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Tirons Träume

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Anderer Zeitpunkt, aber selbe Charaktere wie in Eine zweite Chance Komplett anzeigen

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Er hatte keine Ahnung, wie der Brief in sein Zimmer gekommen war, aber die Nachricht war eindeutig: Triff mich heute Nacht an der Kreuzung unter den Eichen. Ein kurzer Blick aus dem Fenster verriet, dass er nicht zögern durfte, wollte er diese Vereinbarung einhalten und er hätte auch nicht gezögert, selbst wenn draußen nicht schon die Abenddämmerung eingesetzt hätte. Die spitzen Gebirgskämme und die Steilhänge von Verlest leuchteten rot und golden im Licht der Abendsonne, als er sein Pferd aus dem Stall auf den Hof führte und aufsaß. Niemand fragte ihn, wohin er wollte. Vielleicht hatte ihn auch niemand gesehen, ihm war es gleich. Das einzige, was zählte war, sie heute Nacht zu sehen. Auf der offenen Straße ließ er dem Hengst die Zügel schießen und beugte sich weit über den Pferdehals. Der Windzug des rasenden Tempos ließ den Mantel hinter ihm sich bauschen und flattern, obwohl er aus schwerem, warmen Stoff war. Unter sich fühlte er, wie der muskulöse Pferdekörper sich im Takt der Galoppsprünge spannte, ein vertrautes, beruhigendes Gefühl. Langsam sank die Sonne hinter den westlichen Horizont und der Reiter sah sich gezwungen, das Tempo zu verlangsamen. Auch wenn er die Straße kannte und diese gut befestigt war, hätte es alle seine Pläne, seine Wünsche und Hoffnungen zunichte gemacht, wenn das Pferd gestrauchelt wäre und sich ein Bein gebrochen hätte. In zügigem Trab ging es weiter, vorbei an Wiesen, die die Abenddämmerung in weiche Blautöne tauchte und an blühenden Obsthainen, deren süßer Duft nur schwach an die Nase drang, weil sich mit dem schwindenden Licht die Blüten schlossen und kühler Nachtwind von den Bergen den Duft verwehte. Weit entfernt schrie ein Käuzchen klagend und dann bog er um die letzte Kurve, die dunklen Umrisse der Eichen hoben sich von den dahinter liegenden Feldern ab und einen Moment fürchtete er, zu spät gekommen zu sein.

Doch dann trat eine Gestalt aus dem Schatten und selbst jetzt, wo der Mond noch nicht ganz aufgegangen war und nur spärliches Licht verbreitete, wusste er, dass sie es war. Mit einem Satz schwang er sich aus dem Sattel, gab dem Pferd beiläufig einen Klaps, damit es von der Straße und zwischen die Büsche trottete und ging die letzten Meter mit weit ausgreifenden Schritten auf sie zu. Sie trug den gleichen Mantel wie beim letzten Mal und darunter sah er die Schuppen der Rüstung hell schimmern. Nur die Haare hatte sie aus den strengen Flechten gelöst, so dass sie ihr lang über die Schultern auf den Rücken fielen, wo sich der Nachtwind hin und wieder in einer Strähne fing. Und ihre Waffe trug sie nicht, hatte sie vielleicht im Schatten der Bäume zurückgelassen.

„Da bist du ja. Ich dachte schon, du kommst nicht mehr...“, mit diesem Seufzen warf sie sich in seine Arme. Im ersten Moment war er zu überrascht, um etwas zu sagen und schloss stattdessen nur die Arme um sie. Dann aber kamen ihm tausend Dinge in den Kopf, die er ihr unbedingt erklären musste. „Hildegard, ich...“, begann er, aber sie brachte ihn zum Schweigen, indem sie ihm den Finger auf die Lippen legte. Als sie den Kopf hob, lag etwas in ihrem Blick, das ihm deutlich sagte, sie war nicht zum Reden hergekommen – oder zumindest nicht nur. Mit einem halben Lächeln senkte er den Kopf etwas und küsste sie vorsichtig auf die Lippen. „Ich erkläre es dir später“, versprach er dann und sie nickte kurz, zustimmend, bevor sie ihm die Lippen erneut zum Kuss bot.

Die paar Schritte von der Straße unter die Bäume legten sie beinahe stolpernd zurück, unwillig, sich jetzt schon voneinander zu lösen. Dort angekommen, besaß er immerhin soviel Geistesgegenwart, seinen Mantel abzulegen und über dem Gras auszubreiten. Jetzt war die Hektik verflogen und er nahm sich Zeit, die Schnallen ihrer Rüstung zu lösen und ihr dabei immer wieder flüchtige Küsse auf die Wangen oder den Hals zu tupfen. Mit einem erstaunlich leisen Klirren ließ er den Schuppenpanzer ins Gras fallen und hob dann die Hand, um eine verirrte Strähne ihres Haares nach hinten zu streichen, aber sie fing seine Hand mit ihrer ein, führte sie an die Lippen und drückte einen Kuss in die Handfläche. Ein wohliges Schaudern durchlief ihn. Noch immer ohne Hast half er ihr aus der Tunika und streifte sich selbst das Hemd über den Kopf. Die Nachtluft war frisch, aber nicht kalt und noch ehe er das Hemd ganz abgelegt hatte, fühlte er, wie sie sich gegen ihn presste – und sie war warm. Bereitwillig ließ sie sich mit hinunter auf den Mantel ziehen, wo das hohe Gras unter dem Stoff federnd nachgab, bis sie in einer eigenen, kleinen Kuhle lagen, auf die das Licht des höher steigenden Mondes wie Wassertropfen aus den Blättern der Eichen auf sie herabfiel. Aber für die Schönheit der Sommernacht hatte er keine Augen, seine Aufmerksamkeit galt allein der Schönheit in seinen Armen, die sich weich an ihn schmiegte. Die langen, braunen Strähnen lagen teils wild durcheinander schlängelnd auf dem Mantel, teils wanden sie sich wie Schmuckbänder um ihre Oberarme und fielen ihr über die Schulter auf die Brüste. Die Eichen warfen weiche, bläuliche Schatten auf ihre helle Haut, ließen die Konturen unscharf werden, so dass er versucht war, ihren Körperumriss mit der Hand nachzuzeichnen. Nach einen Moment gab er der Versuchung nach, strich vom Schulterblatt über die Seite bis auf den Bund der Hose, die sie wie er auch noch immer trug und machte dann kehrt, um auf der weichen, warmen Haut wieder nach oben zu fahren. Seine Hand streifte auf diesem Weg kurz über ihre Brust und kam dann auf der Halsseite zu liegen. Ein kurzes Lächeln huschte über seine Gesichtszüge, als er bemerkte, wie sie sich der Berührung entgegenstreckte und genießerisch die Augen schloss. Seine Küsse wurden jetzt mutiger, forscher und wanderten über ihren Hals hinunter bis zum Ansatz der Brüste, seine Hände strichen ruhelos über ihren Körper und eroberten zurück, was sie nach der Nacht in Ravensloft schon verloren geglaubt hatten. Die weiche Kurve ihrer Hüfte, das Tal zwischen ihren Brüsten, die weiche Haut am Hals knapp hinter dem Ohr. Gleichzeitig spürte er ihre Hände auf seinem Rücken und in seinem Nacken, die ihn näher zu ihr zogen oder ihn doch zumindest keinen Zentimeter weiter fortlassen wollten. Sie duftete nach Leder und einfacher Seife und dem ersten gemähten Gras und nach noch etwas anderem, das sich nicht fassen ließ, das aber rein und ungekünstelt und verlockend war. Etwas, das sein Verlangen höher lodern ließ, so dass es ihm plötzlich kaum schnell genug gehen konnte, sie und sich jetzt auch noch der Stiefel und der Hose zu entledigen. Die Sachen landeten achtlos im Gras und sie schmiegte sich nackt wieder an seine Seite. Ihre Hände strichen sanft lockend über seine Brust, wanderten in seinen Nacken und zogen ihn zu sich herüber, eine Bewegung, die er fortführte, indem er sich über sie beugte, auf einen Ellenbogen abgestützt, und ein Knie zwischen ihre Beine schob. Mit leidenschaftlicheren, fordernderen Küssen, nicht nur auf ihre Lippen, drängte er sie in die Kuhle im Mantel und ihr Körper wand sich unter ihm, bald seinem Druck nachgebend, sich bald dagegen aufbäumend, um sich enger an ihn zu drücken. Er spürte ihre Hände auf seinen Schultern, spürte wie ihre Fingernägel über seine Haut kratzten und wie sie mit den Fingern auf der Innenseite seines Beines hochfuhr und...

Tiron de Varro erwachte mit pochendem Herzen und einem schmerzlichen Ziehen in der Lendengegend. Einen Moment starrte er orientierungslos in den Raum und hatte keine Ahnung, wo er sich befand und warum sie nicht da war, dann erhellte ein jäher Lichtblitz das Zimmer und die gewohnte Umgebung kehrte an ihren Platz in der Realität zurück. Mit einem schweren Seufzen auf den Lippen befreite Tiron sich aus dem zerwühlten Laken, das sich um seine Beine gewickelt hatte und stand auf. Im Zimmer war es schwül und stickig und dunkler als in den vergangenen Nächten. Nach dem Blitz zerriss nun grollender Donner die Stille. Er trat ans Fenster und stieß die Läden weit auf. Ein Schwall kühler Nachtluft kam ihm entgegen, begleitet vom Rauschen der Bäume vor dem Haus und dann, nur Augenblicke später, vom Prasseln des einsetzenden Regengusses. Der Himmel war pechschwarz und die dichte Wolkendecke entzog den Mond, der längst aufgegangen sein musste, den Blicken. Ein neuerlicher Blitzschlag ließ die Umrisse der sich im Wind biegenden Bäume wie Scherenschnitte hervortreten. Das Gewitter zog jetzt über die Felder, der Donner rollte schon weiter entfernt, in Richtung der Berge davon. Vermutlich war es der erste Donnerschlag gewesen, der ihn geweckt hatte, obwohl das Grollen schon verklungen war, bevor er es bewusst hatte wahrnehmen können. Der frische Wind brachte Feuchtigkeit mit und Tiron fröstelte, als die kalte Luft über seine nackte Haut strich. Immerhin vertrieb sie die – allzu körperlichen – Überbleibsel des Traumes. Nach einem weiteren Moment am Fenster und noch zwei, drei tiefen Atemzügen kehrte er zum Bett zurück, ohne die Läden wieder zu schließen und ließ sich frustriert in die Kissen fallen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  AnniinaAgricola
2014-06-14T04:48:09+00:00 14.06.2014 06:48
Schöner Schreibstil und schöne Handlung.
Gibt's da bald en Nachfolger?^^
Antwort von:  Verlest
23.06.2014 10:13
Vielen Dank!
Es ist allerdings keine Fortsetzung geplant, die Kurzgeschichte ist so abgeschlossen und wir arbeiten mittlerweile schon an neuen, längeren Sachen wie den Rosen von Malfori.


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