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Der König der Löwen

Wir sind Eins
von

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Zurück in den Alltag

Alte Erinnerungen

Ein fernes Geräusch zeugte von Wasser, aber es war nicht das sanfte Plätschern eines Bachs sondern das Donnern eines reißenden Stroms. Trotzdem war hier weit und breit keine einzige grüne Pflanze zu sehen. Es schien, als würde sich das Gras weigern, zu wachsen, sowie der Boden sich weigerte, Wasser aufzunehmen.

Vier Gestalten zeichneten sich schemenhaft gegen die Morgendämmerung ab. Als erstes war eine junge Hyäne zu erkennen, die aufgeregt jeden einzelnen Knochen des Elefantenfriedhofs beschnüffelte. Hinter ihr marschierten drei gleichaltrige Erwachsene.

Auf dem dunkelgrauen Fell der Kleinen waren noch nicht die typischen Punkte zu erkennen, aber zwischen ihren Ohren markierten einige vereinzelte Haare schon die Stelle, die später mal eine kurze schwarze Mähne schmücken würde. Schließlich hob sie aufmerksam den Kopf, so als hätte sie gerade erst erkannt, dass es auf dem Elefantenfriedhof zu viele Knochen gab, um sie alle zu untersuchen.

»Was gibt es heute zu essen?«, fragte sie an die Erwachsenen gewandt.

»Das werden wir am Abend sehen.« Shenzi hatte vor ihr angehalten und den Kopf gesenkt, sodass sie sich von Angesicht zu Angesicht unterhalten konnten.

»Ich habe aber jetzt Hunger! Warum bleiben wir denn nicht einfach auf der anderen Seite des Flusses? Da ist es doch viel schöner.«

»Das geht nicht.« Shenzi richtete sich wieder auf, um das Thema abzuschließen, aber die Kleine ließ das nicht zu.

»Warum nicht.«

»Es gibt zu viele Tiere, die uns dort nicht haben wollen.«

»Warum das denn?«

»Weil wir anders sind.«

Damit hatte Shenzi sie nun endlich zum Nachdenken gebracht. Gestern war die Kleine zu ihrer ersten Fleischmahlzeit zum ersten Mal im Geweihten Land gewesen. Bisher kannte sie also nur Hyänen, Antilopen und die Vögel, die manchmal über dem Elefantenfriedhof kreisten.

»Mag man dort denn keine Tiere, die anders aussehen?«

»Man, das nervt! Wir haben echt andere Probleme.« Banzai schritt davon, während ihm Ed in einem hysterischen Lachanfall folgte. »Halt die Klappe, Ed!«

Shenzi ließ sich davon nicht beirren und wandte sich wieder ihrem Schützling zu: »Er hat Recht, Asante. Es gibt wichtigere Dinge, um die wir uns kümmern müssen.«

»Was denn? Kann ich helfen?« Die Aussicht, womöglich eine Aufgabe zu bekommen, schien neue Energien in Asante zu wecken.

»Äh, sieh mal ...« Das hatte Shenzi damit zwar nicht beabsichtigt, aber noch während sie zögerte, kam ihr eine Idee. »Weißt du, unser Abendessen gestern, das war eine Ausnahme. Lange bevor du geboren wurdest, war hier alles viel einfacher. Die Hyänen waren frei und wir durften jagen, wann, wo und was wir wollten. Dann gab es im Geweihten Land einen neuen König und wir wurden fortgeschickt.«

Asantes Augen wurden mit jedem Satz, den sie hörte, größer. »Einfach so?«

»Keine Sorge, wir haben auch schon davor hier gelebt. Aber vor einiger Zeit sind auf einmal so viele Tiere ins Geweihte Land gekommen, dass es fast nicht mehr möglich ist, dort unbemerkt zu jagen.«

»Heißt das, es gibt heute Abend keine Antilope?«

»Ich würde alles dafür tun, das weißt du. Aber ich fürchte nein.«

Eine tiefe Enttäuschung trat auf Asantes Gesicht und sie ließ die Schultern hängen. Die köstliche Mahlzeit sollte also einmalig gewesen sein? Und das nur, weil die anderen Tiere sie nicht mochten?

»Also, ich möchte, dass du jagen gehst. Wenn du dich etwas umsiehst, findest du sicher ein paar Mäuse.«

»Du meinst, ich soll –«

»Ja«, entgegnete Shenzi ruhig, »und du musst uns auch nichts mitbringen – es ist schon genug, zu wissen, dass hier zumindest eine satt ist.«

Asante wollte sich schon auf den Weg machen, da kam ihr anscheinend ein Gedanke und sie drehte noch einmal den Kopf zurück.

»Mama?«

»Du sollst mich nicht so nennen und das weißt du auch!«

»Entschuldigung ... Shenzi?«

»Ja?«

»Warum? Warum wollen uns die anderen Tiere nicht bei sich haben? Ist es, weil wir anders aussehen?«

Ihr Versuch, vom Thema abzulenken war offensichtlich fehlgeschlagen. Shenzi hätte nur zu gerne die Wahrheit erzählt, aber sie konnte nicht. »Du wirst es verstehen, nicht jetzt und auch nicht heute aber irgendwann.«

»Und dann mache ich, dass es aufhört!« Fest von sich überzeugt leckte Asante Shenzi zum Abschied am Bein. Dann wandte sie sich um, stürzte davon, sprang über einen kleinen Haufen Knochen und war verschwunden.

»Wie lange willst du es ihr noch verheimlichen?« Banzai stand wieder direkt hinter Shenzi, während Ed neben ihm mit heraushängender Zunge den Kopf schief legte.

»So lange wie nötig. Sie hat etwas Besseres verdient!«

»Aber warum sie?«

Shenzi schaute zurück auf den Knochenberg. »Sie erinnert mich an die alte Zeit. Wenn wir Glück haben und sie richtig vorbereiten, kann sie allen hier die Kraft geben, die sie brauchen.«
 

First world problems

Die Tage vergingen und auf das erste große Unwetter folgte bald ein Weiteres. In dieser Zeit schlugen die Jägerinnen nur selten Beute, was die Nahrung knapp werden ließ. Selbst die Kinder hatten unter diesen Umständen ein wenig von ihrer spielerischen Energie eingebüßt, einzig und allein Nuka wirkte unverändert.

Nach dem dritten erfolglosen Jagdabend in Folge war Tojo schon früh morgens zu einem ausgiebigen Spaziergang aufgebrochen. Trotz seines langen Trainings mit Tama hielt er nachwievor nicht viel vom Jagen und außerdem war sein Platz anderswo, nämlich genau hier, auf Streife. Mittlerweile hatte er schon Simba und ein weiteres Mal Mheetu mitgenommen, wodurch für ruhige Rundgänge nur noch der Tag übrig blieb.

Trotzdem war er nicht enttäuscht, als er in der Nähe der nördlichen Schlucht ein leises Rascheln aus der Richtung zum Königsfelsen hörte. Es hätte alles sein können, aber Tojo hatte einen ganz speziellen Verdacht, also schätzte er grob die Richtung ein, aus der das Geräusch gekommen war. Anschließend hob er vorsichtig den Kopf über die Spitzen des Savannengrases. Tatsächlich schlich etwas vom Königsfelsen weg und nach den Halmen zu urteilen, die es bewegte, war es wahrscheinlich eine Löwin.

Tojo spielte dieses Spiel schon viel zu lange, aber so ein Glück wie jetzt hatte er noch nicht gehabt – sie hatte ihn anscheinend noch nicht bemerkt. Viel nachzudenken gab es nicht, so eine Gelegenheit musste er einfach ausnutzen, also nahm der die Verfolgung auf.

Schon kurze Zeit später konnte er eine braune Schwanzquaste vor sich sehen. Er schnappte kurzerhand danach und genoss den überraschten Aufschrei, bis ihm auffiel, dass er sich geirrt hatte.

»Tu' das nie wieder!«

»Nala!« Er ließ sie schnell wieder los und sprang an ihre Seite. »Tut mir echt Leid. Ich hab' dich verwechselt.«

Nala antwortete nicht, sondern legte sich behutsam auf die Seite.

»Habe ich dir wehgetan?«

»Kopa hat schon mit drei Monden stärker zugebissen. Nein, das ist es nicht.«

Als sie begann, mit der oben liegenden Vorderpfote ihren geschwollenen Bauch abzutasten, traf Tojo die Erkenntnis wie ein Schlag. Nala war schwanger, hochschwanger sogar. Lange konnte es eigentlich nicht mehr dauern.

»Ach, deine Jungen! Ich hoffe nur, ihnen ist nichts passiert.« Er machte einen vorsichtigen Schritt auf sie zu und war erleichtert, als sie nicht protestierte.

Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie die Augen geschlossen hatte und ihn gar nicht bemerkte. »Nein, es geht ihnen gut. Ich kann sie beide fühlen.«

»Beide? Woher weißt du, dass es zwei sind?«

Tojo hatte wohl genau das richtige Thema angeschlagen, denn Nala schien den Vorfall schon wieder vergessen zu haben vor lauter Hingabe. »So viel Energie kann unmöglich in einem einzelnen stecken«, schnurrte sie. »Versuch' es doch selbst.«

»Du meinst ...?«

»Ja, nur zu.«

Etwas unsicher trat Tojo vor sie und hob eine Vorderpfote. Ganz sachte, so als würde er versuchen, sie auf Wasser aufzusetzen, legte er sie an. Es dauerte nur einen Augenblick, bis ihm ein überraschter Aufschrei entfuhr: »Da war was!«

»Ja, ich habe es auch gespürt.« Nala zitterte und ihre Augen leuchteten förmlich vor unbändiger Freude, aber der Anblick machte Tojo irgendwie nervös.

Er musste ehrlich zugeben, dass er so ein Glück wohl nie auf einem seiner Spaziergänge erleben würde. Jetzt verstand er auch Nalas Aufforderung von gerade eben, denn es war viel schöner, wenn man es teilte.

»Wann wirst du uns denn verlassen?« Die Frage war ihm herausgerutscht. Tojo wusste nämlich, dass die Löwinnen damit am liebsten für sich blieben. Auch Zira hatte es vorher niemandem gesagt, sondern war vor drei Tagen einfach verschwunden.

Die prompte Antwort kam deshalb umso überraschender: »Ist schon geschehen.«

»Ach so. Dann habe ich dich also erwischt, als du gerade abhauen wolltest«, entgegnete er neckisch.

»Nein, ich wollte vorher noch kurz zu dir.« Nala sah ihm einen langen Moment tief in die Augen, so als suchte sie etwas, ehe sie fortfuhr: »Es gibt da zwei Dinge, die ich so eigentlich nict zurücklassen will. Also –«

»Warte mal! Warum kommst du damit zu mir?«

»Hör' mir einfach zu, dann wirst du es schon verstehen. Also zuerst einmal wäre da Tama. Seit Sarabis Tod versucht sie alles, um an Beute zu kommen.«

»Sie ist auch eine gute Jägerin«, warf Tojo ein.

»Sie ist eine unserer Besten, aber das spielt keine Rolle. Als Leitlöwin hat sie andere Aufgaben.«

»Was meinst du damit?«

»Die letzten Male war sie viel zu sehr mit der Beute beschäftigt. Sie weiß, dass sie diesen matschigen Boden nicht so gut einschätzen kann, aber deshalb sollte sie uns nicht da raushalten. Sie muss uns nichts beweisen. Ich habe schon mit Mutter darüber gesprochen – sie hat mehr Erfahrung mit diesen Bedingungen und wäre bereit, ihr ein paar Tipps zu geben.«

»Und was hat das mit mir zu tun?«

»Es fällt niemandem leicht, Hilfe anzunehmen und Tama traue ich das momentan nicht zu. Kannst du deshalb mit ihr reden? Jemand muss sie davon überzeugen, dass sie welche braucht.«

»Ich? Warum sollte gerade ich das schaffen?«

»Weil du damals direkt zu ihr bist, als du Hilfe mit Siri gebraucht hast. Wenn sie auf jemanden hört, dann auf dich.«

»Woher –« Weiter kam Tojo nicht, denn Nala verpasste ihm einen spielerischen Prankenhieb in die Mähne.

»Außerdem hat sie dich ganz gern.«

Einen Moment lang wusste er nicht, was er sagen sollte und starrte Nala nur perplex an. Schließlich fand er seine Stimme wieder: »Ähm und die andere Sache?«

Nala richtete sich auf, um ihn direkt ansehen zu können. »Mheetu wird bald seine Mantlung bekommen. Weißt du, ich habe mir vorgenommen, immer für ihn da zu sein. Aber gerade jetzt, wo es so wichtig wird, kann ich es nicht.«

»Keine Sorge, ich achte auf ihn.« In diesem Punkt war sich Tojo sicher, immerhin hatte er Mheetu jetzt schon zwei Mal dabeigehabt.

»Du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet.« Nala trat einen Schritt näher und legte den Kopf in seine Mähne. »Ich danke dir.«

»Na ja, ich kann es mir denken.« Eher zurückhaltend erwiderte er die Geste. »Du als große Schwester würdest ihn wahrscheinlich gerne besser kennen, als ich es tue.«

Plötzlich schreckte sie zurück. »Zumindest weiß ich, dass er gut aufgehoben ist.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, kehrte sie um und lief davon, hinaus aus dem Geweihten Land.
 

Training mit Tojo

Auf einmal schienen Tojo die beiden Aufgaben, die sie ihm gegeben hatte, viel unangenehmer als gerade eben noch. Für einen kurzen Moment hatte er es sich tatsächlich vorstellen können, nach Hause zu kommen und sich über einen ausgiebigen Empfang zu freuen, doch davon war jetzt nichts mehr geblieben. Trotzdem hatte er nicht vor, sich davor zu drücken.

Also machte er sich auf den Rückweg und als der Königsfelsen allmählich begann, majestätisch vor ihm in den Himmel zu ragen, bog er ab und lief in Richtung Wasserloch weiter. Insgeheim hoffte Tojo natürlich, zuerst auf Tama zu treffen, auch wenn Nalas Bemerkung ihn etwas verunsichert hatte.

Der Wunsch blieb ihm allerdings verwehrt, wenig später traf er auf Simba, der gerade die drei Jungs ausführte. Tojo überspielte seine Enttäuschung, indem er in einigen großen Sätzen auf sie zusprang.

»Ah, Tojo. Du kommst gerade richtig«, begrüßte ihn Simba. »Ich hatte schon befürchtet, dass ich dich heute nicht mehr finde.«

»Ach, echt?« Ansonsten wollte doch nie jemand etwas von ihm und jetzt hatten an diesem Morgen schon zwei Löwen nach Tojo gesucht.

»Für die beiden wird es langsam ernst«, verkündete Simba und deutete auf Mheetu und Nuka. »Ich wollte heute sehen, was sie gelernt haben und vor allem, dass sie es selbst merken. Das geht nun einmal im direkten Vergleich am besten. Außerdem möchte ich noch, dass Kopa mal einen Übungskampf zwischen erwachsenen Löwen sieht.«

»Warum nimmst du dir dafür nicht Chumvi?«

»Weil wir fast dieselbe Technik haben, bei uns beiden ist das was anderes.«

»Da ist was dran.« Tojo warf einen kurzen Blick auf Mheetu und fragte sich dabei, ob der wusste, was er über ihn dachte.

»Es gibt hier einen guten Platz ganz in der Nähe«, berichtete Simba und ging voraus.
 

Dort angekommen wandte er sich sogleich wieder an Tojo: »Fangen wir beide an? So, wie ich dich kenne, möchtest du am liebsten bald wieder los.«

»Ach nein, das passt schon.«

Auch wenn Simba nichts dazu sagte, war ihm die Überraschung deutlich ins Gesicht geschrieben. »Trotzdem, es bleibt dabei. Wir beide fangen an.«

»Gut, ich bin bereit.«

Die beiden gingen aufeinander zu, bis sie sich direkt gegenüberstanden, senkten die Köpfe und legten die Schädeldecken aneinander. Kopa wartete gespannt darauf, wer den ersten Angriff wagen würde.

Es war Simba, der eine Vorderpfote hob, aber Tojo hatte darauf geachtet und sprang auf Distanz, während der Schlag seines Gegenübers ins Leere ging.

Kopa erkannte recht schnell die verschiedenen Vorgehensweisen der beiden Kontrahenten: Simba stürzte sich frontal in den Kampf, aber Tojo wich ihm immer wieder zur Seite aus und schnappte dabei drohend nach seinen Vorderpfoten.

Dieses Spiel wiederholte sich etliche Male, bis Simba wieder die Initiative ergriff und sich einen Schritt weiter vorwagte. Tojo zögerte nicht, machte einen Schritt zur Seite und zielte auf Simbas Vorderbein.

Doch der hatte es schon kommen sehen und die Pfote drohend zum Schlag erhoben. Noch nie hatte Kopa gesehen, wie sich etwas so schnell bewegte, als Tojo in einem Zug weitersprang und nur einen Augenblick später Simbas Hinterlauf zwischen den Zähnen hatte.

Dadurch entkam er allerdings nicht Simbas Schlag und wurde kurzerhand zu Boden befördert. Kopa war sich sicher, dass sein Vater ihn ernsthaft hätte verletzen können, wenn er seine Krallen benutzt hätte. Genau das stellte Tojo nun nach, indem er kurz auf die Stelle sah, die Simba getroffen hatte. Doch damit versäumte er die Gelegenheit, sich rechtzeitig wieder aufzurichten.

Einen Augenblick später war Simba über ihm und versuchte, an seinen Hals zu gelangen, aber Tojo hielt ihn an der Brust zurück und packte mit den Zähnen eine seiner Vorderpfoten. Doch der nutzte einfach die andere, um Tojos Beine zur Seite zu stoßen und sich wieder zu befreien.

Jetzt hielt ihn nichts mehr davon ab, hinabzustoßen und Tojo am Hals zu packen. Der versuchte zwar noch kurz, sich herauszuwinden, aber Simba hatte ihn sicher und biss nun allmählich fester zu. Als Kopa schon befürchtete, sein Vater würde ihn umbringen, klopfte Tojo kurz mit einer Vorderpfote gegen die Innenseite eines von Simbas Beinen, worauf der sofort von ihm abließ und einen Schritt zurücktrat.

»Glück für mich«, meinte er schwer schnaufend.

»Ja, dass das ein Übungskampf war«, erwiderte Tojo nicht minder erschöpft. »Ich hatte dein rechtes Hinterbein und dein rechtes Vorderbein. Wenn ich richtig zugebissen hätte, wärst du nicht mehr über mir stehen geblieben.«

»Ähm, gut.« Simba wandte sich wider den Jungs zu. »Irgendwelche Fragen?«

»Ja«, meldete sich Kopa. »Warum hast du die Blockpfote zum Schlagen benutzt?«

»Warte, ich zeige es ihm«, warf Tojo ein.

Nachdem Simba per Nicken sein Einverständnis gegeben hatte, ging er zu Kopa und baute sich vor ihm auf. »Block' mich ab!«

Der straffte die Schultern und verlagerte das Gewicht auf die Hinterbeine. »Bereit.«

Tojo bewegte sich zwar wesentlich langsamer als gerade eben noch, aber trotzdem gelang er Kopa nur knapp, dessen vorschnellenden Kopf vor seiner Schulter mit einer Pfote zu bremsen.

»Gut, jetzt nochmal«, meinte Tojo, zog sich kurz zurück und schlug dann noch einmal auf derselben Seite zu.

Kopa konnte keinen Grund sehen, warum er es nicht wieder schaffen sollte und hob die Pfote zum Block, doch Tojo drehte einfach ein wenig den Kopf und hatte kurzerhand sein Vorderbein im Maul.

»Siehst du?«, warf Simba ein. »Um Tojo abzublocken, muss man sehr schnell sein. Bei Löwen in deinem Alter musst du vor solchen Kunststücken aber keine Angst haben, das können wirklich nur die wenigsten.«

Dann richtete er seine Worte wieder an alle drei: »Der Ablauf ist euch soweit klar? Um aufzugeben, schlagt ihr mit dem Schwanz oder einer Pfote zweimal irgendwohin.«

Alle drei entgegneten mit einem kurzen Kopfnicken.

»Gut. Mheetu, Nuka, ihr seid dran. Kämpft, bis einer aufgibt, aber ich will keine Verletzungen sehen! Wenn es so weit ist, lasst ihr sofort voneinander ab.«
 

Kopa beobachtete gespannt, wie seine beiden Freunde aufeinander zugingen. Dass sie nun einen echten Übungskampf austrugen, ließ sie so viel erwachsener wirken.

Genau wie Simba und Tojo bauen sie sich voreinander auf, senkten die Köpfe und legten die Schädeldecken aneinander.

»Gibt es ein Startzeichen?«, fragte Mheetu, ohne aufzusehen.

»Nein, wozu auch?«, entgegnete Tojo. »Der Kampf beginnt in dem Moment, in dem ihr euch berührt.« Er machte einen kleinen Bogen um die beiden Kämpfer und legte sich neben Kopa nieder.

In dieser Zeit hatte sich noch keiner der beiden Jungs bewegt. Simba und Tojo sagten nichts dazu, sondern beobachteten sie interessiert. Als sie dann schließlich auseinandersprangen, konnte Kopa unmöglich sagen, wer sich zuerst bewegt hatte.

»Sie sind sich sehr ebenbürtig«, sagte Tojo nachdenklich und bestätigte damit Kopas Verdacht.

Währenddessen begannen die beiden, sich langsam zu umkreisen. Keiner von ihnen wagte es, dem anderen zu nahe zu kommen.

»Nuka, zieh deine Krallen ein!«, mahnte Simba.

Fast im selben Moment setzte Mheetu um Angriff an. Mit einem Satz war er bei Nuka und zielte mit der Pfote auf dessen Schulter. Anstatt den Schlag abzublocken, duckte der sich darunter weg und zog sich ein Stück zurück.

»Wow, Mheetus Flanke war gerade völlig offen«, kommentierte Tojo für Kopa mit so leiser Stimme, dass die beiden kämpfenden Jungs ihn unmöglich verstehen konnten. »Nuka ist schneller, aber er braucht einen Plan.«

Doch davon war keine Spur zu sehen; Nuka kam kaum zum Zug, während Mheetu ihn immer weiter an den Rand eines imaginären Kreises drängte. Dank Tojos Gemurmel erkannte Kopa allerdings jede Möglichkeit zum Gegenangriff.

»Komm schon, Nuka. Du musst etwas tun, wenn du gewinnen willst«, rief Simba.

Ohne auch nur aufzublicken, sprang Nuka seinen Gegner an. Genau wie Tojo versuchte er, dessen nächstgelegenes Bein zu fassen zu bekommen. Doch er Angriff zu offensichtlich gewesen. Mheetu empfing ihn mit einem Schlag ins Gesicht, der ihn augenblicklich zu Boden beförderte.

Der Treffer schien auch Mheetu selbst überrascht zu haben. Einen winzigen Moment zögerte er, bevor er mit einer Pfote über Nuka hinwegstieg und versuchte, einen finalen Biss anzubringen.

Plötzlich hörte Kopa Tojo etwas murmeln: »Wenn Nukas Hals in Mheetus Reichweite ist, dann es andersrum genauso. Es ist ein kühner Streich, aber er könnte es schaffen.« Er schaute noch einmal genau auf die beiden Kontrahenten, dann rief er laut: »Mheetu!«

Der wandte sich sofort von Nuka ab und sah Tojo an. Die Gelegenheit blieb nicht ungenutzt; Nuka rollte sich unter Mheetu hervor und fegte dabei dessen einziges Bein, das links von ihm stand zur Seite. Dabei zog er auch noch etwas daran, sodass Mheetu flach auf dem Bauch landete. Noch bevor ihm ganz klar war, was gerade passiert war, hatte Nuka seinen Nacken zwischen den Zähnen.

Mheetu gab den Kampf auf und wurde sofort freigelassen. Sowie er wieder auf den Beinen war, ging er schnurstracks auf Tojo zu. »Was war das eben?«

»Ein Fehler, den du nicht noch einmal machen wirst.«

Kopa befürchtete schon, Mheetu würde auf ihn losgehen – wenn er bei Tojo überhaupt einen einzigen Schlag anbringen könnte.

»Er hat Recht, du darfst dich im Kampf nicht so leicht ablenken lassen«, mischte sich Simba ein.

»Und was soll ich dann tun? Es könnte ja etwas Wichtiges sein.«

»Egal was passiert, Mheetu, nichts ist wichtiger als der Kampf, den du in dem Moment führst.«

Tojo kam Mheetus Erwiderung zuvor: »Ich hätte da ein paar Ideen. Wenn du erlaubst, Simba.« Er warf ihm einen vielsagenden Blick zu und zuckte kurz mit dem Kopf.

»Ja, ihr könnt gehen. Wir sind hier fertig.«
 

Sonderbare Lehrstunden

»Wir lieben Larven!« Pumbaa untersuchte eine Spalte zwischen den Wurzeln eines Seidenbaums.

»Nicht mögen ...«, warf Timon ein, während sein Freund den Kopf zurückzog.

»... lieben!«, vollendeten die beiden im Chor.

›Das wäre nie passiert, wenn meine Mutter noch hier wäre.‹

»Ach komm schon, was soll das lange Gesicht? Hier –« Auf einmal Hatte Timon ein Stück Rinde in der Hand, auf dem sich allerlei Kriechtiere tummelten, und hielt es seinem Schützling vors Gesicht. »Die sind besonders knusprig.«

»Die Schleimigen verstecken sich weiter unten«, bestätigte Pumbaa und suchte weiter seine Wurzel ab.

»Es lohnt sich nicht, danach zu graben – die Knusprigen sind eh die Besten.«

»Nein, die Schleimigen«, ertönte es aus Pumbaas Richtung.

»Knusprig!« – »Schleimig!« – »Knusprig!« – »Schleimig!«

Darüber konnte man doch nur den Kopf schütteln. Aber vielleicht war das die Gelegenheit, herauszufinden, was die Jungs gerade so trieben. Nachdem sie sichergestellt hatte, dass ihre beiden Aufpasser noch immer durch ihren Streit abgelenkt waren, stahl sich die Kleine davon.

– »Knusprig ... siehst du, ich habe mal wieder Recht.«

»Ähm, Timon?«

»Ja, Pumbaa?«

»Wo ist Vitani?«

»Na gleicht hier, wo sie – oh nein, sie hat doch eben noch hier gesessen!«
 

Die beiden Löwen trotteten gemütlich und einträchtig durch die Savanne. Mheetu hüllte sich in respektvolles Schweigen und auch Tojo machte vorerst keine Anstalten, etwas zu sagen. Nach einer Weile hatten sie den Königsfelsen schon weit hinter sich gelassen und ließen sich schließlich unter einem kleinen Felsüberhang nieder, um der sengenden Mittagshitze zu entkommen.

»Sie hatte Recht.« Plötzlich kam Tojo ein Gedanke, der ihm sehr gefiel. »Vielleicht sogar mit allem.«

»Was meinst du?«, fragte Mheetu

»Wen«, verbesserte ihn Tojo.

»Gut, wen meinst du?«

»Nala.« Er warf einen kurzen Blick hinaus aus ihrem Versteck in die offene Savanne. »Ich habe sie heute Morgen getroffen.«

»Ach so. Wann kommt die denn wieder?«

»In zwei Monden.«

»Was? Warum –« Aber da ging Mheetu ein Licht auf. »Warte mal, das heißt, ich werde bald wieder –«

»Onkel«, bestätigte Tojo. »Wie fühlt sich das an?«

»Naja, ich bin schon Onkel«, antwortete Mheetu mit einem verlegenen Grinsen. »Aber ich freue mich darauf.«

»Allerdings weniger als deine Schwester.«

»Es ist ja auch ihr Junges.«

»Junge«, verbesserte Tojo. »Sie glaubt, es werden zwei.«

»Wie –«

»Frag' nicht. Sie glaubt einfach daran.«

Zu Tojos Überraschung war diese Antwort für Mheetu vollauf zufriedenstellend. »Ja, sie ist schon etwas Besonderes.«

»In der Tat. Sie hat mir außerdem noch etwas anvertraut. Sie ist unheimlich stolz auf dich, dass du bald deine Mantlung bekommen wirst.«

»Wird sie denn da sein?« Die Aussicht, dass dies schiefgehen könnte, schien Mheetu stark zu beunruhigen.

»Zur Mantlung auf jeden Fall, aber nicht davor, um dir zu helfen, dich darauf vorzubereiten.«

»Ja, das wäre schön gewesen. Aber ich verstehe, warum sie es nicht kann.«

»Dafür bin ich jetzt da«, entgegnete Tojo.

Mheetu blickte verwundert auf. »Wie jetzt?«

»Darum hat sie mich gebeten. Ich kann deine Schwester nicht ersetzen, aber ich werde auf dich Acht geben, solange sie es nicht kann ... wenn das für dich in Ordnung ist.«

»Ja, das ist es«, antwortete Mheetu mit demselben Leuchten in den Augen, das er schon heute Morgen bei Nala gesehen hatte. So sah er seiner Schwester auf einmal sehr viel ähnlicher.

»Gut.« Tojo erhob sich, wobei er sogfältig darauf achtete, nicht mit dem Kopf am Fels über ihm anzustoßen. »Unsere erste Lektion heute: Was tun, wenn man beim Kampf abgelenkt wird.«



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