Zum Inhalt der Seite

König und Bube

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Bube und König?

„Nai, pass' auf!“

Yogi sprang auf und legte seine Hand an seine Tasche, der nächste Schritt wäre wohl gewesen, seinen Degen zu beschwören und anzugreifen...

Aber das Erste, was Yogi auffiel, war, dass er sich auf einmal in einer völlig fremden Umgebung befand.

Er war nicht mehr auf dem offenen Feld mit angrenzendem Wald daran, sondern befand sich in einem großen Raum.

Zahlreiche kleinere Tische mit Stühlen und hübschen, teuer aussehenden Teeservices konnte er gleich erkennen, um die sich formschöne Sofas – wohl Markenmöbel – überaus ästhetisch schmiegten, große Fenster ließen viel Licht in den Raum fallen und gaben den Blick auf einen großen Hof mit vielen, hervorragend gepflegten Gartenelementen frei.

Mitten im Raum befanden sich außerdem vier ihm völlig fremde Menschen, die ihn verdutzt anstarrten.

„Boss?“, fragten zwei identisch aussehende Jungen – offenbar Zwillinge – wie aus einem Munde.

Ein kleiner Junge, mit honigblonden Haaren musterte ihn aus großen, braunen Augen heraus, wobei er ein niedliches, rosafarbenes Stoffhäschen im Arm hielt. Direkt neben ihm stand ein großer, ebenfalls wortloser junger Mann mit kurzen schwarzen Haaren, der nicht wirkte, als ob ihn das Geschehen sonderlich überraschte.

Jetzt war es an Yogi, überrascht zu wirken, sodass er einen Schritt zurückwich und dabei bemerkte, dass sich seine Kleidung verändert hatte. Er trug nicht länger seinen bequemen Lieblingspulli, sondern eher so etwas wie eine eng anliegende Uniform mit passender Hose, die seine Bewegungen zwar nicht wesentlich behinderten, aber im Vergleich zu seiner üblichen Tracht durchaus einschränkend wirkten.

„Ich, nun... wo ist das Badezimmer?“, fragte er nervös.

Er brauchte einen Moment Ruhe zum Nachdenken, und das ging nicht, wenn ihn die Blicke dieser Fremden so trafen. Nicht, dass es ihn großartig stören würde, die Aufmerksamkeit von Leuten auf sich zu ziehen, die er gar nicht kannte, aber dann wusste er in der Regel immerhin, was er eigentlich zu tun hatte...

„Ist alles okay mit dir, Tama-chan?“, fragte der kleine Junge besorgt.

Tama-chan? Ein niedlicher Spitzname, gewiss, aber wer sollte das sein? Und wieso hielten ihn diese Leute offenbar für ihren 'Tama-chan'?

„Ich weiß nicht... Irgendwie fühle ich mich gerade etwas komisch... ich glaube, ein Schluck Wasser würde mir gut tun.“

„Ist okay, Tama-chan, dann bringe ich dich mal ins Bad!“, verkündete der kleine Junge glücklich und nahm ihn schnell bei der Hand. Wie alt er wohl war? Yogi hatte viel mit Kindern zu tun, daher würde er ihn auf wenigstens 12 Jahre schätzen. Jepp, das müsste in etwa hinhauen.

Während sich Yogi nun von dem kleinen Jungen durch die Gänge führen ließ, versuchte er, sich möglichst unauffällig ein Bild von seiner Umgebung machen zu können. Die zahlreichen, üppig verzierten Kunstgegenstände an den Gängen sprachen für eine Institution, die Adlige oder zumindest Wohlhabende beherbergte. Es musste sich dabei wohl um eine Schule, Universität oder ähnliche Bildungseinrichtung handeln, schließlich befanden sich in den Gängen beinahe ausschließlich junge Menschen, zwischen etwa 14 und 18 Jahren – was dann wohl ein Kind wie sein Begleiter hier suchte? Vielleicht handelte es sich ja beim ihm um den Sohn eines Lehrers, oder einen Hochbegabten... nun ja, das sollte für den Moment erstmal nicht von Interesse sein.

Das Gebäude war erstaunlich groß, aber schließlich hatte er zusammen mit seiner Begleitung das Herrenbadezimmer erreicht, das gewiss keinerlei Ähnlichkeiten zu einer herkömmlichen Schultoilette aufwies. Gleich mehrere plätschernde Brunnen – wohl dazu da, einem Jugendlichen mit Harndrang zu einer rascheren Erleichterung zu verhelfen, und formschön waren sie ja auch noch – gingen ihrem Tagewerk nach und große, himmelblaue Kacheln bedeckten die Wände lückenlos.

Sofort trat Yogi an den großen Wandspiegel, der horizontal über einer Reihe von mindestens zehn Waschbecken hing, allerdings ohne hineinzusehen und wusch sich dort erst einmal gründlich das Gesicht.

Rasch blickte er, nachdem er fertig war, in den Spiegel – allerdings nur, um festzustellen, dass er sich nicht verändert hatte. Noch immer trug er die selben blonden Locken, hatte dieselben fliederfarbenen Augen und dasselbe charmante Lächeln, zu dem er sich jetzt des Testes halber gezwungen hatte.

Lediglich seine Kleidung hatte sich verändert.

Wie konnte man ihn denn nur so dermaßen verwechseln?

Ratlos blickte sich Yogi gut im Badezimmer um – der kleine Junge schien sein Vergnügen daran gefunden zu haben, jetzt an einem der Brunnen zu spielen – und machte eine erstaunliche Entdeckung.

An der Wand hing ein eingerahmtes Foto, das einen blonden Jungen mit strahlend blauen Augen zeigte, der die Arme ausbreitete, so als ob er den Betrachter dies Bildes umarmen wollte. In der Hand des Jungen befand sich ein kleiner Schlüssel mit einem waschbeckenförmigen Anhänger daran, ganz so, als ob er das Badezimmer eigenhändig erbaut hätte.

Dem Auge schmeichelte es allemal.

Jetzt konnte Yogi auch besser verstehen, wieso alle meinten, er sei dieser Tama-chan... er sah dem Jungen auf dem Bild erschreckend ähnlich. Vielleicht bestanden da drei, vier Jahre Altersunterschied, aber viele unterschätzten das Alter Yogis, insofern war das noch immer nicht abwegig.

Das war ja direkt unheimlich... Yogi wusste, dass er keine Verwandten in dem Alter haben konnte, wie kam es also, dass sie einander zum Verwechseln ähnelten?

Nun ja, ganz gleich was es war, es war den Schülern wirklich nicht zu verübeln, dass sie ihn für diesen Tama-chan hielten.

Aber, ganz ungeachtet dieser Tatsache – was konnte Yogi am besten tun, um mit seiner Situation umzugehen?

Alle Indizien zusammengenommen ergaben, dass Yogi offenbar irgendwie mit Tama-chan den Platz getauscht haben musste... was erklärte, wieso der nirgendwo aufzufinden war und alle Schüler ihn scheinbar mit Yogi verwechselten.

Er hatte also genau zwei Möglichkeiten, wie er weiter verfahren könnte. Entweder, er erzählte zumindest diesen vier Leuten aus dem Raum, in dem er erwacht war, was Sache war und hoffte darauf, dass sie ihm würden helfen können, oder aber er versuchte, in die Rolle von Tama-chan zu schlüpfen und seinen Platz zumindest so lange einzunehmen, bis er selber wusste, was eigentlich los war.

Hm...

Zumindest sein Aussehen würde ihn bei Zweiterem unterstützen. Und wer weiß, vielleicht würde es ja Spaß machen, einmal in die Rolle eines anderen als Nyanperowna zu schlüpfen? Schließlich liebte er die Schauspielerei!

Er müsste nur vorher ein wenig mehr über Tama-chan in Erfahrung bringen, etwas über sein Verhalten, seine Redensweise... vielleicht würde ihm die Einsicht in ein Jahrbuch helfen.

Dabei durchzog es Yogi auf einmal eiskalt.

Bei aller Euphorie für seine neue, spannende Situation, war das nicht eigentlich unangebracht?

Schließlich hatte er doch an der Seite von Nai, Gareki und Tsukumo-chan gekämpft... Aber der Varuga wirkte nicht gefährlich. Bestimmt würden sie zurecht kommen, zumindest musste er das hoffen, solange er ihnen nicht beistehen könnte.
 

„Hilfää!“

Panisch rannte Tamaki durch das dichte Unterholz und Dickicht, das ihn unbarmherzig am Rennen hindern wollte. Wie unschwer zu erkennen, war er mit seiner merkwürdigen Situation völlig überfordert: Erst wachte er in einer fremden Umgebung und mit fremden, komischen Klamotten auf, dann waren da auch nur ihm unbekannte Menschen, die ihn mit 'Yogi' ansprachen und dann kam auf einmal auch noch ein riesiges Monster zu ihm, das ihn attackieren wollte!

„Wir müssen Nai beschützen!“, hatte ein Junge mit schwarzen Haaren und Fliegerbrillen zu Tamaki gesagt, ehe er der Szene entflohen war... und wer würde ihn beschützen ?!

„Yogi, jetzt bleib verdammt nochmal stehen!“, herrschte der Junge wieder, der ihn verfolgte.

Unter herkömmlichen Umständen hätte man noch ein 'mühelos' hinzufügen können, aber das wäre eine Lüge gewesen, da die Angst in den sonst eher unsportlichen Tamaki ungeahnte Kräfte freisetzte.

„Pass gefälligst auf, Yogi!“, hörte Tamaki auf einmal die Stimme eines Mädchens dicht neben sich und konnte gerade noch wahrnehmen, wie ein Rauschen direkt neben seinem Ohr vorbeizischte. Ein schrilles Quieken ertönte, neben Tamaki stürzte etwas zu Boden und er stolperte über eine Wurzel, die er zu spät registrierte.

Er kullerte einige Meter über den Waldboden, ehe er benommen liegen blieb.

„Yogi! Das sieht dir aber gar nicht ähnlich, wieso bist du in so einer erbärmlichen Verfassung?“, fragte das Mädchen gereizt und zog ihn am Kragen wieder auf die Beine.

„Du kannst von Glück reden, dass der Varuga diesmal nicht minder erbärmlich war!“

„Wer ist Yogi?“, fragte Tamaki, vor dessen Augen sich noch immer alles drehte.

Langsam aber wurde sein Blick wieder klarer und er konnte direkt in die türkisblauen Augen des Mädchens mit der hübschen Frisur von außergewöhnlicher Farbe vor ihm sehen, die auch im Dunkeln hervorragend zu erkennen waren..

Das nächste, was er sah, waren allerdings bloß Sternchen.

„Geht's dir noch gut? Yogi! Bist du auf den Kopf gefallen, oder was? Du bist ja noch schlimmer als sonst, völlig daneben!“

„Ich weiß nicht, wer ihr seid, aber mein Name ist Suoh Tamaki und ich habe keine Ahnung, wo ich hier bin!“

Das Mädchen trat ungläubig ein Stück näher an ihn heran und musterte ihn genau.

Der Ausdruck in ihrem Gesicht veränderte sich nicht, allerdings trat sie dennoch einen Schritt zurück und blickte Tamaki skeptisch an.

„Wieso trägst du Yogis Kleidung?“

Jetzt hatten sich auch die beiden Gefährten des Mädchens zu der Gruppe gesellt, ein kleiner Junge mit zerzausten weißen Haaren und großen, rotorangefarbenen Augen, ein Mädchen mit langen blonden Haaren, die in zwei Zöpfen kunstvoll zusammengebunden waren und der Junge mit der Fliegerbrille von zuvor.

Die Augen des Mädchens verengten sich zu misstrauischen Schlitzen.

„Wer bist du?“

„Das habe ich doch schon erklärt!“, beeilte sich Tamaki, der sich in dieser Umgebung langsam aber sicher bedroht vorkam.

„Mein Name ist Suoh Tamaki, ich komme aus Japan und bin ohne mein Zutun auf einmal in diese merkwürdige Umgebung geraten! Sowohl französisches als auch japanisches Blut fließt durch meine Adern, ich bin 180 cm groß und-“

„Genug der Informationen“, entschied das blonde Mädchen.

„Und... was sollen wir jetzt machen?“, fragte Nai vorsichtig.

Tamaki schluckte.

Tatsache war, dass er in einer fremden Umgebung vor misstrauischen Menschen stand, und offenbar in die Kleidung eines ihrer Kameraden gehüllt war.

Das Mädchen mit den blauen Haaren schien zudem auch noch eine letale Waffe bei sich zu haben... mehr, als zu versuchen, ihnen zu erklären, was er erlebt hatte, konnte er wohl nicht tun.

„Der Varuga erschien schwach...“, überlegte das Mädchen dann laut.

„Vielleicht war er eigentlich nicht schwach, sondern hatte all seine Stärke in einer verborgenen Fähigkeit konzentriert... die er dann bei einem Angriff eingesetzt hat...“

Sie betrachtete Tamaki prüfend.

„Das könnte die Ursache dafür sein, dass ein kampfunfähiger Hallodri wie du plötzlich anstelle von Yogi hier ist.“

„H-Hallodri ?!“

„Tja, aber wie es auch ist, jetzt müssen wir herausfinden, wie wir das ändern können“, schlug das blonde Mädchen vor.

„Hast du eine Idee, Gareki?“, fragte der Junge mit den weißen Haaren den mit der Fliegerbrille.

„Wir könnten Dr. Akari fragen. Allerdings weiß ich nicht, was er mit Suoh anstellen würde, um herauszufinden, wie genau er hergebracht wurde...“, schürte Gareki nicht gerade Zuversicht in Tamaki.

„B-Bitte lasst mich leben, ich will doch nur nach Hause!“

„Das wird ohnehin warten müssen“, verkündete das blonde Mädchen.

„Wie meinst du das, Tsukumo-chan?“, fragte der kleine Junge wieder.

„Morgen ist die Weihnachtsvorstellung von Circus“, erklärte Tsukumo.

„Alles ist im Voraus groß angekündigt worden und wir müssen es morgen machen, da können wir es uns jetzt nicht leisten, das zurückzuziehen, Nai, Kiichi.“

„Und was machen wir ohne Yogi?“, fragte Kiichi sichtlich genervt.

„Ich werde bestimmt nicht dieses blöde Katzenkostüm anziehen. Großartig, eine Aufführung, zu der er eigentlich nichts falsch machen kann und dann ist er nicht da... Große Klasse.“

„Dürfte ich vielleicht meine Hife anbieten, Madame?“, fragte Tamaki und versuchte, dabei seinen Charme spielen zu lassen, allerdings war ihm seine Nervosität nur zu deutlich anzumerken.

„Meine bescheidenen Fähigkeiten mögen einer Dame eures Kalibers“, er warf einen nervösen Seitenblick auf ihre immer noch angriffsbereite Sense, „zwar nicht angemessen erscheinen, aber dennoch will ich mein Bestes geben, wenn es der guten Sache dient. Was soll ich tun?“

Langsam fing sich Tamaki wieder und lenkte sich auch selbst gekonnt von der Tatsache ab, dass es gerade eben noch um jemanden ging, der ihn vermutlich sogar bei lebendigem Leibe Schaden zugefügt hätte... grauslicher Gedanke.

„Kommt drauf an, hast du genug Grips, in einem Ganzkörper-Katzenkostüm Süßigkeiten an kleine Kinder zu verteilen?“, fragte Kiichi so, als hielte die Tamaki für bescheuert.

Er bemühte sich aber, sich nichts anmerken zu lassen.
 

„Oh Tamaki, du bist heute ja noch viel besser gelaunt als sonst“, stellte eine blonde Kundin mit dem Namen Nami fest.

„Beinahe, als wärst du ein ganz anderer Mensch.“

„Oh, es ist dir also aufgefallen, Nami-chan?“, fragte Yogi mit gespielter Bewunderung.

„Bemerkenswert.“

Daraufhin lächelte er anerkennend.

„Nun ja, in den letzten Tagen habe ich viel nachgedacht und man könnte beinahe sagen, ich wäre jetzt ein ganz anderer Mensch.“

Es war Yogi erstaunlich leicht gefallen, in die Rolle von Tamaki Suoh zu schlüpfen, einem Frauenmagnet ohnegleichen und offenbar Sohn des Schulleiters.

Viel mehr als sich mit eleganten Worten auszurücken und eine unwiderstehliche Wirkung auf Frauen auszuüben, schien der Gute auch nicht zu können.

Und das Gute daran war, dass es für Yogi nicht einmal anstrengend war, sich entsprechend zu verhalten und nebenbei über sein Problem nachzudenken.

Seine Erinnerung kehrte, nachdem er sie durch den Schockmoment kurzzeitig verloren hatte, nun partiell zurück und er erinnerte sich immer deutlicher daran, was passiert war, bevor er sich in diesem noblen Etablissement wiedergefunden hatte.

Da war dieser kleine Varuga gewesen, eigentlich sah er aus wie ein herkömmlicher Marderhund, bloß mit einer großen, grün funkelnden, edelsteinartigen Halbkugel auf seinem Rücken.

Eigentlich sofort war Yogi klar gewesen, dass das die Quelle seiner Lebenskraft sein musste, schließlich hatte er schon zahlreiche Varuga gesehen, wesentlich mehr, als ihm lieb waren. Daher hatte er auch gleich mit seinem Degen zugestochen und den Edelstein sauber durchbohrt. Nai hatte sich ihm genähert und der Varuga hatte auf einmal schrill aufgeschrien und...

Und...

..und was war danach passiert?

„Nami-chan, wie wär's?“, konnte Yogi auf einmal die Stimme von Hikaoru vernehmen – so würde er beide Zwillinge vorerst bezeichnen, da er sich ohnehin nie sicher sein konnte, wer wer war.

„Möchtest du mit uns das Wer-von-uns-Beiden-ist-Hikaru-Spiel spielen?“

„Ist alles in Ordnung mit dir, Tamaki?“, wandte sich Nami allerdings erstmal an Yogi.

„Du wirkst so, als wäre dir gerade etwas Wichtiges wieder eingefallen...“

„Oh, das soll dich nicht belasten, werte Nami-chan“, erklärte Yogi schnell.

„Geh' nur und vergnüge dich mit den Zwillingen, ich bin mir sicher, nächstes Mal werde ich wieder voll und ganz für dich da sein können.“

Während Yogi die letzten Worte sprach, hatte er sich Nami vorsichtig angenähert und sah ihr nun tief in die braunen Augen.

Beinahe augenblicklich wurde sie rot und versuchte, dem Blick Yogis stand zu halten.

„Tamaki... seit wann sind deine Augen purpurn?“

Yogi blinzelte erstaunt.

Nami war die erste Kundin, die er betreute, der das aufgefallen war, oder zumindest die erste, die danach fragte.

So sehr er sich auch über diese Art von Aufmerksamkeit freute...

Was sollte er nun auf diese Frage antworten?

„Tamaki?“, rief dann, als würde er merken, was los war, Haruhi nach ihm.

„Kannst du mal herkommen? Du wirst hier für einen Moment gebraucht.“

„Oh, es tut mir Leid, Nami-chan, aber ich werde erst einmal nach meinem Kollegen sehen, in Ordnung? Ich werde auf der Stelle zurück sein.“

Nami blickte ihm zögerlich nach, als Yogi aufstand – er konnte regelrecht ihren Blick im Nacken spüren – aber schnell gesellten sich die Zwillinge zu ihr, sodass Yogi zusammen mit Haruhi ohne Weiteres im Nebenraum verschwinden konnte.
 

„Du bist nicht Tamaki“, brachte Haruhi sofort heraus, was ihr aufgefallen sein musste.

„Oh, aber ich-“

„Ich frage mich ehrlich gesagt, wieso das niemand anderes merkt...“

„Nami-chan stand auch kurz davor.“, erklärte Yogi schnell.

„Wieso gibst du dich dann für ihn aus?“, fragte Haruhi und blickte Yogi aus ihren großen Augen an.

Sie wirkte nicht misstrauisch, sondern wirklich, als wolle sie versuchen, seine Situation zu verstehen.

„Hach... das ist gar nicht so einfach. Ich bin einfach in diese Situation reingeschlittert und versuche selber noch, herauszufinden, was eigentlich passiert ist. Und bis es soweit ist, nehme ich den Platz der Person ein, die mir sehr ähnelt und an meiner Stelle scheinbar verschwunden ist.“

„Das stimmt.“

Haruhi schien zu überlegen.

„Er ist weg, seitdem du hier bist...“

„Yogi“, stellte sich Yogi kurz und knapp vor.

„..Yogi“, wiederholte Haruhi.

Beide blickten einander kurz an und Yogi versuchte recht hilflos, Haruhis Blick zu deuten.

„Ich werde versuchen, dir zu helfen“, erklärte Haruhi dann zu Yogis Überraschung.

„Kannst du dich daran erinnern, was passiert ist, bevor du dich im Musikzimmer der Ouran wiedergefunden hast?“

Kurz und bündig erzählte Yogi, was ihm noch einfiel, allerdings ersetzte er den Varuga in seiner Erzählung durch ein „fremdes, magisches Geschöpf“ und bezeichnete Nai als niedlichen, normalen kleinen Jungen. Es war nicht so, dass er Haruhi misstraute, aber ihre Welt war offensichtlich eine völlig andere und er hielt es für unangemessen, sie jetzt mit solchen schlimmen Dingen zu konfrontieren.

Haruhi überlegte kurz und blickte Yogi an, als würde sie in seinen Augen nach der Antwort auf ihre Frage suchen, aber auch ihr fiel nichts rechtes ein.

Ein stechender Schmerz durchzog auf einmal Yogis Schläfe.

Er fasste sich schnell an den Kopf und versuchte, es zu unterdrücken, aber der Schmerz wurde immer penetranter.

„Was ist los?“, fragte Haruhi sofort, aber Yogi konnte ihr kaum antworten, da er es selbst nicht wusste.

Was war das für ein Schmerz? Es fühlte sich beinahe an, als würde ihn jemand mit aller Gewalt an den Haaren ziehen...
 

„Nyanperowna, Nyanperowna!“

Glücklich umringten die Kinder den kostümierten Tamaki, der sichtlich Spaß daran hatte, die Süßigkeiten zu verteilen.

Natürlich war es ziemlich warm unter dem Ganzkörperkostüm, aber wer andere glücklich machen wollte, der musste eben auch ein paar Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen.

„Fast wie ein Profi“, kommentierte eine Stimme direkt neben Tamaki, die sich wie die von Kiichi anhörte.

„Ich würde gar keinen Unterschied von dir zu Yogi feststellen, wenn ich es nicht wüsste. Wenn du ein wirkliches Talent haben solltest, dann müsste es die Rolle von Nyanperowna sein!“

Tamaki konnte nicht ganz einordnen, ob das ein ehrliches Lob sein sollte oder sich das Mädchen eigentlich nur über ihn lustig machte, daher entschied er, einfach nur zu nicken.

„Wenn ich jetzt bloß noch wüsste, was getan werden muss, um Yogi zurückzuholen...“

Auch wenn Tamaki für den Bruchteil einer Sekunde überlegt hatte, ob er die Rolle der Nyanperowna nicht öfter spielen könnte, aber es versetzte ihm einen Stich in das Herz, sich vorzustellen, wie todtraurig seine kleine Haruhi sein musste, wenn sie in nie wieder würde sehen können. Auf ihre Art waren Kiichi und auch Tsukumo zwar auch sehr niedlich, aber sie waren eben nicht Haruhi.

„Kiichi-chan...“

„Kiichi reicht“, brummte sie schnell.

„Ich möchte wieder nach Hause.“

„Ja, das hast du schon erwähnt. Gleich morgen können wir zu Dr. Akari gehen, vielleicht kann der was für dich tun, Hündchen.“

„H-Hündchen?“

„Du verhältst dich wie ein geprügelter Hund, den man vor die Tür gesetzt hat. Nichts für ungut.“

Mit einem Seufzer lehnte sich Tamaki gegen eine Wand und nahm die Maske ab, nachdem er sichergestellt hatte, dass keine Kinder mehr in der Nähe waren.

Jetzt, da seine Haare von der Hitze in dem Kostüm völlig zerzaust waren, sah er Yogi noch viel ähnlicher als vorher.

„Man könnte fast meinen, du wärst es wirklich... du siehst ihm sehr ähnlich“, meinte Nai, der sich der Gruppe genähert hatte und Tamaki nun schüchtern anblickte.

Mit seinen großen Augen und dem unschuldigen Blick erinnerte er wirklich sehr stark an Honey...

Plötzlich spürte Tamaki, wie die Erinnerung an den Host Club furchtbare Schmerzen in seinem Herzen auslöste. Erst dachte er, das wäre bloß, weil er sie alle so vermissen würde, aber das konnte es nicht sein. Der Schmerz nahm immer weiter zu und zwang Tamaki dazu, sich auf den Boden zu setzen und abzustützen.

„Hey, was hast du?“, fragte Nai erschrocken.

„Brauchst du vielleicht was zu trinken? Oder hast du Hunger? Was ist los mit dir?“

Tamaki konnte ihm nicht antworten. Er brachte kein einziges Wort mehr heraus.
 

„Ganz offenbar“, erläuterte Dr. Akari seinem Zuhörer, Tsukitachi, „verfügte dieser Varuga über die seltene Fähigkeit, kurzzeitig Portale zwischen zwei völlig fremden Dimensionen zu öffnen, sobald die konzentrierte Magie auf seinem Rücken zerstört wird. Das hat er genutzt, um Yogi durch Suoh Tamaki zu ersetzen, warum auch immer. Es erschließt sich mir nicht, aber immerhin eines lässt sich noch sagen: Der Varuga hatte seine Fähigkeit noch nicht vollständig entwickelt und das Portal, das derzeit beide Beteiligten gegeneinander ausgetauscht hält, wird bald zusammenbrechen und beide wieder in ihre eigenen Dimensionen schicken. Wenn das passiert, werden sie wohl kurz spüren, wie sie in der vierten Dimension durch das Portal gezogen werden, aber danach sollte alles wieder beim Alten sein.“

Tsukitachi atmete kurz durch, schließlich war es anstrengend, Dr. Akari so lange zuzuhören, aber immerhin waren es gute Neuigkeiten.

„Yogi wird bald zu uns zurückkehren, ebenso wie Suoh Tamaki in seine Welt zurückkehren wird, obwohl es noch unklar ist, ob sie die Erinnerung an dieses Erlebnis behalten werden.“
 

„Haruhi?“, fragte Yogi und war erstaunt, aber auch erleichtert, dass es nicht Haruhi, sondern Nai war, der ihn anblickte.

„Yogi, du bist wieder zurück!“, freute er sich und umarmte Yogi stürmisch.

„Wer ist Haruhi?“, fragte Kiichi misstrauisch.

„Du hast doch in er anderen Dimensionen nicht etwa mit einem Mädchen angebandelt, oder?“

„Nein, ganz bestimmt nicht!“, erklärte Yogi schnell.

„Um ehrlich zu sein, ich... ich kann mich an nichts erinnern. Da war dieser Name, Haruhi.. und Nami...aber ich weiß nicht, wer sie waren. Ich erinnere mich nicht einmal mehr an ihr Äußeres.“

„Auf zu Dr. Akari“, bestimmt Tsukumo.

„Wir lassen ihn überprüfen, dass mit dir auch alles in Ordnung ist, dann kannst du wieder auf deinen Posten zurückkehren.“

„Und wehe, du vermasselst es schon wieder!“, schimpfte Kiichi.
 

„Tamaki, du bist zurück“, stellte Haruhi fest und schenkte ihm als Begrüßung ein warmes Lächeln.

„Oh, meine kleine Haruhi... wenn du wüsstest, wie sehr ich mich freue, dich zu sehen!“

„Chef!“, unterbrach Kaoru – oder doch Hikaru? - die Wiedersehensfreude der Beiden.

„Nami hat darum gebeten noch einmal mit dir reden zu dürfen, sie hatte das Gefühl, es bedrücke dich etwas...“

„Wir werden später miteinander reden könne, Haruhi“, meinte Tamaki fix.

Dann streckte er zögerlich seine Arme aus und legte sie um sie. Haruhi erwiderte seine Umarmung nach kurzem Zögern. Sie hatte sich bestimmt auch Sorgen um Tamaki gemacht...

„Deine Augenfarbe ist wieder normal“, stellte Nami gleich fest und lächelte erleichtert.

„Ich hatte schon befürchtet, du hättest dir irgendetwas eingefangen.“

„Ich kann dir ganz genau erzählen, was sich heute zugetragen hat verehrteste Nami-chan.“, erklärte Tamaki und legte einen Arm um sie.

„Ich hoffe, du hast ein wenig deiner kostbaren Zeit mitgebracht.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück