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Polity

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich hatte das Gefühl eine Ewigkeit dran zu sitzen, aber nun ist es geschafft und es geht langsam vorwärts :D Komplett anzeigen

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»Gut. Das Interview in zu unser vollsten Zufriedenheit abgelaufen, allerdings finde ich dass du dich etwas seriöser geben könntest. Ich bin mir nicht sicher ob deine Antworten von jedem so aufgefasst werden wie wir möchten.« Joy blickte auf, versicherte sich Georgs nicken und arbeitete dann ihre Liste weiter ab. Tze, wie die wollten? Oder eher wie Joy wollte?

Ich stand an der Wand gelehnt hinter Georg und lauschte gelangweilt ihren Worten. Keine Ahnung woran es lag, doch wir beide wurden einfach nicht warm miteinander. Sie hatte etwas giftiges an sich und jeder Moment der sich ihr ergab wurde genutzt um es mir entgegen zu sprühen. An so einer konnte man sich noch schlimm Verbrennen, aber Georg vertraute ihr scheinbar, also tat ich es auch, vorerst.

Außerdem hatte sie mein neues Erscheinungsbild mit einem ziemlich altbackenen Satz abgespeist. In der Regel war mir so etwas egal, aber Joy war wie mein persönlicher Racheengel.

»Hey Goldjunge, wo sind deine goldenen Löckchen geblieben?«,dabei hatte sie mir in die Haare gegriffen und ihren Mund angewidert verzogen. »Und deine Brille?Ich hoffe du hast auch wirklich Grips.«

Wie er sie allerdings mögen konnte war mir ein Rätsel.

Und während sie ihren Monolog fortsetzte schweiften meine Gedanken weiter ab, ich musste mir sogar ein Gähnen verkneifen. Und dann war ich weg.
 

Ich befand mich bei Georg, er an meiner Seite, zusammen starrten wir auf den PC und ich verdaute seine Worte. Er wusste es also. Schweigen. Ungemütlich. Dann erhebt er als erster das Wort: »Ich werde niemandem davon erzählen.« Ich nicke. Erneutes schweigen. Dann ich: »Ich weiß nicht ob ich dir vertrauen kann.« Ehrliche Worte. Erneut Stille.

»Das kann ich verstehen«, erwidert er ganz nüchtern. »Aber ich hoffe die kannst es bald.«

Das geht runter wie Butter.

»Wieso?«

Ich kann ihn hören, wie er sich kratzt.

»Weil ich dich schätze Sebastian, sehr sogar. Du hast deine Schwester gepflegt, dich aufgeopfert. Du hast ein gutes Herz«, sagt er.

Ich schweige, denke kurz nach, - nein, meine Gedanken rasen.

»Seid du in mein Leben getreten bist musste ich kaum an Gretchen denken.« Ein Eingeständnis, dabei war sie kaum tot, da stürzte ich mich in ein verrücktes Abenteuer hinein.

»Ich habe dir extra viel Mist für deinen Kopf gegeben. Ich wollte dass du sie vergisst.«

Seine Worte klangen egoistisch, doch soweit ich ihn einschätzen konnte steckte mehr dahinter. Eine gute Absicht?

»Es tut mir Leid dass sie tot ist, ich wollt ich könnte dir helfen, aber mir sind die Hände gebunden«, seufzt er rau. Und mir brennen Fragen auf der Zunge, doch ich verschlucke sie, möchte nicht daran denken, nicht an Marc, die Mafia und zwielichtige Geschäfte mit Georg.

»Georg?«

»Ja?«

»Wann hast du Sol ins Leben gerufen? Wann wolltest du an mich heran?«

Schweigen.

Plötzlich fühle ich mich müde und mir ist kalt.

»Ich möchte etwas erreichen«, fängt er plötzlich an, »ich möchte diese Zustände ändern, wirklich etwas machen, dass kann so nicht weiter gehen.«

Nette Worte, aber er ist Politiker, dass kann alles und nichts heißen. Heiße Luft.

»Dann verlierst du dein Geld«, sage ich.

»Das ist egal. Aber es kann so nicht weiter gehen, ich glaube daran und dafür brauche ich Unterstützung.«

Der Bildschirm blinkt, ich habe eine Einladung, doch Georgs Blick fasziniert mich im Augenblick mehr. Er wirkt ernsthaft entschlossen.

»Und das wäre?«

»Gerechtigkeit.«

Das war nicht gerade die Antwort welche ich erwartet hätte, schließlich kann ihn Gerechtigkeit nicht unterstützen. Oder meint er das in einem anderen Kontext?
 

Von der Seite wirkt sein Gesicht im fahlen Licht des Monitors steril. Meine Hand erhebt sich automatisch, Finger streichen über seine Wange, Haut an Haut fühle ich die sanfte Wärme seines Gesichts. Dann kneife ich hinein, meine Gesichtszüge verhärten sich.

»Du bist naiv. Soetwas wird es in unserer heutigen Zeit nicht geben, dass hat es noch nie.«

Er greift nach, berührt meine Hand und packt ebenfalls zu.

»In anderen Ländern klappt es auch. Wenn wir die Medien, Schulen und Institutionen dazu nutzen konnten die Bevölkerung einzuschränken und abhängig zu machen, dann ist es uns auch möglich eben jene zu nutzen um die Gesinnung umzupolen.«

Wahre Worte die mich erstaunen, er rückt sich weiter in ein angenehmes Licht. Aber utopisch. Ich glaube nicht an das gute im Menschen, nicht mehr.

»Aber wir sind doch schon eine Demokratie, es … «

»Es gibt keine richtige Demokratie. Es ist eine Illusion. Wahre Gerechtigkeit ist nicht der Ausdruck einer modernen Demokratie, diese mündet schlussendlich wieder in der Freiheit des Kapitalismus.«

Kapitalismus, ein hoch darauf, nein dreimal.

Ich nehme ein paar tiefe Atemzüge und ordne meine Gedanken. »Ist Luxus Freiheit?«, frage ich.

»Wo definierst du Luxus?«

Mmh. Gute Frage.

»Wirklicher Luxus fängt für mich da an wo ich entscheiden kann welches der tausend Gerichte ich heute Essen möchte und wenn es nicht so klappt wie ich möchte werfe ich das Essen weg.« Ich habe lange Zeit gehungert, Mineralstoffe und Vitamine waren Mangelware, ich hab alles in Gretchen investiert. Damals wäre ich froh gewesen nur eine vernünftige Mahlzeit zu haben, etwas Vollkornbrot, Käse und Gemüse, noch immer ein Traum.

»Ich definiere Luxus daran ob die Person sich das zehnte Auto kaufen muss oder nicht. Wahrscheinlich etwas hochgestochen, aber ich habe viele solcher Beispiele erlebt. Während die einen nicht mal ein Stück Brot hatten, beschwerten sich die anderen über die neue Farbe des zwölften Autos.« Ich fühle mich angesprochen, schließlich habe ich lange Zeit so gelebt, eigentlich bis eben.

»Oh, sorry«, ertönt es noch im gleichen Atemzug, da ist ihm sein Patzer aufgefallen.
 

Dann ertönt wieder Joys Stimme, kurz darauf ist die Sitzung beendet und die Angestellten seines Büros beglückwünschen sich und gehen wieder. Georg verlässt das Büro nachdem er einen Anruf bekommen hat und ich bleibe alleine zurück. Joy werde ich mich gewiss nicht anschließen, so logge ich mich bei ihm ein und lese mir seine Reden durch. Ich habe keine Lust seine KI zu rufen, ich weiß dass sie alles aufzeichnen wird und es ggf. wiedergeben wird. Keine Ahnung, aber die KI die Georg benutzt beunruhigt mich, der Gedanke in einer Art und Weise gefangen zu sein missfällt mir.

… auch wenn ich das Gefühl habe dass Georg mich für seine eigenen Zwecke missbraucht.

Seufzen ertönt, während ich mir die Stirn massiere. Erneut überfallen mich die Kopfschmerzen, aber ich kann nicht anders als ihm zu helfen, ich muss es irgendwie tun.

Er gibt mir einen Sinn weiter zu leben ...
 


 


 

Georg
 

»Hey, warte doch mal.«

»Joy, kann ich noch etwas für dich tun?« Georg wand sich Joy zu, eine helle Strähne hatte sich den Weg in sein Gesicht verirrt und er strich sie geduldig beiseite. Das fahle Licht der Laterne warf sich auf Georgs Gesicht und ließ eine Hälfte im Dunkeln. Nachdem die junge Frau sich nicht rührte wirkte er etwas ungehalten, er ließ sein altes Feuerzeug einige male in der Jackentasche klicken, es war seinen Nerven gescholten.

»Ja?«

»Du, ich kann das einfach nicht gut heißen«, sagte Joy und blickte dabei in den nächtlichen Himmel. »Ich versteh dich nicht, es ist nichts besonderes an ihm, er erscheint mir sogar ein wenig auf den Kopf gefallen, keine Ahnung was du hast.«

Georg nickte ob ihrer Worte. Er folgte ihrem Blick und starrte den Mond am Himmel an.

»Du kennst mich ...«

»Ja das tue ich und ich soll dir wie immer trauen, doch ich helfe dir nicht dabei aufzusteigen nur damit du dich selber zugrunde richten kannst.« Ihren Worten folgte ein enerviertes Schnaufen.

»Wir haben so lange darauf hin gearbeitet und du öffnest dich einem Wildfremden, stellst ihn an und versuchst aus ihm einen Menschen von Welt zu machen.«

Die Worte waren ihm unangenehm, doch er konnte sich dem Funken Wahrheit nicht entziehen.

»Vergiss nicht seine Eltern und Gretchen.« Erneut erntete er ein schnauben.

»Ein verrückt gewordener Professor und eine Drogensüchtige Schwester die schlussendlich auch daran gestorben ist, mehr nicht, egal was mal war. Du musst mehr an dich und unsere Zukunft denken.«

Georg blickt auf, starrte in ihre Augen und verzog seinen Mund.

»Aber du vergisst etwas... «, begann er.

»Natürlich, dass er so folgsam wie ein Hund sein kann und dann alles tut um das Mögliche zu erreichen? Das ist einfach ziemlich schwach und wenn du die Leute bezahlst machen die eh alles für dich.« Mit diesen Worten schloss Joy ihre Konversation, rief sich ein Taxi und war weg. Georgs Laune war im Keller, aber irgendwie brachten ihn ihre Worte zum Schmunzeln. Er hatte ihn genau wegen diesen Fähigkeiten gewollt.
 

Georg betrat dass Restaurant, während sein SmartP in der Hosentasche sanft vibrierte. Er nickte dem Kellner zu und folgte ihm in einen separaten Raum. Auf dem SmartP war der Vermerk dass seine KI abgeschaltet werden sollte und ob er diesem zustimmen wolle. Kurz hielt er inne, dann stimmte er zu, schließlich war es eine Anfrage von Sebastian und auch wenn Joy ihm misstraute, er tat es nicht, schließlich wusste Georg einiges mehr um seine Person.

Mit einer ruhe die sein eigen genannt werden konnte betrat er den Raum, erblickte sofort das Antlitz seiner heutigen Verabredung, rein Geschäftlich natürlich.

Braune, sanft geschwungene Locken umrahmten ein paar graue Augen, in einem sehr ansehnlichen Gesicht. Sein Anzug war aus den kostbarsten Materialien angefertigt die es diesseits der Erde gab, seine Gestik und Mimik spiegelte genau das wieder was man von der hiesigen Aristokratie erwartete. Sehnig und kein Gramm Fett zuviel machten ihn zu einem der begehrtesten Junggesellen in der Stadt, vielleicht sogar im ganzen Land.

Dieser schenkte dem Kellner ein arrogantes Lächeln und winkte ihn dann weg. Die grauen Augen glühten ihn förmlich an, sein Grinsen hatte etwas Raubtierhaftes, während jener an seinem Rotwein nippte. Nachdem beide alleine im Raum waren, setzte Georg sich und ließ sich den Abend keine der noch so unterhaltsamen Anekdoten des Freundes entgehen.

»Wilhelm, ich möchte dich nur ungern unterbrechen.« Er spürte wie er fixiert wurde und lächelte sanft.

»Ich werde dir die nächsten Tage einen Freund vorstellen, ich möchte dass du ihn gebührend empfängst und mit den hiesigen Gepflogenheiten vertraut machst.«

Wilhelms lächeln sprach tausend Bände.
 


 


 

Sebastian
 

Mein Kopf dröhnte während wir durch die Eingangshalle schritten. Georg wirkte nach wie vor in seinem Anzug so geschäftig wie eh und je, egal wo wir waren, er sah immer aus als müsste er einen Schönheitscontest gewinnen, vielleicht lag es nur daran dass er sich als Politiker genötigt sah stets einen blendenden Eindruck zu machen. Persönlich hatte ich meine Wenigkeit in einen bequemen Pullover gezwängt, ja, ich hatte in der kurzen Zeit zugenommen und meine alten Sachen passten mir nicht mehr richtig.

Als Georg herangetreten war mit der Bitte meinen Vater zu sehen, hatte er mich völlig aus dem Konzept geworfen. Für mich war er praktisch nicht mehr existent, in den letzten Jahren hier hatte man meine Bitte stets abgewiesen. Ich weiß nicht ob es an der Sicherheitsstufe lag, oder an der Erkrankung meines Vaters, aber eine Schizophrenie paranoider Form mit Wahnvorstellungen sollten wohl nicht angemessen für die Öffentlichkeit sein. So hielten die Medien meinen Vater für Tot und er war es auch irgendwann für mich. Den letzten Besuch hatte Gretchen abhalten dürfen, danach war sie ganz zerstreut gewesen und hatte irgendwann ihre Essstörung bekommen. Sie redete nicht mit mir darüber, beharrlich schwieg sie und ritt sich, wie auch mich damit hinein, bis Marc das Interesse an ihr verlor und sie sich komplett aufgab.

Oft war ich im Dominus Pflegeheim für Menschen mit physischer wie psychischer Erkrankung gewesen, doch der Pfleger am Empfang hatte mich stets abgewiesen sobald ich seinen Namen nur erwähnte.

Dies hatte ich auch Georg mitgeteilt, doch er ließ sich von meinen Worten nicht beirren und fuhr mit mir hierhin. Zum Ort meines persönlichen Grauens.

Ich starrte die Patienten förmlich an, irgendwie hatte ich einen siebten Sinn, oder man sah es ihnen schlichtweg an, wenn Schwestern dabei waren war es natürlich ganz logisch dass man sie erkannte. Augen die trüb waren, Haaren meist ungepflegt und strähnig abstehend, Kleidung die nicht so richtig von Farbe oder für deren Zweck passte. Wenn ich an ihnen vorbei ging beschlich mich immer so ein Gefühl als ob sie mich verfolgten, ich konnte ihre Blicke förmlich an meinem Rücken spüren.

»Welches Stockwerk?«, holte mich seine Frage zurück. Ich antwortete nicht sondern drückte die Zifferntaste sieben in der Hoffnung der Aufzug würde sich schleunigst beeilen, doch die Tür schloss sich nicht rechtzeitig und eine Schwester nebst Patient stiegen mit hinzu. Sie schenkte mir ein freundliches Lächeln, während sie aus den Augenwinkeln ihren Patienten beobachtete. Dieser allerdings wirkte ganz und gar nicht ungepflegt, er schien recht jung, hatte schwarze Haare und dunkelbraune Augen. Auch wirkte sein Blick recht klar nachdem er den Aufzug gemustert hatte als wäre er das interessanteste bevor er uns beide betrachtete.

Ich wich seinen Augen aus und sah kurz zur Schwester die den Ziffernknopf der sechs drückte.

»Heute ist ein schöner Tag«, sprach der Patient. Die Schwester nickte und lächelte weiter als könne nichts ihre Miene trüben.

Warum fuhren diese Aufzüge nur so langsam?

Ich murrte leicht und Georg bestätigte die Aussage des Patienten, wirkte so freundlich wie eh und je, ich hatte das Gefühl allerdings unter den Blicken des Patienten bald zu sterben. Ich blickte auf meine Schuhe, während eine lange Pause entstand und wir weiter nach oben getragen wurden.

Hatte ich schon erwähnt das ich in Aufzügen gerne Panikattacken bekam?

Dann hielt er und die beiden stiegen aus, bevor die Türen sich allerdings schlossen, wand der Patient sich mir zu: »Angst ist eine Seuche.« Seine Worte waren in einem derart schneidenden Ton hervorgebracht, sodass augenblicklich alles Blut aus meinen Adern floss. Ich hörte die Schwester noch keuchen, dann schloss sich die Tür und lies mich geschockt zurück.

»Hey, Sebastian. Alles in Ordnung?« Ich nickte, wand mich jedoch von ihm ab.

»Lass dir das nicht zu Herzen gehen, denk daran wo wir uns befinden.« Ja, er hatte Recht, hier waren sie alle krank..

Als der Aufzug ein weiteres mal hielt, stiegen wir beide aus. Wir befanden uns in einem schlicht gehaltenem Flur mit klaren Strukturen an den Wänden, welche sich auch in der Einrichtung und den Bildern wiederfand. Abstrakte Kunst oder weitschweifende Gemälde suchte man vergebens, alles hatte seinen festen Platz.

Hier gab es keine herumstreunenden Patienten in Begleitung einer Schwester oder überhaupt andere Menschen, alles wirkte leer und steril. Bis auf eine Frau unweit von hier, die uns neugierig betrachtete. Wir schritten auf sie zu, doch bevor ich etwas sagen konnte, übernahm Georg die Konversation.

»Einen wunderschönen guten Tag Frau Schwester Marie.« Ich entdeckte ihr Namensschild und tat es Georg gleich indem ich ein herzliches Lächeln auflegte.

»Ich möchte ihre Zeit nicht unnötig vergeuden, aber«, er zeigte auf mich »mein bester Freund hat seid Ewigkeiten seinen Vater nicht mehr besucht und würde dies gerne tun.«

»Und warum spricht dann ihr Freund nicht selbst?«, fragte sie freundlich aber mit einem misstrauischen Unterton. Bevor Georg etwas sagen konnte, lachte ich leicht und antwortete: »Weil es eine alte Berufskrankheit von ihm ist.« Sie musterte Georg und mich und ich konnte sehen wie sich die Rädchen des Erkennens drehten.

»Oh, Herr Goteborg, sie hier..« Dann schweifte ihr Blick wieder zu mir. »Dann sind sie dementsprechend Herr Steiermark und sie wollen bestimmt zu, oh...«

Ihr Stocken war bestimmt kein gutes Zeichen und innerlich kapitulierte ich schon, doch Georg hatte noch ein Ass im Ärmel. Er beugte sich leicht vor, sodass es keine bedrohliche, sondern eine sinnliche Komponente bekam. Natürlich, Schwester Marie war jung und recht hübsch und …

»Sie haben bestimmt die Befugnis irgendjemanden herein zu lassen,aber Dr. Steiermark ist ein Sonderfall, oder?«, erkundigte er sich nonchalant. Sie nickte und er fuhr fort.

»Hören Sie, sie würden uns bzw. ihm einen riesigen Wunsch erfüllen. Er hat seinen Vater schon lange nicht mehr gesehen und sehnt sich nach ihm. Wir arbeiten jetzt zusammen und wir wollten ihm gerne ein paar gute Neuigkeiten überbringen.«

Die Schwester schien mit sich zu ringen und ich starrte nach oben. Ich fand zwei Kameras direkt auf den Empfang gerichtet, da Georg noch immer mit ihr sprach entfernte ich mich und ging auf die Toilette.. Ich nahm mein SmartP und öffnete ein selbst geschriebenes Programm. Es war schwerer als gedacht, doch ein paar Minuten konnte ich die Kameras auf Etage sieben so einstellen dass sie ihren Winkel nicht verändern würden. Mehr konnte ich nicht tun, denn das Heim war außergewöhnlich gut gesichert.

Als ich die beiden wieder erblickte, hielten sie tatsächlich doch Smalltalk. Bevor ich etwa erwidern konnte sprach die Schwester: »Es ist jetzt 13 Uhr und sieben Minuten, sie haben also Zeit bis vierzehn Uhr ein ausgedehntes Gespräch zu führen.« Damit winkte sie uns durch und die Sperre gab frei.

»Zimmer 0789«

»Du hast die Kameras geändert«, flüsterte Georg plötzlich , noch als wir uns den Weg suchten. Auch hier begegneten wir keinem Menschen. Ich zuckte leicht die Schultern.

»Das war unnötig«, fügte er ein. Fand ich nicht.

»Glaub ich kaum«, sagte ich schlicht. »Wenn wir bei ihm sind wirst du es mir danken.«

Dann blieb er stehen, dort waren die Ziffern 0789. Ich klopfte leicht und drückte dann ganz sanft und vorsichtig die Türklinke nach unten, als könne sie jeden Moment kaputt gehen. Als ich eintrat – fand ich niemanden vor. Ich sah ein Bett, Gitterstäbe vor dem Fenster, viele Buntstifte und einen Malblock, sowie einen Kleiderschrank.

War er etwa nicht da?

Da vernahm ich die Toilettenspülung und im angrenzenden Bad, dann Wasser das aufgedreht wurde. Ich blickte kurz zu Georg, betrat dann den Raum und setzte mich auf das Bettende. Er folgte mir, nahm dann jedoch am vergitterten Fenster platz. Wie würde er reagieren sollte er uns sehen? Ich hoffte … dann ...

Nach so viele Jahren erblickte ich meinen Vater und dieser mich. Äußerlich blieb ich ganz ruhig, aber innerlich tobte ein Sturm. Er war abgemagert und - »Ich dachte du wolltest mich nicht mehr sehen.« Ich öffnete meinen Mund, wollte etwas erwidern ob dieser Aussage, doch dann stand er schon ganz nah vor mir und wirkte ebenso ungläubig wie ich.

»Ich habe das Interview gesehen vor zwei Tagen, wo ihr von mir geredet habt als wäre ich tot.«

Was sagte man nur in so einer Situation? Aber schließlich war es die Wahrheit. »Es tut mir Leid.« Ich ließ den Kopf hängen. Irgendwie war ich nicht auf unser Wiedersehen vorbereitet, auch nicht als ich seine Hände auf den meinen spürte und augenblicklich schnürte sich mein Hals zu. Ich konnte ihn nicht ansehen. All die Jahre hatte er mir so schmerzlich gefehlt und dann war er irgendwann gestorben, in meinen Gedanken, meinem Glauben, ich dachte immer er wolle mich nicht sehen.

»Wie ich sehe hast du die Kamera in meinem Raum manipuliert.« Ich sah nach einer Ewigkeit wieder auf, folgte seinem Blick der an der Wand haften blieb.

»Ich hoffe du hast auch an die Wanzen gedacht.«

»Hab ich«, seufzte ich.

Das war eigentlich ganz einfach, denn mein SmartP strahlte eine Frequenz aus die jedes Abhören im Umkreis von 25 Metern unmöglich machte.

»Dann können wir ungestört reden.«

Ich straffte meine Schultern, wollte etwas sagen, doch Georg kam mir zuvor, er war währenddessen zum Bett getreten.

Hatte ich erwartet das er meinem Vater eine Aufwartung macht und sich bedankt oder ähnliches, überraschte es mich als beide Blicke austauschten wie zwei alte Bekannte. Sofort spürte ich einen Stich der Eifersucht, denn ich hatte ein Anrecht auf meinen Vater und ich tat alles mehr oder minder freiwillig für Georg und dieser sollte froh sein das ich überhaupt für arbeitete.

»Es tat gut das du Georg mit hierher gebracht hast.«

Ich hatte mich also nicht getäuscht. Und mein Vater klang für einen psychisch Kranken ziemlich normal und wirkte auch so. Verdammt.

Aber bevor ich etwas sagen konnte banden mir die beiden das Wort ab. »Es tut gut Sie wohlauf zu sehen«, lächelte Georg.

»Hast du meinen Sohn aufgeklärt?«

»Dafür war noch keine Zeit.«

Moment! »Ey, ...« »Wart mal Basti.« Fassungslosigkeit.

Meine Vater warf mir einen Blick zu. »Er braucht immer einen Moment länger, aber sein Herz sitzt am richtigen Fleck, außerdem wird er euch sehr viel nützen. Soviel ich aber gesehen habe, seid ihr noch nicht zur Tat geschritten?!«

»Nein, wir warten bis zum richtigen Moment. Aktuell ist es unser Ziel diese Kampagne zu gewinnen und unsere Leute einziehen zu lassen, danach können wir dann voran schreiten«, sprach Georg. Mein Vater nickte, öffnete eine Schublade und nahm dann etwas heraus das er mir kurze Zeit später entgegen hielt. »Nimm dir ein Stück, hör uns zu und spar deine Wut für später auf.« Er selbst schob sich ein Stück Schokolade in den Mund, hielt es auch Georg entgegen der jedoch dankend ablehnte.

Ich ließ die Zartbitterschokolade langsam auf meiner Zunge zergehen, während ich versuchte meine Wut zu unterdrücken.

Georg warf mir noch einen leicht unsicheren Blick zu, bevor er erneut das Wort erhob. »Wir haben einfach bessere Chancen wenn ich gewinnen sollte, vorher öffnet dies uns jedoch Türen zu allen Personen mit Rang und Namen. Bisher konnte ich schon ein paar größere Händler für uns begeistern, allerdings gestaltet sich das meiste noch als schwierig.« Mein Vater nickte und schien zu überlegen.

»Und die großen Jungs?«

Ich hatte absolut keine Ahnung von was die beiden sprachen, umso mehr sie erzählten desto weniger verstand ich.

»Der Einzige mit dem wir in etwa reden können ist Duncan, aber auch er ist eher … schwieriger.«

Mein Vater nickte schweigend.

»Ich habe dein Programm gesehen Georg und ich muss sagen das du doch sehr angepasst bist, ich denke du musst aggressiver vorgehen, lass die Leute langsam verstehen worauf du hinaus möchtest.« Ich saugte das Gespräch förmlich auf und langsam erschloss sich mir der Sinn der Diskussion.

Während sie weitere Dinge austauschten hatte ich ein Bild ganz klar vor Augen.

»Sie haben dich hier extra eingesperrt.« Diese Erkenntnis war überaus verrückt, aber anscheinend die einzig wahre Begebenheit. Die beiden Männer unterbrachen mich und mein Vater kam näher und nahm mich in seine Arme. Ich genoss es für den Moment zu Wissen dass er lebendig ist, auch wenn man ihn gefangen hielt.

»Man muss dich befreien«, flüsterte ich.

»Nein«, sagte mein Vater. »Ich bin euer kleinstes Übel, ihr habt euch auf andere Dinge zu konzentrieren.«

»Dein Vater hat Recht«, warf Georg ein.

»Dann sag mir endlich was los ist, Georg.«

»Das kann ich noch nicht, aber du wirst es bald verstehen.« Wer versteht schon etwas wenn er kaum Anhaltspunkte hat.

»Ich hab die Schnauze voll von deiner Geheimniskrämerei, wenn du nicht irgendwann mit der Sprache heraus rückst dann ...«

»Dann was?« Georg kam mir gefährlich nahe.

»Was möchtest du sagen? Das ich etwas plane? Jeder Politiker plant Dinge. Würdest du mich wirklich verraten? Und deinen Vater gleich mit?«

Ich konnte ihm nicht antworten, machte mich jedoch nur von meinem Vater los. Dieser verdammte Arsch, mich im trockenen lassen, aber von mir erwarten ich solle die Situation überblicken. Doch dann: »Nein ich würde es nicht, aber auch nur weil ich weiß das du möchtest dass es gerechter zu geht, aber das kannst du mit unserer hiesigen Regierung nicht erreichen, selbst wenn du an der Macht bist würde es dir nicht gelingen. Das Genfood macht die Leute kaputt, es lässt uns mutieren, die Medikamente und Ärzte sind weiterhin zu teuer, die Menschen mit der meisten Kohle wären weiterhin privilegiert und nicht diejenigen welche ihren Arsch tagtäglich zur Arbeit bewegen. Nein, dafür müsstest du schon … « Oh verdammt, es müsste … »Du müsstest putschen.«

Die Tragweite meiner Worte ließ mein Herz schnellen und ich heftete meine Blicke erst an Georg, dann an meinen Vater, doch keiner bestätigte meine Aussage. Allerdings war ihre Entschlossenheit in diesem Moment förmlich greifbar. Deswegen war wahrscheinlich mein Vater hier gefangen, er musste unvorsichtig vorgegangen sein. Bei was auch immer, ich wollte nicht weiter Fragen, ich verdaute innerlich diese wahnwitzigen Vorstellungen.

»Ihr habt nicht mehr viel Zeit«, erwiderte mein Vater.

Der weitere Verlauf unserer Konversation war überraschend oberflächlich, auch wurde sie nicht tiefer als er vom Tot seiner Tochter erfuhr, er hatte anscheinend mehr mitgemacht als ich angenommen hatte, es brachte mir lediglich einen bedauernden Anblick ein. Und bald war die Zeit herum und wir gingen wieder.
 

Die Musik der Show ertönte und eine dunkle, sehr dünne Frau wurde eingeblendet. Ihre Zähne waren auffallend weiß, ich hatte das Gefühl ihr Lächeln hatte etwas hinterlistiges.

»Ich freue mich dass sie heute wieder zu Meballa Jakob eingeschalten haben, denn unser heutiges Thema nimmt vor niemanden halt.«

Die Kamera schwenkte zur Seite, stellte Lurk Großheim vor, der als Pressesprecher seiner Industrie auftrat, Journalist Christoph Gries, Kindergärtnerin Sina Mark und die Menschenrechtlerin Anna-Marie Sand, welche als Gegenpart agierte.

»Ich heiße sie recht herzlich Willkommen. Wir sind heute zu einem Thema dass die Menschen spaltet, egal ob sie Arbeiter sind, Angestellte oder Manager, denn jeder von uns ist auf eine Rente angewiesen. Aufgrund der massiv gesunkenen Geburtenzahlen wurden vor Jahren Zusatzrenten eingeführt damit die eigentliche vom Staat geförderte und durch Steuergelder finanzierte Rente gestärkt werden kann. Nun aber, nachdem unsere Geburtenrate auf unter Null Komma Acht Punkte gesunken ist, wird die staatliche Rente abgeschafft und es steht jedem frei sich selbst für das Alter vorzusorgen.«

Sina Mark schnaubte lautstark und beugte sich nach vorne. »Ich weiß nicht was mit diesem Staat los ist, aber ich kann es nicht verstehen«, wand sie ein und schüttelte dabei übermäßig den Kopf.

Der Journalist Christoph lächelte, als wüsste er etwas besser. »Eigentlich können sie dies schon wissen, aufgrund gesunkener Geburtenzahlen kann dieses System nicht beibehalten werden, es wäre eine wirtschaftliche Katastrophe für unseren Staat.«

Sina machte ihrer Wut Ausdruck. »Und woran liegt das? Ich selbst habe keine Kinder, einfach weil ich es mir nicht leisten kann! Da haben sie es!«

Der Journalist lachte auf eine überhebliche Weise und die Menschenrechtlerin welche bis dato still zugehört hatte fand nun auch das Wort: »Ich empfinde es als blanke Abzocke des Menschen und nicht nur mir geht es so. Selbst Länder wie Mina geht es besser als uns, die eigene Industrie hat zusammen mit dem Staat uns ausgebeutet und nun erreichen sie einen neuen Höhepunkt ...«

»Wagen sie es nicht uns dort mit hinein zu ziehen«, meldete sich der Pressesprecher zu Wort. »Dies geht von der Regierung aus, wir haben damit nichts zu tun, oder haben sie schon jemals gehört das Wilka Schokolade jemals ein Gesetz beschlossen hätte?«

Nun war es am Journalisten etwas einzuwerfen: »Aber ist es nicht so, dass sie staatliche Parteien mit Spendengeldern versehen? Ich meine, wer ist so dumm anzunehmen das es sich hierbei nicht um Schmiergelder handelt? Haben die Parteien Dinge beschlossen die ihrer Großindustrie zugute kamen, stiegen die Spendengelder um ein vielfaches.«

»Ich sehe wir kommen vom Thema ab«, warf Meballa ein, deren dunkles Gesicht ein Lächeln aufwies das über alles erhaben schien.

»Sina, sie haben eben schon erwähnt dass die Geburtenzahlen daher resultieren könnten dass sie sich keine Kinder leisten könnten, möchten sie uns etwas ausführlicher dazu sagen?«
 

Der Bildschirm wurde augenblicklich schwarz. Ich legte die Fernbedienung beiseite und ging in die Küche um mir ein Glas Wasser zu holen. Jedes Mal wenn die Themen kritisch wurden, wendeten die Autoren es ab und kamen auf andere, unverfänglichere Themen zurück. Ich hatte es mehr als einmal erlebt dass die Wut oder der Hass auf Personen persönlich gelenkt wurde, das eigentliche Probleme wurde so meist abgewendet. Das war alles falsch, unsere Regierung war nach außen hin perfekt und weiß, innerlich jedoch so falsch und korrupt das ich es kaum in Worte fassen konnte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel wird endlich Wilhelm seinen Auftritt haben, oh man, ich find ihn jetzt schon heiß, Sebastian wird es mächtig schwer bei ihm haben. Also dann, auf bald. Komplett anzeigen

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