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Polity

von

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Das Murmeln der Menschen wurde zu einem stetigen Rauschen im Hintergrund. Kühles Wasser rann meiner Kehle hinunter, es war so wohlschmeckend, prickelte so angenehm auf Zunge, - fast hatte ich dieses Gefühl vergessen.

Ich konzentrierte mich auf meine Mahlzeit, eine leichte Suppe. Ich war nicht an derart schwere Gerichte gewöhnt, noch an gesunde, natürliche Dinge, so aß ich meine Tomatencremesuppe langsam und mit viel Genuss. Ich spürte förmlich wie meine Geschmacksknospen explodierten, wie ein halber Orgasmus schmeckte diese Suppe.

Gleichzeitig wurde mir bewusst dass ich mir diese Mahlzeit nur leisten konnte weil er mir das Essen ausgab, praktisch auf unser neues Arbeitsverhältnis.

Was für eine Verschwendung musste es sein wenn nicht alle verarbeiteten Zutaten im Müll landeten. Meine Gedanken schweiften immer wieder ab, bis ich irgendwann seinen Worten bewusst folgte.

»Die Politik ist ein breites Spektrum und ist natürlich mit der Wirtschaft eng verbunden«

Ich blickte auf, direkt in seine einnehmenden Augen. Ich nickte, sprach jedoch kein Wort und er setzte seinen Monolog fort.

»Du hast herausragende Arbeit geleistet. Du hast den Club innerhalb von 3 Jahren aus dem Ruin gezogen und ihn zum beliebtesten Club für die Szene gemacht.« Wohlwollende Worte verpackt in einem seichten Lächeln. Ich nahm die Serviette, betupfte meine Mundwinkel und ließ mir mehr Zeit als erst beabsichtigt.

»Vielen Dank für ihre Worte, doch es waren alle beteiligt gewesen.« Ich schob die Suppe weg, vielleicht noch ein Löffel, mehr nicht, dann wäre der Teller leer, aber ich erinnerte mich das in einem teuren Restaurant es als unschicklich galt den Teller bis auf den letzten Tropfen zu leeren.

Mir war warm. Ich schwitzte, dennoch bemühte ich mich um eine kühle Fassade, es wäre unangenehm zu Wissen das er meine Furcht und Unsicherheit sah.

Ich hatte das Gefühl jeder hatte meinen billigen Anzug sofort bemerkt, oder aber das ich aus der Unterschicht kam. Ich fühlte mich wie ein Fremder in einer anderen Kultur, trotz das wir in einer Stadt, in einem Land lebten.

Georg indes nippte am Wein und schien nun nachdenklicher. Vielleicht hatte er sich das ganze mit mir einfacher vorgestellt, doch die Genugtuung würde ich ihm nicht geben. Ich hasste Stress den ich nicht beeinflussen konnte, ich brauchte meine eigene kleine Befehlsgewalt, die neue Arbeit würde eine neue Herausforderung sein, der nervige war jedoch das ich noch nicht wusste wie diese aussehen würde, noch kannte ich meine Mitkollegen.

Ich musste aufgestöhnt haben, denn er blickte mich besorgt an.

Ernsthaft?

»Sollte ihnen mein Angebot derart unangemessen sein, möchte ich mich natürlich entschuldigen.«

Shit. Ich verneinte. So ein Arsch.

»Das ist nicht der Fall, nur sie wissen um meine Situation, es ist momentan alles noch ein kleines Chaos, - aber – ich denke ich werde ihr Angebot annehmen.«

Damit war es heraus und er konnte sein schmieriges Grinsen kaum verbergen, ich hatte jedoch bekommen was ich wollte. Er hatte eine Stunde lang zappeln müssen, während ich gegessen hatte und er sprechen musste, da ich so Wortkarg war.

Wenn er wirklich meine Person haben wollte, so wollte ich wenigstens ein paar Spielregeln bestimmen, der Tag war so schon grauenvoll.

»Wann soll ich anfangen?«, sprach ich.

Georg lachte, als hätte ich einen leichten Witz erzählt. »So auf die Arbeit fixiert Sebastian? Das sehe ich natürlich gerne. Nun zuallererst müssen wir die IDs austauschen.« Ich nahm meinen SmartP hervor, es war ein kleiner Computer mit allem notwendigen und es war ein Geschenk von der Arbeit auf das ich stolz war. Er hatte natürlich ein Apple, es würde wohl auch nicht in tausend Jahren verschwinden.

Meine ID war so etwas wie eine Mailadresse mit der man sich Nachrichten schicken und telefonieren konnte. Eine handelsübliche Nummer wäre zu unsicher, so waren wir in einem geschützten Netz.

»Ich möchte sie gerne als meinen persönlichen Assistenten der meine Termine managed, mich begleitet und Verwaltungstechnische Dinge erledigt«, setzte er mich in Kenntnis.

Ich rückte meine Brille zurecht und folgte seinen Anforderungen aufmerksam. Während er davon erzählte das er sich für die kommende Wahl aufstellen ließ und die Fraktion gewechselt hatte (es war sogar Medienkundig gewesen) fielen die Kopfschmerzen über mich erneut hinein. Irgendwann konnte ich nicht mehr an mich halten, legte die Brille ab und rieb mir erneut über das Schlüsselbein. Ich murmelte eine leichte Entschuldigung als er verstummte, doch die Schmerzen wollten nicht aufhören. Hinzu kam ein Summen in meine Ohren und ich stützte mich auf den Händen ab.

»...batian..«

Es dauerte etwas, dann dran erneut seine Stimme an mein Ohr.

»Sebastian? Geht es ihnen nicht gut?«, fragte er vorsichtig.

Ich wollte etwas sagen, doch als ich die Augen öffnete blendete mich das Licht und verursachte eine Welle der Übelkeit. Ich sackte leicht zusammen.

Warme Hände griffen nach mir, etwas Wasser flößte er in mich ein, bevor er sich besann und mich nach oben zog, heraus aus dem Restaurant, hinein in sein teures BMW Modell.

Leise sprang der Motor des Elektrowagens an, ich spürte die Lichtkegel auf meinen geschlossenen Lidern während er fuhr. Mein Atem ging flach und schnell, ich stand kurz davor umzufallen.

Das wurde mir erst jetzt bewusst.
 

Ich wachte auf als er mir aus dem Auto half. Seine Hände waren angenehm warm. Gemeinsam stiegen wir in den Aufzug, wobei ich mich nicht erinnern konnte einen in meinem Mietshaus zu haben, doch ich war zu müde und lehnte mich an die gläserne Wand. Das gab es bestimmt auch nicht hier. Es war alles ein wenig verwirrend, doch die Gedanken legten sich bald als ich wieder die warmen Hände auf mir spürte.
 

Nur langsam erblickte ich die Inneneinrichtung und dann sprudelten die Worte aus mir hinaus.

»Ich bin falsch hier«, keuchte ich und fixierte den Mann der sich in ein anderes Zimmer begab. Kurz danach war er wieder da, hielt eine Decke und Kissen in der Hand und legte es auf das weiße Sofa. Ich schluckte. Komplett falsch, das war nicht mein Zuhause.

Betreten blieb ich stehen und massierte meinen Nacken um etwas Zeit zu überbrücken. Eben angesetzt, stand er plötzlich vor mir. Gute zehn Zentimeter größer als ich, weißblondes Haar und stechende Augen, die allerdings in diesem Moment selbst müde wirkten.

»Das Bad ist links.« Ich folgte seinem Handzeig.

»Schlafzimmer hinter mir und du hast frisches Bettzeug drauf, dass hab ich immer auf Vorrat.« Dann hielt er mir einige Tabletten hin die ich kurz betrachtete dann schüttelnd ablehnte.

Warum hatte er mich hierher gebracht? Er hätte mich auch einfach nach meiner Adresse fragen brauchen.

»Warum hast du mich mit hierher genommen?

Georg war wirklich schön, zumindest empfand ich dies im Augenblick. Er war nicht perfekt, sein Gesicht war nicht chirurgisch gestaltet, noch war er extrem muskulös, aber sein Kinn war irgendwie perfekt geschwungen, seine dünnen Lippen konnten ein freches aber anziehendes Lächeln zeigen, die Nase war zu groß und seine Augen nahmen mich gefangen. Im Bruchteil dieser einen Sekunde,musste ich Lächeln, als seine Antwort kam.

»Weil es mir Leid tut was ich ihnen heute angetan habe.«

Gut, er war anscheinend vielschichtiger als ich dachte. »Dann nehme ich dankend an Georg, und bitte Duze mich.«

Der Moment verflog und ich begab mich in sein Schlafzimmer, nichts mehr interessierte mich als Schlaf, ich war so müde.
 

Helle und warme Sonnenstrahlen weckten mich am morgen.Verkatert öffnete ich meine Augen, auch wenn kein Tropfen Alkohol seid Jahren durch meine Blutbahnen geflossen ist. Ich hob meine Hand und spielte kurz mit dem Licht der Sonne. Ich genoss die friedliche Wärme unter der Decke, auch das ich einmal keine Verpflichtungen hatte.

Und dann setzte ein Krampf ein und ich beugte mich zu Seite, hielt mir eine Hand in die Magengegend und schluckte. Gretchens feines Gesicht schlug auf mich ein und ich würgte. Erneut tränten meine Augen, auch wenn ich mühsam dagegen hielt, doch das brennende Gefühl in meiner Magengegend, das dunkle, hohle Loch das mich zu verschlingen drohte griff erneut nach mir. Und dann erwachte ich aus meiner Lethargie und erhob mich mühsam.

Ich befand mich in einem fremden Bett, in einem fremden Zimmer, das spartanisch weiß eingerichtet worden war und mehr unbewohnt als alles andere war. Noch immer die Hand in der Magengegend kämpfte ich gegen die negativen Gefühle die gegen meinen Magen schlugen und atmete tief ein. Ich zwang meinen Körper sich zu bewegen und stand auf wackligen Beinen schließlich auf.

Das Zimmer wirkte so kalt und unbewohnt, die Möbel waren aus teurem Holz und mit Glas versehen, alles in allem war das Schlafzimmer wahrscheinlich sehr teuer gewesen. Es führte mir meine ärmlichen Verhältnisse vor Augen.

Ich verließ das Schlafzimmer in meiner Unterhose und betrat das Wohnzimmer, welches ebenso unbewohnt erschien und in eben jenem weißen Stil gehalten war. Wirklich sehr schick und edel, aber kalt und irgendwie verstörend.

Und der sollte Politiker sein und die Massen bewegen? Etwas unsicher suchte ich den Weg zum Bad auf das hingegen bewohnt schien, denn etliche Pflegeutensilien lagen im Bad verteilt, auch entdeckte ich Lippenstift und Mascara. War er verheiratet?

Nachdem ich mich um meine körperlichen und hygienischen Bedürfnisse gekümmert hatte stöberte ich in seiner Küche herum. Dann fand ich seinen Brief mit dem Verweis auf Alice und Kleidung zum Wechseln.
 

Alice ist die intelligente KI die sich um alle deine Bedürfnisse kümmern wird. Wechselkleidun liegt bereit. Warte bitte bis 12, dann bin ich wieder da und nehm dich mit ins Büro.
 

Er ließ wirklich nichts anbrennen. »Alice?« Ich wartete einen Moment, dann ertönte eine sanfte Frauenstimme. »Systeme nach oben gefahren. Meister lässt sie Grüßen, bitte nutzen sie den Hololog um etwaige Informationen zu erhalten.«

Ich starrte in die Küche, wirklich erwartet hatte ich keine Antwort und bevor ich etwas tun konnte öffnete sich auf dem Tresen eine animierte 3D Karte. Ich nahm das kleine metallene Ding in die Hand das es projizierte und starrte auf die Karte. Ich erkannte das Nummernschild und wusste das es sich dabei um den Wagen meines Bosses handelte. Immer wieder fuhr ich durch die Animation, doch meine Hand konnte nichts erfassen, es war alles nur eine ausgeklügelte Animation. Staunend wurde mir klar das ich immer von solchem Hightechkram geträumt hatte und sich mir hier Türen öffneten.

»Ich soll ihnen mitteilen das mein Meister die angepeilte Zeit verpasst, sie sollen sich Essen bestellen und die Zeit mit Nachrichten genießen«, ertönte plötzlich Alice' Stimme. Ich stellte es beiseite und ging zum Kühlschrank – der jedoch nur Orangensaft enthielt. Daraufhin schloss ich ihn wieder, nahm mir ein Glas uns füllte es mit Wasser. Das würde reichen, ich wollte seine Gastfreundlichkeit nicht überstrapazieren, schließlich war er mein Boss. Dann setzte ich mich auf das weiche Sofa, es war gemütlicher als es aussah.

»Alice, Nachrichten.« Daran konnte ich mich wirklich gewöhnen.

Ein weiterer Bildschirm flackerte auf, zeigte den Reporter lebensecht und in 3D während dieser von der kommenden Wahl in einem dreiviertel Jahr sprach. Eine Revolution brauche das Land, die Abspaltung vom Staat solle angestrebt werden, doch noch war nicht klar wer die Stadt zum Sieg führen konnte. Mehrere Personen zeigte das Bild, als ich Georg erblickte setzte ich mich gerade auf.
 

»Ein aufstrebender Politiker, der zwar erst Anfang dreißig ist, jedoch die Belange der Bevölkerung versteht.«
 

Darum ging es hier also, die Ermöglichung des Aufstiegs in seiner politischen Karriere. Er trat für die Christpartei an und stand für konservative Werte sowie einer Verbesserung der sozialen Struktur. Ich rieb mein Nasenbein. Hoffentlich musste ich niemals ins Fernsehen, mir war eine Position aus dem Hintergrund lieber.

Danach zog ich den frischen Anzug an, die Größe war perfekt und befehligte mir selbst zu vergessen wie teuer das Teil gewesen sein musste. Kurz darauf öffnete sich die Tür und er trat hinein, allerdings war er in weiblicher Begleitung.

Die Frau war umwerfend schön, hatte langes braunes Haar und nussbraune Augen. Ihr Lächeln war echt und interessiert. »Du bist das also.« Eine Hand wurde gereicht.

»Tut mir Leid das er so spät kommt, doch ich wollte dich kennenlernen«, entgegnete sie. Resolut und direkt war das erste was mir zu ihrer Person einfiel.

»Joy Jenkins. Ich bin seine Frau.« »Sebastian Steiermark.« Ich passte auf das sie mir nicht anmerkten wie überrascht ich war, aber wenn ich es objektiv betrachtete war es nur eine logische Komponente die ich vielleicht eher hätte berücksichtigen müssen. War er deshalb so uninteressiert an der Session gewesen?

»Hey guck doch mal Gorgie, er verkneift sich seine Überraschung gut.«

Was wollte die von mir? Nun konnte ich meine Überraschung ob ihrer Worte nicht mehr verstecken. War sie auf Drogen? »Lass ihn in Ruhe Joy«, erwiderte Georg. Dann trat auch er an mich heran und knuffte seine Frau. »Das ist sozusagen meine Fakefrau. Mir ist es wichtig dass die engsten Mitarbeiter in meinem Team das Wissen, außerdem sind sie vertraglich gebunden keine Auskunft diesbezüglich zu geben.«, meinte Georg, er schien bester Laune, vielleicht weil ich aus allen Wolken in diesem Moment fiel.

»Ja, ist praktisch für uns beide, so kann ich mit Rena tun und lassen was ich will«, flötete Joy. Mit diesen Worten gab sie Alice Anweisungen drei Essen zu bestellen und ich – stand geschockt da. Wie konnte man nur so verrückt und dumm sein etwas derartiges auszuplaudern? Ich starrte meinen Chef verständnislos an.

»Sind sie verrückt?«, flüsterte ich. Georg grinste mich Selbstsicher an. »Ich weiß was ich tue und sie sind vertraglich gebunden.«

»Wie können sie sich sicher sein das ich sie nicht einfach verrate?«, hakte ich nach. Georg beugte sich nach vorn und fragte: »Haben sie Alternativen für ihr Leben?«

Ich schluckte hart und wurde dann wütend. »Sie haben mich reingelegt.«

Er lachte, seidig und siegessicher. »Das habe ich nicht, sie haben den Vertrag unterschrieben, es war genug Zeit um ihn zu lesen und wenn sie nur einen flüchtigen Blick riskiert haben ist es ihre eigene Schuld.« Seine Augen wirkten nun wieder kaltherzig. Er war anscheinend doch ein eiskaltes Schwein. Doch ich verstand nicht weshalb er gerade mich nehmen musste.

»Sie hätten jeden x-beliebigen nehmen können. Weshalb gerade mich?«

Georg antwortete nicht sofort sondern ließ sich Zeit. »Ich habe sie beobachten lassen«, ein Stich in meiner Magengrube, »sie sind ein fähiger Mann, außerdem hat mir ihre Hingabe für Gretchen gefallen.«

Ich nahm einen tiefen Atemzug, bemerkte Joys abschätzende Blicke von der Seite und Georgs abwartende Haltung. Die ganze Zeit über hätte er mir mit Gretchen helfen können, aber er hatte abgewartet, den Zeitpunkt genutzt um mich in einer verwundbaren Zeit aufzufangen. Nun war ich in einem Knebelvertrag gefangen und sollte ich Plaudern würde er mein gesamtes Leben zerstören. Trotzdem konnte er nicht von mir erwarten dass ich so einfach klein bei geben würde. Außerdem verstand ich die ganze Posse nicht.

»Das wäre auch einfacher gegangen. Ein fähiger Buchhalter, ein bisschen Lohn und er hätte für sie gearbeitet ohne das es Komplikationen gab«, sagte ich säuerlich.

»Dann hätte es keinen Spaß gemacht Sebastian. Außerdem hättest du unter anderen Umständen abgesagt und wir hätten gerne den besten«, erwiderte Joy schlicht. Ihr Lächeln erinnerte mich an eine Schlange.

»Ich werde ihnen ein Angebot machen. Wenn sie mich durch diese Wahlepisode bringen und ich gewählt werde, haben sie bis an ihr Lebensende mit einem kleinen Häuschen und etwas Geld ausgesorgt.«

Ich starrte Georg an. Dieses Angebot war so verlockend, - wäre es doch nur eher gekommen. Ich verstand ihre Herangehensweise nicht, noch ihre Motive, doch sie spiegelten das wieder was meine Erfahrung mir von den besser Betuchten gezeigt hatte. Alle verlogen und dreist. Oder verrückt, es war so unlogisch was sie taten, ich verstand es nicht.

»Ich würde jetzt gerne in meine Wohnung gehen.«

Georg blickte auf seine Rolex, sie musste ein Vermögen gekostet haben und schien dann ratlos. »Aber du kannst noch nicht gehen, wir müssen noch arbeiten, außerdem kommt gleich das Essen.« Ich gab mich geschlagen, wiegelte jedoch jedes aufkeimende Gespräch ab. Still aß ich ein viertel des Gerichts und verschloss mich komplett nach außen. Irgendwann sah es auch Joy ein, die uns bald verließ.
 

Bevor ich meine Arbeit antreten konnte wurde ich darauf Aufmerksam gemacht dass eine Untersuchung meines körperlichen und geistigen Befindens fehlen würde. Die letzte Untersuchung sei 5 Jahre her, das stimmte wohl, waren da schließlich meine Eltern ums Leben gekommen. Man stellte mich vor die Wahl einen eigenen Arzt aufzusuchen, dessen Gebühr ich jedoch bezahlen müssen oder aber ich ließ mich vom internen Arzt untersuchen.

Bald also wurde mir Blut abgenommen, man untersuchte mich auf Krankheiten wie AIDS oder Hepatitis (der Public wegen). Auch wurden Größe und Gewicht bestimmt, dabei kam heraus das ich Untergewichtig war. Bei einem Meter achtzig wog ich nur siebenundfünfzig Kilo, es wurde mir angeraten auf meine Ernährung zu achten. Innerlich lachte ich nur.

Weitere Tests folgten, Fragen wurden gestellt, schließlich könne man keinen Geisteskranken an die Seite eines Politikers stellen. Doch die Tests und allgemeine Ergebnisse waren zufriedenstellend, außer einer kleinen Sache und das waren meine Migräneanfälle, anscheinend musste Georg geplaudert haben. Der Arzt riet mir ein Hobby zu betreiben, 'abzuspannen' und gab mir für den Notfall Tabletten.

Ich war es gewohnt immer zu arbeiten, ob es auf Arbeit oder an der Seite von Gretchen war, es klang so abwegig. Einfach mal nichts tun, unlogisch.

Ich lernte in seinem Büro meine Mitkollegen kennen, zum einen einen allgemeinen Trupp der sich um alles kümmerte, dann vier weitere ausgewählte Personen die jedoch wieder an ihre Arbeit gingen und kaum Zeit hatten mir Fragen zu beantworten. Denn Fragen hatte ich, sie brannten mir regelrecht auf der Zunge.

Hatte er sie auch erpresst?

Und dann war da natürlich wieder Georg. »Komm bitte in mein Büro, ich muss mit dir reden.« Ich folgte ihm stillschweigend. Die elektrische Tür hinter mir erschrak mich als sie sich von selbst schloss.

Während die Wohnung so kalt war, blühte hier eine heimelige Atmosphäre auf. Er schien dies bemerkt zu haben und lächelte mir wohlwollend zu.

»Dieses Gebäude steht unter meinem Eigentum, ich besitze hier eine weitere Wohnung, die andere ist im eigentlichen Sinne für Joy und mich gedacht.« Ich verstand, eine Alibiwohnung.

»Wofür?«, fragte ich schlicht, er wusste schon was ich meinte. Ebenso knapp fiel seine Antwort aus: »Fragen.«

Ich nickte, wie so oft in letzter Zeit nahm mir einen Stuhl und setzte mich. Wir schwiegen uns an, er faltete seine Hände unter seinem Kinn zusammen. »Hast du Fragen? Dann stell sie jetzt.« Georgs Stimme klang so nüchtern, geschäftlich, jetzt wirkte er wirklich wie mein eigentlicher Boss.

Ein Bein winkelte ich an, hob mein Kinn und dachte nach. Dann zählte ich auf: »Ich benötige ihren Terminkalender, Zugang zu ihren Mails, ihrer Nummer und dem Schriftverkehr. Ich benötige die Verschlüsselungsdaten des Büros auf unbestimmten Zugriff. Außerdem möchte ich eine Statistik über ihre derzeitige Lage und einen kompletten Bericht über ihr politisches Programm.«

»Alice?«, rief Georg seine KI.

Ich nahm meinen SmartP hervor und empfing die Daten welche Alice verschlüsselt an mich sendete, gleichzeitig öffneten sich einige Berichte die ich grob überflog. Gut, das wichtigste hatte ich in der Tasche.

»Wie gut das sie wussten das ich zwei Semester Politologie studiert habe, ansonsten hätten sie einen einfachen Buchhalter damit nicht beauftragt«, maß ich mir an und erntete ein Schnauben.

»Sie haben jetzt eine Woche bezahlten Urlaub, bereiten sie sich darauf vor in kürze in eine andere Wohnung umzusiedeln.«

Es dauerte einen Moment bis mir bewusst wurde das wir ständig vom siezen ins duzen fielen und dass er sich erdreistete mir eine andere Wohnung zu suchen. Ich wollte zwar etwas entgegnen, ließ es dann jedoch sein. Ein Mitarbeiter seinerseits sollte wohl nicht in einem sozialen Brennpunkt wohnen, erst recht nicht wenn dieser in einem Striplokal gearbeitet hatte, wenn auch nur als Buchhalter.

Wie kam eigentlich ein Politiker dazu mehrere edle Bordelle und Striplokale zu besitzen, ohne das die Allgemeinheit davon erfuhr? Vielleicht würde ich es irgendwann erfahren, aber Georg war ein zwielichtiger Politiker. Hoffentlich wählte ihn niemand … Obwohl, das wäre auch schlecht, schließlich hatte er mir dieses sensationelle Angebot gemacht, aber auf welchen Leichen würde es aufgebaut sein? Schließlich hatte er meine Situation ausgenutzt und ich hatte immer noch keine Ahnung was er damit bezwecken wollte.

Dann schob er einige Blätter über seinen Schreibtisch die ich verdutzt entgegen nahm. Es standen eine Menge Namen in Listen darauf, nebst Adresse und Familienstand. Fragend blickte ich auf, doch ein Verdacht regte sich in mir.

»Ich möchte dass sie alle meine Mitarbeiter überprüfen. Ich möchte diese Wahl unter allen Umständen.«
 

Ich wusste damals nicht das mir dieser Satz noch mehr als einmal zum Verhängnis werden würde.
 

Als ich endlich zuhause war, meine Tür öffnete, blieb ich stehen und sah alles mit ganz anderen Augen. Der Bildschirm meines alten Computers blinkte und warf ein schmales Licht in das dunkle, zugezogene Zimmer. Es war karg und zweckmäßig eingerichtet, säuberlich drapierte Decken, Gretchens Decken lagen auf der grauen Couch. Kurzerhand schnappte ich mir diese, ging ins Bad und griff nach meinem Feuerzeug. Ich zitterte kurz, öffnete vorsichtshalber das Fenster und entflammte dann mein Feuerzeug.

Sollte ich? Oder nicht?

Die Flamme kam näher und nach einem Funken, brannte die erste Decke, entfachte die nächste und erwischte die dritte Decke. Ein paar Sekunden waren seither vergangen dann öffnete ich den Wasserhahn und löschte das Feuer. Ich fühlte mich beschwingt.

Im Regal fand ich eine Packung Färbemittel, auch ein Überbleibsel von Gretchen. Eine Idee kam mir, ich las die Bedienungsanleitung und machte mich an die Arbeit …

Keine Ahnung ob mir dunkle Haare standen, doch ich fand das braun äußerst ansprechend. Zumindest fühlte ich eine gewisse Genugtuung die damit mündete dass ich meine Brille gegen Kontaktlinsen austauschte die ich zu meinem Geburtstag bekommen hatte. Im Spiegel betrachtete ich mich, grinste und zündete dann eine Zigarette an.

Ich setzte mich an meinen alten PC, verband mich mit einem alten Verschlüsselungsprogramm, griff auf Satellit zu und hackte mich dann in das Polizeiregister der Stadt ein. Nacheinander durchforstete ich die Namen auf der Liste, machte vermerke und hielt dann inne.

Wusste er was ich tat? Ich hatte mich einfach an meinen PC gesetzt und seine Aufgabe ausgeführt ohne an das drumherum zu denken.

Hatte er nur mehr kontrolliert als meine Situation von Gretchen? Woher kannte er Marc? Ich hatte ein verdammt ungutes Gefühl, ich würde jedoch nur Antworten bekommen wenn ich in seinem kleinen Spiel mitmachen würde.

Andererseits ging er vielleicht davon aus dass ich mir meine Informationen auch von Google zog. Vielleicht. Ich würde es demnächst herausfinden müssen, denn im Polizeiregister war er nicht gelistet.

Ich schaltete meinen kleinen TV ein, es war kein ausgefallenes 3D System, davon träumte ich noch. Um 'abzuspannen', wie mir mein Arzt geraten hatte, spielte ich Solitäre am PC und sah Nachrichten. Erneut war es eine Sondersendung über die aufgestellten Politiker, die sich seid Jahren mal wieder für die Belange aller Menschen interessierten. Nun ja, kein Wunder, die Wahlbeteiligung war auf ein Tiefststand gesunken. Vierzig Prozent der Bevölkerung lediglich wählte, da wurde natürlich neues Potential gesucht. Da es sich dabei hauptsächlich um die untere Schicht der Bevölkerung handelte wurden die politischen Programme sozialer Verpackt. Ja, es war durchaus eine soziale Verpackung, schließlich sah sie besser aus als ihr Inhalt war. Was würde mir übles entgegen kommen wenn ich erst Georgs Programm las?

Und dann war der Kommentator erneut bei Georg, blendete ihn ein, hielt ein kurzes Pläuschen und zeigte einen Stab von engagierten Personen die ihn unterstützen. Und dann fiel mein Name. Beinahe fiel ich vom Stuhl, meine Zigarette lag auf dem Boden und hastig hob ich sie wieder auf nur um festzustellen dass es ein Bericht war der live gesendet wurde. Mit offenen Mund starrte ich Georg auf dem Bildschirm an.
 

»Jetzt da bekannt ist das sie auch den Sohn des berühmten Wissenschaftlers Eik Steiermark in ihrem Team ist, ist ihnen bestimmt wohler zumute.« Es war der Reporter der begeistert schien.

Dann war es an Georg sich ins rechte Licht zu rücken.

»Nun ja, wissen sie, wie sie meinem Programm entnehmen können soll allen Menschen die Möglichkeit gegeben werden aus ihren Ressourcen zu schöpfen. Wie sein Vater ist er ein kluger Kopf und nur weil er im Zuge der Pflege seiner mittlerweile verstorbenen Schwester in Armut abgerutscht ist, sollte ihm eine derartige Chance nicht vorenthalten werden. Deswegen freue ich mich ihn als meinen persönlichen Assistenten vorstellen zu dürfen.«
 

Ein paar Floskeln wurden ausgetauscht, dann wurde zurück ins Studio gegeben. »Ja. Eik Steiermark, der die Verschlüsselung Keysection auf den Markt brachte ist es zu verdanken dass wir Daten verschlüsselt senden und empfangen können.« Die Moderatorin moderierte zu einem weiteren Politiker.

Und ich stand geschockt vor dem Bildschirm. Mir fehlten die Worte, so perplex war ich und ein paar Dinge wurden klarer. Dieser Mensch würde alles nutzen was ihm zur Verfügung stand. Als hätte er gewusst dass ich den Bericht gelesen haben musste, blinkte mein SmartP auf und zeigte eine Textnachricht von ihm an.
 

Komm in zwei Stunden zum Essen zu mir.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Na, wer ist wohl im Titelbild abgebildet? Und was haltet ihr von Georg? Ist als einzelne Person undurchsichtig, im Ganzen aber strukturiert und geplant. (also aus Sebastians Sicht) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ezeekel
2013-11-01T08:54:15+00:00 01.11.2013 09:54
Wow, bin noch voll geflascht von der Story. Georg ist wirklich ein wenig undurchsichtig, aber sind das nicht alle Politiker. Du hast es echt gut rübergebracht. Mir gefällt es sehr gut. ^^


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