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The Poetry of Light and Shadow

Loki x OC
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Tada!

Schon kann ich euch das neue Kapitel präsentieren - noch ganz frisch :)
Hab mich extra beeilt, damit ihr nicht so lang warten müsst ;)

Genießt es! Komplett anzeigen

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Macht

»Gwendolyn…Gwendolyn…« Ein seichtes Säuseln, gleich einem Windhauch, der durch raschelndes Astwerk fuhr.

Irgendjemand wisperte da ihren Namen.

Am Rande ihres Bewusstseins nahm sie diese gesichtslose Stimme zaghaft wahr, welche in ihren Schlaf drang und sanft um Aufmerksamkeit buhlte.

»Gwendolyn…«

Gwen trieb langsam aus der Tiefe ihres Traumes nach oben und öffnete verschlafen blinzelnd die Augen.

Ihr Zimmer war dunkel; ein schmaler Streifen Mondlicht fiel durch die Vorhänge und offenbarte eine Gestalt, die eben in jenes fahle Licht trat, selbst so klar und farblos wie ein reiner Diamant; eine weißhaarige Frau stand in ihrem Zimmer.

Gwen schoss in ihrem Bett nach oben und drückte sich die Bettdecke erschrocken an die Brust, öffnete bereits den Mund, um nach den Wachen zu rufen, die hoffentlich am unteren Ende des Flures vor Lokis Tür standen.

»Keine Angst, kleines Licht…« wisperte die Frau warm; eine bleiche Hand hob sich beruhigend, während die irgendwie irreale Gestalt langsam zu Gwen herüber kam. »Hab keine Angst. Dir zu schaden ist nicht mein Begehr.«

Gwen zog die Brauen zusammen und musterte die Fremde argwöhnisch, doch sie schloss den Mund wieder und schluckte den Drang zu schreien herab; irgendwie hatte die Frau etwas Vertrautes an sich, was Gwens Herzschlag beruhigte und ihre verkrampften Hände um die Decke lockerte. »Wer seid Ihr…? Was wollt Ihr von mir?« wisperte sie zögerlich.

Die Fremde lächelte auf eine amüsiert geheimnisvolle Weise; nur der flüchtige Hauch einer Regung auf ihrem unglaublich perfekten, gütigen Gesicht. Gwen starrte die Frau an, die nun vor ihrem Bett stehen blieb - eine ätherische Schönheit, die kaum von dieser Welt schien. Und auch von keiner der anderen neun Welten.

Ihre Gestalt war seltsam unwirklich; flackernd wie eine Kerzenflamme im Wind, als könnte der kleinste Atemhauch sie in der Unendlichkeit verwehen lassen.

Das Fesselndste waren ihre Augen; klare, tiefe Seen von solcher Weisheit, als hätte sie bereits alles erblickt, so alt wie das Leben selbst gab es keine Geheimnisse, die sich vor ihnen verbergen konnten - genauso wissend sahen diese strahlenden Augen nun auf Gwen herab, die regungslos und gebannt zu der Frau aufblickte.

Eine blasse Hand hob sich und strich über Gwens Wange; die Fremde roch nach Schnee, nach Kälte, nach einer klaren Sternennacht im Winter. Doch ihre Haut war warm, ihre Berührung unendlich zärtlich.

»So mutig bist du geworden, mein Licht. Und so hübsch…« wisperte die Frau mit ihrer einnehmenden Stimme, die unbeschreiblich war; Leben und Tod schwang darin mit. »Sein Herz liegt noch in der Umarmung der Finsternis, doch du kennst den Schlüssel zu seinen Fesseln. Du wirst die Schatten vertreiben.«

Obwohl die Frau keinen Namen genannt hatte, so wusste Gwen sofort und zweifelsfrei, von wem sie sprach…

Die Fremde ließ ihre Hand wieder sinken und wie durch Zauberei erschien plötzlich ein funkelndes, kreisrundes Amulett in ihren Fingern, welches an einer silbernen Kette schwang. Auffordernd hielt sie jene Gwen mit einem zarten Lächeln entgegen. »Dein soll wieder dein werden.«

Gwen nahm die Kette vorsichtig an sich und beäugte diese stutzig, bevor sie fragend und verwirrt zu der Frau aufsah. »Was-«

Doch die Fremde verblasste bereits; ihre Gestalt schien fortgetragen von einem Wind, den Gwen nicht verspüren konnte. Ihre Umrisse zerstoben wie Nebelfetzen. »Lasse dein Licht in sein zerbrechliches, frostiges Herz dringen, Gwendolyn…dann wird deine Zeit kommen…«

Dann war die Frau verschwunden, nur ihre Worte hallten einem zarten Echo gleich in Gwens Ohren nach; allein die Kette in ihren Händen überzeugte sie davon, dass es nicht nur ein Traum gewesen war.

Zwischen ihren Fingern schimmerte die stilisierte Abbildung der Weltenesche, in deren Krone eine klare Flüssigkeit eingeschlossen war, die wie das weit entfernte Licht der Sterne glomm.
 


 

Gwen wischte sich den Schweiß mit einem Hemdsärmel erschöpft von der Stirn und bog in den Gang zu ihrem Zimmer ein.

Seit den frühen Morgenstunden hatte sie der Königin dabei geholfen, die vielen Flüchtlinge, die nun aus dem Osten in die Stadt strömten, unterzubringen; behelfsmäßige Lager waren errichtet worden, Gasthäuser stellten ihre Zimmer zur Verfügung und öffentliche Versammlungshäuser waren zu Auffanglagern für die vielen Asen umgebaut wurden, die es heimatlos hergetrieben hatte wie das Meer Strandgut ans Ufer spülte.

Malekith formierte seine Armee scheinbar im Osten Asgards und fiel brandschatzend und mordend über die Dörfer auf seinem Weg her; die flüchtenden Asen kamen in kleinen Kolonen an, ihr weniges Hab und Gut auf Karren verladen, die nun knarrend und klappernd durch die Straßen der Stadt rollten.

Unzählige fahle Kinderaugen hatte Gwen an diesem Tag gesehen; Augen, die für ihr junges Alter schon zu viel Schrecken erblickt hatten. Verzweifelte Mütter und Väter, in deren Zügen die quälende Mutlosigkeit vor einer unsicheren Zukunft lauerte - tiefschürfende Furcht vor einem Feind, der so übermächtig erschien, dass selbst der Allvater offenbar keine Macht gegen ihn hatte.

Die Ereignisse des Winternachtsfestes waren den anwesenden Asen unwiderruflich ins Gedächtnis gebrannt worden und die Nachricht über die Begebenheiten hatte sich wie ein Lauffeuer im Land verbreitet.

Wie Loki es bereits vermutet hatte, so hatte Malekith - Ymir - damit also offensichtlich erreicht, was er an diesem Abend beabsichtigt hatte; kaltes Grausen und nagende, listige Hoffnungslosigkeit heraufbeschwören, die sich wie eine beginnende Seuche unter dem Volk der Asen ausbreitete.

Selbst die gestandenen Krieger erzitterten unter jenem Wort, welches nun immer öfter in den Gassen der Stadt gewispert wurde; hinter vorgehaltener Hand, um das Schicksal selbst nicht herauszufordern - Ragnarök.

Furcht und Zweifel zogen an diesen Tagen wie ein schleichender Nebel durch die Straßen der Stadt und die Dörfer des Landes; die Stimmung war gedrückt, gedämpft, als hielte Asgard selbst den Atem an, um angespannt die Ereignisse zu erwarten, die da noch kommen mögen.

Gwen hatte ihr Zimmer erreicht und nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, zog sie sich sofort erleichtert die verschwitzten und schmutzigen Klamotten über den Kopf, um das Wasser einer heißen Dusche begrüßen zu können; es war erst später Nachmittag, doch sie fühlte sich bereits, als hätte sie zwei Tage am Stück im Büro gesessen - völlig ausgelaugt und abgekämpft, obwohl es eine seltsam gute Erschöpfung war.

Es fühlte sich einfach richtig an helfen zu können und etwas zu tun; Gwen hatte nicht einen Moment gezögert, als die Königin sie um ihre Hilfe gebeten hatte. Sie fühlte sich Asgard wirklich verbunden durch die letzten Tage, die sie an der Seite von Thor, Loki, Sif und den anderen verbracht hatte - das Volk der Asen war irgendwie auch zu ihrem Volk geworden, Asgard zu ihrer zweiten Heimat, Thor und seine Freunde zu ihren Freunden, die Königin zu einer Vertrauten, Loki zu…

Tja, in Bezug auf Loki und ihre Beziehung zueinander stockten Gwens Gedanken. Sie wusste selbst nicht so recht, was der Magier für sie geworden war - oder sie für ihn.

Nachdem sie mit Loki aus der Unterwelt zurückgekehrt war und er ihr diesen unglaublichen Kuss im Regen gestohlen hatte, war es wieder wie zuvor zwischen ihnen gewesen; Loki war nicht unfreundlich oder abweisend ihr gegenüber, doch auf eine distanzierte Art und Weise kühl, als wäre derlei für ihn eigentlich nicht von sonderlicher Bedeutung.

Die gesamte Zeit ihrer Rückreise nach Gladsheim hatte er kein einziges Wort über diesen Moment verloren und sich auch sonst in Gegenwart von Gwen nicht anders verhalten, wobei sie genau das im Innersten irgendwie erhofft hatte - eine Regung, ein verräterisches Zeichen, das ihr verriet, was sie von alledem zu halten hatte.

Doch es war wohl vergebliche Liebesmüh bei einem Mann wie Loki auf eine unbedachte Reaktion oder Geste zu warten; er hatte sich einfach perfekt unter Kontrolle, das Vorzeigemodell von Selbstbeherrschung und Disziplin, zumindest nun wieder.

Aber Gwen hatte etwas durchschimmern sehen; durch das dichte Eis, das ihn umgab, hatte sie eine gänzlich andere Seite an Loki wahrgenommen. Eine Seite, die der Magier sehr gut versteckte - bei jedem Kuss war seine Maske verrutscht, da seine Konzentration in jenen Momenten offensichtlich von anderen Dingen in Anspruch genommen wurde.

Vielleicht maß Gwen dem Ganzen aber auch viel zu viel Bedeutung zu; sah Dinge in diesen Küssen, die einfach nicht da waren.

Und das Schlimmste daran war, dass sie noch nicht einmal genau wusste, ob sie darüber enttäuscht oder froh sein sollte, dass Loki sie wahrscheinlich nur als lockere Ablenkung seines „Knastalltages“ sah; sicherlich hatte er im Rahmen seiner Gefangenschaft nicht viele Frauen gehabt und wollte nun vielleicht einfach seine Möglichkeiten nutzen...

Welchen Sinn hätte es auch, sich mehr zu wünschen und zu erhoffen - sie kannte die Antwort: keinen. Loki und sie kamen einfach aus zu verschiedenen Welten, er war beinahe unsterblich, sie würde mit der Zeit einfach vergehen und sterben. Eine Verbindung zwischen ihnen war unmöglich, schlicht undenkbar.

Noch dazu waren seine Verbrechen nicht einfach zu leugnen und er würde wahrscheinlich wieder in seine Zelle wandern, wenn all die Ereignisse um Malekith ausgestanden waren. Wenn sie überhaupt ausgestanden werden konnten…

Wenn die Dunkelheit sie nicht alle verschlang.

Die heiße Dusche vertrieb Gwens Frösteln und brachte zumindest ihre Lebensgeister zurück, allerdings weckte das auch ihren Hunger mit Macht; sie sollte unbedingt sehen, dass sie etwas zu essen bekam. Den Tag über hatte sie dieses körperliche Bedürfnis irgendwie völlig vergessen, da sie so eingenommen von ihrer Arbeit gewesen war, doch nun verlangte ihr Körper langsam nach seinem Recht.

Wesentlich frischer und entspannter tapste Gwen nackt und barfuß aus dem Bad und durchquerte ihr Zimmer, während sie sich die Haare mit einem Handtuch trocken rieb. Dabei fiel ihr Blick auf die Kette, die noch immer unangetastet auf ihrem Nachttisch lag.

Unschlüssig, fast vorsichtig ging sie zu ihrem Bett hinüber und betrachtete das außergewöhnliche Schmuckstück eine Weile nachdenklich, bevor sie sich die Kette einer plötzlichen Eingebung folgend um den Hals legte.

„Dein soll wieder dein werden.“

Der Verschluss rastete ein und Gwen ließ die Hände über die glatten Kettenglieder nach vorn wandern, um die Finger zögerlich über die Abbildung Yggdrasils gleiten zu lassen; das Silber fühlte sich warm und angenehm auf ihrer Haut an, seltsam vertraut, als wäre die Kette ein Schmuckstück, welches sie einst oft getragen doch irgendwann verloren hatte…

Sie musste unbedingt mit Loki über dieses seltsame Ereignis in der Nacht sprechen; bisher hatte sie niemanden von der eigenartigen Frau erzählt, aus Angst, dass man sie wirklich für verrückt halten könnte.

Gwen war sich selbst nicht einmal wirklich sicher, was sie gesehen und was nur geträumt hatte - und trotzdem wollte kein Gefühl von Bedrohung oder Unbehagen aufkommen; irgendwie wusste sie, dass die Fremde keine Gefahr darstellte und dass ihr Besuch irgendwie wichtig war.

Der Magier würde hoffentlich eine Antwort wissen.

Mit einem tiefen Luftholen ließ sie die Finger von der Kette sinken und fischte sich ein paar frische Sachen aus der Truhe, die Frigga extra für sie hatte in ihr Zimmer stellen lassen; darin eine große Auswahl an leichten Hemden, Hosen, Kleidern und einfachen Roben in ihrer Größe, was zu besorgen die Königin sicherlich einiges an Mühe gekostet hatte, da Gwen nicht gerade dem asischen Standard in Körpergröße und Erscheinung entsprach. Sie war immerhin um ein gutes Stück kleiner und feingliedriger als die typischen Asenfrauen.

Als Gwen den Deckel der Truhe wieder herabsinken ließ, kam ihr plötzlich Ashlyn in den Sinn. In den letzten Tagen hatte sie kaum einen Gedanken an ihr zuhause geschickt; weder an Ashlyn, noch Winston, nicht einmal an ihr Eltern gedacht. Das schlechte Gewissen meldete sich zurechtweisend in ihr.

Sie war so eingenommen von den Ereignissen hier in Asgard gewesen, ganz im speziellen natürlich von einem grünäugigen Magier, der in letzter Zeit viel zu oft ihre Gedanken beherrscht hatte, dass sie gar nicht wirklich an ihr zuhause gedacht hatte wie sie jetzt beschämt feststellte.

Beinahe war es merkwürdig, doch das seltsame Gefühl von Zugehörigkeit, welches sie in Bezug auf Asgard empfand, war noch immer da; sie fühlte sich hier nicht wirklich fremd, sondern „angekommen“ wie am ersten Tag ihrer Reise hierher.

Wahrscheinlich hatte sie daher kaum an die Erde gedacht, wofür sie ihr Gewissen nun rügte.

Winston war bei Ashlyn in guten Händen und somit versorgt und Ashlyn war eine Frau, die gewiss auch gut allein klar kam; doch vielleicht machte sie sich bereits Sorgen um Gwen, immerhin war es möglich, dass der Daily View vom Abbruch der Mission erfahren hatte. Oder hatte S.H.I.E.L.D wieder einmal alles vertuscht und verdeckt; die drohende Gefahr eines Angriffes durch die Dunkelelfen geschickt verheimlicht, um keine Panik unter der Bevölkerung auszulösen?

Vielleicht wusste überhaupt niemand, dass sie noch immer in Asgard war und somit vermisste sie auch keiner…

Da weiterhin keine relevanten Meldungen beim Allvater über Angriffe auf Midgard eingingen, so machte sich Gwen im Moment zumindest keine all zu großen Sorgen um ihre Freunde und ihre Eltern; doch vormachen musste sie sich auch nichts - sollten die neun Reiche keine Möglichkeit finden Malekith aufzuhalten, so betraf sie alle diese Gefahr. Auch die Erde würde nicht für immer verschont bleiben.

Gwen schloss gerade den letzten Knopf des Hemdes und zog die Tür ihres Zimmers hinter sich zu. Ihr Blick wanderte wie selbstverständlich den Gang hinauf zu Lokis Gemächern, doch da der Allvater seit dem heutigen Tag überraschend auf die permanente Bewachung des Magiers verzichtete, konnte sie nun nicht mehr anhand der Wächter ausmachen, wo sich Loki gerade befand.

Entschlossen lief sie den Gang hinauf und klopfte an seine Zimmertür, doch der Magier schien nicht da zu sein; keine Antwort von drinnen verkündete ihr seine Anwesenheit. Unsicher öffnete sie die Tür und steckte den Kopf zögerlich in den Raum; sie wollte nicht schon wieder riskieren ihn halb nackt zu überraschen. »Loki…?« rief sie vorsichtig, doch der Prinz war wirklich nicht hier.

Sie hatte gehofft, Lokis Gesellschaft vielleicht bei einem Essen suchen zu können. Sie wollte unbedingt mit ihm über die Erscheinung der Frau sprechen. Und sie wollte sich bei ihm entschuldigen…

Bisher hatte sie ihn kaum mehr allein erwischt, nachdem sie gestern Abend wieder in Gladsheim angekommen waren; die Reise über waren Thor und seine Freunde bei ihnen gewesen und danach hatte sich die Gelegenheit nicht mehr ergeben, Loki allein zu sehen und zu sprechen.

Gwen hatte noch einmal über die Ereignisse mit Hel nachgedacht; vor allem über ihren unkontrollierten Wutausbruch danach und die Wahrheit war…es tat ihr leid.

Im Nachhinein war ihr klar geworden, dass sie sich vollkommen lächerlich aufgeführt hatte und dafür wollte sie sich bei dem Prinzen entschuldigen. Er hatte ihre Wut nicht verdient.

Gwen hatte das Gefühl, dass sie sich in einem dauerhaft angespannten Zustand befand, seitdem sie in Asgard angekommen war; die ganzen Geschehnisse der letzten Tage hatten sie ganz schön mitgenommen und an ihren Nerven gezerrt - sie hatte überreagiert, vielleicht verständlich, doch einige Dinge, die sie dem Magier an den Kopf geworfen hatte bereute sie nun zutiefst.

Vor allem die Tatsache, dass sie ihm wie alle anderen nicht vertraut hatte…

Seufzend schloss Gwen die Tür seines Zimmers wieder und entschied, dass sie es im Bankettsaal versuchen würde. Womöglich befanden sich die anderen ja dort, immerhin waren Thor sowie Volstagg ja für ihren ausgeprägten Hunger und Appetit bekannt.

Doch auf dem Weg dorthin traf Gwen überraschend auf Sif; die Kriegerin warf sich eben einen Umhang über die Schultern, gekleidet in ihre Kampfrüstung marschierte sie den Gang entlang, was Gwen doch ein wenig unruhig werden ließ; stand etwa ein erneuter Angriff bevor?

Sif sah von dem Verschluss ihres Umhanges auf und nahm Gwen erst wahr, als sie fast vor ihr stand; ein warmes, freundliches Lächeln zeigte sich auf den Lippen der Kriegerin. »Oh, Gwen. Hallo. Ich habe dich den ganzen Tag über schon vermisst. Wo warst du denn?«

»Ich habe der Königin bei der Unterbringung der Flüchtlinge geholfen. Sie bat mich um Unterstützung, da habe ich natürlich sofort zugesagt.« klärte Gwen die Kriegerin auf, in deren Augen Anerkennung aufblitzte. »Ist etwas passiert…?« fragte sie Sif sogleich unbehaglich und wies erklärend auf deren Kampfmontur.

Die Kriegerin folgte dem Deut ihrer Hand auf ihre Rüstung und schüttelte dann verstehend den Kopf. »Oh, das…nein, keine Sorge. Der Allvater hat zu einer offiziellen Zusammenkunft und Beratung gebeten und zu solch einem Anlass trägt man einfach die entsprechende Kleidung.« beruhigte Sif damit Gwens Befürchtungen. »Du suchst bestimmt Loki, oder?« kam die Kriegerin ihr dann zuvor und erriet für Gwens Geschmack viel zu schnell ihre Gedanken. »Er ist bestimmt auch beim Allvater. Odin hat all seine Vertrauten, Generäle und Ratgeber zusammengerufen. Komm doch mit.« schlug Sif vor und wartete Gwens Antwort gar nicht erst ab, sondern schnappte sich deren Arm und zog sie mit sich.

»Meinst du…das geht so einfach?!« hakte Gwen unsicher nach. Ihr hatte man keine Einladung zukommen lassen; sie wusste nichts von einer Versammlung. Und Odin wollte bestimmt auch keinen Menschen bei seinem Treffen dabeihaben, wobei sie natürlich verdammt neugierig auf diese scheinbar sehr wichtige Versammlung war. Die Journalistin in ihr meldete sich zurück.

»Aber natürlich. Du gehörst doch jetzt gewissermaßen zu uns, Gwen.« meinte Sif leichthin und schenkte ihr ein bestärkendes Lächeln. »Du hast schon so viel für Asgard getan, ich wüsste keinen Grund, warum du einer solchen Unterredung fern bleiben solltest. Du bist kein Feind unserer Welt und hast dich als wahrer Gewinn erwiesen. In Zeiten einer solchen Bedrohung sollte es keine Geheimnisse unter Verbündeten und Freunden geben.«

Gwen nickte zögerlich und ließ sich von Sif durch die Gänge des Palastes in Richtung Thronsaal führen, obwohl sie selbst noch nicht gänzlich überzeugt von der Idee der Kriegerin war; sie war neugierig, keine Frage, doch es stand wohl außer Diskussion, dass sie eben keine Asin, keine Göttin war und damit zu solch einer Unterredung wahrscheinlich auch bewusst nicht eingeladen wurde.

Odin wäre bestimmt nicht begeistert über ihre Anwesenheit…

Sie erreichten die Tür, die zu einem bekannten Nebenraum des Thronsaales führte, den Gwen noch sehr gut aus ihrer Erinnerung kannte; hierher hatte man sie nach ihrer Festnahme geführt und zu den Ereignissen von Lokis Flucht befragt.

Das schien nun schon ewig her zu sein.

Gwen trat hinter Sif in den Raum ein, der bereits angefüllt mit Asen war, vertieft in eine angeregte Diskussion. Die donnernde Stimme Odins klang deutlich hervor; der Allvater stand an der Stirnseite des langen Tisches, um den herum sich Thor und die Tapferen Drei bereits eingefunden hatten; ebenfalls in seiner imposanten Rüstung deutete Odin gerade auf eine große Karte des Reiches, die auf dem Tisch ausgebreitet lag. »Ich werde diese Angriffe auf mein Volk nicht länger tatenlos hinnehmen! Wir werden Malekith die Stirn bieten, offen und stolz.«

Thors Miene war finster, er hatte die Arme vor der breiten Brust verschränkt und starrte nachdenklich auf das Pergament vor sich auf dem Tisch. Fandral lehnte gelassen in seinem Stuhl und rieb sich immer wieder über den makellos gestutzten Schnurrbart, daneben Volstagg und Hogun, die angespannt den Ausführungen des Allvaters lauschten.

Einige Männer der Palastwache waren ebenso anwesend; wahrscheinlich höherrangige Generäle, die in ihren glänzenden Rüstungen den Raum mit ihrer Präsenz füllten. Einer zog sich eben den geflügelten Helm vom Kopf und trat zu Odin heran, um ihm eine Stelle auf der Karte zu weisen. »Mein König, die Angriffe konzentrieren sich jetzt vor allem im Osten. Ich könnte im Morgengrauen zweitausend Mann kampfbereit machen und auf den Weg schicken.«

Am anderen Ende des Tisches hatten sich Männer in kunstvollen Roben aufgereiht, welche die Szenerie nachdenklich kühl beäugten und immer wieder die Köpfe zusammensteckten, um sich untereinander zu beraten; wahrscheinlich Adlige Asgards und Mitglieder des Hohen Rates. Einer von ihnen dokumentierte den Verlauf der Versammlung auf einem Pergament.

Die Königin saß auf ihrem erwählten Platz am kalten Kamin und beobachtete das Geschehen aus der Ferne mit aufmerksamer Miene, die Hände sittsam im Schoß gefaltet, immer wieder ein Anblick von Würde und Erhabenheit.

Loki war tatsächlich auch hier; der Magier saß ein wenig abseits vom Tisch und hatte seinen Stuhl so gerückt, dass er die gesamte Versammlung überblicken konnte. Er trug legere Kleidung im Gegensatz zu den anderen wie Thor oder den Tapferen Drei, die ebenfalls in Kampfrüstung erschienen waren; die langen Beine des Prinzen, elegant und locker überschlagen, steckten in einer engen, dunkelbraunen Lederhose, darüber trug er unter einer westenartigen, hüftlangen Tunika ein dunkelgrünes Hemd. Er hatte die Brauen konzentriert zusammengezogen und hielt sich eher schweigsam im Hintergrund, ein Arm auf die Lehne seines Stuhles gestützt, dessen Hand nachdenklich als lockere Faust an seinen Lippen weilte. Die silbernen Fesseln schimmerten als fast unpassende Schmuckstücke an seinen Handgelenken.

»Es sind nicht nur die Angriffe im Osten. Malekiths Schiffe haben sich heute Morgen von Schwarzalbenheim auf den Weg gemacht und schwärmen auch in Richtung der anderen Reiche aus. Mit ein wenig Pech werden wir mit Angriffen von mehreren Seiten rechnen müssen. Womöglich sind diese Überfälle der Dörfer nur ein Ablenkungsmanöver, um die Stadt ungeschützt zu treffen. Wir sollten nicht so viele Männer von hier abziehen.« gab eine klare, bekannte Stimme zu bedenken. Heimdall lehnte im Rücken des Königs an der Wand, von wo aus er den ganzen Raum überblicken konnte; seine goldenen Augen waren wachsam und huschten jetzt zu Gwen herüber, die gerade die Tür leise hinter sich schloss.

Offensichtlich jedoch nicht leise genug, denn einige Köpfe wandten sich zu den beiden Frauen um.

Während Thor erfreut schien und Sif wie auch Gwen mit einem zaghaften Lächeln bedachte, wirkte Odin nicht gerade begeistert über deren Auftauchen - zumindest nicht über das von Gwen. Er nahm sie kritisch in Augenschein und furchte die Stirn, als müsse er ernsthaft überlegen, wie sie hier hereingekommen war.

Wenigstens Fandral und Volstagg winkten ihr freudig zu.

Lokis Blick verriet wieder einmal…gar nichts. Er sah zwar zu ihnen herüber und seine Augen hingen für einen winzigen Moment länger an Gwen, doch dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder der Unterhaltung vor sich.

Gwen hasste dieses dämliche Gefühl von Enttäuschung augenblicklich, was in ihrem Hals brannte wie bittere Magensäure. Was hatte sie denn erwartet? Dass er überschwänglich aufsprang und sie in die Arme schloss?! Lächerlich. Das würde Loki niemals tun.

Frigga löste die angespannte Stimmung auf ihre einfach liebenswürdige Art und Weise; sie erhob sich mit raschelnder Robe und schritt zu Gwen herüber, um diese lächelnd am Arm zu nehmen und wie selbstverständlich zu der Sitzecke am Kamin zu führen, als hätte sie selbst Gwen hierher bestellt.

Die bestimmte und freundliche Art der Königin nötigte den Männern Gehorsam ab; Odin zog seinen Blick von Gwen zurück und führte die Diskussion mit seinen Beratern übergangslos weiter, als wäre gar nichts passiert. Nur die Ratsmitglieder beäugten Gwen äußerst argwöhnisch aus den scharfen Falkenaugen ihrer schmalen, ernsten Gesichter.

Sif nahm inzwischen unweit von Thor auf einem Stuhl Platz und strich im Vorübergehen verstohlen über dessen muskulösen Unterarm, was die verbissenen Züge des Donnergottes ein wenig glättete. »Vor allem können wir nicht einfach unvorbereitet gegen einen so übermächtigen Feind ins Feld ziehen.« gab nun auch Thor zu bedenken. »Wir wissen nun, dass Malekith von einer uralten Macht besessen ist. Zuerst brauchen wir mehr Informationen, einen Plan, bevor wir uns haltlos in die Schlacht stürzen.« Fandral und Hogun nickten zustimmend und Gwen bemerkte einen Anflug von überraschter Anerkennung auf Lokis Zügen, als er seinen Bruder kurz ins Auge fasste.

»Diese Annahme stützt sich auf die Aussagen Eures Bruders, Thor Odinson.« schnarrte einer der Männer des Rates jetzt und hob die Brauen skeptisch über den Rand seiner Sehhilfe, während er Loki kritisch beäugte, der dem Mann ein aalglattes Grinsen schenkte. »Woher sollen wir wissen, dass es die Wahrheit war, welche die Silberzunge sprach? Womöglich handelt es sich nur wieder um einen arglistigen Scherz, der uns verunsichern soll?!«

Gwen wollte dem Mann augenblicklich die Arroganz aus dem Gesicht schlagen…

Thor wollte schon eine heftige Antwort geben, doch überraschend kam ihm Hogun zuvor. Der stille Krieger erhob seine ernste Stimme im weichen Dialekt seines Volkes: »Loki Odinson hat sich bisher als wertvoller Verbündeter erwiesen. Er nahm unschätzbare Gefahren auf sich, um uns diese Auskünfte zu beschaffen. Ich hegte stets Misstrauen und Vorsicht gegenüber des Magiers, doch sehe ich jetzt keinen Grund, warum er uns belügen sollte.«

Loki rieb sich in einer grübelnden Geste übers Kinn, während er Hogun mit einem langen Blick bedachte.

»Womöglich seht Ihr den nicht, werter Hogun.« meldete sich der Mann des Rates mit seiner nasalen Stimme zurück. »Doch der Rat hegt weiterhin Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Verbrechers und Jotunen, Loki-«

»Schluss jetzt damit!« brauste Odin auf und schlug die flache Hand auf den Tisch, was die Männer des Rates getroffen zusammenzucken ließ. »Loki und seine Vergehen sind jetzt nicht Gegenstand dieses Treffens. Darüber wird später geurteilt werden. Ich will beraten, wie am besten gegen Malekith vorzugehen ist und wenn ihr nichts wertvolles in dieser Sache vorzutragen habt, so schweigt und bleibt mir mit euren Bedenken und Zweifeln in Bezug auf Loki jetzt fern!« wies der Allvater die Ratsmitglieder zurecht, die sofort ehrerbietend und entschuldigend die Häupter senkten - kuschten wie feige Ratten.

Gwen hatte das Ganze still neben der Königin verfolgt, die ihre Hand in einer mütterlichen Geste hielt; sie war überrascht, dass Hogun Partei für Loki ergriffen hatte. Selbst der Allvater ließ sich nicht mehr auf Diskussionen über Lokis Glaubwürdigkeit ein; er hatte ja sogar die permanente Bewachung des Prinzen abgezogen - offenbar hatte sich der Magier ein Stück des brüchigen Vertrauens zurückerobert.

Loki hatte den verbalen Schlagabtausch in scheinbarer Gelassenheit schweigend zur Kenntnis genommen, doch Gwen ahnte, dass ihn das nicht so kalt ließ, wie er alle Glauben machen wollte; seine Kieferknochen traten unmerklich hervor und seine Augen hatten sich um eine Winzigkeit verengt - kleine Zeichen, dass er angespannt war.

Ihr fiel auf, dass er heute wieder blasser als die letzten Tage über wirkte, doch da mochte sie vielleicht auch das fahle Sonnenlicht täuschen, dass durch die große Fensterfront hereinfiel; die Sonne lag den ganzen Tag schon hinter hohen Schleierwolken verborgen. Fast verstohlen rieb sich der Magier mit der freien Hand über die Brust, bevor sein Blick zu Gwen herumfuhr.

Sie fühlte sich augenblicklich ertappt, hatte sie ihn doch einmal mehr unverhohlen angestarrt, doch der Reflex, das Haupt verlegen zu senken, blieb aus - seine Augen fesselten sie und ihre Blicke trafen sich über den Raum hinweg, sodass Gwen wieder dieses verräterische Prickeln spürte, was ihre Haut überzog.

Dieser Mann hatte einfach unglaubliche Augen; hypnotisierend in ihrem smaragdgrünen Licht, das manchmal intensiv und verzehrend wie Feuer schien und dann wieder kalt und magisch wie das Leuchten der Sterne…

Einer von Lokis Mundwinkeln zog sich leicht in die Höhe, als hätte er ihre Gedanken gelesen, dann wanderte sein Blick weiter und kam erneut auf dem Allvater zu liegen. Gwen unterdrückte gerade so ein erleichtertes Aufseufzen.

»Ich werde Malekiths Herausforderungen nicht länger dulden! Er kommt in mein Reich, ängstigt mein Volk und droht ihm mit Ragnarök. Für diese Unverschämtheit allein muss er in seine Schranken gewiesen werden - koste es, was es wolle! Niemand soll sich je wieder anmaßen, dem Allvater in seinen eigenen Hallen mit dem Tod seines Volkes zu drohen!« donnerte Odin seine Stimme entschlossen in den Raum und verursachte Gwen damit eine Gänsehaut; sollte es also wirklich Krieg geben? Würden Thor und seine Freunde in eine Schlacht ziehen müssen, aus der sie womöglich nie wiederkamen?

Der Mann der asgardischen Wache neben Odin nickte beipflichtend und drückte sich die Rechte in einer respektvollen Geste gegen die goldene Plattenbrust. »Meine Männer stehen Euch zur Verfügung, mein König. Sie werden stolz und geehrt sein für Euch kämpfen zu dürfen. Selbst bis zum Tod.«

»Der Tod als Ehre?! Macht Euch nicht lächerlich, Hauptmann.« durchdrang nun die samtige Stimme Lokis den Raum; der Magier saß noch immer gelassen, fast gelangweilt auf seinem Stuhl, während nun sämtliche Augen auf ihm ruhten. Er selbst bedachte den Hauptmann der Wache mit einem spöttischen Blick. »Der Tod ist weniger begehrenswert, als Ihr es vielleicht denkt. Glaubt mir, ich habe sie gesehen.« warf der Prinz mit einem breiten Grinsen in den Raum; das flüchtige Funkeln in seinen grünen Augen verriet seine Belustigung über das furchtsame Zusammenzucken einiger Anwesenden.

»Auf meine Männer wartet Walhall.« gab er Hauptmann überzeugt zurück. »Keine größere Ehre kann es geben, als an der goldenen Tafel neben unseren Ahnen zu sitzen, die sich ihren Ruhm in zahllosen Schlachten verdienten.«

»Ich glaube kaum, dass all Eure zweitausend Männer gleichzeitig nach Walhall auffahren werden. Das müsste ein ziemliches Gedränge an der Tafel der Ruhmreichen geben, denkt Ihr nicht auch? Bei solch einem Ansturm fallen bestimmt auch ein paar Seelen für die Göttin des Todes ab.« sinnierte Loki überzeugt, das Kinn nun auf seine Faust gebettet sah er den Hauptmann der Wache an, der augenblicklich erbleichte und ein wenig ratlos von einem zum anderen sah.

»Lass deine Spielchen, Loki.« grollte Odin nun und bedachte seinen Sohn mit einem zurechtweisenden Blick. »Wenn du etwas zu sagen hast, dann tue es.«

»Das habe ich in der Tat.« verkündete der Magier und deutete wage mit der freien Hand auf die ausgebreitete Karte des Tisches. »Heimdall hat Recht. All das ist eine Ablenkung. Diese Angriffe sollen unseren Blick von dem ablenken, was Malekith in Wahrheit will.«

»Er hat es also wirklich auf die Stadt abgesehen!?« brach Volstagg brummige Stimme durch die Stille.

»Nein. Er will nicht die Stadt. Nicht Odins Thron oder die Herrschaft über Asgard.« korrigierte Loki die Vermutungen der Anwesenden. »Er will Yggdrasil.« offenbarte er dann in seelenruhiger Gewissheit, was augenblicklich die Stimmen aller laut werden ließ; als hätte der Magier einen Stein in einen ruhigen See geworfen breiteten sich Wellen von Fassungslosigkeit aus. Ein dichtes Raunen schwirrte durch den Raum, während Köpfe zusammengesteckt und verwirrte Blicke ausgetauscht wurden.

»Yggdrasil?!«

»Unmöglich. Das würde er nicht wagen!«

»Das ist doch albern!«

»Kann es wirklich sein…?«

»Ruhe!« befahl Odin der aufgebrachten Menge mit einem erneuten Schlag der flachen Hand auf den Tisch, bevor sich der Allvater dem Magier zuwandte, der noch immer recht unberührt von allem auf seinem Stuhl saß. »Was bringt dich zu dieser Annahme, Loki?« verlangte Odin zu wissen.

»Denkt doch selbst einmal nach.« begann der Prinz mit süffisanter Forderung und sah sich in der Runde der Anwesenden um. »Malekith - Ymir - will Ragnarök beschwören, den Untergang aller Welten. Glaubt ihr wirklich, er hält sich dann lange mit der Eroberung einer oder mehrerer Reiche auf, wenn er alle mit einem Schlag vernichten und ins Dunkel stürzen kann?« fragte der Magier niemand bestimmten und machte auch nicht den Anschein, als würde er nun dringend eine Antwort auf diese rhetorische Frage erwarten.

Gwen war auf ihrem Sitzplatz ein wenig nach vorn gerutscht und hing nun gebannt wie alle anderen an den Lippen des Prinzen; selbst die Königin wirkte angespannter als noch zuvor und hatte die Stirn in tiefe Falten gezogen, womit sie ihrem Mann in nichts nachstand, der finster den Ausführungen seines Sohnes lauschte.

»Thor, erinnerst du dich an die Schwarzalben, die wir auf unserer Reise sahen? Jene, die uns angriffen.« richtete Loki das Wort nun an seinen Bruder. Der Donnergott wirkte einen Moment irritiert, zog die Brauen zusammen, bevor er zögerlich nickte. »Ja, das tue ich.«

»Wie du dich vielleicht entsinnen magst, so vermutete ich damals schon, dass sie etwas suchen würden. Hel hat mir nun des Rätsels Lösung durch ihre Worte präsentiert.« Loki hielt kurz inne, bevor er mit klarer Stimme die unheilvollen Worte der Todesgöttin zitierte: »So wie Yggdrasil die überragende Kraft der Lebensspenderin besitzt, so ist Ymir Seele das dunkle Gegenstück dazu, fähig alles zu zerstören und ins Dunkel zu stürzen. Es besteht eine Verbindung zwischen den beiden, zwischen der Weltenesche und dem Schatten von Ymir Geist. Yggdrasil erwuchs aus seinem Leib, möglich das er zu seinem Ursprung zurückkehren will.«

Odin richtete sich vom Tisch auf, die Erkenntnis brach sich Bahnen in seinem bärtigen Gesicht. Er schloss kurz das sichtbare Auge. Auch Thor schien zu verstehen; er löste die Verschränkung seiner Arme und fasste unbewusst nach Sifs Hand, welche die Kriegerin ihm entgegen streckte. Heimdall hatte sich beunruhigt von der Wand im Rücken abgestoßen.

»Warum lange mit Schlachten und Kriegen aufhalten? Malekith muss bloß zur Weltenesche gelangen, sie mit Ymirs Geist verderben und die Welten werden untergehen.« fuhr Loki fort. »Er hat nicht die Männer, um sich allen Reichen gleichzeitig zu stellen. Das weiß er. Und das muss er auch gar nicht. Dies alles…« Der Magier deutete mit einer lapidaren, geringschätzigen Handbewegung auf die ausgebreitete Karte Asgards mit den unzähligen, roten Bannern, die wie warnende Finger von dem Pergament in die Höhe aufragten. »…ist Augenwischerei. Er führt euch an der Nase herum. Während ihr abgelenkt seid von seinen Angriffen, durchstreifen seine Alben die Welten und suchen nach dem geheimen Zugang in Yggdrasils Reich.«

Von einem Moment auf den anderen hatte Loki die Aufmerksamkeit aller an sich gerissen; plötzlich war er es, dem alle Blicke und offene Ohren galten, in dessen Worten man nach einem Rat und nach den Anweisungen für das weitere Vorgehen suchte.

»Was rätst du uns, Bruder?« fragte Thor den Magier ganz offen nach seiner Einschätzung der Lage und niemand begehrte dagegen auf; weder die Ratsmitglieder, noch Heimdall, nicht einmal Odin. Alle Augen ruhten abwartend auf dem geächteten Prinzen. Mit einem Mal schien Loki die Geschicke Asgards in den Händen zu halten.

»Ein paar Männer sollten in den Osten marschieren. Lasst Malekith in dem Glauben, dass ihr seiner List erlegen seid, doch stellt euch keinem offenen Kampf. Sichert die Dörfer und Städte auf eurem Weg und ebnet den Bewohner den Weg weiter ins Landesinnere.« begann Loki bestimmt und erhob sich von seinem Platz. »Sendet Hugin und Munin aus, um die verstreuten, kleinen Gruppen der Dunkelelfen ausfindig zu machen, die sich verstohlen durch unsere Lande bewegen. Thor soll sich mit den Tapferen Drei auf die Suche nach ihnen machen und sie in ihrem Vorhaben aufhalten. Sie dürfen den Durchlass zu Yggdrasil nicht finden. Zu unserem Vorteil gereicht es hier natürlich, dass sich das Portal der Weltenesche ständig durch die Reiche bewegt; nie verweilt es lange an einem festen Ort.« erklärte der Magier der Runde.

»Heimdall sollte Botschaft an die anderen Welten schicken. Unterrichtet sie von Malekiths Vorhaben. Sie sollen ebenso verfahren, sich auf seine List einlassen, ihn in Sicherheit wiegen, doch seine Elfen in ihrem Vorhaben aufhalten. Sendet Nachricht an Vanaheim und Alfheim, dass ich die Unterstützung derer bester Magier benötige; sie sollten sich zu einer Zusammenkunft in Asgard einfinden. Wenn das flüchtige Portal gefunden wird, so können wir es womöglich mit einem Zauber stabilisieren oder versiegeln, sodass Ymir der Weg auf immer verwehrt bleibt.« Loki war an den Tisch herangetreten, die Hände hinter dem Rücken verschränkt strahlte er kühle Ruhe und Bestimmtheit aus; sein Kinn war gehoben, seine Züge entschlossen. Sein schneidender Verstand nötigte den Anwesenden Schweigen und Aufmerksamkeit ab.

Sie war beinahe fühlbar; die Erleichterung im Raum, dass jemand die Zügel in die Hand genommen hatte und die Geschicke in dieser heiklen Sache lenkte.

Loki strahlte genau jene ruhige Würde und Überzeugung aus, die die Asen gerade zu dieser Zeit benötigten - einen kühlen Kopf, der in der Lage war, klare Gedanken zu fassen, Täuschungen zu durchschauen und eindeutige Anweisungen zu formulieren.

Gwen bewunderte Loki für seinen flinken Geist und glasklaren Verstand; seine Intelligenz war überragend und sie bemerkte verlegen, dass die machtvolle Aura des Magiers sie erregte - es war seltsam berauschend, ihn bei seinen Ausführung zu beobachten und zu lauschen. Alles an diesem Mann zog sie wie magisch an.

»Ich werde inzwischen nach einem Zauber suchen, der Ymir womöglich aufhalten kann. Thor hat recht, unvorbereitet sollten wir uns dieser uralten Macht nicht stellen - weder Asen, noch Vanen oder Lichtalben. Doch zusammen können wir Malekith womöglich aufhalten. Dazu müssen wir uns aber unserer Verbundenheit erinnern, Bedenken und alte Fehden hinter uns lassen…« endete Loki bestimmt und sah den Allvater offen an. Dessen Abneigung gegen die Vanen auf Grund ihrer Magie war nicht vergessen, auch nicht der schwelende Zwist zwischen Jotunheim und Asgard, an dem Thor und auch Loki ihre Mitschuld trugen. Doch in Zeiten wie diesen mussten die Welten sich ihrer gemeinsamen Stärke einfach erinnern, sonst würden sie untergehen.

Odin sah seinen jüngsten Sohn sehr lange nachdenklich an; ein endlos gedehnter Augenblick, in welchem Gwen schon erwartete, dass der Allvater den Rat des Magiers in den Wind schlagen würde.

Doch Odin holte tief Luft, dann nickte er langsam. »Ich werde über deine Worte nachdenken und deine Ratschläge in meine Überlegungen einbeziehen, Loki. Am heutigen Abend will ich verkünden, wie wir verfahren werden. Geht nun. Ich muss nachdenken.« verlangte der Allvater müde und kehrte dem Raum den Rücken, indem er sich zu den Fenstern umwandte.

Die Versammlung zerstreute sich nun langsam; die Ratsherren verließen mit säuselnden Roben den Raum, während die Königin Gwens Hand flüchtig drückte, bevor sie aufstand und zu ihrem Mann hinüber schritt. Thor und seine Freunde verschwanden als nächstes durch die Tür; Gwen stand auf und suchte über die Helme der noch anwesenden Wächter das dunkle Haupt des Magiers.

Loki durchquerte gerade hinter Volstagg die Tür nach draußen.

»Loki…?!« Gwen beeilte sich zu ihm aufzuschließen; im ersten Moment dachte sie, dass er sie ignorieren würde, doch er blieb stehen und sah ihr über die Schulter hinweg entgegen.

»Gwendolyn. Es überraschte mich dich hier zu sehen. Du hast dich geschickt in die Unterredung des Allvaters eingeschlichen.« Die Ahnung eines amüsierten Lächelns spielte um seine Lippen, als er sich ihr zuwandte.

»Ich habe mich nicht eingeschlichen. Sif hat mich einfach mitgenommen.« verteidigte sie sich peinlich berührt und wusste doch, dass Loki ihre Neugier mit Sicherheit durchschaut hatte; auch wenn es eher Zufall gewesen war, dass Sif sie hergebracht hatte, so war sie doch schlussendlich nicht wirklich traurig darüber.

Sie zog den Magier am Ärmel seines Hemdes ein wenig beiseite, da die übrigen Wächter gerade den Raum verließen und mit schweren, scheppernden Schritten an ihnen vorbei liefen. »Ich wollte dich fragen, ob du Zeit für ein Gespräch hast. Ich muss unbedingt mit dir reden.« richtete sie ihr Anliegen an den Prinzen, der auf Grund der Dringlichkeit in ihrer Stimme eine Braue in die Höhe zog.

»Du bittest also um eine Audienz?« zog er sie amüsiert auf

»Wenn es Hoheit beliebt, dann bitte ich eben um eine Audienz.« gab sie mürrisch zurück und konnte das Schmunzeln doch nicht ganz verstecken.

»Sie sei dir gewährt. Sicher können wir reden. Ich muss allerdings zugeben, dass mich das trockene Geschwafel alter Männer hungrig gemacht hat. Hast du schon etwas gegessen, Gwen?« fragte der Magier, während er sich erneut in einer geistesabwesenden Geste über das Leder seiner dunklen Tunika rieb.

Gwen schüttelte den Kopf. »Äh…nein, bisher nicht. Und ich muss zugeben, dass ich unheimlichen Hunger habe.« gestand sie offen und drückte sich eine Hand auf den Bauch, der just in diesem Moment ein unzufriedenes Knurren von sich gab.

Loki wirkte belustigt und hielt einen vorbeieilenden, bediensteten Asen auf, indem er ihn zu sich heranwinkte. Der junge Mann senkte das Haupt ehrerbietend vor dem Prinzen, der ihm ein paar leise Anweisungen zukommen ließ, bevor er nickte und schon weiterlief. »Wenn du den Weg in den Garten allein findest, so geh doch bereits vor. Wir werden draußen speisen. Ich will nur noch ein paar Bücher aus der Bibliothek holen.« erklärte ihr der Magier.

Gwen nickte. »Natürlich. Dann treffen wir uns dort.«

Somit trennten sie sich und Gwen machte sich auf den Weg hinaus in den Palastgarten; stolz auf sich selbst fand sie die Wege durch Gladsheim nun beinahe schon fehlerfrei und prägte sich langsam all die verdammt gleich aussehenden Gänge und Abzweigungen ein, die sie am ersten Tag hier noch völlig überfordert hatten.

Gemächlich stieg sie die blassen Marmorstufen in den Garten hinab; es war wahrscheinlich einer dieser letzten schönen, milden Tage, bevor der Winter gänzlich Einzug halten würde. Obwohl die Sonne schon den ganzen Tag hinter dünnen Schleierwolken verborgen lag, so war es doch noch angenehm warm geworden. Die letzten Regentage ihrer vergangenen Reise hatten Gwen auch mächtig auf das Gemüt geschlagen und sie war froh über diese letzten Sonnenstrahlen des schwindenden Tages.

Der Garten begrüßte sie wie immer in voller Blüte, duftend und mit sattem Grün, während Gwen ihren Weg auf den verschlungenen Pfaden fand, indem sie einfach einigen Asen folgte, die vollbeladene Platten mit köstlichen Speisen an ihr vorbei trugen.

Die Bediensteten sammelten sich an einer märchenhaft eingewachsenen Sitzgelegenheit, die etwas abgelegen von den üblichen Wegen des Gartens und somit neugierigen Blicken entzogen war; ein steinerner Tisch wurde von einer bequemen, breiten Bank umrundet, darüber erstreckte sich ein gläsernes, moosbewachsenes Dach, das vor Regen und Wind schützen würde.

Die Asen trugen eine genügende Menge an verschiedensten Speisen auf, bevor sie sich umsichtig und leise zurückzogen; allerdings war der Umfang an Reichlichkeit merklich zurückgegangen. Der Palast gab nun viele seiner Vorräte an die Stadt ab, um die Flüchtlinge ernähren zu können.

Volstagg selbst hatte heute einen ganzen Karren Obst und süßes Gebäck zu einem der Flüchtlingslager begleitet, was ihn zum Helden leuchtender Kinderaugen erklärt hatte; die Kleinen hatten den freundlichen Riesen gar nicht mehr gehen lassen wollen.

Gwen sah sich unschlüssig um, dann ließ sie sich schulterzuckend auf der Bank nieder und zögerte auch nicht lange damit, sich einen der Teller mit einem riesigen Berg an Essen zu beladen. Ihr wurde erst jetzt bewusst, wie hungrig sie wirklich war und da ja gerade niemand anwesend war, konnte sie ungeniert die ersten, großen Bissen des wirklich ausgezeichneten Essens hinunterschlingen.

Ein zufriedenes Stöhnen entwich ihr. Eines musste man den Asen wirklich lassen - sie konnten ausgezeichnet kochen.

»Gebietet es die Höflichkeit nicht eigentlich, dass man mit dem Essen wartet, bis alle Personen anwesend sind?« ließ Gwen eine nur allzu vertraute, seidige Stimme aufschrecken; hastig schluckte sie den Bissen Fleisch hinunter, der ihr im Hals steckengeblieben war und wandte sich hustend dem Prinzen zu, der eben um eine efeubewachsene Säule gebogen war. Er trug einen mächtigen Stapel Bücher bei sich, schien aber keine große Mühe mit dem sicher gewaltigem Gewicht der großen Wälzer zu haben.

»Entschuldige…« nuschelte Gwen verlegen, als Loki seine Last auf dem Tisch ablud. »Ich hatte einfach so großen Hunger…«

Ein seltenes, ehrliches Lächeln zeigte sich auf den Lippen des Magiers - flüchtig, doch es war da gewesen. Milde amüsiert sah er sie an, bevor er sich Gwen gegenüber auf die Bank fallen und in einer unterschwellig erschöpften Geste eine Hand durch seine dunklen, langen Haare fahren ließ. Dann griff er ebenfalls nach einem Teller. »Frigga hat mir von deinem Eifer und deiner Hilfe heute berichtet. Kein Wunder, dass du Hunger hast. Du hast dich wirklich aufopfernd um die Flüchtlinge gekümmert und als wahre Bereicherung erwiesen.« drang seine Anerkennung zu ihr herüber; ihre Blicke trafen sich über den Tisch hinweg und Gwen errötete leicht unter seinem ungewohnten Lob.

Unsicher senkte sie den Blick auf ihren Teller und jagte das Gemüse mit der Gabel über das goldene Metall. »Das war doch selbstverständlich. Ich bin froh, das ich etwas tun kann, um zu helfen.« Sie schob sich die nächste Ladung ihrer Mahlzeit hinter die Lippen, während der Magier nun ebenfalls seinen Teller füllte.

Die Worte entsprachen der Wahrheit. Schon früher hatte Gwen unheimlich gern neben der Schule im städtischen Tier- oder Kinderheim ausgeholfen, wenn dort Not am Mann gewesen war; sie war schon immer der Meinung, dass man den Schwächeren helfen sollte, so man selbst vom Schicksal besser gestellt war.

Immerhin war sie selbst nicht weit entfernt davon gewesen, ihre Kindheit in einem Heim zu verbringen, wenn die Entscheidung und Fürsorge ihrer Eltern sie nicht davor bewahrt hätte.

Sie bedauerte, dass sie durch ihren Job jetzt kaum mehr Zeit für solche gemeinnützigen Projekte hatte.

»Es waren so viele, so viele Flüchtlinge…ganz junge wie auch ganz alte Asen.« sprach Gwen dann leise aus. »Sie haben Angst, Loki. Ich habe es heute in ihren Augen gesehen. Die Asen haben Angst.«

Der Prinz nickte langsam, wischte sich die Hände gesittet an einem Tuch sauber, nachdem er einige Köstlichkeiten auf seinen Teller befördert hatte. »Ich weiß. Natürlich haben sie Angst. Genau das hat Malekith bezweckt. Ragnarök ist ein großes Wort in unserer Geschichte. Es kündet vom unausweichlichen Ende, selbst für die Götter. Und Malekith ist jemand, der dieses Schicksal durchaus wahrmachen könnte.«

»Hast du keine Angst?« fragte Gwen dann unvermittelt, nachdem sie das beherrschte Gesicht des Magiers eine Weile studiert hatte. Sein Blick glitt wieder zu ihr herüber.

»Angst ist vergeudete Zeit. Angst ist für jene da, die sich hinter den Taten anderer verstecken, um ihr Schicksal nicht selbst in die Hand nehmen zu müssen.« erklärte er süffisant. »Ich habe keine Angst. Ich richte meine Energien lieber auf nützlichere Dinge und suche nach Möglichkeiten, die Zukunft zu ändern.«

Natürlich. Wie hatte Gwen auch annehmen können, dass Loki irgendetwas aus der Ruhe bringen könnte; der Magier war wie aus Eis gehauen und sie fragte sich nicht zum ersten Mal, ob seine Herkunft an der kühlen Fassade seiner Gestalt Schuld trug. Er verbarg gut, dass dahinter eine gänzlich andere Welt lag.

Doch Gwen hatte in einigen flüchtigen Momenten bereits einen Blick auf diese geheime Welt werfen können.

Einerseits war seine kühle Selbstsicherheit beruhigend und irgendwie auch faszinierend - anziehend, doch andererseits wuchs in Gwen ebenso das Bedürfnis und die Neugierde, diese harten, arroganten Züge nur einmal in flammenden Emotionen aufgehen zu sehen.

Eine Weile verbrachten sie schweigend mit ihrem Essen, während der Wind leise durch die dichten, grünen Blätter säuselte, die Schutz vor den Elementen der Natur und unbedachten Blicken boten. Irgendwann schoben sie beide satt ihre Teller von sich; sogleich eilten Asen wie auf einen stummen Befehl herbei, welche die Speisen wieder abräumten, als hätten sie irgendwo in der Nähe nur auf diesen Moment gewartet. Danach ließen sie Loki und Gwen in der Stille des Gartens wieder allein.

Der Magier zog nun eines seiner Bücher zu sich heran und schlug es geräuschvoll an einer markierten Stelle auf. »Du wolltest mit mir reden…« begann er dann abwartend, während sein Blick nur kurz zu Gwen herüberflog, bevor er sich auf die Schrift des Buches konzentrierte.

Prima. Eine tolle Grundlage für ein Gespräch. Er sah sie ja nicht einmal an…

Wie sollte sie sich da bitte gebührend bei ihm entschuldigen?

Sie entschied sich zu Anfang für das weniger heikle Thema ihres nächtlichen Besuches. Gwen stand auf und trat zu Loki hinüber, um sich neben ihm auf der Bank nieder zu lassen, ein Bein angewinkelt auf dem weichen Polster, sodass sie den Prinzen offen ansehen konnte. Das weckte zumindest seine Aufmerksamkeit und er zog seinen Blick von dem Buch ab, um sie anzusehen.

Gwen schob zwei spitze Finger unter ihr Hemd und zog die Kette mit dem silbernen Amulett hervor, welches Loki sofort interessiert begutachtete. »Ich…ähm…nun ja, ich hatte heute Nacht ziemlich merkwürdigen Besuch, der mir etwas hinterlassen hat...« begann sie unsicher, da der Magier eine Braue in die Höhe zog. Sie löste die Verschlüsse der Kette und hielt sie ihm entgegen; vorsichtig nahm Loki das Schmuckstück an sich, während er sie fragend ansah.

»Wie meinst du das?« Er wirkte irritiert.

»Ich hatte einen Traum. Naja, nein, eher eine Erscheinung. Keinen Traum. Eine Frau stand plötzlich in der Nacht in meinem Zimmer und hat mir diese Kette gegeben…«

»Hier in Gladsheim? Wer war es?« bombardierte er sie sofort mit Fragen und wandte sich ihr nun gänzlich zu.

»Ja, hier. In meinem Zimmer. Ich…ich weiß nicht, wer sie war. Ich habe sie noch nie zuvor gesehen.« begann Gwen ein wenig unbeholfen. »Sie war wirklich hübsch. Hatte langes, weißes Haar, wirkte irgendwie alt und dann auch wieder nicht…hat sich einfach aufgelöst wie ein Geist…« Sie hob die Hände und versuchte in holprigen Gesten ihre Worte zu untermalen. Dabei glitt ihr Blick eher beiläufig über die aufgeschlagene Seite von Lokis Buch. »Da! Das ist sie doch. Das ist die Frau!«

Bestimmt deutete Gwen auf eine grobe, blass farbliche Zeichnung von drei Frauen, die an Spinnrädern unter der Weltenesche saßen. Ihre Erscheinungen waren irgendwie märchenhaft, magisch und wunderschön, auch wenn die schlichte Darstellung auf dem Pergament ihnen nicht gerecht werden konnte. Doch Gwen erkannte das Gesicht der Frau ohne Zweifel wieder, welche sie in der Nacht besucht hatte - diese Augen würde sie so schnell nicht vergessen.

Loki folgte dem Deut ihres Fingers auf die Zeichnung, während er seine Stirn fast skeptisch runzelte. »Welche von ihnen war es, Gwen?« fragte er seltsam angespannt nach, als wüsste er bereits mehr, als er Gwen offenbarte.

Gwen legte den Zeigefinger sicher auf der mittleren der drei Frauen nieder. »Sie war es.«

»Bist du sicher?« Die Stimme des Magiers klang lauernd, sein Blick glitt wieder zu ihr zurück; prüfend, eindringlich.

»Ja, ich bin sicher. Ganz sicher. Sie war es.« bestätigte Gwen ihre Gewissheit.

Urplötzlich ruckten Lokis Arme vor; seine Hände schlossen sich fest um ihre Oberarme und er sah beschwörend auf sie herab, schüttelte sie sogar leicht. »Hat sie etwas gesagt, Gwen? Hat sie irgendetwas zu dir gesagt?« fuhr er sie harsch an; sie konnte seine plötzliche Aufregung gar nicht verstehen.

»Äh…ja, naja…ziemlich kryptisches Zeug. Keine Ahnung…ich weiß nicht mehr genau…« stotterte sie völlig verunsichert. Was war denn so wichtig an dieser Sache, dass er so heftig reagierte?

»Erinnere dich!« verlangte Loki herrisch, während sein Blick ihre Gestalt überflog, als suche er nach einem zurückgebliebenem Hinweis ihrer nächtlichen Besucherin.

»Himmel, verdammt…ich weiß nicht…sie sagte irgendwas von einem Licht…sie hat mich „kleines Licht“ genannt…ist das denn wirklich so wichtig?!« fragte sie aufgebracht und machte sich aus seinem Griff los, bevor sie sich unbehaglich die Oberarme rieb.

Loki fuhr sich mit beiden Händen über das angespannte Gesicht, mahnte sich wohl selbst zur Ruhe, bevor er das Buch ein Stück auf dem Tisch drehte, sodass Gwen einen besseren Blick auf die Zeichnung hatte. Der Magier klopfte mit einem schlanken Zeigefinger bedeutsam auf die Frau, die Gwen als ihre Besucherin erkannt hatte. »Oh ja, das ist wichtig, Gwen. Du hast keine blasse Vorstellung davon, wer dich da besucht hat. Das ist Skuld, die Norne der Zukunft.« klärte er Gwen mit erzwungener Ruhe auf.

»Norne…?!« Sie sah ihn verständnislos an. »Ich fürchte, ich verstehe nicht…«

»Die Nornen sind Schicksalsfrauen, weder Götter, noch sterblich. Sie sind etwas anderes, etwas Älteres. Sie weben die Schicksale aller Lebewesen an Yggdrasils Stamm. Ihre Weissagungen sind immer zutreffend. Eine blickt in die Vergangenheit, eine kennt das gegenwärtige Geschehen und Skuld kann die Zukunft sehen. Früher tätigten sie oft Prophezeiungen, doch mit der Zeit sind ihre Besuche rar geworden.« Erneut griff Loki nach Gwens Oberarm, doch dieses Mal war sein Griff beherrschter und wesentlich sanfter. »Verstehst du jetzt, Gwendolyn? Alles, was die Norne gesagt hat, ist wichtig. Alles kann ein Hinweis auf die Zukunft sein und uns eine Richtung geben, womöglich auch im Kampf gegen Malekith.«

Okay…das verstand Gwen wirklich.

Himmel nochmal, sie war fast schon gar nicht mehr überrascht über diese Eröffnung. So langsam wunderte sie hier in Asgard wirklich gar nichts mehr…

Eine Frau, die in die Zukunft sehen kann. Auf der Erde hätte die gute Dame damit sicherlich Millionen verdient.

Gwen holte tief Luft, dann schloss sie die Augen kurz und versuchte sich wirklich an jedes Wort zu erinnern, was die Norne zu ihr gesagt hatte. »Sie sagte, dass ich keine Angst haben sollte, da sie mir nicht schaden will. Und sie nannte mich ihr „Licht“. Sie sagte, dass ich mutig geworden wäre…und hübsch. Irgendwie klang das fast, als würde sie mich kennen. Dann gab sie mir die Kette und meinte, „Dein soll wieder dein werden.“ Und sie sagte irgendwas darüber, dass meine Zeit kommen würde. Das war es auch schon im Großen und Ganzen…« Natürlich hatte die Norne noch viel mehr gesagt, wie Gwen jetzt erschreckend in den Sinn kam, doch sie würde Loki gewiss nicht von diesen Worten erzählen, die zweifelsfrei von ihm gesprochen hatten. Wenn der Magier Recht hatte - und sie zweifelte nicht daran - und die Frau wirklich von der Zukunft sprach, dann musste Gwen diese Weissagung erst einmal für sich selbst sortieren.

"Sein Herz liegt noch in der Umarmung der Finsternis, doch du kennst den Schlüssel zu seinen Fesseln. Du wirst die Schatten vertreiben."

Was sollte das bedeuten? Hatte die Norne von dieser Macht in Gwen gesprochen, die irgendetwas in oder an Loki verändern sollte? Oder hatte die Frau etwas gänzlich anderes gemeint…?

Prima. Da hatte sie sich gerade dazu entschlossen gehabt, sich nicht mehr als nötig weiter mit dem Prinzen zu beschäftigen und prompt machte ihr das Schicksal einen Strich durch die Rechnung. Das war irgendwie nicht fair.

»Mehr nicht?« hakte Loki zweifelnd nach; er musste die Lüge an ihr förmlich riechen.

»Nein…mehr nicht.« versuchte Gwen soviel Festigkeit wie möglich in ihre Stimme zu legen und sah den Magier sicher an.

»Na schön…« Er wirkte unzufrieden, fragte aber nicht weiter nach, obwohl sich seine hohe Stirn in tiefe Falten gelegt hatte; er betrachtete das silberne Amulett in seinen Händen nachdenklich, bevor er rasch ein anderes Buch heranzog und in diesem zu blättern begann. Da er offenbar nicht fand, was er suchte, zog er das nächste zu Rate. »Irgendwo habe ich das schon einmal…hier.«

Der Magier hatte eine Seite aufgeschlagen, auf der als erstes Gwens geheimnisvolles Amulett abgebildet war; eingefasst in einen Kreis die Darstellung der Weltenesche, in deren Krone die schimmernde Flüssigkeit eingebettet lag. Loki schob das Buch so, dass sie beide hineinsehen konnten; aufmerksam studierten sie die Schrift darunter, wobei Gwen sich da eher auf die Übersetzung des Prinzen verlassen musste, da das gesamte Buch in einer alten Runenschrift verfasst war.

»Hier steht, dass dieses Amulett einst einem mächtigen Streiter Asgards gehört haben soll - dem ersten König der Asen; ein Krieger, der durch flinken Verstand und geschickte Taten sein Volk in den Anfängen der Zeit vor allem Übel beschützte und Ordnung in das Chaos brachte.« begann Loki. »Er führte eine Gruppe von Kämpfern an, die seine Hände und Waffen waren. Als Anerkennung für seinen Mut und seine Entschlossenheit überbrachte ihm die Norne Verdandi eines Tages dieses Amulett als Gabe Yggdrasils. Der Legende nach befanden sich darin drei Tropfen von Mimirs Brunnen.« Loki hielt kurz inne, da Gwen ihn verwirrt ansah und er erklärte ihr, dass Mimirs Brunnen eine Quelle für Wissen und Weisheit war. »Ein Tropfen für die Vergangenheit, einer für die Gegenwart und einer für die Zukunft. Wenn der Träger des Amulettes jene trinken würde, so besäße er die Macht, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sehen, ähnlich der Nornen, nur wären seine Visionen nicht so strukturiert und gelenkt.« Der Magier hob erneut die Handfläche, in welcher das silberne Schmuckstück lag; beide blickten sie auf die schimmernde Flüssigkeit in der Krone der Esche.

»Naja, der König scheint offensichtlich keinen Gebrauch von dieser Gabe gemacht zu haben…« fasste Gwen die ersichtliche Tatsache zusammen.

»Das verwundert mich nicht. Meist geht mit solch einer mächtigen Gabe auch ein Opfer einher. Wahrscheinlich fürchtete sich der Ase davor und ließ die Tropfen von Mimirs Brunnen deshalb unangetastet…« erklärte der Magier ungewöhnlich ehrfürchtig; sein Daumen strich über das Metall in seinen Händen, bevor er Gwen die Kette fast widerstrebend zurückreichte. »Hast du jemals etwas Ähnliches besessen? Diese Kette womöglich irgendwo schon einmal gesehen, weil die Norne von dem deinen sprach?« Forschend sah er sie an.

Gwen schüttelte sofort den Kopf, nachdem sie das Schmuckstück eher zögerlich wieder an sich genommen hatte. »Nein. Niemals. Sie gehört mir nicht. Ich weiß wirklich nicht, was die Frau damit meinte…« Nachdenklich, fast furchtsam betrachtete sie das Amulett zwischen ihren Fingern.

Solch große Macht in ihren Händen.

Sie wollte das nicht - wollte die Verantwortung dafür nicht tragen.

Was, wenn sie das Falsche damit anstellte?

»Wenn sie eine so mächtige Gabe besitzt, warum hat die Norne die Kette dann nicht an Odin gegeben? Er könnte doch gewiss mehr mit dieser Macht anfangen als ich! Oder nimm du sie! Ich will sie nicht. Was soll ich denn damit machen…?!« Gwen wollte Loki das Amulett schon zurück in die Hand drücken, doch dieser schüttelte abwehrend den Kopf und nahm die Kette, doch nur um sich vorzubeugen und sie Gwen wieder um den Hals zu legen. Sein unverwechselbarer Duft stieg ihr in die Nase, als er so nah war.

»Wenn die Norne von dem deinen sprach, so ist sie auch für dich bestimmt. Das Schicksal fordert man nicht heraus, Gwendolyn.« Seine warmen, geschmeidigen Fingerspitzen strichen über die empfindliche Haut in ihrem Nacken, als er den Verschluss einhakte. Gwen hoffte, dass er ihre Gänsehaut nicht bemerken würde.

Fast ein wenig zu lang ruhten seine Hände in ihren Nacken, bevor er die Finger wieder zurückzog und Gwen augenblicklich das seltsame Gefühl hatte, dass jene fast neugierig durch die Wellen ihres Haares glitten; nach der Dusche hatte sie diese nicht zusammengebunden und trug sie nun eher untypisch offen. »Wenn der rechte Zeitpunkt gekommen ist, dann wirst du wissen, wofür diese Gabe bestimmt ist. Setzt dich nicht unter Druck. Skuld hätte dir dieses mächtige Geschenk nie anvertraut, wenn sie nicht der Meinung wäre, dass du damit umgehen könntest.« sprach Loki bestimmt und sachlich, während er sich auf seinen Platz zurücksinken ließ. Für ihn war das Thema damit offensichtlich abgehakt.

Gwen strich erneut über das so eigenartig vertraute Amulett auf ihrer Brust, bevor sie die Kette mit einem schweren Seufzen resigniert wieder unter ihrem Hemd verschwinden ließ. »Ich bin da nicht halb so überzeugt davon wie diese Norne…« murmelte sie schwach.

Langsam aber sicher nahm diese ganze Reise Ausmaße an, die Gwen kaum mehr mit ihrem menschlichen Verstand zu erfassen vermochte; sie nahm schon jetzt eine Rolle in dieser Geschichte ein, derer sie sich einfach nicht gewachsen fühlte.

Nicht zum ersten Mal kam Gwen der Gedanke, dass es womöglich besser gewesen wäre, Bills Jobangebot auszuschlagen und stattdessen zur Feier ihrer Eltern zu fahren, wie sie es eigentlich vorgehabt hatte. Dann wäre sie niemals in dieses ganze Chaos geraten, wäre niemals nach Asgard gekommen, hätte niemals Loki getroffen…

»Loki…«

Der Prinz hatte sich wieder seinen Büchern zugewandt, da er das Gespräch offensichtlich als beendet erachtete; wahrscheinlich dachte er, dass Gwen nur wegen der Kette mit ihm hatte reden wollen. »Ja…?« Er wirkte wieder abwesend, blätterte erneut in einem seiner Folianten; die scharfen Züge seines Gesichtes hochkonzentrierte Linien, in denen nur Entschlossenheit und Ehrgeiz lagen.

Gwen streckte in einer intuitiven Geste eine Hand aus und legte jene über die Finger des Prinzen, welche gerade eine weitere Buchseite umfassten; irritiert blinzelte er auf ihre Hand hinab, bevor er Gwen endlich doch wieder ansah. Diese so magischen, grünen Augen lagen abwartend auf ihr und Gwen fühlte augenblicklich einen Kloß im Hals, neben diesem heißen Prickeln, das langsam von ihren Füßen höher kroch. »Ähm…das war nicht alles, worüber ich mit dir reden wollte…« begann sie unsicher und räusperte sich, um ihre dämliche Verlegenheit herab zu schlucken. »Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Für meine ziemlich heftigen und nicht ganz gerechtfertigten Worte neulich…«

Fragend hob er eine Braue; schien ihre beschämte Bedrängnis zu genießen, auch wenn nichts in seinem beherrschten Gesicht darauf hindeutete. Doch Gwen kannte ihn nun schon so weit, dass sie zumindest ab und an wusste, was in ihm vorging - und das er diese Situation mit sehr sicherer Gewissheit auskostete.

»…wegen Hel. Ich hätte dich nicht so anfahren dürfen. Das tut mir wirklich leid. Ich hätte dir vertrauen sollen, wie du es verlangt hast.« Gwen bemerkte, dass ihre Hand noch immer über Lokis lag und zog diese fast ein wenig zu hastig zurück, um ihre Finger dann im Schoß unbewusst miteinander zu verschlingen. Sie konnte ihn augenblicklich nicht mehr ansehen, sondern senkte den Blick auf ihre Hände. So war es zumindest leichter zu sprechen. »Ich stand völlig neben mir, Loki. Ich glaube, ich stehe die ganze Zeit schon neben mir, seitdem ich Asgard betreten habe. Das ist alles so…so verrückt. Ich weiß oft nicht, ob ich träume oder gerade wach bin, verstehst du? Ich habe überreagiert und das ist mir jetzt auch klar geworden…« Unruhig schob sie sich eine Strähne hinters Ohr. »Du hattest vollkommen recht mit allem, was du gesagt hast. Ich habe das Risiko völlig unterschätzt. Du hast die ganze Verantwortung deines Planes allein getragen, die ganzen Gefahren auf deine Schultern geladen. Und mir fiel nichts Besseres ein, als dich dafür zu beschimpfen. Ich schäme mich wirklich dafür…und entschuldige mich in aller Form bei dir, dass ich so dämlich reagiert habe. Ich möchte dir wirklich vertrauen.« Vorsichtig sah sie wieder auf und begegnete seinem Blick, der noch immer so kühl und starr war wie zuvor. Der Magier schien sich gar nicht bewegt zu haben. »Weißt du, es wäre echt hilfreich, wenn du zumindest ab und an irgendeine Reaktion zeigen könntest, damit man weiß, was du denkst…« nuschelte Gwen in dem halbherzigen Versuch eines Scherzes, um die Situation aufzulockern.

Und tatsächlich erreichte Lokis Augen nun ein belustigtes Glimmen, bevor er etwas tat, womit sie niemals gerechnet hätte - er wandte sich ihr gänzlich zu, streckte eine Hand aus und fing ihr Kinn zwischen seinen grazilen Fingern, bevor er sich zu ihr lehnte und ihr wieder so nah kam, dass sein Duft sich in ihren Verstand hämmerte; genau wie seine Augen erneut ihr gesamtes Gesichtsfeld einzunehmen drohten. »Bedeutet das jetzt, dass ich keine Wiedergutmachung zu leisten habe?« raunte er samtig und sein Blick glitt hinab zu ihren Lippen, während er die eigenen in einer höllisch sinnlichen Geste mit der Zungenspitze befeuchtete.

»Ähhhh…« Gwens Verstand schien sich in diesem Moment geradewegs flatternd hinaus in den Palastgarten zu verabschieden, während sie nichts anderes tun konnte, als ihn ziemlich dämlich anzustarren. Ihr wollte keine geistreiche Erwiderung auf seine Frage einfallen, mit der er sie völlig unerwartet überrumpelt hatte; ihre Gedanken waren ein rasendes Chaos, in dessen Zentrum der Wunsch stand, seine Lippen wieder auf ihren zu fühlen. »Naja…die…kannst du ja trotzdem leisten…« war das Einzige, was sie schwach über ihre zitternden Lippen brachte, da Lokis Daumen gerade versonnen über ihr Kinn strich.

Die Belustigung im Blick des Magiers wurde plötzlich von Schmerz abgelöst - Schatten gleich huschte Pein über die Züge seines Gesichtes, grub sich tief in jede Linie ein; er zog die Brauen herunter und verengte die Augen, während sich seine Kieferknochen aufbegehrend gegen die blasse Haut seiner Wange drückten und er die Finger von ihr zurückzog, um sich mit einer Hand auf der Bank abzustützen und die andere in einer harschen Geste über seine Tunika zu reiben.

Augenblicklich verschwand jede Erregung aus Gwens Knochen und machte eiskalter Sorge Platz; sie streckte die Hände aus, um den Magier zu stützen, auf dessen blasser Stirn sich angestrengte Schweißperlen gebildet hatten. Angst um ihn nahm sie übermächtig ein. »Loki…was ist los? Was hast du?« wisperte sie erschrocken, während er die verkrampften Finger über seiner Brust in das Leder krallte. »Soll ich Hilfe holen…?«

Gwen wollte schon aufspringen, doch er hielt sie mit einem bestimmten Griff an der Schulter und drückte sie auf ihren Platz zurück. »Nein…nicht nötig…« presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »…gleich vorbei…«

Er ließ sich mit dem Rücken gegen die gepolsterte Lehne fallen und sog die Luft geräuschvoll und hastig durch die Nase ein, die Augen geschlossen, während seine Haut noch blasser zu werden schien; kalter Schweiß perlte ihm auf den spitzen Wangenknochen. Seine Hände krallten sich beständig in das Material über seiner Brust, während sein ganzer Körper schrecklich angespannt war.

Gwen fühlte sich elend, als sie so tatenlos zusehen musste, wie er litt. Sie wollte ihm helfen, wusste aber nicht wie und gegen seinen Willen jemanden rufen wollte sie auch nicht; sie wusste, dass es ihm wahrscheinlich nicht recht wäre, so von irgendjemanden gesehen zu werden.

Plötzlich kam ihr ein furchtbarer Gedanke…

Das Bild von Hels Händen blitzte in ihrer Erinnerung auf; sie sah erneut, wie die Göttin des Todes ihre bleichen, knochigen Finger in das Fleisch unter der Rüstung des Magiers grub.

Langsam schien sich der Prinz wirklich zu beruhigen und wieder zu entspannen; obwohl sich seine Brust noch immer unter schweren Atemzügen hob und senkte, so lösten sich seine verkrampften Finger nun endlich aus dem Leder und fielen kraftlos zu beiden Seiten herab auf die Bank. Die Augen hielt er geschlossen; Gwen ahnte seine Beschämung über diesen Anflug von Schwäche bereits, welche er sich einfach ungern eingestand.

Äußerst besorgt und mit einer schrecklichen Ahnung in der Brust schob sie sich über die Bank zu ihm hinüber und streckte die Hände aus, um damit zu beginnen die Verschnürung seiner Tunika zu öffnen. Sofort riss Loki die Augen auf und hielt ihre Finger ruckartig mit seinen Händen auf, die ihre Handgelenke in einem festen Griff umfingen.

»Was tust du da…?« krächzte seine raue Stimme angespannt, ein Hauch von Bedrängnis in seinen blassen Zügen.

»Ich will wissen, was mit dir los ist.« erwiderte sie entschlossen und versuchte ihre Hände aus seinem stahlharten Griff zu lösen, doch vergeblich. »Ich will wissen, was du da versteckst.«

Er sah fast vernichtend auf sie herab, versuchte sie durch seinen bohrenden, drohenden Blick zu verschrecken. »Das willst du nicht…« knurrte er schon fast - ein verwundetes, wildes Tier, welches nach der helfenden Hand schnappte, doch seine Schwäche ließ sich damit nicht überdecken. Er zitterte noch immer unter den Nachwirkungen seiner Schmerzen.

»Oh doch, das will ich.« konterte Gwen entschieden und riss ihre Hände nun ungestüm aus seiner Umklammerung los. Dann schwang sie sich über ihn und ließ sich rittlings auf seinem Schoß nieder, damit sie ihn an Ort und Stelle halten konnte, so er sich wieder starrköpfig zeigen sollte.

Dass man diesen Mann auch immer zu seinem Glück und Wohl zwingen musste…

Loki starrte völlig überrumpelt zu ihr auf, schien dann jedoch zu entscheiden, dass es sinnlos wäre zu streiten. Vielleicht war er auch einfach zu erschöpft dazu. Seine Arme sanken neben ihren Schenkeln wieder herab. »Mach, was du willst…« erwiderte er beinahe gleichgültig und ergab sich in ihre Hände.

Gwen widmete sich erneut den Schnüren seiner ledernen Tunika, die sie mit einigen Handgriffen geöffnet hatte; sachte schob sie das dunkle, edle Material beiseite, um an die Knöpfe seines Hemdes zu gelangen, die sie dann mit äußerster Vorsicht langsam öffnete.

Unter anderen Umständen wäre ihr wahrscheinlich das Blut in die Wangen gestiegen, da sie so langsam seine blasse, glatte Brust enthüllte, doch nun zitterten ihre Fingern nicht aus Begehren, als sie nach und nach jeden Knopf öffnete. Allein die Sorge und Angst um Loki beherrschten Gwen.

Sanft schob sie den geöffneten Stoff über seiner Brust auseinander und zog erschrocken die Luft in einem Zischen ein, als sie das ganze Ausmaß der Zerstörung von Hels Berührung erblickte. »Oh Gott…Loki…« wisperte sie bestürzt.

Augenblicklich schämte sie sich ein weiteres Mal.

Da hatte sie sich lächerlicher und absolut kindischer Eifersucht gegenüber der Göttin des Todes hingegeben, während Loki bewusst solche Qualen auf sich genommen hatte; während sie sich Gedanken über diesen Kuss gemacht hatte, war Loki das Risiko seines Unterfangens völlig bewusst gewesen.

Sie hatte sich absolut unreif verhalten, wofür sie sich jetzt am liebsten selbst geohrfeigt hätte, als der Stoff die Wunden des Magiers enthüllte.

Die Male von Hels Fingern hatten sich wie unselige, finstere Zeichen in Lokis Fleisch gefressen; davon ausgehend zogen sich dunkle, verderbte Linien über seine blasse Haut wie Spinnweben, die langsam aber sicher irgendwann seinen ganzen Körper umhüllen würden, wenn man dem nicht Einhalt gebot. »Was ist das…? Warum…warum heilt das nicht? Warum hast du das niemanden gezeigt? Du musst sofort in eine Heilkammer…« flüsterte Gwen atemlos; aus Angst ihm weh zu tun wagte sie die dunklen Male nicht einmal wirklich zu berühren, die fast wie groteske Adern unter seiner Haut pulsierten - gräuliche, abartige Verderbnis, die sich in seinem Körper ausbreitete. Gwens Finger klammerten sich haltsuchend an den Stoff seines Hemdes.

Loki griff nach ihren Händen und öffnete die Augen wieder, um sie anzusehen. »Das kann keine Heilkammer der Welt kurieren. Hels Gift ist ziemlich wirksam und äußerst effizient.« stieß er in einem kraftlosen Raunen aus, der Versuch eines spöttischen Grinsens lag auf seinen Lippen. »Man stirbt nicht davon, aber es verdirbt einen von außen nach innen. Höllische Schmerzen, ein Leben lang. Meine Magie könnte es vielleicht eindämmen, aber…« Er brach ab und hob bedeutsam die Handgelenke, an denen wieder die leise klirrenden Fesseln lagen.

»Warum hast du es Thor nicht gesagt? Er hätte dir die Fesseln doch abgenommen, wenn er das gesehen hätte!« fuhr Gwen ihn verständnislos an und deutete beinahe anklagend auf die dunklen Male auf seiner Brust.

Und noch während sie das aussprach, dämmerte ihr die Erkenntnis - er hatte es bewusst verschwiegen. Er wollte gar keine Hilfe. Er wollte leiden und nahm diese Schmerzen bewusst auf sich.

In seinen Augen sah sie die Wahrheit über diese Gewissheit; die schreckliche, zerstörerische Wahrheit, die selbst sein halbherziges, überhebliches Grinsen nicht verdecken konnte, welches jetzt seine Lippen teilte. »Ich bin auf niemandes Hilfe angewiesen.« Er trug die Pein hoch erhobenen Hauptes wie ein Banner unter der Herrschaft des Hochmutes.

Loki wollte sich bestrafen. Er hätte es niemals zugegeben, doch er wollte büßen, auch wenn Gwen nicht klar war, für was er diese Selbstgeißelung auf sich nahm. Noch dazu stand ihm einmal mehr sein Sturkopf im Weg, genau wie sein dämlicher Stolz.

»Du dämlicher Idiot…« stieß sie wütend aus; wusste nicht einmal, worauf sie wirklich wütend war. Vielleicht auf ihn und sein selbstzerstörerisches Wesen oder darauf, dass sie nur zu genau wusste, wie es in ihm aussah. Auch durch ihre Vergangenheit zogen sich Narben, von denen sie sich einige bewusst selbst zugefügt hatte... »Vergiss es, dass ich dich weiter leiden lasse! Ich werde nicht dabei zusehen, wie du dich quälst. Deine Schmerzen werden niemandem helfen und niemandem imponieren. Dir selbst schon gar nicht. Außerdem kannst du Asgard in diesem Zustand wohl kaum unterstützen.« eröffnete sie ihm bestimmt und zornig; drückte ihre Hände dann entschlossen auf seine Brust über Hels Malen nieder.

Loki hob fast erstaunt eine Braue und senkte den Blick auf ihre Hände; er wirkte irritiert, verwirrt. »Was hast du vor…?« fragte er ungewohnt unsicher, obwohl er es gewiss bereits ahnte.

»Zu irgendetwas muss diese Kraft in mir ja gut sein…« erklärte Gwen ihm entschieden, während sie versuchte sich zu sammeln und eben genau jene Macht verbissen in sich heraufzubeschwören. »Ich will versuchen dich zu heilen, du Trottel.« murmelte sie bissig und sah ihn scharf an, damit er bloß nicht auf die Idee kam, ihr das ausreden zu wollen.

Natürlich tat er es trotzdem. Seine sonst so seidige Stimme war ein raues Wispern. »Verschwende deine Kraft ni-«

Gwen unterbrach ihn herrisch, indem sie warnend einen Zeigefinger hob. »Du wirst diesen Satz jetzt nicht zu Ende sprechen, Loki Laufeyson, sonst vergesse ich mich wahrscheinlich und werde heute noch einen Prinzen ohrfeigen. Hier ist überhaupt nichts verschwendet!« Wie konnte er nur so von sich reden?

Seine Lippen teilten sich zu einem breiten und unheimlich selbstgerechten Grinsen; ihn schien das Ganze auf einmal ja köstlich zu amüsieren. Aber immerhin schwieg er.

Sie war wirklich kurz davor, ihm eine Ohrfeige zu verpassen, ungeachtet der Tatsache, dass sie damit die Hand gegen einen Prinzen Asgards erhoben hätte; seine trotzige, arrogante Art machte sie unglaublich wütend.

Um sich zu beruhigen holte sie tief Luft und senkte den Blick wieder konzentriert auf ihre Hände, die auf seiner Brust lagen.

Allerdings wollte die Kraft in ihr sich nun gerade in diesem Augenblick nicht zeigen; egal, wie sehr Gwen an ihr Innerstes appellierte und sich gedanklich die Heilung vorzustellen versuchte, das seltsame Licht blieb fern. Nichts passierte.

»Verflucht…das darf doch nicht wahr sein?!« stöhnte sie frustriert und starrte ihre Hände wütend an, die nicht das machen wollten, was sie ihnen befahl. »Da habe ich nun schon diese seltsame Macht und dann kann ich sie noch nicht einmal bewusst steuern…verdammter Mist…wofür soll sie denn dann gut sein?!«

»Du bist viel zu angespannt. Viel zu nervös. Viel zu aufgewühlt und versuchst diese Kraft durch Gewalt zu erzwingen…« belehrte sie der Magier unnötigerweise und sah mit einem schwachen Schmunzeln zu ihr auf. Zumindest schien er sich immerhin damit abzufinden, dass sie ihm helfen wollte. »So wird das nicht funktionieren.«

Gwen hasste es wirklich, dass er ständig Recht haben musste…

»Hast nicht gerade du gesagt, dass Emotionen der Schlüssel wären!?« fauchte sie ihn unzufrieden an. »Wenn ich nicht gerade voller Emotionen bin, dann weiß ich auch nicht…«

Loki lachte leise und kratzend; ein sanftes Vibrieren seiner Brust unter ihren Händen. »Emotionen sind der Schlüssel, ja. Aber die Richtigen, nicht die Falschen. Du bist im Moment voll mit Ehrgeiz und Verbissenheit; diese harten Emotionen bilden einen Kontrast zu dieser Energie in dir, die sanft und leicht ist.« Er hob seine Hände wieder an und führte sie zu ihrem Gesicht, ließ sie jedoch über ihren Schläfen zu beiden Seiten ihres Kopfes schweben, ohne sie zu berühren. »Wenn du das wirklich willst, soll ich dir dann helfen…?« raunte er überraschend rücksichtsvoll und sah fragend zu ihr auf; der Anflug von Unsicherheit in seinen schönen Augen.

»Natürlich will ich das!« erwiderte sie heftig, bevor sie sich sammelte und ruhiger anfügte: »Ich will dir helfen, Loki. Bitte hilf du mir dabei.«

Der Magier nickte und bettete die Hände dann einem sanften Windhauch gleich auf beiden Seiten ihres Kopfes; seine Finger gespreizt, sodass seine Daumen auf ihren Wangen ruhten, seine Zeigefinger auf ihrer Stirn. »Du musst ruhig werden. Konzentriere dich. Sammle dich und deine Gedanken. Atme gleichmäßig und schließe die Augen.« wisperte er beschwörend und Gwen folgte seinen Anweisungen.

Sie atmete konzentriert durch Nase und Mund und versuchte sich zu entspannen, wie Loki es ihr angewiesen hatte.

»Nicht erschrecken…« Der Magier bewegte sich unter ihr und plötzlich spürte sie unvermittelt die weichen Linien seines Mundes auf ihren Lippen; überrascht folgte sie dem ersten Impuls und riss ihre Augen auf, doch dann ließ sie sich in diese sanfte Berührung fallen und senkte die Lider.

Ihre Anspannung ließ seltsamerweise nach und augenblicklich wallten diese Gefühle für den Magier in ihr auf, die sie bisher recht erfolgreich zurückgedrängt hatte; die Zuneigung zu ihm schwappte wie eine warme Woge durch ihren Leib, während ihre Sorgen um ihn den kühlen, beständigen Felsen als Gegensatz dazu bildeten.

Loki tat nichts anderes, als seine Lippen weich auf ihre zu drücken und doch rückte beständig alles in den Hintergrund, was nicht mit ihm zu tun hatte; Ängste, Anspannung, Frustration - alles weggespült durch das Gefühl seines Mundes, seinen Duft, seine Nähe...

Flatternd öffnete Gwen die Lider und Loki zog sich von ihr zurück, um recht selbstzufrieden auf ihre Hände hinabzublicken, die in ihrem sanften, milden Licht nun auf seiner Brust glühten. »Die richtigen Emotionen…« erklärte er mit einem schmalen, süffisanten Grinsen und sie brachte es in diesem Moment nicht einmal fertig, über seine hochmütige Art empört oder wütend zu sein. Immerhin zählte das Ergebnis.

»Hab ich dir schon mal gesagt, dass du ein scheußlicher Besserwisser bist…?« wisperte Gwen heiser.

»Das ein oder andere Mal bestimmt.« Der Prinz ließ sich schmunzelnd zurücksinken und schloss die Augen, während Gwen ihre Hände in sanften Berührungen über seine Brust führte, wie sie es damals bei Sleipnir getan hatte; sie hoffte einfach, dass es funktionieren würde - sie wollte Loki unbedingt helfen. Ihn leiden zu sehen machte sie selbst krank.

Und tatsächlich zogen sich die schwärzlichen Linien auf seiner Haut zurück; langsam, doch beständig krochen sie wieder in jene Male, die Hels Finger hinterlassen hatten. Loki seufzte gelöst unter Gwens warmer Berührung auf und entspannte sich zusehends unter ihren Händen, während sie faszinierend und zufrieden zugleich beobachtete, wie der Schatten des Todes gänzlich von Lokis Haut verschwand.

Ihre Knochen strahlten inzwischen wieder hell unter ihrer Haut; das Leuchten zog sich ihre Arme hinauf und verschwand unter den Ärmeln ihres Hemdes, doch Gwen wusste, dass inzwischen wahrscheinlich ihre gesamte Gestalt wieder in Flammen stand.

Sie konnte diese prickelnde Macht fühlen, die heiß und mächtig durch ihre Adern glitt; ein noch kontrolliertes Feuer, welches kurz vor dem Ausbruch stand - nicht viel und sie konnte von diesen gleißenden Flammen auch verschlungen werden.

Es war das Spiel mit dem sprichwörtlichen Feuer; Gwen fühlte, dass die Macht in ihr zu groß für sie war - ähnliches eines Tigers im Käfig strich diese Energie in ihr umher, lauernd an den Stäben ihres Gefängnisses, welche im Moment noch Gwens Körper bildete. Doch wie lange würde sich diese Macht von ihrem Körper bändigen lassen…?

Erschöpft sackte sie auf Lokis Schoß zusammen, nachdem sie die Hände von seiner Haut zurückgezogen hatte und jene nun auf dem Stoff seines Hemdes ruhten.

Sie hatte es geschafft. Sie hatte es tatsächlich geschafft!

Die Brust des Magiers lag makellos und glatt vor ihr, kein einziger Schatten von Verderbnis war mehr zu sehen. Zufrieden und erleichtert stieß sie die Luft aus, die sie unbewusst die ganze Zeit angehalten hatte, während der Prinz seine Augen wieder öffnete und auf seine geheilte Brust hinabsah. Dann sah er zu ihr auf, ein seltsames Glimmen in seinen Augen. »Warum hast du das gemacht, Gwendolyn?« fragte er sie ruhig und sie wusste im ersten Moment gar nicht, was er meinte. »Warum hast du mich geheilt?«

Was sollte denn das für eine dämliche Frage sein…

»Bestimmt nicht, weil du so ein netter, rücksichtsvoller und bescheidener Kerl bist…« murmelte sie in einem halbherzigen Scherz und registrierte das verhaltene Zucken von Lokis Mundwinkel, bevor sie die Schultern unbeholfen anhob. »Warum denn nicht? Wolltest du etwa weiter mit diesen Schmerzen leben?« Das Licht zog sich langsam wieder in ihre Knochen zurück und hinterließ einen warmen, angenehmen Nachhall in ihren Gliedern.

»…und warum hast du dich vor Hel gestellt und mich in einer deiner unbedachten und äußerst leichtsinnigen Handlungen schon wieder beschützt?« hakte Loki bestimmt nach und ließ sie nicht aus dem Blick seiner grünen Augen, als müsste er auf jede Reaktion an ihr achten.

Gwen zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Hatte sie wirklich geglaubt, dass er das vergessen hätte?

Dieser Mann bohrte schon wieder in geheimen Schubfächern ihres Wesens, in die sie die verräterische Zuneigung für den Magier hektisch gestopft und versteckt hatte - wie ein Tagebuch, was man vor neugierigen Augen verbergen wollte.

»Keine Ahnung…Kurzschlussreaktion?!«

Seine Brauen hoben sich unzufrieden in die Höhe; seine Augen waren viel zu wissend für ihren Geschmack.

»Ja, schön…okay…vielleicht bist du mir ja auch irgendwie wichtig geworden.« lenkte sie widerstrebend unter seinem bohrenden Blick ein. »Himmel, ich mag dich halt, da ist es doch selbstverständlich, dass ich dich nicht leiden sehen will…« beantwortete sie seine Frage, bevor ihr zu spät auffiel, dass sie vielleicht ein wenig zu viel gesagt hatte.

Leider entsprachen diese Worte auch noch der Wahrheit und sie konnte sich nicht einmal damit trösten, ihm nur eine besonders gute Lüge aufgetischt zuhaben…

Augenblicklich veränderte sich die Stimmung zwischen ihnen - wo zuvor Gwens Sorge und Lokis Leid beherrschend gewesen waren, wurde sie sich nun mit erschreckender Deutlichkeit wieder bewusst, wie nah sie dem Magier war. Die Luft schien dichter zu werden, heißer, schwerer.

Sie schluckte, als sie in Lokis Augen die gleich Erkenntnis erwachen sah; ein schwelendes Feuer erwachte zwischen ihnen, ihr unsichtbares Band schlang sich träge um ihre Körper und ließ sie näher zusammenrücken. Eine von Lokis Händen strich über ihren Schenkel.

Seine Hüfte ruhte zwischen ihren Beinen, da sie noch immer auf seinem Schoß saß; ihre Hände lagen auf seinem Hemd, unweit der köstlich entblößten Haut - nur eine kleine Regung und ihre Finger könnten über seine Brust streifen; über dieses makellos verführerische Stück seines Körpers.

Unbewusst senkte sie den Kopf zu ihm herab, während sie das Gefühl hatte, dass er ihr beständig entgegenkam.

»Nicht selbstverständlich…« raunte der Magier auf seltsam heisere Weise, bevor er eine Hand ausstreckte, um diese in Gwens Nacken zu betten und sie so weiter sanft zu sich herabzuziehen; sie wehrte sich nicht, kam ihm bereitwillig entgegen, als ihre Lippen sich in einem unsicheren Streifen trafen.

Einen Augenblick sahen sie sich in die Augen; tauschten einen langen Blick, in welchem sicher tausende Fragen standen, die keiner von ihnen jetzt beantworten wollte, bevor Gwen die Augen schloss und ihre Unsicherheit und Bedenken sehr schnell vergaß.

Sie wusste augenblicklich, dass dieser Kuss anders war, als jene, die sie zuvor getauscht hatten; er war intensiver, inniger, nicht durch Zögern behaftet. Irgendetwas zwischen ihnen schien sich geändert zu haben.

Ihre Lippen trafen sich zuerst warm und weich, während Gwen ihre Hände in den Stoff von Lokis Hemd krallte. Ihr Herz beschleunigte sofort seine Arbeit und ihre Venen erwärmten sich unter seinen Berührungen; die Finger des Magiers strichen über ihren Nacken, glitten in ihre Haare und ließen sie verzückt seufzen, während seine andere Hand auf ihrem Schenkel höher glitt und ihre Hüfte umfasste, sie näher an den schlanken, großen Körper zog.

Schnell wurde der Kuss ungestümer und Gwen stöhnte verhalten auf, als sie plötzlich Lokis feuchte Zungenspitze verspürte, die gegen ihre Lippen stieß; sie ließ ihn gewähren, öffnete sich einladend für den Prinzen, der keinen Moment zögerte und seine Zunge erobernd in ihren Mund schob.

Flammende Begierde erwachte in Gwens Unterleib, während sie ihre Zunge gegen die des Magiers drängte und sein verstohlenes Keuchen genoss, was ihre Finger ihm entlockten, die eben auf seiner Brust nach oben gewandert waren, um sich in seine Haare zu graben.

Silberzunge. Oh Himmel…ja, allerdings.

Gwen bekam nun einen Eindruck davon, warum Loki diesen Beinamen trug. Er konnte Dinge allein mit seiner Zunge anstellen, die andere nicht einmal mit den Händen vollbracht hatten und die Gwen die heiße Röte von Lust in die Wangen trieben.

Sie wollte sich nicht mehr zügeln, wollte alles an diesem Mann erforschen und berühren; eine ihrer Hände glitt unter die geöffneten Aufschläge seines Hemdes - mit glühender Neugier strichen ihre Finger über seine warme, glatte Haut, eroberten jedes Stück seiner perfekten Gestalt, die sie finden konnten, während ihre andere Hand in Lokis Haaren den Magier verlangend noch näher zu sich zog, um ihren Kuss noch inniger zu gestalten.

Ihre Zungen umkreisten sich wie zwei Gegner auf dem Schlachtfeld, während jeder gelandete Treffer mit einem Keuchen oder unterdrückten Stöhnen belohnt wurde; Gwen fühlte das köstliche Vibrieren von Lokis Brust unter ihrer Hand bei jedem rauen Laut, welchen er in ihren Mund hauchte.

Sie wollte ihn.

Hier und jetzt.

Es war ihr egal, dass sie sich im Garten des Palastes befanden und jederzeit jemand kommen könnte…

Sie hatte das Gefühl sterben zu müssen, wenn Loki sie jetzt wieder verlassen würde.

Gwen hatte Männer gehabt, hatte Männer begehrt und Männer geliebt, doch kein Gefühl konnte sich mit dieser verzehrenden Sehnsucht messen, welche jetzt durch ihren Körper zog und sie schwach werden ließ; jede Begierde, die sie je empfunden hatte war ein lauer Sommerwind gegen den Orkan, der jetzt in Form von Loki über sie hereinbrach.

Alles war ihr plötzlich egal, außer dem Mann, der sie gerade mit solcher Leidenschaft küsste, dass Gwen ganz schwindelig wurde und sie augenblicklich froh war, dass sie auf seinem Schoß saß. Ihre Beine hätten sie niemals getragen.

Zum Glück hatte der Allvater nun auf die Bewachung des Prinzen verzichtet, sonst hätte dieser Moment durchaus peinlich enden können…

Gwen löste ihre Hand aus Lokis dunklen Rabenhaar, nur um nun beide Hände begehrlich unter den Stoff seines Hemdes zu schieben und seine Brust, seine Schultern, alles zu berühren, was sie erreichen konnte. Sie drängte den Stoff fahrig und ungeduldig beiseite, dann löste sie ihre Lippen von seinen, um eine feuchte Spur über sein Kinn zu ziehen und die Seite seines Halses zu erreichen, die sie mit Zunge und Zähnen in Beschlag nahm.

Loki ließ sich zurückfallen und reckte das Kinn in einem sinnlichen Bogen; gewährte ihr damit alle Freiheiten, die sie benötigte - sie wollte ihn verführen, ihn zu dem ihren machen, ihn nie wieder gehen lassen…

Ihr Unterleib rieb sich instinktiv an seinem; sie presste sich auf seine Hüfte herab und registrierte in weiblichem Triumph seine erwachte Erregung. Etwas sehr männliches und hartes stieß dort gegen ihren Leib, verursachte ihr ein elektrisierendes Prickeln zwischen den Schenkeln, ein begehrliches Ziehen in ihrer Mitte.

Er wollte sie also auch.

Nichts mehr mit kühler Fassade und Zurückhaltung; sein Körper verriet ihn.

Sie hätte nie gedacht, dass sie jemals einen Mann so sehr wollen könnte, dass sie alles um sich herum vergaß - doch Loki schien all ihre Gesetze und Regeln völlig auf den Kopf zu stellen.

Der Magier hob sein Becken an, kam ihr bereitwillig entgegen, während seine Hand in ihrem Nacken immer wieder durch ihre offenen Haare glitt, die sich einer feurigen Woge gleich über seine blasse Brust ergossen; seine Finger verursachten ihre ein kribbelnde Gänsehaut, die sich erregend über ihre Kopfhaut und ihren Rücken zog.

Ihre Lippen fanden sein Ohr, ihre Zunge strich genießerisch über diese köstlich verlockende Wölbung, was den Prinzen einen rauen, sinnlichen Laut ausstoßen ließ, bevor er das Gesicht drehte und ihre Lippen wieder auf seine zog.

Heftig stieß seine Zunge in ihren Mund, brandmarkte, kennzeichnete sie, während Lokis Hand auf ihrer Hüfte sich unter den Saum ihres Hemdes schob und ihre erhitzte Haut darunter ertastete.

Seine Finger glitten über ihren Rücken, höher und höher unter dem Stoff, bevor sie sich nach vorn schoben und die Seite ihrer Brust streiften; nur eine flüchtige Berührung, die Gwen völlig in Flammen stehen ließ. Sie trug keinen BH und wünschte sich sofort, dass sich diese langen, eleganten Finger über ihre Brust spannen würden, um sie besitzergreifend zu erobern.

Gwen wollte diese schlanken, heißen Hände überall auf ihrem Körper spüren; wollte von ihnen in Besitz genommen werden, die feurigen Spuren genießen, die Lokis Finger überall auf ihrer Haut hinterließen.

Wieder drückte sie sich auffordernd, ungeduldig gegen seinen Unterleib, trieb seine Zunge zu leidenschaftlichen Stößen an, während ihre Finger über seine Brust tiefer glitten; ihre Hände ertasteten die straffen Muskeln seines Bauches, den Rand seiner Hose. Sie seufzte verzückt an seinen Lippen auf, als sie den feinen Hauch von Haar wahrnahm, der sich lockend von seinem Bauchnabel tiefer unter den Stoff zog.

Alles, was zwischen ihnen gewesen war - jede Meinungsverschiedenheit, jeder Wortwechsel, jeder flammende Blick, jedes Erlebnis, das sie geteilt hatten - schien sich in diesem Augenblick zu entladen, als hätte sich all das zwischen ihnen nur für diesen einen Augenblick jetzt aufgestaut.

Der Magier überrumpelte Gwen, indem er sie plötzlich mit einem Arm umfasste und sich dann mit ihr drehte, sodass sie sich unversehens unter ihm wieder fand, das Polster der Bank im Rücken. Sie gab einen erstickten, überraschten Laut von sich wegen des plötzlichen Positionswechsels.

Loki erhob sich über ihr wie der dunkle Gott, der er war, drängte sich zwischen ihre Beine, die sie bereitwillig für ihn öffnete und nagelte ihre Arme neben ihrem Kopf mit seinen Händen fest. Wie ein hungriger Wolf sah er auf sie herab, während sie sich ihm verlangend entgegen wölbte; Scham oder Zurückhaltung war ihr augenblicklich fremd, ihre Brustwarzen rieben sich hart am Stoff ihres Hemdes und zeigten ihm so ihre Erregung.

Sie sah fast flehend zu ihm hinauf, befeuchtete sich die geschwollenen Lippen und drängte ihren Unterleib wieder gegen den seinen, was ihm ein verhaltenes, raues Stöhnen entlockte. Er schloss kurz die Augen, nur um sie dann wieder zu öffnen und mit solchem Feuer in seinen grünen Augen auf sie herabzublicken, dass Gwen augenblicklich das Gefühl hatte, darin zu verbrennen.

»Loki…« wisperte sie heiser, flehend, sehnsüchtig. »Bitte…«

Er beugte sich weiter über sie, drückte seine harte Männlichkeit gegen ihre Mitte und ließ sie damit bebend nach Atem schöpfen. Ihre Hände wehrten sich gegen seinen Griff; sie wollte ihn berühren, ihn auf sich herabziehen, diese lästigen Stofflagen endlich entfernen, ihn anfassen, um sich zu versichern, dass dies alles kein Traum war.

Sein Gesicht schwebte über ihr, seine Begierde nur mühsam beherrscht; Gwen konnte das Verlangen in seinen Augen sehen, die einmal mehr das Tor zu seiner Seele bildeten - einer Seele, die gleißend hell brannte. »Willst du mich…?« wisperte er fast angespannt auf sie herab; die Seide seiner Stimme angeraut durch das Timbre von gebändigter Leidenschaft.

»…ja…« stieß Gwen atemlos aus und versuchte sich erneut gegen seinen Griff zu stemmen, um an seine Lippen zu gelangen, die er ihr so durchtrieben vorenthielt. Sie wandte sich unter ihm, rieb ihren Körper an seinem, doch er hatte sich einmal mehr unter brüchiger Kontrolle, während die Maske seiner Beherrschung deutlich verrutscht war. Verlangen flackerte immer wieder verstohlen unter dem Eis hervor.

Seine sonst so streng zurückgekämmten Haare lagen nun zerwühlt durch ihre Finger, seine schmalen, unerbittlichen Lippen waren feucht durch ihre Küsse, sein akkurates Hemd hing ihm halb über die Schultern und entblößte seine delikate Haut, während sein Atem deutlich beschleunigt seine glatte Brust beben ließ - all das hatte sie vollbracht; sie hatte ihm die Kontrolle genommen.

»Sag es!« verlangte er rau, heiser, sinnlich, fast verzweifelt. Wieder trieb er seine Hüfte gegen ihren Unterleib, was Gwen die Lippe zwischen die Zähne ziehen ließ, um nicht laut aufzuseufzen.

»Ich will dich, Loki…« hauchte sie dann erstickt. »Gott, ich will dich so sehr…« Sie war sich sogar fast sicher, dass sie in ihrem ganzen Leben nur noch ihn wollen würde; kein anderer Mann würde sie jemals so in Flammen stehen lassen wie der Magier es tat.

Unter ihren Worten bröckelte der Rest seiner Maske; enthemmte Leidenschaft kam zum Vorschein, nahm seine Züge, seine Augen, sein ganzes Wesen ein, als er sich hungrig auf sie stürzte und ihre Lippen erneut mit seinen verschloss.
 


 

Es passierte schon wieder.

Er verlor die Kontrolle.

Und diesmal so haltlos und vollständig, dass er sich nicht sicher war, ob er jemals wieder in seine Selbstbeherrschung zurückfinden könnte…

Dabei hatte der Tag doch so vielversprechend begonnen.

Welcher Triumph war es gewesen, vor dem Rat und dem Allvater zu stehen und das stumme Flehen in den Gesichtern alter Männer zu erblicken, die sich keinen Rat mehr wussten.

Wie befriedigend, wie amüsant war es gewesen, ihnen das Offenkundige darzulegen, während sie noch den Täuschungen Malekiths hinterhergejagt waren wie kleine Kinder den Illusionen eines Magiers, der einen bunten Schmetterling für sie erschaffen hatte.

Loki - der geächtete Sohn, der gefürchtete Eisriese - hatte sich über sie alle erhoben; war plötzlich ihr Ratgeber, zu dem sie aufsahen und an dessen Lippen sie hoffnungsvoll hingen.

Er hatte die Macht, sein Ziel beinahe greifbar in den Händen gehalten; Asgards Schicksal war seiner Gnade ausgeliefert gewesen. Verdammnis oder Rettung - seine Entscheidung.

Und nun das…

Gwendolyn hatte ihn bezwungen; die Menschenfrau hatte sich mit ihrer offenen, ehrlichen Art hinter seine Mauern gestohlen und zerbrach jene jetzt unter ihren Fingern, die so einnehmend sehnsüchtig über seine Haut glitten.

Er war ihr wichtig.

Er - Loki - war dieser Frau wichtig.

Und dabei hatte er ihre Sorgen, ihre Begierde, ihre Zuneigung überhaupt nicht verdient - nichts davon verdiente er; er, der ihre Welt ins Chaos hatte stürzen wollen.

Er, der ihre Welt angegriffen und so vielen ihrer Art den Tod gebracht hatte.

Diese Gewissheit schwebte wie ein unheilvolles Damoklesschwert über ihnen, doch der Magier verdrängte jeden Gedanken daran; war eh unfähig sich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf die Frau auf seinem Schoß, die sich verlangend an ihn drängte.

Alles war aus dem Ruder gelaufen…

Er hatte nicht vorgehabt, ihr seine Verletzung zu offenbaren, hatte nicht geplant, dass sie ihn heilte und am allerwenigsten hatte er es darauf angelegt, dass ihre Mündern nun in diesem leidenschaftlichen Kuss verschmolzen, der verzehrendes Verlangen wie eine Feuersbrunst in Loki weckte - brüllend rollten die Flammen über ihn hinweg, verbrannten seinen kühlen Verstand zu schwelender Asche.

Ihre Worte hatten ihn verdammt.

„Himmel, ich mag dich halt, da ist es doch selbstverständlich, dass ich dich nicht leiden sehen will.“

Sie hatte ja keine Ahnung, dass dies in Lokis Welt alles andere als selbstverständlich war...

Er hatte das bedrohliche Beben bereits gespürt, war jedoch unfähig gewesen, das Unheil aufzuhalten; all seine Masken und Mauern zerbröselten unter dem Ansturm dieser ungewohnten Gefühle, die sich nicht aufhalten ließen - weder durch jahrelang erprobte Selbstbeherrschung noch durch die vielen Bedenken, die den Magier davon zu überzeugen suchten, dass dies hier falsch war…

Er keuchte rau auf, als Gwens Zähne über seine Halsseite schabten, während er das Gefühl erkundete, welches entstand, wenn er seine Finger durch ihr rotes Haar gleiten ließ - bezaubernd.

Hier war es, dieses Feuer, was er all die Jahre über stets bei einer Frau vermisst hatte; nun kam es verzehrend über ihn, brannte sich durch seine Adern und löschte seinen Geist aus wie einen dürren Baum im Flammensturm.

Loki zog Gwen näher an sich, rieb seinen Unterleib gegen ihren Schoß und genoss dieses verzückte Stöhnen, was ihren Lippen entfloh, bevor er jene wieder mit seinem Mund verschloss. Seine Zunge stieß zwischen ihre vollen Lippen, wie ein gänzlich anderer Teil von ihm mit ihrem Körper verfahren wollte.

Sein Kopf war wie leergefegt; ein erschreckend wohliger Zustand, in welchem er sich nur noch auf seinen Körper und dessen Bedürfnisse konzentrieren musste - keine Pläne schmieden, keine Listen aushecken, keine Worte mit Bedacht wählen.

Seltsam, wie befreiend Leidenschaft sein konnte; wie leicht und selbstverständlich man sich in den Berührungen eines anderen verlor.

Er schob eine Hand unter den Stoff ihres Hemdes, ertastete fasziniert die weiche und warme Haut, die sich um ihren zierlichen, weiblichen Körper spannte, während seine Finger in ihrem Nacken sie noch näher zu sich zog, um ihre Lippen besitzergreifend einzunehmen.

Sie wölbte sich ihm entgegen, rieb sich an ihm, verursachte ihm wohlige Schauer einer köstlichen Erregung, da ihre Hände so ungeduldig am Stoff seines Hemdes zerrten, bevor sie ihre Finger darunter schob und seinen Körper erkundete.

Er wollte sie - hier und jetzt.

Augenblicklich konnte sich Nichts mit diesem plötzlich hervorbrechenden Verlangen nach dieser Frau messen; nicht einmal seine Gier nach Macht und Anerkennung, seine Lust an List und Tücke.

Gwendolyn hatte ihn zerstört. Zerbrochen. Erobert.

Und doch schien er zum ersten Mal in seinem Leben vollständig.

Er fühlte sich mächtig unter ihrer Berührung; wertvoll, wirklich und vollkommen.

Seine Leidenschaft war denkbar ungünstig; sie waren hier an einem öffentlichen Platz und kaum ungestört, doch das war einem gewissen Teil von Loki völlig egal - eben jenem Teil, der die zierliche Frau nun umschlang und in einer fast groben Regung unter sich auf die Bank zwang.

Der Magier erhob sich über ihr, hielt ihre Hände gefangen und genoss dieses Gefühl von Macht, was er über ihre Lust ausübte; seine Hüfte drängte intuitiv zwischen ihre Beine, sein Unterleib gegen den ihren, was sie unter einem verhaltenen Seufzen die Augen schließen und die Unterlippe in dieser so verführerischen Geste zwischen die Zähne ziehen ließ, bevor sie ihn wieder ansah.

Flüchtig meldete sich sein Verstand zurück, nur aber um dem Magier einzuflüstern, dass auch andere Gwen hier so sehen könnten; glühend vor Leidenschaft, die Lippen gerötet von seinen Küssen, ihre Brustwarzen hart, ihr Körper zitternd unter dem seinen.

Das war eindeutig ein Anblick, den er keinem anderen gönnte. Vielleicht sollten sie seine Gemächer aufsuchen…

»Loki…« Ihre heisere Stimme verjagte seinen Verstand allerdings wieder in eine dunkle Ecke seines Geistes, wo er zürnend ausharren müsste, bis der Magier ihn wieder brauchte. »Bitte…«

Loki hatte Frauen in seinem Bett gehabt, doch wie er jetzt erkannte, konnte sich keine mit Gwendolyn auch nur annähernd messen, obwohl sie alle von betörender Schönheit gewesen waren.

Die meisten dieser Frauen hatten still und recht regungslos unter ihm gelegen; ihm oft das Gefühl gegeben, dass sie den Akt eher widerwillig über sich ergehen ließen und Loki hatte sich in der Hinsicht nie etwas vorgemacht - gewiss war es auch so gewesen.

Einige hatten nur mit ihm geschlafen, da sie sich wahrscheinlich einen Vorteil davon erhofften, einen Prinzen Asgards in ihrem Bett zu haben.

Andere hatten ihn verführt, da sie über ihn an Thor hatten herankommen wollen - der kleine Bruder als Vorstufe für den größeren Fang.

Und wieder anderen war wahrscheinlich langweilig gewesen, sodass es ihnen schlussendlich egal war, wer ihre Lust befriedigte.

Keine dieser nun gesichtslosen, blassen Schatten der Vergangenheit hatte wahre Leidenschaft in ihm geweckt, weil keine sich so begehrlich, fast verzweifelt an ihn gedrängt hatte, wie Gwen es jetzt tat.

In ihren lustverhangenen Augen sah er nichts als grenzenloses Begehren, ihr Körper zitterte erregt unter ihm, ihre Lippen sehnten sich nach seinen - sie wollte ihn wirklich.

Kein Spiel, keine Maskerade, keine falschen Hoffnungen.

Sie wollte ihn. Sie begehrte ihn.

Loki - keine Macht, kein Ansehen, keinen Thor.

Gwen sah ihn an und gierte sich in diesem Augenblick nach seinen Berührungen, die er ihr grausam vorenthielt, um in dieser Herrschaft über ihr Verlangen zu baden; jede Nuance dieser unbekannten Macht auskostend.

»Willst du mich…?« wisperte er heiser auf sie herab, ohne ihr seine Lippen zu gewähren, obwohl alles in ihm förmlich danach schrie, ihren Körper endlich in Besitz zu nehmen und sie als Sein zu markieren.

Wenn sie statt ihrer dunklen Hose einen Rock getragen hätte, wie es asische Frauen normalerweise taten, so wäre er wahrscheinlich schon in sie gedrungen; hätte den Stoff über ihre Schenkel geschoben und ihre Beine geteilt, um in sie zu stoßen.

In ihr zu versinken.

Heftig. Tief. Vollständig.

Doch zuvor musste er es einfach hören. Musste es aus ihrem Mund hören.

Sie sollte sich verzehren nach ihm; nur noch nach ihm.

»…ja…« stieß sie atemlos aus und versuchte sich gegen seinen Griff zu stemmen, der ihre Hände auf dem Polster festhielt.

»Sag es!« verlangte er rau; rieb seinen erwachten Unterleib gegen ihre Schenkel. Sie stöhnte fast verzweifelt auf, bevor ihr Blick sich wieder auf seinen fokussieren konnte.

»Ich will dich, Loki…« hauchte sie dann erstickt. »Gott, ich will dich so sehr…«

Diese Worte perlten wie köstlicher Wein auf seiner Zunge; er konnte den Triumph, die Macht beinahe schmecken, die sie ihm damit über sich erteilte. Und doch war sein Begehr nicht sie damit zu zerbrechen, sondern ihr die größtmögliche Lust zu verschaffen, sodass er sich in ihrem Gedächtnis unauslöschlich einbrennen würde - gekennzeichnet für die Ewigkeit sollte sie sich immer an ihn erinnern.

Sie sollte nie wieder einen anderen Mann wollen. Sie sollte ihm gehören.

Hungrig stürzte er sich auf ihre Lippen und ließ ihre Hände los, welche sie sofort in seinen Haaren vergrub und ihn damit noch näher auf sich herabzog; er genoss ihr heiseres Stöhnen, als er ihre Lippen erneut teilte und seine Zunge einer Eroberung gleich in ihre Mundhöhle jagte.

Ihre Beine schlangen sich um seine Hüfte, ihre Händen glitten fahrig unter den Stoff über seinem Rücken, schoben das Hemd an seinen Armen herab, während sie sich ihm entgegen hob und ihre Zunge nicht weniger wild und leidenschaftlich gegen seine drückte.

Eine Hand bekam er frei, um diese unter ihr Hemd zu schieben und die Finger über ihre bebende Bauchdecke gleiten zu lassen, bevor er sie höher schickte und die Unterseite ihrer Brüste erfühlte.

Gwen keuchte und er ließ ihr den Atem, gab ihre Lippen frei, um seinen Mund über ihre Kehle wandern zu lassen; leidenschaftliche, raue Küsse dort verteilend glitt seine Zunge über ihren rasenden Puls, entlockte ihr ein weiteres, heiseres Seufzen.

Ihre Hände zerrten nun völlig ungeduldig an seinem Hemd, bevor sie von dem Stoff abließen und zwischen ihre Körper glitten, um sich über seinen Bauch abwärts zu seiner Hose zu tasten. Ihre Finger nestelten fahrig an seinem Gürtel.

Loki zog die Hand wieder unter ihrem Hemd hervor, was Gwen einen protestierenden Laut ausstoßen ließ, bevor er ihre Hände zwischen ihren Körpern fand und herauszog; ihre Handgelenke mit seinen langen, schlanken Fingern umfing. Erneut presste er ihre Arme über ihrem Kopf auf das Polster und sah mit einem dunklen Grinsen auf sie herab. »Bring dich nicht so schnell um dein Vergnügen…« raunte er belegt und war selbst überrascht über den ungewohnten Klang seiner sonst so klaren, schneidenden Stimme.

»Du allein bringst mich gerade um mein Vergnügen…« gab sie ihm atemlos zurück und leckte sich lockend über ihre vollen Lippen; ihr Mund kräuselte sich in einem sinnlichen Schmunzeln, bevor sie den Kopf hob und ihre Zähne verlangend nach seiner Unterlippe haschten.

Er schloss genießend die Augen.

Sie beherrschte dieses Spiel nicht minder gut als er…

Das seltsam bekannte und erschreckend klare Durchladen einer menschlichen Handfeuerwaffe durchbrach den sinnlichen Nebel von Lokis Verstand, bevor eine angespannte Stimme, die nur mühsam ihren Zorn unterdrückte, verlangte: »Runter von ihr, du Monster…«
 

Gwen hörte das metallische Klicken, welches ihr so arg vertraut vorkam, bevor ihr Verstand überhaupt wieder brauchbar anlief und anfing, dieses Geräusch einer Tatsache zuzuordnen.

Eine vor Zorn bebende Stimme stieß barsche Worte aus; eine Stimme, die ihr so seltsam bekannt vorkam. »Runter von ihr, du Monster…«

Gwen drehte den Kopf ein wenig und sah so an Loki vorbei. Ihre Augen weiteten sich entsetzt, als sie in die Mündung einer Waffe blickte, die ziemlich eindeutig auf den Hinterkopf des Magiers gerichtet war.

Eine Waffe, die in den Händen eines S.H.I.E.L.D Agents lag.

In den Händen von Andrew Preston.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich befürchte fast, dass mich einige Leser nach diesem Kapitel gern lynchen würden... ;D Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2014-02-16T22:43:58+00:00 16.02.2014 23:43
Wow, ich war dermassen in die Geschichte eingetaucht das mir am Schluss ganz heiss war. Ob von der ....-Szene oder der Pistole im Nacken, das konnte ich nicht so genau definieren. Wenn ich deine Geschichte lese bin ich jeweils wie in einer anderen Welt, ich vergesse komplett meine Umgebung. Ich möchte dir ein grosses Kompliment für deinen lebendigen Schreibstil machen, (ich weiss, ich wiederhole mich). Aber Dieser ist dermassen bildlich und lebhaft, da könnten sich einige Autoren eine Scheibe, eine grosse Scheibe davon abschneiden. Ich finde du hast sehr viel Talent.(auch schon erwähnt)
Schon mal daran gedacht ein Buch zu schreiben? Ich freue mich jetzt schon auf die Fortsetzung und hoffe Gwen gibt diesem Preston die Antwort die er verdient ;) Ich zähle die Tage rückwärts bis es weitergeht. Danke.. Danke.. für diese tolle Geschichte.

glg
Yvonne


Antwort von:  Ceydrael
17.02.2014 18:27
Oh, ich danke dir für diese umwerfend tolle Rückmeldung! <3
Ich glaube, jedes Mal wenn ich so etwas lesen darf, wachse ich gefühlte 2 Meter in die Höhe :D Das macht mich wirklich unglaublich stolz!
Du darfst dich mit so tollem Lob auch gern wiederholen ;D
Natürlich habe ich bereits daran gedacht, ein Buch zu schreiben. Meist fehlt mir nur die Ausdauer auch lang genug an einer Story dran zu bleiben ^^' Und wenn man nebenher noch arbeiten muss, bleibt immer nicht so viel Zeit für die Schreiberei - leider :(
Aber mal schauen, wenn ich die Story um Loki und Gwen zu einem guten, für mich angemessenem Ende gebracht habe, vielleicht widme ich mich dann mal wieder einem Prosa-Projekt mit meinen eigenen Ideen :)
Die hier von mir veröffentlichte Geschichte "Tyceria" war schon mal ein Versuch in diese Richtung :)
Hab mich wirklich unglaublich über deinen Kommentar gefreut und bedanke mich nochmal ganz herzlich dafür <3

glg cey
Von: abgemeldet
2014-02-14T15:10:22+00:00 14.02.2014 16:10
Warum war mir das so klar, dass wir wieder eine mentale Ohrfeige von dir kassieren.
im letzten kapitel war das schon so und jetzt hier noch schlimmer.
Aber hey ... so bleibts interesannt udn wäre doch zu schade, wenn die Spannung schon ablässt, weil du uns zu schnell gibst, was Gwen und Loki wollen. ;)
Antwort von:  Ceydrael
15.02.2014 19:10
Ich weiß, ich bin gemein ^-^
Aber wie du es schon gut erkannt hast - es soll ja spannend bleiben! Und es wäre doch langweilig, wenn die zwei so schnell und ohne Hindernisse zusammenfinden würden ;)
Von:  numbthings
2014-02-12T19:01:04+00:00 12.02.2014 20:01
All meine Sympathien die ich für Preston hegte haben sich nun mit einem Mal ins Nichts verabschiedet :D

Antwort von:  Ceydrael
12.02.2014 22:16
...verdammt! xD Der Arme! ^^
Von:  Bernsteinseele
2014-02-12T04:11:55+00:00 12.02.2014 05:11
Lynchen klingt gut ... aber wir brauchen dich ja noch, um zu erfahren wie es weiter geht.

Hoffe Thor kommt zufällig vorbei und schlägt den Idioten KO ..... oder noch besser ... Frigga schaut vorbei. Stell ich mir genial vor, wenn die dann richtig richtig bös wird, weil ihr 'kleiner Junge' bedroht wird. Ich will Preston leiden sehen!!!
Antwort von:  Ceydrael
12.02.2014 22:11
Wie beruhigend, dass man mich nicht lyncht, weil ich noch von Nutzen sein kann ;D

Der arme Andrew! O.O Und ich dachte eigentlich, ich hätte ihn in ein gar nicht so unsympathisches Licht gerückt...gut, die Waffe auf Loki zu richten war eindeutig ein Fehler! Das geht tatsächlich zu weit ;)
Antwort von:  Bernsteinseele
12.02.2014 22:16
In ner anderen FF wäre er mir sehr sympathisch gewesen ... sogar als Hauptchar.

Aber da er Loki in die Quere kommt, zu sehr an Gwen interessiert ist und nun die Waffe ..... inakzeptabel! :p


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