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The Poetry of Light and Shadow

Loki x OC
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu, ihr Lieben :)

Ja, ich lebe auch noch ^^' Und ich verkneife mir jetzt mal das ewige entschuldigen, weil es wieder so verdammt lange mit dem Kapitel gedauert hat...
Es sei nur soviel gesagt - es ging jetzt fast eine Woche lang wirklich gar nichts mit Schreiben und ich musste mich erst mal ein bisschen ablenken und wieder Motivation sammeln. Die Luft war einfach raus.
Hier muss ich -Feuerkopf- noch mal ganz herzlich für ihre aufmunternde ENS danken! Das hat wirklich geholfen, meine Liebe :) Du bekommst bald auch noch eine ausführlichere Antwort ;)

Ich möchte euch wirklich beruhigen und versichere euch, dass ich die Geschichte auf jeden Fall zu Ende bringen will; egal, wie lange es dauert und Motivation oder Zeit nicht mitspielen wollen, unfertig soll sie auf keinen Fall verbleiben.

Ich danke euch für eure Geduld (die ihr hoffentlich hattet :D) und wünsche euch viel Spaß mit dem Kapitel! Ich hoffe wirklich, es ist annehmbar geworden.



Musikempfehlung:
Revelations von Veigar Margeirsson
https://www.youtube.com/watch?v=xeO8Omx-uvY
Colossus von Otherworld Trailer Music
https://www.youtube.com/watch?v=W8pQy3_AypU Komplett anzeigen

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Anfang oder Ende (zensiert)

»Loki…« Kaum mehr als ein Flüstern; ein sehnsüchtiger Atemhauch, der aus ihren Lippen entfloh und diesem Traum eine Gestalt gab, der noch immer einen sinnlichen Nachgeschmack auf ihrer Zunge hinterlassen hatte.

Gwen rollte sich auf den Bauch und drückte ihre Nase in das duftende Kissen; in diese weiche Unterlage, die noch so verlockend, so betörend nach Mann roch - nach einem Gott mit unglaublichen Augen, einfach nach Loki.

Begierig sog sie diesen Geruch ein und seufzte wohlig auf, während sich ihr wacher Verstand langsam aus den Tiefen des Schlafes zurück an die Oberfläche kämpfte; Schlaf, der sie mit zähen, festen Schlieren in ihrem Bann halten wollte.

Gwen fühlte sich so seltsam schwerelos, einzig allein der Schmerz zwischen ihren Beinen ankerte sie auf dem Boden der Tatsachen; ein süßer, ein lieblicher Schmerz, der sie die Schenkel aneinander reiben ließ, um die Erinnerung zu bewahren, wie sie diesen errungen hatte…

Sie hatte mit einem Gott geschlafen. Sie hatte tatsächlich mit Loki geschlafen…

Ein warmes, wohliges Knäul aus Empfindungen entstand in ihrem Bauch, ihrem Unterleib und ließ sie erahnen, dass diese eine Nacht bei weitem nicht genug für sie war. Schon der Gedanke daran, schon das Bild Lokis vor ihrem geistigen Auge, erregte sie sofort wieder und ihre Finger krallten sich unter einem zittrigen, sehnsüchtigen Wimmern in das Kopfkissen.

Niemals, wirklich niemals zuvor hatte sie so intensiv für einen Mann empfunden, so sehr nach dessen Nähe verlangt und langsam aber sicher verblassten all ihre Beziehungen der Vergangenheit zu farblosen Erinnerungen, bis nur noch eine blieb - jene an den Prinzen; an die Augen des Magiers, als sie sich gestern Abend Blicke geschenkt hatten, die Gwen wohl niemals vergessen würde. Und sie sehnte keine von diesen geisterhaften Erinnerungen der Vergangenheit wieder herbei, wollte sich an keinen dieser Männer erinnern, von denen ihr einige schmerzhaft das Herz gebrochen hatten.

Und wie hätte ein normaler Sterblicher auch jemals mit einem Gott konkurrieren können?! Andrew hatte es versucht und war kläglich gescheitert.

Loki war bei weitem nicht perfekt - aber er war nah dran es zu sein, zumindest wenn man seine seltsamen Weltanschauungen, seine Überheblichkeit und seinen Angriff auf die Erde mal außer Acht ließ. Der Ase hatte wahrscheinlich mehr dunkle Seiten als jeder andere Mann zuvor in ihrem Leben, allerdings besaß Loki dafür auch wesentlich mehr Klasse, Sitten und Verstand. Er war eben doch ein Prinz, wenn auch ein recht dunkler…

Ein verstohlenes Schmunzeln huschte über Gwens Lippen, als sie sich tiefer in das duftende Kopfkissen schmiegte und imaginär den Kopf über ihre seltsamen Gedanken schüttelte.

Eigentlich war der Magier alles andere als perfekt, ein geradezu gefährliches Wagnis, doch vielleicht machte gerade das seinen Reiz aus und ihn auch so unheimlich faszinierend für Gwen; er war ein Rätsel, was sich immer wieder neu aufzubauen schien, wenn man meinte, es gelöst zu haben - ein Labyrinth mit unendlichen Abzweigungen. Es war spannend, seinen Weg zu verfolgen und diese Bruchstücke zu beobachten, die von seinem Panzer abbröckelten und den unverfälschten Loki dahinter enthüllten. Einen Mann, der unheimlich intelligent war und gewitzt, leidenschaftlich und gefühlvoll, manierlich und durchaus ehrenhaft - Seiten, die der Prinz wohl selbst irgendwann vergessen haben musste.

Die letzte Nacht war definitiv etwas Besonderes in Gwens Leben gewesen, auch wenn die Möglichkeit bestand, dass sie die Einzige bleiben würde. Was sie wirklich nicht hoffte…

Ihre Hand glitt über das weiche Kopfkissen zur Seite, durchbrach etwas warmes, was wohl hereinfallende Sonnenstrahlen waren, bevor ihre Fingerspitzen auf die kühle, leere andere Betthälfte trafen; das glatte Laken ließ jegliche Wärme vermissen und die Vermutung aufkommen, dass dort schon lange niemand mehr lag.

Unter diesem vernichtenden Verdacht schlug Gwen die Augen auf und blinzelte gegen das überraschend helle Licht der Sonne, welches durch eines der kleinen Fenster hereinfiel und doch nicht das erschrockene Frösteln vertreiben konnte, welches ihren Körper in eine klammerartige Umarmung zog.

Loki war weg…

Plötzlich hellwach setzte sich Gwen auf und starrte entgeistert auf die leere Betthälfte neben sich. Die Decke rutschte ihr von den Schultern und selbst die zaghaften Strahlen der Morgensonne konnten das Gefühl von Wärme und Geborgenheit nicht zurückbringen, welches nun mit dem Saum der Bettdecke schwand.

Der Raum war in mildes Licht getaucht; eine wahre Wohltat nach dem anhaltenden Grau des Schneesturmes, der nun endlich vorüber gezogen schien. Das Feuer im Kamin war wohl irgendwann in der Nacht verloschen und nur ganz vereinzelte Rauchsäulen kräuselten sich über der Asche wie zaghafte Andenken an die dunkleren Stunden des Tages; Angel lag noch immer neben der Feuerstelle und hob nun den Kopf, um jenen schräg zu legen und Gwen kritisch zu beobachten.

Die robbte an den Rand des Bettes und ließ ihren Blick hastig über den Boden fliegen.

Nichts. Lokis Klamotten waren weg; sein Mantel, seine Hose, die Metallteile seiner Rüstung, auch seine Stiefel…

Er war nicht nur einfach mal schnell im Bad verschwunden. »Loki?!« wagte sie einen zaghaften Versuch, doch ihr Ruf blieb ungehört. Allein Angel beantwortete ihn mit einem trägen Schwanzwedeln.

Wie apathisch ließ sie sich zurücksinken und starrte ins Leere, während sie peinlich genau auf ihre Atmung achtete, um dieses Gefühl des Erstickens in der Kehle zurückzuhalten. Eine Hand schlang sie um ihren Hals und schluckte angestrengt, doch der Kloß darin wollte sich nicht vertreiben lassen; ihre Finger zitterten auf ihrer Haut und sie schloss die Augen, um dem Brennen der hinterlistigen Tränen Einhalt zu gebieten.

Loki war weg - ohne Abschied. Ohne eine Wort. Ohne irgendeine Botschaft. Das durfte doch nicht wahr sein…

Sie trug noch seinen Geschmack auf den Lippen, das Gefühl seiner Hände auf ihrem Körper, wie auch die Empfindung seiner Größe zwischen ihren Beinen, als würde er sie noch immer bis zum Kern ihrer Seele ausfüllen…und er war weg.

Natürlich ist er weg, du dumme Kuh. Was hast du erwartet? Dachtest du, ihr haltet euch noch ein bisschen im Arm und säuselt euch Liebesschwüre ins Ohr? Himmel, wie blöd bist du eigentlich? rügte sie ihr gnadenloser Verstand. Du weißt genau, dass Loki nicht gerade der Typ für unnütze Zärtlichkeiten und große Gefühle ist. Er hat bekommen, was er wollte und jetzt ist er abgehauen, wie Männer es eben tun. Wie beinahe jeder Kerl in deinem Leben, Gwen. Seine Frist ist abgelaufen und er hat seinen Arsch gerettet.

Erinnerungen der Vergangenheit prasselten wie Hagelkörner schmerzhaft auf sie ein; Erinnerungen, in denen sie schon öfter vertraut hatte, um am Ende bitter enttäuscht zu werden.

»Nein…« flüsterte sie zu sich selbst und schüttelte entschieden den Kopf; der Druck hinter ihrer Stirn war anstrengend und raubte ihr die Fähigkeit, klar zu denken. Sie stützte das Gesicht in die Hände und ließ sich schwer nach vorn fallen, um die Ellenbogen auf die angezogenen Knie zu stützen. So herzlos und berechnet war der Magier nicht, das konnte und wollte sie einfach nicht glauben.

Natürlich war ihr klar, dass Loki und sie nun nicht in trauter Zweisamkeit durchs Leben tänzeln würden; sie hatte auch nicht unbedingt erwartet, dass er sie beim Aufwachen im Arm halten würde, aber dass er einfach so verschwand, damit hätte sie nie gerechnet.

Es passte auch nicht zu ihm.

Warum sollte er sie noch gefragt haben, ob sie mit ihm nach Asgard zurückkehren würde, wenn er jetzt einfach ohne sie ging? Er hatte ihr gesagt, dass sie mit ihm kommen würde, egal wohin er aufbrach; er konnte einfach nicht ohne sie verschwunden sein.

Das würde keinen Sinn ergeben. Und Loki war nicht gerade für unlogisches Verhalten bekannt.

Sie vertraute ihm - wollte ihm vertrauen; das konnte er doch nicht so schändlich ausgenutzt haben?!

Komm, Gwen. Reiß dich zusammen. Es wird schon eine Erklärung dafür geben, beruhigte sie sich selbst. Nicht gleich die Nerven verlieren. Vielleicht ist er nur mal schnell frische Luft schnappen gegangen.

Eine Zigarette rauchen, oder was? stichelte ihr Verstand. Man kann es sich auch schön reden.

Ein eigenartiges Geräusch dran an ihr Ohr; ein dumpfes Zischen, als würde sich ein Vakuum plötzlich mit Luft füllen.

Sie holte tief Luft und runzelte augenblicklich die Stirn, als ein seltsamer Geruch an ihre Nase drang; nicht wirklich seltsam, aber dennoch unerwartet in diesem Moment. Erneut schnupperte sie und entlockte ihrem Magen damit ein vernehmliches, langgezogenes Knurren. Roch es hier tatsächlich nach gebratenem Speck? Nach frischen Brötchen?

»Ich sehe, du bist endlich aufgewacht. Und ich dachte schon, ich müsste auf die konventionelle Methode des kalten Wassers zurückgreifen, um dich aus dem Reich der beinahe Toten zurückzuholen….« erklang eine seidig spöttische Stimme und ließ Gwens Kopf damit herum schnellen, während ihr Herz einen befreiten Satz in ihrer Brust vollführte - diese Stimme hätte sie wohl stets wesentlich besser wecken können als jeder Eimer kaltes Wasser. Ihr gesamter Körper reagierte auf den Klang dieses einzigartigen Timbres, als wäre sie eine Stimmgabel, die nur für den Gott der Illusionen, Lügen und Täuschungen schwingen würde…

Loki.

Da stand er tatsächlich, gelassen im Türrahmen der Küche gelehnt und sah mit einer unverschämt gehobenen Braue zu ihr herüber. Er trug noch immer keine Schuhe, aber zumindest seine Lederhose, die sich wie eine zweite Haut an seine langen Beine schmiegte und viel mehr erahnen ließ, als ihr lieb war; seinen Oberkörper bedeckte eine lockere Tunika, die nicht geschnürt seine Brust und Bauch freiließ, unter welchen sich die schlanken Muskeln nun bewegten.

Gwen beobachtete fasziniert das Spiel von perfekt definierten Sehnen auf seinen Unterarmen, die durch heraufgerollte Ärmel offenbart wurden, da er sich die eleganten Hände gerade an einem Geschirrtuch abwischte und dieses dann gleichgültig beiseite warf.

»L-loki?!« stammelte Gwen irritiert, allerdings auch ungemein erleichtert, bis sie registrierte, dass sie komplett nackt vor ihm saß; hektisch angelte sie nach der Bettdecke und zog jene bis über ihre Brüste nach oben. Eigentlich völlig albern, denn der Magier hatte in der letzten Nacht gewiss genug von ihr gesehen. Wenn nicht sogar alles…

Dieser Auffassung schien Loki auch zu sein, denn seine geschwungenen Brauen hoben sich nun kritisch in die Höhe, während er ihre Reaktion abschätzend betrachtete. Ein hauchfeines, belustigtes Schmunzeln glitt kurz um seine Lippen wie die Ahnung der Morgenröte hinter dem Horizont. »Ich muss dich enttäuschen, sonst ist leider immer noch niemand hier.« erwiderte er ironisch.

»Du…du bist ja noch da?!« bemerkte sie ziemlich überflüssig. Irgendwie war die Situation äußerst seltsam; Gwen wusste nicht wirklich, wie sie jetzt mit Loki umgehen sollte. Nachdem sie sich gestern Abend so innig, so intensiv geliebt hatten und sie noch immer die Spuren dieser Nacht auf ihrer Haut und darunter trug, wirkte er völlig gefasst und so distanziert wie immer, sodass sie sich schon fragen musste, ob das alles vielleicht doch nur ein Traum gewesen war. Ein ziemlich gestaltlicher Traum zugegeben, der ihr verspannte Muskeln und eine genüssliche, sehr weibliche Befriedigung verschafft hatte…

Lokis seidige Stimme wandelte sich in eisige Kälte; eine frostige Glätte, auf der man sehr schnell den Halt zu verlieren und auszurutschen drohte. »Wäre es dir lieber, ich wäre fort?« fragte er sie tonlos und richtete sich langsam auf; die Gelassenheit schwand und er wirkte augenblicklich verkrampft.

Die hereinfallende Sonne streifte sein Gesicht und ließ die Schatten seiner Wangenknochen noch tiefer wirken; ein Funken von Verwundbarkeit zog durch seine Augen, durch die klaren, grünen Gletscher. Seine eh schon blasse Haut spannte sich, die Illusion von kostbarem Porzellan webend, was furchtbar schnell zerbrechen konnte, wenn man es unachtsam behandelte…

»Was?! Nein! Natürlich nicht…« beeilte sie sich zu sagen und schüttelte bekräftigend den Kopf. »Ich…ich dachte nur…wegen deiner Frist…« stotterte sie hilflos und drückte die warme Bettdecke weiter gegen ihre Brust, weil ihr diese das trügerische Gefühl von Sicherheit vermittelte; eine Sicherheit, die sie im Umgang mit Loki heute nicht wirklich fand. Gestern Abend war alles so einfach, alles so logisch erschienen und heute dafür nur noch umso komplizierter.

»Ich habe die Hütte mittels Magie verborgen. Es sollte eine Weile dauern, bis uns jemand findet.« erläuterte ihr der Prinz unterkühlt und wandte sich dann auf dem Absatz um. »Für ein Frühstück sollte also noch Zeit bleiben. Du musst gewiss halb verhungert sein. Komm.« wies er sie in seiner herrischen Art an und verschwand in der Küche.

Gwen blinzelte die Stelle an, an der Loki eben noch gestanden hatte, bevor sie sich aus ihrer Lethargie riss, Shirt und Höschen vom Boden angelte und diese schnell überzog; trotz des Schnees draußen war es nicht wirklich kalt in der Hütte. Die Glut des verloschenen Feuers schwelte noch nach und verbreitete eine angenehm erträgliche Wärme; allerdings benötigte Gwen auch nicht mehr als die Erinnerung an letzte Nacht, um wieder völlig in Flammen zu stehen - ihre Wangen glühten und ein angenehm kribbelndes Gefühl zog ihre nackten Beine hinauf und machte diese weich.

Liebe.

Hatte sie diesen Gedanken tatsächlich in der Umarmung des Prinzen zugelassen? Gwen hob eine Hand und rieb über ihr Brustbein, über jene Stelle, unter der ihr Herz lag.

Ja, sie hatte sich gestern Abend in einem Taumel aus Empfindungen und Verlangen, aus Sorge und Mitgefühl zu diesem Gedanken hinreißen lassen und irgendwo tief in sich drin wusste sie auch, dass dieser der Wahrheit entsprach.

Sie hatte sich in Loki verliebt - und das machte ihr fast Angst, denn diese Erkenntnis erschien ihr jetzt im Licht des neuen Tages so groß und gewaltig, wie ein weiterer Felsbrocken, der unerwartet in ihr Leben gerollt war und dieses nun völlig durcheinander brachte.

Gwen nahm dieses ungewohnte Gefühl in imaginäre Hände und betrachtete es von allen Seiten; gab es wahre Liebe tatsächlich oder war das nur eine Erfindung von jungen, naiven Mädchen, die auf den strahlenden Ritter in weißer Rüstung hofften, der sie aus ihrem schnöden Leben retten würde? War wahre Liebe eine Illusion - die verzweifelte, aber hoffnungslose Suche der Menschen nach einem passenden Gegenstück, einem Seelenverwandten, der das harte Leben erträglich machte?

Fakt war, dass diese Empfindungen Loki gegenüber alles in den Schatten stellten, was Gwen bisher je für einen Mann gefühlt hatte. Doch durfte sie sich so vorbehaltlos diesem Gefühl hingeben?

Denn - wie war es mit ihm? Was konnte ein Gott schon für einen Menschen empfinden? Was sah er in ihr?

Bis sie das herausgefunden hatte, musste sie ihre Gefühle unbedingt verbergen und für sich behalten, so schwer das auch sein sollte.

Gwen rutschte vorsichtig aus dem Bett und kraulte Angel im Vorbeigehen die weichen Ohren, was der Hund mit einem zufriedenen Laut quittierte, bevor sie zaghaft zur Küche hinüber tapste. Loki hatte mehr als Recht; sie hatte einen Bärenhunger. Ihre letzte Mahlzeit war auch schon fast einen Tag her und das Adrenalin der letzten Stunden hatte definitiv auch seinen Tribut gefordert.

Gwen musste sich eingestehen, dass sie schon ein wenig mehr Freundlichkeit von dem Magier erhoffte hätte; sie hatte es nicht wirklich erwartet, aber zumindest gewünscht, dass nach letzter Nacht alles ein wenig einfacher sein könnte. Allerdings war Loki wohl der Ansicht, dass eine Nacht nichts ändern würde - vielleicht maß er der ganzen Sache auch eh weniger Bedeutung zu als sie selbst.

Es war schwierig, unheimlich schwierig mit ihm - sollte sie jetzt so tun, als wäre das zwischen ihnen nie passiert oder würde gerade das Loki noch weiter von ihr wegtreiben wie ein loses Blatt auf den zitternden Wellen des Meeres?

Sie würde wohl vorgehen müssen wie bisher - vorsichtig, behutsam und hoffen, dass ihr Loki etwas gab, womit sie seine Mauern wieder öffnen könnte; einen Schlüssel womöglich, der sie wissentlich und willkommen in seine Seele ließ.

Gwen bog um die Ecke der Küche und erstarrte in der Tür; ihre Augen weiteten sich verblüfft, während sie ungläubig auf das Bild starrte, dass sich ihr bot. Angel war ihr nachgekommen und strich nun an ihren nackten Beinen vorbei, um dem köstlichen Duft zu folgen - vor ihr auf dem schmalen Tisch der winzigen Küche breitete sich ein Frühstücksbuffet aus, das wirklich keine Wünsche offen ließ und was sie eher in irgendeinem Hotel, als nun in dieser kleinen, spartanischen Hütte erwartet hätte.

Tatsächlich hatte sie ihre Nase nicht getäuscht und gebratener Speck, Würstchen und Eier waren zu finden, Pfannkuchen mit Sirup, Brötchen, Marmelade, Wurst und Käse, duftender Kuchen, frischer Jogurt neben einer riesigen Platte mit aufgeschnittenem Obst; der Geruch von Kaffee schwebte zu ihr heran, der neben einer Flasche Milch und einer Karaffe Orangensaft förmlich auf sie zu warten schien. »Ähhhh…was…wie…wo kommt das denn alles her?!« Gwen deutete verdattert auf das gewaltige Angebot an Essen, während sie vorsichtig näher kam und sich kraftlos auf der Lehne eines Stuhles abstützte.

Loki hatte bereits Platz genommen und die langen Beine lässig überschlagen, während er sich ohne Hemmungen seinen Teller bereits voll packte und dabei Angel nicht vergaß, dem er ein paar der Würstchen zuwarf. Der Hund schnappte das Fleisch noch im Flug und verschlang es hungrig. »Da diese Behausung eher geringe Möglichkeiten auf ein nahrhaftes und ausgewogenes Frühstück bot, fühlte ich mich berufen, ein wenig zu improvisieren.« erklärte ihr der Magier fast gelangweilt, bevor er auf den Stuhl neben sich zeigte. »Setz dich.«

Improvisieren?! Himmel, wenn sie improvisierte kam selten so etwas absolut Großartiges dabei heraus…

»Aber…wie?! H-hast du das alles selbst vorbereitet?« Gwen ließ sich auf den angewiesenen Stuhl fallen und stupste eines der noch warmen Brötchen an, um sich zu versichern, dass dies nicht nur eine absolut fantastische Illusion war. Ihr Magen meldete sich erneut mit einem lautstarken Knurren und ließ sie verschämt einen Arm über ihrem Bauch betten.

Loki hob eine schmale Braue und tauchte seine helle Alabasterstirn damit in süffisante Falten. »Ich bitte dich. Küchenarbeit ist definitiv unter der Würde eines Prinzen.« Er goss sich seine Tasse bis zum Rand voll mit duftend schwarzem Kaffee; so viel also zu dem alleinigen Laster der Menschen. »Ich bin Magier. Ich weiß mir zu helfen und die Dinge zu mir zu bringen, die ich begehre…« raunte er in seine Kaffeetasse, bevor er einen Schluck davon nahm.

Dieser Klang seiner Stimme, diese unterschwellige Anspielung, die Gwen offenbar darin hören wollte, jagte ihr einen angenehmen Schauder zwischen die Beine und ließ sie ihre Schenkel angestrengt zusammenpressen, bevor sie mit einem Räuspern nach einem Brötchen griff. »Ja…dann, ähm…danke.« murmelte sie halblaut und war augenblicklich froh, sich auf das Essen konzentrieren zu können.

Wahrscheinlich würde jetzt irgendeine Pension oder ein namhaftes Hotel ohne Frühstücksbuffet auskommen müssen…

Während Gwen sich ihr Brötchen schmierte, schielte sie immer wieder flüchtig zu Loki hinüber, der kaum mehr wirklich Notiz von ihr zu nehmen schien; seine Aufmerksamkeit war auf einen Punkt in der Ferne gerichtet, sein Blick aus dem Fenster der kleinen Küche, das vom Frost der letzten Nacht und zauberhaften Eisblumen überzogen war, welche in der Morgensonne zaghaft glitzerten.

Gleiches Eis schien sich auch wieder über die marmorgleiche Haut des Prinzen gelegt zu haben; über seine Augen, seine scharf begrenzten Züge, seine Aura - er wirkte nachdenklich mit seiner sanft gefurchten Stirn, doch dabei so weit von Gwen entfernt, dass sie beinahe die Befürchtung hatte, ihn nicht berühren zu können, wenn sie jetzt die Hand ausstrecken würde. Und dabei saß er kaum einen Schritt neben ihr…

Obwohl es ihr förmlich auf der Zunge brannte, so hielt sie sich doch damit zurück, die Ereignisse des letzten Abends anzusprechen - Gwen hatte Loki niemals zuvor so verletzlich, so unkontrolliert und verzweifelt erlebt, innerlich gebrochen und gefangen in einem Netz aus Selbsthass; sie war sich einfach unschlüssig darüber, ob sie das Gespräch suchen sollte oder Loki womöglich recht froh wäre, wenn sie es nicht tat…

Bei einem so stolzen Mann wie dem Magier musste man vorsichtig sein, wenn man ihn mit seinen Schwächen konfrontieren wollte; für ihn musste das eine nicht weniger schwierige Situation sein als für sie.

Jetzt, im Licht der Morgensonne und der Gegenwart seiner eher menschlichen Form, fiel ihr erst auf, wie faszinierend sie seine Jotunengestalt wirklich empfunden hatte; Gwen verstand sein Unbehagen gegenüber dem Erbe seiner Geburt, doch so wie sie ihn jetzt ansah und keinen wirklichen Makel an ihm finden konnte, so war es ihr auch mit der Form des Eisriesen ergangen - er war Loki, egal, wie er aussah und jede seiner Gestalten gehörte zu ihm und hatte ihren ganz eigenen Zauber.

Natürlich war auch Gwen vor den menschlichen Ansprüchen an Schönheit nicht gefeit und sie selbst konnte oft genug Dinge an sich finden, die sie fern ab des gängigen Schönheitsideales zeigten; sie war klein und ihr Körper von Natur aus einfach eher zierlich, daher war es auch nicht weit her mit beeindruckend weiblichen Rundungen. Sie besaß zwar Brüste, doch ließen die sich gut mit einem Wort umschreiben - überschaubar. Sie war nicht mit großen strahlenden Augen gesegnet wie Ashlyn und auch nicht mit einem überragend sinnlichen Mund oder perfektem, glänzendem Haar, aber als hässlich hätte sie sich wohl auch nicht bezeichnet.

Und sie erkannte erneut die Wahrheit dahinter, dass dämliche Schönheitsideale neben ehrlichen Gefühlen einfach verblassten; mochten manche Asen Loki sicher nicht als gängigen Adonis oder perfekten Krieger betrachten - einen Eisriesen Monster schimpfen, weil sie es eben nicht besser wussten, so konnte Gwen das doch nicht nachvollziehen. Für sie war er perfekt, ganz gleich, welche Gestalt er trug.

Sie hatte auch nichts Erschreckendes oder Abstoßendes an Lokis Jotunenform finden können, weil sie ihn inzwischen einfach besser kannte, ihn schätzen gelernt hatte und er in ihren Augen immer der Gleiche sein würde, egal, wie er aussah.

Trotzdem hing die Nacht natürlich wie das klebrige Netz einer Spinne zwischen ihnen und machte die Stimmung seltsam angespannt, sodass Gwen fast schon verlegen auf ihren Teller starrte und unnötigerweise pedantisch den Käse auf ihrem Brötchen anrichtete, bevor sie ebenfalls nach dem Kaffee griff.

»Wir werden doch heute noch nach Asgard aufbrechen, oder?« fragte sie dann frei heraus und entschied sich für ein wenig unverfängliches Thema zu Anfang; das Schweigen zwischen ihnen war unerträglich und wenn sie tatsächlich zusammen nach Asgard zurückkehren würden, so täte Gwen wohl gut daran, wieder eine halbwegs normale Basis zwischen ihnen aufzubauen.

Immerhin konnte die letzte Nacht nicht für immer wie eine unüberwindbare Mauer zwischen ihnen stehen. Irgendwann würden sie darüber reden müssen, doch wahrscheinlich war es besser, wenn sie Loki den Zeitpunkt dafür wählen ließ; bis dahin würde sie einfach versuchen, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Im Moment half da, dass sie sich hungrig auf das Essen stürzen konnte; ohne Scham lud sie eine riesige Portion Ei und Speck auf ihren Teller.

Lokis Blick schwankte zu ihr herüber, während er ihr zuvorkommend Milch in ihren Kaffee goss; diese unerwartet fürsorgliche Geste ließ sie einen Augenblick stocken und ihn fast verblüfft ansehen.

Er hatte sich tatsächlich gemerkt, wie sie ihren Kaffee mochte - es war natürlich armselig, doch schon diese kleine Geste zauberte ihr ein zaghaftes Lächeln auf die Lippen; bei Loki waren es wirklich die kleinen Dinge, auf die man achten musste. »Du hast dich also entschieden?« sprach er, mehr Feststellung als Frage. Doch seine grünen Augen fixierten sie forschend.

Gwen nickte leicht und biss hungrig in ihr Brötchen, kaute dann sorgfältig, bevor sie ihm eine Antwort gab. »Ja, das habe ich. Ich glaube nicht, dass S.H.I.E.L.D mir hier noch helfen kann. Oder es wirklich würde. Für die bin ich nur ein Versuchskaninchen und das will ich ganz bestimmt nicht sein. Ich werde mit dir zurück nach Asgard gehen. Vorausgesetzt, man wird mich dort erneut dulden…vielleicht hab ich mich bei meinem Abgang doch etwas im Ton vergriffen…« räumte sie unsicher ein. Immerhin hatte sie einen Prinzen geohrfeigt und auch Thor und Frigga nicht gerade freundlich betitelt, als die sie noch davon hatten abhalten wollten, auf die Erde zurückzukehren.

»Der Allvater hat Wert auf deine Unversehrtheit gelegt und Frigga erachtet dich immer noch als durchaus wichtig. Man wird dich gewiss erneut willkommen heißen.« beruhigte sie Loki in abgeklärtem Tonfall und schob Angel noch ein paar gute Bissen zu, der seinen schwarz-weißen Kopf auf dem Schoß des Magiers gebettet hatte und sie beide aus seinen frostblauen Augen ansah. »Allerdings ist dir hoffentlich klar, dass sich dein Leben damit entscheidend ändern könnte. Vielleicht wirst du nicht so einfach nach Midgard zurückkehren können...« Loki wandte sich ihr wieder zu und sondierte sich nebenbei ein stück Kuchen aus dem Berg an Köstlichkeiten.

Gwen schluckte trocken, bevor sie an ihrem Kaffee nippte, dann nickte sie fest. »Das ist mir natürlich klar. Es hat sich ohnehin schon genug geändert. Ich will jetzt nur noch eins. Nämlich endlich die Wahrheit wissen.« Sie hielt kurz inne und betrachtete die Kaffeetasse, die sie zwischen den Händen wog. »Ich muss einfach wissen, wo ich herkomme…«

»Bist du bereit, für dieses Wissen alles hier aufzugeben? Deine Familie? Deine Freunde? Dein gewohntes Leben?« Seine Fragen hagelten wie Pfeilspitzen auf sie herab und Gwen war sich augenblicklich gar nicht mehr so sicher, ob es wirklich nur noch um die Wahrheit ihrer Herkunft ging; Lokis Blick war bohrend, das Grün seiner Augen verzehrend in seiner Intensivität. Unbewusst sank sie unter der Präsenz seiner Nähe etwas in sich zusammen.

Gwen schluckte erneut hart unter seinem stechenden Fokus, dann nickte sie zaghaft. Sie hatte natürlich auch über diesen Fall nachgedacht, dass sie womöglich nicht zurückkehren könnte - wenn ihre Wurzeln tatsächlich in Asgard liegen sollten, dann würde sie der Allvater sicher nicht so einfach wieder ziehen lassen. Aber darüber konnte sie sich weiter Gedanken machen, wenn es wirklich so weit war; sie sollte sich nicht vorher mit dieser beklemmenden Möglichkeit belasten.

»Ja, dafür bin ich bereit.« Sie stellte ihren Kaffee beiseite und griff nach ihrer Gabel. »Allerdings hast du ja selbst gesagt, dass ich unbestreitbar ein Mensch und sterblich bin, also ist die Chance wohl eher gering, dass dieser Fall eintritt, ich für immer in Asgard bleiben und du mich ertragen musst, nicht wahr?!…« bemerkte sie dann mit einem schiefen Grinsen im Versuch eines Witzes und war selbst erstaunt über diese beklemmende Enttäuschung, die in ihrer Brust bei den eigenen Worten entstand. Eigentlich…wäre es doch gar nicht so schlimm, unsterblich zu sein…zumindest ein bisschen, um in Lokis Nähe bleiben zu können…

Gwen bemerkte verwundert, dass sich der Prinz neben ihr versteift hatte; seine schlanke Hand krümmte sich so angespannt um seine Kaffeetasse, dass sie augenblicklich Angst hatte, er würde diese zerbrechen. Sein Mund formte eine schmallippige Linie, als müsste er bittere Worte zurückhalten, welche seine starren Züge verformten. »Wahrlich, welch Glück für dich. Die Ewigkeit in Asgard wäre sicher auch kaum auszuhalten, noch dazu in Gegenwart eines verurteilten Eisriesen. Ich kann dich verstehen.« bemerkte er dann in unterkühlter Süffisanz und wenn diese seltsamen Emotionen in seinen Augen nicht gewesen wären, hätte Gwen ihm diese Gleichgültigkeit wirklich abgekauft.

Er verdrehte ihr die Worte im Mund.

Sie hatte das als Scherz gemeint, um die Stimmung ein wenig aufzulockern, doch anscheinend hatte Loki dies völlig falsch verstanden. Offenbar musste sie wirklich an ihrem Humor feilen…

Dachte er nach letzter Nacht tatsächlich, sie wäre froh, wenn sich ihre Wege trennen würden?

Natürlich muss er das denken, du dumme Kuh, meldete sich ihr Verstand hämisch zu Wort. Immerhin hast du ihm nie das Gegenteil gesagt.

Wie sollte sie ihm auch das Gegenteil sagen, wenn sie immer Angst haben musste, dass er dann Hals über Kopf flüchten würde?!

Gwen wollte versuchen die Situation zu retten und streckte eine Hand zu dem Magier aus, um die Finger auf dessen Unterarm zu betten. »Loki, du hast das falsch verstanden. Ich meinte nicht-«

Er unterbrach sie, entzog sich ihren Fingern, indem er sich zur Seite beugte und die Karaffe mit Orangensaft zu sich heranzog. »Wir werden als erstes Heimdall befragen müssen.« sprach er dann einfach, als hätte er sie gar nicht gehört, oder als wäre es ihm schlicht egal, was sie hatte sagen wollen.

Er goss sich Saft in ein Glas und nutzte diese Tätigkeit, um seine Augen vor ihr zu verbergen. »Er muss etwas wissen, was er verschwiegen hat.« erklärte er mit der Emotion eines Felsens.

Gwens Hand schwebte noch einen Augenblick schwerelos in der Luft, bevor sie die Finger krümmte und zu sich zurückzog. Befangen kaute sie auf ihrer Unterlippe und wandte sich verdrossen wieder ihrem Teller zu.

Schön, dann eben nicht…

Himmel, das war furchtbar. Gwen hatte das unbestreitbare Gefühl, dass diese Nacht zwischen ihnen nur alles noch schlimmer gemacht hatte; als würde Loki sich nun Mühe geben, die Mauern um sich nur noch höher und fester zu errichten.

Wo war nur der Mann hin, der sie gestern so sanft gehalten, so rücksichtsvoll mit ihr umgegangen war; der Mann, der sie so leidenschaftlich geküsst und berührt hatte, dessen heiserer Atem ihr Ohr wie seine zarten Worte gestreift hatte?

Gwen fiel es schwer, den Loki von gestern mit jenem Gott in Einklang zu bringen, der nun neben ihr saß.

Angestrengt schob sie das Rührei über ihren Teller und verbot sich vehement ein schweres Seufzen, obwohl sie innerlich mehr als ratlos und verzweifelt war.

Sie wusste einfach nicht, was sie falsch machte. Vielleicht hätte sie wirklich nicht mit Loki schlafen sollen, dann hätte sie seiner Art jetzt wesentlich mehr Selbstbewusstsein entgegenbringen können und müsste nicht mit dieser lächerlichen Enttäuschung kämpfen, die wie bittere Magensäure ihre Kehle erklomm.

»Denkst du wirklich, Heimdall hat etwas verschwiegen? Er wirkte auf mich eigentlich nie wie ein Lügner. Vielleicht weiß er ja wirklich nichts darüber.« wagte Gwen dann einzuwerfen und war froh, dass sie ihre Gedanken damit von diesen gierigen Parasiten namens Zweifel ablenken konnte, die an ihrem Herz nagten.

Wahrscheinlich war es besser, wenn sie sich gar nicht erst auf eine absurde Diskussion einließ; Loki wirkte bedrohlich angespannt und sie fürchtete sich vor seinen scharfen Worten, die in ihrem momentanen Zustand ihr innerstes zerfetzen würden wie dünnes Papier.

»Schon vor Odins Herrschaft war Heimdall Wächter über den Bifröst. Er diente bereits unter König Bor. Er verlässt seinen Posten beinahe nie, bis auf die wenigen Ausnahmen der Vergangenheit und seine Augen und Ohren sehen und hören fast alles. Er muss den Bifröst aktiviert haben, als du nach Midgard geschickt wurdest und das wahrscheinlich ohne Kenntnis des Allvaters, denn Odin wusste genauso wenig über dich wie wir alle.« resümierte Loki und schob Angel ein weiteres Stück Fleisch zu. Der Hund hatte sich inzwischen zu seinen nackten Füßen gebettet, sein Schwanz glitt träge über den Küchenboden.

»Heimdall soll das hinter Odins Rücken bewerkstelligt haben? Das kann ich mir fast nicht vorstellen. Was sollte er davon haben?« hinterfragte Gwen irritiert und kräuselte die Stirn, während sie die Krümel auf ihrem Teller mit dem Finger zusammenschob.

Der Wächter hatte auf sie immer einen äußerst loyalen und ehrbaren Eindruck gemacht. Solch ein Verrat passte definitiv nicht ins Bild.

»Nun, um zu erfahren, was ihn dazu antrieb, werden wir ihn wohl persönlich sprechen müssen.« Loki packte sich ein weiteres Stück Kuchen auf den Teller, hielt dann jedoch in seinen Bewegungen inne und seine Mundwinkel zogen sich verzerrt in die Höhe; er bleckte die Zähne unter einem schmerzlichen Knurren, zog die Luft scharf ein und presste sich eine Hand auf die Stelle seiner verwundeten Schulter.

Gwen stellte sofort ihre Tasse beiseite und wandte sich ihm zu, bettete eine Hand vorsichtig auf seinem Oberarm. Mitfühlend sah sie ihn an, Sorge erwachte in ihr. Obwohl die Wunde gestern schon fast verheilt ausgesehen hatte, war offenbar doch noch nicht alles ausgestanden. »Tut es noch immer weh?« fragte sie sanft.

Lokis Reaktion überrumpelte sie komplett; er sprang von seinem Stuhl auf und entriss sich ihr förmlich, bevor er mit glimmenden Augen auf sie herabstarrte, die dunklen Haare ein ungeordneter Vorhang, der ihm ins Gesicht gefallen war. »Ich bin ein Gott! Begreif endlich, dass ich dein Mitleid und deine Berührung nicht brauche, Mensch! Wie kannst du dir anmaßen, mich ständig zu einem wimmernden Welpen zu degradieren?! Ich brauche keine Hilfe! Das habe ich nie.« zischte er vernichtend und schleuderte ihr jedes Wort mit der Heftigkeit einer Ohrfeige ins Gesicht.

Angel hob alarmiert den Kopf vom Boden und fixierte den Gott mit einem warnenden Grollen.

Gwen zuckte getroffen zurück und tat hastig einen zittrigen Atemzug, dann stand sie fast fluchtartig von ihrem Stuhl auf und stieß dabei ihre Kaffeetasse an, welche ihren halben Inhalt in einem Schwall über dem Tisch verteilte.

Das Gefühl zu ersticken war beinahe übermächtig; ihre Finger schlossen sich um ihre Kehle, während sich Wut und Enttäuschung in ihrem Bauch zu einer flammenden Kugel ballten. »Schön, bitte. Wie du willst, Eure Rücksichtslosigkeit. Dann…dann leide eben, du dämlicher Idiot…« erwiderte sie verächtlich, bevor sie sich abwandte und eilig den Weg ins Bad suchte.

Ihre nackten Füße waren die einzigen Geräusche in der plötzlich totenstillen Hütte; leises Platschen auf dem polierten Holz nebst dem Tropfen ihrer Tränen.
 


 

Loki stieß die Luft in einem schweren Seufzen aus und schob sich das wirre Haar wieder nach hinten, während er der Sterblichen nachsah, die eilig im Bad verschwand. Die Tür fiel mit einem Krachen hinter ihr ins Schloss.

Immer schon war er so stolz auf seine Silberzunge gewesen und nun machte diese einfach, was sie wollte - spie Worte aus, die so unüberlegt gar nicht zu ihm passten. Der Magier hatte sich stets für einen Mann gehalten, der zuerst nachdachte und dann sprach; eine Eigenschaft, die ihn immer schon deutlich von Thor unterschieden hatte.

Doch die Menschenfrau brachte alles durcheinander.

Gwendolyn brachte ihn durcheinander.

Irgendwann musste er verlernt haben, mit ehrlicher, aufrichtiger Sorge und Aufmerksamkeit umgehen zu können; war er wirklich so hart und gefühlskalt geworden, dass alles an ihm abprallen wollte wie Regen von einem schützenden Dach?

Dieser Zustand war ihm lange Zeit als äußerst erstrebenswert erschienen, doch jetzt fühlte es sich nur noch seltsam leer und befremdlich an, eine Grenze um sich gezogen zu haben, die andere ausschloss.

Der Gott stützte das Haupt flüchtig in einer Hand und stieß ein trockenes, bitteres Lachen aus, dann fegte er seinen Teller mit einer herrischen Bewegung vom Tisch. Das Porzellan zerbrach klirrend auf dem Boden und ließ den Hund erneut den Kopf heben; Angel betrachtete ihn mit schräggelegtem Kopf aus klugen Augen, dann trottete selbst Fenrir davon, als könnte es eigentlich niemand in Lokis Gegenwart länger als ein paar Augenblicke aushalten, als wäre er es nicht wert - und diesmal hatte er es selbst verdorben und trug alleinige Schuld daran.

Diesmal konnte er nicht Thors ungestümes Wesen oder Odins Ungerechtigkeit vorschieben.

Loki hatte alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte. Er hatte das einzige Geschöpf außerhalb seiner Familie vertrieben, dessen Anwesenheit er ohne große Kopfschmerzen ertragen konnte und dessen Nähe wie Balsam für seine aufgeraute Psyche war; in Gwendolyns Gegenwart kamen seine Gedanken zur Ruhe und die listigen Stimmen in seinem Kopf verstummten.

Sie hatte ihn gestern Abend zusammengehalten, als er zu zerbrechen gedroht hatte.

Sie war dagewesen, als niemand sonst sich um sein Leid geschert hatte.

Sie hatte ihn ohne Scheu berührt, ohne Hemmungen, ohne nachzudenken; ihre Berührungen hatten die ersten, zerrissenen Stücke seiner Seele wieder zusammengefügt und ihn glauben lassen, dass es tatsächlich möglich war - dass auch er Frieden mit sich selbst finden könnte.

Und er benahm sich wie ein Schwachkopf ihr gegenüber; wie das Monster, das gerade sie nicht ihn ihm sehen sollte, nur weil er seine dämlichen Gefühle nicht unter Kontrolle hatte. Gerade Gwendolyn sollte ihn nicht fürchten.

Nun, das ist dir ja hervorragend gelungen, du Ausgeburt an Intelligenz, zog ihn sein Verstand spöttisch auf, der erschreckende Ähnlichkeit mit Odins Stimme aufwies. Du führst dich schon auf wie dein hirnloser Bruder. Erst zuschlagen, dann nachfragen. Wahrlich, eine Meisterleistung, Eure Hoheit.

Mit einem unzufriedenen Laut warf der Magier den gut gefüllten Tisch um; Teller, Platten und Karaffen zerschellten donnernd am Boden, Obst und Brötchen rollten wirr durcheinander, ein chaotisches Schauspiel an Farben, Formen und Geräuschen. Die Milch breitete sich wie ein reiner, weißer See über dem Holz aus, bevor die dunkle Flüssigkeit des Kaffees ihn verdarb und zu schlammigem Braun färbte.

Loki kam die Ähnlichkeit zu Thors Krönungstag in den Sinn; der Donnergott hatte ebenfalls enttäuscht seine Festtafel umgeworfen, zornig über den Verlauf der Zeremonie, welche sein größter Triumph hätte sein sollen.

Der Magier betrachtete seine Hände; ganz normale, blasse Hände, die ihm vertraut waren - nicht die kräftigen von Thor oder die blauen eines Eisriesen. In diesem Augenblick war er nur er selbst und nichts und niemand konnte ihm die Last seiner Taten abnehmen.

Niemand würde das jemals können…

Albern war es, doch Loki hätte in diesem Augenblick die Gegenwart seines Bruders begrüßt, als er sich kraftlos auf seinen Stuhl sinken ließ und das Gesicht hinter schlanken Fingern verbarg; Thor hatte wesentlich mehr Erfahrung mit Frauen und ihren Gefühlen und womöglich hätte Loki nun durchaus in Betracht gezogen, Rat bei dem Donnergott zu suchen - bei einem Bruder, der in solchen Momenten eine Stütze sein sollte.

So unerfahren Thor in Magie war, so unwissend war der Magier in Bezug auf die Gedanken und Bedürfnisse einer Frau; er fühlte sich hilflos und armselig, weil er diesem Problem nicht mit Logik begegnen konnte. Doch das innere Seelenleben folgte eben selten der Vernunft.

Was war nur mit ihm los, dass ihn die kleine Menschenfrau so aus dem Konzept brachte?

Gwendolyn rührte Punkte in ihm an, die zuvor niemals benutzt oder benötigt wurden waren und dementsprechend unsicher war er im Umgang mit ihr geworden - und die letzte Nacht hatte das nicht gerade besser gemacht.

Gwen hatte ihn in einem ungleich verwundbaren Moment erlebt, doch statt sich daran zu ergötzen hatte sie ihn mit ihren sanften Händen berührt, ihn gehalten und um ein Stück weit von der eigenen Abscheu geheilt - sie machte ihn wertvoll, besonders und einzigartig.

So lange, so beständig hatte er sein ganzes Leben über Stolz, Erhabenheit und Arroganz definiert; war kalt geworden, frostig fast wie das Erbe in seinen Adern - kalt, aber beherrscht, logisch und strukturiert. Selten hatte er sich mit den eigenen Empfindungen aufeinandergesetzt, wenn sie seinen Zielen nicht zuträglich waren - noch seltener hatte er schwach und verletzlich vor anderen erscheinen wollen und nun war ihm all das in nur einer Nacht widerfahren. Für den Magier war es furchtbar ungewohnt, einen anderen so tief in das eigene Seelenleben vordringen zu lassen. Noch dazu einen Menschen - eine Sterbliche!

Loki legte den Kopf mit einem erstickt humorlosen Lachen in den Nacken und starrte an die hölzerne Decke über sich, während sich der See aus Kaffee und Milch um seine Füße ausbreitete, seine Zehen umspielte wie die sanfte Meeresbrandung den Sand des Ufers.

Welch schäbige Ironie des Schicksals, dass nun gerade eines jener Wesen seine Heilung bedeuten könnte, welche er vor nicht all zu langer Zeit unter seine Herrschaft hatte zwingen wollen. Gerade von Gwendolyn hatte er eigentlich gar nichts zu erwarten und doch war sie zu seinem Anker im Tosen der Nacht geworden; in einem Sturm, der nur in seinem Inneren tobte und seine Seele aufs Neue zu zerfetzen gedroht hatte.

Sie hatte ihn angesehen wie einen Mann und nicht wie das Monster, für das er sich selbst hielt und obwohl er sich vor dieser Wärme hatte zurückziehen wollen, nach der sein innerstes so verzweifelt begehrte, war ihm sein Körper doch vehement in den Rücken gefallen und hatte ihn die kostbare Kontrolle einbüßen lassen.

Loki hatte die Sterbliche wirklich begehrt, oh, und wie er das hatte. Und er musste erkennen, dass er es immer noch tat, selbst jetzt nachdem sie diese eine Nacht miteinander geteilt hatten.

Er fühlte sich nicht befriedigt, sondern wie ein hungriger Wolf, in dem man mit einem kargen Bissen erst den wahren Hunger geweckt hatte.

Der Magier hatte tatsächlich einen lächerlichen Moment lang geglaubt, dass sein Verlangen nun gestillt sein würde, dass seine Neugier und Faszination auf eine körperliche Vereinigung nun schwinden würde, doch eher das Gegenteil war passiert; er hatte Gwendolyn bereits schon wieder nehmen wollen, als sie in diesem schäbigen, weiten Shirt, welches kaum ihre Rundungen verdeckte, in der Küchentür aufgetaucht war.

Er verzehrte sich nach ihrer Berührung, danach, dieses einzigartige Leuchten in ihren Augen zu sehen, wenn sie ihn schwer atmend fokussierte und ihre Körper eins waren; verzehrte sich nach dem wimmernden Seufzen seines Namens von ihren Lippen, nach dem Gefühl von Erhabenheit unter ihren Händen.

Loki hatte jetzt genau zwei Möglichkeiten…

Er konnte sich weiter in seinen unnützen Zweifeln verstricken und die Frau damit wahrscheinlich endgültig von sich stoßen oder aber er begann für seine Fehler gerade zu stehen und diese anzuerkennen, bevor ihm wieder alles, was ihm lieb und teuer war, wie altes Pergament unter den Fingern zerfiel, nur weil ihm sein Stolz als zu wichtig erschien…

Der Magier ließ seinen Kopf zurückfallen und fixierte die Tür des Badezimmers durch die Hütte hinweg, bevor er sich entschlossen erhob und mit einigen, großen Schritten über das Chaos in der Küche stieg; mit einem lapidaren Wink seiner Hand richtete sich der Tisch hinter ihm in einem magischen Säuseln wieder auf und die Unordnung sortierte sich durch Geisterhand zurück. Seine Unbeherrschtheit sollte immerhin kein Grund sein, gute Lebensmittel zu verschwenden.

Fenrir beobachtete ihn kritisch und wachsam, als der Gott, feuchte Fußabdrücke auf dem Boden hinterlassend, durch die Hütte schritt und vor der Tür des Badezimmers stehen blieb; dahinter war das monotone Rauschen der Dusche zu vernehmen.

Loki kreuzte den Blick des Hundes, der wieder neben dem Kamin Stellung bezogen hatte, unbeirrt und versichernd, bevor er die Klinke der Tür sachte herabdrückte und sich leise in den Raum schob.

Drinnen empfing ihn schwerer, feuchter Dunst und das Prasseln von Wasser auf kühlen Fliesen; der Magier zog die Tür hinter sich vorsichtig wieder zu und stahl sich auf leisen, geschmeidigen Sohlen an die Menschenfrau heran, die mit dem Rücken zu ihm unter der Dusche stand und seine Anwesenheit nicht zu bemerken schien. Ihre Kleider lagen achtlos zu seinen Füßen.

Wie ein Raubtier pirschte er sich an seine Beute; die Sterbliche hatte die Stirn an den kühlen Fliesen vor sich gebettet und die Hände neben sich an der Wand abgestützt - durch das Plätschern des Wassers vernahm er, dass sie irgendetwas vor sich hinmurmelte, ohne das er die Worte aus dem Rauschen gefiltert hätte.

Zu fasziniert war er von den glänzenden Wassertropfen, die tosend auf ihr Haupt und ihre Schultern trafen, von dort wie glitzernde Meteoriten in die Umgebung sprengten, bevor sich das Wasser seinen feuchten Weg über ihre Wirbelsäule hinab in die Spalte ihres Pos suchte.

Loki ließ sich tatsächlich von diesem Anblick fesseln und neigte den Kopf leicht, um diese delikate Aussicht von allen Seiten zu betrachten, während er sich unbewusst die Lippen leckte; ein dumpfes Geräusch forderte seine Aufmerksamkeit - Gwendolyn hatte eine ihrer kleinen Fäuste gegen die Wand geschlagen und fauchte unverständliche Worte vor sich hin. Offenbar war sie ziemlich wütend und enttäuscht und er konnte es ihr in diesem Augenblick auch schwer verdenken…

Der Magier trat zu ihr heran, stieg in die ebenerdige Dusche und achtete recht wenig darauf, dass das warme Wasser augenblicklich seine Kleider durchtränkte und ihm die Haare am Kopf kleben ließ; unvermittelt schlang er einen Arm um die Sterbliche und zog sie an sich, während er gleichzeitig ihre Faust davon abhielt, erneut gegen die Fliesen zu hämmern, indem er seine langen Finger um ihre Hand schlang.

Gwendolyn zuckte entsetzt zusammen und keuchte ein verblüfftes: »Oh Gott…Loki?!«, bevor sie sich schon in seiner Umklammerung umzudrehen versuchte. »W-was machst du denn hier?! Du hast mich erschreckt…« Doch der Magier hielt sie bestimmt an sich gedrückt, bettete den Kopf auf ihrer nassen Schulter und genoss das Kitzeln ihres nassen Haares an seiner Wange.

»Pssst…« raunte er gegen ihr Ohr und das träge Plätschern der Dusche. »Nicht reden. Bleib genau so.« Gwendolyn musste die Eindringlichkeit seiner Stimme erkannt haben, denn augenblicklich hörte sie auf, sich gegen seinen Griff zu stemmen und wurde still in seinem Arm. Loki ließ ihre Hand los und glitt mit nassen Fingerspitzen ihren Arm hinauf, beobachtete fasziniert, wie sich Gänsehaut über ihren Unterarm unter seiner Berührung ausbreitete.

Ihm würde es wahrscheinlich leichter fallen, das Folgende auszusprechen, wenn sie ihn nicht ansehen konnte; es war so schon schwer genug, diese Worte zu formulieren und damit einige Masken fallen zu lassen.

»Ich muss dich in aller Form für mein rüdes Benehmen um Verzeihung bitten, Gwendolyn Lewis.« begann er rau und bemerkte gar nicht, wie seine Fingerkuppen träge und geistesabwesend über die feuchte Bauchdecke der Sterblichen fuhren. »Ich habe definitiv meine Grenzen überschritten und einen Ton gebraucht, der deiner nicht angemessen war.« wisperte er bestimmt gegen ihr Ohr und schob seine Nase damit unbeabsichtigt in die feuchten Strähnen. »Außerdem habe ich es auch nicht so gemeint. Ich fürchte, ich muss mich erst daran gewöhnen und lernen, nicht hinter jedem Wort und jeder Berührung Spott oder Häme zu sehen.«

»Loki-« wollte sie erneut ansetzen, doch der Magier unterbrach sie abermals, indem er den Kopf schüttelte und ihren Arm losließ, um die Hand sanft über ihrem nassen Mund zu betten. Die Sterbliche versteifte sich leicht und ihr beschleunigter Atem streifte seinen feuchten Handrücken, doch sie wehrte sich nicht, sondern ließ sich ergeben gegen ihn sinken.

»Ich bin noch nicht fertig.« erklärte er ernst und bemerkte mit verstohlener Freude, dass ihre kleinen, köstlichen Brüste sich unter raschen Atemzügen hoben und senkten; ihre Hand fand seine Finger über ihrem Leib und legte sich dort nieder, bevor sie neugierig und fast begehrlich ihre Fingerspitzen über die angespannten Muskeln seines Unterarmes streifen ließ.

Gebannt beobachtete er die vorwitzigen Wassertropfen, welche an ihren Brustwarzen hängen blieben und dort verführerisch glitzerten, bevor diese sich lösten und dem hellen Schweif eines Kometen gleich zu Boden fielen; in Gegenwart der nackten Sterblichen wollte sich sein Verstand erschreckend schnell verabschieden und einem düsteren Verlangen Platz machen - eine Besitzgier, die sich überraschenderweise nur auf die Frau vor sich beschränkte.

»Du hast gestern Abend etwas unvergleichliches für mich getan, Gwendolyn…« setzte er erneut an. Seine eigene Stimme klang seltsam belegt und fremd in seinen Ohren; holprig und nicht so glatt wie gewohnt. Die Silberzunge wurde schwer unter dem Vorhaben, Dank zu formulieren. »Du bist nicht zurückgewichen, als ich es erwartet hätte. Du bist geblieben, als ich schwach und angreifbar war, hast dich nicht um mein Aussehen oder meine Herkunft geschert und diese Schwäche ausgenutzt, wie es wahrscheinlich viele getan hätten. Du hast nicht das Monster in mir gesehen, von dem die Asen ihren Kindern Schaugeschichten erzählten. Du hast mich nicht wie einen Ausgestoßenen behandelt, dich um meine Wunden gekümmert und mir deine Fürsorge zukommen lassen. Dafür danke ich dir...« endete er rau, unsicher, wie ihre Reaktion wohl ausfallen würde.

Loki lockerte die Umklammerung ihrer zarten Gestalt und bettete die Hände nun auf ihren schmalen Schultern, verrieb die glänzenden Wassertropfen dort und hauchte dann gegen ihr Ohr: »Kannst du einem Eisriesen seine unbedachten Worte vergeben? Räumst du mir die Gelegenheit ein, es wieder gut zu machen…?« Unter seiner lockenden, weichen Stimme erschauderte ihre zarte Gestalt, vielleicht auch unter seinen Lippen, die sich völlig selbstständig auf die nachgiebige Haut ihrer Halsbeuge senkten.

Wahrlich, Loki war nie sonderlich gut darin gewesen, um Vergebung zu bitten oder darin, den Wert anderer Geschöpfe zu schätzen, die seiner Auffassung nach unter ihm standen - allerdings war er schon immer lernfähig und mit einer raschen Auffassungsgabe gesegnet und er wusste, dass die kleine Sterbliche eine Schwäche für ihn hegte, die er ohne Bedenken einsetzen würde, um sie bei sich behalten zu können. Er wollte sie besitzen.

Sanft schob er ihr nasses Haar beiseite und registrierte unter einem durchtriebenen Schmunzeln, wie Gwendolyn sofort ihren Hals instinktiv neigte, um seine Lippen zu locken; er ergab sich der Verlockung willig und fuhr mit dem Mund die feuchten Spuren des Wassers nach, tauchte seine Zunge in das warme Nass und trank es von ihrer Haut.

Die Sterbliche gab ein erstickt verdrossenes Geräusch von sich, bevor sie zu ihm herumwirbelte und ihm die kleinen Hände auf die nackte Brust presste, um ihn auf Abstand zu halten; die Wassertropfen auf ihren Brüsten erzitterten unter tiefen Atemzügen und sie hatte das Haupt gesenkt, sodass die nassen, roten Haare einen Großteil ihrer Züge vor ihm verbargen.

Fast bewunderte er ihre Standhaftigkeit. Sie war nicht sogleich unter seinen Berührungen eingeknickt, wobei er ihre Erregung fast riechen, beinahe auf der Zunge schmecken konnte; ihre Wut schien unter seinen Worten verraucht zu sein, was sie offenbar zu ärgern schien.

Es wäre gewiss ein leichtes gewesen, ihren schwachen Widerstand zu durchbrechen und sich das zu nehmen, wonach sein Körper erneut dürstete wie ein verlorener Wanderer in der Wüste nach Wasser - doch sein Respekt vor ihr hielt den Magier auf, obwohl er durchaus Unbehagen verspürte, dass sie ihm womöglich nicht vergeben würde…

Gwendolyn seufzte schwer. »Loki, hör mal…« begann sie dann zaghaft, aber bestimmt. Ihr Blick hob sich und ihre hellen Augen funkelten ihm unter dem Durcheinander der roten Flut ihrer Haare entgegen. »Zu allererst muss ich dir sagen, dass ich es furchtbar finde, dass du offenbar in der Annahme lebst, dich für gestern Abend, meine Hilfe und Reaktion dir gegenüber bedanken zu müssen…« Sie hielt kurz inne und sah zur Seite, während sie sich fast unschlüssig auf der Unterlippe kaute, dann hob sie eine Hand zu seiner Wange und berührte ihn nach einem kurzen Zögern erneut so zart, dass etwas in ihm zerbrach; ein Nachhall wie klirrende Kettenglieder stob durch seine Knochen. »Das war selbstverständlich, Loki. Ich wüsste nicht, warum ich dich hätte fürchten sollen. Niemand sollte sich selbst für seine Herkunft verurteilen müssen. Du bist Loki, egal in welcher Gestalt und nicht dein Aussehen bestimmt, wer du bist, sondern dein Handeln.«

Selbstverständlich. Schon wieder dieses Wort - die Sterblichen waren oft so albern selbstlos, so freigiebig in ihren Gefühlen; etwas, was Loki noch nie wirklich verstanden hatte.

Folgte nicht erst auf Leistung auch ein Verdienst? Musste man sich Ansehen, Zugehörigkeit und Liebe nicht durch harte Arbeit erwerben?

Konnte man nicht erst Achtung erwarten, wenn man sich derer verdient gemacht hatte?

Der Magier hatte stets nach diesem Grundsatz gelebt und sich jedes Fünkchen Anerkennung und Freundlichkeit von seitens Odin hart erkämpft; scheinbar war ihm nie etwas zugeflogen, doch musste er jetzt erkennen, dass auch er schon Selbstverständlichkeit erfahren hatte - die Natürlichkeit der Liebe einer Mutter.

Er war nur immer zu blind gewesen, es zu sehen; hatte diese guten Dinge verdrängen lassen durch Neid, Missgunst und Bitterkeit.

»Und zweitens…« Gwendolyn holte tief Luft und registrierte mit einem fast schockierten Blinzeln, dass sich ihre verbliebene Hand auf seiner Brust selbstständig gemacht hatte und ihre Finger unter den nassen Stoff seiner Tunika geglitten waren. Sogleich zog sie ihre Hände von ihm zurück und schlang die Arme um sich selbst, als wollte sie ihre Finger so krampfhaft bei sich behalten. »…d-du kannst nicht immer erwarten, dass du nur mit deinen Küssen…und…und deinem Körper kommen brauchst, wenn du etwas verbockt hast und ich verliere den Verstand. Weißt du, so einfach ist das nicht…auch nicht für einen Gott…auf Midgard laufen die Dinge ein bisschen anders. S-sex ist kein Mittel zum Zweck!« wies sie ihn nicht halb so energisch zurecht, wie sie es wahrscheinlich beabsichtigt hatte. Obwohl sie ihm einen Zeigefinger mahnend vor die Nase hielt, glitten ihre Augen über seine entblößte Brust und blieben an der durchweichten Hose hängen, unter deren Material sich seine erwachte Erregung deutlich abzeichnete. Loki machte sich auch gar nicht die Mühe, seine Begierde zu verbergen und schob sich einen gleitenden Schritt auf Gwen zu.

Sie leckte sich die Lippen und schüttelte dann vehement den Kopf, um sich von diesem Anblick loszureißen, bevor ihre Handflächen schon wieder auf seine Brust trafen in dem eher kläglichen Versuch, ihn auf Abstand zu halten. Sie wollte sich also unbedingt gegen etwas wehren, wonach ihr Körper doch eh schon verlangte.

»Nicht…?!« Er zog eine Braue zweifelnd in die Höhe und ließ die Hände dann so untermittelt gegen die Fliesen neben ihrem Kopf krachen, dass sie erschrocken zurückzuckte und mit großen Augen zu ihm aufsah; sein Körper schmiegte sich gegen den ihren.

Lauernd beugte er sich nach vorn, nah vor ihre Lippen, die sie erwartungsfroh öffnete, was ihm ein selbstsicheres Grinsen entlockte. »Und ich dachte, du würdest meine Zuwendung begrüßen…?« säuselte er mit dem schweren Samt der Verführung, drückte gespieltes Bedauern aus.

Gestern Nacht hatte sie die Zügel in der Hand gehalten - doch jetzt war er dran.

Sein Stolz wollte sich Würde und Macht zurückerobern; das heisere Flehen der Sterblichen, ihre Lust.

Eine seiner Hände löste sich nun von den glatten Fliesen und strich an ihrem Körper hinab, dem Weg folgend, den vorher unzählige Wassertropfen genommen hatten; primitive Gelüste hatte Loki selten erlebt, doch nun spürte er, wie ein Welle aus roher Begierde ihn überrollte, als die kleine Menschenfrau unter seinen Fingerkuppen merklich erbebte.

»Ich…was…ja schon, aber…s-so geht das nun mal nicht…« Gwendolyns Stimme wurde immer schwächer und wenig überzeugend. Ihr Atem traf heiß und rasch auf seine Lippen, ihre Lider flatterten unter dem brechenden Widerstand ihrer Sehnsucht; es war so berauschend, dieses Verlangen in ihren hellen Augen aufleuchten zu sehen - Verlangen nach ihm, nur nach ihm. »D-du hast dich unmöglich benommen und ich bin…ich bin…noch immer sauer…auf dich…«

»Lass mich Wiedergutmachung leisten…« raunte Loki. Das brachte sie zum seufzen, beschleunigte ihren Herzschlag, der merklich gegen seine Handfläche donnerte und ließ ihre Wangen unter einer seichten Röte erblühen, während seine Finger langsam und gemächlich über ihre feuchte Haut rieben - der Gott beobachtete jede Reaktion von ihr wie ein findiger Forscher, studierte mit düsterer Gier, wie seine Fingerkuppen das Blut unter ihrer Haut vertrieben und diese mit sanftem Druck quälten.

Und wusste, er hatte gewonnen…

Sie liebten sich heftiger als in der letzten Nacht; ungestümer und ohne Zurückhaltung oder vorgeschobene Vorsicht.

Loki spürte seine Konzentration weichen und das Nachgeben des Zaubers, der die Hütte verhüllte, doch es war ihm egal; seine Aufmerksamkeit sollte nun allein bei der Frau liegen, die sein Arm nun näher an sich presste, sie zwischen seinem harten, glühenden Körper und der Wand einpferchte.

Der Magier war all die Jahre blind gewesen - mit all seiner Logik, seinem Verstand und seiner Bildung war er doch unwissend; er hatte nie nachvollziehen können, warum Fandral immer so versessen darauf gewesen war, die Nächte zwischen den Beinen möglichst vieler Frauen zu schlafen.

Er hatte nie verstanden, warum Thor sich von so vielen Asenfrauen willig um den Finger wickeln und das Bett hatte wärmen lassen.

Und nun, mit einem Mal, in diesem Augenblick, lüftete sich dieses Geheimnis auch für Loki; süßes Vergessen trieb auf den Wogen der Wollust, eine gänzlich andere Welt eröffnete sich in der ehrlichen Begierde einer Frau - eine reine, eine unverfälschte Welt, in der Mann und Frau nur aus den Elementen ihrer Erschaffung bestanden, instinktgetrieben und aufrichtig, so man das passende Gegenstück zu seiner Lust fand und das Lager nicht nur aus Not, mangels an Alternativen oder Zwängen teilte.

Sex war nicht nur körperliche Erleichterung. Er war eine Befreiung.

Feuer durchdrang Lokis eisige Gestalt, fachte sein Herz an und erwärmte seine Venen, selbst durch das Blut eines Eisriesen; Gwendolyns Blick war entrückt, ihr Körper brannte für ihn, als sie den Kopf zurückkippen ließ und ein langgezogenes Stöhnen ausstieß.

Ein letzter, fast verzweifelter Stoß, bevor Loki die Fesseln durchbrach, die das Feuer zurückgehalten hatten; jenes loderte hell auf und verschlang seine Gestalt in einem Brüllen, welches in seinen Ohren summte und ihm für einen Moment die Sicht raubte, bevor seine Stirn kraftlos gegen die der Sterblichen sank und er ihr in einer unüberlegten Reaktion einen weichen Kuss auf die Wange setzte.

Das Wasser der Dusche löschte ihre Leidenschaft sanft und langsam, sodass es lange nur ihre schnellen Atemzüge waren, die an den Wänden widerhallten neben dem Gurgeln des Wassers, welches die Spuren ihrer Zusammenkunft hinfort spülte.

Vorsichtig setzte der Magier Gwendolyn wieder auf ihre eigenen, wackeligen Beine ab und genoss ihre Schwäche, als sie sich seufzend gegen ihn sinken ließ und den Kopf auf seiner Brust bettete.

»D-damit das klar ist…« begann sie nach einer Weile mit schwächlicher Stimme und hob das Gesicht zu ihm an. In einer für ihn ungewohnt zärtlichen Geste strich er ihr die feuchten Haarsträhnen aus dem Gesicht und ergötzte sich an ihren noch immer brennenden Wangen und dem flatternden Puls an der Seite ihres zarten Halses. »Ich bin noch immer sauer auf dich…« erklärte sie ihm mit vorgeschobener Unterlippe; ein wahres Abbild an Standhaftigkeit und Überzeugung, da sie kaum allein stehen konnte und sich wohlig an ihn klammerte. »D-das eben ändert gar nichts! Du bist trotzdem ein Idiot und ein arroganter Mistkerl noch dazu. Wir müssen wirklich an deinen Umgangsformen feilen!«

Wir. Der Magier wusste nicht, warum er es als so wichtig empfand, dass sie von wir sprach, doch irgendwie beruhigte es ihn.

Loki lachte befreit, bevor er ihr Kinn anhob und ihren noch immer verklärten Blick eindringlich fing. »Ich dachte, dass hätten wir eben getan?« raunte er mit dieser polierten, süffisanten Stimme, welche sie erschaudern ließ. Bezeichnend zog er eine Braue in die Höhe und enthüllte ihr ein schamlos breites Grinsen.

Dann griff er um die Sterbliche herum und stellte das Wasser endlich ab, bevor er sie unvermittelt auf seine Arme hob. »Oder soll ich dir in einer weiteren Unterweisung meine aufrichtigen Bemühungen erneut näher bringen?«
 


 

Beine waren zum laufen da. Und zum stehen. Sie sollten uns Halt geben, uns stützen.

Diese Wahrheit hatte Gwendolyn irgendwann einmal gekannt. Irgendwann…

Heute allerdings hegte sie an dieser Behauptung ehrliche Zweifel, denn ihre Beine waren wie Wachs; wie ziemlich nachgiebiges Wachs, das gerade unter einer hell lodernden Kerzenflamme zerschmolz. Oder unter dem intensiven Gletscherblick eines Gottes…

Gwen sammelte wackelig ihre verstreuten Kleider vom Boden der Hütte auf, die über Nacht vor dem Kamin getrocknet waren und zwang sich mehr als krampfhaft dazu, bloß keinen Blick zu Loki hinüber zu werfen, der sich geschmeidig und geschickt wieder in seine Rüstung hüllte.

Sie konnte wirklich nicht erneut riskieren, die roten Spuren ihrer eigenen Nägel auf seinem blassen Rücken zu sehen, denn das hätte sie nur zu intensiv und zu bildhaft daran erinnert, was sie in der Dusche getan hatten…und danach im Bett…noch zwei Mal…

Gwen schloss die Augen unter einem verhaltenen Seufzen, bevor sie sich ihre Jacke überwarf und es begrüßte, das Angel schwanzwedelnd an ihre Seite getrottet kam und nach Aufmerksamkeit verlangte. Sie ließ sich auf der Kante des Bettes nieder und schlüpfte rasch in ihre Stiefel, bevor sie dem Hund ausgiebig die Ohren kraulte.

Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, dem Gott so schnell zu vergeben; sie war wirklich stinksauer auf ihn und sein rüpelhaftes Verhalten gewesen. Allerdings…nach dieser Aktion in der Dusche und seiner Entschuldigung zuvor, wie hätte sie ihm da wirklich noch böse sein können?

Gwen strich gedankenverloren durch Angels Fell und schielte zu dem Magier hinüber, der sich eben seinen ledernen Mantel übergeworfen hatte und nun seine goldenen Armschienen mit einem hellen, metallischen Geräusch zuschnappen ließ; seine Bewegungen wirkten routiniert und sicher, er selbst völlig aufgeräumt und kühl, als wären die letzten Augenblicke wieder einmal nichts mehr als flüchtige Hirngespinste in ihrem eigenen Kopf gewesen.

Ihr ganzer Körper schlackerte dafür noch immer wie Wackelpudding, ihre Knie waren weich wie Butter, ihre Haut überempfindlich, ebenso wie ihre Brüste und die Stelle zwischen ihren Beinen, die noch immer von Lokis Eroberung glühte.

Sex mit Loki war…war…göttlich.

So albern es klingen mochte, selbst in ihren eigenen Gedanken, doch anders konnte sie es nicht beschreiben. Es war nicht so, dass der Gott ihr erster Liebhaber war - bei weitem nicht - und Gwen hatte definitiv auch schon recht guten Sex in ihrem Leben gehabt, aber der Prinz liebte einfach anders…

Jeder Moment mit dem Prinzen war einschneidender. Fordernder. Nachhaltiger.

Dieser Mann war wie ein Sturm, den nichts binden und nichts fesseln konnte; selbst wenn er sie langsam nahm, so war diese unbezähmbare Wildheit in seinen angespannten Muskeln und Sehnen spürbar - so kühl, beherrscht und fast schon skrupellos Loki in seinem persönlichen Ehrgeiz wirken konnte, so leidenschaftlich brodelnden die Dämonen in ihm und brachen stückweise an die Oberfläche, wenn er sich gehen ließ und die Kontrolle über Körper und Geist um ein Stück weit fallen ließ.

Der Gott zelebrierte Sex mit einer Intensität, die fast an Besessenheit grenzte; auf Gwen wirkte es, als würde er wirklich jeden Augenblick auskosten und bis zur Perfektion ausreizen wollen - als würde er diese Freuden, die zwei Körper sich schenken konnten, gerade erst entdecken und jene so sorgfältig sondieren wie ein begeisterter Forscher, der eben den größten Fund seines Lebens gemacht hatte.

Loki konnte einer Frau tatsächlich das Gefühl geben, etwas ganz besonderes zu sein, allein davon, wie er einen ansah und mit einem sprach; Gwen erinnerte sich an den Anblick des durchweichten Gottes zu ihren Füßen, wie er vor ihr gekniet und diese unglaublichen Augen mit einem so durchdringenden Blick zu ihr aufgesehen hatten, dass sie kurz davor gewesen war, ihm wirklich alles zu verzeihen…

Gwen schüttelte bestimmt den Kopf, um dieses Bild aus ihren Gedanken zu verscheuchen und schnürte dann ihre Stiefel, während ihr Angel die Schnauze auffordernd in die Seite stieß und nach einer weiteren Portion Streicheleinheiten verlangte.

Loki war wirklich ein Meister in Gesten, Mimik und Worten; sicher konnte er einem alles glauben machen, was er wollte - und genau da lag das Problem; Gwens Finger hielten kurz inne und sie starrte auf ihre Stiefelspitzen.

Letzte Nacht hatte sie flüchtig das Gefühl gehabt, dass sie ihm zumindest wichtig war und auch seine Entschuldigung sprach eigentlich dafür, denn der Gott war gewiss niemand, der jemandem hinterherlaufen würde, der ihm schlichtweg egal war.

Er hatte überraschenderweise eine unsichere Seite von sich offenbart, Gwen sehr respektvoll um Verzeihung gebeten und sie hatte nicht das Gefühl gehabt, dass es gespielt gewesen wäre, doch vielleicht sollte sie nicht vergessen, dass Loki noch immer der Gott der Lügen war - sie wollte ihm wirklich vertrauen, allerdings war es noch immer schwer, mit seinen wechselnden Gemütszuständen und Launen umzugehen.

Er konnte freundlich sein, fast schon liebevoll und man mochte beinahe glauben, dass er sich tatsächlich um ein Stück weit geändert hatte und dann aber, im nächsten Augenblick schon, war er wieder arrogant, kalt und grausam wie zu Anfang und zog diese betonte Grenze zwischen Mensch und Gott.

Gwen ahnte, dass Loki noch immer mit sich selbst haderte; wahrscheinlich war er immer mit sich selbst im Zwiespalt, zerstritten und zerrissen zwischen so vielem, was ihn geprägt und zu dem Mann gemacht hatte, der er heute war. Um ein Stück weit konnte sie seine Unsicherheit verstehen, allerdings war sie weit davon entfernt, ihm deswegen alles zu vergeben und blind zu vertrauen.

Ihr Herz hatte in der Vergangenheit definitiv einmal zu oft gelitten, als das sie sich nun völlig auf ihre Gefühle verlassen und diesen folgen würde; sie hatte sich in Loki verliebt, ja, allerdings war das kein Freibrief für ihn, sie weiterhin wie eine wahllose Spielfigur zu behandeln. Sie wusste um seine Schwächen und seine Probleme, allerdings auch um seine Vergehen und sie tat wahrscheinlich gut daran, über ihren kopflosen Gefühlen nicht alles zu vergessen, was er darstellte.

Gwen wollte Loki gern geben soviel sie konnte, doch sie war auch in der Pflicht, ihr Herz zu schützen, denn niemand würde ihr das ersetzen, wenn es am Ende ihrer Reise zerbrochen im Staub liegen würde.

Auch ein Gott musste irgendwann lernen, dass es gewisse Grenzen im miteinander mit anderen gab, die man nicht leichtfertig überschreiten sollte. Und obwohl Gwen wirklich eine ausgemachte Schwäche für den Magier hegte und er durchaus einen Weg gefunden hatte, sie wieder wohlgesonnen zu stimmen, so war sie allerdings fest entschlossen, sich nicht ewig auf diese Weise von ihm einwickeln zu lassen.

Naja, zumindest war ihr Geist entschlossen, ihr Körper allerdings war da ganz anderer Meinung…

Ihr Blick hob sich zögerlich wieder an und begegnete über den Raum hinweg Lokis, der gerade von den Verschlüssen seines Mantels aufsah. Das bekannte Prickeln breitete sich wieder in ihren Knochen aus und jagte ihr wohlige Hitze in die Wangen; anstatt die Augen allerdings beschämt zu senken, begegnete sie Lokis wissendem Blick starrköpfig und ließ dadurch ein amüsiertes Schmunzeln auf seinen Lippen erblühen.

»Du siehst ziemlich erschöpft aus. Vielleicht solltest du noch etwas essen, bevor wir uns auf den Weg machen.« schlug der Magier sachlich vor; offenbar fand er es verwunderlich, aber durchaus amüsant, dass ihre Ausdauer nach einigen Runden durch die Laken wälzen nicht mehr die Beste war.

Vielleicht sollte sie eher aufhören, dem Gott zu verfallen…war wahrscheinlich zuträglicher für ihren Körper.

Gwen verkniff es sich, einen bissigen Kommentar loszuwerden, außerdem musste sie ihm eh irgendwie Recht geben; ihr Magen wäre garantiert über eine erneute Energiezufuhr alles andere als verstimmt. Also erhob sie sich auf ihre schwankenden Beine und schaffte es sogar, die Distanz zur Küche ohne größere Peinlichkeiten zu überbrücken. Es hätte wohl gerade noch gefehlt, dass sie Loki förmlich vor die Füße fiel.

»Brauchst du Hilfe?!« zog der Magier sie mit einem verschmitztem Grinsen auf, als sie kurz gegen den Rahmen der Küchentür sackte, in welcher er Stellung bezogen hatte.

Mit einem verstimmten Schnaufen schob sie ihn beiseite und wankte zum Tisch hinüber. »Nein, danke.« Dort ließ sie sich kurz auf einem Stuhl nieder und angelte sich ein besonders großes Stück Schokoladenkuchen heran.

Loki beobachtete sie unter einem nachdenklichen Schmunzeln, bevor sein Blick flüchtig auf den Hund fiel, der im Wohnraum der Hütte umherschnupperte. »Willst du Fenrir eigentlich mitnehmen?« fragte er Gwen unvermittelt und sah die ernsthaft an.

Sie leckte sich die Finger gerade sauber, bevor sie nach einem Brötchen griff und dieses zweckdienlich in der Mitte brach, um eine Scheibe Käse und Wurst hinein zu klemmen. »Ich weiß nicht…« gab sie verhalten zu, bevor sie herzhaft in ihr Brötchen biss. Bisher hatte sie sich gar keine weiteren Gedanken darüber gemacht, wo der Hund nun verbleiben sollte. »Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn er bei meinen Eltern bleibt?! Mir wäre wahrscheinlich wohler, wenn ich wüsste, dass er auf sie acht gibt.« schlug sie unsicher vor.

»Hm-hm.« Loki rieb sich nachdenklich das schmale Kinn und ließ seine Augen grübelnd durch die Gegend wandern. »Allerdings verlierst du dann auch einen treuen und zuverlässigen Beschützer.« gab er zu bedenken.

Gwen wischte sich die Hände an ihrer Hose sauber und stand dann wieder auf, um sich ein Glas mit Saft zu füllen und dieses in einem Zug zu leeren. »Ich dachte eigentlich, dafür wärst du da?!« neckte sie den Gott mit einer bedeutsam gehobenen Braue. »Oder fühlst du dich dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen?«

Lokis Lippen teilten sich unter einem dieser wirklich hinreißend durchtriebenen Grinsen, die Gwens Herzschlag in ungeahnte Höhen trieben und gar nicht gut für ihre geistige Verfassung waren. »Oh, du solltest deine Worte weiser wählen, Gwendolyn…« meinte er tadelnd mit dem Schnalzen seiner Zunge. Er stieß sich vom Türrahmen ab und schlenderte elegant zu ihr herüber, um eine Erdbeere von einer der Platten zu pflücken und diese sanft gegen ihre Lippen zu schmiegen. Völlig willenlos öffnete sie den Mund und biss von der süßen Frucht ab. »Immerhin bin es nicht ich, dessen Beine gerade kaum dazu dienen wollen, sein Gewicht zu tragen. Die Frage ist doch eher, fühlst du dich mir gewachsen…?« hauchte er sinnlich, während er sich zu ihr herabbeugte und den Anschein erweckte, als wolle er die Reste des süßen Saftes von ihren Lippen lecken.

Allerdings wurde sein Blick wieder nachdenklich und er begnügte sich damit, die rote Spur der Frucht mit dem Daumen von ihren Lippen zu wischen. »Vielleicht wird es Zeiten geben, in denen ich nicht immer bei dir sein kann.« gab er ernst zu bedenken; eine Vorstellung, die Gwen gar nicht gefiel.

Angel war zu ihnen in die Küche getrottet und hatte neben Gwen Stellung bezogen; die plötzlich wachsame Spannung des Tieres und dessen starr aufgerichtete Ohren das erste und einzige Anzeichen, dass sich die Atmosphäre geändert hatte - etwas lag in der Luft wie das schwere Atemholen eines Riesen, drohend und unheilvoll.

Das helle Geräusch eines zersplitternden Fensters brach durch die trügerische Illusion der Ruhe, so hoch und misstönend wie der gellende Schrei einer Harpyie; Glas traf in einem hellen Klirren auf den Boden und zerstreute sich wie glänzende Schneekristalle über das dunkle Holz.

Ein metallener Pfeil traf Loki mit Wucht in die Schulter und warf den Gott zurück; die schimmernde Spitze durchbrach surrend Leder und Stoff, bevor der Schaft wie ein wippendes Mahnmal in seinem Fleisch stecken blieb.

Gwen keuchte entsetzt auf und stolperte an den Tisch zurück, der unter ihrem hektischen Rückschritt ins Ungleichgewicht geriet und scheppernd ein paar Teller und Flaschen abwarf; die Gestalt des Magiers löste sich in einem schimmernden Trugbild vor ihr auf, der Pfeil fiel ungefährlich klappernd zu Boden und ein völlig unversehrter Loki tauchte neben ihr auf, packte sie unsanft am Arm. Seine Finger gruben sich spürbar in ihren Oberarm und lösten Gwen aus ihrer Schockstarre. »Zeit zu gehen…« raunte der Gott dringlich.

Gwen kannte diese Art Pfeile; diese metallischen Geschosse mit den unverwechselbaren, austauschbaren Spitzen, die jeder Situation angemessen gewählt werden konnten; sie selbst hatte bereits Artikel über Hawkeye geschrieben.

S.H.I.E.L.D hatte sie also gefunden - der glänzende Pfeil spiegelte das Sonnenlicht und zwinkerte ihr wie zur Bestätigung zu.

Lokis Frist war abgelaufen.

Direktor Fury machte seine Drohung wahr.

Sie kamen, um sich ihre Rache zu holen; wahrscheinlich war die Hütte schon umstellt, obwohl der angrenzende Wald jegliche Schatten verhüllte und der See wie eine spiegelgleiche, ruhige Fläche erschien. Nichts deutete auf Gesellschaft hin, außer der verräterische Pfeil, der nun in der Küche am Boden lag, umringt von der blütenweißen Flüssigkeit der zerbrochenen Milchflasche.

Der Magier zerrte Gwen hinter sich her, die stolpernd seinen großen Schritten folgte, während Angel aufgeregt um sie beide herumsprang und das schwarz-weiße Fell drohend aufgerichtet hatte. Der Hund knurrte erregt und seine eisblauen Augen verfärbten sich für den Bruchteil einer Sekunde in bedrohliches Orange.

Loki blieb kurz stehen, die blasse Stirn in angestrengte Falten gezogen, während sich sein schneidender Blick durch die Hütte bewegte; er sondierte offenbar ihre eher geringen Möglichkeiten hier ungesehen wegzukommen.

Der nächste Pfeil durchbohrte mit einem misstönenden Surren das Fenster des Wohnraums, krachte dem Magier unvermittelt zwischen die Schulterblätter und ließ ihn straucheln, einen taumelnden Schritt nach vorn machen; Gwen stieß einen schockierten Laut aus und stürzte intuitiv auf Loki zu, während sich Blut ähnlich einer grotesken Blume auf dem dunklen Leder seines Mantels ausbreitete und träge an dem Material leckte. »Oh Gott…Loki…«

Doch der Prinz wirbelte mit verbissener Miene zu ihr herum und stieß sie entschieden von sich; Gwen stolperte unter der Wucht seines Stoßes und prallte schmerzhaft gegen die hölzerne Wand im Rücken, die Maserung der Balken ein überdeutliches Echo in ihren Knochen.

Loki wurde darauf in einem Netz aus energetischen Funken gefangen, welches sich wie ein Käfig aus der Spitze des Pfeiles entfaltete und um seinen Körper schlängelte; der Gott bäumte sich unter Qual auf, bevor er mit einem knurrenden Ächzen in die Knie brach, das Gesicht in Schmerz und Wut verzerrt, eine bizarre Maske aus Pein formend, die durch hervorstoßende Wangenknochen und eine verkrampfte Kieferlinie begrenzt wurde.

Seine Glieder zuckten unter dem Schmerz des elektrischen Schocks und warfen ihn gekrümmt auf die Seite, während die Lippen des Gottes aufbrachen und hektisch nach Luft schnappten. Seine Finger krümmten sich zu Klauen und versuchten vergeblich den feststeckenden Pfeil auf seinem Rücken zu erreichen. Seine dunklen Haare breiteten sich wie ein finsterer Strahlenkranz auf dem Boden um seine bleichen Züge aus.

»LOKI!« Gwen stieß sich von der Wand ab und wollte dem Magier zu Hilfe eilen, als die Tür der Hütte unter einem gewaltigen Knall aufflog und sich eine muskulöse Gestalt mit einem kreisrunden Schild bewaffnet durch die erzwungene Öffnung drängte; im gleichen Augenblick schlangen sich zwei starke Frauenarme um Gwen und rissen sie damit zurück, bevor sie den Magier erreichen konnte. Eine weibliche, doch dadurch nicht weniger entschlossene Stimme neben ihrem Ohr verlangte in eiskalter Ruhe: »Verhalten Sie sich still, dann passiert Ihnen vielleicht nichts.«

Gwen erhaschte den Eindruck von rotem Haar, welches definitiv nicht ihr eigenes war, aus dem Augenwinkel - Black Widow. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie die Agentin die Hütte betreten hatte. Für einen Moment war sie so überrumpelt, dass sie gar nicht an Gegenwehr dachte.

Captain America betrat in seiner typischen Kampfmontur die Hütte und bewegte sich sofort in geduckter Angriffshaltung zu dem Magier hinüber, der seinen Glutfunken sprühenden Blick voller Hass auf den Soldaten richtete. »Loki, ergeben Sie sich ohne Gegenwehr, dann können wir von weiterer Gewalt absehen.« sprach der Captain im Brustton der Überzeugung; offenbar war ihm daran gelegen, die Sache ohne große Schmerzen auf beiden Seiten über die Bühne zu bringen.

Ergeben?! Hätten sie diese Forderung nicht zuerst stellen sollen, bevor sie angefangen haben, auf den Magier zu schießen?! Gwen begann sich störrisch und wütend in der Umklammerung der Agentin zu winden.

Obwohl der Gott noch immer in dem Netz aus gleißenden Elektroden gefangen war, war seine schwelende Wut beinahe greifbar spürbar; eine seiner Hände zog verschlungene, ruckartige Bewegungen durch die Luft, als würde er einen Zauber formen, während das Knistern der statischen Energie überlaut in den Ohren brannte.

Gwen wehrte sich nun verbissen gegen die Arme Black Widows und spie ihre Verachtung für diese mehr als vorsintflutlichen Foltermethoden lautstark aus: »Verdammt, lasst ihn in Ruhe! Hört auf, ihn zu quälen…das ist barbarisch!« Gwens Stimme überschlug sich aus Empörung und Sorge; niemand verdiente es, so behandelt zu werden, gefangen wie ein wildes Tier - auch Loki nicht. »Er hat doch gar nichts getan!«

»Da scheinen wir unterschiedlicher Meinung zu sein, Miss…« bemerkte die Agentin hinter Gwen kühl.

Zumindest Captain America schien ein Mindestmaß an Moral zu besitzen, denn er wirkte für einen Augenblick tatsächlich getroffen von ihren Worten und hielt inne, bevor er die freie Hand zu seinem Headset hob, als wolle er einen Befehl herausgeben; vielleicht hatte ja zumindest einer in diesem Verein ein Gewissen.

»Alles okay da drinnen, Tascha?« tönten Agent Bartons Worte durch elektrische Resonanzen und manifestierten sich als hohle, unsichtbare Stimme aus einem Headset der Agentin, deren Griff um Gwen fester wurde, bevor das Klicken einer entsicherten Pistole als Warnung erklang. Ein harter Lauf wurde in Gwens Rückgrat gedrückt, da Black Widow das Gezappel der Journalistin offenbar zu viel wurde.

»Keine Probleme bisher.« raunte die Agentin ihrem Partner zu. »Ich habe die Zivilistin. Der Cap wird sich um den Gott kümmern. Sag Stark, er soll sich trotzdem bereithalten. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass-« Die Agentin verstumme in einem verblüfften Blinzeln.

Vielleicht für den unwahrscheinlichen Fall, dass Loki sich aus seinen elektrischen Fesseln befreien würde?

Denn genau das tat der Gott - gerade als der Captain bei dem Magier angelangt war und neben diesem in die Hocke gehen wollte, verschwand die gepeinigte Gestalt Lokis in einem Schimmern und der Pfeil fiel mit einem hohlen Klappern zu Boden, die leuchtenden Tentakel des Fangnetzes wie die aufgepeitschten Arme eines Kraken durch die Luft wirbelnd.

Im gleichen Moment schoss Angel heran und stürzte sich mit einem wilden Heulen auf den Soldaten, der geistesgegenwärtig sein Schild hochriss und die Kiefer des Hundes damit abfing, die sich sonst wohl in seine Schulter gebohrt hätten. Angels Pfoten krachten gegen den Schild des Soldaten und rissen ihm dieses halb aus der Hand; ein Moment, in dem Captain America abgelenkt war und somit zu spät bemerkte, dass sich Loki hinter ihm in grünem Schein materialisierte.

Das Zepter des Tesserakts lag wieder in seinen Händen und er schwang es mit der Verbissenheit eines zornigen Gottes gegen den Soldaten; die Lippen des Magiers umspielte ein boshaftes Grinsen, grotesk untermalt von einem feinen Rinnsal Blut, welcher sich aus einem Mundwinkel stahl und auf der blassen Haut des Prinzen wie ein Farbklecks wirkte, der schrecklich fehlplatziert wurde.

»Cap, hinter dir!« versuchte Natascha Romanoff ihren Teamkollegen noch zu warnen.

Das stumpfe Ende des Zepters traf den Captain zwischen den Schultern und ließ jenen den Halt verlieren, bevor Loki schon nachsetzen wollte, um den Soldaten mit einer Ladung blauer Energie durch die Wand der Hütte zu jagen; Steve Rogers fing sich aber schneller als gedacht und wehrte den Schwall summender Macht mit seinem Schild ab, hinter welches er sich duckte; die bläuliche Materie zerstob einer Supernova gleich auf dem unnachgiebigen Metall und verteilte sich unter einem ohrenbetäubenden Krachen in der Hütte. Die letzten intakten Fenster zerbrachen unter der Woge und schleuderten ihr Glas hinaus in die kühle Morgenluft.

Selbst Gwen wurde unsanft gegen die rothaarige Agentin geschleudert und ächzte schmerzhaft, als sich die Mündung der Pistole eindringlich in ihre Wirbelsäule bohrte.

Angel sprang sofort wieder heran und schnappte in einem wütenden Knurren nach dem Stiefel des Captains, um diesen aus dem Gleichgewicht zu bringen; tatsächlich verriss der Soldat sein Schild und Loki hämmerte ihm die flache Seite der Speerspitze gegen die Seite, was der Soldat allerdings damit beantwortete, dass er dem Gott die Füße unter dem Körper wegfegte, indem er sein Schild wie einen sirrenden Bumerang nach ihm warf.

»Clint, der Hund! Schalte den Hund aus!« verlangte Black Widow in einem harschen Befehl, während sie die sich windende Gwen außer Reichweite der beiden kämpfenden Männer zerrte. Scheppernd und klirrend trafen Speer und Schild immer wieder aufeinander, während Captain America und Loki umeinander wirbelten wie lose Blätter im reißenden Zentrum eines Sturmes; Angel hatte sich verbissen im Stiefel des Soldaten festgebissen und zerrte knurrend an dem stabilen Leder.

»Nein!« schrie Gwen in ungläubigem Entsetzen auf, als ein weiterer Pfeil heranschoss und den Hund in die Flanke traf; das Tier wurde von der Wucht des Geschosses von den Füßen gerissen und blieb mit einem gequälten Winseln auf der Seite liegen.

»Ihr verdammten Schweine! Das ist doch nur ein Tier!« schrei Gwen in einem Schluchzen. Sie wollte zu Angel stürzen, kümmerte sich augenblicklich kaum noch um die Waffe im Rücken, denn zu groß war der Schock über das eben Geschehene. Ihr Herz zog sich schmerzlich zusammen, ihr Magen rebellierte unter brennender Säure der Verzweiflung und mit einer Kraft, die sie sich selbst nicht zugetraut hätte, riss Gwen den Ellenbogen nach oben und stieß diesen der Frau hinter sich in den Magen.

Die ächzte zwar verhalten, lockerte ihren Griff jedoch nicht. Obwohl die Agentin kaum größer war als Gwen selbst, hatte sie doch eindeutig mehr Kraft. Ihre Stimme wurde noch um einige Nuancen kälter und distanzierter, wenn das überhaupt möglich war. »Verdammt, Lady. Beruhigen Sie sich. Das war nur ein Betäubungspfeil!«

Ein gezielter Ruck hob Gwen von den Füßen und lenkte sie so herum, dass sie auf den scheinbar leblosen Hund blicken musste, der wenige Schritte entfernt von ihr lag; tatsächlich hob sich Angels Seite unter ruhigen Atemzügen und seine Lider flatterten über den schwelend orangen Augen, die noch immer verbissen ihre Umgebung sondierten.

Erleichterung ließ Gwen im Griff der Agentin zusammensacken, während ein dröhnendes Krachen die Hütte erbeben ließ; ein weiterer Energiestoß aus Lokis Zepter traf den Captain, der mitsamt seinem Schild rückwärtig durch die Wand der Hütte brach und einen hohen Salto in der Luft vollführte, bevor er im stäubenden Schnee draußen aufschlug. Zerborstenes Holz regnete träge schwelend um ihn herab.

Loki setzte ihm sofort mit energischen, schweren Schritten nach; sein Mantel flatterte wie die aufgepeitschten Sturmsegel eines gebeutelten Schiffes, als er das Zepter hob und mit einem fanatischen Blick auf den Soldaten zusteuerte, der sich eben mühsam und leicht benommen wieder auf die Beine rappelte. Sein Schild lag neben ihm im Schnee, ein abstruser Farbkreis in all dem schimmernden Weiß unter der Morgensonne.

Der Magier wollte gerade zu seinem finalen Streich ausholen, als ihn Ironman von den Füßen riss, der mit einem energetischen Sirren durch die Luft flog und den Gott in die Seite rammte. Beide stürzten in den Schnee und wirbelten diesen unter ihren Körpern auf, die selbst im Sturz um die Vorherrschaft kämpften. Lokis Zepter entglitt jenem aus den Fingern und wurde in eine Schneewehe davongeschleudert, doch er trotzte dem Mann in der Rüstung mit Hieben und Tritten.

Ironman war als erster wieder auf den Beinen und eroberte sich eine Position über dem Gott, so er diesen durch das pure Gewicht seiner schweren Rüstung nieder zwang, indem er ein Knie auf dem Leib des Magiers absetzte. Summende Repulsoren wurden drohend auf das Gesicht Lokis gerichtet. »Hier endet die Reise. Deine Frist ist abgelaufen. Heute ist Zahltag, Eisprinzessin.« erklärte Tony Starks energetisch veränderte Stimme, als Gwen gerade ebenso ins Freie stolperte, getrieben durch eine entschlossene Agentin, die ihr die Pistole weisend zwischen die Schulterblätter drückte.

»Bewegung, Lady.«

Gwen taumelte gegen die zerborstene Wand der Hütte und krallte die Nägel in das spitze Holz, bereit loszustürmen, bereit irgendetwas zu tun, von dem sie wusste, dass es wahrscheinlich eh nicht helfen würde. Was sollte sie allein schon ausrichten?

Es war zu spät. Sie hatten sich zu lange Zeit gelassen. Es war Direktor Fury nicht einmal zu verdenken, dass er offenbar wie ein angeleinter Bluthund nur auf das Kappen seiner Leine gewartet hatte, um nun zuzuschlagen. Odins Galgenfrist für Loki musste der blanke Spott und Hohn für den S.H.I.E.L.D Chef gewesen sein, der sich sonst nichts und niemandem beugte; selbst mit dem Sicherheitsrat - jenen mysteriösen Fädenziehern hinter S.H.I.E.L.D - hatte der Direktor so seine Probleme. Zumindest besagten das Gerüchte.

Fury ließ sich nicht gern Befehle erteilen. Er war es gewohnt, sie selbst zu geben.

Hawkeye löste sich aus dem Schatten einer Tanne unweit von der Hütte entfernt und klopfte sich Schnee von seinem Kampfanzug, welcher wohl bei seinem Sprung aus der Deckung des Baumwipfels hängen geblieben war. Unter dunklen Brillengläsern und einem abgeklärten Gesichtsausdruck pirschte er sich durch den Schnee heran, schob seine Stiefel wie Eisbrecher durch die dichten Wehen und fixierte Loki mit seinem Bogen und der Spitze eines aufgelegten Pfeiles, der sein Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit geradewegs finden würde.

Captain America hatte sich inzwischen ebenso wieder aufgerichtet und sein Schild gegriffen, bevor er zu Ironman hinüber schritt, der inzwischen mit fauchenden Antrieben über dem Gott schwebte, während die Hitze seiner Rüstung den Schnee um sie zu feuchten Pfützen schmolz, die kahle Flecken Erde zurückließen. Der Magier sah sich von der Armada eines Waffenarsenals bedroht, das sich aus der Rüstung des Erfinders entfaltet hatte.

Loki lag scheinbar bezwungen auf dem Rücken, die Hände ergeben gehoben; die Winkel seiner Augen umspielte ein grausamer, finsterer Zug, ebenso wie seine Lippen, die sich unter einem gehässigen Grinsen teilten, bevor er sich in einer gemächlichen, fast provozierenden Geste das Blut aus dem Mundwinkel wischte und dieses beinahe anklagend unter den wachsamen, kalten Augen von Ironmans Helm betrachtete.

Gwen sackte entmutigt zusammen, als Agentin Romanoff sie unsanft am Kragen packte und in der Ferne ein dumpfes Brummen laut wurde wie das monotone Flügelschlagen einer Libelle. Hinter den Baumwipfeln tauchte ein Black Hawk auf und näherte sich ihnen rasch über rauschenden Tannen hinweg, die sich durch den Sinkflug des Hubschraubers beugten wie gebrechliche Gestalten, die ächzend vom Sturm niedergedrückt wurden.

Der Helikopter setzte unweit der Hütte zum landen an und schwebte sachte zu Boden, während seine Rotorblätter den Schnee in einem tosenden Tornado in die Höhe sogen, um jenen dann wie scharfe Pfeilspitzen auf die Gestalten umher niederregnen zu lassen.

Gwen schirmte die Augen gegen den heftigen, kalten Wind ab und drückte sich in den Schutz der Blockhütte zurück, bevor ein atemloses Fluchen ihre Aufmerksamkeit an sich riss. »Verdammt…« Black Widow zog ihre Waffe hinter Gwens Rücken hervor und hob diese entschlossen an, gerade als Ironman einen Moment durch den nahenden Helikopter abgelenkt war - eine winzige Sekunde, welche Loki nutzte, um Tony Stark eine gebündelte Magiewelle aus seinen Händen gegen den Leib zu rammen, bevor er sich zur Seite warf und nach seinem Zepter hastete.

Der Ironman wurde zurückgeworfen und überschlug sich einmal taumelnd in der Luft, während der Magier geschmeidig auf die Füße sprang und der Saum seines Mantels den Schnee in die Höhe trieb, der sich wie eine Spirale um ihn ballte und seine höhnisch grinsende Gestalt verhüllte.

»Oh, ich hasse diesen Kerl…wo ist eigentlich Banner, wenn man ihn mal braucht?« töne Ironmans Stimme durch das Tosen des Helikopters; der Erfinder hatte sich und seine Rüstung wieder gefangen und nickte Captain America kurz zu, der sich geduckt neben ihm zum Angriff bereit machte. »Das nächste Mal darf Fury seine entlaufenen Irren selbst wieder einfangen.«

Zusammen stürzten die beiden Avengers auf den Gott zu, der den Repulsorstrahlen und dem fliegenden Schild des Soldaten nicht auswich, sondern diese durch eine Wand aus Magie, Eis und Schnee abprallen ließ, die ihn umgab wie eine frostige, zweite Haut, nachdem sich die wirbelnde Spirale um ihn verdichtet und um seinen Körper geschlungen hatte.

Die Angriffe zerschellten wirkungslos an ihm, bevor sich der Magier mit einem kampfgierigen Schrei gegen seine schützende Hülle warf und diese sich auffächerte wie die Flügel eines Schmetterlings; die frostigen Schwingen trafen die beiden Rächer und warfen diese erneut zurück.

Gwen beobachtete das Spektakel atemlos; Adrenalin schoss in heißen Bahnen durch ihre Venen, ihr Blick flog hastig umher, während ihre Gedanken rasten. Black Widow musste ihre angespannten Muskeln bemerkt haben, denn diese festigte ihren Griff um Gwens Oberarm und schnalzte tadelnd mit der Zunge. »Keine Dummheiten, sonst werde ich ungemütlich.« Die Agentin hob die Finger erneut zu ihrem Headset und rief über das anhaltende Brüllen des Helikopters ihren Teamkollegen an, während sie Gwen um die Ecke der zerbrochenen Wand herumzog: »Clint, ich hab kein freies Schussfeld. Jag du dem Gott eine Ladung Schlafmittel in die Brust, bevor er den Cap und Stark noch fertig macht. Er darf uns nicht entwischen. Fury killt uns sonst.«

»Oh nein…nicht! Bitte nicht!« Gwen warf sich herum und ließ die fahrigen Finger unkontrolliert nach dem Arm der Agentin schnappen; diese quittierte jene überraschende Geste mit einem irritierten Heben ihrer schmalen Braue. »Sagen sie ihnen, dass sie aufhören sollen! Bitte…« Die verschwommene Gestalt Hawkeyes bewegte sich durch den aufgewirbelten Schnee um den Helikopter herum und brachte sich in Stellung.

»Sorry, Lady. Aber ich habe meine Anweisungen.« erwiderte Black Widow sachlich und zuckte gleichgültig mit den Schultern.

Inzwischen hatten sich die dunklen Gestalten einiger Agents aus dem geöffneten Einstieg des Black Hawk gelöst und waren geduckt in den Schnee gesprungen, um jetzt mit gezogenen Waffen Ironman und Captain America zu Hilfe zu eilen, die äußerst beschäftigt damit waren, Lokis Attacken auszuweichen, der unablässig eisigen Sturm gegen sie peitschte oder frostige Schneesplitter auf sie warf.

Allerdings hatte auch der Magier schon einiges einstecken müssen; sein Mantel flatterte versenkt durch Ironmans Repulsoren und er hielt sich seine eh schon verwundete Schulter, die eben des Soldaten Schild gestreift und den Gott herumgewirbelt hatte. Taumelnd grub er seine Stiefel in den Schnee und sicherte sich seinen Stand, bevor ihn ein weiterer Angriff Starks in die Brust traf und sein Leib donnernd gegen den nächsten Stamm einer Tanne geschleudert wurde.

Gleich darauf bohrte sich ein zielsicher gesetzter Pfeil durch die Brustrüstung des Gottes, überzog die harte Platte mit feinen Rissen wie Spinnweben, bevor die Spitze in den Oberkörper des Asen drang und diesen stöhnend in die Knie sacken ließ. Als der Magier Anstalten machen wollte, sich wieder zu erheben, gesellte sich ein weiterer Pfeil zu dem ersten, dieser traf ihn in das satte Fleisch seines Oberschenkels und blieb dort stecken.

Lokis Hände trafen dumpf im Schnee auf, als er nach vorn kippte und seine Haare wie ein düsterer Todesvorhang seine Züge verhüllte, die dem reinen Weiß des Schnees umher deutlich Konkurrenz hätten machen können.

Die grünen Augen des Gottes glitzerten unter den wirren Haarsträhnen hervor, keine Entschlossenheit hatte sein Geist eingebüßt, obwohl sein Körper vom lähmenden Griff des Betäubungspfeiles in Beschlag genommen wurde.

Ironman und Captain America näherten sich ihm nun vorsichtig, gefolgt von einer Hand voll Agenten, die mit entsicherten Waffen den knienden Asen umkreisten.

»Oh Gott…Loki…« Gwen schlug sich eine Hand vor die bebenden Lippen und kämpfte mit der nagenden Verzweiflung, die ihren Beinen Ansporn geben wollte, zu dem Magier zu laufen; doch der Griff der Agentin war unerbittlich und durch nichts zu erweichen. Gwen fühlte sich so nutzlos, so hilflos, dass dieses Gefühl fast wie Asche auf ihrer Zunge schmeckte; untätig musste sie dabei zusehen, wie die Avengers den Gott überwältigten und grob durch den Schnee auf den Helikopter zu schleiften.

Der Black Hawk war inzwischen gelandet und stellte seine Motoren ab; das dumpfe Dröhnen der Rotorblätter wurde zu einem pfeifenden, ertragbaren Säuseln, bevor die Maschine ganz still stand.

Natascha Romanoff musterte Gwens entsetztes, blasses Gesicht aus dem Augenwinkel und folgte deren Fokus auf den halb ohnmächtigen Gott, nur um betont zweifelnd die Stirn in zarte Falten zu ziehen, bevor sie die Journalistin mit einem kritisch verengten Blick musterte. Offenbar verstand sie Gwens Mitgefühl und Sorge um den Gott in keiner Weise, allerdings war sie so professionell, dass sie sich ihre Missbilligung, sollte sie diese besitzen, nicht anmerken ließ.

Ihre Finger zogen sich fast schmerzhaft um Gwens Oberarm fest und zogen diese neben sich her auf den Helikopter zu, dem gerade Direktor Fury geduckt entstieg; der S.H.I.E.L.D Chef ließ seinen einseitigen Blick flüchtig die Umgebung sondieren, bevor er mit einem Satz aus dem Black Hawk sprang und seine schweren Stiefel in den Schnee rammte.

Eine dunkle Hand glättete seinen Mantel in einer beinahe gelangweilten, doch sorgfältigen Bewegung, bevor er sich aufrichtete, die Arme hinter dem Rücken verschränkte und seinen Avengers geduldig entgegen sah, die ihm Loki direkt vor die Füße zerrten.

Hinter Fury entstieg Andrew dem Helikopter mit ebenso stahlharter, doch seltsam zufriedener Miene, wie sie der Direktor zur Schau trug. Der Agent bezog hinter seinem Boss breitbeinig Stellung und sah Loki deutlich befriedigt entgegen, der von den beiden Rächern unsanft durch den Schnee geschleppt wurde.

Ironman zwang den Gott vor Fury in die Knie, drückte den geschwächten Magier in den Schnee, welcher dessen dunkle Gestalt wie ein blütenweißer Rahmen umgab; Lokis Züge waren dem Boden zugewandt und sein Kopf schwankte benommen auf seinem Hals, doch Gwen erhaschte den Eindruck eines unpassend amüsierten Schmunzelns auf seinen bleichen Lippen, als sich der Vorhang seiner Haare für einen Augenblick teilte.

Zwei weitere Agents lösten sich aus der Menge und eilten in die Hütte, um den bewusstlosen Hund zu bergen und diesen in den Helikopter zu verladen.

Agentin Romanoff stieß Gwen unsanft vorwärts, sodass die Direktor Fury fast vor die Füße stolperte; sofort wollte sie zu Loki eilen, doch Agent Bartons Bogen hielt sie mit einem warnenden Klopfen zurück, als das biegsame Material auf ihre Brust traf und eine Grenze bildete, die sie dem strengen Gesicht des Agents nach nicht zu überschreiten hatte.

Hawkeyes Züge wirkten wie aus Stein gemeißelt, seine Augen weiterhin hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen; ein einsamer Muskel in seiner Wange zuckte, immer dann, wenn der Agent auf den am Boden knienden Gott sah, der durch die Hände von Steve Rogers und Tony Stark gehalten wurde. Gute Freunde waren der Bogenschütze und der Magier definitiv nicht…

»Eigentlich hätte ich nicht gedacht, dass jemand wie du so dumm wäre, meine Entschlossenheit auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, Loki. Aber offenbar belehrt uns das Schicksal jedes Mal aufs Neue.« Die vor Genugtuung förmlich triefende Stimme des S.H.I.E.L.D Chefs durchbrach die beinahe seltsame Stille, nachdem die letzte Drehung der Rotorblätter über ihnen beendet war und einsam verstreute Vögel die einzige Untermalung in der kühlen Waldluft bildeten nebst dem vernehmlichen Sirren von Ironmans Rüstung, als dieser mit einem dumpfen Laut auf dem Boden landete. »Du musst uns Menschen wirklich für einfältig halten und dich für absolut unbezwingbar, dass du meinst, außerhalb deiner Frist hier noch ungestraft verweilen zu dürfen.«

Ein raues Kichern ließ die schmale Gestalt des Magiers beben. »Ich konnte doch nicht gehen, ohne mich gebührend zu verabschieden…« raunte Loki mit geschwächter, nichtsdestotrotz bedrohlich dunkler Stimme und hob sein Haupt mühsam an, um dem Blick des Direktors unerschrocken zu begegnen. Durch die Augen des Gottes tänzelte vergnügter Wahnsinn, ein Schleier von Schabernack und Süffisanz.

Andrew Preston zog alarmiert seine Waffe und entsicherte diese, verdiente sich damit einen spöttischen Blick des Gottes, bevor dieser einen Schwall Blut in den Schnee spuckte.

»Nun, verabschieden wirst du dich jetzt ganz sicher nicht mehr. Zumindest nicht von der Erde. Höchstens von deiner Wegbegleiterin Miss Lewis, denn die steht mit sofortiger Wirkung unter der Obhut von S.H.I.E.L.D.« tönte Furys Stimme in sachlicher Gelassenheit über sie hinweg, bevor der Direktor anfing, im Schnee vor Loki auf und ab zu schreiten; der Mann kostete seinen Triumph aus, schien keine Eile zu haben, das Feld zu verlassen. Seine gesamte Haltung drückte Befriedigung und den Genuss seiner Rache aus; lange musste der Fury auf diesen Augenblick gewartet haben, sodass er sich den Moment nicht nehmen lassen wollte, den Gott bezwungen vor sich zu haben.

Loki verfolgte die Schritte des S.H.I.E.L.D. Chefs eher amüsiert, fast so milde belustigt, wie man ein Kind ansah, dass in seinem ahnungslosen Glauben an Märchen und Wundern festhalten wollte, die ohne Zweifel irgendwann wie Seifenblasen zerplatzen würden. Obwohl der Magier von zwei Avengers flankiert und von einigen gezogenen Waffen beobachtet wurde, so machte er eigentlich nicht den Eindruck, als wäre er hier der Unterlegene.

»Deine lächerliche Gnadenfrist ist nun vorbei, Loki und ich werde es genießen, dir die Strafe zukommen zu lassen, die ich für angemessen halte, um deine Verbrechen an der Erde und ihren Menschen zu sühnen, da Asgard ja augenscheinlich nicht dazu in der Lage ist. Thor wird mich dieses Mal nicht um mein Recht bringen.« Fury hatte sich vor Loki aufgebaut wie eine Mauer aus dunkler Entschlossenheit und sein verbliebenes Auge funkelte eindringlich auf den knienden Gott herab, der sich nur zu einem spöttischen Braue heben hinreißen ließ und das Schmunzeln auf seinen Lippen noch tiefer grub. Er ließ dem Menschen seinen Monolog, als wäre der es kaum Wert, dass der Prinz sein Wort an ihn richtete.

»Deine Arroganz wird dir noch vergehen, wenn du den Rest deines unsterblichen Lebens in einer fensterlosen Zelle verbringen wirst.« grollte Fury nun mürrisch, offenbar unzufrieden darüber, dass der Gott so gar keine Regung zeigte. Dann schien ihm allerdings ein Gedanke zu kommen. »Agent Preston, Sie kümmern sich um die Frau. Bringen Sie Miss Lewis bitte in ihre zukünftige Bleibe, bevor wir mit den Untersuchungen beginnen.«

»Nichts lieber als das…« Andrew ließ die Waffe in das Holster unter seinem Mantel zurückgleiten und packte Gwen sogleich am Arm, nicht jedoch ohne Loki einen provozierenden Blick zuzuwerfen; nicht gerade sanft wies er Gwen den Weg zu dem Helikopter, die sich allerdings wie eine Furie in seinem Griff aufführte und so heftig zappelte, dass Andrew sie halb tragen musste.

»Lass mich los! Das könnt ihr mit mir nicht machen! Ich habe auch Rechte!« Bitter sah sie den Agent neben sich an, der so fern ab von dem Mann schien, den sie eigentlich zu glauben kannte; die zurückhaltende Freundlichkeit war verschwunden und hatte steinharter Loyalität Platz gemacht. »Andrew…bitte…bitte tu mir das nicht an…« versuchte sie an sein Gewissen zu appellieren, doch er ignorierte ihr Flehen und schob sie weiterhin fast schon grob in Richtung des Black Hawk.

Ihr Kopf ruckte mühsam herum und fing Lokis Blick auf. Verzweiflung schwamm in den aufsteigenden Tränen, die in ihren Augen brannten.

Sollte das das Ende sein? Würde sie ihn nie wieder sehen?

Eine Hand streckte Gwen in einer schwermütigen Bewegung in Richtung des Gottes aus, ein hoffnungsloses Flehen, bevor sie schon von Andrew herumgerissen und in den Helikopter gezwungen wurde; entmutigt sackte sie zusammen, spürte Hoffnungslosigkeit wie eine Woge heranrollen, die ihren Magen in eine eisige Faust schloss und ihre Entschlossenheit davonschwemmte.

Die eher grobe Behandlung des Agents an Gwen bewirkte eine erste, sichtbare Reaktion bei dem Magier und ließ die Illusion eines Zähnefletschens entstehen, als sich sein betäubter Körper gegen die kreisenden Fesseln in seiner Blutbahn wehrte; Ironman drückte den Prinzen unmissverständlich zurück in den Schnee, als dieser sich aufrichten wollte, um Gwen und Andrew zu folgen. »Na na, schön hiergeblieben, Prinzessin. Du bekommst deinen eigenen Flieger.«

Die schlanken Fingerknochen von Lokis Hand stießen fast wie Dolche durch die dünne Membrane seiner Haut, als er die Finger zu Klauen krümmte und die Nasenflügel unter angestrengten, wütenden Atemzügen bebten. Fury hob das Kinn zufrieden und beäugte den Gott mit eigenwillig teuflischer Genugtuung, da er offenbar etwas gefunden hatte, was die eisige Hülle des Magiers durchbrach.

Plötzlich war es, als würde die Welt stehen bleiben; eine schwere, erdrückende Stille legte sich über den Wald, die Vögel verstummten und selbst die Baumwipfel ließen kein Rauschen mehr vernehmen, als hätte der Wind selbst den Atem angehalten. Ein kaum wahrnehmbares Vibrieren erwachte unter ihrer aller Füßen und summte in schwermütigen Wellen durch das Erdreich; ein unheilvolles Echo, als würde sich ein Riese im Kern der Welt ächzend um sich selbst winden. Die Scheiben des Black Hawk zitterten in einem hellen Klirren und die Waffenausrüstung des Helikopters stieß klappernd zusammen; eine bedrohliche Sinfonie wie das ängstliche Schlottern von Lämmern unter dem gierigen Blick eines Wolfes.

»Was ist das…?!« fragte Agent Barton in die Stille.

Andrew war stehen geblieben, hielt sich an der geöffneten Tür des Black Hawks fest und sah kritisch und verwirrt auf seine Füße, wie die anderen Agents es ihm gleich taten, ihre Waffen sinken ließen und irritiert ein paar Schritte über den vibrierenden Boden stolperten, der sich klagend unter ihnen in merklichen Wellen aufbäumte, als wolle die Erde selbst ihre Lasten abwerfen.

Im nächsten Moment erhoben sich die verstummten Vögel einer kreischenden, dunklen Wolke gleich aus den Bäumen und überzogen den Himmel mit beweglichen Schattenfetzen, als hätten sich alle unter einem stummen Befehl mit einem Mal in die Lüfte erhoben; rings umher stiegen die Vögel in trudelnden Spiralen in die Höhe, bevor die geballten Massen unter dem ohrenbetäubenden Gesäusel von unzähligen Flügeln und Schnäbeln davonstob.

Hawkeye richtete seinen Blick in den Himmel und zog sich in einer langsamen, ungläubigen Geste die Sonnenbrille von der Nase; Natascha Romanoff neben ihm verengte die Augen und hielt ihre Waffe verkrampft im Anschlag, als würde sie jeden Augenblick einen Angriff erwarten. »Was zur Hölle…«

Gwen schob sich unsanft an dem erstarrten Andrew vorbei und stolperte aus dem Schatten des Helikopters, um das Spektakel mit eigenen Augen zu sehen; ein unsichtbarer Schatten bemächtigte sich ihr und sog ihr die Luft aus den Lungen wie der Kuss des Todes jegliches Leben mit sich nahm. Eine schlafende Bosheit war erwacht, eine lauernde Finsternis in der Ferne…

Gwens Nacken überzogen eiskalte Spinnenfinger, ihre Atemwege wirkten verklebt von der schwelenden Bedrohung in der Luft; ein Gefühl von unausweichlicher Bestimmung stieg in ihr auf, als würde man das Licht eines herannahenden Zuges bereits sehen, doch wusste, dass man nicht entkommen konnte, da man auf die Schienen gefesselt war.

»Womöglich ein Erdbeben?!« sprach Captain America seine These zweifelnd aus und drehte sich um die eigene Achse, das Schild kampfbereit erhoben, bevor er dem Direktor einen fragenden Blick zuwarf. Doch der schien genauso unwissend wie alle umher; allerdings meinte er offenbar sofort des Übels Wurzel zu erkennen.

Die Hand des S.H.I.E.L.D Chefs schoss vor und packte den geschwächten Magier am Kragen seines Mantels, um ihn unsanft zu schütteln. »Was geht hier vor sich, du verdammter Irrer?! Du weißt doch etwas! Ist das wieder dein Werk?«

Loki beantwortete die grobe Behandlung mit einem trägen, schrecklich blutbeschmierten Grinsen, indem er sein Gebiss gehässig enthüllte und die nebelverhangenen Augen in überheblicher Gleichgültigkeit auf den Direktor richtete, bevor er die bleichen Hände in einer schwachen, unschuldigen Geste spöttisch anhob. Die Hilflosigkeit der Menschen schien ihn ein ums andere Mal zu faszinieren und zu amüsieren.

»Sir…« zog die fassungslos brüchige Stimme Tony Starks die Aufmerksamkeit aller auf sich; der Erfinder hatte die Maske seiner Rüstung zurückschnappen lassen und offenbarte ein nun blasses Gesicht, in dem ein ungewohnter Hauch von Bestürzung seine Furchen gegraben hatte. Ironman streckte seine metallene Hand in Richtung des Horizonts aus. »Ich glaube, das sollten sie sich ansehen…« brachte er stockend heraus und schluckte sichtbar, sodass sein sorgsam gestutzter Bart über die Kante seines Helmes hüpfte.

Gwen tastete sich vorsichtig an der kühlen Hülle des Helikopters entlang und spähte nun wie alle anderen auf jenen Punkt am Horizont, den der Erfinder ihnen gewiesen hatte; ein Stück ersichtlicher Himmel zwischen einer Schneise in den Baumreihen, wo sich die Straße den Berg hinauf schlängelte. Ein kühler Wind kam auf, ähnlich des schmerzerfüllten Wimmerns eines geschlagenen Soldaten auf dem Feld des Krieges; ein Hauch ohne Wärme, aber voller Pein und Schrecken - das Zupfen von eisigen Fingern an der Kleidung aller, die nun mit geweiteten Augen auf den Horizont starrten.

Selbst Loki hatte das Haupt gedreht und spähte unter feuchten Strähnen in den morgendlichen Himmel, auf dessen blauer Sphäre sich an der Grenze zwischen Horizont und Erde etwas heranwälzte; ähnlich einer Feuersbrunst schlängelten sich tentakelartige Schlieren über das zarte Blau des Himmels und raubten diesem das Licht des Tages. Die strahlende Morgensonne wurde verschluckt in einem Wirbel aus Rauch und Schatten; ein blutrotes Kaleidoskop stülpte sich über den hellen Himmelskörper und raubte ihm die Freundlichkeit und Hoffnung seines Lichtes.

Ein entferntes Grollen wurde laut, ähnlich eines verhaltenen, qualvollen Stöhnens, als würde Midgard selbst unter der herannahenden Bosheit erzittern; das peinvolle Ächzen zog durch die Luft, rollte über sie hinweg und ließ den Boden erneut unter einem schweren Beben erzittern.

Umher brachen plötzlich sämtliche Tiere des Waldes aus dem Unterholz und stürmten panisch in die entgegengesetzte Richtung des unheimlichen Himmelsschauspieles davon; Agent Barten musste einen hastigen Schritt zur Seite tätigen, um nicht von einem rasenden Hirsch umgerannt zu werden, der mit geblähten Nüstern und angststarren Augen an ihnen vorbei fegte. Donnernd flüchteten die Tiere, ein Durcheinander aus Schnaufen, Brüllen und Winseln, aus tosenden Hufen und hektischen Pfoten.

»Was, in Gottes Namen, ist das…?« flüsterte Captain America bestürzt und ließ seinen Schild sinken, ungeachtet der drohenden Gefahren. Auch Ironman stand erstarrt an seinem Platz und hatte selbst Loki vergessen, der eher mit wachsamer Aufmerksamkeit dem Geschehen folgte, als furchtsam wie die meisten der Menschen umher.

Gwen drückte sich schutzsuchend an das kühle Metall des Black Hawk und spähte unter wirbelnden Haaren in die Ferne; obwohl der Fluchtreflex in ihr genauso übermächtig war wie jener der instinktgetriebenen Tiere, so war sie doch auf seltsame Weise gefesselt von dem Schrecken, der sich dort rasend schnell über den Himmel auf sie zubewegte und den Eindruck machte, das gesamte Licht des Tages verschlucken zu wollen wie das gierige Maul einer heranpirschenden Schlange.

Die Agents ließen unsicher ihre Waffen sinken, selbst Black Widow senkte die Hand mit ihrer Pistole jetzt und suchte den Blick ihres Partners, als ein nicht zu unterdrückender Funken Angst in ihren Augen aufglomm; Agent Bartons herbe Züge spiegelten eine Fassungslosigkeit, die sein Gesicht in zerfurchte Konturen tauchte. Ein zaghaftes Kopfschütteln folgte, bevor er zu der rothaarigen Agentin hinüber trat; eine Spanne überwandte, die in diesem Augenblick viel zu groß wirkte.

Captain America beobachtete das Geschehen am Himmel mit einer Miene, die vom Glauben abgefallen wirkte; erstarrt stand er da und suchte offenbar in den Wolken eine Erklärung, die ihm nicht einmal Tony Stark geben konnte.

Der Erfinder schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf, erschütterte Ehrfurcht kroch durch seine Augen.

Allein Direktor Fury wirkte verbissen und stemmte sich gegen den aufkommenden Sturm, als könnte er mit Körperkraft und Entschlossenheit allein alles abwenden; beinahe trotzig verfolgte er die heranbrandende Finsternis, während sich sein Mantel hinter ihm blähte und das Geräusch von zerfetzten, flatternden Segeln erzeugte.

Der Wind heulte auf wie ein verwundetes Tier und wo er zuvor eisige Kälte mit sich brachte, toste nun der heiße Atem der Verderbnis über ihnen, als das bedrohliche Himmelsphänomen über sie hinweg brauste und das Licht des Morgens zu einer fernen Erinnerung degradierte; als würde Vakuum Luft vertreiben, so zogen die fauchenden Schattenwolken über ihnen am Zelt der blauen Sphäre hinweg und saugten den Schein der Sonne mit einem Brüllen auf. Über das Land legte sich der düstere Nebel von kochendem Blut, die Sonne ein dumpfer Fleck hinter dem satten Rot und wirbelndem Grau des Himmels.

Der heiße Wind flaute ab, zog mit der wogenden Gischt der Himmelswalze weiter über das Land; ihm folgte ein bebendes Stöhnen, ein Laut, der weniger aus dieser Welt schien als vielmehr aus einer Unterwelt, die aufgebrochen wurde.

Über den grotesk entstellten Himmel zogen kreischende Gesichter, als würden sich fauchende Dämonen gegen die Grenzen ihres Gefängnisses stemmen, bevor das weit entfernte Echo eines schmerzhaften Klagens die Erde erzittern ließ und Gwen einen grausigen Schauer durch die Knochen jagte.

In den aufgetürmten Wolken über ihnen, die schlierend aus Blut, Knochen und Asche zu bestehen schienen, zuckten sirrende Blitze und tauchten die Umgebung in ein geisterhaftes Licht; die Atmosphäre war statisch aufgeladen, so spürbar, dass sich einem die feinen Härchen auf der Haut aufstellten. Ein Knistern jagte über den Himmel, gefolgt von einem krachenden Donner, der markerschütternd über das Land rollte. Doch der heilsame Regen blieb aus.

Lokis Grinsen leuchtete im Schein der Blitze, seine fahlen Züge beleuchtet wie das Gesicht eines Dämons, der hämisch auf die Welt unter ihm sah. Blut leckte an seinen Lippen und tauchte diese in dunkle Farbe, bevor er sich jene in einer trägen Bewegung am Ärmel seines Mantels abwischte; eine schleifende Spur des Lebenssaftes zog sich über seinen Mundwinkel und ließ sein Grinsen verwischt wirken.

Gwen löste sich aus dem Schatten des Helikopters und stolperte nun entschlossen zu dem Gott hinüber, die Augen zwischen ihm und dem brodelnden Himmel schwankend. Niemand hielt sie auf in ihrem Weg, als sie neben Loki in die Knie sackte und die Arme ohne Scham um seinen schmalen Leib schlang, die Geborgenheit suchend, welche die Feuerwalze am Himmel eben mit sich genommen hatte. »Oh Gott…Loki…was geht hier vor sich…?«

Schlanke Finger fanden den Stoff auf ihrem Rücken, drückten sie gegen den Magier, dessen Herzschlag kaum aus dem Takt geraten schien; seine Wunden allerdings wirkten aus der Nähe furchtbar, Bartons Pfeil steckte noch immer in dem zersplitterten Material seiner Brust und ragte dort heraus wie ein absonderliches Monument. Sie wollte die Finger danach ausstrecken, ließ es dann aber.

»Ich weiß es nicht. Ich kann nur Vermutungen anstellen…« antwortete ihr der Magier rau; das spöttische Grinsen verblasste auf seinen Lippen und machte nachdenklicher Strenge Platz, die seine Brauen eng zusammen zog.

Fury sicherte sich seinen Stand auf der noch immer seltsam schwankenden Erde, grub seine Stiefel starrsinnig in die Reste des Schnees, der unter dem aufgeladenen Hauch des Himmels bereits kapituliert hatte. Sein einseitiger Blick traf den Gott, seine dunkle Stirn zog sich in zornige Falten. »Du weißt, was das ist, oder?« mutmaßte der Direktor fauchend, doch die bebende Stimme von eigensinniger Unsicherheit geplagt.

»Hm…« gab Loki schwach von sich, bevor sich seine Züge schmerzhaft spannten, als er den Pfeil in seinem Oberschenkel umgriff und diesen mit einem Ruck herauszog. Seine Kiefer tanzten wie Schiffe auf dem bockenden Meer und sein Gebiss war verkrampft enthüllt, als sich die Widerhaken aus den Muskeln lösten und er das Geschoss mit einem angewiderten Laut von sich warf.

Gwen schälte sich sofort aus ihrer Jacke und drückte diese gebündelt auf die tiefe Wunde, welche Blut wie eine sprudelnde Quelle ausspuckte; offenbar hatte Barton eine Arterie erwischt. Loki schien davon allerdings wenig beeindruckt, denn er bettete die freie Hand auf Gwens zitternden Fingern und sandte ein warmes Kribbeln aus Magie durch den Stoff, wahrscheinlich um seine Selbstheilungskräfte anzuregen.

Sie hätte gern diese Kraft in sich benutzt, um ihm zu helfen, doch Loki hatte es ihr ausdrücklich verboten; sie biss die Zähne aufeinander und vergrub das Gesicht an seiner Halsbeuge, während sie die Sorge um ihn und die lähmende Furcht mühsam zurückdrängte.

Zum Glück war er ein Gott, sonst hätten ihn die Wunden wahrscheinlich schon umgebracht.

»Es scheint, als hätte Malekith das Tor zu Yggdrasil aufgestoßen. Die Weltenesche erzittert unter der nahenden Präsenz von Ymir, während der Urschlund offenbar freudig seine Ankunft erwartet.« offenbarte der Gott in abgeklärter Kühle und sicherte sich damit die Aufmerksamkeit aller Umstehenden; seine klar polierte Stimme rollte zwischen sie wie ein geborstener Gletscher, der knirschend einer Lawine gleich alles in seinem Weg hinwegfegte. »Das ist nur ein Vorbote des Schreckens. Von diesem Moment an wird jeder Atemzug ein Geschenk sein.«

Gwen spürte die Hoffnung in ihrem Magen ersterben und jene zu einem unförmigen Klumpen Eiseskälte verdorren; ein Gefühl, dass offenbar auch alle anderen empfanden, denn auf deren Gesichtern spiegelte sich das gleiche Grauen - keine Ungläubigkeit den Worten des Gottes gegenüber, dessen Züge nun blank lagen und fern ab jeglichen Spottes.

Es gab Momente, in denen selbst Loki offenbar kein Verlangen mehr nach einem Scherz verspürte.

Ihr aller Leben - das Leben in seiner reinsten Form - war bedroht. Von diesem Augenblick an saßen sie alle in einem Boot und konnten nur hoffen, dass das wütende Meer sie nicht verschlucken würde…



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