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Monster

von

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Durch die Haut. Durch das Fleisch. Durch die Venen und Arterien. Durch die kleinsten Zellen im Körper. Ich spüre es und ich weiß was es ist.

Ich kenne es wie einen alten Bekannten. Es ist der Tod, der durch meinen Körper rinnt und mir den Atem aus den Lungen raubt. Ich spüre ihn. Ich kann ihn fast schon sehen. Er ist in den Jahren niemals gnädiger geworden und mit der Brutalität, mit der er das Leben aus mir reißt, tötet er meinen Verstand zu aller erst.

Und ich liebe es.
 

Meine Finger sind fast taub.

Das Blut in meinem Adern ist zäh und dick geworden und es sticht unter meiner Haut. Es fühlt sich fremd und unnatürlich an, als ich meine kalten, fast starren Hände vom Boden hebe. Der Dreck und der Waldboden sitzen fest unter meinen Nägeln wo ich sie tief in den Boden gegraben habe, als meine Muskeln verzweifelt zu zucken angefangen hatten.

Die Sehnen spannen wenn ich sie zwinge meinen Arm zu bewegen und die Kuppen meiner Finger fühlen sich an wie die eines anderen, als ich mit ihnen meinen Oberkörper berühre. Als ich mit ihnen über meinen verspannten Bauch streiche, über meinen Rippenbogen. Sie geistern über meine Haut, wie die tastenden Berührungen des Todes, die sich kaum von meinen eigenen unterscheiden. Sie schlieren über das klebrig gewordene Blut, das meinen Oberkörper überzieht und sich bereitwillig an meine Handfläche schmiert.

Ein schneller stechender Schmerz geht durch meine stumpf werdende Wahrnehmung, als meine Fingerspitzen ganz leicht an Metall stoßen. Der pechschwarze Stahl fühlt sich warm an, gegen meine eigenen Finger, denen das Sterben die Wärme längst gestohlen hat. Bei der winzigen Berührung, spüre ich das Metall überall genau wo es durch meine Brust hindurch geht und Gefäße und Gewebe durchstoßen hat. Unter mir hat sich die Spitze in den Boden gebohrt und wenn ich mich darauf konzentriere, dann merke ich genau den Widerstand, wie er im Untergrund verankert ist und in meinen Fleisch in die meiner Hand entgegengesetzten Richtung drückt.

Ganz langsam fühle ich das Metall entlang, das aus meinen Rippen ragt.

Ich ertappe mich dabei, dass ich mit meinen Zähnen gierig über meine Unterlippe walte, während meine halb starren Hände sich um den Stab in meinem Körper legen.
 

Noch mehr.
 

Ich bin süchtig.
 

Ich brauche noch mehr davon.
 

Mit einem Ruck drehe ich das Eisen, das mich an den Boden pfählt und ich reiße automatisch die Augen auf und die Lippen auseinander. Alles was fast erfolglos sich bemüht hatte um den toten Gegenstand in mir herum zu heilen, reißt sofort wieder auf.

Die Wucht schrillt geradezu durch meinen Körper. Mein Herz schickt einen schrillen, spitzen, unendlich grausamen Schmerz in meinen Kopf, in meine sterbenden Muskeln, die allesamt gleichzeitig anspannen und in jede noch so kleine in mir noch wahrzunehmen fähige Zone.

Ich kann nicht verhindern, dass ein benommenes Stöhnen meine trocken geflüsterten Lippen entkommt und ich will es auch gar nicht. Das tiefe matte Brummen vibriert durch den Stahl, der auch mein Herz durchbohrt.

Ich muss noch mehr davon fühlen. Ich kann nicht aufhören zu Sterben.
 

Meine Schultern drücken sich in den blutig durchzogenen Boden. Sie ächzen schmerzhaft. Dennoch zwinge ich mich, mich leicht windend wie eine betrunkene Nutte in ihren schmutzigen Laken, meine Wunden immer noch leicht aufzureißen. Das Blut quillt schon wieder bereitwillig unter der Mordwaffe in meiner Brust hervor, sprudelt wieder aus meinen Brustkorb da wo es eben noch eingetrocknet war und läuft wieder lauwarm über meinem Oberkörper zu den Seiten herunter, um den ohnehin schon feuchten Boden zu tränken.

Meine Finger pressen sich an die Einstichwunde und lassen die tiefrote Flüssigkeit durch ihre Gelenke hindurch laufen.

Es ist so gut. Ich liebe diese perverse Form von Leben, die da durch meinen Körper läuft. Ich liebe es wenn der Tod kommt um mich zu holen. Seine eisigen, stechenden, kratzenden Hände an mir, die mich an den Fesseln umfassen und dann meine Waden herauf streichen. Sie fressen sich in meine Beine, in meinen Bauch und in meine Brust und legen ihre langen, gnadenlosen Finger um meinen Hals um langsam zuzudrücken.

Ich liebe es wenn er wieder zu mir kommt und wenn seine tiefe hauchende Stimme in meine Ohren flüstert.

Ich liebe was er mir zu sagen hat.

Er sagt mir, dass er mich mitnehmen wird, dass er meine Seele aus meiner Brust zerren wird und direkt in die Hölle verbannt.

Ich höre es mir an und recke den Hals, damit ich die Kälte auf meiner Haut spüre, wo sein todbringender Atem mir sanft die Haare aufstellt. Ich liebe es.

Ich liebe seine Lügen.

Ich weiß, dass er bei mir ist und ich weiß, dass er sich irrt. Denn er wird ohne mich gehen. Er wird mich hier liegen lassen, wenn er sich tief genug durch meine Brust gegraben hat, an den zerstochenen Fleisch meines Herzens vorbei und dort nach meiner Seele gesucht hat, die er dort nicht finden werden kann.
 

Keine unsterbliche Seele in meinem Leib.

Ich habe sie verkauft. Sie wurde mir genommen.
 

Nun bin ich es selbst, der unsterblich ist.
 

In meine leisen Gebete schließe ich eine Entschuldigung an die Kälte ein, die mir so vertraut im Nacken sitzt.

Ich verhöhne den Tod nicht. Ich sehne mich nach ihm und seinen gefühllosen Berührungen und den Grausamkeiten, die er mir ins Ohr haucht. Er wird mich niemals haben können, aber ich genieße seine Aufmerksamkeit.

Es ist ein Privileg. So oft hat er schon seinen Griff an mich gesetzt. Verboten gut fühlt es sich an. Jedes mal. Ein Mensch, der noch ein echter Mensch ist, kann das nicht verstehen, das weiß ich. Sie verstehen es nicht das Sterben zu genießen, so wie ich es tue. Meine Rituale sind verschwendete Geschenke an sie. Auch sie rollen die Augen nach hinten, wenn es so weit ist. Auch sie reißen den Kopf in den Nacken und auch sie geben dann wenig kontrollierte Laute von sich. Auch sie fangen an zu ihren Gott zu beten. Aber ihnen ziehen sich dabei nicht die Mundwinkel nach oben. Dieser Moment ist so kurz, dass sie verpassen ihn zu bemerken. Es zu genießen sind sie nicht fähig. Jashin, sie tun mir Leid. Ich weiß, ich tue ihnen einen Gefallen, wenn ich sie aus ihren traurigen Leben reiße, und mir selber noch einen viel größeren.

Sie nennen mich ein Monster. In Wirklichkeit erkennen sie nur meinen Segen nicht.
 

Die Schritte hinter mir sind schwerer als die fremden unsichtbaren, die mich langsam verlassen. So gut es geht ignoriere ich sie und schließe die Augen. Es ist viel wichtiger, dass ich mich noch mal konzentriere, wenn sich meine Finger erneut an den Stab bewegen.

Knapp vor der tiefen Fleischwunde umgreife ich den Stahl, an dem mein eigenes Blut in einer schmierigen dickflüssigen Schicht klebt. Schnell reiße ich ihn nach oben. Der Geschmack von Kupfer schießt mir die Kehle hinauf und füllt meinen Mund aus. Er klebt mir am Gaumen, meiner Zunge und siecht mir aus den Mundwinkeln. Das Blut in meinen Hals gurgelt mir etwas im Rachen als ich genüsslich aufseufze, während ich die Waffe, mit der ich mich an die Erde geheftet hatte, neben mir in meiner Hand zu Boden sinken lasse.

Die Blutung versuche ich nicht zu stoppen, wo der plötzlich fehlende Fremdkörper es wieder viel leichter macht. Meine Sucht lässt es nicht zu, dass ich diese wunderbaren Momente kleinzuhalten versuche.

Ich muss es genau spüren, wie wundervoll es ist den Gottlosen überlegen zu sein. Ich muss spüren wie sich Zellen regenerieren und wie abgerissene Adern nach ihres gleichen winden.

Ich muss es dringend spüren, wie lebendig ich bin. Ich muss merken dass ich einem Gott gehöre, aber dass ich selbst so viel mehr Gott bin als jeder, der es nicht tut.

Es ist eine verbotene Frucht die mich Jashin kosten lässt. Menschen können keine Götter sein. Aber er lässt mich spüren wie es ist.

Es ist geil. Es ist wie eine Droge. Meine Schuld abzubezahlen fühlt sich selbst wie eine Bezahlung an.
 

Dass ich leise, in dem leichten Delirium in dem ich stecke, zu kichern angefangen habe, bemerke ich nur am Rande und langsam öffne ich die Augen. Kakuzus auf den Kopf gestellter Blick auf mir lässt mich breit grinsen.

Ich ekel ihn an. Er versteht es nicht. Hätte er nicht seine eigene perverse Unsterblichkeit gefunden, dann hätte er Angst vor mir.

Es amüsiert mich ehrlich.
 

Ich möchte etwas sagen, aber ich erspare es mir. Ich weiß, dass ich diese Diskussionen nicht gewinne, obwohl ich auch nicht verliere und nie gehe bevor ich fertig bin. Aber das Genießen fällt mir leichter, wenn es so ist wie jetzt.

Bald werde ich aufstehen und mein Leben mitnehmen, anstatt es hier mit meinen Blut und einen Teil meines Verstandes zurückzulassen. Nur damit ich es mir selbst wieder nehmen kann.

Wieder und wieder und immer wieder.

Der Tod wird sich wieder schwer auf meine Brust knien. Er wird seine Hände in mein Herz stecken und es mit seinen scharfen Nägeln einreißen. Er wird sich freuen mich holen zu dürfen und ich werde ihn wieder enttäuschen. Für immer. Es ist so bitter wie es süß ist. Wie es fantastisch ist. Wie einzigartig.
 

Zischend greife ich nach meiner Brust.

Das kalte Blut wird wieder stockend durch meine Adern gequetscht und spart nicht an den brutalen Stichen, die es mir dabei versetzt, wenn Leben dahin zurückfindet, wo die Natur keines mehr erlaubt hätte.
 

Durch die kleinsten Zellen im Körper.

Durch die Venen und Arterien.

Durch das Fleisch.

Durch die Haut.
 

Ich spüre es.
 

Und ich weiß was es ist.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  yugi-san
2016-05-30T13:38:21+00:00 30.05.2016 15:38
Was für eine wundervolle FF*-*
Die etwas "älteren" FF's sind so schön zu lesen, man merkt noch wie viel Mühe dahinter steckt.
Die Beschreibung des Todes ist einfach wundervoll und wie du Hidans Gedanken und Emotionen schilderst, ist sehr gut und detailreich/ausführlich beschrieben.
Ich weiß, dass der Kommentar spät kommt, aber mach weiter so^^

LG
yugi-san
Von:  Sternenschwester
2013-08-31T22:46:12+00:00 01.09.2013 00:46
... erstmals wow was die Beschreibungen angeht... die sind dir echt gut gelungen und selbst die wirlklich gute Darlegungen von den Einblicken in seiner Seele, können einfach nicht mit der Wortwahl Schritthalten sie du für die Beschreibungen von dem Schmerz und dem Näherkommen des Todes benutzt hast. Eine sehr eindringliche FF, aber ohne unangenehmen Beigeschmack bezüglich der Umsetzung... Hut ab!!
lg, Sternenschwester
Antwort von:  Mituna_Captor
01.09.2013 01:02
ich bin gerade furchtbar nervös geworden, als ich gesehen hab, dass ich einen Kommentar bekommen hab. was bin ich erleichtert dass es so ein lieber ist! vielen dank für das total nette Feedback, das freut mich riesig!!! :))


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