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Wer braucht schon einen eingebildeten Prinzen,wenn man selbst auf sich aufpassen kann?

von

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Plaudernd löste Ionia einen Lockenwickler von Missys Haaren. Phrygia döste auf dem flauschigen Bett. Die Gesichtsmaske tropfte auf die Bettwäsche. Aeolia gähnte leise. „Phrygias Schläfrigkeit steckt wohl an“, kicherte Doria und tätschelte Aeolias linken Arm. Missy sah missbilligend Richtung Bett. Das würde nur wieder hässliche Flecken geben. Seufzend strich es ihr bläuliches Sommerkleid glatt. Summend bürstete Lydia eines ihrer Häschen. Gerne hätte es alle mitgenommen. Auch hätte Aeolia nichts gegen die tierischen Besucher. Jedoch bedeutete das für die armen Lieblinge einen zu grossen Stress.

Haare wurden geflochten. Falsche Wimpern angeklebt. Gesichtsmasken und Peelings aufgetragen. Gekichert und geplaudert. Gebäck genascht und Tee getrunken.

Dies war ein ganz normaler Tag für die Magypsies, welche sich einmal im Monat bei Aeolia trafen.
 

„Wo steckt denn der kleine Wirbelwind?“, säuselte gähnend der Halbschlafende. Ionia kichernde wissend und drehte sich mit den falschen Wimpern klimpernd zu der Fragenden um: „Unser Schätzchen hat wahrscheinlich beim Spielen die Zeit vergessen. Sie ist ja noch voller unschuldiger Lebhaftigkeit.“ Quietschend stimmte Doria zu. Aeolia nippte an seinem Tee. „Ja, unser Herzchen vergisst manchmal die Zeit“, gurrte der Trinkende wohlwollend und schlug die Beine übereinander. „Jedoch weiss sie doch, dass heute unser Zusammensein stattfindet. Bedauerlicherweise hat uns unsere reizende Gefährtin wohl eine längere Zeit nicht mehr besucht …“ Ein Schweigen legte sich über die Gesellschaft. Die Blicke wanderten zu dem für den Tee liebevoll gedeckten Service. Die melancholische Stimmung blieb jedoch nicht lange bestehen.

Von draussen drang Getrappel und eine verärgerte Kinderstimme in das Muschelhäuschen. Ein Mädchen rannte hinter was her. Vereinzelte Wörter von ihm hörte man bis in das Zimmer. Doria kicherte erneut und warf seinen Zopf, welcher bis zum Gesäss reichte, nach hinten. Seufzend tänzelte Ionia ans Fenster, um nach dem Rechten zu sehen. „Vermutlich will unsere kleine Prinzessin ein putziges Tierchen einfangen“, schlussfolgerte Lydia und band dem Häschen eine gelbe Schleife um den Hals. „Du hast es erraten, meine Liebe“, sprach Ionia leicht besorgt und zupfte an ihren Wimpern herum.

Das Kind machte einen Hechtsprung. Kämpfte kurz mit etwas, was nicht zu erkennen war und steckte ihren Fang in die Schürzentasche. Sie jubelte und tanzte einen Siegestanz. Kopfschüttelnd drehte sich das Wesen im grünen Kleid um. „Von wem hat sie nur dieses Temperament?“ Jedoch beantworte Ionia sich die Frage selbst, nicht ohne kokett auf die Wangen zu schlagen: „Von uns natürlich!“
 

Strahlend stolzierte das Mädchen zum Häuschen. Kaum hatte sie die Türe laut aufgeschlagen, grinste sie über ihr ganzes Gesicht. „Er wollte entkommen, aber niemand entkommt mir!“ Aeolia klimperte mit den Wimpern, wechselte seine Beinstellung abermals und legte den Kopf schief. „Herzchen, das ist wirklich wunderbar“, flötete es und lächelte freundlich. Kumatora hielt die Schürzentasche fest zu und wippte mit den Beinen. Gerne hätte sie das Tierchen ihren *Ziehmüttern* gezeigt. Ihr war die Regel jedoch bekannt. Aber Kumatora war doch so ungeduldig. Sie verzog das Gesicht, besser gesagt versuchte sie einen entspannten Gesichtsausdruck anzunehmen, und blinzelte unruhig in die Runde. Langsam kam sie sich wie ein dressiertes Hündchen vor. Doria und Ionia, die Blätter und Ästchen von den Haaren des Mädchens zupften, mussten sich das Lachen verkneifen. Das war ein typisches Aeolia Spielchen.

Endlich legte die Anführerin den Fächer zur Seite und nickte dem Kind zu. „Hier schaut!“, rief Kumatora und öffnete die Tasche. Auf diesem Moment hat der Gefangene gewartet. Kaum erblickte er das Licht, flüchtete er. Aufgeregt rief das Kind ein schnelles: „Ups, meine Schuld!“ Bevor einer der Magypsies sie aufhalten konnten, sprang Kumatora hinterher. Teetassen, Servietten und Dekorationsartikel flogen auf den Boden, Sahne klatschte auf die Kleider der Anwesenden während Kumatora versuchte den Frosch einzufangen.
 

„Liebling“, summte Doria und drehte sich im Kreis, „brauchst du keine Hilfe?“ Lydia schüttelte den Kopf. Der weisse Hase ist erschrocken weggesprungen. „Tante Lydia, ich bring dir dein Hoppelhäschen zurück“, murmelte das Mädchen beschäftigt. Sie kroch unter dem Tischen durch und blickte sich nach den Ausreissern um.

Das Häschen wollte sich gerade unter Aeolias Sessel verkriechen. Perfekt, den Ersten hab ich!, schoss es Kumatora durch den Kopf und fixierte das Schwänzchen des Hasen. Natürlich wollte sie ihm nicht wehtun.

Lydia hätte ihr die Hölle heiss gemacht. Kumatora wusste nur zu gut, wie sehr Lydia seine Hasen liebte.

Leise pirschte sie sich zum Sessel. Aeolia kicherte verschmitzt, schlug sich die Beine übereinander und fächerte sich mit seinem feschen Fächer Luft zu. Der Frosch, völlig in Panik, hüpfte im Raum herum und versuchte zu entkommen.

„Tantchen Aeolia, es wäre ziemlich nett von dir mir zu helfen Herren Hoppelmann einzufangen. Hab es aber alleine geschafft.“ Ionia brummelte ungeduldig und rettete einige Teetassen. „Herzchen“, fing es an und drehte sich zu dem Mädchen mit dem verwirrten Häschen im Arm um „das nächste Mal bringst du was schnuckeliges, braves und zahmes zum Anschauen mit.“ Kumatora verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Jetzt hielt sie sich schon an die Regeln und hat keinen Bären oder ein Wildschwein mitgebracht, aber statt dankbar zu sein wurde sie nochmals ermahnt. Sollen sie mir doch aufschreiben, was ich einfangen darf und was nicht. Obwohl, das dürfte sie nicht zu laut sagen. Phrygia würde das mit Vergnügen tun …

Extra langsam lief das Mädchen zu Lydia. „Keine Angst, Liebling, du bist jetzt wieder bei Mama“, flüsterte es zärtlich und strich über sein schneeweisses Fell. Zufrieden grinste Kumatora. „Und jetzt zu dir, Herr Quaker.“ Sie leckte sich über die Lippen und sah sich suchend um. Der Frosch wollte sie herausfordern und sie nahm gerne jede Herausforderung an.
 

Die anderen Magypsies wollten sie noch aufhalten, aber Kumatora nahm sofort die Verfolgungsjagd auf. Als letzte Rettung hüpfte der Frosch auf das gerade benutzte Bett. „Jetzt hab ich dich!“, schrie das Mädchen siegessicher und sprang hinterher. „Nicht so wild“, murmelte der Aufgeweckte schläfrig. Schmunzelnd fügte es hinzu: „Sei ein wenig zärtlich.“ Kumatora legte nachdenklich den Kopf schief. War der Frosch nicht aufs Bett gesprungen? Fragend schaute sich das Kind um. Das Chaos wurde von den Anderen aufgeräumt. Lächelnd betrachtete Doria das Mädchen, leckte von seinen Fingern die Sahne und tänzelte auf der Stelle. „Mein Liebling, ist das Fröschen weg?“ Bevor Kumatora nicken konnte, bemerkte sie eine Bewegung. Das Tierchen kroch in das Kleid der Schlafenden. Missy, der bis jetzt still aufgeräumt hat und sich aus allem herausgehalten hat, schüttelte warnend den Kopf. Doch Kumatora feixte siegessicher, rieb die Hände und griff entschlossen Phrygia zwischen die Beine.

Zuerst bemerkte es Phrygia nicht und irgendwie möchte es es. Missy hob erschrocken seine manikürten Hände vor seinem Mund. Erst als Kumatora energisch nach dem Ausreisser suchte, fing der Einnickende laut an zu kichern und sich zu winden. „Meine Güte, Herzchen!“, entsetzt schlug Ionia seine Hände vors Gesicht und trippelte zum Bett.

Sanft aber bestimmt wurde Kumatora gepackt und weggezogen. Schweigend sahen sich die Zwei an. „Was habe ich falsch gemacht?“, fragte das Kind nach einer Weile ungeduldig. Sie war sich keiner Schuld bewusst. Kaum hatte sie die Frage gestellt, schnatterten die *Damen* los. Warum habe ich nur was gesagt …, schoss es dem Mädchen durch den Kopf. Auch wenn Kumatora sich konzentriert hätte, hätte sie nicht mehr verstanden. Irgendwas mit Manieren, Anstand und Intimsphäre. Lieber schaute sie sich nach dem Frosch um.
 

Missy lächelte sie an und winkte Kumatora zu sich. Langsam öffnete es die Hände. „Mein Frosch“, jubelte Kumatora. Nickend beugte sich Missy zu ihr runter. „Vielleicht ist es besser, wenn du den Kleinen nach draussen bringst. Hier fühlt er sich nicht wirklich wohl.“ Nachdenklich runzelte das Mädchen die Stirn. „Und er möchte sicher zu seinen Freunden zurück.“ Jetzt nickte das Mädchen langsam. „Ist er böse auf mich?“ Über diese Frage musste Missy schmunzeln. „Ich denke nicht, Kleines.“ Mütterlich strich es über Kumatoras Haare. „Lass ihn wieder frei.“ Wie zu Bestätigung quakte der Frosch einmal. Hüpfend sprang das Mädchen nach draussen, vorbei an den schwatzenden Magypsies. Das Thema war nun ein anderes. Statt über die Erziehung ihres Schützlings zu diskutierten, schwelgten sie in Erinnerungen von früher. Eigentlich hätte das ewig so weiter gehen können. Sie sprachen gerne von früher. Als sie noch blutjung und verführerisch waren.
 

PlatschSechs Köpfe wandten sich alarmiert zu der Richtung des Geräusches. Nicht einmal einen Wimpernschlag später, schrie Ionia schockiert auf. „Kumatora!“ Hastig tippelte es nach draussen, dicht gefolgt von Doria. Der Frosch lugte zufrieden aus dem Wasser. „Oh meine Güte“, summte Doria und tänzelte fieberhaft auf der Stelle. Ionia derweil kniete sich hin. Griff beherzt in das eiskalte Wasser. Zog mit einer Hand das pitschnasse Mädchen hinaus. Schlotternde schnappte sie nach Luft. Musste sich erst orientieren. Doch dann grinste Kumatora: „Ich ha-habe den Fro-osch, wie Mi-missy gesagt hat, in de-den Teich ge-gebr-acht.“ Erleichtert atmeten Ionia und Doria aus.

„Oh Engelchen. Oh Engelchen!“, summte Doria und strich ihr über die Wangen. „Mach so was nie wieder“, flüsterte Ionia und drückte das verwirrte Mädchen an sich. Warum machen Sie sich solche Sorgen? Es ist ja nichts passiert. Und ich kann schwimmen. Doria stöckelte wieder in das Häuschen. Seufzend betrachtete Ionia das Kind.

„Kumatora, mein liebes …“ Weiter kam es nicht. Wütend versuchte Kumatora sich aus der Umarmung zu befreien. „De-den ganzen Ta-tag hör i-i-ich nur von Eu-Euch Tu da-das nicht! Tu di-dies nicht! Ich bi-bi-bin fast erw-wachsen. Ich bin ke-kein kl-klein-kleines Kind mehr!“ Zappelnd wandte sie sich im eisernen Griff ihrer *Ziehmutter*.

„Ich ka-kann auf mi-mich se-selbst aufpa-passen! Ich bra-brauch Eu-Euch nicht!“ Trotzig blickte Kumatora in das stark geschminkte Gesicht von Ionia. Schon dachte sie, sie wäre irgendwie zu weit gegangen.

Obwohl man es den Magypsies nicht zutrauen würde, waren sie ziemlich streng. Und ihre Bestrafungen hatten es in sich-wenn sie es ernst meinten.
 

Ionia verzog keine Miene. Zwinkerte nicht einmal. Fast hätte Kumatora zur Sicherheit die Person vor sich angestupst. Vielleicht war Ionia erstarrt?

Besonnen legte es den Kopf schief, blinzelte genauso langsam und drückte Kumatora fest, aber sanft, an sich. Schwermütig seufzte das Wesen. „Kumatora. Wir wollen nur das Beste für dich. Nerven wir dich damit so?“ Fürsorglich strich es dem zitternden Mädchen über den Rücken. „Liebling. Du bist das Wichtigste und Wertvollste für uns, was es auf der ganzen Welt gibt.“

Verwundert blickte Kumatora auf. Auf der Insel waren seltsame Nadeln verteilt. Für jede Magypsy eine. Diese mussten sie beschützen. Immer wieder sagten sie, dass die Nadeln auf jeden Fall beschützt werden müssen. Bis die Zeit kommen wird.
 

Das Kind wollte gerade Antworten, doch sie nieste nur. Schmunzelnd wurden ihr die nassen Haare zurück gestrichen. Behutsam trug Ionia sie hinein. Doria rannte augenblicklich auf die Zwei zu. Ionia überreichte ihr Kumatora.

„Da hast du uns ja einen riesigen Schrecken eingejagt, Schätzchen“, lächelte Aeolia und strich sich über seinen Bart. Lydia stand auf, sein Hase sass auf dem Tisch, und legte seine Hand auf Kumatoras feuchte Stirn. Missy runzelte die Stirn. „Geht das so schnell mit dem Fieber?“, fragte das Wesen schüchtern. „Vorsicht ist die bezaubernde Mutter der Porzellankiste“, erwiderte Lydia. Doria rubbelte sanft den Rücken des nassen Mädchens. Kumatora, welche dieses Theater gewöhnt war, zitterte immer noch. Erst als sie einen Niesanfall hatte, dachte Phrygia an das richtige. „Sie muss aus den platschnassen Kleidern raus, sonst holt sie sich den Tod“, murmelte es schläfrig.

„Schaut doch, ich kann Blubberblasen machen“, kicherte Kumatora und planschte im Wasser. Die Anwesenden lachten. In der Mitte des Hauses stand nun statt des Tisches mit dem Tee und Gebäck ein grosser Holzbottich. Die nassen Kleider trockneten an aufgespannten Seilen. Doria kniete sich hin und kniff dem Mädchen in die Wange. „Tante Doria“, protestierte Kumatora glucksend und verzierte die Sonnenbrille mit Schaum. Singend wandte sich Ionia an Aeolias Schminktischen. „Welches Haarwaschmittel willst du, Herzchen?“, fragte es. Misstrauisch drehte sich das Kind im Bottich um. Einige Wasserspritzer tropften auf den Boden. „Seit wann hilft so was gegen einen Schnupfen?“ Ionia, eine Flasche wieder auf den Schminktisch stellend, lachte nur. Da Kumatora eh erst Ruhe geben würde, wenn sie den Grund wusste, antwortete es kichernd: „Du trägst noch den halben Wald auf deinen Köpfchen. Und bevor ein paar Vögelchen auf dir niesten, waschen wir dir deine Haare.“
 

***
 

Der Nachmittag plätscherte vor sich hin. Kumatora überschwemmte in ihrem Übermut beinahe das Zimmer und die Magypsies tranken ihren Tee. Das Mädchen musste man später aus dem Behälter scheuchen. Obwohl das Wasser mittlerweile erkaltet war, wollte sie nicht hinaus. Im Gegenteil. Kumatora verlangte nach mehr Schaum. Erst als sie ihr eine Leckerei versprachen, durfte man sie herausholen.

„Schmeckt dir der Kuchen?“, fragte Missy gütig und als es ein zufriedenes Nicken von Kumatora bekam, lächelte Missy glücklich. Das Wesen war wirklich froh das Kumatora nichts passiert ist. Seufzend strich sich Missy eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich muss mir wahrlich angewöhnen, weniger Sorgen um Kumatora zu machen. Das Mädchen sah es jedoch so selten. Wenn es gut ging, einmal im Monat. Da aber Menschen so eine kurze Lebensspanne hatten …

Als hätte Phrygia die Gedanken von Missy erraten, legte es eine Hand auf seine Schulter. Dankbar lächelte das Wesen seine Gefährtin an.

Kumatora amüsierte sich prächtig. Vor sich hatte sie einen köstlichen Kuchen und heisse Schokolade und dazu die volle Aufmerksamkeit der Magypsies auf ihrer Seite. Zufrieden zappelte sie mit den Beinen. Eingewickelt in einem von Aeolias Bademantel quasselte das Mädchen mit den geduldig zuhörenden Anwesenden.
 

„Duuuuu Tante Aeolia?“, fragend drehte sich Kumatora um. Da die Magypsies nicht sofort reagierte, obwohl sie auf seinem Schoss sass, pikste sie Aeolia in die Wange. Jetzt widmete sich es Kumatora. Lächelnd beugte sich das Wesen über das Mädchen, während es den Fächer weglegte.

„Was ist, Liebling?“

„Stimmt es, dass meine Vorfahren alle königliches Blut hatten?“ Die Anderen warfen sich achtsame Blicke zu.

„Durchaus, Kleines.“

„Mein Papa und meine Mama auch?“

Aeolia strich sich bedächtig über den Bart. „Wenn ich dir sage, dass alle deine Ahnen blaublütig waren, gehören selbstredend deine Eltern auch dazu. Oder denkst du da anders, Prinzesschen?“ Nachdenklich zerdrückte Kumatora die mit Zucker glasierte Erdbeere. „Wer hat dir so einen Floh ins Ohr gesetzt? Wer hat behauptet, dass du keine Prinzessin bist?“

Natürlich wusste es Aeolia. Doch es liebte solche Spielchen. Unwissenheit vorzuspielen, tat es besonders gerne. Kumatora hörte auf, die Erdbeere zu zerdrücken. Sie legte den Kopf schief und schaute mit grossen Augen direkt das Wesen an.

Für das Mädchen war es unbegreiflich. Wieso wusste Aeolia etwas nicht? Nach einigen Sekunden konnte Kumatora nicht länger ihren Mund halten. Sie erzählte. Ihre Arme wedelte in der Luft. Ionia schmunzelte. Dieses Betragen konnte man ihr wohl wirklich nicht abgewöhnen.

Die Plaudertaschen waren, wie alle im Raum vermutet haben, die Geister. Nachdem sie Kumatora die alte Bibliothek gezeigt hatten und in den Kerker hereingeschaut haben, fanden es die Geister wohl eine gute Idee dem Mädchen den Stammbaum der Osohe zu präsentieren. Und sie war nicht darauf abgebildet …
 

Verständlicherweise verwirrte dies Kumatora. „Seit wann beschäftigt dich das?“, fragte Phrygia schläfrig nach. Beschämt sah das Mädchen zum Boden und zappelte unruhig mit den Beinen. „Seit gestern. Oder so.“ Ungläubig seufzten die Erwachsenen. Die Geister hatten nur Unsinn im Sinn. Ihre Feste waren jedoch spektakulär. „Liebling, du solltest dir das Geschwätz der Geister nicht zu Herzen nehmen.“ Mütterlich strich Aeolia über den Kopf des Kindes. „Psss …“, sagte es, als Kumatora was dazu erwidern wollte. „Wir sind immer für dich da. Und lieben dich. Egal, wer du bist.“

Während es mit einem Finger den Mund des Mädchens zuhielt, zeigte Aeolia mit der anderen Hand in die Runde. Doria kniete sich sogar hin, um Kumatora zuzuwinken. Langsam nickte das Kind. Im Sekundentakt erhellte sich ihre Miene. Lachte plötzlich laut auf, sprang von dem Schoss der Magypsy und schlürfte, der Bademantel hinter sich herziehend, auf Ionia zu. Verwundert beugte sich es zu ihr herunter.

„Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe. Draussen.“ Sie sprang ihrer Ziehmutter um den Hals, küsste Ionia entschuldigend auf die Wange. Die Anderen lächelten über diese Szene. So kannten sie ihren kleinen Wildfang. Kumatora war ziemlich ehrlich mit ihren Gefühlen und zeigte diese auch. Lydia, eine Hand mahnend auf Dorias Schultern gelegt, um es abzuhalten vor Rührung laut auf zu gluckern, lächelte fröhlich.
 

***
 

„Herzchen?“, flüsterte Aeolia und strich dem Mädchen über den Kopf. Müde blinzelte Kumatora. Sie rieb sich die Augen und sah sich um. „Bist du müde?“ Das Mädchen schüttelte heftig den Kopf. Gähnte allerdings dabei. „Nach meiner bescheidenen Meinung bist du es, Herzchen.“ Mürrisch grummelte Kumatora. Trotzig verschränkte sie die Arme.

„Bin nicht müde.“

„Bist du, mein Schatz.“

„Bin. Ich. Nicht!“

„Liebling, du schläfst fast beim Reden ein.“

„Das ist nur, weil ihr so langweiliges… Zeugs … redet.“

Kumatora rieb sich die Augen und versuchte erneut ein Gähnen zu unterdrücken. Ionia tänzelte zu den zwei Streithähnen. „Es ist wohl an der Zeit, uns zu verabschieden und nach Hause zu gehen“, verkündete es lächelnd. Kumatora hätte sich gerne geweigert. Wäre abgehauen oder hätte sich versteckt. Sie war jedoch müde-auch, wenn sie es niemals zugeben würde.

„Wenn du nach Hause willst, Mama Ionia, können wir ja gehen.“ Lydia streichelte den Hasen, während es leise brummte. „Nun, ich muss mich leider verabschieden“, das Wesen im gelben Kleid gab dem Tier ein Küsschen auf die Nase, „Es war wie immer ein Vergnügen Euch zu sehen, meine Lieben.“ Es umarmte seine Gefährtinnen und gab ihnen ein Küsschen auf die Wange. Ausser Aeolia, da es immer noch als Sessel für Kumatora diente. „Besuch mich und die Häschen mal wieder, Kumatora“, sprach Lydia, während das Tier an der Hand von dem Mädchen schnupperte. Sie nickte strahlend.

Sie war gerne bei Tante Lydia. Dort durfte sie mit den Hasen spielen, im Schnee herumtoben und heissen Kakao mit Häschenkekse naschen.

Auch Missy machte sich zum Gehen fertig. Mit den Worten „Ocho wird sich gewiss schon Sorgen um mich machen.“ stolzierte es elegant hinaus. Phrygia schlief den Schlaf der Gerechten.
 

Plaudernd legte Ionia mit Doria die trockene Wäsche des Mädchens zusammen. „Ionia, Schätzchen, du hast den richtigen Zeitpunkt erwischt“, sprach Aeolia schmunzelnd. Das Mädchen lehnte sich an ihn, die Augen geschlossen. „Sie ist wahrhaftig ein kleiner bezaubernder Engel!“, flötete Doria. Schwärmerisch betrachtete die Magypsy das Kind. „Ich beneide dich dafür, Kumatora die ganze Zeit um dich zu haben.“

Mütterlich betrachtete Ionia das Kind, welches sanft von Aeolia gedrückt wurde. „Ja, es ist eine lohnende Arbeit. Sie zu einer wohlerzogenen, jungen Dame erziehen, ist jedoch schwieriger als angenommen.“ Theatralisch seufzte Ionia und zupfte die Wimpern zu Recht. „Es ist freilich eine reizende Aufgabe.“ Aeolia wechselte vorsichtig die Beinstellung, um die Schlafende nicht zu wecken.

„Meine Lieben“, begann die Magypsy und warf den Anderen einen strengen Blick zu, „unsere Pflicht ist es, die Nadeln zu beschützen. Und auf unser Findelkind aufzupassen. Bis die Zeit kommt.“ Geheimnisvoll lächelte Aeolia. Einige Sekunden war es mucksmäuschenstill. Nur das gleichmässige Atmen von Kumatora war zu hören.
 

***
 

Eine Maus huschte ängstlich von den tapsenden Schritten der Magypsy davon. Seine Schritte hallten durch die verstaubten Gänge. Eine faustgrosse Spinne verschwand in einer Ritze. Staubflöckchen wirbelten in der Luft, genauso wie der miefige Geruch des Bauwerkes. Von unten drang den Klang eines Klaviers hinauf. Lachen und Gespräche waren genauso zu hören. Falls jemand aus dem Dorf sich getraut hätte, durch die Pforte des Schlosses zuschreiten, wäre er überrascht gewesen, niemanden anzutreffen. Später hätte er schreiend das Gebäude verlassen, weil ihn die ausgelassenen Geister zum Fest eingeladen hätten. Falls die Person an den Totengräber und gleichzeitiger Friedhofsgärtner vorbeigekommen wäre …

Ionia passierte die Ritterrüstungen. Kaum bemerkbar bewegten diese ihre Visiere. „Keine Sorge, meine tapferen Mannsbilder, der Prinzessin geht es gut“, hauchte die Magypsy. Mit einem leisen Quietschen standen die Rüstungen wieder stramm hin.

„Schlaf schön, mein Liebling“, flüsterte Ionia und deckte Kumatora zu. Eine Weile betrachtete es das friedlich schlummernde Kind. Sie wachsen so schnell. Mir kommt es wie vor, als hätten wir Kumatora erst gestern adoptiert. Sanft streichelte das Wesen dem Mädchen über die Wange. Beugte sich über sie und küsste Kumatora auf die Stirn.
 

„Wunderschöner guten Abend!“ Der Geist schwebte kopfüber an Ionia vorbei. Es lächelte charmant und zwinkerte dem Geist zu. „Schön, dich zu treffen“, flötete das Wesen. „Wer von Euch kam auf die glorreiche Idee …“, weiter kam es nicht, der Geist winkte ab.

„Ich sagte Ihnen, dass es ein unüberlegter Einfall war.“ Er flog einen Looping, nachher schwebte er neben Ionia her. „Aber die Maid fragte die ganze Zeit Was waren meine wirklichen Eltern für Menschen? Ich möchte mehr über mich und meine Familie erfahren! Wer bin ich?“ Der Geist verzog das Gesicht. „Sie wollte nicht einmal ein Fleischbällchen haben.“ Ionia nickte nur, da es ihn Gedanken war. „Ach ja, Sie vermisst auch ihren menschlichen Spielkameraden. Oder irgendwie so.“

Er tauchte halb durch den Teppich. „Sie ist aber wie immer artig. Über Ihre kleinen Entdeckungstouren kann man doch hinwegsehen.“ Sein freundliches Lachen war nach seinem Verschwinden noch zu hören. Die Magypsy stand in der Eingangshalle. Eine weisse Maus hob neugierig sein Köpfchen, schnupperte. Nach einigen Sekunden huschte es schliesslich davon. Eigentlich hätte das Wesen jetzt nach Hause gehen können. Es lief aber zurück zum Kinderschlafzimmer.
 

Leise öffnete Ionia die alte Türe. Kumatora schlief. Es war ein entzückender Anblick. Das Mädchen in einem für sie viel zu grossen, pinken Bademantel eingewickelt. „Menschen werden einfach viel zu schnell erwachsen“, flüsterte es. Ionia versuchte das ungute Gefühl in ihrem Inneren zu ignorieren. Die Magypsy lebten schon seit ewiger Zeit. Doch ein Mensch wurde knapp 100 Jahre. Es wünschte sich für Kumatora nur das Beste. Was würde nur aus ihr werden …?

Plötzlich verzog das Kind das Gesicht zu einer Grimasse. Sie redete im Schlaf. Ionia legte den Kopf schief.

„Ihr habt keine Ahnung … Ich werde niemals so eine folgsame Prinzessin werden … wer braucht schon einen eingebildeten Prinzen, wenn ich auf mich selbst aufpassen kann?“ Sie drehte sich um und schlief still weiter. Das Wesen musste sich das Lachen verkneifen. „Um dich müssen wir uns niemals Sorgen machen, Liebling.“

Es lächelte, deckte das Mädchen zu, gab ihr ein Küsschen auf die Wange und verschwand auf Magypsyart.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  KiraNear
2013-10-14T12:11:10+00:00 14.10.2013 14:11
Kumatora als Kind ist ja richtig putzig :3
Und sie hat wohl eine ziemlich lustige und irgendwo auch interessante Kindheit gehabt^^
Btw, tolle FF ;-)
Antwort von: Lupus-in-Fabula
17.10.2013 14:04
*hehe*
So stelle ich mir eben die kleine Kuma vor. Sie war sicherlich kein leichtes Kind. Aber süss :3
Und ihre Kindheit war bestimmt speziell. Kein Wunder bei ihren Ziehmüttern.

Danke für deinen Kommentar :)


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