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Götterherz

von

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Wie gewonnen, so zerronnen


 

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Wie gewonnen, so zerronnen
 

Ich sehe Nick an, als hätte er soeben vor meinen Augen den Präsidenten erschossen. Was soll denn das heißen, er verlässt das Land und wandert aus? Vielleicht habe ich mich ja auch nur verhört.

»Wie bitte?«, frage ich daher noch einmal und vergesse vor lauter Schreck, dass ich Salat im Mund habe. Dressing tropft mir daraus hervor und landet in meinem Dekolleté, welches von Bob sofort interessiert beäugt wird.

Die Sonne verschwindet gerade hinter den Bergen und färbt die gesamte Mojave-Wüste wie in einem farbenprächtigen Traum. Den Tag haben wir damit verbracht die Calico Geisterstadt zu besichtigen. Nicks Reiseführer wusste darüber zu berichten, dass die Stadt im Zuge des Silberbergbaus gegründet wurde. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren die über 500 Minen nicht mehr ökonomisch und die Stadt wurde infolgedessen aufgegeben. Aber das ist mir gerade alles so was von egal.

Ich sehe zu Loki, der auf dem Campingplatz unterhalb der Geisterstadt den Grillmeister an unserem mitgebrachten Hightech-Grill gibt, als hätte er in seinem Jahrtausende langen Leben nichts anderes gemacht. Ohne hinzusehen wendet er gerade in Curryketchup eingelegte Steaks zum Niederknien und schaut dabei ratlos zwischen Nick und mir hin und her.

»Ich gehe nach Paris«, erklärt Nick und meine schlimmsten Befürchtungen werden augenblicklich war. Er verlässt mich. Heul!

»Wieso?«, frage ich und meine Stimme ist dabei vielleicht einen Tick zu forsch, denn sofort erfüllt eine unangenehme Spannung die Luft. »Das ist tausende von Meilen weit weg.«

»Weil mir ein sehr lukratives Jobangebot gemacht wurde«, rechtfertigt sich Nick und schaufelt sich dabei Unmengen von Kartoffelsalat auf einen Pappteller. »Und außerdem ist es ja so, dass ihr mich innerhalb eines Wimpernschlages besuchen könnt.«

Stimmt, gestehe ich ihm im Stillen zu und sehe erneut zu Loki, der mich ansieht, als wäre dies wirklich eine Option, die ich in Betracht ziehen kann.

»Paris?«, wiederhole ich und wenn das Wort greifbar wäre, dann würde ich es nur mit den Fingerspitzen anfassen. »Wieso ausgerechnet Paris?«

Nick zuckt nur mit den Schultern und ich sehe auf, als sich ein Schatten zwischen mich und die Sonne schiebt. Loki reicht mir einen Teller mit allerlei Köstlichkeiten vom Grill und setzt sich schließlich neben mich.

»Weil er sich dann eine Dauerkarte für Disneyland zulegen kann«, antwortet Loki auf meine Frage mit einem verschmitzten Grinsen.

»Das kannst du in Anaheim auch«, sage ich und beginne mein Essen mit Messer und Gabel zu malträtieren, während Bob sich zu unseren Füßen ausbreitet und versucht den Eindruck zu erwecken, dass er der gepeinigteste Hund auf der ganzen Welt ist, weil er nichts abbekommt.

»Aber das Pariser Schloss ist schöner«, antwortet Nick prompt und ich sehe ein, dass ich mich geschlagen geben muss. Wenn DAS kein Argument für Paris ist, dann weiß ich auch nicht.

Ein paar Minuten essen wir schweigend und mir wird klar, dass ich Nicks Entscheidung durchaus nachvollziehen kann und als beste Freundin wohl auch unterstützen sollte. Ich mustere meinen Noch-Nachbar und gebe ihm mit Blicken zu verstehen, dass er meinen Segen hat.

»Wieso rückst du ausgerechnet jetzt mit der Sprache raus?«, frage ich, als Bob einen neuen Versuch startet etwas Essbares zu ergattern und seine Pranke auf meinen Oberschenkel legt.

Scheinbar habe ich einen wunden Punkt erwischt, denn Nick sieht ertappt nach unten und stochert wie wild mit der Gabel auf seinem Teller herum, bevor er kleinlaut gesteht:

»Weil es nächste Woche schon losgeht und ich dachte, dass wir in Vegas noch einmal so richtig einen draufmachen können.«

Bob nimmt Anlauf, springt mich an und schleckt das Dressing aus meinem Dekolleté.
 

~
 

Gesagt, getan!

Wir holen Nick am nächsten Tag im einzigen Motel der Stadt ab, da er sich weigerte die Nacht mit uns im Wohnmobil zu verbringen.

»Ihr seid zu laut«, erinnere ich mich an seine Worte, als er einfach das Fahrrad vom Gepäckträger nahm und sich auf den Rückweg nach Yermo machte.

Die restlichen 150 Meilen bringen wir ohne weitere Zwischenfälle hinter uns und checken schon bald im Excalibur Hotel direkt am Las Vegas Boulevard ein.

Nick gehen fast die Augen über, als er sieht, dass das Hotelgebäude im Stil einer mittelalterlichen Burg erbaut ist. Sofort bemüht er seinen Reiseführer und erklärt uns, dass es hier 4000 Zimmer gibt, ein Casino, sechs Restaurants, zwei Swimmingpools und tägliche Ritterspiele sowie die allabendliche Show »Tournament of Kings«.

»Vergessen Sie nicht das ritterliche Abendmahl im Stil der Tafelrunde von König Arthur«, teilt uns eine Dame am Empfang mit, die Nicks Begeisterungsrufe aufgeschnappt hat.

Am meisten beeindruckt mich jedoch die Hochbahn, welche das Hotel mit dem Luxor Hotel sowie dem Mandalay Bay Resort verbindet.

Ich entspanne gerade am Pool mit einem alkoholfreien Cocktail, als Nick sich auf die freie Liege neben mich fallen lässt.

»Wo ist dein Mann?«, will er sogleich wissen und ich drehe meinen Kopf in seine Richtung.

»Mit Bob die Stadt unsicher machen«, sage ich schlicht und rücke meine Sonnenbrille zurecht. »Was vermutlich bedeutet, dass er heimlich irgendwelche Geschäftstermine wahrnimmt und neue Kunden akquiriert.«

»Er muss mir helfen die einarmigen Banditen zu knacken«, berichtet Nick hastig weiter und schnippt mit den Fingern, um zu verdeutlichen, was genau er damit meint. »Du weißt schon... ein bisschen Hokuspokus und so.«

»Auf gar keinen beschissenen Fall«, tue ich meinen Unmut über diese Forderung kund und sehe Nick böse an. »Keine krummen Dinger mehr, das hat er mir versprochen.«

»Ach komm, Pilzköpfchen«, bettelt Nick und geht sogar vor mir auf die Knie. Die anderen Leute am Pool sehen bereits zu uns. Wahrscheinlich denken sie, dass er mir gleich einen Heiratsantrag macht. »Ich habe bereits 300 Dollar verloren.«

»Vergiss die Maschinen«, sage ich und mache es mir wieder bequem. »Spiel lieber Karten.«

»Geht nicht. Ich bin pleite. So habe ich mir den Aufenthalt hier nicht vorgestellt.«

Ich will wirklich nicht darüber lachen, kann aber nicht anders, als ich seine betröppelte Stimme vernehme.

»Vielleicht hilft das weiter«, sagt Loki hinter uns im Herantreten und schnippt einen Jeton in Nicks Richtung.

Nick fängt die Plastikmarke auf und bekommt große Augen. Der Chip ist übergroß, grau und trägt wie alle anderen Chips in diesem Casino das Logo des Excalibur.

»Der ist grau«, sagt Nick, als wäre dies etwas äußerst Ungewöhnliches. Ich habe keine Ahnung von Spielchips, also ist es das vielleicht auch. »Was ist er denn Wert?«

Loki zuckt nur mit den Schultern.

»Finde es doch heraus.«

Nick springt auf und jagt wie von der Tarantel gestochen zurück ins Casino und wir können nur noch seine sprichwörtliche Staubwolke schlucken.

Ich sehe ihm kurz hinterher, wie er mit wehendem Hemd im Hotelkomplex verschwindet, während Loki sich eine Liege schnappt und so nah wie möglich gegen meine rückt, bevor er sich darauf platziert und mir zuzwinkert. Ich lächele und meine Hand streift durch sein Haar.

»Fünftausend«, sagt Loki, als hätte er meine Gedanken gelesen, greift nach meiner Hand und haucht einen Kuss auf meinen Handrücken. »Der Spielchip ist fünftausend Dollar wert.«

Das überrascht mich überhaupt nicht.

»Das ist sehr großzügig von dir«, sage ich leise lächelnd und versuche mir Nick dabei vorzustellen, wenn er den Wert herausfindet. Aber dann fällt mir etwas Wichtigeres ein. »Wie geht es Bob?«

»Er erholt sich von der Strapaze des nachmittäglichen Spaziergangs durch die Gluthitze von Las Vegas und hält schnarchend ein Nickerchen auf dem King Size Bed unserer Suite.«

»Süß«, säusele ich und finde es gerade ziemlich verlockend mich einfach zu Bob zu gesellen. Loki nehme ich natürlich auch mit. Aber wieder fällt mir etwas Wichtigeres ein und ich beiße mir auf die Unterlippe. »Wir sollten Nick davon abhalten, wieder alles zu verlieren.«

»Ja«, pflichtet Loki mir bei und sein Blick gleitet zum Pool. »Aber vorher müssen wir noch etwas anderes machen.«

»Was denn?«, frage ich noch ganz blauäugig, als er mich an der Hand packt und mit sich nach oben zieht.

Ehe ich mich versehe, hebt er mich in seine Arme und mir schwant augenblicklich Böses. Sofort fange ich an zu strampeln und meine Hände trommeln vergeblich gegen seine Brust, als der Rand des Pools immer näher kommt.

»Nein, nein, nein, nein, NEIN! Loki!«

Es ist mir egal, dass ich mädchenhaft kreische und mich aufführe wie eine Furie. Ich habe nichts gegen Wasser, aber meine Haare machen immer so komische Sachen, wenn sie trocknen.

Ich habe gerade noch Zeit die Augen zu schließen und meine Nase zuzuhalten, als Loki einen Schritt über den Poolrand tut und sich mit mir in das kühle Nass fallen lässt.
 

~
 

Meine Haare sind immer noch nass, als wir mitten in der Nacht Arm in Arm aus dem Casino kommen und unsere Suit aufsuchen.

Bob lässt sich sogar dazu herab uns zu begrüßen und quält sich dafür aus dem Schlaf. Während Loki sich zu ihm auf das Bett gesellt und für angemessene Streicheleinheiten sorgt, suche ich das Bad auf, löse den Dutt in meinem Haar und mache mich bettfertig.

Später döse ich schnell vor dem leise dudelnden Fernseher vor mich hin, während Loki am Fenster sitzt, noch schnell seine E-Mails checkt und Bob schnarchend auf meinen Beinen liegt.

Lächelnd erinnere ich mich an die letzten Stunden. Nick hat auf meinen Rat gehört, sich von den Spielautomaten abgewendet und sein Glück am Pokertisch versucht. Es war eine Schande, dass er von den Spielregeln keine Ahnung hatte. Schnell hatte er einen Tausender verloren und wir mussten unsere ganze Überzeugungskraft aufbringen, ihn zum Black Jack zu überreden. Jeder kann Black Jack. Ich bin mir wirklich nicht sicher, aber, als Nick seine verbliebenen viertausend Dollar auf achttausend ausgebaut hatte, warf ich einen Blick zu Loki, der mir nur zuzwinkerte und damit bereits alles sagte. Und ich war nicht einmal sauer deswegen.

Wir verließen Nick, als er in Begleitung einer jungen Dame war – eher ungewöhnlich, aber vielleicht wollte er einfach einmal etwas anderes ausprobieren -, wünschten noch viel Erfolg und verabschiedeten uns für die Nacht.

»Loki?«, frage ich nuschelnd und mit geschlossenen Augen, während der automatische Schlafmodus den Fernseher gerade abschaltet.

»Ja, mein Herz?«

Ich muss schmunzeln. So nennt er mich seit kurzem immer, wenn wir allein sind und das schmeichelt mir irgendwie sehr.

»Wer ist dieser Fury eigentlich?«

Die Tastengeräusche seines Laptops verstummen und ich zwinge mich dazu ein Auge zu öffnen. Loki hält in seiner Arbeit inne und betrachtet mich.

»Ich kenne ihn noch aus meinen...« Er unterbricht sich selbst und sucht nach dem richtigen Wort. »Welteroberungszeiten.«

»Aha«, mache ich nur und schließe beide Augen wieder, kuschele mich noch mehr in die Decke.

»Er hat mich einmal in einen Glaskasten gesperrt«, fügt Loki leise ein witziges Detail hinzu und meine Mundwinkel gehen leicht in die Höhe.

»Das ist nicht sehr nett«, nuschele ich. Verständlich, dass seine Abneigung gegen Fury groß ist.

Ich muss bereits kurz weggenickt sein, denn ich erwache, als Loki sich neben mich legt. Schnell kuschele ich mich an ihn und er legt einen Arm um mich.

»Die wollen mein Leben verfilmen«, erzählt er mir leise von einer Mail irgendeines Filmkonzerns.

»Aber nur, wenn Bob und ich auch darin vorkommen«, verlange ich schlaftrunken. »Und ich will mich selbst spielen.«

Ein leises Lachen lässt seine Brust erbeben und mein Kopf wackelt im gleichen Rhythmus.

»Natürlich, mein Herz. Natürlich.«

Mit der Erinnerung seines Kusses gleite ich ins Traumland.
 

~
 

Infernalischer Lärm zwingt mich dazu, die Augen aufzureißen. Ich blicke direkt in Bobs entrüstetes Gesicht, da er es sich in der »Besucherritze« bequem gemacht hat, und versuche sogleich die Quelle des Tohuwabohu auszumachen. Dies fällt mir nicht schwer, denn der Krach ertönt unmittelbar aufs Neue.

Da hämmert jemand gegen die Hoteltür!

Wie spät ist es eigentlich?

Ich rolle mich herum und reibe mir den Schlaf aus den Augen, während ich versuche auf der digitalen Anzeige der Nachttischuhr etwas zu erkennen. Noch ehe ich Gewissheit über die aktuelle Uhrzeit habe, öffnet sich die Badezimmertür und Loki tritt fragenden Blickes in den Schlafraum, bekleidet nur in einem weißen Handtuch, welches er sich um die Hüfte drapiert hat. Aufgrund dessen bin ich kurz abgelenkt, dann zucke ich aber planlos mit den Schultern, als ich seinen Blick bemerke.

Barfüßig begibt Loki sich zur Tür, späht kurz durch einen, erfreulicherweise vorhandenen, Türspion und sieht dann stirnrunzelnd zurück zu mir. Ich ziehe eine Augenbraue nach oben, bin mir bewusst, dass Loki diese Geste eindeutig besser drauf hat, und stütze mich abwartend auf meine Ellenbogen. Und ich schwöre, dass Bob neugierig an mir vorbei späht, als Loki schwungvoll die Tür öffnet.

»Ach, du meine Güte«, entfährt es mir, als ich sehe, dass ein reichlich lädierter Nick auf dem Flur steht. Die Haare stehen ihm zu Berge, er hält sich schwankend am Türrahmen fest und irgendwie macht er den Eindruck einer jüngeren Version von Doc Brown aus »Zurück in die Zukunft«. Ich bemerke außerdem, dass er keine Schuhe mehr trägt und ein Partyhut an einem Gummiband um seinen Hals hängt. »Alles in Ordnung, Emmett?«, frage ich in einer kleinen Hommage an das eben Gedachte, während Bobs Rute freudig auf die Bettdecke peitscht, als Nick ins Zimmer getrottet kommt und Loki die Tür wieder ins Schloss fallen lässt.

»Ich bin mir nicht sicher«, sagt Nick mit kratziger Stimme und lässt sich neben Bob auf das Bett fallen, wo er sein Gesicht sofort in einem Kissen vergräbt.

»Wo sind deine Schuhe?«, will jetzt auch Loki wissen, rückt sein Handtuch zurecht und wir werfen uns Blicke zu, als er sich ans Bettende setzt.

»Ich kann mich an nichts erinnern«, gesteht Nick leidend und in das Kissen nuschelnd. »Ich bin gerade am Pool aufgewacht.«

Ein Hangover? Krass.

»Wo ist denn dein ganzes Geld?«, will ich wissen und setzte mich jetzt komplett aufrecht hin.

»Weg.«

Hey, er kann sich doch noch an etwas erinnern.

»Geklaut?« Ich muss an seine Begleitung denken.

»Verspielt. Ich bin wieder zum Pokertisch gegangen.«

Ich schüttele den Kopf und schnalze tadelnd mit der Zunge. Dann muss ich lachen und Nick kämpft sich indigniert in eine ebenfalls aufrichte Position, versucht sein Haar zu glätten und zupft seinen zerknitternden Anzug zurecht.

»Gehen wir erst einmal schön frühstücken«, schlage ich vor. »Dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.«

»Nein«, meint Nick und schüttelt energisch den Kopf. »Ich denke, es war keine so gute Idee Vegas unsicher zu machen. Wir sollten uns beeilen und hier verschwinden.«

»Bist du auf der Flucht?«, fragt Loki sichtlich amüsiert und spricht damit auch meine Gedanken aus.

»Nein, aber wir haben mir dem Zwischenstopp in Yermo schon einen Tag verloren und wir wollen schließlich noch bis nach Utah.«

»Hey«, rege ich mich auf und stemme die Arme in meine Hüften. »Das mit Yermo war deine blöde Idee.«

Nick scheint mich nicht zu hören, denn er rafft sich auf, stapft zur Tür und ruft uns zu, dass wir uns in einer viertel Stunde in der Lobby zur Abreise treffen.

Sekunden vergehen, in denen Loki und ich uns nur ansehen.

»Schade«, sage ich. »Ich hatte mich schon so auf das mittelalterliche Buffet gefreut.«

»Willst du auch noch duschen?«, fragt Loki nur und schaut mich durchdringend an.

»Ja, aber das schaffen wir in einer viertel Stunde nicht und ich will nicht riskieren, dass Nick das Wohnmobil kurzschließt und allein aufbricht, nur weil er urplötzlich eine Vegas-Phobie hat.«

Dann sieht er mich auf seine spezielle Art an. Hochgezogene Augenbrauen, ein schiefes Grinsen und ein Funkeln in den Augen.

Ich ziehe begreifend die Luft ein, tätschele schnell Bobs Kopf und sage, dass er brav sein soll, während ich mir schon das Pyjamaoberteil über den Kopf ziehe mit Loki ins Bad dackele.
 

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Nick ist völlig fertig und schnarcht auf dem Rücksitz mit Bob um die Wette. Er kommt erst wieder zu sich, als ich einen leeren Milchshakebecher nach hinten werfe und ihn treffe. Zu diesem Zeitpunkt sind wir schon in Arizona, treffen in Kingman auf die Interstate 40 und fahren weit nach Osten in Richtung Flagstaff.

»Sind wir schon da?«, fragt er verschlafen und beäugt die Landschaft.

»Wir haben uns verfahren und sind in Timbuktu«, scherzt Loki und wechselt gerade die CD.

»Ist euch auch auf einmal so warm?«, fragt Nick weiter, ohne von Lokis Antwort Notiz zu nehmen und wedelt sich mit der Hand Luft zu.

»Oh, Entschuldigung«, meint Loki daraufhin und ich weiß nicht, was er damit meint. »Mein Fehler.«

Und dann wieder Nick:

»Ah, schon besser. Hey, bist du das?«

Ich sehe nach rechts, in den Rückspiegel und wieder nach rechts.

»Was geht hier vor?«, will ich wissen.

Loki schweigt beharrlich vor sich hin und Nick taucht zwischen unseren Sitzen auf.

»Dein Freund hat einen Zauber auf uns gelegt«, informiert er mich. »Quasi eine asgardische Klimaanlage.«

»Asisch«, korrigiere ich Nick, noch bevor Loki es tun kann. »Ist das wahr?«

»Wollt ihr, dass ich damit aufhöre?«

»Gott bewahre, nein!«, ruft Nick schnell. »Die paar Sekunden gerade waren echt die Hölle.«

»Ich war abgelenkt«, gesteht Loki.

»Hatte es etwas mit Rileys Ausschnitt zu tun?«

»Nihiiick!« Das bin ich.

»Man wird ja wohl noch fragen dürfen.«
 

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Ich gähne, während Nick erneut aus seinem Reiseführer vorliest.

»Der Grand Canyon Skywalk ist eine Besucherattraktion im Erlebnispark Grand Canyon West der Hualapai-Indianer außerhalb des Grand-Canyon-Nationalparks. Es handelt sich um eine über den Rand des Canyons hinausragende Plattform aus Stahlträgern mit aufgelegten gläsernen Bodenplatten und gläsernem Geländer. Der Skywalk bietet die Möglichkeit, auf einem 22 Meter über den Abgrund ragenden, hufeisenförmigen Balkon durch den gläsernen Boden den Grand Canyon zu bestaunen.«

»Das muss ich nicht haben«, gestehe und krame nach meiner Digitalkamera. »Erst mal ein Foto.«

Wir stehen am Rand der Schlucht und bestaunen den Canyon, während sich über eintausend Meter unter uns der Colorado River noch weiter ins Gestein gräbt. Ich bin froh über die asische Klimaanlage, denn wenn ich mir die anderen Besucher so ansehe, sind 40 Grad nicht sonderlich angenehm.

Ich mache ein paar Fotos von der Landschaft und von meinen Begleitern. Loki, Nick und Bob. Nick und Bob. Loki und Bob. Nick und Loki. Wir quetschen uns sogar zu dritt in den Kameraausschnitt und ziehen Grimassen, während ich blind den Auslöser betätige. Dann fordere ich Nick auf, ein Foto von Loki, Bob und mir zu machen. Wir setzen uns in typischer Pärchenpose in Szene, während Bob hechelnd vor uns sitzt und warten auf das Okay des Fotografen, aber es lässt auf sich warten. Dann sehe ich, dass der Zoom wieder einfährt und die Kamera sich abschaltet.

»Riley«, ruft Nick panisch, als wäre es ein Weltuntergang. »Die Batterie ist runter. Riley! Die Batterie!«

»Ich habe noch Ersatzakkus um Auto«, kann ich ihn beruhigen und löse mich von Loki, überlasse ihm dabei Bobs Leine. »Ich gehe sie schnell holen. Wartet ruhig hier.«

Ich lege die kurze Strecke zum Parkplatz im Laufschritt zurück und habe es noch nicht ganz erreicht, als ich an einem schwarzen Jeep mit dunkel getönten Scheiben vorbei komme. Ich spiele gerade mit dem Autoschlüssel und lasse diesen vor Schreck in den Staub fallen, als sich drei Türen gleichzeitig öffnen. Ich halte erschrocken an und sehe mich übel gelaunten Anzugträgern gegenüber.

Vom Beifahrersitz tritt eine Frau an mich heran. Ich muss neidlos gestehen, dass sie hübsch ist, obwohl ich den hautengen blauen Kampfanzug etwas ungewöhnlich finde. Was zum-?

»Miss Parker?«, fragt sie und ihre Begleiter versperren mir den Weg.

Ich muss schlucken.

Sag einen falschen Namen, rede ich mir ein.

»Ja?«

Mist.

»Ich bin Agent Hill von der Strategischen Heimat Interventions-, Einsatz- und Logistik-Division.«

Ich verstehe nur Bahnhof, obwohl ich das schon einmal gehört habe.

»Aha«, sage ich und versuche mich an den Anzugträgern vorbei zu drücken, welche sofort einen Schritt zu Seite tun und mir somit erneut den Weg abschneiden. »Sehr angenehm.«

»Ich muss Sie bitten mit uns zu kommen«, sagt Agent Hill und deutet auf den Jeep.

Erst halte ich es für einen Scherz, aber keiner lacht.

»Darf ich fragen, um was es geht?«, will ich wissen und sehe mich vorsichtshalber nach einem Fluchtweg um.

»Das wird Ihnen der Direktor erklären.«

Fury? Dabei habe ich kein gutes Gefühl. Wollte er nicht vor ein paar Tagen Loki rekrutieren? Was habe ich denn jetzt plötzlich mit der... Sache zu tun?

»Und was, wenn ich mich weigere?«, frage ich äußerst mutig, wie ich finde und mache mich so groß wie möglich.

»Im Falle Ihrer Nichtkooperation sind wir befugt Gewalt anzuwenden«, erklärt Hill, ohne mit den langen Wimpern zu zucken.

Oi, denke ich und gebe mich prompt geschlagen. Ich stehe wirklich nicht sonderlich auf Schmerzen.

»Darf ich noch jemanden anrufen?«, frage ich, noch ehe ich anfange es mir bildlich auszumalen und fische flink mein Telefon aus der Hosentasche.

»Bedaure«, sagt Agent Hill und einer von ihren Gorillas nimmt mir das Telefon aus der Hand und hält es außerhalb meiner Reichweite. »Konfisziert.«

»Hey«, fange ich an mich zu echauffieren und springe auf und ab, um wieder an mein Eigentum zu kommen. Wenigstens habe ich die Simkarte noch in der anderen Hosentasche. »Geben Sie das her. Das ist wirklich sehr unklug von Ihnen.«

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Agent Hill ihren Handlangern ein Zeichen gibt, bevor sie sich wieder auf die Beifahrerseite setzt und die Tür hinter sich zuzieht.

Einer der Herren packt mich an den Oberarmen und schiebt mich in Richtung Fahrzeug.

»Aua«, rufe ich, obwohl es überhaupt nicht weh tut und ich schon fast auf der Rückbank sitze. Ein paar Passanten drehen sich zu uns um und ich sehe meine Chance. »Könnten Sie mir bitte helfen?«

Der andere der beiden Agenten zückt einen Ausweis und schreitet stumm zu der Familie hinüber. Er zeigt seinen Ausweis und redet kurz auf die Leute ein. Diese nicken und ziehen weiter.

»Ich werde entführt!«, rufe ich weiter, werde an der Hüfte gepackt und auf den Rücksitz bugsiert. »Interessiert das denn gar niemanden? Hallo?!?!«

Ich rutsche auf die andere Seite des Fahrzeuges, will die Tür aufreißen und durch die Hitze der Wüste von Arizona schleunigst das Weite suchen, als der zweite Gorilla die Tür vor mir öffnet und sich neben mich auf die Rückbank quetscht.

Hier sitze ich nun also. Eingekeilt zwischen Bundesagenten auf dem Rücksitz eines Regierungsfahrzeuges, nicht wissend, was als nächstes geschehen wird.

»Das wird noch Konsequenzen haben«, sage ich, spiele an meinem Armband herum und will mir gar nicht ausmalen, was geschehen wird, wenn Loki Wind von der Sache bekommt.
 

~ Ende des 3. Kapitels ~



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