ich...aber mir hat es sehr gefallen ^^ Komplett anzeigen

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My Dear

2. Januar 2014
 

Vor ein paar Tagen habe ich, ohne groß darüber nachzudenken, Yo-ka abgeschleppt. Und von abschleppen kann man wirklich sprechen, denn mit laufen war bei ihm nicht mehr viel. Ich habe ihn mit zu mir genommen und seine Finger waren definitiv noch flinker, als seine Füße. Bei diesem Gedanken muss ich leicht grinsen.
 

Die Sache ist die, dass er da wohl ein kleines Detail falsch verstanden hat, denn jetzt werde ich ihn nicht mehr los. Ständig klingelt er bei mir und wenn wir Auftritte zusammen haben, klebt er jede freie Minute an mir.

Sicher könnte ich ihm einfach sagen, dass er verschwinden soll. Aber verjagt man jemanden, der sich einem schon freiwillig anbietet? Durch ihn ist mir mein Spaß gesichert und das nicht nur nachts. Und immerhin hat er ja auch was davon.

Wenn ich keinen Bock auf ihn habe, tue ich einfach so, als wäre ich nicht da. Nach zehn Minuten gibt er es dann meistens auf.

Ich weiß, dass ich ihm wahrscheinlich irgendwann das Herz brechen werde, aber im Moment ist es noch nicht soweit und solange sollten wir beide es genießen.
 

Vor einer halben Stunde hat er meine Wohnung betreten. Ich dachte eigentlich an ne schnelle Nummer und wollte dann sagen, dass ich los muss. Aber dann hatte er diese super leckeren Donuts dabei. Schleimer! Leider konnte ich denen nicht widerstehen.
 

Jetzt liegen wir auf meiner Couch und sehen fern. Naja gut, das macht er. Ich liege auf dem Bauch, esse heimlich alles auf, ohne ihm was abzugeben und arbeite dabei an einem Songtext.

Yo-ka liegt dabei auf mir, ebenfalls auf dem Bauch. Sein Kopf ruht auf meinen Schultern und er sieht in die Flimmerkiste. „Yo-ka, wenn du dich noch ein bisschen schwerer machst, fliegst du…hochkant!“, sage ich zu ihm, weil er seit ungefähr fünf Minuten immer schwerer wird. Ich kann mir die Schnute, die er jetzt zieht, lebhaft vorstellen. Er macht sich ein bisschen leichter und angelt nach der Donutschachtel. Er greift hinein, wobei ihm schnell die Lehre auffällt. „Hey, die sind ja schon alle!“, protestiert er. Ich muss grinsen und zucke mit den Schultern. „Du warst eben zu lahm. Stell mir keine Donuts vor die Nase, ohne dir vorher welche zu sichern.“, erkläre ich ihm nur knapp und kümmere mich dann weiter um das Blatt Papier vor mir.
 

Als er dann versucht sich immer wieder an meinem Hals festzusaugen, könnte man denken er hofft ein bisschen des Zuckers aus mir rauslutschen zu können. Was jedoch keine gute Idee ist, wenn ich arbeite. „Yo-ka, nicht jetzt.“, fordere ich ihn auf das zu unterlassen. Aber irgendwie hat der Zuckermangel auch Hörschäden bei ihm hinterlassen. „Hörst du schlecht?!“, sage ich jetzt ziemlich laut und schupse ihn von mir runter.

Jetzt hockt er neben der Couch und sieht mich verständnislos an. Nach einem Moment steht er auf und verlässt ohne ein weiteres Wort meine Wohnung. Wars das jetzt schon? Dann hab ich ihn definitiv schneller vergrault, als ich dachte. Vielleicht war es ein bisschen übertrieben gleich so an die Decke zu gehen. Aber bei der Arbeit lasse ich mich einfach nicht gerne stören. An Tagen, an denen ich schlecht drauf bin, bekommen das leider auch die anderen zu spüren. Aber wir vier haben uns langsam aufeinander eingestellt. Wir wissen, wann es keine gute Idee ist einen der anderen anzusprechen.
 

Eine Woche später merke ich deutlich, wie mir der Winter zusetzt. Ich bin total erkältet, noch dazu habe ich eine Mittelohrentzündung. Gerade war ich beim Arzt und mache mich noch einmal auf den Weg zu den anderen ins Studio, um mich krank zu melden.

Als ich dort ankomme, sind jedoch nicht nur meine Bandkollegen und unser Team anwesend. Yo-ka sitzt ebenfalls hier und unterhält sich gerade mit den anderen. Es wundert mich ein bisschen, weil ich die ganze Woche nichts von ihm gehört habe.
 

Eine halbe Stunde später habe ich alles Wichtige erledigt und komischerweise Yo-ka wieder an der Backe. Meto kam auf die geniale Idee, dass Yo-ka ja Krankenschwester spielen könnte. Was für eine super Idee. Das der auch echt nie seine Klappe halten kann. Was er bei der Arbeit zu wenig quatscht, quatscht er privat definitiv zu viel. „Yo-ka, du musst das nicht machen. Ich will dich nicht anstecken.“, sage ich zu ihm, als wir bei meinem Wohnhaus angekommen sind. „Weißt du, Meto verteilt keine Befehle, sondern nur komische Ratschläge.“, sage ich die Tür öffnend. „Außerdem war ich bei unserem letzten Treffen nicht wirklich nett zu dir.“ Yo-ka schüttelt leicht mit dem Kopf. „Es war meine Schuld. Ich hätte dich lieber nen Moment in Ruhe lassen sollen. Und ich würd mich gerne um dich kümmern.“ Er lächelt leicht und geht dann mit mir in die Wohnung.
 

Drinnen lande ich sofort auf der Couch und Yo-ka fängt an mich zu betüddeln. Schnell bin ich mit allem Wichtigen versorgt und esse erst einmal eine Suppe. Der Blonde wirbelt in der Weile durch meine Wohnung, aber nur solange, bis es mir reicht und ich ihm einfach ein Bein stelle, als er an mir vorbeigeht. „Mach mal ne Pause. Ist ja nicht zum aushalten.“, murre ich, als er mich verwirrt anschaut. „Schon mal was davon gehört, dass Kranke Ruhe brauchen?“, beschwere ich mich weiter. Er senkt seinen Blick und nuschelt, dass es ihm leid tut. Jetzt hockt er erstmal ruhig auf dem Boden vor der Couch und sieht zum Fernseher.
 

Entgegen aller Vernunft schleicht er sich nachts mit in mein Bett. „Spinnst du, willst du dich anstecken?“, will ich barsch von ihm wissen. „Ist mir egal.“, nuschelt er. „Was hast du denn davon hier mit rumzuliegen?“ Kurz ist es still. Ich denke schon, dass keine Antwort mehr kommt. „Dann bin ich bei dir.“, nuschelt er dann jedoch ganz leise. Durch meine Mittelohrentzündung höre ich ein bisschen schlecht und hoffen schon fast mich verhört zu haben. „Was?“, frage ich deswegen noch einmal nach. „Ich fühl mich gut, wenn wir zusammen sind. Seit dieser Nacht habe ich das Gefühl pausenlos bei dir sein zu wollen. Ich hab dich letzte Woche ganz schlimm vermisst.“, erklärt er mir dann. Na wunderbar! Auch das noch. „Hör mal, das war einfach nur Sex, kapiert? Ich hab dich mitgenommen, weil du mehr als einfach abzuschleppen warst. Das ist alles.“ „Und die ganze Zeit danach?“, will er wissen. „Da musste ich dich nicht mal mehr bequatschen, damit du die Beine breit machst. Einfacher geht’s ja kaum.“, setze ich dann noch drauf. Tatsächlich steht Yo-ka auf und verlässt das Zimmer. Sehr gut. Immerhin scheint er noch einen kleinen Krümel Stolz in sich zu haben. Es ist einfach besser so. Ich wollte ihn ja nicht gleich heiraten. Und alles in allem ist er schon echt anstrengend.
 

Als ich am nächsten Morgen in die Küche komme, ist das Frühstück fertig. Der Tee dampft sogar noch. „Yo-ka?“, frage ich deswegen in die Stille. Aber es kommt keine Reaktion. Ich sehe in den Flur, seine Schuhe sind auch nicht mehr da. Er muss erst vor ein paar Minuten die Wohnung verlassen haben. „Idiot.“, murmle ich leise vor mich hin.
 

Es dauert ganze zwei Wochen, bis ich wieder ganz gesund bin. In der Zeit habe ich keinen Piep von Yo-ka gehört. Er scheint es kapiert zu haben.

Ich betrete den Proberaum und stelle meine Tasche ab, als plötzlich mein Handy klingelt. Es ist Kei und er macht mich rund und zwar vom feinsten. Irgendwie geht es Yo-ka wohl sehr schlecht. Kei ist der Meinung, dass das meine Schuld ist. „Du hast meinen Bruder krank gemacht! Wenn du das nicht wieder gerade biegst, verzeih ich dir das nie!“, sagt er noch und legt auf. Ich seufze schwer und stecke mein Handy in die Tasche. Und was soll ich jetzt tun?
 

Am Abend gehe ich in die Bar, in der ich Yo-ka beim ersten Mal aufgegabelt habe. Er ist tatsächlich hier. Auf den ersten Blick sieht er eigentlich ausgelassen aus. Aber ich kenne diese „Fröhlichkeit“. Man betrinkt sich aus Verzweiflung solange, bis die Welt wieder rosig ist. Ich gehe zu ihm und ziehe ihn von diesem anderen Kerl weg. Als wir ein paar Schritte weggehen, sehe ich mir seinen Hals an und verziehe das Gesicht. „Wie sieht das denn aus? Du solltest langsam Blutkonserven mitnehmen, wenn du weggehst.“ Sein Hals ist übersät von Knutschflecken. Er scheint es die letzten Tage wirklich wild zu treiben.

„Was machst du hier?“, fragt er mich irritiert, als er mich endlich erkennt. „Ich bin dein Taxi. Ab nach Hause!“, sage ich und schiebe ihn Richtung Tür.
 

Doch bevor wir bei meinem Wagen sind, muss Yo-ka sich erst noch einiges durch den Kopf gehen lassen. Aber lieber jetzt, als später in meinem Wagen. Ich zünde mir eine Zigarette an und warte geduldig, bis er sich ausgekotzt hat. Danach setzt er sich jedoch nicht wie erwartet in mein Auto, sondern erstmal auf den Boden. Ich verdrehe die Augen. Wie ich Besoffene doch hasse. Sie machen viel, aber nie das, was sie sollen. Ich gehe zu ihm und ziehe Yo-ka auf die Beine und schon klebt er wieder an mir und schlingt die Arme fest um mich. Prima! Schon haben wir wieder das Ergebnis, wie beim ersten Mal!
 

Nachdem ich es endlich geschafft habe ihn nach Hause zu bringen, verfrachte ich ihn gleich in sein Bett. Schon wieder hängt er an mir, wie ein kleiner Affe, wodurch ich mit ins Bett und direkt auf ihn falle. Sein Becken drängt sich verdächtig fest an meins, doch ich versuche aufzustehen. „Yo-ka, lass das!“ „Bitte Genki! Ich hab jeden Abend in dieser Spelunke gewartet, dass du endlich kommst und mich abschleppst. Außer das bisschen Knutschen hab ich nichts mit nem anderen gemacht, ich schwörs! Du bist mein Erster und mein Letzter!“, versichert er mir. Jetzt sehe ich ihn verwirrt an. „Du hattest vor mir noch nie was mit nem Kerl?“, frage ich überrascht nach. Er schüttelt nur mit dem Kopf. „Bitte Genki, ich hatte jeden Tag solche Sehnsucht nach dir. Wenn du nur Sex willst, ist das okay.“, bettelt er jetzt schon fast. In was habe ich mich da nur wieder reingeritten?
 

„Yo-ka, du musst jetzt schlafen, hörst du?“, sage ich in ruhigem Ton und lege mich neben ihn. „Du bleibst hier?!“, fragt er nach. Jetzt liegt ein Lächeln auf seinem Gesicht. „Schlaf!“, fordere ich und decke ihn und mich zu.
 

Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist mir unglaublich heiß. Kein Wunder! Yo-ka klebt an mir und wir sind vollkommen unter der Decke verschwunden. Noch dazu tragen wir beide unsere Straßenklamotten.

Ich strample die Decke ein wenig nach unten und hole erstmal Luft. Was jedoch keine so gute Idee war, weil ich dadurch Yo-kas Fahne einatme. Gegen den Würgereiz kämpfend, befreie ich mich von seinen Armen und stehe auf.
 

Langsam schleiche ich in Yo-kas Küche und mache mir einen Kaffee. Mich setzend, zünde ich mir eine Zigarette an. Was mach ich jetzt nur? So stehen lassen kann ich es nicht, aber es erfüllt mich auch nicht gerade mit Vorfreude die Situation mit ihm klären zu müssen.
 

Eine Stunde später kommt auch er in die Küche. Ich habe das Zimmer in der Weile schon vollkommen verraucht. Als ich ihn sehe, stehe ich auf, öffne das Fenster und mache Tee. „Wie geht’s dir?“, will ich von ihm wissen. Yo-ka zuckt mit den Schultern und lässt sich auf einen der Stühle fallen. Ich sehe ihm an, dass ein gewaltiger Kater in seinem Kopf tobt. Ich schiebe ihm das heiße Getränk hin und suche nach seinem Bad. Als ich es finde, gehe ich hinein und hole eine Schmerztablette für ihn. Diese lege ich vor ihm auf den Tisch und setze mich dann wieder. „Danke.“, murmelt er leise. Er nimmt die Tablette und trinkt einen Schluck Tee dazu.
 

Nach einem Moment sieht er mich dann an. „Ich hab es jetzt verstanden. Ich lass dich in Zukunft in Ruhe. Es tut mir leid, dass ich dich belästigt habe.“, sagt er, nimmt seine Tasse und verschwindet aus der Küche.
 

Als ich im Flur meine Schuhe anziehe, kann ich ihn im Schlafzimmer schluchzen hören. Jetzt ist es wohl endgültig soweit. Ich habe ihm sein Herz gebrochen.

Ich verlasse Yo-kas Wohnung in der Gewissheit, dass ich jetzt zwei Freunde weniger habe, aber ich bin doch irgendwie froh, dass er mir die schwere Entscheidung, was nun werden soll, abgenommen hat.

Future

6. Januar 2014
 

Ein Jahr war ich in dieser Klinik und bin wortwörtlich durch die Hölle gegangen. Aber es war auf keinen Fall schlimmer, als die Hölle, in der ich davor gelebt habe.
 

Ich habe auf der Straße gelebt. Um über die Runden zu kommen habe ich meinen Körper verkauft. Aber etwas wirklich Sinnvolles habe ich von dem Geld nie gekauft. Die Ausbeute waren immer nur Drogen, wie Kokain und Heroin, Zigaretten und Alkohol. Oft haben mich Freier beschissen. Dann stand ich am Ende mit gar nichts da. Mein Leben war vollkommen gegen die Wand gefahren. Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Ich wollte raus aus diesem Teufelskreis. Also habe ich irgendwann mein letztes Geld in ein Bahnticket investiert und bin weggefahren, raus aus Tokio, der Stadt, die mir sowieso nur Unglück gebracht hat. Ich hatte von einer Entzugsklinik weit außerhalb gehört und da wollte ich hin.
 

In der Klinik hat sich alles geändert. Meine Einstellung zum Leben vor allem, aber auch mein Wesen und mein Aussehen sind jetzt anders.
 

Nach der Therapie habe ich mich in einer kleineren Stadt angesiedelt. Eine sehr nette, ältere Dame hat mir das Obergeschoss ihres Hauses vermietet. Ich arbeite bei ihr in der Gärtnerei. Der Job macht mir sehr viel Spaß. Als ich zu ihr kam, hatte ich von nichts eine Ahnung. Es war interessant so viel über die verschiedenen Pflanzen zu lernen. Sie ist fast wie eine Mutter für mich. Und die Zuneigung, die ich durch sie erfahre tut mir einfach gut.
 

Jetzt bin ich wieder da. Ich bin zurück in Tokio. Ich will hier jemanden finden. Einen sehr guten Freund. Ich will ihn von meinem Lebenswandel überzeugen. Er bedeutet mir wirklich viel. Früher waren wir immer zusammen und haben aufeinander aufgepasst. Ich ließ ihn damals nicht gerne zurück. Aber zu der Zeit steckte er selber noch zu tief drin. Er hat sich einfach nicht überreden lassen.
 

Auf einer der einschlägigsten Straßen in diesem Viertel zünde ich mir eine Zigarette an und halte nach ihm Ausschau. Wenn er noch lebt, ist er mit Sicherheit hier.

Ich gehe die Straße entlang. Auf meinem Weg bieten sich mir mehrere Frauen und Männer an. Viele wirken schon mehr als verzweifelt. Eigentlich fällt einem das nicht auf. Auf Außenstehende wirken sie sicher recht ruhig und einfach nur aufdringlich. Aber ich weiß genau, dass ihr Körper nach Drogen schreit. Die Hände einiger von ihnen zittern schon. Sie brauchen Stoff, sehr dringend. In dem Zustand nimmt man jeden, der einen halt will. Egal, ob in einem alle Alarmglocken läuten und man gar nicht weiß, ob man diesen Fick überlebt, oder der Typ oder die Tussi so ekelhaft sind, dass man sie normalerweise nicht mal mit der Kneifzange anpacken würde. In diesem Zustand war ich sehr oft und einmal hätte ich dadurch fast mit meinem Leben bezahlt.
 

Zwei Stunden laufe ich auf und ab, aber ich kann ihn einfach nicht finden. Vielleicht hat er selbst schon den Absprung geschafft. Das wäre der Idealfall.
 

Plötzlich sehe ich durch die vielen Menschen hindurch einen lilanen Schopf. Schnell dränge ich mich durch die Leute und eile zu dem jungen Mann. „Kuina?!“, rufe ich laut aus. Der andere dreht sich auch um und sieht mich an. Er ist es tatsächlich. „Kuina, endlich habe ich dich gefunden.“, sage ich atemlos, als ich bei ihm angekommen bin. Er sieht mich fragend an. Wahrscheinlich erkennt er mich nicht. „Ich bins, Hitsugi.“, erkläre ich ihm. Jetzt wandert eine seiner Brauen nach oben. „Was? Hitsugi?“, fragt er überrascht nach. Er stellt sich direkt vor mich und fährt mit den Fingerspitzen über mein Gesicht. „Wie siehst du aus? Was haben die mit dir gemacht? Wo sind deine Piercings?“, fragt er dann weiter. „Wie wärs, wenn wir uns in ein Café setzen und da reden?“, will ich von ihm wissen. Er zögert kurz, nickt dann aber und geht mit mir los.
 

Auf dem Weg mustere ich ihn kurz. Er scheint im Moment ganz gut drauf zu sein. Aber er ist sehr dünn, wirklich krankhaft mager. Kuina muss definitiv mehr essen.

Wir suchen uns einen gemütlichen Platz. „Bestell dir was, ich zahle.“, sage ich zu ihm und nehme mir eine der Karten. Hier gibt es allerhand kleine Leckereien. Kuina zögert wieder, nimmt dann aber die Karte. „Wie geht’s dir?“, will ich von ihm wissen, als wir etwas bestellt haben. Er zuckt mit den Schultern. „Geht so, wies einem hier auf der Straße halt geht.“, sagt er und zieht die Nase hoch. „Hast du ne Kippe oder so?“, will er wissen. Ich nicke und biete ihm eine an. Diese zündet er sofort an. „Und wie geht’s dir?“ „Mir geht’s gut.“, sage ich, mir ebenfalls eine Zigarette anzündend. „Der Entzug war die beste Idee meines Lebens, Kuina. Komm mit mir aus der Stadt raus. Mach du auch nen Entzug.“ Er schüttelt mit dem Kopf. „Ich bin hier zu Hause. Das was ich mache, ist alles, was ich kenne und gut kann.“ „Das stimmt doch nicht, Kuina.“, entgegne ich ihm. „Hab keine Angst vor der Veränderung. Die neue Umgebung wird dir gut tun. Wenn du dich für diesen Schritt entscheidest, werde ich dich dabei unterstützen. Ich werd an deiner Seite sein.“, sage ich und lege eine Hand auf die von Kuina. Doch er zieht seine zurück und steht auf. „Wenn du nur hier bist, um mich wieder zu bequatschen, kannst du auch wieder abhauen.“, sagt er und verschwindet aus dem Café.
 

Ich springe sofort auf und gehe ihm nach. Ich darf ihn nicht gleich wieder aus den Augen verlieren. „Kuina, warte doch mal!“, rufe ich und renne ihm nach. „Lass mich!“, blafft er mich nur an, doch ich kann ihn noch einmal aufhalten. „Hier, ich bin in dem Hotel. Es ist noch arschkalt nachts. Wenn du was zum Schlafen brauchst, komm dahin. Egal wann.“, sage ich und gebe ihm eine Visitenkarte. Ich weiß genau, dass er erstmal die Schnauze von mir voll hat, aber vielleicht können wir später nochmal reden. Er nimmt die Karte, aber ohne ein weiteres Wort verschwindet er.
 

Am Abend mache ich es mir mit einer Flasche Wein in meinem Hotelzimmer gemütlich. Ich trinke nicht mehr so viel wie früher, aber ab und zu gönne ich mir ein Glas. Meine Therapeutin hat mir geraten, meine Erfahrungen auf der Straße aufzuschreiben und das tue ich jetzt auch. Jeden Abend schreibe ich solange, bis meine Hände zittern und ich die auf mich einprasselnden Erinnerungen einfach nicht mehr aushalte. Dann lege ich den Schreibkram beiseite und trinke langsam mein Glas aus. Sonst sehe ich dabei fern. Heute stehe ich am Fenster und sehe auf die hell erleuchteten Straßen. Irgendwo da draußen ist Kuina. Was macht er wohl gerade?
 

Vielleicht ist er in einem Club und verprasst das bisschen Geld, was er eventuell in den Taschen hat.

Vielleicht ist er auch mit jemandem in einem Hotel oder gar nur in einer versifften Seitengasse.
 

Ich denke darüber nach, als es plötzlich an meiner Tür klopft. „Hitsugi, lass mich rein!“, höre ich Kuina vor der Tür lallen.

Er fällt mir regelrecht in die Arme, als ich die Tür öffne. Kuina zittert, was aber sicher größtenteils von der Kälte kommt. „Der Arsch hat mir mein Geld nicht gegeben.“, nuschelt er vor sich hin und schlüpft aus seinen Schuhen. Dann geht er zu meinem Bett und lässt sich darauf fallen. „Schön warm.“, murmelt er und rollt sich zusammen. Also wird er heute Nacht wohl hier schlafen.
 

Kuina will sich an meinem Wein vergehen, doch ich drücke ihm lieber Wasser in die Hand. „Du solltest langsam runterkommen, wenn du heute Nacht noch ein bisschen schlafen willst.“ „Muss ich nicht unbedingt.“, entgegnet er mir und kugelt in meinem Bett herum, wobei er auch das Wasser darin verteilt. „Du weißt doch, dass das Leben nur in der Nacht richtig spannend ist.“, sagt er und sieht mich an. „Das sehe ich schon eine ganze Weile nicht mehr so.“, antworte ich und setze mich an den Bettrand. Ich nehme ihm die Wasserflasche ab und stelle sie beiseite.
 

Kuina rutscht zu mir und setzt sich auf meinen Schoß. Langsam fährt er mit den Händen über meine Brust. „Ich könnte dir ein bisschen Spaß bereiten.“, sagt er und öffnet mein Hemd, doch ich halte ihn auf. „Vergiss es, Kuina. Ich werd dich sicher nicht bezahlen.“, stelle ich sofort klar. „Wieso nicht?“, meint er direkt aufgebracht. Seiner Reaktion nach, braucht er also Stoff. „Du hast doch genug davon! Du kannst dir dieses beschissene Zimmer leisten und ich mir nicht mal mehr ne lächerliche Dose Bier!“, schreit er und steht auf. Unruhig läuft er auf und ab und fährt sich mit den Händen durch die Haare.
 

Nervös knaupelt er auf seinen Fingernägeln, als er zu mir zurückkommt. „Komm schon, Hitsugi. Ich kann dir auch nur einen blasen.“ Er hockt sich zwischen meine Beine und fummelt an meiner Hose herum. Wieder halte ich seine Hände fest. „Kuina, hör auf. Ich kann dir kein Geld geben. Egal was du versuchst.“, sage ich und sehe ihn an. „Aber wieso denn nicht?“, will er von mir wissen. „Weil ich genau weiß, wofür du es ausgibst. Und ich bin hierher zurückgekommen, um dich davon wegzubringen und nicht um dir Geld für den Scheiß zu geben.“ „Schön!“, meint er jetzt wieder aufgebracht und steht auf. „Dann geh ich eben zum nächsten Penner, von dem ich AIDS oder sonst was bekommen kann!“ Er schlüpft in seine Schuhe und geht zur Tür. „Tschau!“, sagt er noch und knallt die Tür. Dann ist es wieder still in meinem Zimmer.
 

Zwei Stunden warte ich jetzt schon auf Kuinas Rückkehr. In der Weile habe ich 3 Flaschen Wein geleert. So betrunken war ich schon lange nicht mehr. Meine Gedanken kreisen nur um meinen Freund. Hätte ich ihm das Geld geben sollen? Wer weiß, an wen er jetzt geraten ist. Ich raufe mir die Haare und wanke zum Fenster. Das grelle Licht blendet mich. „Kuina, komm wieder her.“, murmle ich leise und schon klopft es an meiner Tür. Ungläubig drehe ich mich um. Das habe ich mir sicher nur eingebildet. „Hitsugi, mach auf.“, höre ich jetzt jedoch Kuinas Stimme.
 

Sofort stolpere ich zur Tür und reiße diese förmlich auf. Direkt drängt er mich zurück ins Zimmer und wir küssen uns. Jetzt lasse ich es auch zu. Ich bin so dankbar, dass ihm nichts passiert ist. Unbeholfen wanken wir zu meinem Bett, auf welches wir dann fallen. In der ganzen Zeit lösen sich unsere Lippen nicht voneinander. Fest presst er sein Becken auf meins, als er über mir auf dem Bett liegt, was mich zum stöhnen bringt. Der Stachel, in seiner Unterlippe, kratzt immer wieder leicht über meine Haut, was ein angenehmes Prickeln auf ihr hinterlässt. Manchmal streift er auch den, welcher sich immer noch in meiner Unterlippe befindet. Das Überbleibsel der vielen Piercings welche sich auch einmal in meiner Lippe befanden.
 

Kuina löst sich von mir und richtet sich auf. Ungeduldig öffnet er mein Hemd, um mich dann hochzuziehen und es mir von den Schultern zu schieben. Dann drückt er mich wieder hinunter und küsst meine Brust. Dabei leckt er auch kurz über jede der Brustwarzen. „Ich wollte das schon so oft.“, nuschelt er gegen die warme Haut. „Wieso hast du es dann nicht getan?“, will ich von ihm wissen. „Weil ich dumm war.“, nuschelt er leise. „Bring mich hier weg, Hitsugi.“, fleht er leise. Ich sehe ihn erst einen Moment irritiert an, nicke dann aber.
 

Am nächsten Morgen wache ich mit dem schlimmsten Kater seit langem auf. Ich setze mich langsam auf und reibe mir über die Schläfen. Langsam wende ich meinen Blick zur anderen Hälfte des Bettes. Der Sex mit Kuina war unglaublich schön. Unverzüglich ziehen sich meine Brauen zusammen. Kein Kuina! Ich lausche in die Stille, in der Hoffnung etwas aus dem Bad zu hören, aber nichts. „Nein Kuina.“, nuschle ich leise. Ich quäle mich aus dem Bett und gehe zu meiner Tasche. Ich entnehme ihr mein Portmonee und prüfe den Inhalt nach. Mein Geld ist weg, wirklich alles. Der kleine Gegenstand entgleitet meinen Händen und ich lasse mich auf das Bett fallen. Einen Arm lege ich resignierend über meine Augen. Er hat mich also doch nur verarscht. Ich weiß, zu was man fähig ist, wenn man dringend Geld braucht. Man kann jemanden anlächeln und ihm gleichzeitig ein Messer an den Hals halten. Und das hat er jetzt mit mir gemacht, seinem besten Freund. Ich hätte nicht gedacht, dass er wirklich soweit geht. Der Sex war wahrscheinlich nur das Trostpflaster für mich.
 

Ich will mich schon langsam damit abfinden, als plötzlich meine Tür aufgeht. Verwirrt sehe ich zu der Gestalt die auf einmal in meinem Zimmer steht. „Kuina?“, frage ich irritiert. „Morgen.“, sagt er und lächelt mich an. „Wie findest dus?“, will er von mir wissen und dreht sich leicht vor mir. Ich sehe ihn mir genau an. Er trägt ein weißes Shirt, welches ihm fast bis zu den Knien reicht, dazu eine schwarze Jeans und einen schwarzen Strickmantel, an dessen Kragen sich dunkler Kunstpelz befindet. „Ich dachte, ich kann da nich so abgeranzt auftreten, wo du mit mir hin willst. Ich hatte aber leider kein Geld mehr, deswegen musste ich mir was von dir leihen. Du bekommst es auch ganz bestimmt wieder.“, versichert er mir.
 

Ich stehe wieder auf und umarme ihn einfach. „Ich dachte du bist abgehauen.“, murmle ich leise. Jetzt umfangen mich auch seine Arme sanft. „Das wollte ich.“, gib er kleinlaut zu. „Ich hab Angst, Hitsugi.“ Ich drücke ihn sanft an mich, versuche ihm dadurch Halt zu geben. „Es wird alles gut, Kuina.“
 

Sofort an diesem Tag gingen wir zusammen weg. Schon auf der Fahrt hatte er Höhen und Tiefen. Der Entzug setzte ein und ich hatte keine Ahnung, ob ich ihn wirklich bis zum Ziel bringen würde.

Schon im Zug hatte ich mit der Klinik telefoniert, in welcher auch ich gewesen war. Sie versicherten mir, dass wir sofort einen Platz bekommen würden.

Es fiel mir sehr schwer ihn alleine in der Klinik zu lassen. Er jammerte, tobte und schrie, alles auf einmal. Es war kaum zu ertragen. Aber ich wusste, würde ich jetzt nachgeben, würde er zurückgehen, sich den nächsten Schuss setzen, dann wieder Reue zeigen und so weiter. Ein Teufelskreis würde daraus entstehen, den wir beide nicht aushalten könnten.
 

Ein Jahr ist seitdem jetzt vergangen. Ich habe Kuina sooft besucht, wie es mir möglich war. Es gab viele schlechte Tage, aber auch gute.

Heute kann ich ihn endlich abholen. Wir freuen uns schon das ganze Jahr, wie zwei Kinder, auf diesen Tag.

Ich warte in der Empfangshalle der Klinik, als er aus dem Fahrstuhl kommt und mich sofort entdeckt. Lächelnd kommt er auf mich zu. Kuina hat mittlerweile ein paar Kilos zugenommen, wodurch er um einiges gesünder aussieht, als noch vor einem Jahr. Das Lila ist aus seinen Haaren verschwunden, aber er hat mir schon angekündigt, dass er das wieder ändern will. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass sich an seinem Aussehen, hier in der Klinik, nichts geändert hat. Aber in ihm drin hat sich eine Menge verändert. Wir umarmen uns innig.
 

Nach einem Moment lösen wir uns wieder voneinander. „Komm, wir gehen nach Hause.“, sage ich lächelnd zu ihm, nehme seine Hand und verlasse mit ihm die Klinik. Jetzt können wir positiv in unsere gemeinsame Zukunft sehen.

Bittersweet

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von: abgemeldet
2014-02-23T09:18:55+00:00 23.02.2014 10:18
Waaahnsinn...
das ist echt gut geworden *-*

hätte allerdings nicht damit gerechnet, das Adam nach dem unfreiwilligen ersten Mal, Shota anrufen würde, um ein zweites freiwilliges Mal zu erleben...

alles in allem toll...
und ich wäre gern bei DEM Konzert dabei gewesen...
*ggg*

vielen lieben Dank für die Umsetzung ♥

Lieben Gruß
Aya-chan60 ^__^
XD
Von: abgemeldet
2014-01-17T17:46:13+00:00 17.01.2014 18:46
Das ist ein sehr ernstes Thema, welches Du sehr schön beschrieben hast.
Es war vollkommen richtig, das Hitsugi zu seinem Freund gestanden ist.
Auch konnte man es ihm nachfühlen, wie Kuina samt Geld verschwunden war, und die Freude darüber, das er wieder zurück kam.

Schön das die beiden nun in eine gemeinsame Zukunft gehen.

Lieben Gruß
Aya-chan60 ^__^
Von: abgemeldet
2014-01-04T18:18:15+00:00 04.01.2014 19:18
ich kann mir nicht helfen, aber Genki empfinde ich hier wie eine feige fxxxsüchtige Sxx...
*Überdetzung wenn gewünscht in einer ENS*
XD

Yo-ka tut mir echt leid...
denn wenn Genki von Anfang an mit offenden Karten gespielt hätte, wäre Y>o-ka das zerbrochende Herz erspart geblieben, denn dann wäre es nur angeknackst und er hätte sich überlegen können auf der selben Schiene wie Genki zu fahren
also best friends 4 benifits
(oder wie sich das schreibt)

Interessante Geschichte und auf jedenfall Mal wieder was anderes von Dir...
und lesens wert
*-*

Lieben Gruß
Aya-chan60 ^_^




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