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The Poetry of Light and Shadow

Loki x OC
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallöchen und ein schönes Wochenende, ihr Lieben! :)

Hier kommt mein Beitrag zum tollen Wetter und dem Ende der Woche - die Wiedergutmachung zum letzten Kapitel ;D
Ich hoffe wirklich, dass euch das Kapitel wieder gefällt - es war eine schwere Geburt, deswegen hat es auch etwas gedauert ^^'

Musikempfehlungen habe ich auch im Gepäck:
Icarus vom Deus Ex: Human Revolution Soundtrack
http://www.youtube.com/watch?v=Ns7fNPiNiNc
United We Stand, Divided We Fall von Two Steps From Hell
http://www.youtube.com/watch?v=6O6Q1OiF6LI Komplett anzeigen

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New York, New York

New York.

Big Apple.

Die Stadt, die niemals schläft…

Loki hätte diesen Ort mit „Vorhof zu Hel“ betitelt.

Die Menschen verbanden viel mit diesem Zentrum aus Macht, Geld, Kunst und Kultur; Wörter wie Heimat, Reichtum, Armut, Erfolg, Aufstieg und Fall - ein Sündenpfuhl aus wabernder Dekadenz. Alles war in Bewegung, alles änderte sich von Minute zu Minute - nichts stand still, nichts verharrte in Demut oder Andacht über das Wunder des Lebens, der Freiheit, die den Menschen so großzügig geschenkt wurde.

Alle hetzten voran, getrieben von eigenen Dämonen und Idealen, von Ehrgeiz und Besessenheit nach dem vollkommenen Leben - die Stadt wirkte wie ein tickendes, ratterndes Uhrwerk, welches mit unzähligen, winzigen Zahnrädern dem Lauf der Zeit unterlag.

Die Menschen waren hektisch, als wüssten sie, dass ihre Lebenszeit nur ein nichtiger Wassertropfen in dem riesigen Meer des Universums war; nichts als Staubkörner, die ziel- und rastlos durch die Wüste ihres Seins jagten - immer auf der Suche nach etwas größerem, nach einer Bestimmung, um schlussendlich doch nur im Räderwerk des Schicksals zerrieben zu werden, ein weiterer Baustein unter vielen für heranwälzende Dünen im endlos erscheinenden Sand der Zeit.

Niederlage.

Dieses Wort verband Loki mit der Stadt, auf die er nun nach mehr als zwei Jahren wieder herabblickte; er stand auf dem flachen Dach eines älteren Wohnblockes, während ihm der beißende Wind der Ostküste ins Gesicht schnitt und seine Haare wie aufgepeitschte Algen in der Strömung des Meeres wirbeln ließ.

Dies war der Ort, der eigentlich zum strahlenden Zentrum seines Triumphes hätte werden sollen; ein Monument seines Sieges, ein Zeichen seiner glorreichen Herrschaft - der Beginn einer neuen, glanzvollen Ära für die Menschen.

Er hätte ihnen mehr geben können als ihr rastloses Suchen; hätte sie befreit von der Freiheit, welche ihre Sinne trübte und sie nur zu Dummheiten und dem Befriedigen ihrer niederen Gelüste trieb. Die Menschheit war Chaos; eine himmelschreiende Unordnung, die mit ihrem Potenzial nichts anzufangen wusste - eine Herde aus Schafen, denen der richtige Hirte fehlte, um sie ins gelobte Land zu führen.

All das hätte Loki sein sollen; Anführer, Leitstern, König, Herrscher, Gott. Immerhin war es sein Geburtsrecht.
 

»Dein Geburtsrecht war es zu sterben - als Kind, ausgesetzt auf einem gefrorenen Felsen!«
 

Odins donnernde Stimme hallte in Lokis Erinnerung wieder wie das unheilvolle Krachen der Meeresbrandung an zerklüfteten Klippen; jene Worte trugen an seiner Substanz ebenso Stück für Stück ab wie das Tosen der Gezeiten am Gestein.

Einst war sein Leben so vergänglich gewesen wie das der Sterblichen auf Midgard; seine Existenz ein Balanceakt auf Messers Schneide - die Klinge Odins Urteil. So wenig hätte gefehlt und es hätte ihn nie gegeben; der Gnade des Allvaters war er damals hilflos ausgeliefert gewesen - ausgeliefert wie ein loser Stein im reißenden Fluss der Zeit, dessen Platz der nächsten Woge unterlag, die ihn entweder mit fortriss oder an seinem Platz festigte.

Er hatte gekämpft. Sein ganzes Leben hatte Loki unbewusst gegen diese Hilflosigkeit gekämpft, um sich einen Platz im Leben zu sichern, dessen Lücke nicht so einfach zu füllen wäre - unersetzlich wollte er werden, um nie mehr wie der schwache Säugling auf das Erbarmen eines anderen angewiesen zu sein; auf das man seine Existenz nie mehr einfach so auslöschen könnte, da sich seine Präsenz in die Annalen der Zeit eingegraben hätte.

Er wollte weg von der Stellung des mitleiderregenden Mündels, wollte loskommen von dieser unseligen Bindung zu Odin, die dem Allvater auf immer Macht über Loki gewährt hätte.

Der Magier schloss die Augen unter einem Frösteln, redete sich ein, es rühre vom schneidenden Wind her und schluckte die Bitterkeit in seiner Kehle herab, bevor er die Lider wieder hob und seinen grünen Blick auf die winzigen Gestalten unter sich schickte.

Nun war die lautstark kreischende, unruhige Stadt ein Mahnmal seines Untergangs; die massenhaft glitzernden Lichter entzündete Feuer für seine gescheiterten Ziele - Fragmente seines Kampfes und seiner Suche, seiner doch so ehrbaren Intentionen, die man auf dem harten Boden der Realität zerschmettert hatte wie brüchigen Kristall. Zersplittert in tausende Scherben lag seine Zukunft vor ihm im Licht der ruhelosen Stadt, die einst den Anfang seiner ruhmreichen Herrschaft hatte bilden sollen.

Geblieben war nichts außer verstreuten Erinnerungen, die ihm aus dem Sog der Großstadt entgegenschrien wie hungrige Dämonen, welche ihre zahnbewehrten Mäuler gierig aufsperrten und auf seine Gestalt lauerten; Hohn schlug ihm entgegen aus den unzähligen Geräuschen dieses hektischen Ortes, während die blinkenden Lichter spöttischem Zwinkern gleich zu ihm aufsahen und seiner Ankunft mit einem Schwall aus Abgasgestank und dem Geruch nach modrigem Hafenwasser huldigten.

In der Ferne verkündete der STARK-Tower mit gleißender Aufschrift sein Recht an Beachtung. Lokis Finger verkrampften sich um das Zepter in seiner Hand, welches dem Brodeln der Magie mit einem ungezügelten Summen antwortete. Eine andere Erinnerung, doch genauso unliebsam…
 

»Sieh dich um, Bruder! Denkst du wirklich dieser Wahnsinn endet mit deiner Herrschaft?!«
 

Ja, das hatte der Magier tatsächlich geglaubt, doch offensichtlich hatte Thor in diesem Moment einmal im Leben mehr Weitsicht besessen als Loki. Der Donnergott hatte die Wahrheit erkannt, die sein verblendetes Herz nicht mehr hatte sehen können.

War es tatsächlich Wahnsinn, was ihn antrieb?

Der Gedanke behagte Loki nicht. Erschreckte ihn fast.

Wahnsinn war der Beginn von Verfall und Untergang; eine Abwärtsspirale, in der man sich in wirren Gedanken und widersinnigen Handlungen verstrickte. Er war ein kluger Kopf - ein berechneter, gescheiter Geist. Der Wahnsinn stand ihm nicht gut zu Gesicht; passte nicht wie eine zu enge Maske, die das Antlitz in eisenharte Umklammerung schloss und hinter Beklemmung verbarg.

Er war nicht wahnsinnig, nur getrieben von Ideen und Idealen, die andere nicht als Genialität erkannten. Doch der Schritt vom Genie zum Wahnsinn war klein und der Magier musste aufpassen, dass er sich nicht wieder in Taten verlor, die ihn am Ende kreisen lassen würden wie den Mond um die Erde; festgehalten für immer, eingepfercht in eine monotone Bahn des Schwachsinns.

Loki hatte schon lang erkannt, das Thanos ihn einst nur für seine Zwecke benutzt hatte; ihn mit Versprechungen und glorreichen Zukunftsaussichten gelockt hatte, ohne das er auch nur ein Wort hinterfragt hätte - er war verzweifelt gewesen; besessen von seinem Wunsch nach einem Thron, verwirrt vom Sturz durch die eisigen Weiten des Universums.

Er hätte sich wohl an alles geklammert, was Rettung vor diesem endlos erscheinenden Nichts geboten und ihm ein Ziel versprochen hätte. Sein kühler Verstand war angeschlagen gewesen und er angreifbar für die säuselnden Worte des Overlords, die Thanos gezielt eingesetzt hatte wie ein frisch geschliffenes Schwert; er hatte um die Schwäche des gefallenen Gottes gewusst und sie schamlos genutzt.

Allerdings machte diese Erkenntnis das Ganze auch nicht besser - es war ein fremdes, seltsam unangenehmes Gefühl erkennen zu müssen, dass es jemand geschafft hatte, die Silberzunge zu narren. Das behagte dem Magier überhaupt nicht, auch wenn er wusste, dass Thanos ihn in einem schwachen Moment erwischt hatte.

Er hätte es einfach besser wissen sollen, die Absichten erkennen, die haltlosen Versprechen hinter den lockenden Worten aufdecken müssen; gerade er - Meister in Wort, List und Tücke.

Vielleicht hätte Loki dann anders gehandelt; womöglich hätte er die Erde als nicht so verlockend empfunden mit ihren kleinen, hektischen Lebewesen, die wie winzige Ameisen unter seinem Blick durch die Straßen krochen.

Sie waren so schwach, so vergänglich und doch hatten sie sich als wesentlich widerstandsfähiger und entschlossener erwiesen, als er es ihnen zugetraut hätte. Vielleicht lag es an ihrer so kurzen Lebensspanne, dass sie sich so vehement an ihre Existenz klammerten und verbissen um sich und ihre kleine Welt kämpften.

Sie waren so viel weniger als Götter…und doch auch so viel mehr.
 

»Wir sind keine Götter. Wir werden geboren, wir leben und wir sterben - genau wie die Menschen.«
 

Odins Belehrung summte erneut in Lokis Ohr wie ein lästiges Insekt, welches sich selbst durch harsche Handbewegungen einfach nicht vertreiben ließ.

Waren sie wirklich nicht mehr? War Loki nicht mehr…?

Sein verengter Blick schweifte über die Straße unter ihm; lärmende, bunte Autos reihten sich wie die Perlen einer Kette aneinander, während ihre Lichter wie glänzende Dolche durch die Dunkelheit des Abends schnitten. Hell erleuchtete Gebäude schmiegten sich wie Liebende dicht an dicht an den Rand der Straße, buhlten um die Aufmerksamkeit der Vorbeiziehenden, um diese mit Musik, blinkenden Reklametafeln oder köstlichen Gerüchen in ihre Eingänge und Vergnügungen zu locken.

Die zahllosen Fenster der hohen Wohnhäuser waren teils gedämpft beleuchtet; hier und da erhaschte man einen Blick auf die kurze Szene eines fremden Lebens - eine Mutter fütterte ihren Säugling, ein Vater brachte seinem Sohn das Gitarre spielen bei, ein älteres Ehepaar saß beisammen beim Essen, während zwei Freunde über die Auswahl des Fernsehprogrammes stritten. Oder waren es Brüder…

Sterbliche tummelten sich auf den Bürgersteigen der Stadt; einige gehetzt ihrer Wege eilend mit diesen winzigen Kommunikationsgeräten am Ohr, andere schlenderten mit Freunden lachend und scherzend durch die Gegend. Einige Pärchen waren ebenfalls unterwegs; Hand in Hand zog es sie in die Umarmung der Nacht, wo der Sterne Glanz ihr Licht bilden würde, unter welchem sie närrisch ihren Träumen nachhingen.

Loki sah flüchtig zum Himmel auf; eine tiefblaue, fast schwarze Sphäre, die mit den unzähligen Sternen ihrer Galaxie gespickt war, welche kühl und beständig auf das Treiben unter sich herab sahen - stumme Zeugen, kalt und blass.

Sein Haupt senkte sich wieder und ein Gedanke erwuchs in seinem Geist wie zarte Knospen einer vorwitzigen Blüte, die trotzend dem Winter ihre Triebe aus einer dichten Schneedecke schob, um der Sonne näher zu sein - Odin hatte womöglich recht.

Nicht, dass Loki ihm das je gesagt hätte, doch vielleicht hatte der Allvater wirklich recht. War nicht jedes Leben im Grunde gleich und von selber Art - egal, wie lang es andauerte? Suchten sie nicht alle irgendwie nach den gleichen Dingen im Leben? Nach einem Sinn ihrer Existenz?

Hatten nicht auch Götter mit den Tücken des Alltages zu kämpfen; mit Regelwidrigkeiten, Streitigkeiten, Ungerechtigkeiten? War eine göttliche Mutter so anders als eine Sterbliche?

War Zuneigung nur eine Schwäche für die Menschen?

Und warum - in allen neun Welten - machte er sich überhaupt Gedanken darüber? Er wusste die Antwort, bevor er überhaupt nach ihr suchen musste - wegen der Sterblichen. Wegen dem Schmerz in ihren hellen Augen, als sie die Wahrheit über ihn erfahren hatte; dieser Blick hatte ihn mehr getroffen, als er sich eingestehen wollte und verfolgte ihn nun mit diesen überflüssigen Überlegungen.
 

»Du wirst nicht das Richtige tun, weil wir dir vertrauen, sondern weil du etwas für die Sterbliche empfindest. Du wirst ihr und uns allen helfen, weil sie dir wichtig ist.«
 

Loki rieb sich vehement über die Stirn und schloss die Augen unter einem plötzlichen Schwall Kopfschmerzen, bevor er die Luft Midgards tief in die Lungen zog und seine Aura fliegen ließ; seine magischen Sinne bohrten sich wie Nadelspitzen in die offenliegenden Venen dieser Welt und zapften deren Energien an.

Midgard war voller Magie; eine brodelnde Quelle bis zum Rand gefüllt mit wirbelnden Kräften, die ungenutzt unter der Oberfläche dieser so jungen Welt schwelten. Die Sterblichen feuerten diese durch ihre Emotionen, ihr hastiges Leben, ihre Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse an, ohne den Zugang in dieses unsichtbare Reich zu finden.

Ihre Sinne waren verkümmert; keiner verweilte mehr lang genug oder konnte sich in Geduld und Disziplin üben, um die Künste der Magie für sich zu nutzen.

Midgard war zu einem modernen und hoch technologisiertem Reich geworden, in welchem die Magie durch Fortschritt abgelöst wurde; die meisten Menschen glaubten nicht mehr an Übernatürliches und daher wurde jeglicher Zauber für sie einfach unerreichbar.

Loki knüpfte seine magischen Verbindungen mit der Umgebung und senkte die Lider, um mit dem geistigen Auge nach jener Präsenz zu suchen, die er als Einzige zu finden erhoffte; Gwendolyn war ganz in der Nähe, das konnte er spüren wie einen zaghaften Ruck an ihrem unsichtbaren Band, doch wusste er noch nicht, wo genau sie sich gerade aufhielt.

Seine Sinne schossen wie elektrische Impulse auf den magischen Leitungen durch die Straßen und Häuser New Yorks, bevor er die vertraute Aura der Sterblichen ausmachen konnte, die wie ein unmerklich heller glimmender Stern aus dem Schein der anderen Menschen herausstach.

Der Magier öffnete die Augen und rollte seinen Kopf auf den Schultern, um seinen verkrampften Nacken zu entspannen, bevor er zum seitlichen Rand des Gebäudes schritt und dort die Hand hob, um eine schimmernde Sphäre in die Luft zu zeichnen; diese wirkte wie ein wässriges Vergrößerungsglas, über dessen Oberfläche zitternde Wellen zogen.

Der Zauber projizierte ihm das Bild der Sterblichen, die nicht weit entfernt an einem Tisch in einem Restaurant zu sitzen schien; ihr Anblick war für Loki wie ein Nadelstich, welcher einen versteckten Nerv traf - äußerlich blieb er unbeteiligt, bewahrte sich seine strenge Besonnenheit, doch innerlich verfiel er in eine bizarre Unruhe, die er verfluchte.

Das verkümmerte und verrottete Ding in seiner Brust, welches andere Herz nannten, tätigte ein paar holpernde, heftigere Schläge, bevor der Magier es in seine ruhige Gleichmäßigkeit zurückzwang.

Irgendwie hatte er Gwendolyn wirklich vermisst und dabei hätte Loki niemals im Leben erwartet, dass er irgendwann eine andere Person neben sich länger dulden, geschweige denn vermissen könnte. Das Alleinsein war ihm stets als angenehm erschienen, doch ihre Präsenz war nicht nervtötend oder unangenehm gewesen, ganz im Gegenteil - er hatte es eigentlich genossen sich mit ihr zu unterhalten und über verschiedene Dinge auszutauschen, ihrer Stimme zu lauschen und das erblühende Interesse in ihren Augen zu beobachten, wenn er ihr etwas erklärt oder erzählt hatte.

Zum ersten Mal in seinem Leben war etwas ganz für ihn allein dagewesen; die Sterbliche hatte in seiner Nähe verweilt, seinen Worten gelauscht, ihn angesehen - nicht Fandral oder Thor oder irgendeinen anderen Asen. Sie hatte ihm irgendwie das Gefühl vermittelt normal zu sein - dazugehörig. Obwohl dies am Anfang sicher eher aus dem Zwang heraus geschehen war, dass Loki ihr Geheimnis lüften sollte, so hatte sich dieses Arrangement zwischen ihnen über die Zeit doch schleichend, aber beständig geändert.

Der Magier hatte nicht mehr das Gefühl gehabt, dass sie seine Nähe suchte, weil sie es musste - sondern weil sie es wollte. Und das machte einen gewaltigen Unterschied aus.

Sein Blick klebte wie festgenagelt an ihrem Bild. Sie war von auserlesener, besonderer Erscheinung, anders konnte er es nicht sagen. Obwohl Gwendolyn die Aufmerksamkeit nicht durch glitzernden Schmuck oder unzählige Schichten Farbe im Gesicht auf sich lenkte, wie es die menschlichen Frauen meist zu tun pflegten, so zog sie doch allein Lokis Blick als Einzige beständig auf sich. Der Reiz ihrer Gestalt lag in ihrer Natürlichkeit und Zerbrechlichkeit, unter deren Hülle eine ungeahnte Stärke schlummerte.

Gwendolyn hatte ihr rotes Haar zu einem lockeren Zopf gebunden, welcher ihren schlanken, blassen Hals und ihre Schultern offen liegen ließ. Auf ihrer Nase saß die schmale, unauffällige Brille, die er an ihr schon ab und an gesehen hatte. Sie trug ein schlichtes, aber elegantes rotes Kleid, was sie in das strahlende Feuer eines Rubins hüllte - der Gegensatz zu ihrer blassen Haut war delikat und Loki verspürte für einen Moment absurde Lust danach, seine Zunge über jene Stelle an der Seite ihres Halses gleiten zu lassen, unter welcher ihr flatternder Puls lag und die sie jetzt mit der zierlichen Hand unter einer fast verlegenen Geste verbarg.

Sie musste ihn spüren. Ihre Augenbrauen senkten sich kritisch und ihr Blick flog verstohlen, fast hoffnungsvoll umher, als würde sie etwas suchen; ihr Band war wieder am erstarken und wahrscheinlich fühlte sie, dass der Magier in der Nähe war.

Ein Grollen erwachte in Lokis Kehle, als sich eine große, männliche Hand über den Tisch schob und Gwendolyns Finger ergriff, die in einen schmucklosen Handschuh gehüllt waren; dieser Abschaum von einem menschlichen Agenten saß ihr gegenüber - genau jener Wurm, der es gewagt hatte Loki mit einer Waffe zu bedrohen. Und nun vergriff er sich auch noch an seinem Eigentum…

Der Magier hatte es ja geahnt; dieses Insekt würde wahrscheinlich nichts unversucht lassen, Gwendolyns Aufmerksamkeit und Nähe zu erlangen. Loki konnte das Interesse und die Zuneigung des menschlichen Mannes beinahe bis hierher riechen; ein stechender, beißender Geruch, der dem Zepter in seiner Hand eine äußerst verlockende Schwere verlieh.

Dieser Kerl wollte sich zwischen Gwendolyns Schenkel graben, ihr rotes Haar auf seinem Kopfkissen ausbreiten, ihre Stimme in ungeahnte Höhen treiben, auf das sie seinen Namen keuchen und stöhnen würde…

Obwohl der Agent seine niederen Instinkte gut hinter der Fassade seiner höflichen Zurückhaltung und wohlerzogenen Manieren verbarg, so war er am Ende doch auch nur ein Mann und Loki konnte ihm seine Träume und Gelüste ansehen, als hätte man dem Kerl eine dieser blinkenden Werbetafeln auf die Stirn genagelt.

Mit einer unwirschen Handbewegung ließ der Magier die schwebende Sphäre verschwinden und wirbelte unter dem kühlen Rascheln seines ledernen Mantels herum, um nun die schmalen Stufen am Rand des Gebäudes herabzueilen.

Das Zepter des Tesserakts verschwand unter einer verschlungenen Bewegung seiner Finger in den Grenzen der Dimensionen; Loki schob es zwischen die aufgebauschten Falten der Energien und verbarg es somit vor allen Blicken, um es ungesehen immer mit sich führen zu können.

Es wurde Zeit, dass er sich in dieses Spiel wieder mit einbrachte.

Der Magier wurde in seinem Weg von einer Gruppe jugendlicher Menschen gebremst, die sich in der dunklen Gasse an der Seite des Gebäudes versammelt hatten; eine Horde abgehalftert aussehender, junger Menschen hatte sich um einen etwas schmächtigeren Jungen aufgebaut - der starrte mit großen, ängstlichen Augen in die Runde und drückte sich an die Mauer im Rücken, seinen Rucksack wie ein Schutzschild an die Brust gepresst.

Der scheinbare Anführer der Gruppe löste sich aus der Wand seiner Anhänger und stiefelte gemächlich auf sein sicheres Opfer zu, eine Hand in den Taschen seiner tiefsitzenden, weiten Hose vergraben, während die andere spielerisch ein Klappmesser durch die von Zigarettenrauch vergilbten Finger wandern ließ.

Der Aufrührer trug seine Haare bunt und teils bis auf die Kopfhaut rasiert; in seinem Gesicht schimmerten unzählige Ringe und Stecker neben dem verräterischen Glanz von illegalen Substanzen in seinen dunklen Augen, die unter schweren Lidern auf den ängstlichen Jungen herabsahen - die ganze Erscheinung ein erhobener Mittelfinger gegen die Normen.

Sein Shirt, das in bunten Lettern ein eindringliches „Thor sucks“ nebst einer äußerst treffenden Karikatur des Donnergottes verkündete, zauberte ein amüsiertes Schmunzeln auf Lokis Lippen.

Nicht alle Sterblichen schienen begeistert von ihren neuen Helden zu sein; die Avengers hatten offensichtlich nicht nur Anhänger in ihrem eigenen Reich. Wahrscheinlich empfanden es einige als seltsam befremdlich, dass sich maskierte und kostümierte Rächer als die Retter der Welt aufspielten.

Das war doch wahre Dankbarkeit - da bewahrte man diese kümmerliche Welt vor ihrem Untergang und musste sich dann als Objekt für Schimpf und Schande auf einem Kleidungsstück wiederfinden; die Menschen waren wirklich ein absonderlicher Haufen, welcher sich wahrscheinlich irgendwann nur selbst zugrunde richten würde.

Die Jugendlichen hatten den Magier noch nicht bemerkt, der im Schatten des Gebäudes verweilte; Loki hatte eigentlich keine Zeit für Verzögerungen und wollte seinen Weg gerade unbemerkt fortsetzen, doch der Anblick des zitternden Jungen mit dem dunklen Haar und den furchtsam geweiteten, grünen Augen rührte etwas in ihm an, was Loki für längst gestorben und begraben erachtet hatte. Er hielt erneut im Schritt inne und verkrampfte die Kiefermuskeln, bevor er sich der Gruppe Jugendlicher eher widerwillig wieder zuwandte.

»Sicher hast du doch ein bisschen was interessantes in deiner Tasche, nicht wahr?« säuselte der ernannte Anführer der Jugendgruppe gerade auf den bedrängten Jungen herab und ließ sein schimmerndes Messer bedrohlich vor dessen Augen auf und ab gleiten. Der dunkelhaarige Junge starrte die Klinge entsetzt an und folgte jeder Bewegung wie hypnotisiert mit seinem Blick. »Meine Jungs und ich haben nämlich Hunger, weißt du? Ich will ein paar Scheine sehen, klar?«

Der Aufrührer wollte dem kleineren Jungen das Messer gerade in einer nachdrücklichen Geste gegen die Kehle drücken, als sich die Klinge plötzlich in einem Schimmern veränderte; aus dem Metall schälte sich eine lange, giftgrüne Schlange, die sich bedrohlich zischelnd in der Hand des Jugendlichen wandte. Der bunthaarige Junge stieß einen halb angewiderten, halb entsetzen Laut aus und wollte das Tier abschütteln, doch das Reptil schlängelte sich entschlossen seinen Arm hinauf und animierte den eben noch so lockeren Anführer zu fast mädchenhaften Schreien, während er panisch zurückstolperte und sich seiner Gruppe zuwandte. »Nehmt mir das verdammte Vieh ab! Nehmt es weg!«

Seine Freunde wichen schockiert zurück und sahen sich ratlos an; niemand machte Anstalten, dem Anstifter zu helfen - vor allem nicht, da der Rest der Gruppe gerade feststellen musste, dass sich ihre Schlagringe, Ketten und Messer ebenfalls in Reptilien, Spinnentiere und Insekten verwandelt hatten.

Einem kreischenden Jungen krabbelte eben eine faustgroße Spinne aus der Brusttasche seiner Weste, einem anderen kroch ein bedrohlich weißer Skorpion unter den Ausschnitt seines Shirts, während sich ein anderer Jugendlicher gerade einer riesigen Gottesanbeterin erwehrte, die über sein Haar kletterte.

Loki beobachtete das Spektakel mit eben erwachter diabolischer Freude aus dem Schutz der Dunkelheit, während sich die Gruppe der Jugendlichen in die Nacht verteilte; Menschen waren wirklich so leicht hinters Licht zu führen.

Ein Wink seiner Hand genügte und in einem weiteren Erglühen der Luft materialisierte sich die imposante Illusion Thors am Ende der Gasse, um sich vor dem Anführer der Jugendlichen aufzubauen, der als letzter aus der Straße fliehen wollte.

Der Junge hatte die Schlange endlich von sich geworfen, die auf dem harten Asphalt wieder als leblose Klinge scheppernd auftraf, bevor er sich nun unvermittelt dem Donnergott gegenübersah, der ihm mit seiner breiten Gestalt den Fluchtweg versperrte.

Thor senkte den Blick missbilligend auf das Shirt des Jungen, der dem Fokus des Gottes mit erbleichten Zügen folgte, bevor der mächtige Hüne ein breites Grinsen zeigte und Mjölnir schwang.

Folglich gab Loki dem Jugendlichen einen weiteren Grund seinen Bruder schrecklich nervig zu finden - spätestens nachdem der Hammer des Donnergottes mit seinem Ego und seinem Kopf kollidiert war, sollte er Thor wirklich gar nicht mehr leiden können; der Junge flog in hohem Bogen wieder in die Gasse zurück und landete ohnmächtig auf einem Haufen stinkender Müllsäcke. Das perfekte Lager für diesen Wurm, der später wohl mit mächtigen Kopfschmerzen erwachen würde.

Midgard bot noch immer so viele Möglichkeiten der Unterhaltung. Ein selbstgerechtes, ehrlich belustigtes Grinsen teilte die Lippen des Gottes in der Dunkelheit; einem aufmerksamen Beobachter wäre womöglich das Aufblitzen von Reihen weißer Zähne in den Schatten aufgefallen, nebst den schalkhaft leuchtend grünen Augen - nur weil er mit einer Mission hierher gekommen war hieß das noch lange nicht, dass er seinem Naturell abschwören musste.

Und Loki hatte auch schon eine ungefähre Ahnung davon, wie er einen Teil seiner Rache doch noch bekommen könnte, ohne seine Aufgabe aus den Augen zu verlieren.

Sie hatten ihn nicht gezähmt. Der Gott des Unfuges würde sich niemals zähmen lassen; dumm waren sie - Thor und Frigga - wenn sie das wirklich glaubten.

Er ließ die Illusion seines Bruders in einem Flackern verschwinden und sah zu dem bis eben bedrängten, dunkelhaarigen Jungen hinüber, der das ganze Spektakel regungslos und ungläubig mit angesehen hatte; jetzt wagte er vorsichtig einen Schritt weg von der schützenden Wand im Rücken, sah einmal die Gasse hinauf und hinab, bevor er sich mit zittrigen Beinen ins Licht der befahrenen Straße rettete.

Heute war dein Glückstag, Junge…

Der Magier trat nun ebenfalls aus den Schatten und hüllte seinen Körper in das seichte Schimmern von Magie; er legte eine Illusion über seine Gestalt und veränderte sein Aussehen, um nicht aufzufallen - und um ein wenig Spaß zu haben. Denn mit ein paar Personen auf dieser mickrigen Welt hatte er noch ein paar Rechnungen zu begleichen…

Ein selbstgerechtes Grinsen voller Vorfreude spielte um seine Lippen, als er nun in der Gestalt eines anderen aus der Gasse trat; ein Grinsen, was sich in ein eher schüchternes, unsicheres Lächeln veränderte, welches einfach besser zu seinem neuen Gesicht passte, als eine Gruppe junger Frauen an ihm vorbeilief.

Sie musterten ihn eingehend und interessiert, bevor sie die Köpfe zusammensteckten und aufgeregt tuschelten, während sie zu ihm zurücksahen und offensichtlich seine Kehrseite einer näheren Inspektion unterzogen. Loki ließ eine Hand durch seine nun braunen Locken gleiten und setzte seinen Weg mit einem Hauch von erwartungsfroher Ungeduld fort.
 


 

Die Musik des kleinen, exklusiven Restaurants perlte an Gwen vorbei wie seichte Wassertropfen; ebenso wie die Worte von Andrew, dem sie seit geraumer Zeit nur noch mit halbem Ohr zuhörte. Sie wusste, dass das wahrscheinlich alles andere als höflich und angebracht war, vor allem da ihr der Agent die letzten Tage über so zuvorkommend und freundlich zur Seite gestanden hatte und gerade von dem Wissenschaftszentrum erzählte, in welchem sie bald untergebracht werden sollte. Selbst die Angelegenheit um die Lüge der Wissenschaftlerin schien ihn eher amüsiert als aufgeregt zu haben; zumindest nahm er ihr die Sache wohl nicht übel.

Doch ihre Gedanken bewegten sich in beharrlichen Kreisen in ihren eigenen Umlaufbahnen, die ganz überraschenderweise immer das gleiche Zentrum besaßen - einen dunkelhaarigen Gott mit hypnotisch grünen Augen.

Gwen hatte Mühe, ihr Leben einfach so weiter zu leben, nachdem sie aus Asgard zurückgekehrt war; das alles hier fühlte sich so dumpf und verwaschen als, als würde sie sich die ganze Zeit durch eine dichte Wand aus Nebel kämpfen, die Menschen und Begebenheiten um sie herum nur blasse, dumpfe Schemen, die sie kaum wahrnahm.

Ashlyn hatte sie grob von den Geschehnissen in Asgard erzählt - natürlich hatte sie sich vorher die Zustimmung von Andrew einholen müssen - doch mit irgendjemanden hatte sie einfach reden wollen; Loki hatte sie zwar erwähnt, allerdings hatte sie die Geschehnisse um New York bewusst aus ihrer Geschichte weggelassen.

Ashlyn war es auch gewesen, die Gwen zu diesem Essen mit dem Agent überredet hatte, nachdem dieser ihr vorsichtig seine Einladung unterbreitet hatte; eigentlich hatte Gwen überhaupt keine Lust gehabt auszugehen, schon gar nicht mit einem Mann, doch Ashlyn war der Meinung gewesen, dass ihr Abwechslung ganz gut tun würde, damit sie sich endlich diesen Gott aus dem Kopf schlagen könnte. Als ob das so einfach wäre…

»Es ist wirklich nett dort, Gwen. Die Einrichtung wirkt nicht wie eine Klinik oder ein Gefängnis, was du wahrscheinlich erwartest und befürchtest. Ich weiß, dass du Bedenken hast, aber die sind völlig unbegründet. S.H.I.E.L.D wird sich gut um dich kümmern. In unserer Anstellung befinden sich einige der besten Ärzte und Wissenschaftler des Landes, du wirst also in guten Händen sein.« versicherte ihr Andrew gerade voller Überzeugung mit seiner sanfter Stimme, während er die Serviette über seinen Schoß breitete, da man ihnen eben ihre Vorsuppe brachte.

Er sah heute Abend so ehrenhaft und gut aus wie immer; gekleidet in einen schwarzen Anzug mit edler Krawatte zog er mit seinen strahlend blauen Augen und den von einem leichten Drei-Tage-Bart beschatteten, markanten Zügen einige Blicke der anwesenden, weiblichen Gäste auf sich.

Gwen spürte, dass hinter Andrews Freundlichkeit und ehrlichen Fürsorge nicht nur die Anweisung von Direktor Fury steckte, doch wo sie sein zaghaftes Interesse in Asgard geehrt und gerührt hatte, brachte sie dieses nun eher in Verlegenheit.

Sie mochte Andrew - trotz des Vorfalles in Asgard, für den er schon genug Rügen von seinem Boss hatte einstecken müssen und der Gwen im Nachhinein mehr als nachvollziehbar erschienen war - doch sie konnte nicht einmal einen kleinen Funken jenes brennenden Begehrens für den Agent aufbringen, welches sie für einen gänzlich anderen Mann empfand…

Und das Ganze wurde auch nicht gerade besser durch die Tatsache, dass ihre Gedanken eben jenem Mann galten, der Andrews besten Freund umgebracht hatte.

Himmel, Gwen schämte sich wirklich für ihre Gefühle, aber abstellen konnte sie diese deswegen auch nicht; sie wusste, dass es moralisch völlig verwerflich war, was sie empfand und sie hatte wahrlich versucht den Magier für das zu hassen, was er getan hatte, aber die Wahrheit war - sie konnte es einfach nicht. Nicht, nachdem sie einen gänzlich anderen Loki in Asgard kennengelernt hatte.

Gwen wartete, bis der Kellner gegangen war, dann griff sie nach ihrem Löffel und begann eher mechanisch als wirklich hungrig zu essen. »Wie erfreulich. In guten Händen gefangen. Das macht die Sache natürlich wesentlich besser…« murmelte sie sarkastisch und verbrannte sich als Strafe dafür an ihrer Suppe die Zunge. Bevor der Agent schon zu rechtfertigenden Worten ansetzen konnte, fuhr sie einfach fort: »Wer wird eigentlich für meine Ausfälle aufkommen? Wer wird meine Wohnung bezahlen, wenn ich nicht arbeiten gehe? Und vor allem, wer wird mir meinen verlorenen Job entschädigen? Ich glaube kaum, dass mein Chef monatelanges Fernbleiben einfach tolerieren wird…«

»S.H.I.E.L.D wird für all deine Unannehmlichkeiten aufkommen und sich um deinen Job kümmern. Dir wird kein Schaden entstehen.« sprach Andrew; sein Tonfall sollte wohl etwas beruhigendes innehaben, doch Gwen kam nicht umhin wütende Resignation bei seinen Worten zu empfinden.

Es beruhigte sie keinesfalls, dass S.H.I.E.L.D plötzlich solche Macht über ihr gesamtes Leben ausübte; konnte sie eigentlich noch irgendetwas selbst entscheiden? Sie wusste, dass es Andrew nur gut mit ihr meinte, so wie er sich die letzten Tage um sie gekümmert und ihr geholfen hatte, ihre Angelegenheiten zu regeln, doch der schale Nachgeschmack bei der ganzen Sache blieb einfach.

Das Wort „Versuchskaninchen“ rollte immer wieder wie ein quietschbunter, aufgeregter Flummi durch ihr Hirn und verursachte ihr Kopfschmerzen. Außerdem fürchtete sie sich vor Nicholas Fury, der ihr wie ein drohender Schatten erschien, welcher sich plötzlich über ihr Leben gelegt hatte; der Direktor war - milde ausgedrückt - nicht gerade erfreut darüber gewesen erfahren zu müssen, dass Gwen in Asgard offenbar innigen Kontakt mit dem Gott gepflegt hatte, der vor zwei Jahren ihre Welt angegriffen hatte. Wahrscheinlich käme da noch einiges an Verhören auf sie zu…

S.H.I.E.L.D war natürlich sehr interessiert daran, was in Asgard und den anderen Welten vor sich ging und Gwen war im Moment die Einzige, die wusste, was dort passierte. Allerdings hatte sie keine große Lust, Fury Rede und Antwort zu stehen; sie mochte den Direktor nicht und diese Abneigung beruhte ganz offensichtlich auf Gegenseitigkeit.

Und nicht nur das…

Diese seltsame Kraft in ihr spielte irgendwie verrückt und das Leuchten ihrer Hand hatte in den letzten Tagen nicht mehr aufgehört, weswegen sie jetzt mit halblangen Handschuhen hier saß, welche das Schimmern unter ihrer Haut verbargen. Zum Glück passte sie damit zur edlen Einrichtung des Restaurants und keiner sah sie deswegen seltsam an.

Und natürlich war da auch noch Loki…

Sie bekam ihn einfach nicht aus ihrem Kopf; ihre Sehnsucht war wie ein unermüdlich schwelendes Feuer in ihrem Inneren, welches sich einfach durch nichts ersticken ließ.

Ashlyn vermutete eine vorübergehende Vernarrtheit in jenen Mann, der ihr so oft das Leben gerettet hatte; eine Besessenheit, die irgendwann vergehen würde. Doch Gwen war in dieser Sache ganz und gar nicht Ashlyns Meinung - diese beharrliche, beinahe erdrückende Sehnsucht fühlte sich nicht vorübergehend an; Gwen konnte sich nicht vorstellen, dass die Zuneigung zu Loki einfach in den nächsten Tagen verschwinden würde wie eine hartnäckige Erkältung.

Gwen wollte das auch gar nicht; diese Verbindung zu dem Magier fühlte sich besonders an, einzigartig - auch jetzt noch, wo sie durch so viele Meilen kalten, leeren Weltraums getrennt waren. Sie wollte diesen Zauber nicht missen, auch wenn das hieße, dass sie ihr Leben lang mit diesem verzehrenden Sehnen leben müsste; sie klammerte sich wie ein Kind an eine Ballonschnur, die aus ihren Fingern zu rutschen drohte, um in unerreichbare Höhen zu verschwinden. Dieses Band zwischen dem Prinzen und ihr - sie konnte es einfach nicht los lassen, obwohl es wahrscheinlich das Beste wäre, damit sie nicht den Boden unter den Füßen verlor. Doch sie hielt es egoistisch fest, denn immerhin war es ihre einzig gebliebene Verbindung zu Loki, die sie sich bewahren wollte.

Gerade heute hatte sie das seltsame Gefühl, dass ihre Verbindung am erstarken war und sich die Enden wieder fest miteinander verknüpften; beinahe fühlte es sich an, als wäre Loki ganz in der Nähe, als würde sein Blick auf ihr weilen, doch das war schlichtweg unmöglich.

Ein Kribbeln zog die Seite ihres Halses hinauf; ein heißer, prickelnder Schauder, der sie die Beine unruhig überschlagen und eine Hand zu der entblößten Seite ihres Halses heben ließ. Verstohlen sah sie sich in dem kleinen Restaurant um, der absurden Hoffnung folgend, dass ihr Blick jenen von zwei grünen Augen kreuzen würde.

Doch natürlich entdeckte sie den Magier nirgendwo zwischen den gemütlichen Nischen, in die sich perfekt hergerichtete Tische schmiegten und an denen unzählige, exklusive Gäste ihr Abendessen einnahmen. Das Licht war dezent gedämpft, sodass auf jedem blütenweißen Tischtuch schlanke Kerzen zu ihrer Aufmerksamkeit kamen. Die Wände waren bis zur Hälfte mit dunklem, edlem Holz vertäfelt, darüber große Spiegel, die dem eher kleinen, länglichen Raum mehr Tiefe verliehen.

Ein kleiner, verspielter Springbrunnen bildete das fast schon exotische Herzstück des Restaurants; leises Plätschern verband sich mit der unaufdringlichen, ruhigen Musik im Hintergrund. Eine kleine, blank polierte Tanzfläche schmiegte sich nahtlos an den Essensbereich an; vereinzelte Paare wiegten sich dort gemächlich im Takt der sanften Klänge.

Die gehobenen Kreise New Yorks bewegten sich hier, den ganzen teuren Uhren, Kleidern und Schmuckstücken nach zu urteilen und Gwen fühlte sich nicht zum ersten Mal an diesem Abend im Rahmen dieses Etablissements ein wenig unwohl. Irgendwie passte sie mit ihrer eher schlichten Erscheinung nicht wirklich ins Bild dieses feinen und superteuren Restaurants.

Eine warme, schwere Hand griff plötzlich nach ihren Fingern, die sie unmerklich um die bereitliegende Gabel geschlungen hatte; Gwen wandte ihren Blick wieder dem Agent zu, der sie recht besorgt ansah. »Alles in Ordnung? Du wirkst ziemlich abwesend…« raunte Andrew einfühlsam; seine blauen Augen vermittelten ehrliche Aufmerksamkeit.

Prompt fühlte sich Gwen ertappt und furchtbar schlecht, da sie ihm nicht das gleiche Interesse zukommen ließ, wie er es eigentlich verdient hätte, weil ihre Gedanken schon wieder zu Loki abgedriftet waren. »Ja…ja, ich habe nur über etwas nachgedacht…« versuchte sie die Situation halbherzig zu retten und schenkte dem Agent zumindest ein ehrlich entschuldigendes Lächeln, während sie die Hand von der noch immer kribbelnden Stelle an der Seite ihres Halses wieder sinken ließ.

»Ist es wegen diesem Leuchten? Du machst dir Sorgen deswegen, hm?« Andrews sanfte Finger strichen vorsichtig über den glatten Stoff ihres Handschuhs, während sein Blick ihren festhielt. »Hast du noch immer Schmerzen?«

In den letzten Stunden hatte das heftige Brennen glücklicherweise endlich nachgelassen, welches Gwen zuvor fast jeden Nerv geraubt hatte; anfangs war es nur ein verhaltenes Prickeln unter ihrer Haut gewesen, was sich jedoch rasch in einen hässlichen Schmerz verwandelt hatte, der zwar nicht stark, durch seine Ausdauer jedoch wirklich zermürbend gewesen war. Ihre Hand hatte sich angefühlt, als hätte sie ihre Finger in einem Meer aus Brennnesseln gebadet.

Gwen schüttelte den Kopf. »Nein, es geht schon wieder. Es hat jetzt endlich aufgehört.« beruhigte sie den Agent und entzog ihm mit einem leichten Lächeln vorsichtig ihre Hand unter dem Vorwand, ihre Serviette zurechtrücken zu müssen. »Solang es nicht schlimmer wird, ist es auszuhalten.«

»Wenn du möchtest, dann können wir auch schon früher aufbrechen. Es ist eh schon alles für dich vorbereitet-« begann Andrew fürsorglich, doch Gwen unterbrach ich sofort in seinen Worten, fast schon ein wenig zu barsch.

»Nein.« Etwas ruhiger fügte sie an: »Es geht schon. Danke Andrew, aber ich glaube, ich möchte meine letzten Tage in Freiheit noch genießen…«

Der Kellner unterbrach ihr Gespräch, indem er ihre leeren Suppenteller abräumte und dann die Hauptspeise brachte. Gwen nutzte die Pause, um einen kräftigen Schluck von ihrem schweren Rotwein zu nehmen. Sie wusste zwar, dass sie Alkohol mehr schlecht als recht vertrug, doch irgendwie benötigte sie gerade dieses wattige Gefühl im Kopf.

»Gwen, du bist keine Gefangene…« begann Andrew, nachdem der Kellner wieder verschwunden war und sie mit ihrem Essen alleingelassen hatte. Zögerlich griff er nach seinem Besteck, ließ sie dabei jedoch nicht aus den Augen.

»Das habe ich in letzter Zeit irgendwie öfter gehört…« murmelte sie bissig über den Rand ihres Glases, bevor sie seufzte und den Agent entschuldigend ansah. »Tut mir leid, ich…es ist alles nur so schwierig, verstehst du?« Sie stellte da Glas wieder ab und beschäftigte ihre Hand damit, das teure Kristall zwischen den Fingern zu drehen. »Erst die ganze Aufregung in Asgard. Der Angriff dort. Diese verdammte Kraft in mir. Ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten Tagen dem Tod gerade so entkommen bin…und nun kommt auch noch S.H.I.E.L.D und will mich wie ein Versuchskaninchen wegsperren, obwohl ich gerade eigentlich nichts mehr als meine Ruhe will…« Gwen hob eine Hand und rieb sich müde über das Gesicht. Die letzten Tage hatte sie nicht gerade gut geschlafen.

Andrew sah sie mitfühlend an. »Ich weiß. Ich kann dich verstehen. Doch ich kann dir auch versichern, dass du bei S.H.I.E.L.D sicher sein wirst. Bessere Ärzte und Wissenschaftler wirst du nirgendwo finden. Wenn dir jemand helfen kann, dann wir. Vertrau mir. Wir werden das Problem mit deiner Kraft lösen und das wieder unter Kontrolle bringen, das verspreche ich dir.«

»Kannst du mir auch versprechen, dass S.H.I.E.L.D diese Macht nicht für sich nutzen will?« Sie sah wieder zu dem Agent hinüber und ertappte ihn so beim verräterischen, flüchtigen Senken seines Blickes. Damit war ihr alles klar…

»Niemand wird dich zu irgendetwas zwingen. Das kann ich dir versprechen. Aber diese Kraft, die in dir wohnt…alles was du erzählt hast…« Er ließ sein Besteck kurz sinken und kaute angespannt auf der Innenseite seiner Wange, bevor er sie wieder ansah. »Gwen, du könntest so viel bewirken. So viel Gutes tun...«

Sie würde lügen, wenn sie nun behaupten würde, nicht selbst schon über diese Möglichkeiten nachgedacht zu haben. Doch sie hatte noch immer Angst.

Angst vor dieser Macht in ihr, die irgendwie zu groß für sie erschien. Angst vor den Veränderungen, die diese Kraft womöglich mit sich brachte. Am Ende wollte sie einfach nur wieder stinknormal sein und ihr stinknormales Leben zurückhaben, allerdings hatte sie das unbestimmte Gefühl, dass es für sie kein Zurück gab; es fühlte sich nicht an, als würde jemals alles wieder einfach und normal werden.

»Du weißt nicht, wie das ist, Andrew. Du weißt nicht, wie es ist, eine unbekannte Kraft in dir zu haben, die du nicht steuern und nicht wirklich lenken kannst, die du ja noch nicht einmal erklären kannst. Es fühlt sich an, als würde mein Körper nicht mehr allein mir gehören…als wäre da noch etwas anderes, was in meinen Eingeweiden lauert wie eine Krankheit kurz vor dem Ausbruch. Ich will nichts bewirken. Ich will diese Kraft einfach loswerden, bevor sie mich womöglich umbringt. Ich hänge nämlich an meinem Leben!« Gwen hatte die Stimme am Ende ungewollt angehoben, sodass sich einige Gäste aufmerksam zu ihr umsahen. Sie schluckte ihre aufwallende Verzweiflung die Kehle hinunter und griff nun ebenfalls nach ihrem Besteck; sah verlegen auf ihren Teller, um den neugierigen Blicken umher auszuweichen.

»Das verstehe ich-«

»Nein, das verstehst du nicht, denn du bist nicht in meiner Lage!« zischte sie unzufrieden.

»Okay, gut. Lassen wir das Thema am besten fürs Erste...« lenkte der Agent sanft ein, bevor er sich ebenfalls seinem Essen zuwandte. Die nächsten Minuten verbrachten sie somit schweigend.

Gwen stocherte gedankenverloren in ihrem Essen, brachte es jedoch ab und zu fertig, zumindest ein paar Bissen in ihren Mund zu befördern, um diese mechanisch zu kauen und in ihren Magen zu zwingen. Der Appetit war ihr schon seit einer ganzen Weile abhanden gekommen und Essen diente nur noch der nötigen Nahrungsaufnahme und Selbsterhaltung.

Sie erinnerte sich, dass sie ein ähnliches Gespräch bereits mit Loki in Asgard geführt hatte und fragte sich gleichzeitig, wie oft sie dieses leidliche Thema noch durchkauen musste.

Loki…

Gwen hätte ihn gern nach seiner Meinung gefragt und seinen Rat eingeholt, da er ihr eigentlich noch immer als der Einzige erschien, der sich wirklich mit magischen Kräften auskannte; er hätte womöglich irgendwann herausgefunden, was mit ihr los war. Hätte dieses verfluchte Leuchten womöglich unterbinden können.

Allerdings hätte sie sich das wohl ein wenig früher überlegen und nicht so überstürzt aus Asgard flüchten sollen…

Es war ein verdammter Fehler gewesen so schnell das Weite zu suchen; die Erkenntnis kam zu spät, aber immerhin kam sie überhaupt noch.

Gwen hätte sich in den letzten Tagen für diese kopflose Handlung am liebsten ein paar Mal gern selbst geohrfeigt, denn jetzt blieb sie mit tausenden Fragen zurück, auf die sie womöglich niemals eine Antwort finden würde. Wirklich toll, Gwen - der Einzige, der dir diese Antworten geben könnte ist genau der, vor dem du so planlos geflüchtet bist.

Entgegen aller Vernunft hätte sie jetzt gern mit Loki über die Ereignisse von vor zwei Jahren gesprochen; die Fragen dazu flatterten in ihrer Brust wie wilde Vögel, die ihrem Käfig entkommen wollten. Sie musste die Antworten einfach kennen; musste wissen, warum er das getan hatte. Vielleicht war sie verrückt, doch sie wollte verstehen, was ihn angetrieben hatte, um ihm…verzeihen zu können?!

Gwen hatte sich bereits unzählig oft diese eine, bestimmte Frage selbst gestellt: konnte sie ihm vielleicht irgendwie, irgendwann vergeben? Konnte - durfte - es Vergebung für ein solches Verbrechen geben?

Sie war sich bewusst, dass ihre Zuneigung zu Loki diese drängenden Gedanken formulierte; sie zwang, nach einer Antwort zu suchen, mit der sie sich abfinden könnte. Sie wollte etwas Gutes in dem Magier sehen und bis zu dieser haltlosen Eröffnung von Andrew war ihr das auch wirklich nicht schwer gefallen; Gwen hatte den Prinzen unvoreingenommen kennengelernt und etwas hinter seiner Fassade entdeckt, was es durchaus wert war, behütet und geschätzt zu werden. War dies nun wirklich alles verloren wegen der Ereignisse in der Vergangenheit?

Tagtäglich fanden Verbrechen vor der eigenen Haustür, vor ihrer aller Nase statt; es wurde gelogen und betrogen, beleidigt und verachtet. Menschen bestohlen sich, taten sich gegenseitig Gewalt an und erniedrigten sich selbst, bis selbst vor Mord nicht mehr zurückgeschreckt wurde. Und doch gab es jeden Tag auch Vergebung; die Menschen waren nicht perfekt, aber die meisten wuchsen an ihren Fehlern, lernten daraus und kümmerten sich darum, ihre Verfehlungen wieder gerade zu biegen.

Konnte ein Gott wie Loki an seinen Fehlern wachsen? Sollte man einem Gott nicht auch die Möglichkeit auf Wiedergutmachung einräumen? Hatte er sie nicht auch verdient? Erwartete man von einem Gott zu selbstverständlich Perfektion und die immer richtigen Taten?

Gwen kamen die Avengers in den Sinn, gezielt Black Widow und Ironman - waren diese beiden nicht die besten Beispiele dafür, dass die Fehler der Vergangenheit nicht unbedingt auch maßgeblich für die Zukunft sein mussten?

Beide hatten Schuld auf sich geladen; Tony Stark durch seine moralisch fragwürdige Waffenproduktion, Natasha Romanoff durch ihre Arbeit beim KGB als Spionin, wo sie sicher mehr als einmal umstrittene Aufträge erledigt hatte. Und doch kämpften sie nun für die gute Sache und nutzten ihre Fähigkeiten für ehrbare Unternehmungen.

Aus der Perspektive eines Menschen waren Lokis Verbrechen natürlich furchtbar und schrecklich, eigentlich nicht zu vergeben, doch vielleicht musste man versuchen auch seine Sicht auf die Ereignisse zu verstehen; er war immerhin wirklich eine Art Gott und die Menschen mussten für ihn am Ende tatsächlich nichts weiter als Ameisen unter einem Stiefel sein.

Jeden Tag wurden tausende von Lebewesen auf der Erde für die Nahrungsmittel- und Kleiderindustrie ermordet, deren Lebensräume für die eigenen Wohnungen und Vergnügungen zerstört, sie selbst oft als Belustigung und Zeitvertreib als Haustiere gehalten; der Mensch verschwendete schon kaum noch einen Gedanken an diese Tatsachen - begingen sie nicht ebenso Tag für Tag Verbrechen und Massenmord an Geschöpfen, die sie für weniger gebildet und klug hielten? War das gerechtfertigt, nur weil sich der Mensch über einige Lebensformen erhoben hatte?

Spielten sie sich nicht auch als Götter auf…?

»Andrew…« begann Gwen nun gedehnt, während sie das Gemüse auf ihrem Teller peinlich genau auf ihre Gabel spießte und dem Blick des Agents damit entging. »…mal angenommen, ich zeige mich S.H.I.E.L.D gegenüber kooperativ, meinst du, es gäbe dann eine Möglichkeit, dass ich…eventuell noch einmal nach Asgard reisen könnte?« formulierte sie betont beiläufig ihre Frage, bevor sie vorsichtig zu Andrew hinüber sah.

Der runzelte die Stirn und blinzelte fragend. »Warum willst du denn…« Die Erkenntnis brach sich erschreckend schnell Bahnen in seinen blauen Augen, die augenblicklich fast wütend funkelten. »Es ist wegen ihm, oder? Du willst wegen ihm zurück, nicht wahr?!« Er musste nicht einmal gesondert erläutern, wer mit „ihm“ gemeint war - die Verachtung in diesem Wort sprach Bände - und wenn das nicht gereicht hätte, dann wäre es der unterschwellige Hass in Andrews Zügen gewesen, welcher Gwen sehr eindringlich verraten hätte, dass er von Loki sprach.

Der Agent warf sein Messer in einer aufgebrachten Geste auf den Teller; das hohe, scheppernde Geräusch ließ erneut einige Köpfe zu ihnen herumrucken und bescherte ihnen mehr als einen empörten Blick. »Was willst du denn noch von dem Kerl, Gwen? Haben dir die Aufzeichnungen und Bilder von New York und Stuttgart nicht gereicht, damit du siehst, dass dieser Gott völlig übergeschnappt und gefährlich ist?! Er ist wahnsinnig!«

»Das ist er nicht!« hielt sie nun ebenso impulsiv dagegen; fast alle Gäste wandten sich nach ihnen um und der Kellner hinter der Theke der Bar beäugte sie bereits kritisch und wachsam, um im Notfall wohl um ihr dezentes Verschwinden zu bitten. »Er ist nicht verrückt.« fügte Gwen nun ein wenig leiser, jedoch nicht weniger überzeugt an. Sie hatte ihr Besteck ebenfalls sinken lassen und begegnete dem recht unverständigen Blick des Agents über die Flamme der Kerze hinweg. »Er hat Fehler gemacht, das gebe ich zu. Aber wir machen alle Fehler-«

»Sorry, Gwen, aber ich versuche nicht die Weltherrschaft mit Gewalt und einer Armee Aliens an mich zu reißen. Ich glaube, die Fehler der meisten Menschen beschränken sich aufs Falschparken und Lügen. Nicht viele ziehen mit Freude durch die Straßen und bringen Leute um. Und die es tun sind definitiv krank und verrückt.«

Gwen wies anklagend auf das Stück Fleisch auf Andrews Teller. Es war albern, aber wo sie Diskussion nun schon führten…. »Und was ist das?!« hinterfragte sie spitz.

»Ein Stück Fleisch, Gwen…«

»Und dafür musste kein Lebewesen sterben?!«

Andrew starrte sie ungläubig an. »Ist das dein Ernst?! Das kann man doch überhaupt nicht vergleichen! Das ist etwas vollkommen anderes!«

»Ist es das wirklich…?« ließ sie die Frage im Raum hängen, bevor sie entschieden fortfuhr. »Diese Sache vor zwei Jahren…das war falsch. Dafür verdient Loki sicherlich eine Strafe. Aber er ist weder wahnsinnig, noch ist er verrückt.« Saß sie wirklich gerade hier und ergriff Partei für jenen Mann, der ihre Welt angegriffen hatte?!

»Das ist also deine fachkundige Einschätzung, ja?« Andrew schnaubte und zog die Brauen spöttisch in die Höhe. »Ich glaube fast, er hat dir mit seinem Hokuspokus das Gehirn ganz schön vernebelt…« brachte er sarkastisch heraus.

Gwen stieß die Luft empört aus. »Er hat überhaupt nichts dergleichen getan. Ich werde mir ja wohl meine eigene Meinung noch selbst bilden können. Du kennst ihn einfach nicht so wie ich. Loki ist nicht so, wie du ihn darstellst.«

»Oh bitte…« Der Agent warf die Serviette auf den Tisch, mit der er sich eben den Mund abgewischt hatte und verdrehte die Augen in einer mühsam beherrschten Geste. »…ich weiß, er ist nur der arme, missverstandene Junge, der es ja so schlecht in seinem Leben als Gott und Prinz hatte...« murrte er sarkastisch. Andrew sah sie wieder an, beäugte sie äußerst kritisch. »Man könnte fast meinen, du empfindest etwas für dieses Monster…«

»Das ist doch absurd, das tue ich nicht!« Ach wirklich nicht, Gwen?! Die Lüge - und es war eine Lüge - rollte holprig von ihren Lippen. »Und er ist kein Monster! Hör auf so von ihm zu reden! Ich denke, er verdient eine Chance. Er könnte sich geändert haben. Du bist einfach nicht unvoreingenommen-«

Andrew schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ja, das bin ich wirklich nicht, denn er hat meinen besten Freund ermordet, Gwen! Da ist es ein bisschen schwierig, objektiv zu bleiben! Dieser Kerl ist Abschaum und du hast dich von ihm offensichtlich wunderbar einwickeln lassen und dich noch freiwillig unter ihn gelegt, um-«

»Jetzt reicht es aber!« unterbrach Gwen ihn zornig und pfefferte ihre Gabel nun ebenfalls geräuschvoll auf den Teller, was augenblicklich den Kellner auf den Plan rief, der mit einem verhaltenen Räuspern an ihrem Tisch erschien und sich an Andrew wandte.

»Sir, ich muss sie wirklich bitten, sich ein wenig zu mäßigen, sonst muss ich sie leider dazu auffordern zu gehen.« Dem Mann war die Situation sichtlich unangenehm; offenbar kam es nicht sehr oft vor, dass in diesem Restaurant den Gästen die Tür gewiesen werden musste.

Der Agent holte tief Luft und richtete seine Krawatte, dann nickte er dem Kellner zu. »Wir werden uns beherrschen. Versprochen.«

Der Mann schien nicht wirklich überzeugt, ließ seinen zweifelnden Blick zwischen Andrew und Gwen hin und her wandern, bevor er sich wieder hinter seine Theke zurückzog, offenbar froh diesen Part des Zurechtweisens hinter sich gebracht zu haben.

Der Agent räusperte sich vernehmlich, bevor er sich plötzlich erhob. »Ich muss eben frische Luft schnappen…«

Gwen sah seinem angespannten, breiten Rücken hinterher, als er sich an der Tanzfläche vorbei zum Hinterausgang schob, durch den man einen anliegenden, halbseitig geöffneten Wintergarten erreichte, in welchem das Rauchen an kleinen, gemütlichen Tischen gestattet war. Der Griff in sein Jackett ließ vermuten, dass Andrew jetzt einen der Glimmstängel mehr als nötig hatte…

Ganz toll hinbekommen, Gwen. Sie sackte mit einem Seufzen auf ihrem Stuhl zusammen und vergrub das Gesicht kurz in den Händen, während der Kellner den Moment nutzte, um ihre Teller geräuschlos abzuräumen.

Sie wusste doch ganz genau wie schlimm diese ganze Sache mit Loki für Andrew war; er hatte seinen besten Freund verloren, wahrscheinlich würde er dem Gott dafür niemals vergeben.

Hatte sie wirklich in diesen Wunden bohren müssen, indem sie Partei für den Magier ergriff, wo sie doch genau wusste, dass der Agent noch immer zaghaftes Interesse für sie hegte - trotz des Debakels in Gladsheims Palastgarten? Offenbar war er wirklich der Überzeugung, dass Gwen von Loki durch irgendeine Art Magie gefügig gemacht worden war und er sie vor dessen Einfluss gerettet hatte; manchmal kam ihr der Gedanke, dass alles verdammt einfacherer wäre, wenn sie sich tatsächlich auf diese Lüge stützen könnte…

Es war ziemlich unklug den einzigen Verbündeten, der ihr in S.H.I.E.L.Ds Reihen wahrscheinlich blieb, zu vergraulen. Doch sie konnte es auch nicht akzeptieren, dass irgendjemand so über den Magier sprach; sie wusste einfach, dass Andrews Worte nicht stimmten.

Was für eine verfluchte Misere…

Gwen hob das Gesicht langsam wieder aus ihren Händen; ihr Blick schweifte ziellos durch das Restaurant und begegnete einigen, noch immer verstohlenen Augenpaaren, die sie beobachteten und wohl insgeheim auf einen handfesten Skandal hofften, indem Gwen vielleicht völlig den Verstand verlor und die Einrichtung des Etablissements ein wenig auseinander nahm. In den gehobenen Kreisen mochte man solche Entgleisungen; Gwen hatte lange genug für Klatschblätter geschrieben, um das zu wissen.

Ihr Aufmerksamkeit wurde von einem auf stumm gestellten TV-Gerät angezogen, welches über der Theke der Bar hing und die Abendnachrichten zeigte; gerade flimmerte die Übertragung aus einem Helikopter über den Bildschirm, welche leicht verwackelt die obere Spitze des STARK-Towers zeigte, an dessen Fassade sich ein grüner, massiger Körper im Licht der Scheinwerfer zu schaffen machte.

Die ersten Buchstaben des STARK Logos hauchten flackernd ihr Licht und Leben aus, bevor das grüne Wutmonster die tonnenschweren Lettern abriss und unter offensichtlicher Freude damit nach einem hektisch herumschwirrenden Ironman schlug, der eben in der Luft aufgetaucht war und den Hulk erkennbar zu beruhigen versuchte. Ein gekonnt gezielter Treffer schleuderte den Eisenmann aus dem Bild, in welchem am unteren Rand die Schlagzeile in dicken, roten Buchstaben verkündete: „Die Avengers - Rettung oder Wahnsinn für unsere Stadt?!“

»Was zum Teufel…« murmelte Gwen, während sie die Nachrichten neugierig verfolgte. Eine weitere Sequenz wurde eingeblendet, diesmal offenbar mit einer Smartphonekamera aufgenommen; das Bild zeigte Dr. Bruce Banner, wie er in einer Starbucks-Filiale an der Theke stand. Nachdem der Kassierer ihm offenbar nicht sofort seine Bestellung lieferte, verwandelte sich der sonst so zurückhaltend wirkende Mann vor der versammelten Belegschaft in sein grünes Ich und zerstörte brüllend die Einrichtung des Kaffeehauses. Offenbar hatte da jemand ein echtes Koffeinproblem…

S.H.I.E.L.D hatte seine Mitarbeiter ja gut unter Kontrolle.

Das Röhren eines hochtourigen Motors riss Gwens Aufmerksamkeit von den Nachrichten los und sie drehte den Kopf wie der Rest der Gäste, um durch die gläserne Front des Restaurants nach draußen zu blicken; im einsetzenden Nieselregen durchschnitten zwei helle Scheinwerfer die Dunkelheit, bevor ein edler und sicherlich auch superteurer Sportwagen vor dem Eingang hielt. Der polierte, dunkelgrüne Lack glänzte unter den feinen Wassertropfen.

Ein Angestellter des Restaurants war sofort mit einem Schirm zur Stelle, als sich die Türen des Wagens öffneten und zuerst drei langbeinige Supermodels in glitzernden Kleidern aus dem Inneren entstiegen, bevor der Fahrer selbst folgte und das war in diesem Fall kein geringerer als Steve Rogers - wohl allen besser bekannt als Captain America. Der drückte dem Angestellten seine Autoschlüssel in die Hand und legte dann jeweils einen Arm um eine der kichernden Damen, bevor sie das Restaurant betraten.

Die Tür ging auf und augenblicklich veränderte sich die Stimmung in dem kleinen Lokal schlagartig; alle Blicke der anwesenden Frauen zog es wie magisch auf den eben hereinkommenden Captain - Lippen wurden instinktiv geleckt, Dekolletés verstohlen zurechtgerückt, Beine unruhig überschlagen. Jede Frau schien Rogers mit den Augen ausziehen zu wollen; Gwen sah sich mit irritiert gerunzelter Stirn um.

Eine besonders blonde Schönheit an einem Tisch neben Gwen lehnte sich betont zu ihrem Begleiter hinüber, um einen ausgezeichneten Blick in ihren Ausschnitt zu gewähren, bevor sie die Aufmerksamkeit des Captains mit einem perfekten, weißen Lächeln auf sich zu lenken versuchte.

Im Gegensatz dazu verhielten sich die Männer schon fast unterwürfig, als würden sie sich eines Alphatieres in ihren Reihen bewusst werden; sie senkten den Blick und sahen betont beschäftigt auf ihre Uhren oder wandten sich rasch ihrem Essen zu.

Himmel, das war doch nur Steve Rogers - der zugegeben recht gut aussah- aber nicht Eros persönlich. Steve Rogers, der fast schüchterne, anständige-

Gwen verschluckte sich fast an ihrem Wein und setzte das Glas unter einem verhaltenen Husten wieder ab, nachdem sie den Fehler gemacht und den Captain näher betrachtet hatte. Augenblicklich wurde ihr heiß und das lag sicher nicht an der gut funktionierenden Klimaanlage des Restaurants...

Was zur Hölle war denn mit Captain America passiert? Rein äußerlich glich er noch immer dem Mann, den man aus Fernsehen und Zeitungen kannte; muskulöser, großgewachsener Körper, markante und einprägsame Züge, hellbraunes Haar…und doch war irgendwas an ihm anders.

Er bewegte sich wie ein Raubtier; geschmeidig, gewandt - jeder Schritt eine Verheißung, der sicher so manche Frau hier gern gefolgt wäre. Ein Blick aus seinen fantastisch leuchtenden Augen genügte, um völlig hypnotisiert die Tiefen jeglicher verdorbener Gedanken auszuloten. Seine vollen Lippen teilten ein breites, selbstbewusstes Grinsen und eine glimmende Zigarre, die ihm locker im Mundwinkel hing. Seine Aura war schneidende Sinnlichkeit, betont durch ein strahlend weißes Hemd und einen maßgeschneiderten, schwarzen Anzug, über dem er einen halblangen, dunkelgrünen Stoffmantel trug. Um seinen Hals lag ein edler Seidenschal geschlungen, der so gar nicht zu der Erscheinung des muskulösen Captains passen wollte - irgendwie passte alles an ihm nicht zusammen.

Steve Rogers ließ sich mit seinen drei Begleiterinnen unweit von Gwens Tisch in einer Nische des Restaurants nieder und sogleich brachte ein Kellner der Gruppe eine Flasche Champagner, die auch prompt geköpft wurde. Das Gekicher und Gequietsche der makellosen Schönheiten an seiner Seite tönte Gwen nervenraubend im Ohr, während sie inzwischen unruhig auf die Rückkehr von Andrew wartete; verstohlen schielte sie immer wieder zu dem Tisch in der Ecke hinüber, an dem nun Dinge im Gange waren, die Gwen verblüfft erstarren ließen. Jedoch nur für einen Moment, bevor sie geistesgegenwärtig ihr Smartphone aus der Tasche zog und versteckt ein paar Bilder vom Captain schoss, der gerade dabei war sein Saubermannimage ganz gehörig zu versauen - das wäre sicher für ein paar Schlagzeilen gut. Vielleicht würde sie die Schnappschüsse irgendwann gebrauchen können. Falls sie S.H.I.E.L.D doch mal erpressen wollte…

Der Rest der Gäste hing ebenso gebannt am Geschehen in jener Nische; einige Blicke waren verwirrt, andere fast entsetzt, teils aber auch amüsiert. Köpfe wurden tuschelnd zusammengesteckt.

Ein Kellner schlich sich an Rogers´ Tisch heran, genau derselbe, der vorhin schon Andrew und Gwen zurechtgewiesen hatte - armer Kerl. Er flüsterte dem Captain etwas ins Ohr, was dessen Grinsen nur noch verbreiterte, bevor er dem Mann offenbar etwas erwiderte, was diesen merklich erbleichen ließ. Der Kellner nickte und zog sich umsichtig zurück.

Die dunkelhaarige Frau an Steve Rogers Seite war auf seinen Schoß gerutscht und imitierte einen ziemlich eindeutigen Ritt auf seinem Unterleib, während die Blonde ihre Freundin anfeuerte und die Hände über deren Rundungen gleiten ließ. Die letzte, verbliebene im Bunde, eine hübsche Afroamerikanerin, war auf den Tisch geklettert und ließ die Hüften dort lasziv und sinnlich kreisen, während ihr eh schon knapper Minirock kurz davor war, viel zu viel zu enthüllen.

Der Captain sah dem Schauspiel zwar erheitert zu, wirkte jedoch seltsam unbeteiligt von alldem; er ließ sich berühren, doch wehrte er jeden Kontakt mit rotgeschminkten Lippen entschieden ab - seine Augen schossen ruckartig zu Gwen herüber, als hätte er ihre Beobachtung gespürt; sein glimmender Blick bohrte sich förmlich in ihren und ließ sie schlucken.

Diese Augen…Gwen wusste, dass sie diese Augen überall erkannt hätte, aber das war einfach unmöglich…sie musste sich irren…

»Entschuldige. Es hat etwas länger gedauert…« riss sie Andrews Stimme aus ihren Gedanken; der Agent war wieder an ihrem Tisch aufgetaucht und klappte eben sein Mobiltelefon zu, bevor er sich auf seinem Stuhl niederließ. Umgehend wurde ihnen ihr Dessert gebracht. »Ich musste noch ein Telefonat führen. Es gibt ein paar Probleme bei Stark…«

»Äh…ja…die habe ich gesehen…« wandte sie sich ihm konfus zu und hatte Mühe, ihren Blick von Captain America abzuziehen, bevor sie knapp auf den Bildschirm über der Theke deutete, als der Agent sie fragend ansah. »Es kam schon in den Nachrichten…«

»Na fantastisch…« bemerkte Andrew zähneknirschend und rieb sich angespannt über das Gesicht, bevor er Gwen fest ansah. »Hör mal, das von vorhin tut mir leid. Ich hab vielleicht ein paar Dinge gesagt, die nicht okay waren, aber in dieser Sache kann ich einfach nicht objektiv bleiben…«

Gwen schüttelte abwehrend den Kopf. »Schon okay. Ich versteh das-«

Das Gekicher vom Nebentisch unterbrach Gwen und Andrew bemerkte jetzt erst den Captain; die Augen des Agents weiteten sich ungläubig und er blinzelte fassungslos. »Das darf doch nicht wahr sein…?! Sind jetzt plötzlich alle übergeschnappt?!«

Aus dem Augenwinkel nahm Gwen wahr, wie sich Steve Rogers von seinem Platz unter dem protestierenden Murren der Frauen erhoben hatte und nun offensichtlich genau zu ihrem Tisch herüber kam. Sie starrte zwanghaft geradeaus und angelte nach ihrem Weinglas, als die schweren, großen Hände des Captains unvermittelt auf ihrer Tischplatte landeten. Mit einem breiten, viel zu sinnlichen Grinsen fixierte er Gwen, die nun doch zu ihm aufsah und sich vorkam wie die Maus unter dem Blick der Schlange. Nervös hob sie ihr Glas an die Lippen.

Diese Augen…

»Rogers?! Was zur Hölle machen Sie hier?! Was soll dieser Aufzug? Müssten Sie nicht eigentlich auf einem Einsatz sein?« zischte Andrew dem Captain aufgebracht entgegen, die Stimme bewusst gesenkt, um den vielen neugierigen Blicken umher nicht noch mehr Nahrung zu verschaffen.

»Hm, möglich. Hatte keine Lust.« erwiderte Steve Rogers lapidar und besaß nicht einmal die Höflichkeit, den Agent anzusehen, der fassungslos nach Luft schnappte.

Der viel zu intensive Blick des Captains war noch immer auf Gwen fixiert, die diesen Augen nicht lange standhalten konnte. Nervös sah sie zur Seite und erhaschte einen flüchtigen Eindruck der Szenerie auf einem der vielen Spiegel im Raum; sie sah sich selbst im Glas entgegen, sah Andrews breiten Rücken, doch statt Steve Rogers eine nur allzu bekannte Gestalt an dessen Stelle in den gleichen Kleidern des Captains - dunkle, kinnlange Haare mit diesen aufmüpfigen Spitzen, ein vertraut spöttisches Lächeln, unverwechselbare Augen…

Das Glas in Gwens Hand verabschiedete sich aus ihren erschlafften Fingern, während sie auf ihrem Stuhl herumfuhr und ein ersticktes »Loki?!« ausstieß. Jedoch wartete sie vergeblich auf den hellen Klang von splitterndem Glas, denn augenblicklich verstummten alle Geräusche um sie herum, während sich das Grinsen auf dem Gesicht des Captains noch vertiefte.

Gwen starrte ungläubig auf ihr Glas, welches im Flug eingefroren schien; der dunkle Wein halb über den Rand geschwappt, ohne das die rote Flüssigkeit das Tischtuch berührte. Über die erstarrte Kerzenflamme hinweg begegnete ihr Andrews kritischer Blick; der Agent verharrte auf seinem Platz wie alle anderen Gäste im Restaurant, als hätte jemand uhrplötzlich die Stopptaste in dieser Szene gedrückt.

Das Wasser des Springbrunnens hing regungslos in der Luft, der Kellner stand eingefroren im Gang, gerade dabei, das Essen zu servieren. Die drei Frauen am Tisch des Captains blieben in ihren Positionen, die Champagnergläser an den roten Lippen.

Draußen vor dem Restaurant ging das Leben seinen gewohnten Gang weiter; Passanten liefen an den mit feinen Regentropfen besprenkelten Fenstern vorbei, ohne Notiz von dem Stillstand drinnen zu nehmen.

Gwen stand so ruckartig von ihrem Platz auf, dass ihr Stuhl unter der heftigen Bewegung umkippte; ein extrem lauter Knall in der sonst stummen Umgebung. Allein der Mann neben ihr unterlag diesen plötzlich geänderten Gesetzen der Physik nicht und richtete sich langsam vom Tisch zu seiner vollen Größe auf.

Sie atmete hektisch ein und aus, ihr Blick glitt immer wieder fassungslos über die unglaubliche Szenerie, bevor sie anklagend den Zeigefinger in Richtung des Captains stieß. »Du…du…was hast du mit ihnen gemacht?! Sind sie tot?!« Ihre Stimme war ein peinliches, heiseres Quieken.

Steve Rogers brach in amüsiertes Gelächter aus. »Obwohl ich einen Moment wahrlich in Versuchung war, aber…nein, sie schlafen nur…« Die samtige, vertraute Stimme versetzte Gwens Herz einen fast elektrischen Schlag und jagte ihren Puls erschreckend schnell in die Höhe. Unbewusst brachte sie den Tisch zwischen sich und den Captain, der eben zu Andrew hinüber trat und die Hände in einer überheblichen Geste auf den Schultern des erstarrten Agents bettete - spitze Finger legten sich nach und nach auf dem Stoff des Jacketts nieder und strichen eine imaginäre Fluse peinlich gewissenhaft beiseite. »Keine Sorge, deinem kostbaren Agent geschieht schon nichts…« War da giftige Bissigkeit in den so beiläufig gesprochenen Worten?

Gwen starrte den Captain noch immer an, bevor ihr Blick flüchtig zu einem der Spiegel zurückkehrte und ihr abermals die Wahrheit offenbarte. »Loki…du bist es, oder?!« wagte sie dann vorsichtig zu wispern, wusste kaum, ob sie dieser absurden Hoffnung in sich Platz einräumen durfte.

Steve Rogers hob die Hände und breitete die Hände zu beiden Seiten aus, bevor er einen Arm über der Brust niederlegte und sich gespielt theatralisch verbeugte. »In voller Größe und Gestalt…« Er sah an sich herab und hob selbstkritisch die Brauen. »Nun ja, mehr oder weniger...« Er richtete sich wieder auf und schlich um den Tisch herum. »Du hast meine Illusion durchschaut. Ich bin beeindruckt.«

Gwen folgte seiner Bewegung und beließ den Tisch damit als lächerliches Schutzschild zwischen ihm und sich, obwohl sie kaum wusste, wovor sie sich eigentlich schützen wollte - vor ihm oder vor der erbärmlichen Sehnsucht in ihrer Brust, damit sie sich ihm nicht sofort an den Hals warf. »Was…was machst du hier? Wie ist das möglich…? Wie…bist du auf die Erde gekommen? Und was soll diese Maskerade…?« reihte sie verwirrt und nervös eine Frage an die andere; eine hektische Handbewegung fasste seine geliehene Gestalt ein. Ihr Verstand weigerte sich zu akzeptieren; stemmte sich wie ein bockiger Esel gegen die Wahrheit, um ihr Herz zu schützen, welches mit der Situation kaum umzugehen wusste.

Er schien wohl zu bemerken, dass sie ihm auswich und blieb damit an einer Seite des Tisches stehen, wenngleich es für ihn wohl nur ein Fingerzeig gewesen wäre, diese letzte Hürde einfach hinwegzufegen. Seine Fähigkeiten waren beachtlich, beeindruckend, beängstigend mächtig. Offenbar hatte man ihm seine Fesseln abgenommen, das Tier von der Leine gelassen…

Erneut sah er an sich herab. »Ich dachte, das wäre menschlicher. Ich dachte, dir würde es in dieser Gestalt womöglich leichter fallen, mit mir zu sprechen. Gefällt sie dir etwa nicht, wo sie doch so heroisch und kräftig ist, das Abbild menschlichen Edelmutes!?« säuselte die verheißungsvolle Stimme in amüsierten Spott; abermals sah er an sich herab und strich beiläufig über die Falten des Seidenschales, den dunklen Stoff seines Anzuges.

Gwen schüttelte prompt den Kopf; die Antwort war schnell gefunden. »Nein. Sie gefällt mir nicht. Ich bevorzuge den echten Loki...« Sie wollte den Magier; unverfälscht und rein, keine Maskerade und Illusionen.

Für einen winzigen Moment hatte Gwen das Gefühl, dass sich das spöttische Grinsen auf den Lippen des Mannes in Zufriedenheit wandeln würde, bevor die Gestalt des Captains sich in dem bekannten Schimmer der Magie veränderte.

Der kräftige Körper unter den edlen Stoffschichten wurde schmaler und sehniger, dafür aber auch größer; nach und nach kamen Lokis vertraute Züge wieder zum Vorschein - die stechenden, grünen Augen, die erhabenen Linien seines Gesichtes unter adliger Blässe, die schmalen, süffisant gekräuselten Lippen, das dunkle, streng zurückgekämmte Haar…

Gwen sog die Luft tief in die Lungen und krallte die Finger in den Stoff ihres roten Kleides; sein Anblick war wie ein Schock für sie - seine gesamte Gestalt eine edle, delikate und doch so gefährlich sündige Versuchung. Ihr Körper reagierte beinahe wie selbstverständlich auf seine Anwesenheit, indem sich ihr Blut unter seinem Bick erhitzte und ihre Haut in ein kribbelndes Meer aus Empfindlichkeit verwandelte.

In diesem Augenblick sollte ihr das wohl gar nicht auffallen, aber…oh Gott…er sah so fantastisch aus in dieser Aufmachung; in diesem maßgeschneiderten Anzug, dem reinen, weißen Hemd, darüber dieser - natürlich - dunkelgrüne Mantel und der ausgewählte Schal. Unter seiner rechten Hand erschien eine Art goldener Gehstock, dessen blau leuchtenden Knauf Lokis lange, schlanke Finger liebkosten. »Guten Abend, Gwendolyn.« raunte er samtig.

Vor kurzem hatte sie eben noch an ihn gedacht; hatte die ganzen letzten Tage und Stunden an ihn gedacht, ohne der Hoffnung zu erliegen, ihn wirklich je wiedersehen zu können und nun stand er einfach so hier vor ihr, als wäre es nie anders gewesen - als wären sie nie getrennt gewesen. Sie konnte beinahe körperlich spüren, wie sich dieses unsichtbare Band zwischen ihnen wieder zusammenfügte; fast hätte sie ein wimmerndes Seufzen ausgestoßen, welches sie durch einen beherzten Biss auf die bebende Unterlippe unterdrückte.

Ihr Körper zitterte wie Espenlaub und Tränen drückten hinter ihren Lidern. Er war hier…er war wirklich hier…Himmel, sie hatte ihn so vermisst.

Am liebsten wäre sie haltlos zu ihm gestürzt, um sich in seine Arme zu werfen, die Sicherheit und Schutz vor diesem ganzen Chaos versprachen, doch ein Blick auf den erstarrten Agent ließ sie zögern. So viele Dinge gab es zu klären…so viel zu fragen…

In ihrem Kopf kreisten die unzähligen Fragen, Thesen, Ängste und Sehnsüchte der letzten Tage um sich selbst, ohne das sie nur einen wirklich klaren Gedanken zu fassen bekam.

Der Tisch zwischen ihnen verabschiedete sich mit einem überdeutlich lauten Schaben; das Holz wich wie eine Wolke bei Sturm vor Loki zurück, der nun seelenruhig zu Gwen herüberschritt, nachdem diese Grenze verschwunden war. Sie konnte nichts weiter tun, als ihm erstarrt und ungläubig entgegen zu blicken.

Er blieb unweit vor ihr stehen und sah zu ihr herab; das Leuchten seiner vertrauten Augen wieder so nah, so köstlich nah - so vernichtend nah. Gwen kamen die Bilder im Garten Gladsheims in den Sinn; Lokis Lippen auf ihren, sein Atem, seine Hände…

Eine jener schlanken Hände hob sich nun und bettete sich warm und überraschend sanft auf ihrer Wange; sein Daumen strich leicht über ihre Haut und fing die salzige Flüssigkeit auf, die dort perlte. Forschend sah er auf sie herab. »Warum weinst du?«

Gwen war gar nicht bewusst gewesen, dass sie das tat; instinktiv schmiegte sie sich seinen Fingern entgegen und erkannte verschämt, dass die letzte Berührung, die sie ihm geschenkt hatte, eine schallende Ohrfeige gewesen war. »Ich…weiß nicht…keine Ahnung…« Sie presste die Lider über ihre feuchten Augen, bevor sie widerstrebend eine Hand hob und die seine damit umschloss, um sie sanft, aber bestimmt von ihrer Wange zu ziehen. Er war ihr zu nah und in seiner Nähe konnte sie einfach nicht klar denken. »Loki…was…was machst du hier? Wie bist du hierher gekommen? Was willst du hier…?« wiederholte sie ihre Fragen entschieden.

Der Magier beäugte ihre Handschuhe kritisch und seine Brauen senkten sich, bevor sein Kopf sich schräg legte, als würde er etwas lauschen, was nur er vernahm. Heulte da nicht ein Hund in der Ferne? »Später. Wir haben jetzt keine Zeit für lange Erklärungen. Du bist in Gefahr. Deshalb bin ich hier.« klärte er sie sachlich und mit völlig unpassender Ruhe auf.

Wie konnte er nur so ruhig sein, während in Gwen die Emotionen wie in einem rasenden Sturm tobten?

»Was…!? Welche Gefahr…? Was meinst du…?« stotterte sie verwirrt und sah sich augenblicklich fast gehetzt um, als erwartete sie jeden Moment einen Angriff.

Gwen stieß einen erstickt erschrockenen Laut aus, als sich Lokis Arm ruckartig um sie schlang und an seinen harten Körper zog; sein Duft stieg ihr in die Nase und benebelte ihre Sinne, verwirrt presste sie die Hände auf den teuren Stoff seines Anzuges und wollte ihn damit halbherzig auf Abstand halten - ihr moralischer Verstand wollte das, ihr Körper allerdings nicht. Ihre Finger machten sich bereits selbstständig und krallten sich in das seidene Tuch um seinen Hals, als der Prinz sich zu ihr herabbeugte und sein Gesicht ganz nah vor ihres brachte. »Mach deinen Mund auf…« wisperte er befehlend und dunkel an ihren Lippen, während sich sein grüner Blick in ihren bohrte und ihren Verstand damit pulverisierte. Seine andere Hand hob sich, nachdem er den Gehstock unter seinen Arm geklemmt hatte, damit jene Finger ihr Kinn einfangen konnten.

»Was…?!« hauchte sie atemlos; die Stimme nur noch ein heiseres Flüstern. Ihre Lippen kamen seiner Anweisung beinahe augenblicklich selbstständig nach und öffneten sich unter der zittrigen Erwartung eines Kusses; Gwen presste die Lider herab und schloss die Augen verkrampft - was war mit ihren Vorsätzen, ihren Fragen und ihrer Entschlossenheit passiert? Ach ja, diese bröckelten gerade unter dem lockenden Atemhauch des Gottes…

Doch Loki küsste sie nicht und bremste ihre schreiende Sehnsucht damit, sondern blies seinen leichten, würzig rauchigen Atem zwischen ihre Lippen; ein feiner Faden grünlich schimmernder Magie folgte dem Hauch in ihre Mundhöhle und kroch prickelnd über ihre Zunge und ihren Gaumen, bevor der Atem des Gottes ihre Kehle glatt und ruckartig hinabschlängelte, um sich explosionsartig in ihrem Körper auszubreiten.

Gwen schluckte entsetzt und hustete wegen des unangenehmen Gefühls in ihrem Hals, um welchen sie eine zitternde Hand geschlungen hatte, während sie irritiert und fragend zu Loki aufsah. »Was…was hast du getan? Was war das…?« Vielleicht - wahrscheinlich - hätte sie spätestens jetzt Angst empfinden müssen, doch noch immer wollte sich dieses Gefühl in Gegenwart des Magiers nicht einstellen; trotz allem, was er getan hatte - sie konnte ihn einfach nicht fürchten. Ob das nun ein Segen oder ein Fluch war…Gwen wusste es nicht.

»Ich habe einen Teil meiner Energie mit dir verbunden, um deine Aura damit zu überlagern. Solange du in meiner Nähe weilst, wird deine Aura durch meine verhüllt und versteckt bleiben.« erklärte ihr der Prinz, während er sie noch immer nicht aus seiner Nähe entließ; seine langen Finger bewegten sich kaum spürbar auf ihrem Rücken über den Stoff des Kleides. »Du warst Heimdalls Blick nicht mehr verborgen. Was auch immer zuvor deine Existenz verschleiert haben mochte scheint verschwunden. Nun bist du sichtbar für alle und etwas befindet sich bereits auf deiner Fährte...« Seine Finger streiften den Rand ihrer Unterlippe, bevor sein Kopf in die Höhe ruckte und er die Straße vor dem Restaurant fixierte.

Spätestens das Wörtchen „etwas“ versetzte Gwen in höchste Alarmbereitschaft und vermittelte ihr, dass die Lage offensichtlich äußerst Ernst war. „Etwas“ war selten gut und wesentlich beunruhigender als „jemand“.

»Loki…ich verstehe nicht…was verfolgt mich?« Von einem Moment auf den anderen war sie zurück in den Armen des Prinzen, allerdings auch in dem ganzen Chaos und offensichtlich wieder einmal in Gefahr. Irgendwie schien die Nähe zum Tod Hand in Hand mit Lokis Anwesenheit einherzugehen.

Ein helles Leuchten vor dem Restaurant ließ Gwens Kopf herumfahren; genauso wie Loki starrte sie durch das feuchte Fenster nach draußen auf die Straße, wo sich eben ein glänzender, blitzender Riss in der Luft auftat, als würde sich ein Vorhang über der Straße teilen.

Die Menschen auf den Bürgersteigen blieben neugierig stehen, zumindest so lange, bis sich eine Horde Dunkelelfen aus dem Durchgang ergoss und sich auf der Straße versammelte.

Die Autos wichen hektisch den plötzlich auftauchenden Gestalten aus; einige der Schwarzalben setzten ihre Energiewaffen an und eröffneten das Feuer auf ein heranrasendes Fahrzeug, welches nicht rechtzeitig auswich.

Das Auto explodierte in einem Feuerball und schoss geradewegs auf die Fenster des Restaurants zu; mit einem ohrenbetäubenden Knall durchbrach das brennende Fahrzeug die klirrenden Scheiben.

Loki riss Gwen an sich und suchte mit ihr Deckung hinter dem massiven Springbrunnen des Lokals, während das zerstörte Auto eine flammende Schneise durch die Tische und Gäste des Restaurants zog. Der Zauber des Magiers schien damit gebrochen, denn die Anwesenden lösten sich aus ihrer Starre und sprangen panisch von ihren Plätzen auf; augenblicklich wurden entsetztes Kreischen laut, das Klappern von umfallenden Stühlen und das hektische Stampfen von unzähligen Füßen, die panisch flohen.

Schwerer, beißender Rauch breitete sich in dem Restaurant aus, während ängstliche Rufe nun ebenfalls auf der Straße draußen erschollen. Das Quietschen von bremsenden Reifen drang zu ihnen herein, dazwischen immer wieder das energetische Summen von den Waffen der Dunkelelfen; deren Schüsse durchdrangen den nebligen Rauch wie Lichtblitze bei Nacht.

Andrew…

Gwen erhob sich auf wackeligen Beinen und schob sich um den Springbrunnen herum, bevor sie eine energische Hand an ihrem Arm in ihrem Vormarsch aufhielt. »Wo willst du hin? Wir müssen hier raus…« zischte ihr der Magier ins Ohr und wollte sie bereits in die entgegengesetzte Richtung zum Hinterausgang lotsen. Durch eine verschlungene Handbewegung seinerseits waberte die Luft um seine Finger in einem magischen Schimmern; kurz darauf verschwand der Gehstock und an seiner Stelle materialisierte sich ein goldener Speer in Lokis Hand - eben jene Waffe, die sie aus den Aufzeichnungen aus Deutschland kannte.

»Andrew ist hier irgendwo. Ich gehe nicht ohne ihn.« gab sie entschieden zurück und machte sich aus dem Griff des Prinzen los, der ein wütendes Schnauben ausstieß; allerdings ließ er sie gewähren.

»Beeile dich lieber. Für ihn riskiere ich nicht meinen Kopf…« folgte ihr das schneidende Wispern des Prinzen.

Gwen tastete sich durch den Rauch blinzelnd nach vorn und stieg vorsichtig über umgestürzte Stühle und Tische, bevor sie den Agent vor sich endlich ausmachte.

Andrew erhob sich eben mühsam auf die Füße und hielt sich den Kopf; eine Platzwunde schimmerte an seiner Schläfe, Blut tropfte träge über seine Wange. Sie schob den Arm unter ihm hindurch und stützte ihn somit.

»Gwen?! Was ist hier los…? Was ist passiert…?« murmelte er verwirrt und sah sich stockend um.

»Wir müssen hier raus…komm mit…« wies sie ihn ungeduldig an und zog ihn mühsam mit sich, da er sich schwer auf sie stützte.

Vor ihnen durchschritt plötzlich einer der Schwarzalben die zersplitterten Reste der Fensterfront und fasste sie augenblicklich ins Visier; in unheimlich schwarze Augen, die in einem eiskalten, regungslosen Gesicht lagen. Der Elf hob ohne Zögern seine Waffe und zielte ziemlich sicher auf Andrews Stirn. Der Agent tastete fahrig nach der Waffe unter seinem Jackett, doch er war zu langsam.

Eine blaue Ladung an Energie schoss zischend an ihnen vorbei und fegte den Schwarzalben von den Füßen; der Körper wurde in die Nacht hinausgeschleudert und traf hart auf dem Asphalt der Straße auf. Loki löste sich aus dem umgebenden Rauch des noch immer schwelenden Autos und lief auf sie beide zu; im Gehen noch veränderte sich seine edle Abendkleidung in die imposante Kampfrüstung, die Gwen bereits an ihm kannte. »Wenn ihr noch ein wenig länger Zeit für euch benötigt, sagt ruhig Bescheid. Ich halte euch die Elfen liebend gern vom Hals…« fauchte der Magier unzufrieden und ungeduldig.

»Du?!« stieß der Agent ungläubig aus, nachdem sich seine Brauen wütend herabgesenkt hatten. Seine Hand lag noch immer an der Waffe unter seiner Anzugjacke.

»Ein Dank wäre angebrachter. Ich habe Euer Leben wirklich nur ungern gerettet, Mensch.« grollte Loki in süffisanter Bissigkeit gegenüber dem Agent, bevor er mit flatterndem Mantel einmal um die eigene Achse wirbelte und einem weiteren Elfen, der gerade über die Scherben der Fenster stieg, die flache Seite seines Zepters vor die Brust donnerte. Der Dunkelelf stolperte überrumpelt zurück, bevor er eine Ladung knisternder, blauer Energie abfing, die ihn rauchend gegen eine Säule des Restaurants beförderte. »Ihr könnt von Glück reden, dass die Frau etwas für Euch übrig hat, sonst hätte ich den Elfen liebend gern gewähren lassen…«

»Andrew…Loki ist hier, um zu helfen.« versuchte Gwen die Situation augenblicklich zu entspannen. »Dieser Angriff ist nicht seine Schuld…«

Der Agent zog ruckartig seine Dienstwaffe und umfasste sie mit beiden Händen, um sie auf den Kopf des Magiers zu richten. Sein Blick unterlag zorniger Kälte, seine Haltung war entschlossen; Gwen konnte gar nicht so schnell realisieren, was passierte und stieß ein entsetztes »Nein!« aus, als Andrew einen gezielten Schuss abfeuerte.

Ihr Herz blieb wahrlich für einen schockstarren Moment stehen, in welchem sie der festen Überzeugung erlag, dass Andrew Loki einfach erschossen hatte. Doch die Kugel war gar nicht für ihn bestimmt gewesen…

Hinter Loki sackte ein weiterer Schwarzalb ächzend in die Knie, nachdem die Kugel die Panzerung seines Helmes durchschlagen hatte; das Schwert, mit welchem er den Magier gerade hatte rücklings angreifen wollen, fiel ihm klappernd aus den kraftlosen Händen.

Gwen kippte mit einem Seufzen erleichtert gegen Andrew, der die Arme eher widerwillig wieder sinken ließ; Loki indessen warf einen knappen, fast verwirrten Blick über die eigene Schulter zurück. Dann trafen sich die Blicke der beiden Männer in einer scheinbar stummen Einigung. »Meiner Ansicht nach hast du den Tod noch immer mehr als verdient, Loki Laufeyson. Aber ich wollte sicher nicht in deiner Schuld stehen…« raunte der Agent äußerst angespannt; die Waffe lag noch immer in seinem hölzernen Griff und Gwen konnte seinen inneren Kampf an der steifen Haltung erahnen.

Lokis Mundwinkel hoben sich amüsiert in die Höhe und entblößten die Reihen seiner weißen Zähne, bevor er sich schon dem nächsten Elfen zuwandte, der den Tod seines Kameraden offenbar mit angesehen hatte. Um Haaresbreite zischte ein Energiestrahl an dem Magier vorbei, um in dem Springbrunnen hinter ihm krachend einzuschlagen. Der Prinz rollte sich unter dem weiteren Schwertangriff eines Elfen hinweg und donnerte diesem den Griff seines Zepters gegen die Kehle, woraufhin der Dunkelelf gurgelnd nach hinten kippte.

»Versteck dich…« wies Andrew Gwen harsch an und schob sich vor sie, um gleich darauf seine Waffe wieder anzuheben und einen Elfen außer Gefecht zu setzen, der seine gezahnte Klinge eben gegen den Magier erheben wollte, der wie ein Derwisch durch die Reihen der Schwarzalben zog.

Gwen stolperte zurück und sah sich hektisch um, dann sprintete sie über die Trümmer des Restaurants zu dem halb zerstörten Springbrunnen, um dahinter Schutz zu suchen. Mit rasendem Herzen ging sie in die Hocke und drückte sich gegen den kalten Marmor, lauschte angespannt den beständigen Kampfgeräuschen in der Enge des Restaurants; verstohlen lehnte sie sich auf Händen und Füßen ein wenig nach vorn, um an der Säule des Brunnens vorbeispähen zu können.

Loki und Andrew hielten sich wacker gegen die heranstürmenden Gruppen der Elfen; der Agent war auf ein Knie gesunken und sicherte sich damit festeren Stand, während seine Waffe unablässig Schüsse verteilte und die Reihen der Schwarzalben damit dezimierte, die anhaltend aus dem Riss draußen über der Straße strömten.

Loki wirbelte sein goldenes Zepter in verschlungenen, geschmeidigen Bewegungen um sich selbst und stieß damit eine ganze Gruppe Elfen zurück, bevor er gleich zweien die Beine unter dem Körper wegschlug und die stürzenden Angreifer mit gezielten Ladungen der blauen Energie ins Reich des Todes schickte.

Einer der Elfen hatte sich an den beiden Männern vorbeigeschlichen und tauchte nun überraschend hinter Gwen auf; glücklicherweise bemerkte sie seinen drohenden Schatten, der über sie fiel und sie erschrocken herumwirbeln ließ. Gerade im rechten Moment ließ sich Gwen zur Seite fallen und rollte mit einem entsetzten Keuchen unter der Klinge hinweg, die für ihren Hals bestimmt gewesen war und nun klirrend auf den harten Marmor des Brunnens traf.

Der Elf knurrte wütend und stapfte hinter Gwen her, die panisch auf Händen und Füßen rückwärts durch das Restaurant robbte, bevor ihre Finger auf kühles Metall trafen; neben ihr im Staub lag das Tablett eines Kellners. Kurzentschlossen und verzweifelt packte sie dieses und stemmte sich zittrig auf die Beine, um den nächsten Schlag des Elfen mit dem Metall abzuwehren; die Wucht des Aufpralls ließ ihre Arme zittern, doch die Klinge des Schwarzalben glitt wie beabsichtigt nutzlos an ihr vorbei. Da hatten sich die kurzen Unterweisungen von Sif wohl doch ausgezahlt…

Fast schon wagemutig schwang Gwen das Tablett nun in einem weiten Bogen und donnerte es dem Krieger mit einem lauten Scheppern gegen den Schädel; der Elf stolperte mit schmerzhaft verzerrtem Gesicht zurück, bevor sich seine Augen entsetzt weiteten, als die goldene Spitze von Lokis Zepter durch seine Brust drang. Der Angreifer sackte zu Boden und hinter ihm kam der Magier zum Vorschein, gefolgt von Andrew, der die nicht abreisende Flut an Schwarzalben mit vereinzelten Schüssen auf Abstand hielt.

Gwen fiel das Tablett aus den zittrigen Fingern, während sie sich dankbar an Loki schmiegte, der einen Arm um sie schlang und sie in Richtung des Hinterausganges bugsierte. »Es ist an der Zeit sich zurückzuziehen…« rief er dem Agent über die Schulter zu, der knapp nickte und ihnen rasch folgte.

Der Magier stieß die Tür in den Wintergarten auf und zog Gwen mit sich nach draußen in die kühle Abendluft. Andrew folgte ihnen leicht hinkend und atemlos; hinter dem Agent ließ Loki die schwere Tür des Restaurants wieder ins Schloss fallen und verriegelte diese durch einen Zauber, indem er seine Finger flüchtig auf dem schwarzen Metall bettete. Von drinnen war das wütende Rufen der Elfen zu hören, die wie eine Woge sturmgepeitschtes, tobendes Wasser auf die Tür trafen und jene unter ihrem Ansturm merklich erzittern ließen.

Loki deutete ihnen den Weg über das niedrige Geländer des Wintergartens in den hinteren Bereich des Restaurants, wo die parkenden Wagen der Gäste abgestellt waren. Die drei stürmten über den offenen Platz zwischen den Reihen der Autos hindurch; der teure, dunkelgrüne Sportwagen von vorhin begrüßte sie verlockend im Licht der fahlen Neonröhren, die den Parkplatz beleuchteten. »Unser Gefährt für die weitere Reise…« verkündete der Magier zufrieden und vollführte eine einladende Geste in Richtung des Autos.

Natürlich dunkelgrün; Gwen hätte es schon vorher bemerken können. Dunkelgrün, schnell, gefährlich - nichts hätte wohl besser auf Loki gepasst.

Andrew blieb vor dem Wagen stehen und stemmte die Hände in die Hüften, nachdem er nutzlos an der verschlossenen Wagentür gezogen hatte. »Der geniale Gott hat sicherlich nicht daran gedacht, dass die Schlüssel noch im Restaurant sind?!« stieß er in einem spöttischen Schnauben aus.

»Ich bitte Euch…« raunte Loki herablassend mit merklich gehobenen Brauen, bevor ein Wink seiner Hand genügte, dass der Wagen mit blinkenden Lichtern seine Türen entriegelte. »…als ob ich Schlüssel nötig hätte.«

Der Agent lenkte unter einem zerknirschten Blick schweigend ein, zögerte dann jedoch kaum eine Sekunde und zog die Fahrertür auf, um sich auf den tiefen, ledernen Sitz gleiten zu lassen.

»Ich hoffe, Ihr könnt dieses Fahrzeug auch beherrschen?« hinterfragte der Magier mit gedehnter Anmaßung, während er die Wagentür mit der Hand aufhielt, die der Agent gerade zuziehen wollte.

Andrew sah mit funkelndem Blick zu Loki auf, bevor er seiner Stimme einen verkrampft spöttischen Tonfall verlieh und damit die Worte des Magiers imitierte: »Ich bitte Euch…« Er stieß die Hand des Prinzen vom Rahmen des Wagens. »…als ob ich so etwas nicht fahren könnte.« Damit schlug der Agent die Tür geräuschvoll zu, woraufhin Loki mit schmalem Grinsen und gehobenen Händen zurückwich.

Gwen wollte gerade auf der Beifahrerseite einsteigen, als ihr Blick von dem Chaos auf der Straße angezogen wurde. Dort stürzten Passanten in Panik vor den Dunkelelfen davon, die der Riss zwischen den Welten unermüdlich ausgespuckt hatte; die Schüsse der Schwarzalben durchbrachen die Schreie der flüchtenden Menschen. Irgendwo in der Ferne heulten bereits Polizeisirenen, die beständig näher kamen.

Ein Hubschrauber kreiste mit Scheinwerfern über dem attackierten Straßenzug; dessen Rotorblatter schickten ein monoton flatterndes Geräusch durch die Häuserschluchten. Ein rot-goldenes Flugobjekt schoss pfeifend durch die Luft und mit ziemlich viel Enthusiasmus geradewegs in die Reihen der Schwarzalben; Ironman beförderte gleich drei von ihnen mit seinen Repulsoren ins Aus, bevor sich Hawkeye aus dem Helikopter als Unterstützung abseilte und weitere der Elfen mit explodierenden Pfeilen außer Gefecht setzte.

Ein bebendes Heulen durchdrang die Nacht; nicht das Heulen einer Sirene, sondern ein tiefes, tierisches Jaulen, so unheilvoll und grausig, dass einem das Blut in den Adern gefror. Gwen starrte fassungslos auf die Straße vor dem Restaurant, wo sich der Boden plötzlich auftat - ein energetischer Wirbel entstand auf dem Asphalt, vor dem selbst die Dunkelelfen und Ironman nervös zurückwichen.

Schwärze kroch als unheilbringend, kränklicher Nebel aus dem entstandenen Abgrund, der sich immer mehr ausweitete und fast die gesamte Straße einzunehmen drohte, bevor eine groteske Pranke aus der Tiefe auftauchte und donnernd auf dem Asphalt einschlug; pechschwarze Krallen bohrten sich in die bröckelnde Straße, bevor eine weitere, absurd riesige Pfote folgte, die einen gewaltigen Körper aus dem Loch zog.

»Oh Gott…« hauchte Gwen fassungslos; eigentlich war sie schon fast der Meinung gewesen, dass sie an Lokis Seite nicht mehr viel schocken könnte, doch wieder einmal wurde sie eines besseren belehrt. Die Angst kroch ihr schleichend um die Knöchel und schob sich ihre wackligen Beine hinauf - was auch immer dort aus diesem Loch kam, es brachte eine entsetzliche Aura von Tod und Verderben mit sich. »Ist es das, was mich verfolgt…?« wisperte sie zittrig und wusste selbst nicht, ob sie die Antwort überhaupt hören wollte. Zögerlich sah sie zu Loki zurück, der nur knapp nickte.

Ein weiterer Hubschrauber erreichte den Ort des Geschehens und positionierte sich über dem eben aufgetanen Loch in der Straße; die Scheinwerfer glitten hektisch über das monströse Wesen, welches dort aus dem Boden kletterte und in einem sehr entfernten Sinne an einen Hund erinnerte - an einen Hund, der seine besten, lebendigen Jahre lang schon hinter sich hatte. Das Fleisch und pechschwarze Fell hing teils in Fetzen von dem Skelett des Wesens, in dessen Bauch verzweifelt schreiende Körper gefangen waren - ihre Gitterstäbe bildeten die Rippenbögen des Hundes; dessen tellergroße Augen glommen in unselig, eisigem Licht über einer geifernden Schnauze, die Speichel zischend wie Säure auf dem Asphalt verteilte.

Der erste Polizeiwagen hielt quietschend hinter der Bestie; die Männer sprangen sofort aus dem Wagen und zogen die Waffen, mit denen sie Deckung hinter den Türen ihres Autos suchten.

Ein knöcherner Schwanz schoss aus dem aufgetanen Erdboden heraus und durchbohrte den schwebenden Hubschrauber mit beinahe chirurgischer Präzision; der Helikopter geriet ins Trudeln und sackte rauchend zu Boden, während die Männer der Polizeiwache nun das Feuer auf den Kopf des Wesens eröffneten, dessen gewaltige, monströse Kiefer eben nach dem abstürzenden Hubschrauber schnappten.

»Zeit zu gehen…« riss Loki Gwen mit einem bestimmten Wispern an ihrem Ohr aus ihrer Starre; der Magier schob sie nachdrücklich in den Wagen auf den Beifahrersitz, bevor er selbst auf die Rückbank glitt.

»Verdammte Scheiße…was zur Hölle ist das?!« flüsterte der Agent entsetzt, während er aus der Frontscheibe sah, die Hände um das schmale, lederüberzogene Lenkrad gekrallt.

»Hölle trifft es ziemlich genau...« warf Loki von hinten ein. »Das ist Garm, der Helhund, auf der Jagd nach entflohenen Seelen. Wenn wir keine Bekanntschaft mit diesem ziemlich unangenehmen Wesen machen wollen, sollten wir uns langsam bewegen.« Der Motor des Wagens erwachte mit einem tiefen Röhren zum Leben; Andrew riss die Hände fast erschrocken vom Lenkrad, während Gwen geistesgegenwärtig nach dem Sicherheitsgurt griff und sich anschnallte.

Das Klicken einer entsicherten Waffe zerrte ihren Kopf herum; der Agent hatte sich halb auf seinem Sitz gedreht und richtete seine Pistole auf den Magier hinter sich. »Bist du für diese erneute Scheiße verantwortlich? Überleg gut, von deiner Antwort könnte dein Leben abhängen…«

»Andrew!« stieß Gwen bestürzt aus, doch der Agent brachte sie mit einer knappen Handbewegung zum schweigen.

»Ich will die Wahrheit von ihm hören, bevor ich hier meinen Arsch riskiere!«

Die Wahrheit vom Gott der Lügen - Andrew war ja sehr optimistisch. Während dieses Höllenwesen dort draußen gerade das Polizeiauto auseinander nahm und sich weder durch Ironman, noch durch Hawkeyes gezielte Pfeile aufhalten ließ, wollte der Agent jetzt unbedingt seine Prioritäten klären?!

»Andrew…wir müssen hier weg…« versuchte sie zu dem Mann durchzudringen, doch er ignorierte sie und stieß die Waffe auffordernd in Richtung des Magiers.

»Antworte!«

Loki ließ sich mit einem süffisanten Grinsen in seinem Sitz zurücksinken, das Zepter ruhte locker auf seinen Beinen, während er die Hände eher erheitert, denn bedroht in die Höhe hob. Er fixierte den Agent mit jenem Ausdruck von amüsierter Herausforderung, die Gwen nur zu gut an ihm kannte; sein Blick streifte den ihren und sie schickte eine stumme Bitte zu ihm, in der Hoffnung, dass er die Situation nicht ausreizen würde.

Der Prinz zögerte kurz, dann holte er tief Luft und schüttelte den Kopf. »So gern ich es wohl wäre, aber diesmal ist dies nicht mein Werk.« sprach er in einem ruhigen, fast bedauernden Seufzen und suchte wieder Gwens Blick, die erleichtert die Luft ausstieß, als Andrew nach einem weiteren, endlos erscheinenden Moment endlich die Waffe senkte und in das Holster unter seinem Jackett zurückschob.

Dann griff der Agent beherzt nach dem Lenkrad und rammte den Gang knirschend ins Getriebe, bevor der Wagen mit quietschenden Reifen nach vorn schoss.

»Ihr könnt so etwas also fahren, ja?« ertönte die süffisante Stimme Lokis, der sich mit beiden Armen am Dach des Autos abstützte, als Andrew den röhrenden Wagen funkenschlagend über den Bordstein des Parkplatzes auf die Straße lenkte.

»Klappe da hinten!« zischte der Agent ärgerlich und zwang den schlingernden Wagen in eine gerade Spur in Richtung Innenstadt, weg von dem Chaos hinter ihnen.

Gwen warf einen kurzen Blick in den seitlichen Außenspiegel und weitete die Augen entsetzt, als sie damit entdeckte, dass der riesige Hund offenbar ihre Verfolgung aufnahm; sein gewaltiger Kopf ruckte zu dem sich entfernenden Auto herum und seine Lefzen zogen sich über dem monströsen, geifernden Gebiss in die Höhe, bevor er Ironman und einige Dunkelelfen einfach beiseite stieß und mit großen Sätzen dem Wagen hinterher jagte.

Gwen deutete panisch auf den Rückspiegel. »Andrew…fahr schneller…!« Er und Loki folgten ihrem Wink; während der Agent merklich erbleichte, schien Loki köstlich amüsiert. Er wandte sich auf seinem Sitz um und durchstieß mit dem Zepter klirrend die Rückscheibe, bevor er dem heranrasenden Höllenhund blaue Energieblitze entgegen schoss.

»Ich dachte, du hast meine Aura verborgen?!« rief Gwen dem Magier über die Schulter und das Heulen des Motors zu.

»Das habe ich auch. Allerdings kann er auf diese Entfernung wohl deine Witterung aufnehmen…« erwiderte der Prinz unzufrieden.

»Oh…klasse…« Gwen duckte sich in ihrem Sitz, als Andrew in den Gegenverkehr steuerte und ihnen plötzlich unzählige Scheinwerfer entgegen kamen.

Das Wesen wich den Attacken aus Lokis Zepter geschickt aus und zermalmte auf seinem Weg Autos und Menschen unter seinen riesigen Pfoten; einen Lastwagen stieß die Bestie mit ihren mächtigen Schultern einfach beiseite, sodass das Fahrzeug unter kreischenden Metallteilen umkippte und funkensprühend über den Asphalt in eine Reihe parkender Wagen an der Straßenseite rutschte.

Der Agent manövrierte den Sportwagen mit schlängelnden, ruckartigen Linien durch die dicht befahrenen Straßen, was Gwen dazu veranlasste, sich am Armaturenbrett und der Tür festzuhalten, um nicht haltlos umhergeschleudert zu werden. Passanten sprangen kreischend aus ihrem Weg, als Andrew den Wagen auf den Bürgersteig setzte, um einem langsamen Wagen vor ihnen auszuweichen. Scheppernd wurden Mülltonnen und Straßenschilder von ihnen hinweg gepflügt.

»Es wäre wirklich hilfreich, wenn Ihr den Wagen ein wenig ruhiger führen könntet…« tönte die Stimme des Magiers über den Lärm der panischen Stadt und das Jaulen des Helhundes hinweg; der Agent lenkte den Wagen wieder auf die Straße zurück. Gwen blickte flüchtig über die Schulter zu Loki; der Prinz hatte Mühe, seine energetischen Schüsse unter dem Schwanken des Autos zu platzieren.

»Fahr du mal zur Rush Hour durch New York, Klugscheißer…« murrte der Agent.

»Andrew, pass auf!« schrie Gwen, als vor ihnen eine schwangere Frau mit Kinderwagen über einen Fußgängerüberweg spazierte; der Agent riss das Lenkrad herum, sodass ihr Wagen sich schlingernd um die eigene Achse drehte. Gwen versuchte sich verkrampft festzuhalten und presste die Lider erschrocken über die Augen herab, während ihre gesamte Welt ins Trudeln geriet.

Das Ächzen Lokis drang an ihr Ohr, der offenbar nicht weniger unsanft durchgeschüttelt wurde.

Das Auto kam mit rauchenden Reifen wieder zum stehen; mitten auf der Straße in der Bahn des Höllenhundes, der wie ein unheilvoller Schatten durch die Straßen fegte - seine monströse Gestalt wurde umweht von den Nebeln Helheims, die das umgebende Licht in der Gestalt der Bestie zu absorbieren schienen. Sein knöcherner, langer Schwanz peitschte aufgeregt in der Luft und riss Schneisen in die Fassaden der Hochhäuser; scheppernd und krachend stürzten Scherben und Betonbrocken herab, vor denen sich die Passanten schreiend in Sicherheit brachten.

Inzwischen folgte ihnen nicht nur der Helhund, sondern eine Armada an blinkenden Polizeiautos, drei Helikopter mit gleißenden Scheinwerfern und Ironman, der seine Repulsoren unablässig auf die Bestie abfeuerte.

Loki beugte sich zwischen ihren Sitzen nach vorn und durchstieß nun auch noch die Frontscheibe mit dem Zepter; Gwen riss die Arme unter den herabrieselnden Splittern nach oben.

Der Magier setzte einen gezielten Schuss auf die Brust des Hundes; diesmal traf er zu hundert Prozent, da sich die Bestie im Sprung befand und nicht mehr ausweichen konnte. Die blaue Energie donnerte summend und blitzend vor die Brust des Höllenwesens und schleuderte die Bestie in die nächste Häuserfront, welche unter dem gewaltigen Aufprall klirrend und scheppernd erbebte.

»Weg jetzt hier…« verlangte der Magier und ließ sich zurücksinken.

Andrew stieß den Gang ein und drückte das Gaspedal durch; mit quietschenden Reifen schossen sie wieder auf ihre Fahrbahn und überließen das Aufräumen den eben ankommenden Polizeiwagen.

Gwen sah zittrig in den Rückspiegel. »Es ist nicht tot, oder…?!«

»Du kannst nichts töten, was bereits tot ist…« erwiderte Loki aus dem Hinteren des Wagens. Das war zu erwarten gewesen…

»Wohin jetzt…?« fragte der Agent knapp und begegnete dem Blick des Magiers über den Rückspiegel.

»Erstmal…so weit weg wie möglich, sodass Garm die Fährte verliert. Dann - zu Gwendolyns Wohnung. Sie hat zu packen.«



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2014-03-13T23:55:56+00:00 14.03.2014 00:55
Sorry das ich erst jetzt meinen Kommentar abgebe, aber ich war über Tage derart sprachlos. Ich musste meine Worte erst finden. Ich wusste nicht wo ich anfangen und wo ich enden soll. Und ein erneutes Sorry für die Überlänge meines Kommentars. Aber ich kann einfach nicht anders.
Die Wartezeit, (du hast mich fast durchdrehen lassen...) es war wie auf glühenden Kohlen zu hocken. Aber wie immer bei deiner Geschichte, das Durchhalten; es hat sich gelohnt. Das Kapitel ist einfach nur der Hammer. Wow... ich ringe um Worte.
Du machst Alles richtig, meiner Meinung nach. Deine Sprache ist derart bildgewaltig und detailliert. Deine Geschichte zu lesen ist besser als jeder Kinofilm. Ich habe jeweils das Gefühl mitten im Geschehen zu stecken und das mir die Kugeln um die Ohren fliegen. Deine Charaktere, sie entwickeln sich, machen eine Wandlung durch und dies in kleinen, gut nachvollziehbaren Schritten.
Bei allen Figuren deiner Story ist der innere Kampf sehr gut nachvollziehbar. Sie sind nicht nur schwarz/weiss. Die Zerrissenheit Loki's, missverstanden von der sogenannten Familie, welche ihn so lange angelogen hat und was am Schlimmsten ist, es ist nicht wirklich die Seine. Er versucht seinen Platz im Universum zu finden ohne sich verbiegen zu lassen. Andererseits versucht er auch immer wieder seinen Eltern, vor allem Frigga, ob bewusst oder nicht, deren Erwartungen gerecht zu werden. Vielleicht auch um die gleiche Anerkennung kämpfend welche Thor scheinbar so mühelos zufliegt. Welcher Mensch der eine Pubertät durchlebt hat, inkl. übermächtigem Bruder, kennt dieses fiese Gefühl nicht zwischen Stuhl und Bank zu stecken. (sprich der Schritt zwischen den Erwartungen der Eltern und seinen eigenen Wünschen)
Dann Gwen. Sie steht zwischen zwei Männern. Den Einen liebt sie den Anderen schätzt sie und Beide haben dieselben Gefühle ihr gegenüber. (Scheisssituation, danke aber auch).
Der Letzte im Bunde, Agent Preston. Der ist hin und hergerissen zwischen seinen Gefühlen Gwen gegenüber und seiner Loyalität gegenüber seinem Arbeitgeber S.H.I.E.L.D. (schliesslich bezahlt Dieser seine Brötchen). Die dritte Konstante in seinem Leben, nebst der Arbeit und der Liebe, ist der Hass auf Loki.(auch dieses Gefühl ist absolut nachvollziehbar)
In der Mitte des Kapitels, mit den Schlangen und Spinnen musste ich eine Pause einlegen beim Lesen, denn ich hatte Bauchkrämpfe und Tränen vor Lachen. Am Schluss, die stille Einigung zweier Macher welche ihre Bedürfnisse zurückstecken um die Frau die sie lieben zu schützen. Wow und nochmals Wow. Du raubst mir den Atem mit deiner Geschichte. Auch die vor Sarkasmus triefenden Dialoge der beiden Kontrahenten am Schluss sind einfach nur genial. Deine Geschichte ist ein absoluter Knaller, du musst sie unbedingt zu Ende schreiben. Es ist mit Abstand das Beste was ich seit Jahren gelesen habe, inkl. vieler Bücher. Schade sind die Figuren geschützt, ansonsten hätte die Veröffentlichung dieser Story Hitpotential sondergleichen und du könntest dich zurücklehnen beim Moneten zählen.
Entschuldige, jetzt habe ich mich erneut in einem so langen Kommentar verloren, obwohl ich mir vorgenommen habe mich etwas zurückzunehmen. Doch ich finde deine Story hat mehr als ein -SUPER SCHREIB WEITER-Kommentar verdient. Ich freue mich schon wie ein kleines Kind auf Ostern auf die Vortsetzung. (weisst du überhaupt das du mir schlaflose Nächte bereitest...deine Story macht mehr als süchtig.)
Liebe Grüsse Yvonne

PS: der nächste Kommi wird kürzer, versprochen. Aber bitte... bitte.... mach weiter so!!!
Antwort von:  Ceydrael
14.03.2014 15:09
Neeeeiiiinnnn - keine kürzeren Kommentare! Abgelehnt!
Das ist doch einfach der Hammer! *-* jeder Autor geht doch bei solch einer Rückmeldung auf die Knie...ich danke dir tausendmal!
Hach, ist das schön *selig grins - vielleicht auch eher dümmlich, ist aber egal* :D

Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie motivierend und schön es ist, wenn man so ein Bombenreview lesen darf; wenn man merkt, dass der Leser wirklich an der Geschichte hängt und mit Herzblut dabei ist - einfach prima :)
Wenn das nicht zum Weiterschreiben anspornt, dann weiß ich auch nicht ;D

Es freut mich wirklich, dass du dir solche Gedanken zu der Story machst und damit auch den Eifer und meine Phantasie würdigst, die ich ja hier hereinstecke; da ist so viel Lob in deinen Worten...wo soll man da nur anfangen, ohne vor Rührung loszuheulen ^^'

Es ist auch gar nicht schlimm, dass dein Kommi ein bisschen später kam - dafür hat er mich ja auch umgehauen :D Ich weiß, es hat etwas gedauert mit dem Kapitel...das tut mir auch leid, nur wollen die Worte dann manchmal doch nicht so flüssig kommen und man liest immer und immer wieder drüber und ist doch nie ganz zufrieden ~.~

"Bildgewaltig" "detailliert" - Wörter, die mich vom Stuhl hauen! Man, ich bin wirklich überwältigt, dass ich das offenbar wirklich SO gut hinbekomme - klar weiß ich, dass ich schreiben kann und das sicher auch nicht ganz schlecht, aber Selbstzweifel hat man ja trotzdem immer. Und ich bin eine kleine Perfektionistin ;)

Ja, wirklich schade, dass MARVEL das alles gehört und die meine Geschichte bestimmt nicht verfilmen wollen....die Banausen! ;D dafür hab ich euch ja aber hier und ihr würdigt meine Schreiberei auch so hervorragend ;)
Natürlich werde ich auch versuchen, die Geschichte zu Ende zu bringen; das Ende ist auch quasi in meinem Kopf schon fertig, muss ja nur noch bis dahin kommen :D

Schlaflose Nächte?! Ehrlich?! Ich dachte, dass schafft nur Loki?! - Vielleicht liegts ja auch am *schmacht* Lügengott ;D
Ich hätte auch nicht gedacht, wie viel Spaß es machen könnte diese Story zu schreiben; Loki ist ein wirklich interessanter (und äußerst heißer) Charakter und seinen Werdegang zu beobachten und zu formen ist wirklich spannend - von daher gehts sicher weiter, auch wenn das Kapitel mal etwas auf sich warten lässt...nicht verzagen ;)

Ganz liebe Grüße und ein dickes, fettes Danke
Cey

PS: Kurze Kommentare sind gestrichen! ^^
Von:  _Ryosuke_
2014-03-10T12:22:40+00:00 10.03.2014 13:22
Puh, ganz schön viel Action gepaart mit viel Humor. Ich bin geflasht! Und beide sind wieder vereint. <3
Von:  Feuerkopf
2014-03-09T16:43:47+00:00 09.03.2014 17:43
Das Warten hat sich wieder gelohnt! Die Kombination aus Innensicht und rasanter Aktion - das macht nachhaltig abhängig, Ceydrael. Danke für die neue Dosis der spannenden und klugen Geschichte. Du bist meine ganz persönliche Heldin des Wortes. ^^
Sehr zufrieden
grüßt der Feuerkopf
Antwort von:  Ceydrael
10.03.2014 17:20
^-^ Ich fühle mich geehrt - "Heldin des Wortes", wow, danke!
Freut mich, dass ich die meist etwas längere Wartezeit durch zufriedenstellende Kapitel versöhnen kann ;)
Ich hoffe, ich habe ein paar deiner Wünsche und Vorstellungen umsetzen können in diesem Teil der Geschichte?! ;) Das war gar nicht so einfach! :D

Und ich hoffe, du bleibst noch weiter abhängig ;D
glg Cey


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